053-046l S2k Erhoehter TSH Wert 2017-04-Abgelaufen
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053-046l S2k Erhoehter TSH Wert 2017-04-Abgelaufen
DEGAM Erhöhter
TSH-Wert
in der
Hausarztpraxis
S2k-Leitlinie
AWMF-Register-Nr. 053-046
DEGAM-Leitlinie Nr. 18
Deutsche Gesellschaft
DEGAM
für Allgemeinmedizin
und Familienmedizin e.V.
DEGAM Leitlinien sind systematisch entwickelte Empfehlungen, die
Grundlagen für die gemeinsame Entscheidung von Ärzten
und deren Patienten zu einer im Einzelfall sinnvollen gesund-
heitlichen Versorgung darstellen.
DEGAM-Geschäftsstelle Leitlinien
Dr. med. Anne Barzel
c/o Institut für Allgemeinmedizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Tel.: +49 (0)40 7410-59769
Fax: +49 (0)40 7410-53681
[email protected]
© DEGAM 2016
Herausgeber
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und
Familienmedizin (DEGAM), Berlin
Autoren
Schübel J, Voigt K, Bründel K-H, Bergmann A
Stand 06/2016
Revision geplant 07/2020
Inhalt
1 Einführung 6
1.1 Zielgruppen und Ziele der Leitlinie 6
1.2 Definition „Erhöhter TSH-Wert“ 7
1.3 Epidemiologische Daten zur Häufigkeit erhöhter TSH-Werte 9
4 Leitlinienreport 26
4.1 Entwicklungskonzept 26
4.2 Zusammensetzung der Leitliniengruppe 27
4.3 Literaturrecherchen und Empfehlungsgenerierung 27
4.4 Konsensprozess 29
4.5 Praxistest und Patientenbeteiligung 30
4.6 Redaktionelle Unabhängigkeit 31
4.7 Danksagung 31
4.8 Gültigkeitsdauer und Fortschreibung 31
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DEGAM Leitlinie S2k: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis 5
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Übersicht der Empfehlungen zur weiterführenden Diagnostik bei erhöhtem TSH ...... 14
Tabelle 2:
Übersicht der Empfehlungen zur Therapie bei erhöhtem TSH ..................................... 23
Tabelle 3:
Entwicklungsschritte der Leitlinie ............................................................................... 26
Tabelle 4:
Empfehlungsstärken .................................................................................................... 29
Tabelle 5:
Ablauf und Ergebnisse des Delphiverfahrens .............................................................. 30
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Diagnostisches Vorgehen bei erhöhtem TSH-Wert ...................................................... 17
Abbildung 2:
Therapeutisches Vorgehen bei erhöhtem TSH-Wert .................................................... 25
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DEGAM Leitlinie S2k: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis 6
1 Einführung
Das Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH) wird als zentraler Marker für Schilddrüsen-
funktionsstörungen häufig laborchemisch bestimmt. Die TSH-Wertbestimmungen erfolgen
ambulant oder auch stationär einerseits bei symptombedingtem Verdacht auf eine Schilddrü-
senerkrankung, andererseits aber auch bei Routine-Laborbestimmungen. Allein in der ambu-
lanten hausärztlichen Versorgung erfolgte im Jahr 2012 bei 24,7% der Patienten (repräsentati-
ve Stichprobe von Versicherten einer großen deutschen Krankenkasse in Baden-Württemberg)
mindestens eine TSH-Wertbestimmung (unveröffentlichte eigene Daten). In der Folge der
TSH-Wertbestimmungen ergeben sich häufig Hausarzt-Patienten-Kontakte mit dem Bera-
tungsanlass „erhöhtes TSH“ und der Notwendigkeit weiterführender diagnostischer und the-
rapeutischer Entscheidungen.
Diese Leitlinie soll hausärztlich tätigen Ärzten Handlungsempfehlungen geben, welche diag-
nostischen und therapeutischen Vorgehensweisen bei erwachsenen Patienten (≥ 18 Jahre) mit
erhöhten TSH-Werten (Zielgruppe) eingeleitet werden sollten.
Nicht eingeschlossen in diese Leitlinie sind Therapie und Verlaufskontrolle von Patienten mit
primärer angeborener Hypothyreose, die nach pädiatrischer Betreuung im Erwachsenenalter
häufig von Endokrinologen weiterbetreut werden [1]. Auf die spezielle und weiterführende
Diagnostik und Therapie bei Schilddrüsenkarzinomen, sekundär erworbener Hypothyreose
sowie Struma und Knoten wird in der vorliegenden Leitlinie ebenfalls nicht eingegangen.
Weiterhin werden auch Diagnostik und Therapie von schwangeren Patientinnen sowie Frauen
mit unerfülltem Kinderwunsch und gehäuften Aborten, die einen erhöhten TSH-Wert auf-
weisen, nicht in diese Leitlinie eingeschlossen. Für Schwangere gelten andere Werte bzgl.
schilddrüsenspezifischer Laborwerte, Medikamentendosierung und Kontrollintervallen [2,3].
Die Betreuung kann im Sinne der Vermeidung einer Iatrogenisierung durch zusätzliche Arzt-
besuche durch die betreuenden Gynäkologen erfolgen.
Die Empfehlungen der Leitlinie basieren auf der Zusammenfassung der aktuellen Evidenz. Bei
einigen Themen liegt ausschließlich Evidenz aus dem spezialfachärztlichen Bereich vor, wel-
che nicht direkt auf das hausärztliche Setting übertragbar ist. Diese Passagen wurden in einem
Gremium hausärztlicher Experten diskutiert und es wurden gezielt Empfehlungen abgeleitet,
die dem hausärztlichen Setting gerecht werden.
Diese Leitlinie will für einen überlegten Einsatz von diagnostischen und therapeutischen Maß-
nahmen sensibilisieren mit dem Ziel der Vermeidung von Unter-, Fehl- und Überversorgung.
