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Zum schubfesten Anschluss von Druckgurten in

Hohlkastenbrücken

Von der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen der


Technischen Universität Dortmund
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.)

genehmigte Dissertation

vorgelegt von
Dipl.-Ing. Matthias Müller

Prüfungskommission:
Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dieter Ungermann
Referent: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Reinhard Maurer
Korreferent: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Konrad Zilch

Tag der mündlichen Prüfung: 2016/05/10

Dortmund 2016
Kurzfassung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Untersuchungen zum Tragverhalten der Gurte
gegliederter Querschnitte auf Basis der Finite-Elemente-Methode (FEM) durchgeführt. Die bei
aktuellen Nachrechnungen bestehender Spannbetonbrücken häufig festzustellenden rechneri-
schen Defizite, welche insbesondere in den Druckgurtbereichen der Bodenplatten von Brücken
mit Hohlkastenquerschnitt ermittelt werden, haben den Ausschlag zu dieser Arbeit gegeben.
Mit der Weiterentwicklung der technischen Regelwerke zur Konstruktion und Bemessung
von Spannbetonbrücken war auch eine Umstellung der Nachweiskonzepte zur Ermittlung der
Schubtragfähigkeit verbunden. Bis zur Einführung der DIN Fachberichte für den Brückenbau
war der Nachweis auf Basis zulässiger Hauptspannungen in Deutschland eine anerkannte Regel
der Technik. Seither erfolgt die Ermittlung des Bauteilwiderstands auf Grundlage eines Fach-
werkmodells im gerissenen Zustand II. Die für Stegquerschnitte konzipierten Bemessungsregeln
werden dabei sinngemäß auf die Gurtbereiche gegliederter Querschnitte übertragen.
Eine entscheidende Größe für die Ermittlung der Tragfähigkeit der schubfesten Verbindung
zwischen Gurt- und Stegquerschnitt ist die möglichst wirklichkeitsnahe Berücksichtigung der
wahrscheinlichen Rissentwicklung. Im derzeit in Deutschland bei der Bemessung zur Anwen-
dung kommenden Fachwerkmodell mit Rissreibung wird der Schubrisswinkel auf Grundlage
der vorhandenen Längsspannung bestimmt. Die zur Rissbildung führende Schubspannung
korrespondiert bei dieser Vorgehensweise nicht mit der Längsspannung. Durch die zunächst
analytische Untersuchung der Unterschiede im Tragverhalten zwischen Steg- und Gurtquer-
schnitt wird gezeigt, dass das zu erwartende Rissverhalten in den beiden Querschnittsteilen
deutlich voneinander abweicht, und dass für eine wirklichkeitsnahe Prognose der Rissrichtung
innerhalb von Druckgurten die Berücksichtigung der vorhandenen Längs- und Schubspannungen
als korrespondierende Größen erforderlich ist. In den im weiteren Verlauf der Studien durch-
geführten numerischen Simulationsrechnungen wird dieser Zusammenhang bestätigt und es
werden weitere das Tragverhalten und den Tragwiderstand beeinflussende Größen identifiziert
und untersucht.
Die Kalibrierung und Verifizierung der verwendeten FE-Modelle erfolgt zunächst durch die
Nachrechnung gut dokumentierter Versuche und die Auswertung der Simulationsergebnisse
an kleinmaßstäblichen Versuchskörpern. Während letztgenannte insbesondere zur Erlangung
eines besseren Verständnisses zum Modellverhalten relevant sind, wird durch die Nachrechnung
von Versuchen zum Tragverhalten gegliederter Querschnitte die Modelleignung im Hinblick
auf die Abbildung der untersuchten Tragwirkung überprüft. Neben einem elasto-plastischen
Kontinuumsmodell wird für die Modellierung der Betonquerschnitte ein Schalenmodell auf Basis
der nichtlinearen Elastizitätstheorie verwendet. Mit beiden Modellen gelingt es, die Bruchlasten
und die Versagensart wirklichkeitsnah abzubilden.
Aufgrund der im Vergleich zu den Versuchen insgesamt besseren Übereinstimmungen der
mit der nichtlinearen Elastizitätstheorie erzielten Ergebnisse erfolgt die Anwendung dieses
Modells auf Systeme mit für den Brückenbau relevanten Abmessungen. Die im Vergleich zu
den Versuchsträgern deutlich schlankeren Querschnitte führen dazu, dass die durch lokale
Lasteinleitungen bedingten Störbereiche im Verhältnis zur Gesamtspannweite deutlich reduziert
werden. Daher können die Auswirkungen des sich über die Bauteillänge stetig ändernden
Längsspannungszustands auf das Tragverhalten an diesen Systemen untersucht werden.
Auf Basis der Ergebnisse der durchgeführten analytischen und numerischen Studien werden
Bemessungsmodelle abgeleitet, die das tatsächliche Tragverhalten realitätsnäher erfassen. Neben
Modellen, die eine Bemessung im gerissenen Zustand II ermöglichen und das wahrscheinliche
Rissverhalten in vereinfachter Form berücksichtigen, werden auch Berechnungsvorschläge unter
Einbeziehung kombinierter Scheiben- und Plattenbeanspruchungen (Interaktion von Längsschub
mit Querbiegung) sowie Möglichkeiten zur rechnerischen Berücksichtigung des Tragwiderstands
ungerissener Gurtbereiche (Hauptspannungskriterium) vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis v

1 Einleitung 1
1.1 Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 Stand des Wissens 7


2.1 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.2 Untersuchungen zum Tragverhalten von Gurtscheiben gegliederter Querschnitte 9
2.2.1 Versuche von Badawy und Bachmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.2.2 Versuche von Bacchetta und Bachmann (Druckgurt) . . . . . . . . . . 11
2.2.3 Versuche von Leonhardt und Walther . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2.4 Versuche von Bacchetta und Bachmann (Zuggurt) . . . . . . . . . . . 12
2.2.5 Versuche von Eibl und Kühn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.2.6 Versuche von Schieferstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2.7 Weitere experimentelle und theoretische Untersuchungen . . . . . . . . 14
2.3 Untersuchungen zum Tragverhalten von Scheiben unter kombinierten Beanspru-
chungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.4 Stand der Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.4.1 Überlagerung mit Querbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.4.2 Überlagerung mit Torsion bei Kastenquerschnitten . . . . . . . . . . . 18
2.5 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle 21


3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.2 Werkstoffverhalten von Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.2.1 Verhalten unter uniaxialer Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.2.2 Verhalten unter mehraxialer Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . 24
3.3 Werkstoffverhalten von Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.4 Verhalten des Verbundwerkstoffs Stahlbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3.4.1 Verbund zwischen Bewehrung und Beton . . . . . . . . . . . . . . . . 26

v
3.4.2 Übertragung von Schubkräften in gerissenen Querschnitten . . . . . . 27
3.4.3 Druckfestigkeit gerissener Stahlbetonscheiben . . . . . . . . . . . . . . 29
3.5 Materialmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.6 Modellierung mit ABAQUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.6.1 Elementansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.6.2 Materialmodelle für Beton und Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.7 Modellierung mit SOFiSTiK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.7.1 Elementansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.7.2 Materialmodelle für Beton und Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . 44

4 Verifikation der Rechenmodelle 51


4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.2 Materialmodell CDP – ABAQUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.2.1 Verschmierte Rissbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.2.2 Betonscheiben unter biaxialer Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . 52
4.2.3 Auswirkung isotroper Entfestigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.2.4 Anwendung des Rechenmodells auf einen schubbeanspruchten Träger
mit einfacher Querschnittsgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.3 Nichtlineare Elastizitätstheorie – SOFiSTiK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.3.1 Betonscheiben unter biaxialer Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . 62
4.3.2 Stahlbeton unter Zugbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.3.3 Abhängigkeit der Rissrichtung von der Art der Lastaufbringung . . . . 65
4.3.4 Schubkraftübertragung über Risse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.3.5 Drucktragfähigkeit des gerissenen Stahlbetons . . . . . . . . . . . . . 67
4.3.6 Anwendung des Rechenmodells auf einen schubbeanspruchten Träger
mit einfacher Querschnittsgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
4.3.7 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

5 Tragwirkung von Steg und Bodenplatte 73


5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.2 Stegtragverhalten und Modellvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.3 Tragverhalten eines Druckgurtes zwischen den Stegen . . . . . . . . . . . . . 76
5.3.1 Überlegungen zur Ermittlung des Risswinkels . . . . . . . . . . . . . . 80
5.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

6 Anwendung der Modelle 83


6.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.2 Druckgurt mit Längsschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.2.1 Nichtlineare Elastizitätstheorie – SOFiSTiK . . . . . . . . . . . . . . . 85

vi
6.2.2 Materialmodell CDP – ABAQUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.2.3 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
6.3 Zuggurt mit Längsschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
6.3.1 Nichtlineare Elastizitätstheorie – SOFiSTiK . . . . . . . . . . . . . . . 108
6.3.2 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

7 Sensitivitätsanalyse 113
7.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2 Einfluss aus einer Abminderung der Betondruckfestigkeit . . . . . . . . . . . . 113
7.2.1 Versagen infolge Biegedruckbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2.2 Bruch der schiefen Betondruckstrebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
7.2.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
7.3 Einfluss von Stegbewehrung und Vorspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
7.4 Einfluss der Belastungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
7.5 Einfluss des Anschlussbewehrungsgrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
7.6 Einfluss der Betonzugfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
7.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des


Brückenbaus 133
8.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
8.2 Referenzsystem und Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
8.3 Tragverhalten der Bodenplatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
8.3.1 Rissverhalten und Spannungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
8.3.2 Hinweise zur Ermittlung der Beanspruchungen . . . . . . . . . . . . . 155
8.3.3 Tragfähigkeit ungerissener Gurtquerschnitte . . . . . . . . . . . . . . . 161

9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene 165


9.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
9.2 Gurtanschlüsse ohne rechnerisch erforderliche Anschlussbewehrung . . . . . . . 166
9.2.1 Längsdruck mit Schub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
9.2.2 Längsdruck mit Schub und Querbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . 170
9.3 Gurtanschlüsse mit rechnerisch erforderlicher Anschlussbewehrung . . . . . . . 175
9.3.1 Längsdruck mit Schub und Querbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . 175

10 Vorschläge für die Bemessung 187


10.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
10.2 Gurtanschlüsse ohne rechnerisch erforderliche Anschlussbewehrung . . . . . . . 187
10.2.1 Längsdruck mit Schub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
10.2.2 Längsdruck mit Schub und Querbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . 190

vii
10.3 Gurtanschlüsse mit rechnerisch erforderlicher Anschlussbewehrung . . . . . . . 191
10.3.1 Abgrenzung zur Ermittlung des Querkraftwiderstands von Stegquer-
schnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
10.3.2 Längsdruck mit Schub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
10.3.3 Längsdruck mit Schub und Querbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . 194
10.3.4 Längsdruck mit Schub bei bestehenden Bauwerken . . . . . . . . . . . 195
10.4 Ergänzende Hinweise zu den Bemessungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . 196
10.5 Hinweise zur Anwendung nichtlinearer FEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

11 Zusammenfassung und Ausblick 199


11.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
11.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Literatur 205

Tabellenverzeichnis 215

Abbildungsverzeichnis 217

A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung 225

viii
Abkürzungsverzeichnis

CDP Concrete Damaged Plasticity

D-Bereich Diskontinuitätsbereich

FEM Finite-Elemente-Methode

GZT Grenzzustand der Tragfähigkeit

NA nationaler Anhang
NCI ergänzende nicht widersprechende Angaben (en: noncontradictory
complementary information)
NDP national festzulegende Parameter (en: nationally determined parame-
ters)
NR Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nach-
rechnungsrichtlinie)

ix
x
Lateinische Buchstaben

Acc Querschnittsfläche des Betons in der Biegedruckzone


Ac Gesamtfläche des Betonquerschnitts
Ak Fläche, die von den Mittellinien der verbundenen Wände eingeschlos-
sen wird, einschließlich innerer Hohlkastenbereiche
As,GA Querschnittsfläche der Bewehrung im Gurtanschnitt
As Querschnittsfläche der Bewehrung
Ecm mittlerer Elastizitätsmodul als Sekantenmodul
Ec Elastizitätsmodul des Betons als Tangentenmodul im Ursprung der
Spannungs-Dehnungs-Linie
Ed Bemessungswert der Beanspruchung
Es Elastizitätsmodul der Bewehrung
F Auflagerkraft, Kraft
GF Bruchenergie
Gcl Zerstauchungsenergie
Iy Flächenmoment 2. Grades oder Flächenträgheitsmoment
Kc Invariantenverhältnis auf Zug- und Druckmeridian [1]
L Feldlänge
MEd Bemessungswert des einwirkenden Biegemoments
M Biegemoment
NEd Bemessungswert der einwirkenden Normalkraft
N Normalkraft
Pv Vorspannkraft
P Pressenkraft beziehungsweise Punktlast
Rd Bemessungswert des Widerstands
Sy Flächenmoment 1. Grades oder statisches Moment
TEd Bemessungswert des einwirkenden Torsionsmoments
TRd,max Bemessungswert des aufnehmbaren Torsionsmoments
Ve Elementvolumen
VEd,T +V Bemessungswert der Schubkraft infolge Querkraft und Torsion
VEd,T Bemessungswert der Schubkraft infolge Torsion

xi
VEd Bemessungswert der einwirkenden Querkraft
VRd,cc Bemessungswert des Querkrafttraganteils des Betons für Bauteile mit
Querkraftbewehrung infolge Rissreibung
VRd,max Bemessungswert der maximalen Querkrafttragfähigkeit
V Querkraft
WT Torsionswiderstandsmoment
Wy Biegewiderstandsmoment bezüglich der horizontalen Achse
∆Fd Längskraftdifferenz im Gurt über die Länge ∆x
∆x Länge eines betrachteten Abschnittes
∆y Breite eines betrachteten Abschnittes
as,GA Querschnittsfläche der Bewehrung im Gurtanschnitt pro Längeneinheit
bc Schädigungsparameter mit pl in
c /c
bef f mitwirkende Breite eines Querschnitts oder eines Gurtes
bw Breite des Steges
b Breite eines Querschnitts oder Breite eines Gurtes
ds Durchmesser der Bewehrung
d statische Nutzhöhe
fb0 /fc0 Verhältnis von zweiaxialer zu einaxialer Betondruckfestigkeit
fc,cal rechnerische Betondruckfestigkeit
fc,cyl,mod modifizierte Zylinderdruckfestigkeit
fc,cyl Zylinderdruckfestigkeit
fcd Bemessungswert der einaxialen Betondruckfestigkeit
fck charakteristischer Wert der einaxialen Zylinderdruckfestigkeit des
Betons
fcm Mittelwert der einaxialen Zylinderdruckfestigkeit des Betons
fctd Bemessungswert der einaxialen Betonzugfestigkeit
fctk;0,05 5%-Quantilwert der einaxialen Betonzugfestigkeit
fctm,f l mittlere Biegezugfestigkeit
fctm Mittelwert der einaxialen Betonzugfestigkeit
fct einaxiale Betonzugfestigkeit
fc einaxiale Betondruckfestigkeit
ft Zugfestigkeit der Bewehrung
fyd Bemessungswert der Streckgrenze der Bewehrung
fyk charakteristischer Wert der Streckgrenze der Bewehrung
fym Mittelwert der Streckgrenze der Bewehrung
hf Dicke des Gurtes am Anschnitt zum Steg
h Bauteildicke oder Bauteilhöhe
k Beiwert, Faktor
l0 Abstand zwischen Biegemomentennulldurchgängen

xii
li Teillänge des betrachteten Druckgurtanschlusses (entspricht ∆x)
lc Längenparameter Druck, lct charakteristische Elementlänge für Zug
mRd Bemessungswert des aufnehmbaren Biegemoments je Längeneinheit
mR aufnehmbares Biegemoment je Längeneinheit
ne Anzahl der Integrationspunkte je Element
p Linienlast
sf Abstand der Bewehrungsstäbe
tef effektive Wanddicke
t rechnerische Auflagerbreite
vEd Bemessungswert der einwirkenden Querkraft je Längeneinheit
vRd,sy Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit der Bewehrung je Län-
geneinheit
vRd Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit je Längeneinheit
vR Querkrafttragfähigkeit je Längeneinheit
wc kritische Rissöffnung
w Rissöffnung
x Druckzonenhöhe
z1 Abstand der betrachteten Randfaser zur Schwerachse des Querschnitts
z Hebelarm der inneren Kräfte

xiii
xiv
Griechische Buchstaben

Θf Neigung der Betondruckstrebe im Gurt


Θ Neigung der Betondruckstrebe
αe Parameter der plastischen Potentialfunktion G (Exzentrizität)
α Neigungswinkel der Bewehrung zur Bauteillängsachse oder Beiwert zur
Berücksichtigung von Langzeiteffekten und ungünstigen Auswirkungen
durch die Art der Beanspruchung
βGA Risswinkel im Gurtanschnitt
β Risswinkel
1,max Zugdehnung im Bruchzustand
1 aufgebrachte Zugdehnung
c1 Stauchung beim Höchstwert der Betondruckspannung
c Betondehnung oder Betonstauchung
u Bruchdehnung Betonstahl
y Fließdehnung Betonstahl
γ Teilsicherheitsbeiwert oder Materialparameter
µ Viskositätsparameter im CDP-Modell
νEd bezogene Längsschubkraft am Anschluss eines Gurtes an den Steg
νQ Querdehnzahl bzw. Poissonzahl
νRd bezogener Längsschubwiderstand am Anschluss eines Gurtes an den
Steg
ν Abminderungsbeiwert für unter Druckbeanspruchung gerissenen Beton
ω mechanischer Bewehrungsgrad
ψ Dilatanzwinkel
ρ geometrischer Bewehrungsgrad
σI,GA,Ed Bemessungswert der Hauptzugspannung im Gurtanschnitt
σI,GA,Rd Bemessungswert der aufnehmbaren Hauptzugspannung im Gurtan-
schnitt
σI,GA Hauptzugspannung im Gurtanschnitt
σII,netto Hauptdruckspannung im Beton ohne anteilige Stahlspannungen
σII Hauptdruckspannung

xv
σI Hauptzugspannung
σcp Bemessungswert der Betonlängsspannungen in Höhe des Schwer-
punkts des Querschnitts
σc Betonlängsspannung
σs Betonstahlspannung
σx,GA,Ed Bemessungswert der Betonlängsspannungen im Gurtanschnitt
σx,GA Betonlängsspannungen im Gurtanschnitt
σx Betonlängsspannungen in lokaler X-Richtung
σy Betonlängsspannungen in lokaler Y-Richtung
σ Normalspannung
τT,Ed Schubspannung infolge des Bemessungswerts der Torsion
τV,Ed Schubspannung infolge des Bemessungswerts der Querkraft
τxy,GA,Ed Bemessungswert der Schubspannung im Gurtanschnitt
τxy,GA Schubspannung im Gurtanschnitt
τ Schubspannung

xvi
Kapitel 1

Einleitung

1.1 Herausforderungen

Eine große Zahl bestehender Betonbrücken im deutschen Bundesfernstraßennetz wurde bereits


vor 40-60 Jahren geplant, gebaut und in Betrieb genommen. Seit dieser Zeit sind die Ver-
kehrslasten, insbesondere infolge des stetigen Wachstums der Güterverkehrsmengen, deutlich
gestiegen. Prognosen sagen auch in Zukunft einen weiteren Anstieg voraus [46]. Darüber hinaus
kann eine mit der Alterung der Bausubstanz einhergehende Verschlechterung des allgemeinen
Bauwerkszustands beobachtet werden. In Abbildung 1.1 sind die Altersstruktur und die Ent-
wicklung der Zustandsnoten der Brücken im Bundesfernstraßennetz dargestellt. Es muss daher
heute davon ausgegangen werden, dass die Tragreserven des Brückenbestands weitestgehend
erschöpft sind [65]. Gleichzeitig sind die technischen Regelwerke auf Basis zunehmender Er-
fahrung kontinuierlich weiterentwickelt worden. Diese Entwicklung führt nicht zwangsläufig zu
günstigeren Ergebnissen bei der Bemessung, in Einzelfällen können im Gegenteil sogar deutlich
konservativere Ergebnisse die Folge sein [78].
Aufgrund der genannten Entwicklungen besteht die Notwendigkeit, die Zukunftsfähigkeit
älterer Brückenbauwerke zu beurteilen und Entscheidungen über Instandsetzung, Ertüchti-
gung oder Ersatz zu treffen. Um eine bundeseinheitliche Bewertung unter Berücksichtigung
der besonderen Randbedingungen der bestehenden Konstruktionen zu ermöglichen, wurde
die Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie)
(NR) [79] erarbeitet und im Jahr 2011 durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung bekannt gegeben.
Die Auswertung erster Nachrechnungen von Brückenbauwerken gemäß NR [79] von Fischer
et al. [34] ergab eine hohe Zahl großer rechnerischer Defizite beim Nachweis des schubfesten
Anschlusses der Gurte gegliederter Querschnitte an die Stege. Hierbei lassen die Auswertun-
gen eine Häufung der rechnerischen Defizite bei Druckgurtanschlüssen im Stützbereich von
Hohlkastenbrücken erkennen.
Diese Entwicklung kann zum Teil auf die im Laufe der Jahre deutlich gestiegenen und
2 1 Einleitung

40 2001
35 -
15,4
2012
30
12,7
10,5

10,3
25

9,6
9,1 20

7,6
6,9
6,0 15
4,9

10

3,0
1,5

5
0,6

0
1950 - 54
1955 - 59
1960 - 64
1965 - 69
1970 - 74
1975 - 79
1980 - 84
1985 - 89
1990 - 94
1995 - 99
2000 - 04
2005 - 09
2010 - 14

1,0 - 1,4

1,5 - 1,9

2,0 - 2,4

2,5 - 2,9

3,0 - 3,4

3,5 - 4,0
(a) Altersstruktur ab dem Jahr 1950 (b) Entwicklung der Zustandsnoten von 2001 bis 2012

Abb. 1.1: Brücken im Bundesfernstraßennetz nach Brückenflächen in [%] Stand: März 2014 aus [8]

100% 100%
37,50% 56,20% 40,90% 50,00% 10,30% 44,40% 62,50% 62,50%
90% 90%
80% 80% 89,70%
70% 70%
60% 62,50% 60%
59,10%
50% 50% 55,60%
50,00%
40% 43,80% 40%
30% 30% 37,50% 37,50%
20% 20%
10% 10%
0% 0%
bis 1966 1967-1973 1974-1979 ab 1980 bis 1966 1967-1973 1974-1979 ab 1980
(8 BW) (16 BW) (22 BW) (4 BW) (29 BW) (36 BW) (32 BW) (8 BW)
mit rechnerischem Gurtanschlussdefizit mit rechnerischem Querkraftdefizit
ohne rechnerisches Gurtanschlussdefizit ohne rechnerisches Querkraftdefizit

(a) Gurtanschlussdefizitverteilung von 50 nachgerech- (b) Querkraftdefizitverteilung von 105 nachgerechne-


neten Hohlkastenbrücken ten Spannbetonbrücken

Abb. 1.2: Häufigkeit rechnerischer Gurtanschluss- (a) und Querkraftdefizite (b) nach Bauwerksalter
aus [34]

derzeit bei der Nachrechnung anzusetzenden Verkehrslasten zurückgeführt werden. Fischer et al.
stellten in [34] jedoch in etwa der Hälfte der Fälle mit rechnerischen Defiziten Überschreitungen
im Grenzzustand der Tragfähigkeit von über 100% fest. Betrachtet man die relativ hohen
Eigengewichtsanteile von Spannbetonbrücken an den Bemessungsschnittgrößen, die in der
3

Regel etwa 70% der Gesamtbeanspruchung ausmachen, so stellt man fest, dass die gestiegenen
Verkehrslasten nicht allein die Erklärung für die bei der Nachrechnung festzustellenden Defizite
sind. Die von Maurer et. al in [68, 71] durchgeführten Untersuchungen zur Auswirkung der mit
Einführung der Eurocodes gestiegenen Verkehrslasten bestätigen diese Aussage.
Die Ursachen sind folglich vor allem auch auf die mit der Weiterentwicklung der Regelwerke
geänderten Bemessungsvorschriften und Konstruktionsregeln zurückzuführen. In Kapitel 2.1
werden daher die wichtigsten Entwicklungsschritte der Bemessungsnormen für Spannbeton-
brücken innerhalb der vergangenen 65 Jahre zusammenfassend dargestellt. Die Bemessung und
Konstruktion mit den aktuellen für den Neubau von Brückenbauwerken konzipierten Regelwer-
ken führt zu robusten und wirtschaftlichen Tragwerken [78]. Für bestehende Konstruktionen
sind jedoch gesonderte Überlegungen erforderlich, da Verstärkungsmaßnahmen in der Regel
nicht nur erhebliche finanzielle Aufwendungen mit sich bringen, sondern darüber hinaus auch
einen erheblichen Eingriff in die Bausubstanz darstellen. Daher werden genauere Verfahren
zur Nachrechnung bestehender Brückenbauwerke benötigt, die das normativ geforderte Zu-
verlässigkeitsniveau unter Ausnutzung bislang rechnerisch nicht berücksichtigter Traganteile
einhalten.

