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TIEPI MOIHTIKHS.
DIE POETIK
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 7828
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der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-007828-0
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1. Von der Dichtkunst selbst und von ihren Gattungen,
welche Wirkung eine jede hat und wie man die Handlungen
zusammenfiigen muf, wenn die Dichtung gut sein soll,
ferner aus wie vielen und was fiir Teilen. eine Dichtung
besteht, und ebenso auch von den anderen Dingen, die 2u
demselben Thema gehiren, wollen wir hier handeln, indem
wir der Sache gema 2uerst das untersuchen, was das erste
ist.
Die Epik und die tragische Dichtung, ferner die Komédie
und ge Create! sowie ~ grOtenteils? ~ das
un sie alle sind, als Ganzes betrachtet,
| Nichmange Sie unterscheiden sich jedoch in dreifacher
insicht voneinander: entweder dadurch, daf sie durch je
verschiedene Mittel, oder dadurch, daf sie je verschiedene
Gegenstinde, oder dadurch, da8 sie auf je verschiedene und
nicht auf dieselbe Weise nachahmen.?
Denn wie manche mit Farben und mit Formen, indem sie
Ahnlichkeiten herstellen, vielerlei nachahmen - die einen auf,
Grund von Kunstregeln, die anderen durch Ubung ~ und
andere mit ihrer Stimme*, ebenso verhilt es sich auch bei den
genannten Kiinsten: sie alle bewerkstelligen die Nachahmung
mit Hilfe bestimmter Mittel, niamlich mit Hilfe des Rhyth-
mus und der Sprache und der Melodie, und zwar verwenden
sie diese Mivtel teils einzeln, teils zugleich.$ Zum Beispiel
verwenden das Flaten- und Zitherspiel - sowie andere Kiin-
ste, welche dieselbe Wirkung haben, etwa das Spiel der
Syrinx® — nur Melodie und Rhythmus, die Tanzkunst allein
den Rhythmus ohne Melodie; denn auch die Tanzer ahmen
mit Hilfe der Rhythmen, die die Tanzfiguren durchdringen,
Charaktere, Leiden und Handlungen nach.”
Diejenige Kunst, die allein die Sprache, in Prosa oder in
Versen® — in Versen, indem sie entweder mehrere Mae
miteinander vermischt oder sich mit einem einzigen Ma
begniigt -, verwendet, hat bis jetzt keine eigene Bezeich-
nung erhalten. Denn wir kénnen keine Bezeichnung ange-
ben, die folgendes umgreift: die Mimen des Sophron und6 Tegt xounnxe [1447b-1448a)
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Die Poetik 7
Xenarchos,? die sokratischen Dialoge! sowie — wenn
jemand mit diesen Mitteln die Nachahmung bewerkstelligen
will — die jambischen Trimeter oder elegischen Distichen
oder sonstigen Versmafe. Allerdings verkniipft eine verbrei-
tete Auffassung das Dichten mit dem Vers, und man nent
die einen Elegien-Dichter, die anderen Epen-Dichter, wobei
man sie nicht im Hinbli i g sondern
pauschal ezeichnet.
Denn auch, wenn jemand etwas Medizinisches oder Natur-
wissenschaftliches in Versen darstellt, pflegt man ihn so 2u
nennen. Homer und Empedokles™ haben indes aufter dem
Vers nichts Gemeinsames; daher wire es richtig, den einen
als Dichter zu bezeichnen, den anderen aber cher als Natur-
forscher denn als Dichter. Umgekehrt mu man jemanden,
der Nachahmung bewerkstelligt, selbst wenn er hierbei alle
‘Versmafe miteinander vermischt, wie etwa Chairemon den
»Kentaurene als eine aus allen Versmafen gemischte Rhap-
sodie gedichtet hat, als Dichter bezeichnen.™*
Diese Dinge lassen sich also auf diese Weise voneinander
abgrenzen. Es gibt nun Kiinste, die alle die oben genannten
Mittel verwenden, ich meine den Rhythmus, die Melodie
und den Vers, wie 2. B. die Dithyramben- und Nomendich-
tung" und die Tragddie und Komddie, Diese Kiinste unter-
scheiden sich dadurch, daf sie die genannten Mittel teils von
Anfang bis Ende, teils abschnitesweise verwenden." Dies
sind die Unterschiede der Kiinste, die durch die Mittel
bedingt sind, mit deren Hilfe die Nachahmung bewerkstel-
ligt wird.
