Bueschlen, 20151230stypa
Bueschlen, 20151230stypa
Bueschlen, 20151230stypa
Abstract
This paper discusses the results of the research into German animal idioms and their Polish
translations. It centres on equivalence, but also addresses the issue of multiple counterparts in
translation which we deal with when an idiom in SL is matched by several counterparts in TL.
The article starts with the presentation of the methodology behind this contrastive, German-
Polish study and the terms used (with 'equivalence' being the key term). The following part
offers an empirical analysis of selected multiple counterparts.
1 Einleitung
Der vorliegende Beitrag basiert auf den Untersuchungen, die im Rahmen eines
umfangreicheren Projekts durchgeführt wurden (vgl. Stypa 2014). Sie setzten sich zum Ziel
die Äquivalentenermittlung und Analyse der interlingualen Äquivalenzbeziehungen zwischen
den deutschen Phraseologismen mit Tierbezeichnungen und ihren Entsprechungen im
Polnischen. Der vorliegende Beitrag ist als Darstellung der theoretischen Prämissen und
synthetische Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse konzipiert. Das Augenmerk
wird dabei auf einen ausgewählten Aspekt gerichtet, und zwar auf die Divergenz.
2 Phraseologismen – Definition
Als Phraseologismen werden Einheiten aufgefasst, die sich durch folgende Merkmale
auszeichnen:
Polylexikalität – Phraseologismen bestehen aus mindestens zwei Wörtern, wobei eines
von ihnen ein Autosemantikum ist und die lexikalischen Komponenten eine
syntaktische Wortgruppe oder einen Satz bilden.1
1Folgende festgeprägte Einheiten, die Satzstruktur aufweisen, werden zum Phraseologiebereich nicht gerechnet:
Sprichwörter, Wellerismen, Sentenzen, Maximen, Aphorismen (vgl. Fleischer 1997: 76-82; Burger 2003: 101-
104, 120-123; Szczęk 2010: 66-71).
Linguistik online 74, 5/15 http://dx.doi.org/10.13092/lo.74.2228
CC by 3.0
120 Linguistik online 74, 5/15
2 Zu Varianten und Modifikationen von Phraseologismen vgl. u. a. Barz (1992), Korhonen (1992),Wotjak
(1994), Pociask (2007).
ISSN 1615-3014
Hanna Stypa: Äquivalenzbeziehungen und Divergenz am Beispiel von 121
deutschen Phraseologismen
lexikalische, morphosyntaktische wie auch stilistisch-pragmatische Dimension einbezogen
werden (vgl. u. a. Eckert 1990: 488–491; Eismann 1995: 97; Földes 1996: 17;
Korhonen/Wotjak 2001: 228; Laskowski 2003: 132). Somit findet der zwischensprachliche
Vergleich auf vier folgenden Stufen statt:
Gesamtbedeutung des Phraseologismus,
lexikalische Besetzung der Komponenten,
Typ des Phraseologismus,
Morphosyntax.
Zuerst wird die semantische Struktur der Phraseologismen analysiert, die Folgendes umfasst:
Kernbedeutung, präzisierende Seme sowie Konnotationen, darunter Stilschicht und die
Einstellung des Sprechers, z. B. weiße Mäuse sehen: Kernbedeutung [Wahnvorstellungen
haben], präzisierendes Sem, das die allgemeine Kernbedeutung spezifiziert [im
Betrunkenenzustand], konnotative Seme: [umgangssprachlich], [scherzhaft]).3 Die zweite
Stufe der Gegenüberstellung ist die lexikalische Besetzung der Komponenten. Der Analyse
wird die Bedeutung der einzelnen Bestandteile von Phraseologismen unterzogen.4 Auch die
Gliederzahl wird dabei berücksichtigt. Beim Typ des Phraseologismus wird der
Konstruktionstyp der deutschen und der polnischen Einheiten bestimmt (verbaler, nominaler,
adverbialer Phraseologismus, phraseologischer Vergleich, phraseologisierter Teilsatz,
satzwertiger Phraseologismus). Auf der Ebene der Morphosyntax kontrastiert man die
morphologisch-syntaktische Struktur der Phraseologismen. Diese wird im Hinblick auf die
Wortart der einzelnen Komponenten, ihre morphologischen Kategorien, interne und externe
Valenz sowie die syntaktische Funktion im Verband untersucht.
