Gute Pflege Braucht Naehe Und Distanz

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Gute Pflege braucht Nähe und Distanz zugleich

Umdenken in Altenbetreuung: Selbstschutz allein ist zu wenig

Ulm/Innsbruck (pte004/16.12.2011/06:15) - Menschen in Pflegeberufen können Patienten und ihren


Bedürfnissen durchaus nahe sein und Empathie entgegenbringen, ohne dass sie dabei den Selbstschutz
ihrer professionellen Distanz aufgeben. Die erste Untersuchung des Konzepts "Detached Concern",
das diesen Drahtseilakt zwischen Nähe und Distanz in der Arbeit beschreibt, gelang der Ulmer
Arbeitspsychologin Bettina Lampert http://uniklinik-ulm.de . "Erst allmählich wird bewusst, dass
Empathie in der Arbeit nicht per se krank macht. Vielmehr ist sie für die Pflege notwendig und ein
wertvolles Arbeitsmittel, ohne dass man dabei auf die eigene psychische Abgrenzung vergessen darf",
so die Expertin im pressetext-Interview.

Job mit hohen Anforderungen

Die Herausforderung an Pflegende sind sehr hoch, berichtet Lampert. "Pflege ist eine starke
emotionale und auch körperliche Belastung, die durch erschwerte Arbeitsbedingungen wie Zeitdruck
noch verschlimmert werden. Das Bild schwerst pflegebedürftiger, dementer oder sterbender Patienten
prägen den harten Pflegealltag. Pflegende bauen eine Beziehung zu ihren Patienten auf und leiden
vielfach mit ihnen mit. Einerseits stellen sie oft an sich selbst sehr hohe berufliche Anforderungen im
Umgang mit Patienten, andererseits hat die Arbeit in der Pflege hohe berufliche und gesellschaftliche
Erwartungen, die durch Fachkräftemangel, Arbeitszeiten mit Nacht- und Wochenenddiensten,
schlechte Bezahlung und einem unattraktiven Berufsimage erschwert werden."

Herz zeigen ohne Mitsterben

Schulungen für Pflegende im Umgang mit Patienten konzentrieren sich bisher überwiegend auf das
Erlernen von Distanz, um emotionalen Belastungen entgegen zu wirken. Das geht nicht nur auf Kosten
der Empathie, sondern auch der Arbeitserfüllung, berichtet Lampert. "Studien mit Pflegekräften und
Ärzten zeigen, dass ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz zum Patienten viel zielführender
ist. Das psychische Wohlbefinden und der Gesundheitszustand sind nachweislich besser, vergleicht
man das Ergebnis entweder mit jenen, die sich empathisch grenzenlos den Patienten widmen und
dabei oft emotional ausbrennen, oder mit denen, die nur Distanz wahren und dabei den Sinn ihrer
Arbeit verlieren."

Die Idee des Detached Concern - im Deutschen auch als "distanzierte Anteilnahme" bezeichnet - ist
nicht neu. Bisher wurde die Bedeutung des Konzepts in der Burnout-Prävention beschrieben,
systematisch jedoch nie untersucht. Die Umsetzung dürfte freilich vielen Pflegenden auch bisher gut
gelungen sein, verdeutlicht Lampert mit dem Zitat einer älteren, im Pflegedienst tätigen
Ordensschwester: "Sie formulierte, man müsse mit dem Herz an der Hand arbeiten, ohne gleichzeitig
mit dem Patienten mitzusterben." Ein gelingendes Detached Concern dient dem Erhalt der
psychischen Gesundheit, bedarf jedoch längerer Arbeitserfahrung und einem gezielten Umgang damit.