2. Die Nachahmenden ahmen handelnde Menschen nach.
Diese sind notwendigerweise Gntweder gut oder sees,
Denn die Charaktere fallen fast stets unter eine dieser beiden
Kategorien; alle Menschen unterscheiden sich namlich, was
ihren Charakter betrifft, durch Schlechtigkeit und Giite.
Demzufolge werden Handelnde nachgeahmt, die entweder
besser oder schlechter sind, als wit zu sein pflegen, oder
auch ebenso wie wir.’ So halten es auch die Maler: Poly gnot8 Hegi mountexiic (144:
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Die Poetik = 9
hat schénere Menschen abgebildet, Pauson hiiflichere, Dio-
nysios ahnliche.?
Fs ist nun offenkundig, da von den genannten Arten der
Nachahmung® jede diese Unterschiede hat und da sie
dadurch je verschieden ist,-da8 sie auf die beschriebene
Weise je verschiedene Gegenstinde nachahmt. Denn auch
beim Tanz sowie beim Fléten- und Zitherspiel kommen
diese Ungleichheiten vor, und ebenso in der Prosa und in
gesprochenen Versen. So hat Homer bessere Menschen
nachgeahmt, Kleopbon uns ahnliche und Hegemon von
Thasos, der als erster, Parodien dichtete, sowie Nikochares,
der Verfasser der »D schlechtere.* Dasselbe gilt fir
die Dithyramben und die Nomen; man kénnte nimli
ebenso nachahmen, wie Timotheos und Philoxenos die
Kyklopen nachgeahmt haben.* Auf Grund desselben Unter-
schiedes weicht auch die Tragidi ie ab: die
-Komébdie sucht schlechtere,
nachzuahmen, als sie in der Wirklichkeit vorkommen.
3. Nun zum dritten Unterscheidungsmerkmal dieser Kiin-
ste: zur Art und Weise, in der man alle Gegenstinde nachah-
men kann. Denn es ist méglich, mit Hilfe derselben Mittel
dieselben Gegenstande nachzuahmen, hierbei jedoch entwe-
der zu berichten — in der Rolle eines anderen, wie Homer
dichtet, oder so, da® man unwandelbar als derselbe spricht—
oder alle Figuren als handelnde und in Titigkeit befindliche
auftreten zu lassen."
Die Nachahmung ‘iberhaupt lat also, wie wir 21 Anfang
sagten, nach diesen drei Gesichtspunkten Unterschiede
erkennen: nach den Mitteln, nach den Gegenstinden und
der Art und Weise, Daher ist Sophokles in der einen Hin-
sicht ein Nachahmer von derselben Art wie Homer (denn
beide ahmen gute Menschen nach), in der anderen Hinsicht
wie Aristophanes (denn beide ahmen Handelnde und sich
Betitigende nach).?