1 Sofern keine geschlechtsspezifischen Thematiken besprochen werden, werden im Folgenden zwecks besserer Lesbarkeit nur
die männlichen Bezeichnungen verwendet. Gemeint sind immer Männer und Frauen.
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n eine kontrollierte individuell angepasste Therapie, unter Abwägen von Nutzen und
Risiken für den Patienten (Wohlbefinden, Nebenwirkungen, Risiko für kardiovaskuläre
Folgeerkrankungen)
n eine Entängstigung der Patienten im latenten Krankheitsstadium auch durch die Ver-
meidung einer zu frühen Pathologisierung.
Der Referenzbereich für das basale TSH wird in der Leitlinie zur Schilddrüsendiagnostik der
Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin mit 0,4 - 4,0 mU/l angegeben [4]. Für Deutsch-
land liegen unterschiedliche Studienergebnisse zu oberen TSH-Referenzwerten vor, die in Ab-
hängigkeit von Population und Testverfahren meist unterhalb des o.g. Referenzwertes von 4,0
mU/l angegeben sind [5-7].
Basierend auf dieser Evidenz wird in der vorliegenden Leitlinie ein TSH-Wert > 4,0 mU/l als
erhöht definiert.
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DEGAM Leitlinie S2k: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis 8
Ein erhöhter TSH-Wert weist darauf hin, dass die Hypophyse vermehrt aktiv ist, um mögli-
cherweise eine latente (freie Hormone im Normbereich) oder manifeste Hypothyreose (freie
Hormone erniedrigt, vgl. Kap. 2.4.1) auszugleichen.
Bei der primär erworbenen Hypothyreose ist die Schilddrüse ursächlich für die verminderte
Thyroxinproduktion. Dies kann einerseits endogen durch den Untergang von Schilddrüsen-
gewebe, z.B. nach atrophischer Thyreoiditis erfolgen. Andererseits können auch exogene Fak-
toren eine primär erworbene Hypothyreose bedingen:
Ein erhöhter TSH-Wert kann, muss aber nicht von Symptomen begleitet sein. Die Unterteilung
in asymptomatische oder symptomatische Hypothyreose ist jedoch sehr unscharf, da es sich
bei den häufig berichteten Symptomen für Schilddrüsenerkrankungen um ein heterogenes
Feld sehr unspezifischer Beeinträchtigungen handelt [22,23].
Empfehlung 1.1
Es sollten nur mit der gleichen Bestimmungsmethode erhobene TSH-Werte mitein-
ander verglichen werden.
Der TSH-Spiegel wird durch multiple Faktoren (z.B. zirkadiane Rhythmik, Ernährung, Medika-
mente, Jodversorgung) beeinflusst.
Empfehlung 1.2
Aufgrund physiologischer Tageszeitschwankungen sollte die Blutentnahme jeweils
unter denselben Bedingungen (Uhrzeit, Nahrungsaufnahme, Medikamentenein-
nahme) durchgeführt werden [25].
Bei der Interpretation der TSH-Werte ist weiterhin zu beachten, dass das TSH positiv mit dem
Lebensalter und dem Gewicht korreliert ist [6,12,26]. Inwiefern erhöhtes Körpergewicht (Adi-
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positas) Ursache oder Folge eines erhöhten TSH-Wertes ist, ist in der Praxis initial schwer fest-
zustellen. Vor Hintergrund steigender Adipositasprävalenzen [103] sollte jedoch der Zusam-
menhang zwischen Körpergewicht/BMI und TSH-Wert beachtet werden [104].
n Medikamente
TSH beeinflussende Medikamente Art der TSH-Veränderung
hochdosierte Azetylsalizylsäure 4 x 1000 mg/d ↓ [28]
Heparin ↓ [29]
Glukokortikoide ↓ [6,30,31]
Amiodaron und Lithium können durch verschiedene, u.a. zytotoxische Mechanismen eine
organbedingte Erhöhung des TSH-Wertes auslösen [17,32,33].
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Es liegen nur sehr wenige Erhebungen vor, die Hinweise auf Prävalenzen von Schilddrüs-
enfunktionsstörungen in der Primärversorgung geben. Auf Basis der Sekundäranalyse von
kassenärztlichen Abrechnungsdaten schlüsselt das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Ver-
sorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI) jährlich die 50 häufigsten diagnostizierten
ICD-10-Schlüsselnummern (dreistellig) nach Fachgruppen auf. Für das Jahr 2012 fand sich
bei den Allgemeinärzten die sonstige Hypothyreose (E03) auf Rang 25 [37]. In der Sächsi-
schen Epidemiologischen Studie in der Allgemeinmedizin 4 (SESAM-4) lag die Jahresprävalenz
für Hypothyreose (ICD-10: E03) in der allgemeinärztlichen Sprechstunde (Jahreserhebung
2008/2009, n=2.529) bei insgesamt 2,0% (Frauen 3,0% vs. Männer 0,9%) [38].
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Viele Menschen mit erhöhtem TSH fühlen sich nicht krank. Sie berichten bei der Konsultation
ihrem Hausarzt eher beiläufig von möglicherweise krankheitsassoziierten Beschwerden (z.B.
Gewichtsveränderungen, Müdigkeit, Haut-/Haar-Veränderungen, Konzentrationsstörungen,
Kälteintoleranz, Menstruationsstörungen, Obstipation [39-45]), bisweilen mit, aber auch
ohne Krankheitscharakter. In vielen Leitlinien und Nachschlagewerken wird ohne Evidenzan-
gaben auf sog. typische Symptome verwiesen. Ergebnissen einer Querschnittstudie im hau-
särztlichen Setting in Sachsen zufolge waren keine typischen Symptome oder Beratungsanläs-
se bei Patienten mit Hypothyreose (als Dauer- oder Neudiagnose) festzustellen [22]. Aufgrund
der unzureichenden Sensitivität und Spezifität von einzelnen oder kombinierten Symptomen
[46] ist keine Handlungsempfehlung zur gezielten Abfrage von „typischen“ Beschwerden/
Symptomen zwecks Diagnoseabsicherung ableitbar.