Empathie braucht Zeit

Die Arbeitssituation in der Pflege ist höchst verschärft, wozu die vielen nicht-pflegerischen Aufgaben
etwa in der Organisation und Bürokratie erheblich beitragen. Der Zeitdruck lässt die Pflege zum
Abarbeiten wie am Fließband verkommen. "Empathie braucht Zeit. Wer professionell vorgeht, sich
psychisch abgrenzen kann und den Patienten trotzdem als Menschen einfühlsam wahrnimmt und
versteht, erfährt mehr Befriedigung in seiner Arbeit, die Zusammenarbeit mit Patienten kann
wesentlich erleichtert werden und reibungsloser verlaufen. Damit gelingt auch die Versorgungsqualität
der Patienten deutlich besser", so die Expertin.
Nähe und Distanz – eine Gratwanderung, die nicht immer einfach ist

© Alexander Raths - Fotolia.com Pflege: Den Patient als Menschen wahrnehmen (Foto:pixelio.de/Altmann)

Sicher haben Sie auch schon in Ihrem Alltag erlebt, dass Sie einem Ihrer schwerstkranken
Pflegekunden einfach einmal den Arm umlegen und ihn trösten wollten. Und zu Ihrem Erstaunen
zuckte dieser dann vor Ihnen zurück. Warum? Sie waren ihm zu nahe gekommen und haben es nicht
bemerkt. Sicher, Sie haben es nur gut gemeint, dabei aber unbeabsichtigt eine Grenzlinie zwischen
Ihnen und Ihrem Patienten überschritten. Doch wie erkennen Sie rechtzeitig diese Grenze und wie
können Sie für Ihren Patienten da sein, ohne sich ihm aufzudrängen? Folgende Tipps helfen Ihnen
dabei.

Menschenwürde Pflege auch in der letzten Phase des Lebens. Alles Wissenswerte erfahren Sie in
"Palliativpflege heute".

Tipp 1: Zwingen Sie keine Gespräche auf, die nicht gewünscht werden

Gespräche finden zwischen Ihrem Pflegekunden und Ihnen bei der täglichen Pflege natürlich immer
statt. Doch in der Regel bleiben diese Dialoge relativ oberflächlich. Sie handeln vom Wetter, der
Familie oder dem Gesundheitszustand des Betroffenen. Erst im Laufe der Zeit entwickelt sich eine
Vertrauensbasis, die es auch erlaubt, ernstere und tiefer gehende Gespräche zu führen. Doch solche
Vertrauensbeziehungen benötigen Zeit. Warten Sie daher darauf, bis Ihr Pflegekunde von sich aus
die Initiative ergreift und ein solches Gespräch beginnt. Jetzt können Sie auf das Gesprächsangebot
eingehen. Doch behalten Sie dabei Ihren Kunden immer im Blick. So erkennen Sie rechtzeitig, wann
er das Gespräch beenden will.

Tipp 2: Vorsicht bei körperlichem Kontakt!

Die Hand halten, über den Arm streicheln oder in den Arm nehmen. All das sind körperliche
Kontakte, die nicht jeder Ihrer Pflegekunden gerne hat. Sicher gibt es immer wieder Kunden, die
solche Kontakte als sehr tröstlich und hilfreich empfinden, doch jeder Mensch ist anders. Um
unangenehme Situationen für sich und Ihren Gepflegten zu vermeiden, ist es daher besser, dass Sie
Ihren Pflegekunden im Vorfeld fragen: „Ist es Ihnen recht, wenn ich Ihnen die Hand halte?“

Tipp 3: Achten Sie auf nonverbale Signale

Nicht immer ist es möglich, Ihren Pflegekunden im Vorfeld zu fragen, ob er eine Berührung als
angenehm empfindet oder nicht. Achten Sie daher besonders bei der Arbeit mit Dementen und mit
Menschen in der Sterbephase auf alle nonverbalen Signale. Als Zeichen für Unwohlsein kann sich
ein Stirnrunzeln, ein kurzes Zucken oder ein immer schneller werdender Atem zeigen. Dann sollten
Sie Ihre Berührungen unterlassen. Genauso können Sie aber auch an einem immer ruhiger werdenden
Atem oder einem sich entspannenden Gesichtsausdruck erkennen, dass Ihr Tun als angenehm
empfunden wird.

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