Daher werden,
genannt: sie ahmen ja sich Betitigende (drontes, von dran)Hegi xouptuxiig (14482-14486)
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Die Poetik 11
nach, Aus eben diesem Grunde* (GEanSpRUCHED die Dorer
sowohl die Tragédie als auch die Komadie. Die Komé«
wird nmlich von den Megarern beansprucht, von den hi
gen mit der Begriindung, sie sei dort zur Zeit der bei ihnen
herrschenden Demokratie entstanden, und von den sizili-
schen, weil von dort der Dichter Epicharmos stammt, der
viel fridher gelebt hat als Chionides und Magnes.* Die Tra-
gédie wiederum wird von einigen Stidten in der Peloponnes
beansprucht. Die Dorer fithren hierbei die Bezeichnung als
Beweis an. Denn sie selbst, so sagen sie, nennten die Vororce
»komaix, die Athener hingegen »demoie, und die Komé-
dianten hatten ihren Namen nicht vom Umherschwarmen
(komdzein), sondern davon, da sie, als Ehrlose aus der
Stade vertrieben, durch die Vororte gezogen seien.* Ferner
heie das Handeln bei ihnen selbst »dran«, bei den Athenern
jedoch »prarteine f
Soviel tber die Zahl und Beschaffenheit der Unterschiede in
der Nachahmung iberhaupt.
4. Allgemein' scheinen zwei Ursachen” die Dichtkunst her-
GEA Saas
und der Mensch
unterscheidet sich dadurch von den tibrigen Lebewesen, das
er in besonderem Male zur Nachahmung befahigt ist und
seine ersten Kenntnisse durch Nachahmung erwirbt — als
auch die Freude, die jedermann an Nachahmungen hat. Als
Beweis hierfiir kann eine Exfahrungstatsache dienen. Denn
von Dingen, die wir in der Wirklichkeit nur ungern erblik-
ken, sehen wir mit Fretide méglichst getreue Abbildungen,
2. B. Darstellungen von auerst unansehnlichen Tieren und
eee he ‘Das Lernen bereitet nicht
Ursache hiervon® ist folgendes:
iese = a a
nur wenig
den Anblick von Bildern, (veil sie beimBetfachten etwas)
i-12 Meet sountixig (1448b-14493)
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Die Poctik 13
was ein jedes sei, z. B.
ien darstelle. (Wenn man indes
den dargestellten Gegenstand noch nie erblickt hat, dann
bereitet das Werk nicht als Nachahmung Vergniigen, son-
dern wegen der Ausfihrung oder der Farbe oder einer
anderen derartigen Eigenschatt.)
Da nun das Nachahmen unserer Natur ist, und
ebenso die Melodie und der Rhythmus — denn die Verse
Einheiten der Rhythmen sind, ist offenkundig -, haben die
hierfiir besonders Begabten von den Anfingen an allmahlich
Fortschritte gemacht und so aus den Improvisationen die
Dichtung hervorgebracht.
Die Dichtung hat sich hierbei nach den Charakteren aufge-
teilt, die den Autoren eigentiimlich waren. Denn die Edleren
ahmten gute Handlungen und die von Guten nach, die
Gewohnlicheren jedoch die von Schlechten, wobei sie zuerst
Riigelieder dichteten, die anderen hingegen Hymnen und
Preislieder.
‘Aus vorhomerischer Zeit kénnen wir von niemandem ein
derartiges Gedicht nennen, doch hat es sicherlich viele Dich-
ter gegeben. Von Homer an hingegen ist uns das méglich,
wie es z.B. von ihm selbst den »Margites« und Ahnliches
gibt. In jenen Riigen kam in angemessener Weise der
jambische Vers auf; er wird noch cc (iam-
beion) genannt, weil sich die Leute in diesem Versma8 zu
jambizein) pflegten. So dichteten die Alten teils
teils i rersen.5
Wie nun Homer fiir das Edle der vorziiglichste Dichter war
~ denn er hat als einziger nicht nur gut gedichtet, sondern
auch dramatische Nachahmungen hervorgebracht , so hat
er auch die Form der Kamigangedeuer, indem
er nicht sondern das dramatisierte.®
Denn wie sich die »llias« und die »Odyssee« zu den Tragé-
dien verhalten, so verhilt sich der »Margites« 2u den Komé-
dien.