Aus den Kombinationen der Übereinstimmungen und Unterschiede auf allen Stufen der
Kontrastierung entsteht ein Netz von Äquivalenztypen und -gruppen. Es werden drei
Hauptäquivalenztypen ermittelt: Voll-, Teil- und Nulläquivalenz.5 Der Terminus Äquivalenz
wird als die semantisch-formale Übereinstimmung sprachlicher Zeichen bzw.
Zeichenkombinationen zweier oder mehrerer Sprachen aufgefasst (vgl. Krohn 1994: 73;
Laskowski 2003: 129).6 In den vorliegenden Untersuchungen wird die Ansicht vertreten, dass
Äquivalenz keine völlige Identität, sondern vielmehr eine teilweise Gleichheit ist, die sich
graduieren lässt und bei der man über- und untergeordnete Aspekte ermitteln kann. Als die
3 Die semantische Struktur der Phraseologismen wird anhand von synchronen einsprachigen phraseologischen
Wörterbüchern erschlossen.
4 Die Semantik der phraseologischen Komponenten wird vorwiegend anhand von einsprachigen allgemeinen
Wörterbüchern ermittelt.
5 Die Bezeichnungen Voll-, Teil- und Nulläquivalenz verwenden u. a. Krohn (1994), Chrissou (2001),
Gondek/Szczęk (2001), Laskowski (2003). In der einschlägigen Literatur sind außer diesen Termini folgende
gebräuchlich: absolute/totale/völlige/vollständige Äquivalenz, partielle/relative Äquivalenz und keine
Äquivalenz/Nicht-Äquivalenz (vgl. u. a. Sternemann et al. 1983; Hessky 1987; Ehegötz 1990; Eismann 1995;
Toledo 2004).
6 Vgl. dazu u. a. den Ansatz von Sternemann et al. (1983: 43–47), wo die semantische und formale
Übereinstimmung getrennt behandelt werden. Als Äquivalenz wird von den Autoren die Übereinstimmung auf
der semantischen Ebene bezeichnet. In Bezug auf den morphologisch-syntaktischen Aspekt gebrauchen sie den
Begriff Kongruenz.
ISSN 1615-3014
122 Linguistik online 74, 5/15
dominierende Größe gilt in der Analyse die semantische Äquivalenz, was zur Folge hat, dass
die Bedeutung der deutschen Phraseologismen zum Ausgangspunkt für die Erschließung von
Entsprechungen im Polnischen wird. Dieser Ansatz ermöglicht somit den Vergleich der
Phraseologismen mit völlig abweichender Besetzung der Komponenten wie die
Kontrastierung von Phraseologismen mit nichtphraseologischen Ausdrücken – vorausgesetzt,
dass sie eine (annähernd) gleiche semantische Struktur aufweisen.
Volläquivalenz besteht immer dann, wenn sich die möglichst vollständige Übereinstimmung
zwischen den gegenübergestellten Einheiten auf allen vier Ebenen der Untersuchung
feststellen lässt. Teiläquivalenz liegt bei einer völligen oder partiellen Gleichheit in der
Gesamtbedeutung des Phraseologismus sowie bei unterschiedlich ausgeprägten
Übereinstimmungen und Differenzen im Komponentenbestand, im Typ des Phraseologismus
und im Bereich der Morphosyntax vor. Sehr treffend äußert sich dazu Ehegötz (1990: 2): „Die
partielle oder Teiläquivalenz erweist sich [...] als ein Sammelbecken der unterschiedlichsten
Abstufungen von Nicht-Übereinstimmungen in äquivalenzbestimmenden Faktoren, die bis
hin zu einer minimalen Übereinstimmung zwischen Ausgangssprache-Phrasem und
Zielsprache-Entsprechung in nur einem Parameter gehen kann“. Als Nulläquivalenz werden
alle Fälle interpretiert, in denen die systemhafte Entsprechung im Polnischen nicht vorhanden
ist. Dem deutschen Phraseologismus wird dann eine nichtphraseologische Einheit
gegenübergestellt, die in formaler Hinsicht völlig verschieden ist. In Bezug auf die
semantische Struktur geben solche Pendants die Bedeutungen der deutschen Phraseologismen
wieder, was aber den stilistisch-expressiven Aspekt betrifft, gehen diese Qualitäten meistens
(bei Paraphrasen und z. T. bei freien Wortverbindungen) verloren.