2.1 Anamnese
Empfehlung 2.1
Bei Patienten mit erhöhtem TSH-Wert sollte im Hinblick auf die Absicherung der
Diagnose die Anamnese insbesondere auf Faktoren mit erhöhter Wahrscheinlichkeit
für eine Hypothyreose fokussieren [47].
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DEGAM Leitlinie S2k: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis 12
Empfehlung 2.2
In Abhängigkeit von Beschwerden, die vom Patienten berichtet werden, sollte eine
symptomorientierte körperliche Untersuchung erfolgen, um weitere Krankheitsbil-
der abzuklären [46].
Empfehlung 2.3
Bei Erstbefund eines Serum-TSH-Spiegels von > 4,0 und ≤ 10,0 mU/l und unauffäl-
ligen anamnestischen Befunden sollte zunächst eine Wiederholungsmessung des
TSH-Wertes unter Beachtung der Einflussfaktoren (vgl. 1.2) zur Verifizierung des
Erstergebnisses erfolgen [12].
Bei Erstbefund eines Serum-TSH-Spiegels > 10,0 mU/l [48,49] sollte zusätzlich zur
Wiederholungsmessung des TSH-Wertes eine weiterführende Diagnostik eingelei-
tet werden.
Bei Erstbefund eines erhöhten Serum-TSH-Spiegels (> 4,0 mU/l) und auffälligen
anamnestischen Befunden sollte unabhängig vom Ausmaß der TSH-Erhöhung eine
weiterführende Diagnostik eingeleitet werden.
Empfehlung 2.4
Zur weiteren Abklärung der Hypothyreose sollte der fT4-Wert bestimmt werden
[27,45,47].
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Bei einem TSH > 4 mU/l mit einem fT4 unterhalb des Referenzbereichs (10,1±1,2 SD bis
22,1±2,3 SD pmol/l in Abhängigkeit vom Testverfahren, vgl. [27]) ergibt sich die Diagnose
einer manifesten Hypothyreose, die eine eindeutige Indikation zur Hormonsubstitution dar-
stellt (weiter mit Kap. 3 „Therapie“).
Bei einem TSH > 4 mU/l und normalem fT4-Wert wird die Diagnose latente Hypothyreose
gestellt. Die latente Hypothyreose verläuft asymptomatisch [50] und wird häufig bei Rou-
tineuntersuchungen entdeckt. Aktuelle Überblicksarbeiten/Reviews beschreiben, dass 2-5%
der Patienten mit latenter Hypothyreose innerhalb eines Jahres eine manifeste entwickeln
[12,51]. Dieses Risiko ist bei Patienten mit Schilddrüsenautoantikörpern leicht erhöht [52].
Patienten mit einem TSH > 10mU/l (bei normalem fT4) weisen ein erhöhtes Risiko für die
Progression zu einer manifesten Hypothyreose [51-53] und einer Verschlechterung einer be-
stehenden Hyperlipidämie auf [48]. Das Risiko an einer koronaren Herzkrankheit (KHK) zu er-
kranken oder zu versterben, steigt mit zunehmenden TSH-Werten auch nach Adjustierung für
typische KHK-Risiken [54]. Patienten mit einer latenten Hypothyreose wiesen mit einem TSH ≥
10 gegenüber Patienten mit einem TSH < 7mU/l ein 1,9fach erhöhtes Risiko für KHK auf [49].
Entsprechend kann auch für diese Patientengruppe eine Substitutionstherapie von Nutzen
sein (vgl. Kap. 3 „Therapie“).
Der Zusammenhang zwischen einer latenten Hypothyreose (TSH > 4 und ≤ 10 mU/l im Zu-
sammenhang mit normalem fT4) und kardiovaskulären Herzerkrankungen wird kontrovers
diskutiert [44,48,55-59]. Ein Langzeit-Nutzen einer Substitutionsbehandlung für diese Patien-
tengruppe ohne Vorliegen weiterer Risikomerkmale (vgl. Kap. 3 Therapie) ist nicht belegt [12].
Empfehlung 2.5
Wenn bei Vorliegen einer latenten Hypothyreose keine Therapie begonnen wurde,
kann das TSH nach 6 bis 12 Monaten nochmals kontrolliert werden, um vorüber-
gehende Ursachen (akute Erkrankungen, Medikamente s.o.) für einen erhöhten
TSH-Spiegel auszuschließen.
Empfehlung 2.6
Bei einem TSH > 4 mU/l und initial erhöhtem fT4-Wert kann eine anderweitige se-
kundäre Ursache einer Schilddrüsenerkrankung vorliegen. In diesem Fall sollte eine
Überweisung zur weiteren Abklärung durch den Endokrinologen/ Nukelarmedizi-
ner erfolgen [60].
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Die Bestimmung des fT3 hat bei erhöhtem TSH keinen Zusatznutzen [47,60]. Die fT3-Bestim-
mung erfolgt im Kontext der weiterführenden Diagnostik bei erniedrigtem TSH-Wert (Hy-
perthyreose) [60].
2.4.3 Schilddrüsenautoantikörper
Empfehlung 2.7
Bei latenter Hypothyreose kann einmalig eine Bestimmung der TPO-Antikörper
durchgeführt werden, um den Verdacht auf eine Hashimoto-Thyreoiditis zu klären.
Diese geht mit einem leicht erhöhten Risiko einer behandlungsbedürftigen mani-
festen Hypothyreose einher. [51]
Bei latenter Hypothyreose und dem Nachweis von TPO-AK besteht ein gering erhöhtes Risiko
der Entwicklung einer manifesten Hypothyreose. Das Risiko der Entwicklung einer manifesten
Hypothyreose korreliert stärker mit der Höhe des TSH-Wertes [52].
Bei manifester Hypothyreose bringt die TPO-AK-Bestimmung für die weiteren hausärztlichen
Entscheidungen keinen Zugewinn.2 Patienten, die für ihr eigenes Krankheitsverständnis nach
Ursachen ihrer Erkrankung suchen, könnten aber von dem Nachweis oder Ausschluss einer
Hashimoto-Thyreoiditis profitieren. Zu bedenken ist jedoch, dass dieses Wissen Patienten po-
tentiell auch verunsichern kann und die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer somatofor-
men Störung begünstigen könnte.