1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise


Ziel der Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit ist es, Möglichkeiten für eine verfeinerte
Bemessung stark gegliederter Stahlbeton- und Spannbetonquerschnitte im Grenzzustand der
Tragfähigkeit (GZT) aufzuzeigen. Hierbei wird der Fokus auf die Ermittlung des Bemessungs-
widerstandes für Schub ohne und mit geringer Querbiegung vorwiegend gedrückter Gurte von
Hohlkastenbrücken gelegt, da sich hier in der derzeitigen Nachrechnungspraxis maßgebende
rechnerische Defizite ergeben [34].
In Kapitel 2 wird zunächst die historische Entwicklung der Bemessungsvorschriften für den
schubfesten Anschluss von Gurten gegliederter Querschnitte im Spannbetonbrückenbau in
Deutschland als Kurzübersicht mit den wesentlichen Entwicklungsschritten dargestellt. Erkennt-
nisse aus ausgewählten experimentellen und theoretischen Untersuchungen zum Tragverhalten
gegliederter Querschnitte und von Scheiben unter kombinierten Beanspruchungszuständen
werden vorgestellt. Einige hiervon dienen als Basis für die späteren Simulationsrechnungen. Die
derzeitigen Regelungen der DIN EN 1992 [18–20] werden im Anschluss ausführlich beschrieben.
Hierauf aufbauend werden in Kapitel 2.5 offene Fragestellungen und Regelungsbedarf bei der
Bemessung von Gurtanschlüssen aufgezeigt.
Die phänomenologische Beschreibung des Verhaltens von unbewehrtem Beton, Stahlbeton
und Betonstahl unter verschiedenen Beanspruchungszuständen ist die Basis für die Formulierung
konstitutiver Gleichungen auf Materialmodellebene. In Kapitel 3 werden das Werkstoffverhalten
im Versuch und die rechnerische Umsetzung in den hier verwendeten Programmen bzw. bei
4 1 Einleitung

den hier verwendeten Materialmodellen qualitativ dargestellt.


Die Verifikation der verwendeten Modelle erfolgt in Form von Beispielrechnungen in Kapitel 4.
Hierzu werden neben Kleinversuchen aus der Literatur, die das Tragverhalten von unbewehrtem
Beton unter verschiedenen Spannungszuständen beschreiben, auch weitere Rechnungen an
Bauteilen mit geringen Abmessungen und analytisch einfach nachvollziehbarem Tragverhalten
durchgeführt, um das Systemverhalten unter verschiedenen Randbedingungen zu analysieren.
Bevor es zur Anwendung der Modelle auf gut dokumentierte Versuche aus der Literatur
kommt, werden in Kapitel 5 zunächst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Tragwirkung
von Gurt- und Stegquerschnitten herausgearbeitet. Ein vorhandenes Optimierungspotential
der derzeitigen Annahmen bei der Bemessung von Gurtanschlüssen wird auf diese Weise
verdeutlicht.
Im Anschluss erfolgt in Kapitel 6 die Anwendung der Modelle zur Nachrechnung von Versu-
chen zum Tragverhalten gegliederter Querschnitte. Für die Systemmodellierung kommen die in
Kapitel 3 vorgestellten Programmsysteme ABAQUS und SOFiSTiK zum Einsatz. Auswirkungen
möglicherweise maßgebender Einzelparameter bei der nichtlinearen Systemanalyse werden im
Rahmen von Sensitivitätsbetrachtungen in Kapitel 7 überprüft. Neben streuenden Materialpa-
rametern steht hierbei auch die Untersuchung geänderter systematischer Randbedingungen, die
sich bei der Übertragung auf Brückenbauwerke mit realistischen Abmessungen einstellen, im
Fokus der Betrachtungen.
In Kapitel 8 erfolgt die Übertragung des hierfür geeigneten Modells auf ein zweifeldriges
Referenzsystem mit für den Brückenbau relevanten Abmessungen. Als Referenzquerschnitt
wird ein Hohlkastenquerschnitt mit üblicher Biegeschlankheit gewählt. Im Anschluss an die
umfassende Untersuchung des Trag- und Rissverhaltens in der Simulation unter Gleichlasten
und konzentrierten Einzellasten erfolgt eine Variation der Hauptsystemparameter. Hierdurch
wird eine möglichst große Bandbreite praxisrelevanter Randbedingungen abgedeckt. Darüber
hinaus wird untersucht, unter welchem Beanspruchungsniveau im Modell mit einem Übergang
der Gurtanschnitte in den gerissenen Zustand II zu rechnen ist.
Die sich aus Scheibenlängsspannungen und Scheibenschubspannungen zusammensetzenden
Hauptbeanspruchungen der Gurte gegliederter Querschnitte können durch weitere Beanspru-
chungen in Plattenebene überlagert werden. In Kapitel 9 wird daher ein von Menn in [9]
vorgeschlagenes Modell zur Berücksichtigung dieser Beanspruchungsinteraktion für die Be-
messung von gerissenen Gurtquerschnitten im GZT auf das aktuelle Format der DIN EN 1992
[18–20] umgestellt. Für Druckgurtbereiche, die sich noch im ungerissenen Zustand I befinden,
werden Modellrechnungen zu den Auswirkungen einer erhöhten Biegezugfestigkeit auf das
Rissverhalten unter kombinierten Beanspruchungen durchgeführt.
Auf Basis der durchgeführten Untersuchungen werden im Kapitel 10 Bemessungsvorschläge
aufgestellt, die das in der Simulation und der Versuchsauswertung beobachtete Tragverhal-
ten vorwiegend unter Längsdruckspannungen stehender Gurtbereiche zutreffender erfassen.
Neben der Vorstellung eines Verfahrens zur Ermittlung der Neigung der Betondruckstrebe
5

zur anschließenden Querschnittsbemessung im gerissenen Zustand II wird das nach aktuellen


Regelwerken zulässige Verfahren zur Bemessung noch ungerissener Querschnitte auf Basis zu-
lässiger Schubspannungen um die Berücksichtigung des vorhandenen Längsspannungszustandes
erweitert.
6 1 Einleitung
Kapitel 2

Stand des Wissens

2.1 Historische Entwicklung


Der Nachweis des schubfesten Anschlusses von Gurten gegliederter Querschnitte an die Stege
unterlag im Laufe der vergangenen 65 Jahre seit Beginn des Spannbetonbrückenbaus in
Deutschland stetigen Anpassungen bzw. Veränderungen. Die maßgebenden Entwicklungsschritte
innerhalb der deutschen Regelwerke zwischen 1952 und 2003 sind in Tabelle 2.1 übersichtlich
dargestellt.

Tab. 2.1: Entwicklung der Bemessungsvorschriften zum Nachweis des schubfesten Anschlusses
gegliederter Querschnitte im Spannbetonbrückenbau in Deutschland

Regelwerk Nachweisformat und Besonderheiten


DIN 4227:1953 [21] Nachweis der Hauptzugspannungen unter Gebrauchslast und rechne-
rischer Bruchlast
Bei Einhaltung einer vorgegebenen Nachweisgrenze ist keine statische
Bewehrung erforderlich
Ein Mindestbewehrungsgrad wird nicht vorgegeben
ZB DIN 4227:1966 Einführung der reduzierten Schubdeckung
[102]
Nachweis der Hauptdruckspannungen (nur für Balkenstege)
Einführung einer verbindlichen Mindestbewehrung
DAfStb Richtlinie zu Einführung des Fachwerkmodells zur Ermittlung der erforderlichen
DIN 4227 (1973) Schubbewehrung (Druckstrebenwinkel 45°; Neigung der Schubbe-
[14] wehrung zwischen 45° und 90°)
Fortsetzung auf der nächsten Seite
8 2 Stand des Wissens

Tab. 2.1: Fortsetzung – Entwicklung der Bemessungsvorschriften

Einführung der Schubzonen (Zone a: Biegerisse sind nicht zu er-


warten, Schubrisse entstehen in Form von Schubzugrissen; Zone b:
Schubrisse entwickeln sich aus Biegerissen)
Für druckbeanspruchte Gurte in Zone b gelten die Regelungen der
Zone a
Schubbewehrung infolge Querkraft darf ohne genaueren Nachweis
nicht auf die zur Aufnahme der Querbiegung erforderlichen Beweh-
rung angerechnet werden
Die schiefen Hauptdruckspannungen in druckbeanspruchten Gurten
sind zu begrenzen
DIN 4227:1979 [22] Das 45°-Fachwerkmodell mit reduzierter Schubdeckung wird durch
ein Fachwerkmodell mit veränderlicher Druckstrebenneigung ersetzt
Für Druckgurte gelten weiter die Regeln der Zone a
Eine symmetrisch zur Mittelfläche verteilte Schubbewehrung darf
in der Regel vereinfachend auf die erforderliche Biegezugbewehrung
voll angerechnet werden
Die schiefen Hauptdruckspannungen in druckbeanspruchten Gurten
sind zu begrenzen
DIN 4227:1988 [23] keine nennenswerten Änderungen für die Gurtbemessung
DIN Fachbericht 102 Die Bemessung des Gurtanschlusses erfolgt seither unter der Annah-
(2003 bzw. 2009) me gerissener Querschnitte (Abschaffung der Zone a)
[25, 26]
Berechnungsgrundlage ist das Fachwerkmodell mit Rissreibung
Für die Ermittlung der Druckstrebenneigung gelten für Gurtanschlüs-
se die gleichen Annahmen und Grenzbedingungen wie für Stegquer-
schnitte
Bei Interaktion von Schub mit Querbiegung darf die erforderliche
Schubbewehrung auf die Biegebewehrung angerechnet werden

Aus Tabelle 2.1 gehen die wichtigsten Entwicklungsschritte im Rahmen der Normung in
Deutschland, die einen Einfluss auf die Bemessung von Gurtanschlüssen vorgespannter Beton-
brücken haben, hervor. Insbesondere die Entwicklung vom reinen Hauptzugspannungsnachweis
9

hin zur Bemessung am Fachwerkmodell, die Abschaffung der für die Bemessung günstigen
Zone a und die Festlegung verbindlicher Mindestbewehrungsgrade können neben den erhöh-
ten Beanspruchungen als Begründung für die rechnerischen Defizite bei der Nachrechnung
angeführt werden. Seinerzeit erfolgte eine Unterteilung der Querschnitte in unterschiedliche
Zonen für die Schubbemessung. In die Zone a durften jene Querschnitte eingruppiert werden,
bei denen aufgrund betragsmäßig begrenzter Biegezugspannungen unter der maßgebenden
Einwirkungskombination keine Biegerissbildung zu erwarten ist. Schubrisse entstehen hier in der
Regel schlagartig in Form von Schubzugrissen. In der Zone b hingegen ist mit einer Biegezugriss-
bildung zu rechnen. Die Risse knicken hier oberhalb der Biegezugbewehrung ab und wachsen als
geneigte Biegeschubrisse weiter in den Querschnitt. Für die gedrückten Bodenplattenbereiche
von Hohlkastenbrücken galt seinerzeit eine besondere Regelung. Auf Basis der beschriebenen
Randbedingungen hätte theoretisch eine Eingruppierung der Gurtplattenquerschnitte in die
für die Bemessung ungünstigere Zone b erfolgen können, da die Gesamtquerschnitte an der
Oberseite im Bereich der Fahrbahnplatte betragsmäßig hohen Zugspannungen in Längsrich-
tung ausgesetzt sind und hier in der Regel mit einer Rissbildung unter der maßgebenden
Einwirkungskombination zu rechnen ist. Jedoch wurden die in Längsrichtung vollständig über-
drückten Gurtbereiche als Teilquerschnitte losgelöst vom Gesamtquerschnitt betrachtet und in
die günstigere Zone a eingestuft.
Mit der Einführung der DIN-Fachberichte wurde zur Vereinfachung der Nachweise die bis
dahin vorgenommene Unterteilung der Querschnitte in unterschiedliche Schubzonen aufgegeben.
Hierdurch wurden auch einige Kritikpunkte am bis dahin gültigen Nachweisformat ausgeräumt.
Hierzu zählten die Überlagerung der Beanspruchungen aus Last mit schwer quantifizierbaren
Eigen- und Zwangsspannungen bei einer gleichzeitigen nicht unerheblichen Streuung der Be-
tonzugfestigkeit. Darüber hinaus wurde die Biegebemessung an Innenstützen auf Grundlage
planmäßig gerissener Querschnitte im Zustand II durchgeführt, während die Querkraftbemessung
in den gleichen Schnitten durch eine Begrenzung der Hauptzugspannungen im ungerissenen
Zustand I erfolgte. Von nun an war bei der Bemessung immer von gerissenen Querschnitten
auszugehen. Die derzeitigen Regelungen der DIN EN 1992 [18–20] zur Bemessung des schub-
festen Anschlusses von Gurten gegliederter Querschnitte an die Stege werden in Kapitel 2.4
ausführlich vorgestellt.

2.2 Untersuchungen zum Tragverhalten von Gurtschei-


ben gegliederter Querschnitte
In den Gurten gegliederter Querschnitte sind im Allgemeinen Kombinationen verschiedener
Beanspruchungen zu berücksichtigen. Im Regelfall überlagern sich im Bereich der Anschlüsse
Scheibenschubspannungen mit großen Scheibenlängsspannungen. Bei Letztgenannten kann
es sich entweder um Zug- oder Druckspannungen handeln. Darüber hinaus können aufgrund
10 2 Stand des Wissens

örtlicher Einwirkungen, z.B. infolge fließenden Verkehrs oder Profilverformung bei Hohlkasten-
querschnitten, zusätzliche Querbiegemomente und Plattenquerkräfte eine weitere zu berück-
sichtigende Beanspruchungsart darstellen. In der Literatur sind eine Reihe experimenteller und
theoretischer Untersuchungen zum Tragverhalten der Gurte gegliederter Querschnitte doku-
mentiert, aus denen Bemessungsvorschläge abgeleitet sind. Badawy und Bachmann [4, 5] und
Bacchetta und Bachmann [3] untersuchten bereits in den 1970er Jahren das Tragverhalten von
Druckgurtanschlüssen mit und ohne Querbiegung. Weitere Untersuchungen an Plattenbalken
mit Druckgurten aus Stahlbeton wurden beispielsweise von Leonhardt und Walther in [58,
59] beschrieben. Experimentelle Untersuchungen zum Tragverhalten von Zuggurtanschlüssen
folgten durch Eibl und Kühn [28–30], Bacchetta und Bachmann [2] und Schieferstein [88].
Theoretische Überlegungen zum Tragverhalten unter Berücksichtigung einer vorhandenen Quer-
biegung sind unter anderem in [9, 43, 83] zu finden. Nachfolgend werden die Erkenntnisse der
genannten experimentellen Untersuchungen kurz dargestellt.

2.2.1 Versuche von Badawy und Bachmann

Badawy und Bachmann [4, 5] führten in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre Versuche an 5
Versuchsträgern mit Plattenbalkenquerschnitt durch (Träger Q1 bis Q5) und untersuchten
strukturiert den Einfluss von Längsschub mit und ohne Querbiegung in Druckgurten. Die
experimentellen Untersuchungen an den Trägern Q1 und Q2 stellen eine wesentliche Grundlage
für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Simulationsrechnungen dar und werden an
entsprechender Stelle noch ausführlicher vorgestellt. Hier werden zunächst die wesentlichen
Erkenntnisse beschrieben.
Auf Basis der Ergebnisse ihrer experimentellen Untersuchungen zeigten Badawy und Bach-
mann, dass eine Bemessung der Querbewehrung zur Sicherstellung der schubfesten Verbindung
von Druckgurt und Stegquerschnitt durch den Nachweis der schiefen Hauptzugspannungen nach
Balkentheorie keine zutreffende Näherung darstellt. Bei den untersuchten Trägern führte diese
Art der Bemessung zu Bewehrungskonzentrationen in für das spätere Versagen nicht maßgeben-
den Trägerabschnitten. Die Dimensionierung des erforderlichen Betonstahlquerschnitts für den
Bruchzustand nach dem Flanschfachwerk-Modell führte hingegen zu guten Übereinstimmungen
der Berechnung mit den Beobachtungen im Versuch. Hierbei wurde ein Wert für die Neigung der
Betondruckstrebe im Druckgurt von etwa tan Θ = 0,5 angegeben. Für die optimale Lage der
Querbewehrung in der Gurtplatte war das Versatzmaß, das sich aus dem Fachwerkmodell ergibt,
zu berücksichtigen. Bei den untersuchten Trägern mit einem zusätzlichen Querbiegemoment
ergaben sich ebenfalls gute Übereinstimmungen mit dem Flanschfachwerk-Modell. Darüber
hinaus wurden Empfehlungen zur Reduktion der Schubbewehrung auf der Biegedruckseite
gegeben.
11

% 
2TJOPD %  
%DPTPD DPT GM

]
;


DPUB UH 
+

0M

nach Badawy und Bachmann aus [5]


0M
'MBOTDIGBDIXFSL.PEFMM
2.1:Flanschfachwerk-Modell
Abb. #JME

2.2.2 Versuche von Bacchetta und Bachmann (Druckgurt)


Aufbauend auf den Untersuchungen von Badawy und Bachmann führten Bacchetta und
Bachmann in [3] zwei weitere Versuche (Q6 und Q7) an geometrisch gleichen Versuchsträgern
mit Druckgurtanschluss durch. Die Planung der Versuchsträger erfolgte auf Grundlage der
bisherigen Erkenntnisse aus [5] mit dem Flanschfachwerk-Modell als Bemessungsgrundlage.
Zusätzlich wurden bei diesen Untersuchungen die Druckplatten in Querrichtung mit einer
Vorspannung ausgeführt. Als wesentlicher Unterschied zu den bisherigen Ergebnissen wurde das
deutlich günstigere Rissverhalten der teilweise quervorgespannten Druckplatten im Vergleich
zu den ausschließlich schlaff bewehrten Versuchsträgern beschrieben, bei denen ansonsten ein
vergleichbares Tragverhalten beobachtet werden konnte.

2.2.3 Versuche von Leonhardt und Walther


In [58, 59] beschrieben Leonhardt und Walther die Ergebnisse von Schubversuchen an ein-
feldrigen Stahlbetonbalken mit Plattenbalkenquerschnitt bzw. I-Querschnitt im 4-Punkt-
Biegeversuch. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand die Erforschung des Stegtragverhaltens
unter hohen Schubbeanspruchungen mit unterschiedlichen Schubbewehrungsformen. Für die
Druckgurtbereiche wurden hierbei die Betonstauchungen bzw. -dehnungen gemessen und aus-
gewertet. In allen Versuchsträgern wurden in der oberen Faser der Druckplatte neben den
Lagerachsen in einem Bereich mit einer Läge, die etwa der 1,5-fachen Trägerhöhe entspricht,
Zugspannungen festgestellt. Im Anschluss an diesen Bereich nahmen die Druckstauchungen bis
zur Lasteinleitung stark zu. Einen Einfluss hierauf hatte in den Versuchen die Anordnung der
12 2 Stand des Wissens

Querkraftbewehrung im Steg. Bei vertikaler Bügelbewehrung war der unter Zugspannungen


stehende Bereich länger als bei den Untersuchungen mit diagonaler Stegbewehrung. Diese
Beobachtung führten Leonhardt und Walther auf das mit der vertikalen Bügelbewehrung
einhergehende Versatzmaß zurück.

2.2.4 Versuche von Bacchetta und Bachmann (Zuggurt)


Nach den vorangegangenen Untersuchungen zum Tragverhalten von Druckgurten führten Bac-
chetta und Bachmann [2] experimentelle Untersuchungen an sechs Trägern mit I-Querschnitt
durch, um das Flanschfachwerk-Modell für die Bemessung von Zuggurtanschlüssen zu über-
prüfen. Bei zwei Trägern war der Gurtanschluss allein durch Längsschub beansprucht, bei den
Weiteren kam ein zusätzliches Querbiegemoment hinzu. Für die Bemessung der Zuggurte wurde
der Neigungswinkel der Betondruckstrebe im Fachwerkmodell mit tan Θ = 0,5 bis 0,6 angege-
ben. Darüber hinaus wurde der Einfluss unterschiedlicher Verteilungen der Anschlussbewehrung
auf die obere und untere Gurtplattenseite untersucht. Diese bewirkten in den Versuchen eine
Verlagerung der Querzugkraftresultierenden infolge Längsschub hin zur stärker bewehrten
Gurtseite. Hierzu wurde ein Bemessungsvorschlag unter Berücksichtigung einer rechnerischen
Exzentrizität vorgestellt.

2.2.5 Versuche von Eibl und Kühn


Fast zeitgleich mit Bacchetta und Bachmann simulierten Eibl und Kühn [29, 30] das Tragverhal-
ten gezogener Gurtplatten im Bereich von Zwischenstützen in vier Versuchen an doppelseitigen
Kragträgern (PB1 bis PB4) mit dem Ziel, das Tragverhalten bei teilweiser bzw. völliger Aus-
lagerung der Längsbewehrung in die Zugplatte zu studieren und Bemessungshilfen für die
Praxis abzuleiten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass eine nahezu vollständige Auslagerung der
Biegezugbewehrung in die Flansche bei gleichzeitiger Erreichung der planmäßigen Bruchlast
möglich ist, wenn eine ausreichende Querbewehrung angeordnet wird und ein zusätzliches
Versatzmaß berücksichtigt wird. Im Gebrauchszustand sind die im stegnahen Bereich angeord-
neten Bewehrungsstäbe jedoch teilweise deutlich größeren Beanspruchungen ausgesetzt. Dies
gilt insbesondere in Querschnitten, die sich in unmittelbarer Auflagernähe befinden. Erst nach
dem Erreichen der Streckgrenze der inneren Längsbewehrungsstäbe findet eine Umlagerung
in die weiter außen liegenden Stäbe statt. Dies geht mit sehr großen Rissbreiten schon im
Gebrauchslastbereich einher. Daher kamen Eibl und Kühn zu folgender Feststellung: Wenn ein
kräftiges Zugband im Steg verbleibt, kann die übrige Bewehrung in den Zuggurt ausgelagert
werden. Hierzu definierten sie eine mitwirkende Breite in Abhängigkeit der Steghöhe.
Für die Bemessung wurden Gleichungen auf Grundlage eines Fachwerkmodells angegeben
und durch analytische Überlegungen auf den Fall geringer Querbiegemomente, die nicht
durch die Versuche abgedeckt sind, erweitert. Der Druckstrebenwinkel für die Bemessung
13

(a) schematisches Schubrissbild (b) Gleichgewicht der Kräfte am ’Schubzahn’

Abb. 2.2: Tragverhalten der gerissenen Platte nach Eibl aus [28]

des Zuggurtanschlusses bei reiner Schubbeanspruchung nach Fachwerkanalogie wurde für die
vorliegenden Untersuchungen mit etwa tan Θ ≈ 0,5 angegeben. Dies entspricht nicht den im
Versuch beobachteten Risswinkeln und wurde mit starken Vereinfachungen im Fachwerkmodell
begründet. Die Herleitung des Fachwerkmodells erfolgte an einem in Anlehnung an das Rissbild
aus der Platte gedanklich herausgeschnittenen Riss- bzw. Schubzahn. Dieser ist an seiner
Wurzel in den Steg eingespannt und es wirken Schubkräfte in den Rissflanken, was insgesamt
zu einem günstigeren Tragverhalten führt und die flachere Neigung der Betondruckstrebe
im Fachwerkmodell erklären soll. In [28] veranschaulichte Eibl das Tragverhalten mit der
Darstellung in Abbildung 2.2.

2.2.6 Versuche von Schieferstein

Auf Basis des Bemessungsmodells von Eibl und Kühn [29, 30] plante Schieferstein [88] drei
Versuchsträger mit dem Ziel, die Tragfähigkeit der schiefen Betondruckstrebe im Zuggurt zu
erforschen. Die Untersuchungen umfassten neben der reinen Längsschubbeanspruchung auch
kombinierte Beanspruchungszustände aus Längsschub mit Querbiegung. Tatsächlich versagten
alle drei Querschnitte im Versuch durch eine Überbeanspruchung des Betons auf Druck im Zug-
gurtanschnitt. Es wurden Bemessungsverfahren und Interaktionsdiagramme für die Fälle Schub
mit überwiegender Querbiegung mit einer einlagigen Anschlussbewehrung auf der Biegezugseite
und Querbiegung mit überwiegendem Schub mit einer Anschlussbewehrung auf der Biegezug-
und Biegedruckseite hergeleitet. Für den zweiten Fall überwiegender Schubbeanspruchung wurde
der Neigungswinkel der Betondruckstrebe im Zuggurt in Übereinstimmung mit den im Rahmen
der Versuchsdurchführung festgestellten Winkeln mit tan Θ = 0,5 konstant angenommen. Eine
Reduktion der Tragfähigkeit der schiefen Betondruckstreben in Bezug auf die Prismenfestigkeit
wurde im Rahmen der Versuchsauswertung nicht festgestellt.
14 2 Stand des Wissens

2.2.7 Weitere experimentelle und theoretische Untersuchungen


Kaufmann und Menn untersuchten in [50] die Kombination von Schub mit Querbiegung in
den Stegen von I-Querschnitten und folgerten aus den Ergebnissen ihrer Versuche, dass ei-
ne Überlagerung der Bewehrungsquerschnitte aus Schub und Querbiegung nicht erforderlich
ist. Dies führten sie darauf zurück, dass sich die Lage der Querkraftresultierenden im Steg-
querschnitt optimal einstellt. Gleichzeitig stellten sie mit Erreichen des Rissmoments infolge
Querbiegung einen Abfall der oberen Schubspannungsgrenze fest. Diese konnte jedoch auf
Basis der vorliegenden Versuche nicht eindeutig quantifiziert werden.
In [9] stellten Brühwiler und Menn Interaktionsdiagramme für die kombinierte Beanspruchung
von Stegquerschnitten durch Schub und Querbiegung vor.
Pratsch [43, 83] entwickelte Interaktionsdiagramme zur Berücksichtigung einer kombinierten
Beanspruchung aus Schub mit Querbiegung für Stegquerschnitte auf Grundlage der Plastizitäts-
theorie. Da diese wesentliche Verträglichkeitsbedingungen verletzt, schlug er vor, den Winkel
der Betondruckstrebe auf die in DIN 4227 Teil 1 für die Zone b festgelegten Werte zu begrenzen.
Darüber hinaus sollten die Werte der Stahlspannungen auf der Biegedruckseite auf die Werte,
die sich nach DIN 4227 Teil 1 für alleinige Biegebeanspruchung ergeben, begrenzt werden. Die
Ermittlung der Druckfeldfestigkeit erfolgte unter Ansatz eines Abminderungsbeiwertes von 0,75
zur Berücksichtigung des Einflusses der Rissbildung und der Schubbewehrung auf die Festigkeit
der Druckstrebe.