5 Untersuchungsergebnisse
Das deutsche Korpus besteht aus 340 Phraseologismen mit Tierbezeichnungen im
Komponentenbestand. Zum Gegenstand der Kontrastierung werden insgesamt 580
Einheitenpaare. Dieser zahlenmäßige Unterschied ergibt sich daraus, dass die Sememe der
mehrdeutigen Konstruktionen sowie manche lexikalischen Varianten der Phraseologismen
gesondert behandelt werden. Außerdem werden im zusammengestellten Material Fälle der
Divergenz ermittelt. Von den analysierten deutsch-polnischen Paaren konnte man
45 als volläquivalent (7,7 %),
399 als teiläquivalent (68,9 %),
136 als nulläquivalent (23,4 %) einstufen.
Ein Teil der volläquivalenten polnischen Entsprechungen erweist sich als Entlehnungen aus
dem Deutschen, u. a. tu leży pies pogrzebany von dt. da liegt der Hund begraben, kupować
kota w worku von dt. die Katze im Sack kaufen. Es lassen sich Fälle von Interphraseologismen
feststellen, u. a. das Trojanische Pferd – koń trojański (griechische Mythologie), das
schwarze Schaf – czarna owca (Bibel). Als phraseologische Internationalismen gelten zudem
Vergleiche, die auf die Fabeln von Äsop zurückzuführen sind, u. a. stur wie ein Esel – uparty
jak osioł, listig wie ein Fuchs – chytry jak lis, kämpfen wie ein Löwe – walczyć jak lew.
Ähnliche Lebenserfahrungen, Vorstellungen und metaphorische Denkweise der Sprecher
können als Ursache von weiteren Parallelismen angesehen werden, u. a. eine dumme Gans –
ISSN 1615-3014
Hanna Stypa: Äquivalenzbeziehungen und Divergenz am Beispiel von 123
deutschen Phraseologismen
głupia gęś, jmdn. wie einen Hund behandeln – traktować kogoś jak psa, glatt wie ein Aal –
śliski jak węgorz, stumm wie ein Fisch – niemy jak ryba. Im Rahmen der Teiläquivalenz
werden neun Untergruppen ermittelt, die nach dem abnehmenden Grad der Übereinstimmung
auf den Untersuchungsebenen geordnet sind. Am zahlreichsten vertreten (123 Fälle, 30,8%
der Gesamtzahl von teiläquivalenten Paaren) ist die Untergruppe mit folgenden Parametern:
völlige Gleichheit in der Gesamtbedeutung und im Typ des Phraseologismus sowie
Abweichungen auf der Stufe der lexikalischen Besetzung von Komponenten und der
Morphosyntax, u. a. schwimmen wie eine bleierne Ente – pływać jak siekiera, ein Heimchen
am Herde – kura domowa, {jmdm.} die Würmer aus der Nase ziehen – ciągnąć {kogoś} za
język. Die zwei größten Gruppen der nulläquivalenten Pendants stellen Einzellexeme (63
Fälle, 46,3% der Gesamtzahl von nulläquivalenten Belegen) und Paraphrasen (62 Fälle,
45,6% der Gesamtzahl von nulläquivalenten Belegen) dar. Vereinzelt entsprechen den
deutschen Phraseologismen freie Wortverbindungen und Sprichwörter, u. a. ein kleiner Fisch
– płotka (Einzellexem), das hält ja kein Pferd aus – wykrzyknienie wyrażające, że coś
(najczęściej sytuacja lub dane warunki) jest nie do wytrzymania (Paraphrase), ein linker
Vogel – podejrzany typ (freie Wortverbindung), mit den Wölfen heulen – kiedy wejdziesz
między wrony, musisz krakać jak i one (Sprichwort).
6 Divergenz
Mit Divergenz hat man zu tun, wenn eine Einheit in L1 über mehrere Entsprechungen in L2
verfügt (vgl. Wotjak 1992: 44).7 Bei der Analyse werden 89 Fälle der Divergenz festgestellt.