2.4.4 Sonographie
Die Durchführung einer Sonographie ist bei Patienten mit erhöhten TSH-Werten verzichtbar.
Zwar ist die Sensitivität der echoarmen Schilddrüse für Immunthyreopathie höher als die der
TPO-AK und das Ausmaß einer Hashimoto-Thyreoiditis könnte von einem versierten Unter-
sucher sonografisch erfasst werden [64], dies hat jedoch keine Relevanz für die Therapieent-
scheidung bei Patienten mit erhöhten TSH-Werten.
2 Das bestätigte sich auch im Expertendiskurs mit den Autoren der niederländischen Leitlinie zu Schilddrüsenerkrankungen im
hausärztlichen Setting (NGH-Standaard Schildklieraandoeningen [2013]), die in ihrer aktuellen Leitlinie bei Hypothyreose keine
Empfehlungen zur TPO-AK-Bestimmung geben.
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DEGAM Leitlinie S2k: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis 15
Empfehlung 2.8
Die Bewertung der individuellen TSH-Werte sollte unter Berücksichtigung
- des Lebensalters,
- des fT4-Wertes,
- der klinischen Symptome,
- des Body Mass Index (BMI)
- der Einschränkung der gesundheitsbedingten Lebensqualität und des gesundheit-
lichen Allgemeinzustands (Vorliegen akuter Erkrankungen, Komorbiditäten)
des Patienten erfolgen. Eine Pathologisierung allein anhand vom Referenzbereich
abweichender TSH-Werte ist nicht zu rechtfertigen [6,12,26,27,45,47].
Tabelle 1:
Übersicht der Empfehlungen zur weiterführenden Diagnostik bei erhöhtem TSH
Empfehlung 1.1
Es sollten nur mit der gleichen Bestimmungsmethode erhobene TSH-Werte mitein-
ander verglichen werden.
Empfehlung 1.2
Aufgrund physiologischer Tageszeitschwankungen sollte die Blutentnahme jeweils
unter denselben Bedingungen (Uhrzeit, Nahrungsaufnahme, Medikamentenein-
nahme) durchgeführt werden.
Empfehlung 2.1
Bei Patienten mit erhöhtem TSH-Wert sollte im Hinblick auf die Absicherung der
Diagnose die Anamnese insbesondere auf Faktoren mit erhöhter Wahrscheinlichkeit
für eine Hypothyreose fokussieren.
Empfehlung 2.2
In Abhängigkeit von Beschwerden, die vom Patienten berichtet werden, sollte eine
symptomorientierte körperliche Untersuchung erfolgen, um weitere Krankheitsbil-
der abzuklären.
Empfehlung 2.3
Bei Erstbefund eines Serum-TSH-Spiegels von > 4,0 und ≤ 10,0 mU/l und unauffäl-
ligen anamnestischen Befunden sollte zunächst eine Wiederholungsmessung des
TSH-Wertes unter Beachtung der Einflussfaktoren zur Verifizierung des Erstergeb-
nisses erfolgen.
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Bei Erstbefund eines Serum-TSH-Spiegels > 10,0 mU/l sollte zusätzlich zur Wiederho-
lungsmessung des TSH-Wertes eine weiterführende Diagnostik eingeleitet werden.
Bei Erstbefund eines erhöhten Serum-TSH-Spiegels (> 4,0 mU/l) und auffälligen
anamnestischen Befunden sollte unabhängig vom Ausmaß der TSH-Erhöhung eine
weiterführende Diagnostik eingeleitet werden.
Empfehlung 2.4
Zur weiteren Abklärung der Hypothyreose sollte der fT4-Wert bestimmt werden.
Empfehlung 2.5
Wenn bei Vorliegen einer latenten Hypothyreose keine Therapie begonnen wurde,
kann das TSH nach 6 bis 12 Monaten nochmals kontrolliert werden, um vorüber-
gehende Ursachen (z.B. akute Erkrankungen, Medikamente) für einen erhöhten
TSH-Spiegel auszuschließen.
Empfehlung 2.6
Bei einem TSH > 4 mU/l und initial erhöhtem fT4-Wert kann eine anderweitige se-
kundäre Ursache der Schilddrüsenerkrankung vorliegen. In diesem Fall sollte eine
Überweisung zur weiteren Abklärung durch den Endokrinologen erfolgen.
Empfehlung 2.7
Bei latenter Hypothyreose kann einmalig eine Bestimmung der TPO-Antikörper
durchgeführt werden, um den Verdacht auf eine Hashimoto-Thyreoiditis zu klären.
Diese geht mit einem leicht erhöhten Risiko einer behandlungsbedürftigen mani-
festen Hypothyreose einher.
Empfehlung 2.8
Die Bewertung der individuellen TSH-Werte sollte unter Berücksichtigung
- des Lebensalters,
- des fT4-Wertes,
- der klinischen Symptome,
- des Body Mass Index (BMI),
- der Einschränkung der gesundheitsbedingten Lebensqualität und des gesundheit-
lichen Allgemeinzustands (Vorliegen akuter Erkrankungen, Komorbiditäten) des Pa-
tienten erfolgen.
Eine Pathologisierung allein anhand vom Referenzbereich abweichender TSH-Werte
ist nicht zu rechtfertigen.