2.3 Untersuchungen zum Tragverhalten von Scheiben un-


ter kombinierten Beanspruchungen
Bei den Gurten gegliederter Querschnitte handelt es sich um scheibenartige Bauteile, die
auch ohne die Berücksichtigung zusätzlicher Plattenschnittgrößen immer einer Kombination
aus Druck-, Zug- und Schubspannungen (bzw. Hauptdruck- und Hauptzugspannungen im
Hauptspannungsraum) innerhalb der Scheibenebene ausgesetzt sind. Eine große Zahl experi-
menteller Forschungsarbeiten widmet sich der Erforschung der Auswirkungen unterschiedlicher
Spannungszustände auf die Tragfähigkeit von Scheiben aus Stahlbeton bzw. unbewehrtem
Beton (beispielsweise [7, 31, 33, 53, 55, 62, 89, 91, 97]). Für die Bemessung von Gurtan-
schlüssen sind insbesondere die Erkenntnisse zur Entwicklung der Tragfähigkeit des Betons auf
Druck bei gleichzeitiger Querzugbeanspruchung von Interesse. Die in Kapitel 2.2 vorgestellten
Untersuchungen liefern hierzu kein einheitliches Bild. Dieser Zusammenhang wurde jedoch in
einigen der genannten Arbeiten an Beton- und Stahlbetonscheiben untersucht und es wurden
auf Basis der jeweiligen Ergebnisse Vorschläge für eine Abminderung der Betondruckfestigkeit
in Abhängigkeit der vorhandenen Querdehnung angegeben. Im Rahmen dieser Arbeit werden
die Auswirkungen unterschiedlicher Vorschläge zur Abminderung der Druckfestigkeit anhand
15

von Versuchsnachrechnungen an Plattenbalkenquerschnitten untersucht.

2.4 Stand der Normung

Die nachfolgend aufgeführten Bemessungsvorschriften stammen aus dem Teil 1-1 (Allgemeine
Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau) [18] und dem Teil 2 (Betonbrücken) [19] der
DIN EN 1992. Darüber hinaus regelt ein nationaler Anhang (NA) zu den jeweiligen Normen die
Verwendung von national festzulegenden Parametern (NDP) und enthält ergänzende, nicht
widersprechende Angaben (NCI) zur Anwendung. Die hier dargestellten nationalen Regelungen
aus dem nationalen Anhang für Betonbrücken [20] werden im Folgenden mit NA kenntlich
gemacht.
Der Nachweis einer ausreichenden Schubtragfähigkeit eines Gurtanschlusses darf unter der
Annahme eines Fachwerkmodells mit schrägen Betondruckstreben und Bewehrung als Zugglieder
erfolgen [18]. Hierbei ist nachzuweisen, dass ein Versagen der Betondruckstrebe im Gurt bzw.
der Querbewehrung in der Anschlussfuge infolge des Bemessungswerts der Längsschubspannung
ausgeschlossen werden kann.
Der Bemessungswert der Längsschubspannung ergibt sich gemäß (2.1) aus der Längskraftdif-
ferenz im untersuchten Teil des Gurtes. Als Bemessungslänge darf höchstens der halbe Abstand
zwischen Momentennulldurchgang und betragsmäßigem Momentenmaximum bzw. der Abstand
zwischen eventuell wirkenden Einzellasten angenommen werden [18, Abs. 6.2.4]. Der Nachweis
im GZT ist entsprechend (2.2) zu führen.

νEd = ∆Fd / (hf · ∆x) (2.1)


ν · f · sin Θ · cos Θ
cd f f Tragfähigkeit der Druckstrebe
νEd ≤ (2.2)
(As,GA · fyd /sf ) / (hf / cot Θf ) Tragfähigkeit der Bewehrung

Als Empfehlung für die rechnerische Berücksichtigung des Druckstrebenneigungswinkels Θf


werden im Eurocode die Grenzen 1,0 ≤ cot Θf ≤ 2,0 für Druckgurte und 1,0 ≤ cot Θf ≤ 1,25
für Zuggurte angegeben. Die Grenzen für den Winkel Θf dürfen landesspezifisch festgelegt
werden und sind somit dem NA zu entnehmen. Dieser gibt zwei Möglichkeiten zur Ermittlung
von Θf an. Vereinfachend darf für den Winkel der Betondruckstrebe in Zuggurten cot Θf = 1,0
und in Druckgurten cot Θf = 1,2 angenommen werden [20, NDP zu 6.2.4(4)]. Eine genauere
Ermittlung der Druckstrebenneigung darf in Analogie zum Querkraftnachweis in Stegen gemäß
(2.3) und (2.4) erfolgen.
16 2 Stand des Wissens

1,2 + 1,4σcp /fcd


1,0 ≤ cot Θf ≤ ≤ 1,75 (2.3)
1 − VRd,cc /VEd

 
σcp
VRd,cc = 0,24 · fck 1/3
· 1 − 1,2 · · bw · z (2.4)
fcd

Dabei ist bw = hf und z = ∆x zu setzen. Für σcp darf anstelle der mittleren Betonlängs-
spannung im Querschnitt die mittlere Betonlängsspannung im anzuschließenden Gurtabschnitt
mit der Länge ∆x angesetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine nahezu unveränderte
Übertragung des in Deutschland prinzipiell für die Querkraftbemessung von Stegen anzuwen-
denden Fachwerkmodells mit Rissreibung auf die Bemessung von Gurtplatten gegliederter
Querschnitte.
In Gurtanschlussbereichen, in denen die bezogene Längsschubkraft νEd kleiner oder gleich
der mit dem Faktor k reduzierten Bemessungszugfestigkeit fctd ist, ist keine zusätzliche
Bewehrung zur Biegebewehrung erforderlich. Der empfohlene Abminderungsbeiwert k wird mit
0,4 angegeben und im NA so übernommen [18, Abs. 6.2.4 (6)] [20, NDP zu 6.2.4 (6)].

2.4.1 Überlagerung mit Querbiegung


Bei einer kombinierten Beanspruchung durch Scheibenschubkräfte zwischen Gurt und Steg und
gleichzeitiger Querbiegung ist in der Regel der größere erforderliche Bewehrungsquerschnitt
anzuordnen. Hierbei ist eine symmetrische Verteilung der für die alleinige Schubbeanspru-
chung ermittelten Bewehrung auf die Biegedruckzone bzw. Biegezugzone anzunehmen. Für
den Nachweis gegen ein Versagen der schiefen Betondruckstrebe sollte der Wert für hf um
die Betondruckzonenhöhe, die sich aus der Bemessung für Querbiegung ergibt, reduziert
werden [19]. Durch den NA wird für diesen Nachweis eine modifizierte Regelung angegeben.
Diese besagt für den Fall, dass eine Querkraftbewehrung in der Gurtplatte erforderlich wird,
der Nachweis der schiefen Betondruckstrebe in linearer Interaktion für die Scheiben- und
Plattenquerkraftkomponente geführt werden sollte [20, NCI zu 6.2.4 (105)].
Kann der Nachweis gegen Betonversagen in der ursprünglichen Version mit reduziertem Wert
für hf nicht erbracht werden, so wird ein alternativer Nachweis gemäß [19, Anhang MM] durch
den Eurocode bereitgestellt. In Deutschland ist der informative Anhang MM nicht anzuwenden
[20]. Das Bemessungskonzept wird nachfolgend dennoch kurz vorgestellt.
Betrachtet wird hierbei ein gedanklich aus dem Gesamtsystem herausgeschnittenes Gurt-
scheibenelement mit der Länge ∆x und der Breite ∆y am Anschnitt zum Steg. Das Element
wird nun, wie in Abbildung 2.3, in 3 Scheibenebenen (Sandwich) zerlegt. Die resultierenden
Schnittkräfte, bestehend aus Plattenbiegemomenten und Scheibenschubkräften, werden nun
gemäß (2.5) bis (2.10) auf die äußeren Layer aufgeteilt (Bezeichnungen siehe Abbildung 2.3).
'

V
 
' '

17
V
 
'

(a) Innere Schnittkräfte an einem Scheibenelement (b)


BildVerändertes Sandwichmodell
MM.2 — Verändertes Sandwich-Modell

Abb. 2.3: Sandwichmodell als Bemessungsgrundlage gemäß DIN EN 1992-2 [19]


T T

 
bw − z2
τEd1 = νEd · (2.5)
(2 · bw − z1 − z2 ) · z1
bw − z1
τEd2 = νEd · (2.6)
(2 · bw − z1 − z2 ) · z2
mEdx
σEdy1 = (2.7)
(bw − (z1 + z2 ) /2) · z1
mEdx
σEdy2 = (2.8)
(bw − (z1 + z2 ) /2) · z2
bw − z2
σEdx1 = PEd · (2.9)
(2 · bw − z1 − z2 ) · z1
bw − z1
σEdx2 = PEd · (2.10)
(2 · bw − z1 − z2 ) · z2

Die Ermittlung der Dicken z1 und z2 soll iterativ mit dem Ziel erfolgen, die Ausnutzung des
Druckspannungsfeldes bzw. der Zugbewehrung zu optimieren. Der optimale Zugbewehrungsgrad
kann auf Basis des Anhangs F der DIN EN 1992-1-1 ermittelt werden, der Nachweis des Druck-
spannungsfeldes darf nach Abschnitt 6.109 der DIN EN 1992-2 auf Basis der Plastizitätstheorie
mit einer Lösung nach dem statischen Grenzwertsatz (untere Schranke) erfolgen. In Deutschland
sind beide Abschnitte nicht anzuwenden [20].
18 2 Stand des Wissens

2.4.2 Überlagerung mit Torsion bei Kastenquerschnitten


Bei gleichzeitiger Wirkung von Querkraft und Torsion ist die maximale Tragfähigkeit eines
Querschnittes durch die Tragfähigkeit der Betondruckstrebe begrenzt. Mit (2.11) erfolgt für jede
Wand eines Kastenquerschnitts eine lineare Interaktion der maximal aufnehmbaren Querkraft
und Torsion.
   
TEd VEd
+ ≤1 (2.11)
TRd,max VRd,max

Die Berechnungen dürfen unter Annahme eines gemeinsamen Druckstrebenwinkels für


Querkraft und Torsion erfolgen. Gemäß NA erfolgt die Ermittlung des Winkels Θf für die
gemeinsame Schubkraft aus Querkraft und Torsion gemäß (2.12).
VEd · tef
VEd,T +V = VEd,T + (2.12)
bw

Für die Gurtplatten von Hohlkastenquerschnitten mit üblichen Abmessungen gilt hier in der
Regel tef = hf . Die erforderliche Bewehrung für Torsion ergibt sich aus der Berechnung der
Zugstrebenkräfte in Längs- und Querrichtung am räumlichen Fachwerk mit dem gemeinsamen
Druckstrebenwinkel Θf . Sie ist zusätzlich zur erforderlichen Bewehrung infolge Biegung mit
Längskraft und Querkraft einzulegen. Vorhandene Biegedruckkräfte dürfen auf eine erforderliche
Torsionslängsbewehrung angerechnet werden.
In Deutschland gelten darüber hinaus ergänzende Regeln für den Fall, dass Torsion gleichzeitig
mit Biegemomenten, Querkräften und Normalkräften auftritt (NA), da eine solche Beanspru-
chungskombination zu kritischen Hauptspannungszuständen in der Druckzone führen kann. In
ungerissenen Bereichen dürfen die Hauptdruckspannungen den Wert fcd nicht überschreiten. In
gerissenen Bereichen sind die Hauptdruckspannungen nach der Fachwerkanalogie im Zustand II
zu ermitteln und der Wert fcd ist angemessen abzumindern [20, NCI zu 6.3.2]. Hiervon ist
auszugehen, wenn die Hauptzugspannungen nach Elastizitätstheorie den 5%-Quantilwert der
Betonzugfestigkeit überschreiten. Sind die maximalen Schubspannungen aus Querkraft und
Torsion kleiner als 0,1fck , so darf auf den Nachweis der schiefen Hauptdruckspannung verzichtet
werden.

2.5 Zusammenfassung und Ausblick


Die beschriebenen Versuche zum Tragverhalten gegliederter Querschnitte zeigen ein einheitli-
ches Bild dahingehend, dass der mittlere Betondruckstrebenwinkel für den Nachweis bei reiner
Schubbeanspruchung mit tan Θ = 0,5 für Druckgurte und tan Θ = 0,5 bis 0,6 für Zuggurte
verhältnismäßig flach angenommen werden kann, um bei der Nachrechnung mittels Fachwerk-
19

2,0 m 2,0 m 2,0 m

Lasteinleitung Auflager

Abb. 2.4: Versuchsträger von Badawy und Bachmann [5] mit Diskontinuitätsbereichen (grau) in
Anlehnung an [90]

modell zu einer guten Übereinstimmung mit den Messergebnissen im Rahmen experimenteller


Studien zu gelangen.
Durch die geringen Trägerspannweiten, die in den Versuchen durch Einzellasten beansprucht
werden, ergeben sich im Verhältnis zur Gesamtlänge der Balken große Bereiche, in denen die
Bernoulli-Hypothese einer linearen Dehnungsverteilung über die Querschnittshöhe nicht mehr
zutrifft. Diese sogenannten Diskontinuitätsbereiche sind in Abbildung 2.4 exemplarisch für die
Versuchsträger von Badawy und Bachmann [5] dargestellt. Durch die ausgeprägten Störbereiche
lassen sich aus den Ergebnissen der experimentellen Studien keine gesicherten Aussagen zu
einer möglichen Entwicklung der Druckstrebenneigung im Fachwerkmodell infolge des sich
verändernden Scheibenspannungszustandes im Gurt herleiten. Die landesspezifisch festgelegten
Empfehlungen zur vereinfachten Berücksichtigung des Winkels der Betondruckstrebe beim
Nachweis des schubfesten Gurtanschlusses legen in Deutschland deutlich konservativere Werte
im direkten Vergleich mit den genannten Forschungsarbeiten fest. Eine genauere Berechnung
darf nach dem gleichen Nachweisformat wie für Stegquerschnitte erfolgen [20]. In Kapitel
5 wird diese Vorgehensweise ausführlich erläutert und diskutiert. Im Rahmen dieser Arbeit
werden Modifikationen des Bemessungsmodells vorgestellt, die das tatsächliche Tragverhalten
der Gurtquerschnitte besser berücksichtigen.
Der Nachweis des schubfesten Gurtanschlusses ohne zusätzliche Anschlussbewehrung ist mit
Einführung der Eurocodes in Deutschland geregelt. Das Nachweisformat lässt erstmals seit der
Umstellung der Bemessungsregeln von der Spannbetonnormenreihe DIN 4227 [21–23, 102] auf
die DIN-Fachberichte [25, 26] wieder Zugspannungen beim Nachweis der Schubbeanspruchung
in Scheibenebene zu. Hierbei erfolgt die Begrenzung über die Höhe der vorhandenen Schub-
spannung an der betrachteten Nachweisstelle. Der Längsspannungszustand bleibt bei dieser
Vorgehensweise unberücksichtigt. Es spielt für den Nachweis im derzeit geregelten Format also
keine Rolle, ob es sich bei dem anzuschließenden Gurtquerschnitt um einen Druckgurt oder um
einen Zuggurt handelt. Die zulässigen Schubspannungen sind für beide Längsspannungszustände
identisch. Das Bemessungskonzept muss jedoch unter allen denkbaren Randbedingungen zu
Ergebnissen führen, die die tatsächliche Tragfähigkeit nicht überschätzen. Daher kann davon aus-
20 2 Stand des Wissens

gegangen werden, dass der derzeitige Nachweis für den ungünstigsten Längsspannungszustand
ausgelegt ist. Die Untersuchung der Auswirkungen veränderlicher Längsspannungszustände auf
die Tragfähigkeit des ungerissenen Betongurtes wird daher im Rahmen dieser Arbeit genauer
untersucht.
Der Einfluss der Rissbildung bzw. des Dehnungszustands in der Gurtscheibe hat einen
Einfluss auf die Tragfähigkeit der schiefen Betondruckstrebe. Die Erkenntnisse aus Versuchen
an Plattenbalkenquerschnitten und an Scheiben (siehe Kapitel 2.3) liefern kein einheitliches
Bild. Darüber hinaus kann insbesondere bei den kleinformatigen Scheibenversuchen ein nicht
unerheblicher Einfluss von teilweise versuchsbedingten Störgrößen festgestellt werden (siehe
Kapitel 3.4.3). Die Reduktion der Betondruckfestigkeit infolge kritischer Querdehnungszustände
wird nach derzeitigen Regelwerken für die Ermittlung der maximalen Tragfähigfkeit der schiefen
Betondruckstrebe pauschal berücksichtigt [20, NDP zu 6.2.3(103)]. Für den Nachweis der
schiefen Hauptdruckspannungen bei kombinierter Beanspruchung aus Längsbiegung, Schub
und Normalkraft wird darauf hingewiesen, dass der Bemessungswert der Betondruckfestigkeit
angemessen abzumindern sei [20, NCI zu 6.3.2]. Hier besteht derzeit noch Regelungsbedarf.
In Kapitel 3.4.3 werden die bisherigen Erkenntnisse daher vergleichend gegenübergestellt. Die
Auswirkungen möglicher Abminderungen der Druckfestigkeit in Abhängigkeit vom vorhandenen
Querdehnungszustand werden im Rahmen der Sensitivitätsanalysen an gut dokumentierten
Plattenbalkenversuchen in Kapitel 7 untersucht. Die Ergebnisse lassen eine Aussage zu den
Auswirkungen unterschiedlicher Abminderungsvorschriften bei der Simulation komplexerer
Systeme zu. Grundlage für die Definition der unterschiedlichen Abminderungsvorschriften in
der Literatur waren in der Regel experimentelle Untersuchungen an Stahlbetonscheiben, die
einem gleichmäßigen Spannungszustand über die komplette Versuchskörpergeometrie hinweg
ausgesetzt waren (siehe Kapitel 3.4.3). Durch die Anwendung auf Systeme mit ungleich-
mäßiger Spannungsverteilung werden gegebenenfalls vorhandene Umlagerungsmöglichkeiten
berücksichtigt.
Kapitel 3

Werkstoffverhalten und Materialmodelle

3.1 Einleitung
In den folgenden Kapiteln werden die grundlegenden mechanischen Werkstoffeigenschaften von
Beton und Betonstahl sowie das Verhalten des aus beiden Komponenten zusammengesetzten
Verbundwerkstoffs Stahlbeton phänomenologisch beschrieben. Im Anschluss wird auf die
Umsetzung im Rahmen von Materialmodellen für Simulationsrechnungen auf Basis der FEM
eingegangen. Hierbei wird der Schwerpunkt auf die implementierten Materialmodelle der in
dieser Arbeit verwendeten Programmsysteme ABAQUS und SOFiSTiK gelegt.

3.2 Werkstoffverhalten von Beton

3.2.1 Verhalten unter uniaxialer Beanspruchung

Uniaxialer Druck

Das Verhalten von Beton unter uniaxialer Druckbeanspruchung wird durch die in Abbildung
3.1 dargestellte Spannungs-Dehnungs-Beziehung beschrieben. Für die Berechnung von Trag-
werken aus Beton genügt in der Regel eine Betrachtung des Werkstoffs auf Bauteilebene als
homogenes Material (Makro-Ebene). Um das Verhalten unter steigender Druckbeanspruchung
bis zum Bruch besser zu verstehen, ist eine kleinteiligere Betrachtung auf der Meso-Ebene
erforderlich. Hierbei genügt die Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Zementstein und
Gesteinskörnung unter steigender Beanspruchung. Druckkräfte stützen sich dabei auf das
im Vergleich zur Zementsteinmatrix wesentlich steifere Korngerüst ab. Hierdurch entstehen
Querzugspannungen innerhalb der Zementsteinmatrix. Bis zu einer Beanspruchung, die etwa
40% der Betondruckfestigkeit entspricht, verhält sich der Beton nahezu linear-elastisch. Bei
weiter steigender Druckkraft kommt es zu einer wachsenden Mikrorissbildung. Hiervon sind
insbesondere die Kontaktflächen zwischen Zementstein und Gesteinskörnung betroffen. Diese
22 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

fc

0,4fc

Ec
ε c1 ε cu
Längsstauchung

Abb. 3.1: Spannungs-Dehnungs-Linie für Beton unter uniaxialer Druckbeanspruchung für die
Schnittgrößenermittlung mit nichtlinearen Verfahren nach DIN EN 1992-1-1

weisen zum einen eine geringere Haftzugfestigkeit auf als die Zugfestigkeit der ungestörten
Zementsteinmatrix, zum anderen sind sie bereits in Teilen durch Mikrorisse als Folge von noch
vor Belastungsbeginn entstandenen Schwindeigenspannungen vorgeschädigt. Bis zu einer Druck-
spannung, die etwa 80% der Druckfestigkeit entspricht, wachsen die Mikrorisse zu sichtbaren
Makrorissen zusammen. Diese Rissbildung ist mit einem nicht unerheblichen Steifigkeitsverlust
verbunden, was sich in einem stetig flacher werdenden Verlauf der Spannungs-Dehnungs-Linie
zeigt. Die weiter fortschreitende Makrorissbildung führt schließlich durch Ausbildung einer
Bruchfläche zum Versagen des Betons. Eine ausführliche Beschreibung der unterschiedlichen
Modellebenen mit entsprechenden grafischen Darstellungen und des Tragverhaltens ist beispiels-
weise in [103] zu finden. Die beschriebenen Zusammenhänge beziehen sich ausschließlich auf
das Verhalten von Normalbeton.

Uniaxialer Zug

Das Tragverhalten von Beton unter zentrischer Zugbeanspruchung ist in Abbildung 3.2 am
Beispiel einer weggeregelten Versuchsdurchführung dargestellt. Zunächst verhält sich der
Probekörper nahezu linear-elastisch. Der aus dem Druckversuch abgeleitete Tangentenmodul
Ec beschreibt die Anfangssteifigkeit dabei in guter Näherung [103]. Noch bevor die Maximallast
erreicht wird, setzt ein gleichförmig über den Probekörper verteiltes Mikrorisswachstum ein.
Die Dehnungen sind über die Höhe der Probe in dieser Phase konstant. Mit zunehmender
Beanspruchung im weggeregelten Versuch lokalisieren sich die zum späteren Bruch führenden
Risse in einem Rissband, dessen Breite bis zum Versagen immer schmaler wird. Hier kommt es
zu einer sprunghaften Dehnungszunahme. In den Bereichen außerhalb des Rissbandes gehen
23

∆l ε ∆l ε ∆l ε F
B
A

l l l C

∆l
(a) FA (b) FB (c) FC (d)

Abb. 3.2: Zugtragverhalten von Beton im ansteigenden Ast (a), Lokalisierung des Rissbandes (b),
VH Makrorissbildung (c) und Spannungs-Verschiebungs-Beziehung (d) gemäß [27]

a) b)
Vc Vc
L = 5 cm
L L = 10 cm
fctm L = 20 cm fctm

H = 'L w
L

Abb. 3.3: Einfluss der Prüfkörpergeometrie [44, 48, 96]

die elastischen Dehnungen gleichzeitig zurück.


Für die Modellierung des Materialverhaltens im Rahmen der Finite-Elemente-Analyse kommt
diesen Zusammenhängen eine besondere Bedeutung zu, da die Beschreibung über eine einfache
Spannungs-Dehnungs-Beziehung mit Überschreitung der Rissdehnung nicht mehr eindeutig bzw.
objektiv ist. Die Dehnungen auf Makro-Ebene hängen von der Länge des Probekörpers bzw.
von der Elementlänge im FE-Modell ab [96], da die beschriebene Lokalisierung der Risse hier
zunächst keine Berücksichtigung findet. In Abbildung 3.3 ist der Einfluss der Prüfkörperlänge
dargestellt [44, 48, 96]. Während dieser im Nachbruchbereich der Spannungs-Dehnungs-Linie
eindeutig erkennbar ist, führt die Betrachtung der Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung zu
geometrieunabhängigen Ergebnissen. Um netzabhängige Ergebnisse im Rahmen der FE-Analyse
zu vermeiden, sind daher besondere Überlegungen erforderlich. Diese werden in den Kapiteln
3.6 und 3.7 für die verwendeten Programmsysteme und Materialmodelle beschrieben.
24 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

σ1/fc
Zug
Zug
einaxial
zweiaxial
Druck einaxial i an
e rid
σ2/fc km
σ1 uc σ2
-1,2 -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2
Dr
Zug
-0,2 einaxial

-0,4

Zu
-0,6 gm
e rid
ian
2
σ
=

-0,8
1
σ

Deviatorschnitt
-1,0 Druck einaxial
σ3
-1,2
Druck zweiaxial

(a) Biaxiale Beanspruchung (b) Triaxiale Beanspruchung

Abb. 3.4: Versagenskurve unter mehraxialer Beanspruchung (a) Versagenslinie in Anlehnung an


Kupfer [55] (b) Versagensfläche als Deviatorschnitt

3.2.2 Verhalten unter mehraxialer Beanspruchung


Biaxiale Beanspruchung

Neben den bereits beschriebenen Fällen der einachsigen Druck- oder Zugbeanspruchung sind
flächige Bauteile aus Beton im Allgemeinen einer Kombination dieser Beanspruchungen ausge-
setzt. Kupfer gibt in [55] Versagenskurven im Hauptspannungsraum auf Basis experimenteller
Untersuchungen an unbewehrten Betonscheiben mit den Abmessungen 20cm · 20cm · 5cm an.
Hierfür wurden unterschiedliche Spannungsverhältnisse σ1 zu σ2 proportional bis zum Bruch
gesteigert.
In Abbildung 3.4(a) ist eine Versagenskurve in Anlehnung an die durch Kupfer ermittelten
Bruchlasten dargestellt. Während im kombinierten Druck-Druck Beanspruchungsbereich eine
traglaststeigernde Wirkung von bis zu 25% beobachtet werden kann, tritt das Versagen im
Zug-Zug Bereich nahezu unabhängig vom Spannungsverhältnis bei Überschreitung der einaxialen
Zugfestigkeit ein. Zu einer Abminderung der einaxialen Druck- bzw. Zugfestigkeit kommt es
nur bei einer kombinierten Beanspruchung infolge Druck- und Zugspannungen. Hier kann die
Streubreite der Versuchsergebnisse durch eine etwa lineare Abnahme der Druckfestigkeit mit
steigender Querzugspannung angenähert werden.