Nachdem die Tragédie und die Komédie aufgekommenNegi ountixje
(14494)
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bs txaota xoondi-
Die Poetik 15
waren, bemichtigten sich die Dichter
einer der beiden Gattungen, und die einen wurden statt
Jambikern Komédiendichter, die anderen statt Epikern Tra-
giker, weil diese Formen grofartiger und angesehener waren
als jene.”
Zu untersuchen, ob die Tragédie hinsichtlich ihrer Ele-
mente? bereits einen hinlinglichen Entwicklungsstand
erreicht hat oder nicht und hieriber an und fiir sich und im
Hinblick auf die Auffihrungen zu befinden, ist ein anderes
Problem. Sie hatte urspriinglich aus Improvisationen bestan-
den (sie selbst und die Ko sie selbst von seiten derer,
die den Dithyrambos, die Komédie von seiten derer, die die
Phallos-Umaziige, wie sie noch jetat in vielen Stidten im
Schwange sind, anfihrten); sie dehnte sich dann allmihlich
aus, wobei man verbesserte, was bei ihr zum Vorschein
kam, und machte viele Verinderungen durch. Ihre Entwick-
lung hdrte auf, sobald sie ihre eigentliche Natur verwirklicht
hatte.”
‘Aischylos hat als erster die Zahl der Schauspieler von einem
auf zwei gebracht, den Anteil des Chors verringert und den
Dialog zur Hauptsache gemacht. Sophokles hat den dritten
Schauspieler und die Bulhnenbilder hinzugeftige. Was ferner
die Grdfle betrifft, so gelangte die Tragédie aus kleinen
Geschichten und einer auf Lachen ziclenden Redeweise sie
aus dem Satyrischen hervorgegangen — erst spit 2
ichkeit, und hinsichtlich des Versmafes ersetzte der
jambische Trimeter den trochiiischen Tetrameter. Denn
zunichst hatte man den ‘Tetrameter yerwendet, weil
Dichtung satyrspiclartig war und dem Tanze nher stan
aber der gesprochene Dialog aufkam, wies die Natur selbst
auf das geeignete Versmaf.'" Denn der Jambus ist unter
allen Versen der zum Sprechen geci i
estas der Konversation
doch selten in Hexametern und nur,
indem wir uns vor tiblichen Tonfall entfernen, Die Zahl der
Episoden™ schlieSlich und alles tibrige, womit die Tragédie,
nach ihrer Eigenartee
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ahAdrrew,
Die Poeik. 17
wie es heift, im cinzelnen ausgestattet wurde, wollen wir auf
sich beruhen lassen; denn es ware wohl eine umfangreiche
‘Aufgabe, diese Dinge Punkt fiir Punkt durchzugehen.
aber nicht im Hinblick auf jede Art
eit, sondern nur insoweit, als das Lacherli-
teilhat. Das Licherliche ist namlich ein
mit Halichkeit verbundener Fehler, der indes keinen
Schmerz und kein Verderben verursacht,? wie ja auch die
(chee Maske hich vod verze, jedoch obne den
Ausdruck von Schmerz.
Die Verinderungen der Tragédie, und durch wen sie
bewirkt wurden, sind wohlbekannt. Die Komédie hingegen
wurde nicht ernst genommen; daher blieben ihre Anfange
im dunkeln. Denn erst spat bewilligte der Archon einen
Komédienchor;* zuvor waren es Freiwillige. Erst als die
Komédie cinigermaSen bestimmte Formen angenommen
hatte, wurde die Erinnerung an ihre bedeutenderen Dichter
bewahrt, Wer die Masken oder die Prologe oder die Zahl der
Schauspieler, und was dergleichen mehr ist, aufgebracht hat,
ist unbekannt. Der Gedanke, Handlungen zu erfinden, kam
urspriinglich aus Sizilien; in Athen begann Krates als erster,
die jambische Are aufzugeben und cusammenhingende
Handlungen von allgemeiner Bedeutung zu erfinden.