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Das folgende Flussdiagramm (Abb. 1) fasst die erarbeiteten Empfehlungen zu Diagnostik bei
erhöhtem TSH-Wert vereinfachend zusammen.
nein ja
Anamnese auffällig*
ja nein
TSH-Wert ≤ 10,0 mU/l
Wiederholungs-
messung TSH
nein ja
TSH-Wert > 4,0 mU/l
TPO-AK h
ja nein
Hashimoto-
Thyreoiditis
*Symptome aufgrund Unspezifität nicht handlungsleitend
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Das Ziel der Therapie von Patienten mit erhöhtem TSH besteht in der Vermeidung eines Krank-
heitsprogresses und/oder von Folgeerkrankungen [48]. Unabhängig von der Ätiologie der
Hypothyreose kann eine (teils lebenslange) Substitution des fehlenden Hormons notwendig
sein. In jedem Fall ist die intensive Kooperation mit dem Patienten von zentraler Bedeutung,
um eine hohe Adhärenz zu erreichen. Wichtig ist ein aufklärendes Arzt-Patienten-Gespräch
über die Schilddrüsenunterfunktion und deren potentielle Folgen bei Nichtbehandlung sowie
über die Art (inklusive Nebenwirkungen und Kontraindikationen) und Absicht der Therapie
[39].
3.1 Therapieindikationen
Empfehlung 3.1
Eine Therapie (Hormonsubstitution) sollte bei Vorliegen einer manifesten Hypothy-
reose immer erfolgen [42,44,47,48,51].
Empfehlung 3.2
Die Indikation zur Hormonsubstitution bei latenter Hypothyreose sollte individuell
entschieden werden [65]. Ein asymptomatischer Patient mit leicht erhöhtem TSH (≤
10 mU/l) sollte nicht substituiert werden [66].
Eine Hormonsubstitution sollte bei latenter Hypothyreose eingeleitet werden:
- wenn TSH > 10 mU/l [39,51,56,67] oder
- bei Patientenwunsch nach Aufklärung.
In Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik und dem Patientenwunsch kann
ein Therapieverzicht unter Kontrolle des TSH-Wertes eine Alternative sein. Notwen-
dige Voraussetzung dafür ist die umfassende Aufklärung des Patienten über die
möglichen Konsequenzen der verschiedenen Vorgehensweisen.
Die Datenlage bzgl. der Therapie der latenten Hypothyreose ist jedoch uneinheitlich und auf-
grund unterschiedlich gewählter TSH-Referenzbereiche schwer vergleichbar. Einige Studien
wiesen allenfalls Verbesserungen von Surrogatparametern (Lipidprofil, echokardiografische
Parameter), jedoch keine Auswirkungen auf klinisch relevante Parameter wie Morbiditäts-
oder Mortalitätsraten nach [71-75]. Da aber das kardiovaskuläre Risiko nur zum kleinen Teil
vom Lipidspiegel abhängt, sollte das gesamte kardiovaskuläre Risiko beachtet werden [76].
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DEGAM Leitlinie S2k: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis 19
Bei Vorliegen einer latenten Hypothyreose in Kombination mit Struma wird in der Literatur
eine auf Expertenkonsens basierende Empfehlung einer möglichen Hormonsubstitution aus-
gesprochen [51]. Im dazu zitierten Review wird keine Evidenz zur Wirksamkeit einer Subs-
titution bei latenter Hypothyreose mit Struma angegeben [77]. Aus Sicht der Autoren der
vorliegenden Leitlinie ist keine Handlungsempfehlung für eine Substitution bei latenter Hypo-
thyreose mit Struma ableitbar.
3.2 Therapiedurchführung
Empfehlung 3.3
Bei Patienten mit behandlungsbedürftiger Hypothyreose sollte Levothyroxin substi-
tuiert werden [42,44,47,48].
Da Lebensmittel (z.B. Milch und Milchprodukte) die Resorption von Levothyroxin beeinflus-
sen, sollte die Einnahme mit Wasser und mind. 30 Minuten vor einer Mahlzeit erfolgen [45].
Die regelmäßige Einnahme ist am Morgen (mind. 30 Minuten vor dem Frühstück) auf nüch-
ternen Magen [42,45,47] oder am Abend vor dem Schlafengehen [78] zu empfehlen.
Empfehlung 3.4
Der behandelnde Hausarzt sollte eine Einstellung der Levothyroxindosis, die auf das
Erreichen eines euthyreoten Zustandes abzielt, unter Beachtung von Absorption
und medikamentösen Wechselwirkungen vornehmen [39].
In mehreren klinischen Studien wurden Vor- und Nachteile der Kombinationsthe-
rapie von T3 und T4 gegenüber Monotherapien untersucht, die mehrheitlich keine
Überlegenheit der T3/T4-Kombinationstherapie ergaben [79-84].
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Empfehlung 3.5
Eine Therapie mit T3, T3/T4-Kombinationen bzw. natürlichen Schilddrüsenhormon-
präparaten sollte nicht verordnet werden [39,47,51,80].
Die Aussagen der Studien, die die natürlichen Präparate tendenziell empfehlen, waren me-
thodisch bedingt von geringer Aussagekraft [85,86] oder wiesen keine signifikanten positiven
Effekte für die Patienten nach [79-84,87].
Es gibt keine Evidenz, dass die zusätzliche Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. Jod,
Selen, Vitamine) einen Nutzen für die Therapie der Hypothyreose und der Hashimoto-Thyreoi-
ditis haben [47,88-90].
Empfehlung 3.6
Die empfohlene Initialdosis bei Patienten mit manifester Hypothyreose < 60 Jahre
ohne Komorbiditäten liegt bei 1,6 µg/kg Körpergewicht [44,45,51,91].
Die Dosisanpassung sollte für jeden Patienten individuell orientiert an den labor-
chemisch ermittelten Schilddrüsenwerten und dem subjektiven Wohlbefinden/Be-
schwerden des Patienten erfolgen [39,48].
Der Behandlungsverlauf hängt von der Dauer und Schwere der Hypothyreose sowie der Prä-
senz von anderen mit der Erkrankung assoziierten medizinischen Störungen und Komorbidi-
täten ab.