Triaxiale Beanspruchung

Die Berücksichtigung uniaxialer oder biaxialer Spannungszustände innerhalb von Betonbau-


teilen stellt in der Regel eine vereinfachende Betrachtungsweise dar. Bei balkenartigen oder
25

flächigen Bauteilen ist die Genauigkeit aufgrund sehr geringer Querspannungen häufig dennoch
ausreichend. Im allgemeinen Fall werden Betonbauteile durch triaxiale Spannungszustände
beansprucht. Experimentelle Untersuchungen zur Erfassung der Auswirkungen unterschiedlicher
Spannungskombinationen werden meist an Zylindern unter Flüssigkeitsdruck auf die seitliche
Oberfläche (hier haben die Hauptspannungen σ1 und σ2 die gleiche Größe) oder an Würfeln
durchgeführt. Bei Versuchen an Würfeln sind theoretisch alle Spannungskombinationen reali-
sierbar. Da Versuche mit Zugspannungskomponenten erheblich schwieriger durchzuführen sind,
liegen deutlich mehr reine Druckspannungsversuche vor [72].
Stellt man den Versagensbereich für triaxial beanspruchten Beton im Hauptspannungsraum
grafisch dar, ergibt sich die Bruchumhüllende in Abbildung 3.4(b). Charakteristisch für Beton
ist die mit steigendem mehraxialen Druckspannungszustand verbundene Festigkeitssteigerung.
Bei gleichmäßiger Steigerung der Spannungen σ1 = σ2 = σ3 nimmt die Druckfestigkeit zu.
Gleichzeitig steigt die Beanspruchbarkeit auf Schub mit zunehmendem hydrostatischen Druck.
Dies ist an der Aufweitung der Bruchfläche in der Deviatorebene gut erkennbar.

3.3 Werkstoffverhalten von Betonstahl


Aufgrund der im Vergleich zum Beton hohen Zugfestigkeit, ähnlichen Wärmedehnkoeffizien-
ten und der guten Verbundeigenschaften, insbesondere bei Verwendung der heute üblichen
gerippten Ausführungen, eignet sich Betonstahl hervorragend zur Aufnahme von Zugkräf-
ten in Stahlbetonkonstruktionen. Die wesentlichen statischen Materialeigenschaften werden
hierfür in Zugversuchen bestimmt. Unter steigender Beanspruchung verhält sich der Werk-
stoff zunächst linear-elastisch. Bei warmverformtem Betonstahl geht der lineare Ast in ein
ausgeprägtes Fließplateau über und mündet in einen Verfestigungsbereich bis zum Erreichen
der Zugfestigkeit. Kaltverformte Stähle weisen hingegen kein ausgeprägtes Fließplateau auf.
Hier findet vielmehr ein stetiger Übergang in den Verfestigungsbereich statt. Das prinzipielle
Spannungs-Dehnungs-Verhalten der Betonstähle nach Herstellungsverfahren ist in Abbildung
3.5 dargestellt. Hieraus ist auch zu erkennen, dass das Verformungsvermögen und damit die
Duktilität warmverformter Betonstähle deutlich größer ist.
26 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

σs σs

ft ft

fy f0,2

εy εu εs ε 0,2 εu εs
(a) (b)

Abb. 3.5: Spannungs-Dehnungs-Verhalten verschiedener Betonstähle (a) warmverformt (b)


kaltverformt

3.4 Verhalten des Verbundwerkstoffs Stahlbeton


In den nachfolgenden Kapiteln wird das Tragverhalten des aus Beton und Betonstahl zu-
sammengesetzten Verbundwerkstoffs Stahlbeton beschrieben. Hierbei wird der Fokus auf die
Einflussfaktoren gelegt, die für die spätere Simulation des Tragverhaltens von Stahlbetonbau-
teilen eine wesentliche Rolle spielen.

3.4.1 Verbund zwischen Bewehrung und Beton


Der Verbund stellt die kraftschlüssige Verbindung zwischen Betonstahl und Beton durch die
Übertragung von Schub- bzw. Verbundspannungen sicher. Nach Überwindung des geringen
Haftverbundes beruht die Tragwirkung auf den Tragmechanismen Reibung und mechanischer
Verzahnung (bei geripptem Betonstahl). Deren Aktivierung erfordert eine Relativverschiebung
zwischen Betonstahl und Beton. Der Zusammenhang zwischen Verbundspannung und Relativ-
verschiebung (Schlupf) ist Thema zahlreicher Forschungsarbeiten. Hierzu zählen beispielsweise
die Arbeiten von Rehm [84], Kupfer [92] und Martin [64], um nur einige zu nennen.
Erreicht die Zugspannung in einem Stahlbetonbauteil die Betonzugfestigkeit, so entsteht
ein Riss. An den Rissufern sind bei entsprechend großer Rissbreite keine Zugspannungen im
Beton vorhanden. Die Bewehrung übernimmt die freigewordene Zugkraft vollständig. Hierdurch
kommt es im Rissquerschnitt zu einem sprunghaften Anstieg der Stahlspannungen. Durch den
Verbund zwischen Bewehrungselement und umgebendem Beton kommt es mit zunehmender
Entfernung vom Riss zu einem Abfall der Stahlspannung und einem gleichzeitigen Anstieg der
Betonzugspannung. Kann die Betonzugfestigkeit durch die über Verbundspannungen in den
Beton eingeleiteten Zugkräfte zwischen zwei Rissen nicht mehr erreicht werden, so liegt in
diesem Bereich ein abgeschlossenes Rissbild vor.
27

Die Beteiligung der ungerissenen Bereiche des Betons zwischen den Rissen am Lastab-
trag bewirkt geringere mittlere Stahlspannungen bzw. Stahldehnungen und stellt damit eine
versteifende Wirkung dar.

3.4.2 Übertragung von Schubkräften in gerissenen Querschnitten


Für die Tragfähigkeit gegliederter Querschnitte spielen die Möglichkeiten zur Schubkraftübertra-
gung in gerissenen Bereichen des Systems eine wesentliche Rolle. Die meisten der existierenden
Modellvorstellungen gehen auf experimentelle und theoretische Untersuchungen an durch Quer-
kraft und Biegung beanspruchten Balkenquerschnitten zurück. Im gerissenen Zustand werden
folgende Tragwirkungen beschrieben:

• Traganteil der ungerissenen Betondruckzone

• Reibungskräfte in Schubrissen

• Verdüblungswirkung der Längsbewehrung

• Traganteil einer den Riss mit einem Winkel 6= 90◦ kreuzenden Bewehrung

Traganteil der ungerissenen Betondruckzone

Bei den Modellvorstellungen zur Tragfähigkeit der ungerissenen Betondruckzone wird in der
Regel von durch Querkraft, Biegung und gegebenenfalls Vorspannung beanspruchten Bauteilen
ausgegangen. In diesem Zusammenhang häufig zitiert wird das Modell von Zink [104]. Bei
diesem wird davon ausgegangen, dass in Balkenquerschnitten ohne Querkraftbewehrung der
Traganteil der Zugzone mit zunehmender Beanspruchung abnimmt und eine Umlagerung der
Schubkräfte auf die ungerissene Druckzone stattfindet. Nach Abschluss der Umlagerung findet
der Querkraftlastabtrag ausschließlich über ein Sprengwerk in den ungerissenen Balkenbereichen
statt. Dieses kann sich jedoch nur bei Balken mit hohen Druckzonen in voller Höhe einstellen
(z.B. bei vorgespannten Trägern).
Aufbauend auf dem Modell von Zink entwickelte Görtz in [36] eine verfeinerte Modell-
vorstellung. Hierbei wird davon ausgegangen, dass im unteren Beanspruchungsbereich die
Rissverzahnung den maßgebenden Traganteil darstellt. Mit steigender Beanspruchung kommt
es zur Lokalisierung des späteren Versagensrisses und verbunden damit zum Ausfall der Rissrei-
bungskomponente. Es findet eine Umlagerung in die ungerissene Betondruckzone und auf die
Dübeltragwirkung der Längsbewehrung statt. Ein horizontaler Riss auf Höhe der Längsbeweh-
rung leitet den Ausfall der Dübelwirkung ein, der mit einer weiteren Umlagerung der Querkraft
in die Betondruckzone (Sprengwerk) verbunden ist [36, 37]. In [38] übertragen Hegger und
Herbrand den von Görtz für Einfeldträger entwickelten Ansatz auf Zweifeldträger.
28 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

!cr in N/mm2 cr
10
!cr
9 wcr = 0,1 0,2 0,3 0,4
0,5 0,6 0,7
8 wcr
0,8
7
0,9
6 !cr
1,0
5 vcr
cr
4
3 fc,cube " 33 N/mm2
2 dg = 32 mm
1
0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2
vcr in mm
1
2
3
4 1,0
5 0,9
6 0,4 0,5 0,6 0,8
0,2 0,3 0,7
7 wcr = 0,1

cr in N/mm2

Abb. 3.6: Rissreibung, Schub- und Normalspannungen in Abhängigkeit von Rissgleitung und
Rissöffnung nach Walraven [99] entnommen aus [103]

Kiziltan stellt in [51] einen Ansatz zur Berechnung eines Druckbogentraganteils, vergleichbar
mit einem Bogen-Zugband-Modell [57], über die Ermittlung des Verlaufs der Biegedruck-
kraftresultierenden für vorgespannte Einfeldträger auf. Maurer et al. bestätigen in [74] die
Übertragbarkeit auf Durchlaufträger.

Reibungskräfte in Schubrissen

Zur Entstehung von Reibungskräften in Schubrissen müssen zwei wesentliche Randbedingun-


gen erfüllt sein. Zum einen muss die Oberfläche des Risses eine Rauigkeit aufweisen, zum
Beispiel hervorgerufen durch hervorstehende Gesteinskörnung und Rissunebenheiten, die eine
größere Ausdehnung hat als die mittlere Rissöffnung. Zum anderen sind zur Aktivierung von
Reibungskräften gegenseitige Verschiebungen der Rissufer parallel zur Rissoberfläche (Riss-
gleitung) erforderlich. Walraven hat in [99] ein Modell entwickelt, mit welchem sich Schub-
und Normalspannungen in Abhängigkeit von Rissbreite und Rissgleitung bestimmen lassen.
Hiernach nehmen die über einen Riss übertragbaren Schubspannungen mit größer werdender
Rissgleitung zu und verringern sich mit wachsender Rissbreite erheblich (siehe Abbildung 3.6).
Weitere Zusammenhänge werden beispielsweise von Daschner und Kupfer [16] angegeben.

Verdüblungswirkung der Längsbewehrung

Ebenfalls ausgelöst durch eine gegenseitige Verschiebung der Rissufer wird die Dübelwirkung der
den Schubriss kreuzenden Längsbewehrung. Der Beitrag zum Gesamtwiderstand durch diesen
29

Traganteil kann in der Regel als gering eingestuft werden [75]. Dies gilt insbesondere bei einem
Abplatzen der zur Einleitung der Dübelkraft erforderlichen Betondeckung. Die Dübelkraft kann
bei ausreichend großem Randabstand als Funktion in Abhängigkeit der Rissuferverschiebung
beispielsweise mit Hilfe der Theorie des elastisch gebetteten Balkens bestimmt werden [75].
Durch die Rissufergleitung kommt es zu Biege- und Schubspannungen in der Bewehrung und
großen örtlichen Druckspannungen an den Umlenkpunkten innerhalb des Betongefüges. Eine
Gleichung zur Ermittlung der Dübelkraft wird zum Beispiel von Walraven in [99] angegeben.

Traganteil einer den Riss mit einem Winkel 6= 90◦ kreuzenden Bewehrung

Eine den Schubriss nicht rechtwinklig kreuzende Bewehrung ist dazu in der Lage, eine gegensei-
tige Rissuferverschiebung zu behindern (ohne Berücksichtigung einer Verdüblungswirkung) und
über eine Fachwerktragwirkung Schubkräfte über den Riss zu übertragen.

3.4.3 Druckfestigkeit gerissener Stahlbetonscheiben


Wie in Kapitel 2.3 bereits erwähnt, hat die Rissbildung bzw. die Querdehnung innerhalb der
Scheibenebene einen Einfluss auf die Betondrucktragfähigkeit. Eindeutige Regelungen zur
Abminderung der Betondruckfestigkeit bei kombinierter Beanspruchung infolge Biegung mit
Längskraft, Querkraft und Torsion sind in der derzeitigen Fassung der DIN EN 1992-2(/NA)
[19, 20] nicht enthalten. Im Folgenden wird dieses Thema daher ausführlicher behandelt.
Ausgewählte Versuche von Kollegger und Mehlhorn [53], Schießl [89] und Fehling et al.
[33] werden zu diesem Zweck vergleichend ausgewertet. Die Betondruckspannungen, die in
den jeweiligen experimentellen Untersuchungen zum Versagen geführt haben, werden der
Zylinderdruckfestigkeit, die in der Regel etwa der einaxialen Scheibendruckfestigkeit entspricht,
gegenübergestellt. Für eine umfassende Beschreibung der experimentellen Untersuchungen wird
an dieser Stelle auf die Originalquellen verwiesen.
In [33] ist bereits ein ausführlicher Vergleich der Versuchsergebnisse enthalten. Die Normie-
rung der Versuchsergebnisse von Kollegger und Mehlhorn und Schießl erfolgt hier in derselben
Form wie von Fehling et al. in [33] vorgeschlagen. Im Folgenden wird daher in Kurzform auf
die Besonderheiten bei der Auswertung eingegangen.

Besonderheiten bei der Versuchsauswertung

Kollegger und Mehlhorn [53] berücksichtigten als Basis für ihre Auswertungen die Wür-
feldruckfestigkeit βW 200 . Hier erfolgt eine Umrechnung auf die Zylinderdruckfestigkeit mit
fc,cyl = 0,8 · βW 200 analog [33].
Schießl stellte Überfestigkeiten uniaxial belasteter Scheibenelemente im Vergleich zur Zy-
linderdruckfestigkeit fest. Diese wurden für alle uniaxial belasteten Scheiben im Mittel mit
8% angegeben. Bei alleiniger Auswertung der unbewehrten Scheiben ergibt sich eine mittlere
30 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

Überfestigkeit von 10%. Die Zylinderdruckfestigkeit wird daher analog zur Vorgehensweise
in [33] im Rahmen der Auswertung um 10% erhöht. Hierdurch soll eine Unterschätzung des
Einflusses der Querzugspannungen auf die Druckfestigkeit ausgeschlossen werden.
Fehling et al. führten Versuche an vier Serien von Scheibenelementen durch. Die Serien 1
und 3 sind für die Betrachtungen hier nicht relevant (Die Ergebnisse der Serie 1 sind aufgrund
des Versuchsaufbaus nicht aussagekräftig und im Rahmen der Serie 3 wurden ausschließlich
Faserbetonscheiben untersucht). Im Rahmen der Versuchsauswertung der Stahlbetonscheiben
der Serien 2 und 4 wurden zwei störende Einflüsse beobachtet. In Serie 4 wurden durch den
Störeinfluss der Bewehrung nur 87,5% der Zylinderdruckfestigkeit bei uniaxialer Belastung
erreicht. In Serie 2 überlagerte sich dieser Effekt mit einer durch Entmischung des Betons
verminderten Druckfestigkeit, so dass bei den untersuchten uniaxial beanspruchten unbewehrten
Betonscheiben nur etwa 87,5% der Zylinderdruckfestigkeit erreicht wurden.
Im Zuge der hier vorgenommenen Auswertung wird die Zylinderdruckfestigkeit der bewehrten
Scheiben der Serie 2 daher mit dem Faktor 0,875 · 0,875 ≈ 0,77 und die der Serie 4 mit dem
Faktor 0,875 modifiziert. Dabei wird davon ausgegangen, dass beide festgestellten Störwirkungen
in realen Bauwerken nicht in dieser Ausprägung vorkommen. Die festgestellte Störwirkung der
Bewehrung wurde vermutlich durch die Einleitung großer Druckkräfte unmittelbar oberhalb der
abgewinkelten Vertikalbewehrung ungünstig beeinflusst. Zudem war der Längsbewehrungsgrad
mit 1,57% im Vergleich zu den in Gurtplatten älterer bestehender Spannbetonhohlkastenbrücken
üblichen Anschlussbewehrungsgrade sehr hoch (zum Vergleich: Die Mindestschubbewehrung
ab dem Jahr 1966 betrug abhängig von der Betongüte zwischen 0,14% und 0,22% für einen
Betonstahl der Sorte BSt III [102]).

Darstellung der Versuchsauswertungen

Tab. 3.1: Versuche von Schießl aus [89]


fc,cyl,mod
σII,netto σII,netto
Versuch 1 1,max σII,netto fc,cyl = fc,cal fc,cyl fc,cal
[ ‰] [ ‰] [MPa] [MPa] [MPa] [–] [–]
NB-1-90-0-1 1,54 1,51 36,10 38,30 42,13 0,94 0,86
NB-1-90-0-2 1,60 1,55 32,50 37,60 41,36 0,86 0,79
NB-1-90-0-3 1,30 1,64 38,20 40,60 44,66 0,94 0,86
NB-1-90-1-1 4,51 4,21 24,30 38,80 42,68 0,63 0,57
NB-1-90-1-2 3,64 3,02 29,80 39,00 42,90 0,76 0,69
31

Tab. 3.2: Versuche von Kollegger und Mehlhorn aus [53] (Auswertung analog [33])
fc,cyl
σII,netto σII,netto
Versuch 1 1,max σII,netto βW 200 = fc,cal βW 200 fc,cal
[ ‰] [ ‰] [MPa] [MPa] [MPa] [–] [–]
Serie 1 EGE102 0,55 1,34 14,65 22,20 17,76 0,66 0,83
EGE103 – 0,72 9,52 14,00 11,20 0,68 0,85
EGE104 0,76 1,52 15,12 21,30 17,04 0,71 0,89
EGE105 1,38 2,10 12,14 17,60 14,08 0,69 0,86
EGE106 1,54 4,07 12,33 16,90 13,52 0,73 0,91
EGE108 0,00 1,81 12,48 20,80 16,64 0,60 0,75
EGE110 1,76 5,54 11,14 17,40 13,92 0,64 0,80
EGE111 1,72 7,73 12,03 19,10 15,28 0,63 0,79
EGE112 1,86 7,55 13,16 22,30 17,84 0,59 0,74
EGE113 0,00 0,67 8,45 11,90 9,52 0,71 0,89
EGE114 0,05 1,08 12,23 16,30 13,04 0,75 0,94
EGE115 0,64 1,43 10,11 16,30 13,04 0,62 0,78
EGE116 1,31 1,84 12,92 21,90 17,52 0,59 0,74

Serie 2 EGE601 1,13 3,27 12,49 18,10 14,48 0,69 0,86


EGE602 0,04 1,66 14,98 20,80 16,64 0,72 0,90
EGE603 0,00 1,15 12,40 16,10 12,88 0,77 0,96
EGE701 1,52 2,51 10,50 17,20 13,76 0,61 0,76
EGE702 1,61 2,71 13,02 21,00 16,80 0,62 0,78
EGE703 0,00 1,18 10,16 15,40 12,32 0,66 0,83
EGE704 1,88 2,21 10,80 17,70 14,16 0,61 0,76

Serie 3 EGE852 0,63 1,52 10,63 16,10 12,88 0,66 0,83


EGE853 1,28 2,53 13,07 20,10 16,08 0,65 0,81
EGE851 1,78 3,62 11,87 21,20 16,96 0,56 0,70
MGE852 0,49 1,44 13,14 18,50 14,80 0,71 0,89
MGE853 1,25 2,68 12,26 18,30 14,64 0,67 0,84
MGE851 1,82 4,62 12,74 19,30 15,44 0,66 0,83
MGL852 0,81 1,76 12,42 19,40 15,52 0,64 0,80
MGL853 1,09 2,26 14,19 21,50 17,20 0,66 0,83
MGL851 1,84 3,37 10,75 19,20 15,36 0,56 0,70

Serie 4 EGE6F1 1,00 4,42 14,06 19,80 15,84 0,71 0,89


EGE6F2 1,61 4,58 14,80 20,00 16,00 0,74 0,93
EGE6F3 2,31 6,66 13,10 18,20 14,56 0,72 0,90
EGE6F4 2,70 7,68 13,70 21,40 17,12 0,64 0,80
EGE6F5 0,00 2,68 17,00 23,60 18,88 0,72 0,90
EGE6F6 2,08 2,49 17,25 23,00 18,40 0,75 0,94
EGE6F7 0,05 3,61 15,51 23,50 18,80 0,66 0,83
EGE6F8 1,17 4,17 13,12 16,40 13,12 0,80 1,00
EGE7F1 1,71 5,55 14,93 19,90 15,92 0,75 0,94
EGE7F2 2,07 6,89 14,33 19,10 15,28 0,75 0,94
EGE7F3 0,09 3,01 16,20 21,60 17,28 0,75 0,94
EGE7F4 0,00 1,93 14,87 17,70 14,16 0,84 1,05
32 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

Tab. 3.3: Versuche von Fehling et al. aus [33]


fc,cyl,mod
σII,netto σII,netto
Versuch 1 1,max σII,netto fc,cyl Faktor = fc,cal fc,cyl fc,cal
[ ‰] [ ‰] [MPa] [MPa] [–] [MPa] [–] [–]
Serie 2 VK1 – 0,49 41,60 47,00 0,875 41,13 0,89 1,01
VK2 – 0,51 46,30 52,90 0,875 46,29 0,88 1,00
VK4 – 0,22 40,50 46,80 0,875 40,95 0,87 0,99
000VK1 0,00 0,32 46,70 57,00 0,770 43,90 0,82 1,06
000VK2 0,00 0,20 34,30 49,50 0,770 38,12 0,69 0,90
000VK3 0,00 0,16 31,80 43,80 0,770 33,73 0,73 0,94
005VK1 0,60 0,73 32,00 50,10 0,770 38,58 0,64 0,83
005VK2 0,54 0,61 31,20 48,80 0,770 37,58 0,64 0,83
020VK 2,08 2,12 27,50 47,70 0,770 36,73 0,58 0,75
000 0,00 0,17 33,50 48,10 0,770 37,04 0,70 0,90
050VK 4,72 4,80 29,40 52,90 0,770 40,73 0,56 0,72
250VK 27,32 27,36 22,20 44,80 0,770 34,50 0,50 0,64

Serie 4 VK5 – 0,42 41,40 37,10 1,000 37,10 1,12 1,12


VK6 – 0,26 37,80 38,80 1,000 38,80 0,97 0,97
000VK4 0,00 0,33 39,10 44,70 0,875 39,10 0,87 1,00
005VK3 0,65 0,76 33,20 42,50 0,875 37,19 0,78 0,89
020VK2 2,00 2,29 31,70 42,30 0,875 37,01 0,75 0,86
025VK 2,82 2,94 33,50 41,00 0,875 35,88 0,82 0,93
050VK2 5,05 5,01 25,80 43,50 0,875 38,06 0,59 0,68
250VK2 25,11 25,49 24,80 46,40 0,875 40,60 0,53 0,61

In Abbildung 3.7 sind die Streubänder der in den Versuchen erzielten Abminderungen der
uniaxialen Druckfestigkeit über die Querdehnung ohne Modifikationen aufgetragen. Zunächst
werden die Werte der relativen Druckfestigkeit aus den einzelnen Forschungsberichten einander
unverändert gegenübergestellt. In den Versuchen von Kollegger und Mehlhorn kam es während
der Aufbringung der Druckbeanspruchung zu einem teilweise erheblichen Dehnungszuwachs in
Zugrichtung (siehe Abbildung 3.7(b)). Derartige Dehnungszuwächse können bei den Scheiben
der anderen Forscher nicht beobachtet werden. Die weiteren Betrachtungen erfolgen daher auf
Basis der aufgebrachten Zugdehnung 1 .
Es ist zu erkennen, dass durch die vorgenommene Modifikation der Zylinderdruckfestigkeit
fc,cyl zur Kompensation der durch Fehling et al. festgestellten Störwirkungen die uniaxiale
Betondruckfestigkeit bei den nicht durch Querzug beanspruchten Scheiben (VK1, VK2, VK4,
000VK1, 000VK2, 000VK3, 000, 000VK4) mit einer maximalen Abweichung von −10% bis
+6% erreicht wird (siehe Tabelle 3.3). Darüber hinaus kann eine Annäherung der Ergebnisse
der Serien 2 und 4 in Abbildung 3.8 beobachtet werden. Die Vorgehensweise führt somit
augenscheinlich zu plausiblen Ergebnissen.
Im Rahmen der Versuche VK5 und 025VK der Serie 4 von Fehling et al. und der kompletten
33

1,2 1,2

1,0 1,0

0,8 0,8
σc2,Netto/fc,cal

σc2,Netto/fc,cal
0,6 0,6

0,4 0,4
Kol-S1 Kol-S2 Kol-S1 Kol-S2
Kol-S3 Kol-S4 Kol-S3 Kol-S4
0,2 0,2
Schi-NB Feh-S2 Schi-NB Feh-S2
Feh-S4 Feh-S4
0,0 0,0
0 2 4 6 8 0 2 4 6 8
ε1 [‰] ε1,max [‰]

(a) In Abhängigkeit der aufgebrachten Zugdehnung (b) In Abhängigkeit der Bruchdehnung in Zugrichtung

Abb. 3.7: Relative Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der Zugdehnung der Versuche von
Kollegger und Mehlhorn [53], Schießl [89] und Fehling et al. [33] ohne Modifikation

Serie 4 von Kollegger und Mehlhorn werden relativ hohe Druckfestigkeiten beobachtet. Im Fall
der beiden erstgenannten Scheiben wird die Ursache durch Fehling et al. in einer im Vergleich
zur tatsächlichen Scheibendruckfestigkeit deutlich geringeren Zylinderdruckfestigkeit vermutet
[33]. Aufgrund der unter ±45◦ zur Hauptspannungsrichtung geneigten Bewehrungsführung
im Rahmen der Serie 4 von Kollegger und Mehlhorn ist eine mit erhöhten Ungenauigkeiten
verbundene Ermittlung der Betondruckspannung nicht auszuschließen [33]. Aus den genannten
Gründen werden diese Versuche aus der Auswertung entfernt (siehe Abbildung 3.8(b)).