Die Epi der Tragédie insoweidltiberéin, als sie
hahmung guter Menschen in Versform ist; sie unter-
x af sie nur ein @inziges Versa)
Ferner in der Ausdeh-
nung: die Tragédie versucht, sich nach Méglichkeit inner-
halb eines einzigen Sonne aaa baleen
ens ,e-
SSR RRR ke auch in diner Punkte anders
obwohl man es hierin urspriinglich bei den. Tragddien
ebenso gehalten hatte wie bei den Epen. Die Teile sind veils
bei Epos und Tragédie dieselben, teils Eigentiimlichkeiten
der ‘Tragédie.” Daher vermag, wer eine gute von einerTeot xourtxag 1449b-1,
4503]
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Enel 58 ngdrrovees novooven
Die Poetik 19
schlechten Tragddie unterscheiden kann, dasselbe auch bei
den Epen. Denn was die Epik ent ist auch in der
Tragédie vorhanden, doch was die Tragédie enthile, ist
nicht alles in der’ Epik vorhanden.
6. Von derjenigen Kunst, die in Hexametern nachahmt, und
Sdie wollen wir spiter reden;* jetze teden wit)
wobei
ir die Bestimmung ihres Wesens
aufnehmen, wie sic sich aus dem bisher Gesagten ergibt.?
din
GroRe, in a
, rmenden Mittel in
den einzelnen Abschnitten je verschieden angewandt werden
- Siminbonopray apiece und nicht durch Beriche,
die Jammer un orruft und hierdurch eine
Reinigung von derartigen Erregungszustinden bewirkt.* Ich
bezeichne die Sprache als anzichend geformt, die Rhythmus
und Melodie besitzt; ich meine mit der je verschiedenen
Anwendung der formenden Mittel die Tatsache, daft einiges
nur mit Hilfe yon Versen und anderes wiederum mit
4
ilfe
yon Melodien ausgefithrt
dies
Mittel sind, mit denen die Nachahmung vollfiihrt wird. Ich
~verstehe unter Sprache die im Vers zusammengefiigten Wor-
ter und unter Melodik das, was seine Wirkung ganz und gar
im Sinnlichen entfaltet. Nun geht es um Nachahmung von
Handlung, und es wird von Handelnden gehandelt, die
notwendigerweise wegen ihres Charakters und ihrer Er-
enntnisfahighei eine bestimmte Beschaffenheit haben (Es
sind ja diese Gegebenheiten,’ auf Grund deren wir auch den
Handlungen eine bestimmte Beschaffenheit zuschreiben,
und infolge der Handlungen haben alle Menschen Gliick
oder Ungliick.) Die Nachahmung von Handlung ist der
“Mythos. ib aa hier unter Miho:
zung der! unter Charakteren das, im Hin-
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Die Poetie 21
blick worauf wir den Handelnden eine bestimmre (BESChaf=9
fenheit 2uschreiben, unter Erkenntnistihigkeit das, womit
sic in ihren Reden etwas darlegen oder auch ein Urteil
abgeben.
Demzufolge enthilt jede Tragédie notwendigerweise sechs
Teile, die sie so oder so beschaffen sein lassen!
tt wird, sind zwei; die Art, wie nachgeahmt wird, ist
tine: die Gegenstinde, die nachgeahmt werden, sind drei,”
‘nd dariiber hinaus gibt es nichts, Nicht wenige bedienen
Sich dieser Teile, um gewissermafen selbstindige Arten
Garaus zu machen; immerhin besteht jedes Stiick in gleicher
Weise aus Inszenierung, Charakteren, Mythos, Sprache,
Melodik und Erkenntnistéhigkeit.”°
Der wichtigste Teil ist die Zusammenfiigung der(GEsehigh>
Denn die Tragédie ist nicht Nachahmung von Men-
‘chen, sondern von Handlung und von Lebenswirklichkeit.
und das
Lebensziel ist ene Art Han D Beschaf-
fenheit. Die Menschen haben wegen ihres Charakters eine
bestimmte Beschaffenheit, und infolge ihrer Handlungen
sind sie gliicklich oder nicht.)"* Folglich handeln die Perso-
nen nicht, um die Charaktere nachzuahmen, sondern um
fen willen bezichen sie Charaktere ein. Daher
sin as Ziel der Tragé-
die; das Ziel aber ist das Wichtigste von allem.’