Die anfängliche Levothyroxindosierung schwankt von 12,5 µg/Tag bis zu einer vollen Ersatz-
dosierung in Abhängigkeit von Alter, Gewicht und kardialem Status des Patienten und der
Schwere und Dauer der Hypothyreose [39]. Danach sollte die Dosis in Stufen (jeweils nach
ca. 6 Wochen [42]) von 25-50 µg eingestellt werden, um eine euthyreote Stoffwechsellage zu
erreichen. Konkrete Zeitpunkte zur Dosisanpassung wurden nicht definiert [48]. Nach einer
gewissen Therapiedauer ist die benötigte Dosis zum Erreichen eines euthyreoten Zustandes
im Allgemeinen geringer als zu Beginn der Therapie. Bei jungen und gesunden Patienten
kann die volle Dosis des Ersatzpräparates sofort gegeben werden. Bei Menschen älter 60 Jah-
ren und/oder mit kardiovaskulären Erkrankungen empfiehlt sich ein etwas langsamerer Be-
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ginn (25 µg mit einer Dosisanpassung in Abhängigkeit vom TSH-Wert alle 4 bis 6 Wochen)
[42,45,51,92].
Eine höhere Startdosis bei Patienten mit vorangegangener Schilddrüsenektomie kann ange-
bracht sein (2,04 µg/kg/Tag [93]). Bei vollständiger Schilddrüsenentfernung werden Dosen
von 100-150 µg bei Frauen und 125-200 µg bei Männern gegeben [51].
Empfehlung 3.7
Bei Substitution einer latenten Hypothyreose sollte eine anfängliche Dosis Levothy-
roxin von 25 bis 50 µg/Tag angewandt werden [39].
Bei älteren (≥ 60 Jahre) und hochbetagten (≥ 85 Jahre) Patienten ist – nicht zuletzt auch unter
dem Aspekt der Multimorbidität und der damit einhergehenden Polymedikation – zu prüfen,
ob eine Levothyroxintherapie einen Benefit für den Patienten bringt. In einer großen prospek-
tiven Kohortenstudie (ca. 6.000 Patienten ≥ 65 Jahre) ergab sich der Verdacht der Überthera-
pie mit Levothyroxin insbesondere bei Hochbetagten mit latenter Hypothyreose [94]. Parle et
al. zeigten in einem RCT mit 94 älteren Patienten (≥ 65 Jahre) mit latenter Hypothyreose, dass
die Thyroxinsubstitution keine Verbesserung der kognitiven Funktion erbrachte [95].
TSH-Verlaufskontrolle
Der TSH-Wert benötigt 8 bis 12 Wochen nach Änderung der Levothyroxindosis, um sich auf
einen konstanten Wert einzustellen.
Empfehlung 3.8
Nach Initiierung sowie nach jeder Veränderung der Levothyroxindosis sollten frü-
hestens nach 8 Wochen die Schilddrüsenhormone kontrolliert werden [39,44,48].
Einige Autoren empfehlen TSH-Verlaufskontrollen auch nach jeder Änderung des Levothyro-
xinpräparates, jedoch ohne Benennung eindeutiger Evidenz [39,96].
Nach erneuter Bestimmung der Schilddrüsenhormone sollte ggf. die Therapie an die aktuel-
le Schilddrüsenhormonlage angepasst werden [39]. Nach klinischer Stabilisierung reicht die
TSH-Bestimmung aus [48]. Die hierfür notwendige Blutentnahme sollte vor Einnahme der
jeweiligen Tagesdosis des Thyroxins erfolgen (maximaler Plasmaspiegel 2-3 Stunden nach
Einnahme), jedoch ohne Unterbrechung derselben in den Tagen und Wochen vor der Blutab-
nahme.
Empfehlung 3.9
TSH-Verlaufskontrollen sollten nach etablierter Dosis halbjährlich und schließlich
nur noch jährlich durchgeführt werden [47].
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Bei Fehlen klinischer Symptome und Levothyroxindosen < 125 µg/d ist bei Patienten ohne
Amiodaron- oder Lithiumtherapie sowie ohne Schwangerschaft nach Stabilisierung eines nor-
malen TSH ein 2-Jahres-Kontrollintervall ausreichend [97].
Empfehlung 3.10
Das Kontrollintervall kann in Abhängigkeit von klinischer Symptomatik und Patien-
tenwunsch verändert werden. Notwendige Voraussetzung dafür ist die umfassende
Aufklärung des Patienten.
Bei Nichterreichen des Therapieziels bzw. weiterhin hohem TSH sollte auch die Adhärenz des
Patienten hinterfragt werden. Malabsorption und medikamentöse Wechselwirkungen kön-
nen ebenfalls ursächlich sein [39,44,51].
Empfehlung 3.11
Bei Dauertherapie mit unklarer Indikation (keine eindeutige Diagnose der mani-
festen Hypothyreose oder keine andere objektiv nachvollziehbare Indikation mit
klinischen Symptomen) sollte ein kontrolliertes Absetzen der Ersatztherapie unter
Beachtung der Patienteninteressen erwogen werden [98,99].
Empfehlung 3.12
Eine Überweisung zum Endokrinologen sollte bei Patienten mit gesicherter Adhä-
renz erfolgen,
- deren TSH-Level trotz voller Levothyroxindosis nicht sinkt oder weiter ansteigt
- deren Beschwerden, die für die Therapieentscheidung relevant waren, unter The-
rapie bestehen bleiben oder sich verschlechtern [44].
Hypothyreose kann sekundäre Ursache für eine arterielle Hypertonie sein [101]. Bei einigen
Patienten (9 von 16 Patienten) mit Hypertonie konnte durch Substitutionstherapie der diasto-
lische Blutdruck gesenkt werden [102].
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Tabelle 2:
Übersicht der Empfehlungen zur Therapie bei erhöhtem TSH
Empfehlung 3.1
Eine Therapie (Hormonsubstitution) sollte bei Vorliegen einer manifesten Hypothy-
reose immer erfolgen.
Empfehlung 3.2
Die Indikation zur Hormonsubstitution bei latenter Hypothyreose sollte individuell
entschieden werden. Ein asymptomatischer Patient mit leicht erhöhtem TSH (≤ 10
mU/l) sollte nicht substituiert werden.