Erkenntnisse zur Abminderung der Betondruckfestigkeit

Insgesamt kann durch die Berücksichtigung der von Fehling et al. [33] vorgeschlagenen Modifika-
tionen bei der Auswertung der Versuche von Kollegger und Mehlhorn bzw. Schießl und der hier
vorgenommenen Umrechnung der Zylinderdruckfestigkeit um den Beitrag der Störwirkungen
bei den experimentellen Untersuchungen von Fehling et al. eine gute Vergleichbarkeit aller
hier betrachteten Versuchsreihen der verschiedenen Forscher erreicht werden. Eine Abhängig-
keit der Druckfestigkeit von der Zugdehnung ist in Abbildung 3.8(b) eindeutig zu erkennen.
Die Streubreite der Ergebnisse ist in Summe dennoch sehr groß, was insbesondere bei der
Betrachtung der Versuche ohne Querzugbeanspruchung deutlich wird. Bei den uniaxial auf
Druck beanspruchten Scheiben beträgt die maximale Abminderung in den hier betrachteten
Versuchen −25%. Dem entgegen steht eine Tragfähigkeit von +6% im Vergleich zur jeweiligen
Zylinderdruckfestigkeit (siehe Abbildung 3.8(b)).
Die Ursachen für die festzustellende Streubreite sind vielfältig. Durch die gleichmäßige Bean-
spruchung der untersuchten Scheiben tritt ein Versagen unmittelbar ein, sobald an irgendeiner
Stelle eine Grenztragfähigkeit erreicht bzw. überschritten wird. Ein größeres Umlagerungspoten-
34 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

1,2 1,2

1,0 1,0

0,8 0,8
σc2,Netto/fc,cal

σc2,Netto/fc,cal
0,6 0,6

0,4 0,4
Kol-S1 Kol-S2 Kol-S1 Kol-S2
Kol-S3 Kol-S4
0,2 0,2 Kol-S3 Schi-NB
Schi-NB Feh-S2
Feh-S4 Feh-S2 Feh-S4
0,0 0,0
0 2 4 6 8 0 2 4 6 8
ε1 [‰] ε1 [‰]

(a) Alle Versuche aus den Tabellen 3.1, 3.2, 3.3 (b) Repräsentative Versuche

Abb. 3.8: Relative Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der Zugdehnung der Versuche von
Kollegger und Mehlhorn [53], Schießl [89] und Fehling et al. [33] unter Berücksichtigung
der Modifikation der Scheibendruckfestigkeit

tial ist bei den in der Regel sehr kleinen Versuchskörpern nicht vorhanden. Dadurch haben die
zum Teil beobachteten Störeinflüsse (z.B. Entmischung des Betons, Störwirkung der Bewehrung,
ungleichmäßige Lasteinleitung) sowie vom Mittelwert abweichende Festigkeitseigenschaften
einen unmittelbaren Einfluss auf die im Versuch erzielte Grenztraglast. Die zu beobachtenden
Streuungen sind folglich systemimmanent. Da in realen Tragwerken die Auslastung in der Regel
nicht in allen Schnitten gleich groß ist, können sich Beanspruchungen in statisch unbestimmten
Systemen bei Überschreitung einer Grenztragfähigkeit in einem begrenzten Bereich umlagern.
Die Auswirkungen der Abminderung der Druckfestigkeit infolge Querdehnung müssen im
Rahmen der Bemessung in geeigneter Weise berücksichtigt werden. Vorschläge hierzu, die
eine Abhängigkeit zur Querdehnung aufweisen, finden sich beispielsweise in Fehling et al. [33]
oder auch Vecchio und Collins [97]. Die DIN EN 1992-2/NA sieht eine pauschale Abminderung
auf 75% der uniaxialen Druckfestigkeit vor. Die DIN EN 1992-1-1 (ohne Berücksichtigung des
deutschen nationalen Anhangs) berücksichtigt die Betongüte und sieht unabhängig von der
vorhandenen Querdehnung eine Reduktion der Druckfestigkeit auf 60% für Normalbeton und
auf bis zu 50% für hochfeste Betone vor (siehe Abbildung 3.9).
35

1,2

1,0

0,8 DIN EN 1992-2/NA

σc2,Netto/fc,cal 0,6
DIN EN 1992-1-1 (fck<60) Fehling (fck=30 MPa)

DIN EN 1992-1-1 (fck≥80)


0,4

0,2

0,0
0 2 4 6 8
ε1 [‰]

Abb. 3.9: Vorschläge zur Abminderung der Betondruckfestigkeit für gerissenen Stahlbeton

3.5 Materialmodelle

Es existieren eine Vielzahl an Möglichkeiten, um das nichtlineare Materialverhalten von Beton


im Rahmen von Simulationsrechnungen auf Grundlage der FEM zu erfassen. Bislang gibt
es jedoch kein allgemein anerkanntes Modell, das alle Beanspruchungsbereiche in gleichem
Maße gut abbildet. In der Regel sind die existierenden Modelle für spezielle Aufgaben ent-
wickelt und kalibriert worden [72]. Es ist daher in Abhängigkeit von der zu untersuchenden
Problemstellung zu prüfen, ob das gewählte Modell das Materialverhalten im betrachteten
Beanspruchungsbereich hinreichend genau abbilden kann. Hierzu eignet sich die Nachrechnung
von Versuchen, deren Trag- und Bruchverhalten bereits bekannt und in Form von Versuchs-
berichten dokumentiert sind. Im Rahmen der hier durchgeführten Untersuchungen erfolgt die
Simulation des Tragverhaltens mit zwei unterschiedlichen Programmsystemen. Zum Einsatz
kommt das Materialmodell Concrete Damaged Plasticity (CDP), das derzeit im Rahmen der
Forschung häufig zur Abbildung des Schubtragverhaltens von Stahlbeton- und Spannbetonträ-
gern eingesetzt wird (beispielsweise in [38, 51, 52, 63, 72, 74, 95]). Hierbei handelt es sich um
ein elastoplastisches Schädigungsmodell mit isotropem Ver- bzw. Entfestigungsansatz (siehe
Kapitel 3.6). Darüber hinaus wird das Materialverhalten des Stahlbetons mit einem äquivalent
einachsigen Materialmodell auf Grundlage der nichtlinearen Elastizitätstheorie beschrieben
(siehe Kapitel 3.7).
36 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

3.6 Modellierung mit ABAQUS

3.6.1 Elementansatz
Die Systemmodellierung mit dem Programmsystem ABAQUS erfolgt unter Verwendung linearer
Hexaederelemente für den Beton. Durch die Nutzung von Elementen mit linearer Ansatzfunktion
kann es bei der Nachrechnung von biegebeanspruchten Bauteilversuchen zum sogenannten
Shear Locking [1] kommen. Die einzelnen Elemente sind nicht dazu in der Lage eine Krümmung
infolge reiner Biegung abzubilden. Vielmehr kommt es trotz fehlender Schubbeanspruchung
zu einer Schubverzerrung der Elemente. Insgesamt führt dies zu einer Überschätzung der
Elementsteifigkeit [1, 100]. Zur Vermeidung dieses Effektes kommen Elemente mit reduzierter
Integration zur Anwendung. Die Anzahl der Integrationspunkte reduziert sich hierbei von 8
(lineares Hexaederelement mit voller Integration) auf 1 (lineares Hexaederelement mit reduzierter
Integration).
Durch die Lage des Integrationspunktes im Volumenelement kann sich nun bei reiner Biegebe-
anspruchung ein umgekehrter Effekt einstellen. Eine durch eine Biegebeanspruchung ausgelöste
Verzerrung des Elements führt zu keiner Änderung des Verzerrungszustands im Integrations-
punkt. Dieser Effekt wird als Hourglassing bezeichnet und kann zu großen Elementverformungen
bis hin zum Abbruch der Berechnung führen, da kein stabiles Gleichgewicht gefunden werden
kann. In den hier durchgeführten Berechnungen wird dieser Effekt durch zwei Maßnahmen
vermieden. Zum einen erfolgt die Vernetzung in der Art, dass immer eine ausreichende Anzahl
an Elementen über die Querschnittshöhe und ggf. Breite vorhanden ist, um ein Biegeproblem
abbilden zu können. Zum anderen verfügt das verwendete Programmsystem ABAQUS über
eine integrierte Hourglassing-Kontrolle [1]. Durch die Einbringung künstlicher Energie wird
das Problem automatisch behoben. Hierbei wird darauf geachtet, dass das Verhältnis von
künstlicher zu innerer Energie stets sehr klein bleibt. Ein negativer Einfluss auf die Ergebnisse
der Berechnung kann auf diese Weise ausgeschlossen werden [1].

3.6.2 Materialmodelle für Beton und Betonstahl


Beton

Die Abbildung des Betonverhaltens erfolgt durch das elastoplastische Schädigungsmodell


CDP. Ursprünglich wurde es von Lubliner et al. entwickelt [61] und durch Lee und Fenves [56]
modifiziert. Nachfolgend erfolgt die qualitative Beschreibung der grundsätzlichen Funktionsweise
des Materialmodells und der in dieser Arbeit verwendeten Parameter. Für eine umfassende
Beschreibung inklusive der mathematischen Formulierung der konstitutiven Gleichungen des
Modells wird an dieser Stelle auf die Veröffentlichungen [1, 35, 56, 61, 63] verwiesen.
Das plastische Materialverhalten wird durch eine Fließbedingung, die eine Fließfläche im
Hauptspannungsraum definiert, beschrieben. Die Entwicklung der Fließflächen erfolgt unter
37

q σ1 σ2
σ3=0
σ1=σ2= 1,16 fc
1
Kc = 1
1,0 Kc = 2/3
p Kc = 1/2
1
σ3= fc
σ1=σ2=0

Zugmeridian

Druckmeridian
(a) (b) σ3

Abb. 3.10: Fließfläche in der (a) Meridianebene für Kc =2/3 und fb0 /fc0 =1,16 und in der (b)
Deviatorebene für verschiedene Werte für Kc gemäß [1]

Ansatz einer isotropen Ver- bzw. Entfestigungsfunktion. Eine nicht assoziierte Fließregel dient
der Beschreibung der plastischen Dehnungen nach Überschreitung der Fließfläche. Hierdurch
wird den sich nicht normal zur Fließfläche entwickelnden Betondehnungen in geeigneter Weise
Rechnung getragen [72].
Im Druckbereich wird die Fließfläche durch eine modifizierte Drucker-Prager Funktion
beschrieben. Zunächst wird hierzu die Materialarbeitslinie unter uniaxialer Betondruckbean-
spruchung vorgegeben. Die Form der Fließfläche wird im Wesentlichen durch die Formge-
bungsparameter fb0 /fc0 und Kc beeinflusst. Hierbei beschreibt das Verhältnis von fb0 /fc0 den
Zusammenhang zwischen zweiaxialer und einaxialer Betondruckfestigkeit. Kc bestimmt die
Form für triaxiale Druckspannungszustände. Der Einfluss ist sowohl in Meridian- als auch
Deviatorebene gut erkennbar (siehe Abbildung 3.10). Das Materialverhalten von Beton wird mit
dem dargestellten Formfaktor Kc = 2/3 in guter Näherung abgebildet [1]. Der Erhöhungsfaktor
fb0 /fc0 kann aus experimentellen Untersuchungen zum biaxialen Tragverhalten von Beton unter
Druck-Druck Beanspruchung abgeleitet werden. Auf Basis der in Kapitel 3.2.2 beschriebenen
Untersuchungen von Kupfer wird im Rahmen der hier durchgeführten Berechnungen ein Wert
von fb0 /fc0 = 1,16 angenommen.
Nach Überschreitung der Fließfläche wird das weitere Dehnungsverhalten durch eine von
der Fließfläche abweichende (nicht assoziierte) Fließregel beschrieben. Diese wird durch eine
plastische Potentialfunktion vom Typ Drucker-Prager beschrieben [56] und von zwei wesentli-
chen Parametern beeinflusst. Der erste Parameter ist αe , dieser stellt keinen Materialparameter
im mechanischen Sinne dar, sondern dient der Ausrundung der Potentialfunktion am Schnitt-
punkt mit der hydrostatischen Achse. Hierdurch wird mit αe > 0 die ansonsten vorhandene
Unstetigkeitsstelle entfernt und damit eine erhöhte Stabilität des Iterationsverfahrens erreicht
(siehe Abbildung 3.11). Einen weiteren Parameter zur Beschreibung des Materialverhaltens
38 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

αe = 0 αe >0
p

Unstetigkeitsstelle in
α e fct Drucker-Prager Fließregel

Abb. 3.11: Einfluss der Parameter αe und ψ auf die plastische Potentialfunktion zur Beschreibung
der Fließregel

nach Überschreitung der Fließfläche stellt der sogenannte Dilatanzwinkel ψ dar. Dieser aus
der Bodenmechanik stammende Parameter beschreibt die Volumenänderung eines granularen
Materials unter einer Scherverzerrung. Vermeer und de Borst [98] beschreiben die Dilatanz
am Beispiel einer möglichst dichten Packung kugelförmigen Materials. Wird auf diese Packung
eine Scherbeanspruchung gegeben, so müssen sich die Kugeln auseinander bewegen. Die Folge
ist eine Vergrößerung des Packungsvolumens. Dieses Verhalten lässt sich neben Böden auch
auf Beton übertragen [98]. Die Höhe des Dilatanzwinkels wird in der Literatur in der Regel mit
Winkeln zwischen 30° und 40° für die Simulation von Stahlbeton- und Spannbetonstrukturen
angegeben (z.B. [38, 51, 63, 72]). Im Rahmen dieser Arbeit wird der Dilatanzwinkel ψ mit 35°
angenommen.
Auf die Verwendung einer Schädigungskomponente, die zur Beschreibung zyklischer Bean-
spruchungen erforderlich ist, wird hier verzichtet. Der im CDP-Modell implementierte Ansatz
führt mit zunehmendem Grad der Schädigung zu einer Reduktion des E-Moduls für Entlastungs-
und Wiederbelastungspfade, also in Bereichen, die einen Dehnungsrückgang und im Anschluss
ggf. einen erneuten Dehnungsanstieg erfahren. Bei allen nachgerechneten Versuchen handelt
es sich um statisch bestimmt gelagerte Systeme, deren Beanspruchung stetig bis zum Bruch
gesteigert wird. Hierbei kommt es weder zu einem wechselnden Öffnen und Schließen der Risse
in den Versuchskörpern noch zu einer nennenswerten Wechselbelastung in Bereichen mit großen
Druckstauchungen. Vielmehr findet ein kontinuierlicher Dehnungszuwachs in den wesentlichen
Bereichen bis zum Bruch statt. Eine nennenswerte Verbesserung der Berechnungsergebnisse
durch die Berücksichtigung des isotropen Schädigungsansatzes ist daher nicht zu erwarten. In
Tabelle 3.4 sind die verwendeten CDP-Modellparameter zusammengestellt.
Zur Vermeidung von Netzabhängigkeiten erfolgt die Definition der uniaxialen Materialar-
beitslinien für Druck- und Zugbeanspruchung nach dem von Mark [63] beschriebenen Regu-
39

Tab. 3.4: Modellparameter CDP

νQ ψ αe fb0 /fc0 Kc µ
0,18 35 0,1 1,16 2/3 5e − 6

larisierungsansatz. Der abfallende Ast der Spannungs-Dehnungs-Beziehung im Druckbereich


wird hierbei in Abhängigkeit von der Zerstauchungsenergie Gcl (Annahme: Gcl = 30 Nmm mm2
) und
dem Längenparameter lc regularisiert, um eine objektive Beschreibung des Tragverhaltens im
Nachbruchbereich zu erzielen (siehe Abbildung 3.12). Die Definition erfolgt in drei Abschnitten.
Im ersten Abschnitt wird das Betontragverhalten bis zu einer Beanspruchung von 0,4 · fcm
durch eine linear-elastische Spannungs-Dehnungs-Beziehung angenähert (3.1). Hieran schließt
im zweiten Abschnitt bis zum Erreichen der uniaxialen Druckfestigkeit ein nichtlinearer Verlauf
gemäß (3.2) an. Der abfallende Ast im dritten Abschnitt wird in Abhängigkeit des verwendeten
Elementtyps und der Diskretisierung durch die Gleichungen (3.4) bis (3.8) beschrieben. Der
das Dehnungsverhalten in diesem Bereich beeinflussende Schädigungsparameter bc wird auf
Grundlage der Nachrechnungen von Mark [63] mit bc = 0,7 angenommen.

Bereich 1:
σc = Ec · c 0,40 · fcm ≥ σc (3.1)
Bereich 2:
Eci · fcm
c
− (c /c1 )2
σc =   · fcm 0,40 · fcm < σc ≤ fcm (3.2)
1 + Eci · fcm
c1
− 2 c1c
mit
2 4 · fcm 5
Eci = · (fcm /c1 )2 − + · Ec (3.3)
3 · Ec 3 · c1 3
Bereich 3:
−1
γ c · c 2

2 + γ c · fcm · c1
σc = − γ c · c + (3.4)
2 · fcm 2 · c1
mit
1/2 · π 2 · fcm · c1
γc = h  i2 > 0 (3.5)
fcm bc ·fcm
gcl − 2
· c1 · (1 − bc ) + Ec

gcl = Gcl /lc (3.6)


1
lc = (V e /ne ) 3 (3.7)
Gcl
lc ≤ (3.8)
fcm · (c1 (1 − bc ) + bc · fcm /Ec )
40 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

Versagen
Gcl=

8
kraftgeregelt
fc γ c=0

γ c1>0
Versagen γ c2> γ c1
weggeregelt γ c3>> γ c2
Ggl2
"Snap-Back" gcl2= l 2
c2 3
γ c=
8

Ec 1
Gcl=0 lc1>lc2>lc3
Längsstauchung

Abb. 3.12: Qualitative Darstellung des Einflusses des Längenparameters lc bzw. der
Zerstauchungsenergie Gcl auf die Arbeitslinie

Die Ermittlung des Längenparameters lc nach (3.7) ist abhängig von der Größe und der
Art der verwendeten Elemente. Durch die Wahl eines linearen Elementansatzes mit reduzierter
Integration verfügt jedes Element über nur einen Integrationspunkt (ne = 1). Hieraus folgt
ein vergleichsweise großer Wert für den Längenparameter. Um einen sogenannten Snap-Back
(siehe Abbildung 3.12), einen Rücksprung des abfallenden Astes der Arbeitslinie auszuschließen,
darf lc den Maximalwert nach (3.8) nicht überschreiten. Eine solche Rückverformung kann
dann eintreten, wenn der elastische Rückverformungsanteil des ungeschädigten Bereichs ei-
ner Probe größer ist als der im Lokalisierungsbereich der Schädigung eintretende plastische
Verformungsanteil.
Die Modellierung des Tragverhaltens von Beton unter zentrischer Zugbeanspruchung erfolgt
auf Grundlage des von Hillerborg et al. [41, 42] entwickelten „fiktiven Rissmodells“ (Fictitious
Crack Model) bis zum Erreichen der Betonzugfestigkeit unter der Annahme linear-elastischen
Verformungsverhaltens. Im Rahmen der Versuchsnachrechnungen wird der Mittelwert der
dokumentierten Betonzugfestigkeit angesetzt. Hieraus folgt ein rechnerischer Übergang in den
gerissenen Zustand bei einer Längsdehnung von ct = fctm /Ec (siehe auch Kapitel 3.2.1).
Nach Überschreitung der Zugfestigkeit wird der abfallende Ast nach der von Hordijk in [45]
entwickelten Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung ermittelt (3.9).
41

"  3 #  
σct w w w
· 1 + c31 · exp (−c2 ) (3.9)

= 1 + c1 · · exp −c2 · −
fctm wc wc wc
mit
c1 = 3; c2 = 6,93 nach [45]

Der Parameter wc beschreibt die kritische Rissöffnung, bei der keine Zugspannungen mehr
zwischen den Rissufern übertragen werden können. Durch die mit (3.9) beschriebene Form
des abfallenden Astes der Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung lässt sich die Bruchenergie nach
(3.10) ermitteln.
"  3 !
1 c1
GF = fctm · wc 1+6
c2 c2
     (3.10)
1 1 3 6 6 1
+ c31 1 + c31 exp (−c2 )

− + + + +
c2 c2 c22 c32 c42 2

Hieraus folgt für die in (3.9) genannten Werte für c1 und c2 :

GF = 0,1947 · wc · fctm (3.11)

Mit dem von Mark [63] vorgeschlagenen Wert von wc = 180µm für die kritische Rissöffnung
ergibt sich somit eine berücksichtigte Bruchenergie von etwa 0,088N/mm bis 0,1N/mm für
fctm = 2,5 bis 3MPa (dies entspricht etwa den Betondruckfestigkeiten C25 und C30). In der
Literatur finden sich verschiedene Ansätze zur rechnerischen Ermittlung der Bruchenergie. Der
Model Code 1990 [11] gibt für die Bruchenergie den in (3.12) dargestellten Zusammenhang an.
GF wird hiernach in Abhängigkeit der mittleren Betondruckfestigkeit und des Größtkorndurch-
messers der Gesteinskörnung ermittelt.

GF = GF 0 · (fcm /fcm0 )0,7 mit fcm0 = 10MPa (3.12)

In Tabelle 3.51 sind die sich hieraus ergebenden Werte für die Bruchenergie in Abhängigkeit
des Größtkorndurchmessers zusammengestellt.
Die hier verwendete Vorgehensweise führt somit zu Werten, die tendenziell über denen
des Model Code 1990 liegen. Mark stellt dies in [63] ebenfalls fest, führt jedoch eine gute
Übereinstimmung mit experimentellen Ergebnissen an. Darüber hinaus wird die Eignung des
Ansatzes durch gute Übereinstimmungen bei der Nachrechnung experimenteller Untersuchungen
1
Die in Tabelle 2.1.4 des Model Code 1990 angegebenen Werte der Bruchenergie GF für unterschiedliche
Betondruckfestigkeiten stehen im Widerspruch zum angegebenen Vorgabewert von 0,058N/mm für GF 0 und
dmax = 32mm in Verbindung mit (3.12). Hier wird daher ein Wert von 0,038N/mm übernommen.
42 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

Tab. 3.5: Bruchenergie GF [N/mm] gemäß Model Code 1990 [11]

dmax [mm] GF 0 [N/mm] GF (C20) GF (C25) GF (C30) GF (C40)


8 0,025 0,051 0,058 0,065 0,070
16 0,030 0,062 0,069 0,075 0,090
32 0,038 0,078 0,088 0,095 0,115

(z.B. in [51, 63, 72, 77]) bestätigt. Die Ermittlung der Bruchenergie nach Model Code 2010
würde hingegen zu erheblich größeren Werten führen [38, 47].
Die Beschreibung des Zugtragverhaltens durch die Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung ist
zunächst geometrie- und damit netzunabhängig. Eine möglichst objektive Modellierung mithilfe
einer Spannungs-Dehnungs-Beziehung kann durch eine von der verwendeten Elementgröße
abhängigen Umrechnung erreicht werden. Die Gesamtdehnung setzt sich aus einem elastischen
und einem plastischen Anteil zusammen. Bei den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten
Rechnung ohne Berücksichtigung einer zusätzlichen Schädigungskomponente entspricht der
elastische Dehnungsanteil dem Quotienten aus Rissspannung σct und Elastizitätsmodul Ec .
Die über die elastischen Anteile hinausgehenden plastischen Dehnungen werden nach (3.13)
ermittelt.

(3.13)
1
c pl in
t = c t =
w
lct
mit lct = (V e ) 3

Betonstahl

Die Modellierung des Betonstahls erfolgt über diskrete Fachwerkstäbe. Das Verformungsverhal-
ten wird dabei auf Basis der dokumentierten Versuchsdaten als bilineares einaxial elastoplasti-
sches Materialgesetz definiert.

Verbund

Die verwendeten Bewehrungselemente werden grundsätzlich mit starrem Verbund in die Beton-
elemente eingebettet (embedded element technique [1]). Dabei werden die diskret modellierten
Bewehrungsstäbe unabhängig von der Lage der Knoten in die Betonelemente integriert. Liegt
ein Knoten eines Bewehrungselements innerhalb eines Betonelements wird dieser zu einem
„eingebetteten Knoten“, dessen Verschiebungsfreiheitsgrade auf die interpolierten Werte der
entsprechenden Freiheitsgrade des Aufnahmeelements beschränkt werden [1]. Hierdurch wird
eine diskrete Bewehrungsmodellierung ermöglicht, ohne eine geometrische Kompatibilität der
Knoten herstellen zu müssen. Der in Kapitel 3.4.1 beschriebene Versteifungseffekt wird analog
der von Pölling [82] beschriebenen Vorgehensweise, die an ein von Feenstra [32] vorgeschlagenes
Verfahren angelehnt ist, berücksichtigt. Hierbei erfolgt eine Aufteilung der versteifenden Wirkung
43

Kraft

Stahlbeton

1 keine Risse
2 Betonstahl 2 Erstrissbildung
3 abgeschlossenes
Tension Stiffening Rissbild
1
Tension Softening
Stahlspannung

unbewehrter
Beton
Verschiebung

Abb. 3.13: Versteifungswirkung durch Tension Stiffening und Tension Softening in Anlehnung an
Pölling [82]

des Betons zwischen den Rissen auf zwei Anteile. Einen auf der Betonseite (Tension Softening)
und einen Anteil auf der Stahlseite (Tension Stiffening). In Abbildung 3.13 sind die Teilbeiträge,
die sich auf Grundlage der gewählten Form des abfallenden Astes der Betonzugfestigkeit nach
Hordijk [45] ergeben, schematisch dargestellt. Der Anteil infolge Tension Softening ergibt sich
aus dem in (3.9) bis (3.11) beschriebenen Tragverhalten des Betons im Nachbruchbereich.
Die Berücksichtigung des zweiten Anteils am Gesamtversteifungseffekt kann beispielsweise
über eine Modifikation der Stahlkennlinie erfolgen [10]. Auf eine solche Modifikation wird im
Rahmen dieser Arbeit in Anlehnung an die Vorgehensweisen in [35, 51, 63, 72, 82] verzichtet.