Ferner kénnte ohne Handlung keine Tragédie zustande-
kommen, wohl aber ohne Charaktere. Denn die Tragidien
der Neueren sind grdBtenteils ohne Charaktere, und iber-
hhaupt ist dies bei vielen Dichtern der Fall."* Ebenso verhait
sich unter den Malern Zeuxis zu Polygnot; Polygnot war
‘namlich ein guter Maler von ‘Charakteren, die Gemiilde von
Zeuxis hingegen zeigen keine Charaktere.™*
Ferner, wenn jemand Reden aneinanderreihen wollte, die
Charaktere darstellen und sprachlich wie’gedanklich gut2 Meoi xountixiig (1450a-1450b]
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Die Poetik 23
gelungen sind, dann wird er gleichwohl die der Tragddie
cigentiimliche Wirkung®® nicht zustandebringen. Dies ist
ther bei einer Tragédie der Fall, der
genannten Hinsicht Schwachen zeigt, jedoch einen Mythos,
4. h. eine Zusammenfigung von Geschehnissen, enthalt.
Aukerdem sind die Dinge, mit denen die Tragdie die
Zuschauer am meisten ergreift, Bestandteile des Mythos,
nimlich die Peripetien und die Wiedererkennungen.
Ein weiterer Beweis ist, da& Anfanger in der Dichtung eher
imstande sind, in der Sprache und den Charakteren Treffen-
des zustandezubringen, als die Geschehnisse zusammenzu-
fiigen. Dies ist auch bei den ersten Dichtern fast ausnahms-
los der Fall.
n zwei ar
verhalt es sich ja auch bei der Malerei. Denn wenn
noch so
wenn er
ali
jemand blindlings Farben auftrigt, und seien s
schén, dann vermag er nicht ebenso zu gef
cine klare Umrifzeichnung herstellt. Die Tragédie i
ahmung von Handlung und hauptsichlich durch
Nachahmung von Handelnden.
d.h. das Vermégen,
das Sachgemae und das Angemessene"” auszusprechen, was
bei den Reden das Ziel der Staatskunst und der Rhetorik ist.
Denn die Alten liefen die Personen im Sinne der Staatskunst
reden, die Jetzigen lassen sie rhetorisch reden.®
Der Charakter ist das, was die Neigungen und deren
Beschaffenheit zeigt. Daher lassen diejenigen Reden keinen
Charakter erkennen, in denen iiberhaupt nicht deutlich
wird, wozu der Redende neigt oder was er ablehnt. Die
Erkenntnisfihigkeit zeigt sich, wenn die Personen darlegen,
da etwas sei oder nicht sei, oder wenn sie al
Ureeile abgeben.
Ich verstehe unter Sprache, wie
Sie dient dem
oben gesagt,24 Megi ounce
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Die Poetik 25
gleichen Zweck, ob es sich nun um Verse oder um Prosa
handelt.
Von den restlichen Teilen tragt die Melodik am meisten zur
(ain Formung bei. ig zwar
ie Zuschauer zu ergreifen;
ist jedoch das Kunstloseste
und hat am wenigsten etwas
it der Dichtkunst zu tun.
Denn die Wirkung der Tragédie kommt auch ohne Auffith-
rung und Schauspieler zustande.!” AuRerdem ist fiir die
Verwirklichung der Inszenierung die Kunst des Kostiim-
bildners wichtiger als die der Dichter.
7. Nachdem wir diese Dinge bestimmt haben, wollen wir
nunmehr darlegen, welche Beschaffenheit die Zusammenfii-
gung der Geschehnisse haben mu8, da diese ja der erste und
wicigste Teil der Tragédie ist.