Eine Hormonsubstitution sollte bei latenter Hypothyreose eingeleitet werden:
- wenn TSH > 10 mU/l oder
- bei Patientenwunsch nach Aufklärung.
In Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik und dem Patientenwunsch kann
ein Therapieverzicht unter Kontrolle des TSH-Wertes eine Alternative sein. Notwen-
dige Voraussetzung dafür ist die umfassende Aufklärung des Patienten über die
möglichen Konsequenzen der verschiedenen Vorgehensweisen.
Empfehlung 3.3
Bei Patienten mit behandlungsbedürftiger Hypothyreose sollte Levothyroxin substi-
tuiert werden.
Empfehlung 3.4
Der behandelnde Hausarzt sollte eine Einstellung der Levothyroxindosis, die auf das
Erreichen eines euthyreoten Zustandes abzielt, unter Beachtung von Absorption
und medikamentösen Wechselwirkungen vornehmen.
Empfehlung 3.5
Eine Therapie mit T3, T3/T4-Kombinationen bzw. natürlichen Schilddrüsenhormon-
präparaten sollte nicht verordnet werden.
Empfehlung 3.6
Die empfohlene Initialdosis bei Patienten mit manifester Hypothyreose < 60 Jahre
ohne Komorbiditäten liegt bei 1,6 µg/kg Körpergewicht. Die Dosisanpassung sollte
für jeden Patienten individuell orientiert an den laborchemisch ermittelten Schild-
drüsenwerten und dem subjektiven Wohlbefinden/Beschwerden des Patienten er-
folgen.
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Empfehlung 3.7
Bei Substitution einer latenten Hypothyreose sollte eine anfängliche Dosis Levothy-
roxin von 25 bis 50 µg/Tag angewandt werden.
Empfehlung 3.8
Nach Initiierung sowie nach jeder Veränderung der Levothyroxindosis sollten frü-
hestens nach 8 Wochen die Schilddrüsenhormone kontrolliert werden.
Empfehlung 3.9
TSH-Verlaufskontrollen sollten nach etablierter Dosis halbjährlich und schließlich
nur noch jährlich durchgeführt werden.
Empfehlung 3.10
Das Kontrollintervall kann in Abhängigkeit von klinischer Symptomatik und Patien-
tenwunsch verändert werden. Notwendige Voraussetzung dafür ist die umfassende
Aufklärung des Patienten.
Empfehlung 3.11
Bei Dauertherapie mit unklarer Indikation (keine eindeutige Diagnose der mani-
festen Hypothyreose oder keine andere objektiv nachvollziehbare Indikation mit
klinischen Symptomen) sollte ein kontrolliertes Absetzen der Ersatztherapie unter
Beachtung der Patienteninteressen erwogen werden.
Empfehlung 3.12
Eine Überweisung zum Endokrinologen sollte bei Patienten mit gesicherter Adhä-
renz erfolgen,
- deren TSH-Level trotz voller Levothyroxindosis nicht sinkt oder weiter ansteigt
- deren Beschwerden, die für die Therapieentscheidung relevant waren, unter The-
rapie bestehen bleiben oder sich verschlechtern.
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Das folgende Flussdiagramm (Abb. 2) fasst die erarbeiteten Empfehlungen zur Therapie bei
erhöhtem TSH-Wert (primär manifeste oder primär latente Hypothyreose) vereinfachend zu-
sammen.
Hormon-
substitution ja TSH > 10 mU/l nein
Beschwerden
Patientenwunsch
Bestimmung TSH
nach 8 Wochen
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4 Leitlinienreport
4.1 Entwicklungskonzept
Tabelle 3:
Entwicklungsschritte der Leitlinie
Arbeitsschritt Zeitraum
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Die Federführung und Koordination der Leitlinie erfolgte durch Mitglieder der Deutschen Ge-
sellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM):
Dr. rer. medic. Dipl.-Soz. Karen Voigt MPH Soziologin und Gesundheitswissen-
schaftlerin, TU Dresden
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Querverweise auf Leitlinien und Artikel erfasst und nachrecherchiert (Snowball-Technik). Die
durch diese zusätzlichen Handrecherchen gefundenen Publikationen wurden in die Analyse
aufgenommen.
Publikationen wurden ausgeschlossen, wenn sie mindestens eines der Einschlusskriterien nicht
erfüllten. Durch Querverweise erwähnte inhaltlich relevante Beobachtungs- und nichtrando-
misierte Studien wurden zusätzlich in die Analyse aufgenommen.
Die Suchstrategien in Pubmed basierten auf Kombination der o.g. Einschlusskriterien und
folgenden Recherchebegriffen (MeSH):
Diagnostik
„hypothyroidism“[MeSH Terms] NOT „Thyroid Neoplasms“[Mesh] sowie
“subclinical hypothyroidism” NOT „Thyroid Neoplasms“[Mesh] jeweils einzeln kombiniert re-
cherchiert mit:
AND „Ultrasonography“[Mesh]
AND „Laboratory Techniques and Procedures“[Mesh]
AND „Physical Examination“[Mesh]
AND “Thyroid Function Tests“[Mesh]
AND “Diagnostic Imaging“[Mesh]
AND „diagnostic process“[Mesh]
AND “Diagnostic Techniques, Endocrine“[Mesh]
AND “laboratory tests“[Mesh]
AND „Diagnosis, Differential“[Mesh]
AND „Palpation“[Mesh]
Therapie
„Hypothyroidism/diet therapy“[Mesh] OR „Hypothyroidism/drug therapy“[Mesh] OR „Hypo-
thyroidism/economics“[Mesh] OR „Hypothyroidism/prevention and control“[Mesh] OR „Hy-
pothyroidism/therapy“[Mesh] NOT „Thyroid Neoplasms“[Mesh] sowie
“subclinical hypothyroidism” NOT „Thyroid Neoplasms“[Mesh] jeweils kombiniert und ein-
zeln recherchiert mit:
AND „Therapeutics/adverse effects“[Mesh]
AND „Therapeutics/complications“[Mesh]
AND „Therapeutics/contraindications“[Mesh]
AND „Therapeutics/methods“[Mesh]
AND „Therapeutics/prevention and control“[Mesh]
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DEGAM Leitlinie S2k: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis 29
Die Recherche in der Cochrane Library erfolgte mit dem Stichwort “Thyroid” in Title, Abstract
or Keywords.