3.7 Modellierung mit SOFiSTiK

3.7.1 Elementansatz

Die Systemmodellierung mit dem Programmsystem SOFiSTiK erfolgt mit Schalenelementen.


Diese werden in mehrere Schichten, sogenannte Layer, über die Elementdicke unterteilt. Die
Betonstahlbewehrung wird hierbei innerhalb einer oder mehrerer Schichten mit einer gleichmäßig
über die Layerfläche verschmierten Verteilung berücksichtigt. Die Berechnung der Element-
schnittgrößen erfolgt durch die Integration der Layerspannungen σ x , σ y und τ xy , die in allen
Elementschichten einzeln ermittelt werden [93].
44 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

3.7.2 Materialmodelle für Beton und Betonstahl


Beton und Stahlbeton

Grundlage für die Berücksichtigung des nichtlinearen Werkstoffverhaltens von Beton im Druck-
und Zugbereich ist die Vorgabe einer einaxialen Spannungs-Dehnungs-Beziehung. Hierzu wird
die Arbeitslinie für nichtlineare Verfahren der Schnittgrößenermittlung und für Verformungsbe-
rechnungen der DIN EN 1992-1-1 [18] gemäß (3.14) verwendet.

σc 1,05 · Ecm · |c1 | /fcm · (c /c1 ) − (c /c1 )2


= (3.14)
fcm 1 + (1,05 · Ecm · |c1 | /fcm − 2) · (c /c1 )
Bis zum Erreichen der Zugfestigkeit wird das Tragverhalten durch eine linear-elastische
Beziehung in Abhängigkeit von der Zugfestigkeit fct und dem Elastizitätsmodul Ec bestimmt.
Nach Überschreitung der Rissdehnung ergibt sich die kritische Rissöffnung nach Hillerborg [42]
unter der Annahme eines linear abfallenden Astes aus der Bruchenergie und der Zugfestigkeit
zu wc = 2 · GF /fct [93]. Die Ermittlung der Spannungs-Dehnungs-Beziehung erfolgt zunächst
unabhängig von der tatsächlichen Elementgröße durch den Bezug auf die charakteristische
Länge lch = GF · Ec /fct 2 [42, 93]. Um zu einer netzunabhängigen Lösung zu kommen, erfolgt
eine Anpassung des abfallenden Astes in Abhängigkeit einer äquivalenten Elementlänge lGauss
[93] in Anlehnung an das Rissbandmodell von Bazant [6]. Voraussetzung für die programmintern

durchgeführte Anpassung ist, dass die äquivalente Elementlänge lGauss = AGauss (AGauss
entspricht der Elementfläche je Integrationspunkt) größer als die charakteristische Länge lch
nach Hillerborg ist. Wird lch maßgebend, dies ist insbesondere für kleine Elementabmessungen
der Fall, kommt es gegebenenfalls zu netzabhängigen Ergebnissen bei der Modellierung von
Strukturen aus unbewehrtem Beton. Kolodziejczyk hat dieses Phänomen in [54] ausführlich
beschrieben und mit Beispielrechnungen belegt. Für die hier durchgeführten Untersuchungen
an Stahlbetonbauteilen spielt der beschriebene Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Die
Berücksichtigung der versteifenden Wirkung des Betons erfolgt in Anlehnung an die DAfStb
Hefte 400 [12] beziehungsweise 525 [13] vollständig durch eine Modifikation der Stahlarbeitslinie
[93] (siehe Kapitel 3.7.2). Der in der Regel steil abfallende Ast der Betonzugfestigkeit wirkt
sich bei dieser Modellierung nicht nennenswert auf das Tragverhalten des Verbundwerksstoffs
aus [54].
Zweiaxiale Scheibenspannungszustände werden durch äquivalent einaxiale Spannungs-
Dehnungs-Beziehungen berücksichtigt. Diese führen das Verhalten des Werkstoffes unter
Druck-Druck, Druck-Zug bzw. Zug-Zug Beanspruchung für jede Hauptspannungsrichtung
auf eine einaxiale Materialarbeitslinie zurück, die das Verhalten unter dem vorliegenden
Spannungszustand möglichst zutreffend beschreibt. Diese Vorgehensweise geht zurück auf
Untersuchungen von Darwin und Pecknold [15]. Die Umsetzung im Programmsystem SOFiSTiK
wird von Kolodziejczyk in [54] anschaulich dargestellt.
Wie in Kapitel 3.4.3 beschrieben, wird die aufnehmbare Betondruckspannung vom vor-
45

1,2

1,0

0,8

σc2,Netto/fc,cal
1 A175 3
A2075
0,6
2 A160
4 A6050
0,4

0,2

0,0
0 2 4 6 8
ε1 [‰]

Abb. 3.14: Untersuchungen zur Abminderung der Betondruckfestigkeit in gerissenen


Stahlbetonscheiben; Bezeichnungen siehe Tabelle 7.1

handenen Querdehnungszustand beeinflusst. Zur Berücksichtigung dieses Effekts stehen im


Programm grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Zum einen ist es möglich die
Betondruckfestigkeit nach Querrissbildung wieder mit ihrem vollen einaxialen Wert zu berück-
sichtigen, zum anderen kann eine Streckung bzw. Stauchung der Arbeitslinie in vertikaler und
horizontaler Richtung bei gleichbleibendem Anfangs-E-Modul angesetzt werden. Im zweiten
Fall wird die Druckfestigkeit auf 75% gemindert.
Nachrechnungen von Kolodziejczyk [54] mit der Programmversion 12 zeigen, dass die
Abminderung sprunghaft erst bei etwa 2,5 ‰ erfolgt, also nicht unmittelbar nach Rissbildung,
sondern bei Erreichen der Streckgrenze der Querbewehrung. Die hier durchgeführten Rechnungen
erfolgen mit einer experimentellen Version auf Basis der ASE Version 14.08. Im Rahmen der
Experimentalversion kann der Verlauf der Druckfestigkeitsabminderung in Abhängigkeit der
vorhandenen Querdehnung durch einen bilinearen Zusammenhang frei definiert werden. In
Abbildung 3.14 sind vier unterschiedliche Vorgaben zur Abminderung der Betondruckfestigkeit
dargestellt, deren Auswirkungen im Rahmen der hier durchgeführten Nachrechnungen untersucht
werden.
Durch die mit 1 und 2 gekennzeichneten Linien wird eine Abminderung auf 75% beziehungs-
weise 60% der einaxialen Druckfestigkeit vorgegeben. Diese erfolgt linear bis zum Erreichen
einer Querdehnung von 0,1 ‰ , was etwa der Rissdehnung entspricht. Von diesem Punkt an
wird die maximal aufnehmbare Betondruckspannung konstant gehalten. Diese Vorgehensweise
repräsentiert die Vorgaben der DIN EN 1992-1-1 mit und ohne Berücksichtigung der Regelungen
des in Deutschland geltenden NA.
Der mit 3 benannte Verlauf führt in Anlehnung an die DIN EN 1992-1-1 unter Berücksichti-
46 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

gung des in Deutschland geltenden NA zu einer Reduktionen der Betondruckfestigkeit auf 75%.
Im Unterschied zu den Verläufen 1 und 2 wird hier ein linearer Entfestigungsverlauf bis zum
Erreichen der Fließgrenze des Bewehrungsstahls vorausgesetzt. Dieser wird auf der sicheren
Seite liegend mit 2 ‰ angenommen. Die in den dokumentierten Versuchen festgestellten
Zusammenhänge lassen eine solche Annahme als gerechtfertigt erscheinen (siehe Abbildungen
3.14 und 3.9).
Mit dem Reduktionsverlauf 4 soll der Vorschlag von Vecchio und Collins [97] in linearisierter
Form angenähert werden.

Verbund

Im Rahmen der Berechnungen wird starrer Verbund zwischen Beton und Betonstahl ange-
nommen. Die Bewehrung wird hierbei nicht diskret, sondern in über die Fläche der Stahllayer
verschmierter Form in die Elementmodellierung einbezogen (siehe Kapitel 3.7.1). Wie bereits
erwähnt erfolgt die Berücksichtigung der versteifenden Wirkung des Betons in gerissenen Berei-
chen im Wesentlichen durch eine Modifikation der Stahlarbeitslinie. Bei den hier durchgeführten
Untersuchungen wird diese entsprechend den Regelungen des DAfStb Hefts 525 [13] angepasst.
Im gerissenen Zustand geschieht dies durch eine Parallelverschiebung der Arbeitslinie, sodass bei
gleicher Spannung geringere Dehnungen in der Zugzone des Verbundquerschnitts berücksichtigt
werden. Das Maß der Parallelverschiebung errechnet sich gemäß (3.15) und wird von folgenden
Faktoren beeinflusst: Der Beiwert βt dient der Berücksichtigung der Belastungsdauer. Er wird
mit 0,4 für kurzzeitige und mit 0,25 für andauernde Beanspruchungen oder häufige Lastwechsel
angesetzt. Die Differenz (sr2 − sr1 ) stellt den Dehnungsunterschied des Betonstahls unter
Rissschnittgrößen bei Betrachtung des gerissenen Querschnitts (sr2 ) und des noch ungerissenen
Querschnitts (sr1 ) dar.

βt · (sr2 − sr1 ) (3.15)

Bis zum Erreichen der Rissschnittgröße beteiligen sich Beton- und Stahlquerschnitt bei
gleicher Dehnung entsprechend des Verhältnisses ihrer Dehnsteifigkeit am Lastabtrag. Bei
weiterer Laststeigerung kommt es zum Ausfall des Betons auf Zug im Rissquerschnitt und damit
verbunden zu einem sprunghaften Dehnungsanstieg im Stahlquerschnitt. Zwischen den Rissen
kann sich der Beton in der Zugzone des Verbundquerschnitts am Lastabtrag beteiligen, was zu
einem steiferen Systemtragverhalten führt. Die Umsetzung im Rahmen des FE-Programms ist
in Abbildung 3.15 schematisch dargestellt. Bis zum Erreichen der Rissschnittgröße verhalten
sich Beton und Stahl linear-elastisch. Mit Beginn der Erstrissbildung wird die Differenzdehnung
infolge der zugversteifenden Wirkung des Betons zwischen den Rissen linear interpoliert und
die Betonzugfestigkeit fällt linear ab. Nach dem vollständigen Rückgang der Betonzugfestigkeit
wird der volle Zugversteifungseffekt des Betons nach (3.15) wirksam [93].
Die Differenzdehnung nach (3.15) wird bei der Nachrechnung von Biegebalken durch die
47

σs

Stahlbeton

β t(ε sr2- εsr1)


3 1 keine Risse
Betonstahl
2 2 Erstrissbildung
σ sr 3 abgeschlossenes
Rissbild
1
modifizierte
Stahlarbeitslinie
unbewehrter
Beton
εs
ε sr1 ε sr2

Abb. 3.15: Ansatz der Zugversteifung in Anlehnung an DAfStb Heft 525 [13] nach [93]

Größe der mitwirkenden Betonzugzonenhöhe beeinflusst. Beim Nachweis der Mindestbewehrung


zur Begrenzung der Rissbreiten wird der Wirkungsbereich der Bewehrung nach DIN EN 1992-
2/NA zu 2,5(h − d) angenommen [20]. Kolodziejczyk empfiehlt in [54] auf Grundlage von
Versuchsbeobachtungen die Biegezugbewehrung im Rahmen nichtlinearer Berechnungen mit
Schalenelementen ebenfalls auf die so ermittelte Wirkungszone zu verschmieren, insbesondere
wenn es gilt, das Verformungsverhalten möglichst wirklichkeitsnah abzubilden. Ein Einfluss
unterschiedlicher Größen der mitwirkenden Betonzugzone auf die Durchbiegung wird im Rahmen
von Simulationsrechnungen in [54] insbesondere unmittelbar nach Rissbildung festgestellt. Mit
zunehmender Beanspruchung verliert sich dieser Effekt. Im Rahmen der hier durchgeführten
Simulationsrechnungen an Plattenbalkenquerschnitten wird die Biegezugbewehrung abweichend
von der oben beschriebenen Empfehlung auf eine Wirkungshöhe von 2,0(h − d) verschmiert
modelliert. Der versteifende Effekt in der Biegezugzone wird hierdurch gegebenenfalls geringfügig
unterschätzt. Begründet wird diese Vorgehensweise damit, dass die Lage der Bewehrung in
Bezug auf die resultierende statische Nutzhöhe so realistischer abgebildet wird. Für die hier im
Vordergrund stehenden Untersuchungen des schubfesten Gurtanschlusses, dessen Beanspruchung
direkt proportional zum inneren Hebelarm und damit abhängig von der statischen Nutzhöhe
ist, erscheint dies gerechtfertigt.

Rissbildung

Das verwendete Materialmodell berücksichtigt Rissbildung in verschmierter Form (siehe Kapitel


3.7.2). Im Folgenden werden zunächst prinzipielle Modellvorstellungen zur Berücksichtigung einer
verschmierten Rissbildung beschrieben. Im Anschluss wird die Umsetzung im hier verwendeten
48 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle

Programmsystem SOFiSTiK erläutert.


Im Allgemeinen kann zwischen zwei Grundmodellen unterschieden werden:

• Modell mit fixierten Rissen (fixed crack model)

• Modell mit rotierenden Rissen (rotating crack model)

Bei den Modellen mit fixierten Rissen führt eine Überschreitung der Betonzugfestigkeit im
Integrationspunkt eines Elements zur Rissentstehung. Die Rissrichtung wird normal zur Haupt-
zugspannungsrichtung angenommen und im Anschluss für die weitere Berechnung fixiert. Eine
Veränderung des Risswinkels ist im Folgenden nicht mehr möglich. Eine beanspruchungsindu-
zierte Drehung der Hauptspannungsrichtung nach Rissentstehung ist daher mit der Entstehung
einer Schubbeanspruchung in der Rissebene verbunden. Den Riss kreuzende Bewehrungsele-
mente können zur Übertragung einer solchen Beanspruchung beitragen. Ein weiteres Mittel
zur Übertragung von Schubspannungen stellt die Berücksichtigung einer im Rissquerschnitt
verbleibenden Schubsteifigkeit dar, die mit zunehmender Dehnung stetig abfällt. Einige Modelle
berücksichtigen diesen Effekt durch den sogenannten shear retention factor.
Bei Modellen mit rotierenden Rissen ist der Risswinkel stets normal zur aktuellen Hauptzug-
spannungsrichtung. Dabei ist je Hauptspannungsrichtung immer nur der zuletzt entstandene
Riss aktiv. Eine Schubkraftübertragung über die Risse ist somit nicht erforderlich.
Im verwendeten Programmsystem SOFiSTiK werden Risse auf Grundlage des Modells mit
fixierter Rissrichtung berücksichtigt. Die Schubsteifigkeit in gerissenen Elementen wird dabei
unmittelbar nach Rissentstehung zu Null gesetzt. Eine Schubkraftübertragung über einmal
entstandene Risse ist somit nur über die Definition einer entsprechend angeordneten Bewehrung
möglich. Zum genaueren Verständnis der Umsetzung des Rissmodells wird nachfolgend der
Ablauf einer nichtlinearen Systemanalyse im Hinblick auf die Festlegung der Rissrichtung
beschrieben.
Nach jedem Iterationsschritt werden die Dehnungen und daraus resultierenden Spannungen
ermittelt. In Elementen, in denen es zu einer Plastizierung gekommen ist, stimmen die Knoten-
lasten nicht mehr mit der linear-elastischen Rechnung überein. Die so entstehenden Restkräfte
werden im nächsten Iterationsschritt wieder auf das System gesetzt [93]. Ein Gleichgewicht
ist dann gefunden, wenn die Energie (Produkt aus Last und Verformung) konvergiert und die
Restkräfte unterhalb einer festgelegten Toleranzgrenze liegen. Im Anschluss an den letzten
Iterationsschritt wird die Rissrichtung festgelegt und der Riss für weitere Berechnungen fixiert.
Dieser Zusammenhang ermöglicht zwei unterschiedliche Berechnungsabläufe mit voneinander
abweichenden Zeitpunkten zur Festlegung der Rissrichtung:

• Traglastiteration mit auf einen Primärlastfall aufsetzender Lasterhöhung

• nichtlineare Berechnung in einem Lastschritt


49

Bei der Traglastiteration mit automatischem Aufsetzen auf einen Primärlastfall wird die
jeweils letzte Laststufe zum neuen Primärlastfall für die weitere Laststeigerung. Die Festlegung
der Rissrichtung erfolgt für jede Traglaststufe nach dem letzten Iterationsschritt der jeweils
durchgeführten nichtlinearen Systemanalyse. Diese wird dann für die noch folgenden Lastschritte
fixiert.
Eine Alternative zur Traglastiteration ist die unmittelbare nichtlineare Berechnung einer
vorgegebenen Belastungsstufe ohne schrittweise Laststeigerung beziehungsweise die schrittweise
Laststeigerung ohne die Berücksichtigung der jeweils letzten Laststufe als Primärlastfall. Hierbei
erfolgt nur ein Iterationslauf beziehungsweise mehrere voneinander unabhängige Iterationen
zum Nachweis eines Gleichgewichtszustandes. Da auch hier die Festlegung der Rissrichtung
erst nach dem letzten Iterationsschritt erfolgt und eine Drehung der Hauptspannungsrichtungen
bis dahin ungehindert möglich ist, kann so ein dem Modell mit rotierenden Rissen ähnliches
Verhalten berücksichtigt werden.
50 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle
Kapitel 4

Verifikation der Rechenmodelle

4.1 Allgemeines
Zur Verifikation der gewählten Rechenmodelle eignet sich insbesondere die Nachrechnung von
gut dokumentierten Versuchen beziehungsweise von einfachen Systemen, deren Ergebnisse
auch durch analytische Betrachtungen verifiziert werden können. An dieser Stelle werden daher
zunächst Simulationsrechnungen an unkomplizierten Systemen durchgeführt, um die Eignung
der Modelle zu überprüfen und gegebenenfalls vorhandene Einschränkungen festzustellen.

4.2 Materialmodell CDP – ABAQUS

4.2.1 Verschmierte Rissbildung


Die Eingabe der uniaxialen Materialarbeitslinie im FE-Programm erfolgt tabellarisch durch die
Vorgabe von Stützstellen mit polygonalem Verlauf. Für den Zugbereich kann zwischen drei
Eingabemöglichkeiten gewählt werden: Durch die Angabe der Bruchenergie wird ein linear
abfallender Ast nach Überschreitung der Rissdehnung erzeugt. Dieser linearisierte Entfestigungs-
verlauf stellt eine starke Vereinfachung dar und wird hier nicht verwendet. Der abfallende Ast
der Materialarbeitslinie kann darüber hinaus in Form einer Spannungs-Dehnungs-Linie oder
einer Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung vorgegeben werden. Letztgenannte Variante verspricht
netzunabhängige Ergebnisse, ohne dass eine manuelle Anpassung in Abhängigkeit des verwende-
ten Elementnetzes (Regularisierung) erforderlich wird. Nachfolgend wird diese Vorgehensweise
am Beispiel eines einfachen Zugstabes mit unterschiedlich feiner Diskretisierung überprüft.
Dabei erfolgt die Vorgabe des Entfestigungsbereichs der uniaxialen Materialarbeitslinie wie in
Kapitel 3.6.2 (3.9) beschrieben.
Betrachtet werden zwei Zugstäbe mit den Elementgrößen V e = 253 [mm3 ] und V e = 503
[mm3 ]. Die Abmessungen und Belastungsanordnung können Abbildung 4.1 entnommen werden.
Zur Lokalisierung eines Rissbandes innerhalb der betrachteten Stäbe wird der jeweils mittleren
52 4 Verifikation der Rechenmodelle

55 52,5
∆l = ∆l =
5 2,5
[cm] 0,005 [cm] 0,005

fct = 3,5 1,75 3,5 [MPa] fct = 3,5 1,75 3,5 [MPa]

Abb. 4.1: Zugstäbe mit unterschiedlich feiner Diskretisierung; Abmessungen und Einwirkung

Elementreihe eine um 50% reduzierte Zugfestigkeit zugewiesen. Sobald die Hauptzugspannungen


in den zentrisch gezogenen Stäben die verminderte Zugfestigkeit der mittleren Elementrei-
hen erreicht, kommt es mit weiterem Dehnungszuwachs in diesem Bereich zur Entfestigung.
Gleichzeitig erfahren die übrigen Elemente eine elastische Rückverformung entsprechend des
Spannungsabfalls im Rissquerschnitt. Zur Erfassung der Spannungszustände nach Überschrei-
tung der Betonzugfestigkeit ist es erforderlich, die Dehnungszunahme nicht über eine äußere
Last, sondern über eine Knotenverschiebung (Wegregelung) zu steuern.
In den gerissenen Elementen werden bei gleicher Gesamtverschiebung ∆l aufgrund der
unterschiedlichen Elementgrößen voneinander abweichende mittlere Dehnungen errechnet.
Diese sind darauf zurückzuführen, dass die von der Diskretisierung unabhängige Rissöffnung
in beiden Fällen gleich groß ist, die Länge des entfestigten Elements jedoch nicht. Durch
den in den ungeschädigten Elementen verbleibenden elastischen Dehnungsanteil entspricht
die Rissöffnung nicht genau der aufgebrachten Verschiebung. Bei der hier durchgeführten
Rechnung führt die Spannung im Rissquerschnitt von etwa 0,46MPa zu einer elastischen
Dehnung von el = σ/Ec = 0,46/36000 = 0,01278 ‰. Daraus folgt eine Rissöffnung von
etwa w = ∆l − el · l = 0,05 − 0,00001278 · 500 ≈ 0,0435mm (siehe Abbildung 4.2(a)). Der
elastische Dehnungsanteil im gerissenen Element wird bei dieser Berechnung vernachlässigt.
Mit Erreichen der kritischen Rissöffnung wc kann keine Spannungsübertragung mehr stattfinden
und die elastischen Dehnungsanteile verschwinden.
In Abbildung 4.2(a) ist die für die Berechnung beider Zugstäbe vorgegebene Spannungs-
Rissöffnungs-Beziehung dargestellt. Die Berechnung der elementgrößenabhängigen plastischen
Dehnungsanteile erfolgt gemäß (3.13) und ist zusammen mit dem Spannungs-Dehnungs-
Verlauf der FE-Simulationsrechnung in Abbildung 4.2(b) dargestellt. Es ist zu erkennen, dass
beide Rechnungen zu den gleichen Spannungen im Rissquerschnitt führen. Aus der gewählten
Materialdefinition resultiert somit eine objektive Systemantwort.