Die größte Anzahl der polnischen Pendants entspricht drei synonymen Phraseologismen wie
vom wilden Affen gebissen, einen Floh im Ohr haben und <eine Meise/einen Vogel> haben
‚nicht recht bei Verstand sein, verrückte Dinge tun, sich unvernünftig benehmen, idiotische
Einfälle haben’. Es stehen ihnen jeweils 13 Äquivalente gegenüber: mieć
<bzika/hopla/kota/kręćka/fioła/szmergla/świra>, mieć kuku na muniu, mieć nie po kolei w
głowie, mieć nie wszystko po kolei, mieć nierówno pod sufitem, nie mieć piątej klepki,
{komuś} brakuje piątej klepki, nie mieć wszystkich w domu, upaść na głowę, z byka spaść,
najeść się <szaleju/blekotu>, <padać/rzucać się> {komuś} na mózg, <szajba/palma>
{komuś} odbija. Meistens haben die deutschen Einheiten zwei (40 Fälle) oder drei (27 Fälle)
Entsprechungen im Polnischen. Im zusammengestellten Korpus liegt Divergenz vorwiegend
nur in den Untergruppen der Teiläquivalenz vor (66 Fälle). Viel seltener stehen den deutschen
Konstruktionen sowohl voll- als auch teiläquivalente Entsprechungen gegenüber (10 Fälle).
Zehn deutsche Einheiten verfügen über mehrere nichtphraseologische Pendants im
Polnischen. In drei Fällen werden sowohl teil- als auch nulläquivalente Entsprechungen
ermittelt. Im Folgenden werden ausgewählte Beispiele der Divergenz in fünf Gruppen
eingeteilt.
7Bei interlingualen Vergleichen kann auch eine umgekehrte Situation vorkommen, nämlich dass mehrere
Einheiten in L1 ein gemeinsames Äquivalent in L2 haben. Diese Erscheinung wird Konvergenz genannt (vgl.
Wotjak 1992: 44). Um den Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht zu sprengen, wird dieses Phänomen nicht
berücksichtigt.
ISSN 1615-3014
124 Linguistik online 74, 5/15
Die körperliche Stärke eines Mannes wird in der deutschen Sprache mit einem Bären
assoziiert. Im Polnischen bringt man diese Eigenschaft ebenso mit einem Bären (niedźwiedź)
wie auch mit einem Auerochsen (tur) und einem Stier (byk) in Verbindung.
Der deutsche Phraseologismus enthält ein Bild aus dem Bereich der ländlich-bäuerlichen
Lebensumstände. In Geldnot verkauft man sogar das Ei, das man noch nicht hat, weil es noch
nicht ausgereift ist. In cienko prząść wird auf das Spinnen, eine schon in Vergessenheit
geratene Tätigkeit, Bezug genommen. Wenn man nicht über ausreichend Geld verfügt, wird
nur ein dünnes Garn gesponnen. In nie śmierdzieć groszem und nie mieć grosza przy duszy
kommt die Komponente grosz ‚Groschen‘, in klepać biedę dagegen bieda ‚Not‘ vor. Beide
Lexeme stellen die direkte Beziehung zur Bedeutung der Einheiten her. Der deutsche
Phraseologismus weist folgende Struktur auf: VP → NNom + NPräp-gr(lokal) + VInf + VMod. Die
Struktur der polnischen Entsprechungen ist wie folgt: cienko prząść (VP → Adv + V), nie
śmierdzieć groszem (VP → Neg + V + NInstr), nie mieć grosza przy duszy (VP → Neg + V +
NAkk + NPräp-gr(lokal)), klepać biedę (VP → V + NAkk).
Die Nicht-Übereinstimmungen werden in der Semantik (präzisierende Seme), in der
lexikalischen Besetzung der Komponenten sowie in der Morphosyntax festgestellt:
(3) wie das Kaninchen vor der Schlange stanąć jak wryty
(stehen) stanąć jak słup soli
'handlungsunfähig, starr vor Schrecken' stanąć jak rażony piorunem
stanąć jakby {w kogoś} piorun
<strzelił/trafił/raził>
ISSN 1615-3014
Hanna Stypa: Äquivalenzbeziehungen und Divergenz am Beispiel von 125
deutschen Phraseologismen
Verglichen mit der Bedeutung der deutschen Konstruktion ist die semantische Struktur der
polnischen Entsprechungen um das Sem [vor Verwunderung] reicher. In den polnischen
Einheiten kommen keine Tierbezeichnungen vor. Der im deutschen Phraseologismus
ausgedrückte Zustand wird mit anderen Bildern dargestellt, und zwar dass jemand wie
angewurzelt dasteht, erstarrt und wie von einem Blitz getroffen wird. Die deutsche Einheit hat
folgende Struktur: PhV → AdvVergl + NNom + NPräp-gr(lokal) + (V). Die polnischen Pendants
weisen dagegen folgende Struktur auf: stanąć jak wryty (PhV → V + AdvVergl + Part II),
stanąć jak słup soli (PhV → V + AdvVergl +NNom + NGen(Attr)), stanąć jak rażony piorunem
(PhV → V + AdvVergl + Part II + NInstr), stanąć jakby {w kogoś} piorun <strzelił/trafił/raził>
(PhV → V + AdvVergl +{NPräp-gr} + NNom + VVerg).
