(L) Hypoglikämie.

Als pdf oder txt herunterladen
Als pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 3

Hypoglikämie

Definition: Blutzucker (BZ) <45–50 mg/dL (2,5–2,8 mmol/L)


Glucosemessungen aus dem Serum weisen häufig schon 70 mg/dL (3,9 mmol/L) als
unteren Grenzwert aus.
● BZ <50 mg/dL (2,8 mmol/L) ohne Symptomatik entspricht einer asymptomatischen
Hypoglykämie
● BZ <50 mg/dL (2,8 mmol/L) mit Symptomatik: Unterscheidung der Schwere einer
symptomatischen Hypoglykämie anhand des Bedarfs an Fremdhilfe

Sicherer Nachweis einer Hypoglykämie: Whipple Trias


1. Hypoglykämische Symptomatik
2. Niedriger Blutzuckerwert
3. Milderung der Symptomatik bei Anhebung des Glucosespiegels

begünstigende Faktoren für Hypoglykämien


● Unzureichende und/oder unregelmäßige Nahrungsaufnahme
● Alkoholkonsum bzw. -abusus
● Starke körperliche Betätigung

Ätiologie
1) Hypoglykämie bei Diabetikern
● Überdosierungen blutzuckersenkender Wirkstoffe: Insulin, Antidiabetika (insb.
Sulfonylharnstoffe und Glinide)
● Medikamentöse Interaktionen (bspw. erhöhter Insulinbedarf durch Betablocker)
● Körperliche Anstrengungen (siehe auch: Veränderter Insulinbedarf bei körperlicher
Anstrengung)
● Unregelmäßige Nahrungsaufnahme (Mahlzeit verpasst bei konventioneller Insulintherapie)
● Alkoholkonsum (Alkoholexzess am Vorabend)
● Reduzierte Nierenfunktion: Relative Überdosierungen und medikamentöse Interaktionen sind
wesentlich häufiger

2) Hypoglykämie bei erwachsenen Nicht-Diabetikern


● Medikamente, Drogen und Toxine
● Alkoholkonsum, Cannabiskonsum
● Postprandiale Formen
● Autonome Insulinsekretion: Insulinom, Nesidioblastose
● Nebennierenrindeninsuffizienz, Hypopituitarismus (insb. Ausfall der somatotropen und
corticotropen Achse)
● Ausgeprägte Hypothyreose
● Nach Resektion eines Phäochromozytoms
● Niereninsuffizienz und Leberinsuffizienz
● Sepsis und septischer Schock
● Kachexie (bspw. bei Tumorerkrankungen oder im Rahmen von Essstörungen)
● Paraneoplasie: Freisetzung von Wachstumshormon-ähnlichen Peptiden (IGF-II) durch
Malignome
● Autoimmun: Erkrankungen mit Insulin-Autoantikörpern bzw. Insulin-Rezeptor-Antikörpern

Klinik
Die Symptome entwickeln sich häufig innerhalb weniger Minuten!
Symptome der autonomen Gegenregulation:
● Unruhe, Schwitzen, blasse Haut, Tachykardie, Palpitationen, Tremor (erhöhter
Sympathikotonus)
● Heißhunger, Erbrechen (erhöhter Parasympathikotonus)
Neuroglucopenische Symptome:
➔ Unruhe, Verwirrtheit
➔ Kopfschmerzen
➔ Reizbarkeit, Aggressivität
➔ Konvulsionen, fokale Zeichen (Paresen, Parästhesien)
➔ Müdigkeit → Apathie → Somnolenz → Koma

** Durch häufige Hypoglykämien verringert sich die Hypoglykämie-Wahrnehmung. Die ausbleibenden


Warnsymptome können auch auf eine autonome Neuropathie zurückzuführen sein! **

Diagnostik
1) Anamnese
● Begünstigende Faktoren klären
● Körperliche Aktivität, Nahrungsmittelaufnahme, Alkoholkonsum
● Medikamentenanamnese
● Typische Auslöser bei Diabetikern klären: Insulinapplikation (Einheiten, Injektionsort),
Therapieform und Dosierung von Antidiabetika
● Häufigkeit der Symptomatik
● Auslösesituationen und Reproduzierbarkeit
● Dokumentierte Blutzuckerwerte bei anderen symptomatischen Episoden
● Vorerkrankungen

2) Labordiagnostik
● Basisdiagnostik: Blutzuckermessung

*** Bei jedem Notfall mit Störung der Vigilanz muss eine Bestimmung des Blutzuckerwerts
noch vor Ort durchgeführt werden! ***

3) Erweiterte Labordiagnostik durch einen Fastentest


Der Fastentest ist der Goldstandard der Hypoglykämie-Abklärung und wird
erforderlich, wenn in Zusammenschau der anamnestischen Daten und der klinischen
Konstellation keine ätiologische Zuordnung erfolgen kann.

Prinzip: Der Patient wird maximal 72 Stunden unter Hungerbedingungen stationär auf
Symptome und den Nachweis einer Hypoglykämie hin überwacht

Laborparameter: Blutabnahme und Laboruntersuchung zu definierten Abnahmezeitpunkten


● Serumglucose mit Labormethoden
● Insulin im Serum
● C-Peptid

Serumglucose↓, Insulin↑, C-Peptid↑: Hinweis auf autonome Insulinproduktion oder


Sulfonylharnstoff-Überdosierung
Therapie
Symptomatisch: Glucosegabe bei Hypoglykämie
● Erhaltenes Bewusstsein
○ In der Klinik: Glucosegabe p.o. (20–100 g)
○ Präklinisch und im Alltag: Getränke und Süßigkeiten mit schnell
resorbierbarer Glucose (Cola, Orangensaft, Gummibärchen)
● Bewusstlosigkeit, gesicherter Venenzugang
○ Erwachsene: Gabe von 8–24 g Glucose (= 20–60 mL Glucose 40% bzw.
40–120 mL Glucose 20%)
○ Kinder (<40 kgKG): 0,2 g/kgKG (= 1 mL/kgKG Glucose 20%)

Fortlaufende Blutzuckermessungen
Ggf. Dauertropfinfusion mit Glucose 5%
Ziel-Blutzucker: 200 mg/dL (11,1 mmol/L)

● Bewusstlosigkeit, kein Venenzugang


○ Glucagon i.m. oder s.c.

Jeder Patient mit Hypoglykämie durch Sulfonylharnstoffe und/oder mit Bewusstlosigkeit


sollte stationär aufgenommen werden!

Insb. bei älteren Diabetikern mit bestehenden Begleiterkrankungen (z.B. Alkoholabusus oder
chron. Niereninsuffizienz), die plötzlich verwirrt sind, erfolgt die Therapie vor der Diagnostik:
Vor dem Messen Glucose essen!

Supportive Basismaßnahmen
Sauerstoffsättigung↓ (spO2 <94%): Sauerstoffgabe über Maske mit Reservoir
Bewusstlosigkeit: Stabile Seitenlage
Stationäre Überwachung

kausale Abklärung und Behebung der Ursache

Das könnte Ihnen auch gefallen