4.2.2 Betonscheiben unter biaxialer Beanspruchung


Die Qualität der rechnerischen Abbildung biaxialer Spannungszustände hat für die Untersuchung
des Tragverhaltens von Gurtanschlüssen einen wesentlichen Einfluss. Im Folgenden werden
53

2 2
Simulation:
1,5 1,5 25 mm
50 mm
σ ct [MPa]

σ ct [MPa]
1 1
0,46 MPa σ-ε-Linie:
0,46 MPa
0,5 0,5 25 mm
50 mm

0 0
0 0,05 0,1 0,15 0,2 0 0,0025 0,005 0,0075 0,01
w [mm] εpl [-]

(a) Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung (b) σ/-Beziehung und Simulationsergebnis

Abb. 4.2: Ergebnisse der Zugstäbe (a) Vorgabewerte (b) netzabhängige Umrechnung und Vergleich
mit Ergebnissen der Simulation

daher zunächst die Versuche an unbewehrten Betonscheiben von Kupfer [55] nachgerechnet.
Dieser führte zerstörende Untersuchungen an Scheiben aus Normalbeton mit verschiedenen
Zylinderdruckfestigkeiten durch. Hierbei wurden unterschiedliche Hauptspannungskombinatio-
nen in den Bereichen Druck-Druck, Druck-Zug und Zug-Zug proportional bis zum Versagen
des Versuchskörpers gesteigert. Die Nachrechnung erfolgt ebenfalls durch proportionale Last-
steigerung der angegebenen Kombinationen (siehe Tabelle 4.1). Das statische System und
die verwendeten Materialkennwerte sind in Abbildung 4.3 dargestellt. Der Vergleich der Er-
gebnisse der numerischen Simulation führt zu guten Übereinstimmungen in den Bereichen
Druck-Druck und Zug-Zug. Gewisse Abweichungen sind jedoch in den Druck-Zug Quadranten
zu beobachten (siehe Abbildung 4.4), die sich jedoch aufgrund der großen Streuungen der Un-
tersuchungswerte in diesem Bereich relativieren. Besonders deutlich werden die Abweichungen
bei Betrachtung der Spannungs-Dehnungs-Verläufe für die einzelnen Beanspruchungskom-
binationen. Während unter reinen Druckspannungskombinationen sowohl die Traglast als
auch das Spannungs-Dehnungs-Verhalten in guter Näherung durch die Simulationsrechnungen
wiedergegeben werden, führt diese für gemischte Spannungszustände bereichsweise zu recht
konservativen Ergebnissen. Insbesondere im Bereich hoher Druckspannungen mit gleichzeitig
geringen Querzugkräften wird die Entfestigung überschätzt (siehe Abbildungen 4.5(d,e)). Dieser
Einfluss nimmt mit größer werdendem Spannungsverhältnis allmählich ab (siehe Abbildung
4.5(f)).
54 4 Verifikation der Rechenmodelle

σ2

Materialparameter:
fcm = 31,1 MPa
h = 5 cm fct ~ 3,0 MPa
10

Ec ~ 32000 MPa

σ1

[cm] 10

Abb. 4.3: Nachrechnung der Scheibenversuche von Kupfer ; statisches System und
Materialparameter

Tab. 4.1: Untersuchte Hauptspannungsverhältnisse nach Kupfer [55]

Druck-Druck Druck-Zug Zug-Zug


−1 −1 −1 −1 −1 −1 −1 −1 1 1 1 1
−1 −0,52 −0,22 0 0,052 0,07 0,103 0,202 0 0,23 0,54 1

0,2

σ2/fcm
0
-1,4 -1,2 -1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2
-0,2

-0,4

-0,6

-0,8

-1

-1,2
σ1/fcm

FEM-CDP Kupfer
-1,4

Abb. 4.4: Vergleich der idealisieren an die streuenden Versuchswerte angepassten Bruchkurve nach
Kupfer aus [55] mit den Ergebnissen der Simulation
55

1,2 1,2
|σ2|/fcm |σ2|/fcm
ε2 ε1 ε2 ε1
1 1

0,8 0,8

0,6 0,6

0,4 0,4

0,2 0,2
FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 Kupfer ε1,εε2
0 0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002

(a) Druck-Druck σ2 /σ1 = −1/0 (b) Druck-Druck σ2 /σ1 = −1/ − 0,22

1,4
|σ2|/fcm
ε2 ε1
1,2

1 1
|σ2|/fcm
0,8 0,8
ε2 ε1
0,6 0,6

0,4 0,4

0,2 0,2
FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 Kupfer ε1,εε2
0 0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002

(c) Druck-Druck σ2 /σ1 = −1/ − 0,52 (d) Druck-Zug σ2 /σ1 = −1/0,052

0,8 |σ2|/fcm

ε2 0,6 ε1 0,6
|σ2|/fcm
0,4 0,4
ε2 ε1
0,2 0,2
FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 Kupfer ε1,εε2
0 0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002

(e) Druck-Zug σ2 /σ1 = −1/0,070 (f) Druck-Zug σ2 /σ1 = −1/0,202

Abb. 4.5: Vergleich der Spannungs-Dehnungs-Verläufe für unterschiedliche Spannungsverhältnisse


aus den Versuchen von Kupfer mit den Ergebnissen der Simulation
56 4 Verifikation der Rechenmodelle

4.2.3 Auswirkung isotroper Entfestigung


Wie in Kapitel 3.5 beschrieben wird die Entfestigung des Betons im Materialmodell CDP durch
einen isotropen Ansatz beschrieben. Dieser stellt eine starke Vereinfachung bei der Modellierung
des tatsächlich anisotropen Werkstoffverhaltens dar. Die Auswirkungen dieser Annahme werden
daher im Rahmen von Modellrechnungen mit unterschiedlichen Belastungspfaden untersucht und
veranschaulicht. Im Folgenden werden die Berechnungsergebnisse beschrieben und schematisch
dargestellt.

Beton im Zugbereich

Betrachtet wird eine Betonscheibe, die innerhalb der Ebene in beide Hauptspannungsrichtungen
weggeregelt gedehnt wird. Hierbei werden zunächst zwei Varianten mit unterschiedlichen
Zugbeanspruchungspfaden untersucht.
Bei der ersten Variante einer proportionalen Steigerung der aufgebrachten Knotenverschie-
bungen im Verhältnis 1/1 erreicht die Scheibe in beide Hauptspannungsrichtungen die volle
Zugfestigkeit. Nach Überschreitung der Rissdehnung kann das gleiche Entfestigungsverhalten
in beide Richtungen beobachtet werden (siehe Abbildung 4.6(a)). Dieses Verhalten deckt
sich qualitativ mit den von Kupfer festgestellten Scheibenzugfestigkeiten unter kombinierter
Zug-Zug Beanspruchung (siehe Abbildung 3.4(a), Quadrant I).
Im Fall der zweiten Variante erfolgt die Erhöhung der aufgebrachten Dehnung zunächst
nur in eine Richtung. Das zuvor beschriebene Verhalten kann für diese Richtung durch das
Materialmodell ebenfalls abgebildet werden. Mit Überschreitung der Rissdehnung beginnt die
Entfestigung. Durch den isotropen Ansatz wird diese richtungsunabhängig gespeichert. Dies
hat zur Folge, dass die Zugspannung in die zweite Richtung nur noch bis zur Rissspannung
nach Zugentfestigung aus der ersten Beanspruchungssequenz linear gesteigert werden kann,
bevor es zur Weiterentwicklung der isotropen Zugentfestigung kommt. In Abbildung 4.6(b)
sind die beschriebenen Zusammenhänge schematisch dargestellt. Vergleichbare Untersuchungen
von Gödde in [35] führen unter Berücksichtigung eines linearen Verlaufs der Entfestigung zu
den gleichen Erkenntnissen.
In einem realen Betonbauteil kann davon ausgegangen werden, dass die Zugfestigkeit or-
thogonal zu einem bereits entstandenen Riss noch vollständig erreicht werden kann und eine
gegenseitige Beeinflussung tatsächlich nicht stattfindet. Für einen derartigen Beanspruchungs-
pfad führt der vereinfachte Ansatz isotroper Entfestigung folglich nicht zu realitätsnahen
Ergebnissen.

Beton im Druckbereich

Das für die sequenzielle Zugdehnungserhöhung beschriebene isotrope Entfestigungsverhalten


kann analog auf den Druckbereich übertragen werden. In Abbildung 4.7(a) sind die hier
57

∆l/2 ∆l2/2

∆l/2 ∆l/2 ∆l/2 ∆l/2 ∆l/2 ∆l/2

II II II

I I I

∆l/2 ∆l2/2
σI = σII σI σII
Step I Step II
fct fct fct

ν Q>0
ν Q=0
ε I = εII εI ε II
∆l/l ∆l/l
∆l2/l
(a) Proportionale Dehnungserhöhung (b) Sequenzielle Dehnungserhöhung

Abb. 4.6: Schematische Darstellung der Ergebnisse der numerischen Simulation für verschiedene
Zugbeanspruchungspfade

geltenden Zusammenhänge schematisch dargestellt. Hierbei wird ein Betonelement bis in den
Entfestigungsbereich hinein gestaucht (Step I) und im Anschluss vollständig entlastet (Step II).
Im darauf folgenden Schritt wird eine Stauchung in Querrichtung auf das Element aufgebracht
(Step III). Die bereits in der ersten Belastungssequenz entstandene Entfestigung hat zur Folge,
dass die volle uniaxiale Druckfestigkeit in Querrichtung nicht mehr erreicht werden kann. Für
die hier durchgeführten Untersuchungen mit monotoner Laststeigerung bis zum Bruch der
jeweiligen Versuchskörper hat dieser Zusammenhang keinen nennenswerten Einfluss auf die
Qualität der Ergebnisse.
Bei Kombinationen aus Zug- und Druckbeanspruchung werden zwei Varianten untersucht
und exemplarisch dargestellt. In der Variante 1 (Abbildung 4.7(b)) wird ein Element zunächst
uniaxial gedehnt und im Anschluss in die gleiche Richtung gestaucht. Die Zugentfestigung
aus der ersten Belastungssequenz (Step I) wird gespeichert. Diese wirkt sich jedoch nicht
ungünstig auf die anschließende Druckbeanspruchung (Step II) aus. An einem realen Bauteil
kann davon ausgegangen werden, dass der unter Zug entstandene Riss im Anschluss vollständig
überdrückt wird und keinen negativen Einfluss auf das Tragverhalten unter der anschließenden
Druckbeanspruchung hat. Das Materialmodell bildet dies somit realitätsnah ab. Die isotro-
pe Zugentfestigung wirkt sich nur auf weitere Zugbeanspruchungen aus und nicht auf den
Druckbereich.
Eine Zugkraft in Querrichtung hat jedoch bekanntlich einen unmittelbaren Einfluss auf die er-
tragbare Druckbeanspruchung in Längsrichtung (siehe Abbildung 3.4(a), Quadranten II und IV).
58 4 Verifikation der Rechenmodelle

Step II: Druck


Step II:
Entlastung Step III: Druck
Step I: Druck Step I: Step I: Zug
Zug
Step III: Druck

Step II: Zug


II II II

I I I

Step I: Zug

Step III: Druck

σI, σII σII σI, σII


fct fct Step I unmittelbares
ε I, ε II Versagen
ε II
Step III
Step III
Step II

fct
σI - ε I Step II σII - ε II
σII - ε II Step I
Step II σI - ε I
fcm ε I, ε II
Step I fcm
Step II
Step III
(a) Druck-Entlastung-Querdruck (b) Zug-Druck (c) Zug-Querzug-Druck

Abb. 4.7: Schematische Darstellung der Ergebnisse der numerischen Simulation für verschiedene
Druck- und Zug-Druck-Pfade

Daher wird in einer weiteren Rechnung überprüft, wie sich die isotrope Zugentfestigung hierauf
auswirkt. Die Dehnungs- und Stauchungssequenz in die untersuchte Hauptelementrichtung (II)
unterscheiden sich nicht von der zuvor durchgeführten Rechnung. Jedoch wird im Anschluss an
die Aufbringung der Zugdehnung in Richtung (II) eine Zugkraft in Querrichtung (I) aufgebracht.
Da die isotrope Zugentfestigung im untersuchten Element bereits weit fortgeschritten ist, kann
nur noch eine sehr kleine Zugkomponente in Querrichtung aufgebracht werden. Eine anschlie-
ßende Stauchung in Hauptrichtung (II) führt unmittelbar zum rechnerischen Versagen des
Elements, bei jetzt nach erfolgter Entfestigung nur noch entsprechend kleiner Bruchfestigkeit.
Die schematische Darstellung des beschriebenen Ablaufs kann Abbildung 4.7(c) entnommen
werden. Bei einem realen Probekörper kann davon ausgegangen werden, dass der erste Riss
keinen Einfluss auf die Zugtragfähigkeit in Querrichtung hat. Die sehr geringe aufgebrach-
te Querzugkraft hätte zudem keinen nennenswerten Einfluss auf die Drucktragfähigkeit in
Hauptrichtung (II).

Schlussfolgerungen

Bei den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Nachrechnungen gegliederter Querschnitte


steht die Untersuchung des Tragverhaltens der schubfesten Verbindung der Gurte an die
59

Stege im Fokus. In einem Anschlusselement müssen hierbei Kombinationen aus Druck- und
Zugbeanspruchung abgebildet werden, um die Schubkraftübertragung im Anschnitt zum Steg
realitätsnah zu berücksichtigen. Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen kann ein Einfluss
der isotropen Entfestigung auf das rechnerische Tragverhalten, insbesondere bei größeren
Drehungen der Hauptspannungsachsen nach Entfestigungsbeginn oder in Bereichen mit großen
mehraxialen Zugdehnungen (Zuggurte), nicht völlig ausgeschlossen werden. Im Rahmen der
Nachrechnung von Balken unter hohen Schubbeanspruchungen wird das Materialmodell derzeit
häufig eingesetzt und liefert ungeachtet der Vereinfachungen meist zutreffende Ergebnisse [38,
51, 52, 63, 72, 74, 95]. Etwaige Auswirkungen der beschriebenen Einschränkungen auf die hier
untersuchten Träger mit Druckgurtanschluss lassen sich im Vorfeld nur schwer einschätzen und
werden daher im Einzellfall überprüft.

4.2.4 Anwendung des Rechenmodells auf einen schubbeanspruchten


Träger mit einfacher Querschnittsgeometrie
Bevor das Modell auf die Simulation des Tragverhaltens gegliederter Querschnitte angewandt
wird, erfolgt die Nachrechnung eines Balkens mit einer einfacheren Querschnittsgeometrie. Diese
dient der Überprüfung der Modelleignung im Hinblick auf die Abbildung von Schubversagen
schwach bewehrter Stahlbetonquerschnitte. Zusätzlich wird der Einfluss unterschiedlich feiner
Diskretisierungen, der Art der Lastaufbringung (Kraft- oder Wegregelung) und der Ausnutzung
der Symmetrieeigenschaften des statischen Systems auf die Ergebnisse der Modellrechnungen
überprüft.
Bei dem untersuchten Rechteckbalken mit b · h = 0,30 · 1,00 [m2 ], der mit einer Gesamt-
länge von 6m und einer Länge zwischen den Auflagern von 5,4m im 3-Punkt-Biegeversuch
getestet wurde, handelt es sich um den Versuchsträger BM100, den Podgorniak-Stanik im
Rahmen seiner Master Thesis [81] getestet hat. Einige der hier dargestellten Ergebnisse der
Simulationsrechnungen sind auch in [77] beschrieben.
Die Werkstoffkennwerte der verwendeten Materialien nach [81] können der Tabelle 4.2
entnommen werden. Für die Betonzugfestigkeit fct , den E-Modul Ec und die Zugfestigkeit der
unteren Längsbewehrung ft werden hierbei sinnvolle Werte angenommen, da diese in [81] nicht
dokumentiert sind. Die Geometrie des Versuchsbalkens sowie die Bewehrungsführung sind in
Abbildung 4.8 dargestellt.
Um Konvergenzprobleme bei der Berechnung von Stahlbetonstrukturen zu vermeiden,
bietet das Materialmodell CDP die Möglichkeit, einen sogenannten Viskositätsparameter µ zu
definieren (siehe Tabelle 3.4). Durch diesen Dämpfungsparameter können Strukturen, die ein
ausgeprägt nichtlineares Materialverhalten aufweisen, künstlich stabilisiert werden. Wird ein zu
großer Wert für den Viskositätsparameter gewählt, so kann dies einen negativen Einfluss auf das
Ergebnis der Systemanalyse haben. Die ermittelten Traglasten werden hierbei gegebenenfalls
überschätzt. Es wird daher versucht, den Wert nur so groß wie für eine stabile Systemanalyse
60 4 Verifikation der Rechenmodelle

F 2 . ds = 16 mm
7,5 bw = 30 cm As = 2 . 200 mm²
10 Bügel
ds =9,5 mm
85

As =71,3 mm²
(je Bügelschenkel)
7,5

3 . d s = 30 mm
As = 3 . 700 mm²
30 270 270 30

600

Abb. 4.8: Versuchsanordnung und Bewehrungsführung des Trägers BM100 aus [81]

Tab. 4.2: Bei der Nachrechnung berücksichtigte Materialparameter (Versuchsbalken BM100)

fcm fct Ec
Beton [MPa] [MPa] [MPa]

46 3,9 32800

fym ft E
Bügelbewehrung [MPa] [MPa] [MPa]

508 778 200000

fym ft E
Längsbewehrung unten [MPa] [MPa] [MPa]

550 650 200000

fym ft E
Längsbewehrung oben [MPa] [MPa] [MPa]

437 643 200000

nötig beziehungsweise so klein wie möglich zu wählen. Der Einfluss verschiedener Werte des
Viskositätsparameters auf das Ergebnis der Simulation kann Abbildung 4.9(a) entnommen
werden. Der Dämpfungsparameter wird hierbei schrittweise so weit herabgesetzt, bis sich
das Ergebnis nicht mehr signifikant ändert. Es ist zu erkennen, dass sich bei diesem Modell
die Last-Verformungskurven für Parameter µ ≤ 10e-6 nicht mehr nennenswert ändern und
gute Übereinstimmungen mit dem im Versuch beobachteten Verformungsverhalten erzielt
werden. Alle im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten weiteren Rechnungen wurden mit
Viskositätsparametern µ ≤ 5e-6 durchgeführt.
Auf die Variation der Elementgrößen (max. 50 · 50 · 50 mm3 und max. 100 · 100 · 100
mm3 ), die Art der Lastaufbringung (Wegregelung oder Lastregelung) und die Ausnutzung
der doppelten Symmetrie bei der Systemmodellierung reagiert das System in den gewählten
Grenzen unempfindlich (siehe Abbildung 4.9(b)). Bei den Berechnungen werden die von der
FE-Netzgröße abhängigen Entfestigungsbereiche der uniaxialen Materialarbeitslinien wie in
61

900 900

800 800

700 700

600 600
Last [kN]

Last [kN]
500 500

400 400
BM100-Versuch
BM100-Versuch
300 FEM_visk-10E-7 300
FEM_50mm_Symm_Weg
FEM_visk-5E-6
200 200 FEM_50mm_Symm_Last
FEM_visk-10E-6
100 FEM_visk-10E-5 100 FEM_50mm_Last
FEM_visk-10E-4 FEM_100mm_Last
0 0
0 5 10 15 20 25 0 5 10 15 20 25
Verformung [mm] Verformung [mm]

(a) Variation des Viskositätsparameters (maximale Ele- (b) Variation der Elementgröße, Symmetriebedingung,
mentgröße 50 · 50 · 50 mm3 , weggeregelt, Ausnut- Lastaufbringung (µ = 5e-6)
zung der Symmetrie

Abb. 4.9: Einfluss verschiedener Randbedingungen auf das Simulationsergebnis aus [77]

Kapitel 3.6.2 beschrieben angepasst.


Die Nachrechnung des Versuchsträgers liefert gute Übereinstimmungen mit dem dokumen-
tierten Ergebnissen. Das Last-Verformungsverhalten kann sehr gut abgebildet werden. Die
Steifigkeit wird im Rahmen der Simulation im Zustand I in der Tendenz ein wenig überschätzt.
Die Biegerissbildung setzte in der experimentellen Studie früher ein als in der Simulation. Dies
spricht dafür, dass die hier rechnerisch angesetzte Betonzugfestigkeit etwas größer ist als im
realen Bauteilversuch.
Podgorniak-Stanik beschreibt in [81] ein mit dem Ausfall der Bügelbewehrung einhergehendes
Schubversagen des Trägers bei einer Pressenkraft von F = 336·2 = 672kN. Diese Laststufe wird
auch in der Simulationsrechnung mit sehr guter Übereinstimmung erreicht und von einem Fließen
der Bügelbewehrung begleitet (siehe Abbildung 4.10). Die Bereiche des Rechenmodells, in denen
auf Basis der Auswertung der plastischen Dehnungen eine Schubrissbildung wahrscheinlich ist,
konzentrieren sich jedoch im Vergleich zum Realversuch in einem etwas kleineren Bereich. In
Abbildung 4.10 sind die plastischen Dehnungen zur Identifikation der Bereiche, in denen eine
Rissbildung wahrscheinlich ist, dargestellt.

4.2.5 Fazit
Das Werkstoffverhalten von Beton kann durch das verwendete Materialmodell CDP unter
Berücksichtigung der in Kapitel 3.6 beschriebenen Randbedingungen gut abgebildet werden.
62 4 Verifikation der Rechenmodelle

Abb. 4.10: Schematische Darstellung des Rissbilds im Versuch nach [81] und der plastischen
Dehnungen in der Simulation (oben), Bügelspannungen (unten)

Der Regularisierungsansatz zur Vermeidung von netzabhängigen Ergebnissen bei der Ermittlung
der verschmierten Rissbildung führt zu einer objektiven Systemantwort. Unter einaxialer Druck-
und Zugbeanspruchung sowie mehraxialer Druckbeanspruchung werden ebenfalls sehr gute
Nachrechnungsergebnisse erzielt. Mögliche Auswirkungen des isotropen Entfestigungsansat-
zes und des tendenziell als konservativ einzustufenden Modellverhaltens unter kombinierter
Druck-Zug-Beanspruchung (siehe Abbildung 4.4) sind bei der Auswertung weiterer Versuchs-
nachrechnungen im Einzelfall zu prüfen. Die guten Übereinstimmungen der rechnerischen mit
den im Versuch dokumentieren Ergebnissen bei dem hier im Rahmen der Modellverifikation
untersuchten Balken (Kapitel 4.2.4) sind jedoch ein Beleg für die grundsätzliche Eignung des
verwendeten Modells zur Simulation schubbeanspruchter Träger.

4.3 Nichtlineare Elastizitätstheorie – SOFiSTiK

4.3.1 Betonscheiben unter biaxialer Beanspruchung


Wie schon in Kapitel 4.2.2 dienen die Scheibenversuche von Kupfer [55] als Grundlage zur
Verifikation der realitätsnahen Erfassung zweiaxialer Spannungszustände. Die Modellierung
des System mit Schalenelementen erfolgt in Anlehnung an die Abbildung 4.3. Die Ergebnisse
der Simulationsrechnungen können Abbildung 4.11 entnommen werden. Es ist zu erkennen,
dass das zweiaxiale Tragverhalten in den Bereichen Druck-Druck und Zug-Zug sowohl in
Bezug auf das Spannungs-Dehnungs-Verhalten als auch auf die erzielten Bruchlasten sehr gut
durch die Simulationsrechnungen erfasst wird. Im Druck-Zug-Bereich wird die Tragfähigkeit
des unbewehrten Betons im Vergleich zu den Untersuchungen von Kupfer teilweise etwas
überschätzt.
63

1,2 1,2
|σ2|/fcm |σ2|/fcm
ε2 ε1 ε2 ε1
1 1

0,8 0,8

0,6 0,6

0,4 0,4

FEM-Sofistik 0,2 FEM-Sofistik 0,2


FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 Kupfer ε1,εε2
0 0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002

(a) Druck-Druck σ2 /σ1 = −1/0 (b) Druck-Druck σ2 /σ1 = −1/ − 0,22

1,4
|σ2|/fcm
ε2 ε1
1,2

1 1
|σ2|/fcm
0,8 0,8
ε2 ε1
0,6 0,6

0,4 0,4

FEM-Sofistik 0,2 FEM-Sofistik 0,2


FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 ε1,εε2
0 Kupfer
0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002

(c) Druck-Druck σ2 /σ1 = −1/ − 0,52 (d) Druck-Zug σ2 /σ1 = −1/0,052

1 |σ2|/fcm

ε2 0,8 ε1
0,6
0,6 |σ2|/fcm
0,4
0,4 ε2 ε1
FEM-Sofistik FEM-Sofistik 0,2
0,2
FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 ε1,εε2
0 Kupfer
0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002

(e) Druck-Zug σ2 /σ1 = −1/0,070 (f) Druck-Zug σ2 /σ1 = −1/0,202

Abb. 4.11: Vergleich der Spannungs-Dehnungs-Verläufe für unterschiedliche Spannungsverhältnisse


aus den Versuchen von Kupfer mit den Ergebnissen der Simulation mit SOFiSTiK
64 4 Verifikation der Rechenmodelle

Für die Untersuchungen an im GZT gerissenen Stahlbetonelementen hat dies jedoch keine
nennenswerten Auswirkungen, da die Abminderung der Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit
zu der vorhandenen Querdehnung erfolgt und bei der hier verwendeten experimentellen Pro-
grammversion frei definiert werden kann (siehe Kapitel 3.7.2, Abbildung 3.14). Das verwendete
Rechenmodell bildet das Tragverhalten der Betonscheiben unter biaxialen Spannungszuständen
somit gut ab. Zum Vergleich sind in Abbildung 4.11 neben den Ergebnissen der experimentellen
Studien von Kupfer und denen der Simulationsrechnungen mit dem FEM-Programm SOFiSTiK
auch die mit dem Materialmodell CDP erzielten Ergebnisse dargestellt.

4.3.2 Stahlbeton unter Zugbeanspruchung


Die zugversteifende Wirkung des Betons bei der Simulation des Tragverhaltens von Stahlbeton-
querschnitten wird nahezu vollständig durch die Modifikation der Stahlarbeitslinie berücksichtigt.
Der im Allgemeinen steil abfallende Ast der Betonzugfestigkeit hat hierbei keinen nennens-
werten Einfluss auf das Ergebnis der FE-Berechnung [54] nach Abschluss der Rissbildung
(siehe Kapitel 3.7.2). Daher werden an dieser Stelle keine weiteren Rechnungen an unbe-
wehrten Betonelementen zur Verifikation des Rechenmodells durchgeführt. Hierzu sei auf die
Arbeit von Kolodziejczyk [54] verwiesen, die umfangreiche rechnerische Untersuchungen zum
Modellverhalten an unbewehrten Betonelementen unter Zugbeanspruchung durchgeführt hat.
Zur Überprüfung der Modellierung der zugversteifenden Wirkung des Betons und der
Umsetzung im Programm erfolgt hier zunächst die Berechnung eines bewehrten Zugstabes.
Die Ergebnisse der Simulation werden mit einer Handrechnung entsprechend den Vorgaben
des DAfStb Hefts 525 [13] verglichen. Für die Berechnung relevante Daten können Tabelle 4.3
entnommen werden.