Die gegenübergestellten Phraseologismen weisen Abweichungen in der Semantik (Stil), auf
der lexikalischen und morphosyntaktischen Ebene wie auch im Typ des Phraseologismus auf:
(4) stehlen wie ein Rabe mieć <lepkie/długie> <ręce/palce>
'stehlen' mieć klej na rękach
<kleić/przyklejać się/lepić się>
{komuś} do <rąk/ręki>
Die deutsche Einheit ist salopp, die polnischen Äquivalente gelten als umgangssprachliche
Ausdrücke. Der deutschen Konstruktion liegt die volkstümliche Vorstellung zugrunde, der
Rabe neige zum Diebstahl von kleinen (glitzernden) Gegenständen. Die polnischen Pendants
bringen dagegen den Grund für die Straftat zum Ausdruck, und zwar handelt es sich um den
Klebstoff an den Händen oder Fingern. Außer den Differenzen in der lexikalischen Besetzung
der Komponenten weisen die analysierten Einheiten Unterschiede im Typ des
Phraseologismus auf. Dem phraseologischen Vergleich im Deutschen stehen verbale
Phraseologismen im Polnischen gegenüber. Daraus ergeben sich die Nicht-
Übereinstimmungen in der Morphosyntax: stehlen wie ein Rabe (PhV → V + AdvVergl +
NNom), mieć <lepkie/długie> <ręce/palce> (VP → V + AdjAttr + NAkk), mieć klej na rękach
(VP → V + NAkk + NPräp-gr(lokal)), <kleić/przyklejać się/lepić się> {komuś} do <rąk/ręki> (VP
→ V + {NDat} + NPräp-gr(lokal)).
Im phraseologischen Vergleich des Deutschen findet der lange und tiefe (Winter)schlaf eines
Bären, Dachses und Murmeltieres seinen Niederschlag. Im Polnischen assoziiert man diesen
Zustand mit dem Schlaf eines Ziesels. Als Comparatum gelten zudem das Substantiv kamień
ISSN 1615-3014
126 Linguistik online 74, 5/15
‚Stein‘ und Partizipien von den Verben zabijać ‚töten‘ und zarzynać ‚abschlachten‘. Dies
wirkt sich auf die morphosyntaktische Ebene der Einheiten aus: schlafen wie ein
<Bär/Dachs/Murmeltier>, spać jak <suseł/kamień> (PhV → V + AdvVergl + NNom) und spać
jak <zabity/zarżnięty> (PhV → V + AdvVergl + Part II).
Ein Äquivalent weist Unterschiede auf der lexikalischen und morphosyntaktischen Ebene auf,
das andere (die sonstigen) dagegen auch in der Semantik. Die Abweichungen betreffen die
Stilschicht:
(6) sich den Kuckuck {<um etw./jmdn.>} mieć {coś/kogoś} w tyłku
scheren mieć {coś/kogoś} w nosie
'sich um jmdn. oder etw. überhaupt nicht mieć {coś/kogoś} w głębokim
kümmern, jmdn. oder etw. nicht hoch poważaniu
schätzen, nicht beachten' mieć {coś/kogoś} gdzieś
mieć {coś/kogoś} w dupie
In der semantischen Struktur der Äquivalente fehlt das präzisierende Sem [z. T. mit
langsamen Bewegungen und innerer Ruhe]. Die polnischen Phraseologismen enthalten keine
Tierbezeichnungen in ihrem Komponentenbestand, als Basisglied dient das Substantiv chłop
‚Mann‘. Die deutsche Einheit hat die Struktur NP → AdjAttr + NNom, die polnischen haben
dagegen: chłop na schwał (NP → NNom + NPräp-gr), chłop jak <dąb/tur> (PhV → NNom +
AdvVergl + NNom).
ISSN 1615-3014
Hanna Stypa: Äquivalenzbeziehungen und Divergenz am Beispiel von 127
deutschen Phraseologismen
Die deutsche Konstruktion und ihre polnischen Entsprechungen sind saloppe, geringschätzige
Ausdrücke. Die polnischen Äquivalente lassen sich u. a. mit folgenden deutschen
Einzellexemen wiedergeben: Schurke, Lump, Schweinehund.