Wir haben festgestellt,’ da die Tragédie die Nachahmung
einer in sich geschlossenen und ganzen Handlung ist, die
eine bestimmte GréRe hat; es gibt ja auch etwas Ganzes
ohne nennenswerte Gré8e. Ein Ganzes ist, was Anfang,
Mitte und Ende hat. Ein Anfang ist, was selbst nicht mit
Notwendigkeit auf etwas anderes folgt, nach dem jedoch
icherweise etwas anderes eintritt oder entsteht. Ein
umgekehrt, was selbst natiirlicherweise auf etwas
anderes folgt, und’ zwar notwendigerweise oder in der
Regel,? wihrend nach ihm nichts anderes mehr eintritt. Eine
Mitte ist, was sowohl selbst auf etwas anderes folgt als auch
etwas anderes nach sich zicht. Demzufolge diirfen Handlun-
gen, wenn sie gut zusammengefiigt sein sollen, nicht an
beliebiger Stelle einsetzen noch an beliebiger Stelle enden,
sondern sie miissen sich an die genannten Grundsitze
halten.
Ferner ist das Schéne bei einem Lebewesen und bei jedem
Gegenstand, der aus etwas zusammengesetzt ist, nicht nur
dadurch bedingt, da die Teile in bestimmter Weise ange-
ordnet sind; es mutt vielmebr
haben. Das Schéne beruht namlich auf der Groffe und der
Anordnung. Deshalb kann weder ein ganz Kleines Lebewe-a einem lll
Die Poetik 29
28 Megt nountinig (14510-14518)
auch in diesem Punkte das Richtige erkannt, sei es durch
Kunstverstand oder durch seine natiiliche Begabung. Denn
als er die »Odyssee« dichtete, da nahm er nicht alles auf, was
sich mit dem Helden abgespielt hatte, z. B. nicht, dat dieser
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auf dem Parna verwundet worden war oder daf er sich bei
der Aushebung wahnsinnig gestellt hatte? (es w:
aus nicht notwendig oder wahrscheinlich, da, wenn das
eine geschah, auch das andere geschahie) - vielmehr fiigte er
ie »Odyssee« um eine Handlung in dem von uns gemeinten
Sinne zusammen, und abnlich auch die »Tliase.
Demnach mu, wie in,den anderen nachahmenden Kiinsten
die Einheit der Nachahmung auf der Einheit des Gegenstan-
des beruht, auch die Fabel, da sie Nachahmung von Hand-
lung ist, die Nachahmung einer einzigen, und zwar einer
ganzen'Handlung sein. Ferner miissen die Teile der
Geschehnisse so zusammengefiigt sein, da sich das Ganze
verindert und durcheinander gerit, wenn irgendein Teil
uumgestelle oder weggenommen wird. Denn was ohne sicht-
bare Folgen vorhanden sein oder fehlen kann, ist gar nicht
3: A dm Gs ei sich ach a. Aue
che. Denn der Geschichtsschreiber und der
scheiden. nicht dadurch voneinander, daft sic
in Versen und der andere in Prosa mitteilt ~ man kénnte ja
Verse kleiden, und es ware inTegi mountixns [1451b)
Ve nota deta cupBatver 2é;
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Die Poetik 31
eit nach der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit
bestimmte Dinge sagt oder tut - eben hierauf zielt die
ung, obwohl sie den Personen Eigennamen gibt. Das
Besondere besteht in Fragen wie: was hat Alkibiades getan
oder was ist ihm zugestofen.