Die Empfehlungen dieser Leitlinie basieren auf den durch die Recherche gefundenen und
analysierten Leitlinien und Studien sowie dem darauf aufbauenden Konsens der Autoren, Ex-
perten (Paten) der Ständigen Leitlinienkommission der DEGAM und den Vertretern der be-
teiligten Fachgesellschaften. In einigen Empfehlungen wird in der vorliegenden Leitlinie von
den Empfehlungen anderer Leitlinien oder Schlussfolgerungen aus Studien abgewichen, da
diese aus Sicht des Autoren- und Patenteams für das hausärztliche Setting so nicht übernom-
men werden konnten. Mitunter lagen keine Studien, teils keine verwendbaren Erhebungen
für den Bereich der Primärversorgung vor. Da es dem hausärztlichen Expertenkreis jedoch
wichtig war, handlungsleitende Empfehlungen anzubieten, entschieden sie sich konsentierte
Expertenempfehlungen mit unterschiedlichen Empfehlungsstärken (vgl. Tab. 4) abzugeben.
Tabelle 4:
Empfehlungsstärken
Empfehlungsstärke Formulierung
Starke Empfehlung „soll“
Empfehlung „sollte“
Empfehlung offen „kann“
4.4 Konsensprozess
Im Januar 2015 wurden jeweils die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie und die Deut-
sche Gesellschaft für Innere Medizin um eine Teilnahme am Konsensprozess angefragt. Beide
Fachgesellschaften stimmten einer Teilnahme zu und benannten folgende Mandatsträger:
Die beiden Vertreter der DGIM vertraten ihre Fachgesellschaft mit einer Stimme. Im März
2015 wurde der Konsensprozess in Form eines schriftlichen Delphi-Verfahrens gestartet und
in allen Verfahrensrunden per Email-Kommunikation durchgeführt (ohne Anonymisierung).
Den Mandatsträgern wurden die Langversion der Leitlinie und die daraus extrahierten 22
Empfehlungen zur Verfügung gestellt. Das Einholen der Rückmeldungen erfolgte über ein
strukturiertes Formblatt. Das Delphiverfahren, an dem sich drei Mandatsträger (s.o.) und zwei
Autorinnen (Jeannine Schübel, Antje Bergmann) beteiligten, fokussierte auf die Konsentie-
rung der Empfehlungen. Jede Runde wurde von einer der Autorinnen (Karen Voigt), die nicht
am Bewertungsprozess beteiligt war, zusammengefasst und der Delphigruppe gespiegelt.
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Tabelle 5:
Ablauf und Ergebnisse des Delphiverfahrens
evidenzbasierte Korrekturen
1. Runde 16 6 bei 2 Empfehlungen
begründetes Beibehalten von
4 Empfehlungen
begründetes Beibehalten
2. Runde 5 1 der nicht einstimmig
konsentierten Empfehlung
begründetes Beibehalten
3. Runde 0 1 der nicht einstimmig
konsentierten Empfehlung
Der Konsensprozess endete im September 2015 mit 21 Empfehlungen, die durch beide Fach-
gesellschaften konsentiert wurden. Eine Empfehlung wurde nur durch die DGIM konsentiert,
die DGE stimmte der Empfehlung zu, forderte jedoch eine Ergänzung:
DEGAM-Empfehlung 2.7:
Bei latenter Hypothyreose kann einmalig eine Bestimmung der TPO-Antikörper durchgeführt
werden, um den Verdacht auf eine Hashimoto-Thyreoiditis, die mit einem leicht erhöhten Risi-
ko einer manifesten Hypothyreose einhergeht, welche behandlungsbedürftig wäre, zu klären.
Der überarbeitete Leitlinienentwurf mit den konsentierten Empfehlungen wurde allen Man-
datsträgern und Paten zur Information zugesandt. Darüber hinaus wurde die Leitlinie fachin-
haltlich von der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN, vertreten durch Prof. Dr.
(NL) Dr. med. Frederik Verburg, Marburg) begutachtet und wird ohne Einschränkung durch
die DGN unterstützt.
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Der Praxistest wird unter Einbezug von Hausärzten und Patienten 2017-2018 in Kooperation
mit Lehrpraxen der LMU München (Koordination: Jörg Schelling) durchgeführt.
4.7 Danksagung
Für die Unterstützung bei der Recherche und Auswertung der Literatur danken wir: Henna
Riemenschneider, Uta Katharina Schmidt-Göhrich, Katharina Gerlach, Jan Liebnitzky und Ro-
bert Sadowsky. Für die kritische und konstruktive Begleitung der Leitlinienerstellung danken
wir unseren Paten Michael Becker, Norbert Donner-Banzhoff, Günther Egidi, Markus Gulich,
Detmar Jobst, Armin Mainz und Til Uebel. Anne Barzel und Cathleen Muche-Borowski dan-
ken wir für die prozessbegleitende beratende Unterstützung bei der Leitlinienerstellung. Jana
Isfort sowie Ansgar Jonietz und seinem Team von www.washabich.de danken wir für die Un-
terstützung bei der Entwicklung der Patientenversion.
Formal ist die Aktualisierung der Leitlinie bis zum Jahr 2020 vorgesehen. Die Autoren der
vorliegenden Leitlinie beobachten regelmäßig die zum Leitlinienthema neu erscheinenden
klinischen Studien. Die DEGAM behält sich vor, vor Ablauf der angesetzten Gültigkeitsdauer
diese zu verlängern, wenn sich aus den inzwischen erschienenen Studien kein wesentlicher
Änderungsbedarf für die Leitlinie ergibt, diese also inhaltlich weiterhin als richtig anzusehen
ist und zu einer guten Praxis beitragen kann.
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