Ein Teil der polnischen Einzellexeme weicht von den deutschen Phraseologismen in der
Stilschicht und/oder in der Einstellung des Sprechers ab:
(9) ein lustiger Vogel jajcarz
'ein witziger Mensch, der gerne scherzt' zgrywus
Die deutsche Einheit ist umgangssprachlich, die polnischen Lexeme gehören der saloppen
Stilschicht an und sind scherzhafte Ausdrücke. Das Substantiv jajcarz steht mit dem
Phraseologismus robić sobie {z kogoś} jaja ‚jmdn. täuschen, um ihn zu verspotten, zu
veralbern‘ im Zusammenhang, zgrywus wird vom Verb zgrywać się ‚Possen reißen‘
abgeleitet.
Der polnische Phraseologismus stimmt nur teilweise in der Bedeutung mit der deutschen
Konstruktion überein. Er enthält zusätzlich das Sem [ohne jegliche Spur zu hinterlassen]. Auf
den sonstigen Analysestufen lassen sich auch Abweichungen feststellen. Die polnische
ISSN 1615-3014
128 Linguistik online 74, 5/15
7 Zusammenfassung
Die durchgeführte Analyse hat ergeben, dass ca. ein Viertel der deutschen Phraseologismen
mit Tierbezeichnungen über mehrere Pendants im Polnischen verfügt. Somit ist Divergenz
eine nicht zu unterschätzende Erscheinung in den kontrastiven Untersuchungen. Divergenz
überwiegt deutlich in der Gruppe der Teiläquivalenz. Die meisten polnischen Entsprechungen
haben eine völlig andere Komponentenbesetzung und morphosyntaktische Struktur. Einige
von ihnen stimmen nur annähernd mit dem deutschen Phraseologismus in semantischer
Hinsicht überein – es lassen sich leichte Abweichungen in der Stilschicht oder im Bereich der
präzisierenden Seme ermitteln. Von entscheidender Bedeutung für die Ergebnisse der
Gegenüberstellung ist die Tatsache, dass in beiden Sprachen unterschiedliche
morphosyntaktische Strukturen üblich sind und gleiche Inhalte mit anderen Mitteln
ausgedrückt werden.
Literatur
Barz, Irmhild (1992): "Phraseologische Varianten: Begriff und Probleme". In: Földes, Csaba
(ed.) (1992): Deutsche Phraseologie in Sprachsystem und Sprachverwendung. Wien,
Edition Praesens: 25–47.
Burger, Harald (2003): Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin:
Schmidt.
Chrissou, Marios (2001): "Deutsche und neugriechische Phraseologismen mit animalistischer
Lexik. Eine kontrastive Analyse auf der Wörterbuch- und Textebene". EliSe. Essener
Linguistische Skripte – elektronisch 1: 89–121. https://www.uni-
due.de/imperia/md/content/elise/ausgabe_1_2001_chrissou.pdf, [15.12.2011].
DUDEN, Bd. 11 (2002): Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Mannheim
etc.: Dudenverlag. (= DWDI)
Dunaj, Bogusław (1999): Słownik współczesnego języka polskiego. Warszawa: Wilga.
ISSN 1615-3014
Hanna Stypa: Äquivalenzbeziehungen und Divergenz am Beispiel von 129
deutschen Phraseologismen
Eckert, Rainer (1990): "Spezifisches bei der konfrontativen Untersuchung der Phraseologie
zweier oder mehrerer Sprachen". Zeitschrift für Slawistik 35: 488–492.
Ehegötz, Erika (1990): "Versuch einer Typologie von Entsprechungen im zweisprachigen
phraseologischen Wörterbuch": 1–6. http://www.fask.uni-
mainz.de/inst/is/polnisch/erika_worbs.html, [14.10.2008].
Ehegötz, Erika et al. (1989): Phraseologisches Wörterbuch Polnisch-Deutsch. Leipzig:
Enzyklopaedie.
Eismann, Wolfgang (1995): "Pragmatik und kulturelle Spezifik als Problem der Äquivalenz
von Phraseologismen". In: Baur, Rupprecht S./Chlosta, Christoph (1995) (eds.): Von der
Einwortmetapher zur Satzmetapher. Akten des Westfälischen Arbeitskreises
Phraseologie/Parömiologie. Bochum, Brockmeyer: 95–119.