Bei der Komédie hat sich das schon deutlich herausgest
Denn ihre Dichter fiigen die Fabel nach den Regeln der
‘Wahrscheinlichkeit zusammen und geben den Personen erst
dann irgendwelche Namen, d.h. sie gehen nicht so vor
wie die Jambendichter, deren Dichtung um Individuen
kereise.* ;
; nun glauben wir von
dem, was nicht wirklich geschehen ist, nicht ohne weiteres,
da& es méglich sei, wahrend im Falle des wirklich Geschehe-
nen offenkundig ist, da es méglich ist — es ware ja nicht
geschehen, wenn es unméglich ware, Immerhin verhalt e:
sich auch bei den Tragddien so, da in einigen nur ein oder
zwei Namen u den bekannten gehéren, wahrend die tibri-
gen erfunden sind, in anderen sogar kein einziger Name
bekannt ist, wie im »Antheus« des Agathon.” In diesem
Stick sind’ nimlich die Namen in derselben Weise frei
erfunden wie die Geschehnisse, und es bereitet gleichwo!
Vergniigen. Demzufolge mu man nicht unbedingt bestrebt
sein, sich an die tberlieferten Stoffe, auf denen die ‘Tragd-
dien beruhen, zu halten. Ein solches Bestreben ware ja auch
licherlich, da das Bekannte nur wenigen bekannt ist und
gleichwohl allen Vergniigen bereitet.
Hieraus ergibr sich, daf sich die Tatigkeit des Dichters mehr
auf die Fabeln erstreckt als auf die Verse: er ist ja im
Hinblick auf die Nachahmung Dichter, und das, was er
nachahmt, sind Handlungen. Er ist also, auch wenn er
wirklich Geschehenes dichterisch behandelt, um nichts
weniger Dichter. Denn nichts hindert, da von dem wirk-
lich Geschehenen manches so beschaffen ist, daf es nach der32 Meo! xounrixiig
[1451b~14529]
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Die Poetik 33
Wahrscheinlichkeit geschehen kénnte, und im Hinblick auf
diese Beschaffenheit ist er Dichter’ derartiger Gescheh-
nisse,
ln und Handlungen sind Gre eps
(WaRiuS iS Uehienan* Ich bevelchne he Fubelalserse-
disch, in der die Episoden weder nach der Wahrscheinlich-
keit noch nach der Notwendigkeit aufeinanderfolgen, Sol-
che Handlungen werden von den schlechten Dichtern aus
eigenem Unvermagen gedichtet, von den guten aber durch
Anforderungen der Schauspieler. Denn wenn sie Deklama-
tionen dichten® und die Fabel iiber ihre Wirkungsméglich-
keiten hinaus in die Lange ziehen, dann sind sie oft geewun-
gen, den Zusammenhang zu zerreien.
Die Nachahmung hat nicht nur eine in sich geschlossene
Handlung zum Gegenstand, sondern auch Schaudererregen-
des und Jammervolles. Diese Wirkungen kommen vor allem
dann zustande, wenn die Ereignisse wider Erwarten eintre-
ten und gleichwobl folgerichtig auseinander hervorgehen. So
haben sie nimlich mehr den Charakter des Wunderbaren, als
wenn sie in wechselseitiger Unabhingigkeit und durch
Zafall vonstatten gehen" (denn auch von den zufilligen
Ercignissen wirken diejenigen am wunderbarsten, die sich
nach einer Absicht vollzogen zu haben scheinen — wie es bei
der Mitys-Statue in Argos der Fall war, die den Marder des
Mitys tétete, indem sie auf ihn stirzte, wahrend er sie
betrachtete; solche Dinge scheinen sich ja niche blindlings zu
ereignen)', Hieraus folgt, da8 Fabeln von dieser Art die
besseren sind.
10. Die Fabeln sind teils einfach, teils kompliziert.* Denn.
die Handlungen, deren Nachahmungen die Fabeln sind,
sind schon von sich aus so beschaffen. Ich bezeichne die
Handlung als einfach, die in dem angegebenen Sinne? in sich
zusammenhiingt und eine Einheit bildet und deren Wende*
sich ohne Peripetie oder Wiedererkennung, vollzicht, und
diejenige als kompliziert, deren Wende mit einer Wiederer-
kennung oder Peripetie oder beidem verbunden ist.