Fleischer, Wolfgang (1997): Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen:
Niemeyer.
Földes, Csaba (1996): Deutsche Phraseologie kontrastiv: intra- und interlinguale Zugänge.
Heidelberg: Groos.
Gondek, Anna/Szczęk, Joanna (2001): "Farben in den Phraseologismen des Deutschen und
des Polnischen". Studia Linguistica XX/2001: 83–94.
Hessky, Regina (1987): Phraseologie. Linguistische Grundfragen und kontrastives Modell
deutsch → ungarisch. Tübingen: Niemeyer.
Kłosińska, Anna/Sobol, Elżbieta/Stankiewicz Anna (2005): Wielki słownik frazeologiczny z
przysłowiami. Warszawa: Wydawnictwo Naukowe PWN.
Korhonen, Jarmo (1992): „Morphosyntaktische Variabilität von Verbidiomen“. In: Földes,
Csaba (ed.) (1992): Deutsche Phraseologie in Sprachsystem und Sprachverwendung.
Wien, Edition Praesens: 49–87.
Korhonen, Jarmo/Wotjak, Barbara (2001): "Kontrastivität in der Phraseologie". In: Helbig,
Gerhard et al. (eds.) (2001): Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. 1.
Halbband. Berlin/New York, de Gruyter: 224–235.
Krohn, Karin (1994): Hand und Fuß. Eine kontrastive Analyse von Phraseologismen im
Deutschen und Schwedischen. Göteborg: Acta Universitatis Gothoburgensis.
Laskowski, Marek (2003): Semantische und pragmatische Aspekte der deutschen und
polnischen Phraseologie. Zielona Góra: Wydawnictwo Uniwersytetu Zielonogórskiego.
Müldner-Nieckowski, Piotr (2003): Wielki słownik frazeologiczny języka polskiego.
Warszawa: Świat Książki.
Müller, Klaus (1994): Lexikon der Redensarten. Gütersloh: Bertelsmann.
Pociask, Janusz (2007): Zu Status und Funktion der idiomatischen Einheit in Pressetexten.
Dargestellt an Textbeispielen aus der Neuen Züricher Zeitung. Frankfurt a. M. etc.: Lang.
Schemann, Hans (1993): Deutsche Idiomatik. Die deutschen Redewendungen im Kontext.
Stuttgart etc.: Klett.
Sternemann, Reinhard et al. (1983): Einführung in die konfrontative Linguistik. Leipzig:
Enzyklopaedie.
Stypa, Hanna (2014): Zoologismen im Deutschen und ihre polnischen Entsprechungen.
Bydgoszcz: Wydawnictwo Uniwersytetu Kazimierza Wielkiego.
Szczęk, Joanna (2010): Auf der Suche nach der phraseologischen Motiviertheit im Deutschen
(am lexikographischen Material). Dresden etc.: Neisse/Atut.
ISSN 1615-3014
130 Linguistik online 74, 5/15
Verwendete Symbole
AdjAttr Adjektiv in der Funktion des Attributs
Adv Adverb
AdvVergl Vergleichsadverb
L1/L2 Ausgangssprache/Zielsprache
NNom/Gen/Dat/Akk/Instr Substantiv im Nominativ/Genitiv/Dativ/Akkusativ/Instrumental
NGen(Attr) Substantiv im Genitiv in der Funktion des Attributs
NPräp-gr Substantiv als Kern der Präpositionalgruppe
NPräp-gr(lokal) Substantiv als Kern der Präpositionalgruppe in der Funktion der
Lokalbestimmung
Neg Negation
NP nominaler Phraseologismus
Part II Partizip II
PhV phraseologischer Vergleich
V Verb
VInf Verb im Infinitiv
VMod Modalverb
VVerg Verb im Vergangenheitstempus
VP verbaler Phraseologismus
< > in spitzen Klammern stehen austauschbare Komponenten der
Phraseologismen
( ) in runden Klammern stehen fakultative Komponenten der
Phraseologismen
{ } in geschweiften Klammern stehen Komponenten der Phraseologismen,
ISSN 1615-3014
Hanna Stypa: Äquivalenzbeziehungen und Divergenz am Beispiel von 131
deutschen Phraseologismen
die im Kontext besetzt werden
[ ] in eckigen Klammern wird die semantische Struktur der
Phraseologismen angegeben
ISSN 1615-3014