Tab. 4.3: Parameter Zugstab

Ac fct Ec As fyk Es βt
[m2 ] [MPa] [MPa] [m2 ] [MPa] [MPa] [–]
0,15 2,9 32837 0,0018 500 200000 0,25 (Dauerlast)

Die Ergebnisse der Rechnung mit nichtlinearer FEM und der Handrechnung nach
DAfStb Heft 525 [13] sind in Abbildung 4.12 dargestellt. Die Ermittlung von ∆s erfolgt hierbei
nach (3.15). Es ist zu erkennen, dass die Rechnungen nach Abschluss der Rissbildung zu
gleichen Ergebnissen führen. In der Phase von der Erstrissbildung bis zum abgeschlossenen
Rissbild wird nach [13] von einem Lastzuwachs von etwa 30% ausgegangen. Diese sogenannte
Einzelrissbildungsphase kann im FE-Rechenmodell an einem Zugstab mit konstanter Zugfes-
tigkeit nicht erfasst werden. Durch die Berücksichtigung einer streuenden Zugfestigkeit kann
diese Phase ebenfalls rechnerisch abgebildet werden [54].
65

1000
900
800
700

Zugnormalkraft
1,3Ncr ∆εs
600
500 Ncr
400
300
FEM-Sofistik
200
Handrechnung nach Heft 525
100
reiner Zustand II
0
εsr1 εsr2
0 0,0005 0,001 0,0015 0,002 0,0025
εs

Abb. 4.12: Last-Verformungsverhalten eines Zugstabes, Vergleich FEM mit Handrechnung

4.3.3 Abhängigkeit der Rissrichtung von der Art der Lastaufbringung

Das in Kapitel 3.7.2 beschriebene Rissverhalten wird anhand einer Beispielrechnung dargestellt.
Betrachtet wird eine Scheibe unter reiner Schubbeanspruchung. Die Bewehrung ist parallel zu
den Rändern im Verhältnis ρx /ρy = 2/1 gleichmäßig verteilt. Es werden zwei Traglastiterationen
durchgeführt, um die Festlegung der Rissrichtung im Modell zu untersuchen. In Abbildung
4.13 ist das System mit Beanspruchung und der Bewehrungsverteilung dargestellt. Die erste
durchgeführte Traglastiteration setzt auf einen Primärlastfall auf, der etwa zur Erstrissbildung
führt. Diese Rissrichtung (hier etwa 45°) wird im Anschluss für alle weiteren Traglaststeigerungen
fixiert. Bei der zweiten Traglastiteration werden keine Primärlastfälle berücksichtigt. Für jede
untersuchte Einwirkungshöhe erfolgt die Rechnung somit am zunächst ungerissenen System.
Da die Rissrichtung erst im Anschluss an den letzten Iterationsschritt festgelegt wird, ist
eine Drehung der Hauptspannungsrichtungen ungehindert möglich. In Abbildung 4.13(b) sind
die auf diese Weise rechnerisch ermittelten Rissrichtungen eingetragen. Das in Kapitel 3.7.2
beschriebene Verhalten wird somit durch die Modellrechnungen bestätigt.
Im hier untersuchten Beispiel kommt es zu einer Drehung der Hauptspannungs- und damit
Rissrichtung bei steigender Beanspruchung, ohne dass sich die Einwirkungsrichtung ändert.
Dieses Modellverhalten ist auf die unterschiedlichen Steifigkeitsverhältnisse der beiden Haupt-
bewehrungsrichtungen zurückzuführen. Im Zustand I wird die Dehnsteifigkeit der Scheibe
maßgeblich vom ungerissenen Betonquerschnitt beeinflusst und ist somit in alle Richtungen
ähnlich groß. Durch den Übergang in den gerissenen Zustand II ändern sich die Steifigkeitsver-
hältnisse richtungsbezogen in Abhängigkeit des jeweiligen Bewehrungsgrades. Eine durchge-
führte Vergleichsrechnung mit einem Bewehrungsverhältnis von ρx /ρy = 1/1 führt für beide
Lastaufbringungsarten zu gleichen Ergebnissen. Dies bestätigt den Einfluss der Dehnsteifigkeits-
66 4 Verifikation der Rechenmodelle

τ yx
y
x Traglastiteration
ohne Primärlastfälle
(weitere Rotation der
Bewehrung:
Rissrichtung möglich)
ρ x=0,018
τ xy τ xy

ρ y=0,009
Traglastiteration unter
τ xy = τ yx Berücksichtigung der
Primärlastfälle
τ yx ("fixed crack")

(a) System und Bewehrung (b) Rissrichtung

Abb. 4.13: Modellrechnung an einem Scheibenelement (a) System und Bewehrung (b) Rissrichtung
für unterschiedliche Traglastiterationen

verhältnisse auf die Entwicklung der Hauptspannungsrichtung und damit auf die Festlegung
der Rissrichtung im Modell.
Vecchio und Collins untersuchten Scheiben unter reiner Schubbeanspruchung mit unter-
schiedlichen Verhältnissen der richtungsbezogenen Bewehrungsgrade [97]. Sie stellten fest, dass
sich der Versagensriss bei stark unterschiedlichen Bewehrungsgraden der schwächer bewehrten
Richtung annähert. Diese Beobachtung stützt das hier beschriebene Modellverhalten. Im Rah-
men der weiteren Versuchsnachrechnungen werden daher zunächst beide Modellierungsvarianten
vergleichend angewendet.

4.3.4 Schubkraftübertragung über Risse


Wird eine Traglastiteration unter Berücksichtigung des jeweils letzten Lastschrittes als Pri-
märlastfall durchgeführt, so werden bereits entstandene Risse für die folgenden Lastfaktoren
fixiert. Da die Schubsteifigkeit im verwendeten Materialmodell unmittelbar nach Rissbildung zu
Null gesetzt wird (siehe Kapitel 3.7.2), können Schubspannungen nur noch über eine den Riss
kreuzende Bewehrung übertragen werden. Zur Bestätigung dieses Modellverhaltens werden zwei
Modellrechnungen an einer Scheibe durchgeführt. Die Einwirkungen sind für beide Rechnungen
identisch. Zunächst wird die Scheibe in vertikale Richtung gezogen, sodass horizontale Zugrisse
entstehen. In einem zweiten Schritt wird am Wandkopf eine Horizontallast angesetzt. Die
beiden Scheiben unterscheiden sich einzig in Bezug auf die vorgegebene Bewehrungsführung.
Scheibe 1 wird durch ein orthogonales Bewehrungsnetz mit Ausrichtung parallel zu den Rändern
bewehrt. In Scheibe 2 wird dieses Bewehrungsnetz um 45° gedreht angeordnet.
In Abbildung 4.14 sind die Ergebnisse der Modellrechnung schematisch dargestellt. Es
ist zu erkennen, dass Scheibe 1 keine zusätzliche Horizontallast aufnehmen kann. Da der
rechnerisch entstandene Riss durch die Bewehrung in einem Winkel von 90° gekreuzt wird
67

Step I: Step I:
Zug ~ Risskraft (Primärlastfall) Zug ~ Risskraft (Primärlastfall)

Step II: y Step II: y I


Druck F Scheibe 1 Druck F Scheibe 2
x x
II

Rissrichtung Rissrichtung

ρ y= ρ x ρ I= ρ II

Druck Druck

F F

Versagen unmittelbar Aufnahme der Querdruckkraft


bei Lastaufbringung über geneigte Bewehrung möglich
(Step II) (Step II)
Verschiebung Verschiebung

(a) Bewehrung parallel zum Bauteilrand (b) Bewehrung unter 45° zum Bauteilrand

Abb. 4.14: Modellrechnung zur Schubkraftübertragung über Risse (schematische Darstellung)

und eine Verdüblungswirkung durch das Rechenmodell nicht erfasst wird, versagt die Schreibe
rechnerisch unmittelbar bei dem Versuch der Horizontallaststeigerung. Dieses Ergebnis bestätigt
auch den unmittelbaren Rückgang der Schubsteifigkeit nach Rissbildung ohne Berücksichtigung
einer allmählichen Entfestigung.
Die zweite Scheibe ist trotz identischer Einwirkungs- und Rissrichtung dazu in der Lage, die
Horizontalkraft aufzunehmen. Dies lässt sich ausschließlich auf die den Riss unter 45° kreuzende
Bewehrung zurückführen.
Bei gleichzeitiger Aufbringung der Vertikal- und Horizontallast kann auch für die Scheibe 1
ein Gleichgewichtszustand nachgewiesen werden. Hierbei stellt sich ein in Abhängigkeit vom
Spannungsverhältnis geneigter Risswinkel ein. Bereits kleine Winkel sind ausreichend um die
Tragwirkung der Bewehrung im Rechenmodell zu aktivieren. Von Kolodziejczyk durchgeführte
Modellrechnungen bestätigen diesen Zusammenhang [54].

4.3.5 Drucktragfähigkeit des gerissenen Stahlbetons


Die Ermittlung der Beanspruchbarkeit von Beton auf Druck in gerissenen Elementen erfolgt im
Rahmen der Sensitivitätsanalyse (siehe Kapitel 7.2) wie in Kapitel 3.7.2 beschrieben mit vier
68 4 Verifikation der Rechenmodelle

1,1 1,1

1 1
0,9 0,9
0,8 0,8
eps1 0
0,7 0,7 eps1 0.1
0,6 0,6 eps1 0.6
σ c/fc

σ c/fc
eps1 1.4
0,5 0,5 eps1 2.2
eps1 3.2
0,4 0,4 eps1 3.6
0,3 0,3 εic nach Darwin und Pecknold eps1 4.8
eps1 5.2
0,2 0,2 eps1 6
eps1 6.4
0,1 0,1 eps1 6.8
0 0
0 0,001 0,002 0,003 0,004 0,005 0,006 0,007 0,008 0 0,0005 0,001 0,0015 0,002 0,0025
ε1 ε2

(a) Abminderung in Abhängigkeit von der Querdeh- (b) Spannungs-Dehnungs-Verläufe


nung

Abb. 4.15: Exemplarische Darstellung der Abminderung der Betondrucktragfähigkeit für die
untersuchte Abminderungsvorschrift A6050 gemäß Tabelle 7.1

unterschiedlichen querdehnungsabhängigen Entfestigungsverläufen. Um das Tragverhalten von


Bauteilen durch eine nichtlineare Systemanalyse möglichst wirklichkeitsnah zu beschreiben, ist
neben der verminderten Drucktragfähigkeit auch das Spannungs-Dehnungs-Verhalten bis zum
Erreichen der Maximalspannung zu berücksichtigen. In Abbildung 4.15 sind die rechnerisch
ermittelten Spannnungs-Dehnungs-Verläufe für eine der vorgegebenen Abminderungsvorschriften
dargestellt. Grundlage für die Berechnungen ist ein einachsig bewehrtes Scheibenelement. Dieses
wird zunächst in Bewehrungsrichtung bis zum Erreichen eines vorgegebenen Wertes gedehnt
und im Anschluss orthogonal zur Zugrichtung bis zum Bruch gestaucht.
Die Anfangssteifigkeit wird unabhängig von der vorhandenen Querdehnung konstant an-
genommen. Mit zunehmender Entfestigung wird die maximale Druckspannung bei immer
geringeren Werten der Betonstauchung erreicht. Darwin und Pecknold geben hierfür den in
(4.1) dargestellten Zusammenhang an [15]. Dieser gilt für Spannungskombinationen, bei denen
die uniaxiale Betondruckfestigkeit fc nicht erreicht wird. In Abbildung 4.15(b) ist der Vorschlag
von Darwin und Pecknold ausgewertet und den Ergebnissen der Berechnung gegenübergestellt.
Als Bezugswert für die Stauchung bei Erreichen der Betondruckfestigkeit unter uniaxialer Bean-
spruchung wird c1 = 2,2 ‰ angesetzt. Die im Rahmen der Simulationsrechnung ermittelten
äquivalent einachsigen Spannungs-Dehnungs-Beziehungen für unterschiedliche Querdehnun-
gen können auf diese Weise in guter Näherung bestätigt werden. Das Verformungsverhalten
des gerissenen Stahlbetons wird auch unter Berücksichtigung einer querdehnungsabhängigen
69

Entfestigung wirklichkeitsnah abgebildet.


"  3  2  #
σci σci σci
ci = c1 · −1,6 · + 2,25 · + 0,35 · (4.1)
fc fc fc

4.3.6 Anwendung des Rechenmodells auf einen schubbeanspruchten


Träger mit einfacher Querschnittsgeometrie
Um die Beanspruchungen in den Gurtanschlüssen gegliederter Querschnitte mit Flächenele-
menten realitätsnah erfassen zu können, erfolgt die Eingabe der Querschnitte in Form von
Faltwerkgeometrien. Auf diese Weise lassen sich neben den Beanspruchungen im Steg auch
die im Gurtquerschnitt rechnerisch darstellen. Die Eignung des Modells zur rechnerischen
Abbildung eines Querkraftversagens wird jedoch zunächst wieder an einem schwach bewehrten
Querschnitt mit einfacher Querschnittsgeometrie überprüft. Hierzu wird, wie bereits in Kapitel
4.2.4 für das Materialmodell CDP, wieder der Träger BM100 aus der Master Thesis von
Podgorniak-Stanik [81] nachgerechnet. Ein möglicher Einfluss der Querschnittsmodellierung
soll durch diese Vorgehensweise gering gehalten werden.
Für die Eingabe des Systems mit Flächenelementen, in denen die Bewehrung in verschmierter
Form berücksichtigt wird, sind drei Bereiche zu unterscheiden. Diese ergeben sich aus der
Bewehrungsführung im Versuchsträger und sind in Abbildung 4.16 dargestellt. In den Bereichen 1
und 3 wird neben der Querkraft- auch die Längsbewehrung berücksichtigt. Um die statische
Nutzhöhe des Querschnitts im Rechenmodell möglichst wirklichkeitsnah zu erfassen, wird die
Längsbewehrung auf eine Elementbreite, die dem doppelten Achsabstand der Bewehrung zum
jeweiligen Bauteilrand entspricht, verschmiert (siehe Kapitel 3.7.2). Der Bereich 2 beinhaltet
lediglich die Querkraftbewehrung mit einem geometrischen Bewehrungsgrad von ρ = 0,079%.
Die dokumentierten Versuchsergebnisse können durch die Nachrechnung mit guten Über-
einstimmungen wiedergegeben werden. Die rechnerische Bruchlast beträgt etwa 660kN
und unterschreitet die Tatsächliche um lediglich 12kN bzw. 1,8%. Dabei wird das Last-
Verformungsverhalten in der Simulation unter hohen Laststufen tendenziell etwas zu steif
abgebildet (siehe Abbildung 4.17). Das Versagen geht in der Nachrechnung mit einem
Fließen der Querkraftbewehrung einher. Gleichzeitig liegen die Betonstahldehnungen der
Biegezugbewehrung mit etwa 2,3 ‰ noch im linear-elastischen Bereich und entsprechen den
dokumentierten Stahldehnungen im Versuch [81]. Die Traglastiteration erfolgt in der Simulation
mit und ohne automatischem Aufsetzen auf die jeweils letzte Laststufe als Primärlastfall
(siehe Kapitel 4.3.3). Die Bruchlast wird in diesem Beispiel nur ohne die Berücksichtigung
der Primärlastfälle mit guter Übereinstimmung erreicht. Dies wird darauf zurückgeführt,
dass die Rissbildung unter Berücksichtigung niedriger Laststufen zunächst in einem kleinen
Bereich erfolgt. Aufgrund des sehr geringen Querkraftbewehrungsgrades geht diese unmittelbar
mit dem Fließen dieser Bewehrung einher. Eine weitere Laststeigerung führt zu erheblichen
70 4 Verifikation der Rechenmodelle

F 2 . ds = 16 mm
bw = 30 cm As = 2 . 200 mm²
7,5

10 Bügel
ds =9,5 mm
85

As =71,3 mm²
(je Bügelschenkel)
7,5

3 . ds = 30 mm
As = 3 . 700 mm²
270
F
asl=2/0,15=13,33 cm²/m
15 70 15

3 je Seite

2 as,bü= 0,713/0,6=1,19 cm²/m je Seite

1 asl=1,5*7/0,15=70 cm²/m
je Seite
30 540 30

Abb. 4.16: Versuchsträger BM100 aus [81] und Abbildung der Bewehrung in den Flächenelementen

Dehnungszuwächsen in den Teilbereichen des Systems mit bereits fixierten Rissen und zu
einem vorzeitigen rechnerischen Versagen des Trägers. Dies deckt sich jedoch nicht mit
dem im Versuch beobachteten Trag- beziehungsweise Rissverhalten. Daher kann davon
ausgegangen werden, dass die Modellrechnung ohne die Berücksichtigung der Primärlastfälle
das Tragverhalten in diesem Fall besser beschreibt. Diese Beobachtung gilt für das untersuchte
Beispiel und ist nicht allgemein übertragbar. Der Vergleich der dokumentierten Rissbilder mit
den Bereichen wahrscheinlicher Rissbildung der Simulationsrechnung ist in Abbildung 4.18
dargestellt. Die Schubrissbildung wird durch das Modell in guter Näherung abgebildet.

4.3.7 Fazit
Die durchgeführten Modellrechnungen zeigen, dass das Werkstoffverhalten von Beton bezie-
hungsweise des Verbundwerkstoffs Stahlbeton durch das verwendete Materialmodell gut abgebil-
det wird. Unter mehrachsialen Scheibenspannungszuständen wird das Last-Verformungsverhalten
des Betons durch das Konzept äquivalent einachsiger Spannungs-Dehnungs-Beziehungen gut
wiedergegeben. Durch die Implementierung frei definierbarer Zusammenhänge für das Druck-
entfestigungsverhalten gerissenen Stahlbetons können überdies die Auswirkungen verschiedener
Entfestigungsbeziehungen auf das Tragverhalten komplexer Systeme untersucht werden. Die
in Kapitel 4.3.6 beschriebene Anwendung des Modells auf einen 3-Punkt-Biegeversuch an
einem schwach querkraftbewehrten Balkenquerschnitt belegt die Eignung des Modells zur
rechnerischen Erfassung eines Querkraftversagens.
71

900

800

700 659,4

600
Last [kN]

500

400

300

200 BM100-Versuch

100 FEM_ohne-PLF
FEM_mit-PLF
0
0 5 10 15 20 25
Verformung [mm]

Abb. 4.17: Vergleich des dokumentierten Last-Verformungsverhaltens mit der Simulationsrechnung

Abb. 4.18: Schematische Darstellung des Rissbilds im Versuch nach [81] und in der
Simulationsrechnung
72 4 Verifikation der Rechenmodelle
Kapitel 5

Tragwirkung von Steg und Bodenplatte

5.1 Allgemeines
Derzeit erfolgt die Bemessung von Gurten und Stegen gegliederter Querschnitte in Deutschland
auf Basis des gleichen Ingenieurmodells, dem sogenannten Fachwerkmodell mit Rissreibung
nach Reineck [85]. Dieses Verfahren, dessen Anwendung bei der Dimensionierung der Stege von
Stahlbeton- und Spannbetonbalken auf der sicheren Seite liegende Ergebnisse liefert [85], wird im
Rahmen der Nachweisführung nach DIN EN 1992-2/NA [20] ohne nennenswerte Modifikationen
(siehe Kapitel 2.4) auf die Gurtbereiche übertragen. Im Folgenden werden daher zunächst
das Tragverhalten von Stegquerschnitten und die wesentlichen Annahmen des Rechenmodells
beschrieben. Unterschiede im Tragverhalten gedrückter Gurte und die Übertragbarkeit des
Bemessungsmodells werden im Anschluss kritisch diskutiert.

5.2 Stegtragverhalten und Modellvorstellungen


Die Stegquerschnitte von Hohlkastenbrücken werden im Wesentlichen durch Biegemomente und
Querkräfte aus der Längstragwirkung des Systems sowie Normalkräften infolge Vorspannung be-
ansprucht. Die Hauptspannungen im ungerissenen Zustand I sind über die Höhe des Querschnitts
sowohl in ihrer Größe als auch in ihrer Orientierung stark veränderlich. Zwischen Biegedruck-
und Biegezugseite findet eine Rotation des Hauptspannungswinkels um 90° statt. Die schubfeste
Verbindung beider Querschnittseiten ist zur Sicherstellung der Tragfähigkeit des Gesamtsystems
zwingend erforderlich. In Abbildung 5.1 (Mitte) ist eine mögliche Spannungsverteilung in einem
Stegabschnitt dargestellt.
Im gerissenen Zustand II setzt sich der Querkraftwiderstand aus mehreren sich teilweise
gegenseitig beeinflussenden Traganteilen zusammen. Hierzu zählen die Fachwerkwirkung, Rissrei-
bungskräfte, Dübelwirkung der Längsbewehrung, Vertikalkräfte infolge geneigter Spannglieder
und die Tragwirkung der ungerissenen Betondruckzone. Letztgenannter Traganteil, der in
Form von Sprengwerk- oder Druckbogenwirkung insbesondere in vorgespannten Konstruktionen
74 5 Tragwirkung von Steg und Bodenplatte

V(x) M(x+x1)

M(x)
N(x) N(x+x1)

V(x+x1)

x1

β (x) σ I (x) σx(x) σx(x+x1) σ (x+x1)


I
β (x+x1)
- - - -

+ + + +
σ II (x) τ (x) τ (x+x1) σ (x+x1)
II

D-Z (x) Druck D-Z (x+x1)

z (x+x1)
z (x)

Zug

Abb. 5.1: Tragwirkung Stegquerschnitt, Oben: Beanspruchung, Mitte: Spannungen im Zustand I,


Unten: Fachwerk im Zustand II

großes Potential verspricht, stellt derzeit einen Untersuchungsschwerpunkt vieler Forschungs-


arbeiten dar (z.B. [36, 37, 51, 74]) und ist bislang nicht Bestandteil der Bemessungsansätze
eingeführter Regelwerke in Deutschland. In Abbildung 5.1 (unten) ist ein solcher Traganteil
durch die Neigung der Biegedruckkraftresultierenden im Fachwerk angedeutet. Die Bemessung
auf Grundlage der DIN EN 1992-2(/NA) [19, 20] erfolgt hingegen an einem parallelgurtigen
Fachwerk. Derzeit existiert kein einheitliches und allgemein anerkanntes Bemessungsmodell auf
mechanischer Grundlage, welches alle Querkrafttraganteile zutreffend erfasst [103].
Der Übergang vom ungerissenen Zustand I in den gerissenen Zustand II erfolgt im Regelfall
zunächst über die Ausbildung erster Biegerisse im Feld oder über Innenstützen. In den zusätz-
lich zur Biegung durch Schub beanspruchten Bereichen knicken die Risse mit zunehmender
Beanspruchung auf Höhe der Biegezugbewehrung ab und wachsen als geneigte Biegeschubrisse
weiter in den Steg. Es wird vorausgesetzt, dass die so entstehenden Risse sich mit zunehmender
Beanspruchung weiter öffnen und dass die Rissufer sich darüber hinaus gegeneinander verschie-
ben. In Abbildung 5.2 ist dieses Verhalten in einem idealisierten Rissbild dargestellt. Ohne die
gegenseitige Rissuferverschiebung (Gleitung) könnten keine Reibungskräfte aktiviert werden
(siehe Kapitel 3.4.2). Diese sind jedoch eine wesentliche Voraussetzung für das von Reineck
ursprünglich für die DIN 1045-1 [17] entwickelte Fachwerkmodell mit Rissreibung [85], das die
75

w = Rissöffnung
v = Rissgleitung

v
w
(a) (b)

Abb. 5.2: Verschiebungen am idealisierten Biegeschubrissbild (a) unverformt (b) verformt (überhöht)

Grundlage der derzeit in Deutschland gültigen Bemessungsnormen darstellt [18–20]. In Abbil-


dung 5.3 werden die nach diesem Modell angreifenden Kräfte längs eines gedachten Schrägrisses
in einem durch Querkraft (Schub) und Längsbiegung beanspruchten Trägerstegs dargestellt.
Die einwirkende Querkraft wird durch die vertikalen Traganteile der den Schrägriss kreuzenden
Betonstahlbewehrung und der additiv wirkenden Rissreibungskomponente ins Gleichgewicht
gebracht. Die durch die gegenseitige Rissuferverschiebung ausgelöste Rissreibungskraft nimmt
mit zunehmender Rissbreite ab. Aufgrund der im Rahmen von Versuchen festgestellten zum
Teil sehr geringen Gleitungen oder sehr großen Rissbreiten im Bruchzustand ist die Rissreibung
als Traganteil nicht unumstritten [37]. Darüber hinaus hat die Größe des Rissneigungswinkels
bezogen auf die Längsachse des untersuchten Bauteils einen nicht unerheblichen Einfluss auf
die Höhe dieser Tragwirkung. Diesen Zusammenhang beschreibt Reineck in [85]. In Abbildung
5.3 ist er anschaulich dargestellt. Der Einfluss der Rissreibung nimmt folglich mit zunehmender
Längsdruckspannung ab.
76 5 Tragwirkung von Steg und Bodenplatte

Fc Fc

Ncr
βr Tcr βr Tcr Ncr
Fs Fs

z . cot βr z . cot β r

Ncr
Ncr
Tcr
Tcr
Vcr
Vcr
βr .
βr .
Hcr
Hcr
(a) (b)

Abb. 5.3: Fachwerkmodell mit Rissreibung (oben) Kräfte am Schrägriss (unten)


(a) Stahlbeton (b) Spannbeton in Anlehnung an [85]

5.3 Tragverhalten eines Druckgurtes zwischen den Ste-


gen
Die Hauptbeanspruchungen in Gurtscheibenebene gegliederter Querschnitte resultieren in wesent-
lichen Teilen aus denselben Schnittgrößen des Längssystems wie die der Stege. Die Auswirkungen
der Schnittkräfte sind jedoch in Bezug auf die Spannungsverteilung und die Bedeutung für die
Gesamtstandsicherheit nicht identisch. Während die schubfeste Verbindung der Biegedruck-
mit der Biegezugzone über die Steghöhe eine Änderung des Biegemoments erst ermöglicht und
somit zwingend erforderlich ist, stellt die Gurtscheibe lediglich eine Erweiterung der jeweiligen
Zug- oder Druckzone des Stegquerschnitts dar. Nur der in die Gurtquerschnitte ausgelagerte
Anteil der Biegedruck- bzw. Biegezugkraft muss schubfest an den Steg angeschlossen werden.
Ein Vorzeichenwechsel der Längsspannung innerhalb eines Schnittes findet dabei in der Regel
nicht statt und die Orientierung der Hauptspannungsrichtung ändert sich über die Gurtbreite
mit einer maximalen Winkeländerung von 45° deutlich weniger als im Steg. Die Scheibenschub-
spannungen infolge Querkraft erreichen im Anschnitt ihren betragsmäßigen Maximalwert und
klingen etwa linear ab. Dies führt im Fall reiner Querkraftbiegung des Hauptsystems für die
Gurtscheiben eines Hohlkastenquerschnittes dazu, dass die Hauptspannungsrichtung in der
Mitte der Scheiben mit der Bauwerkslängsachse zusammenfällt (Schubspannungsnulldurchgang).
Ein zusätzliches Torsionsmoment würde zu einem unsymmetrischen aber ansonsten analogen
Spannungsverlauf führen. Die Spannungsverteilung und die Änderung der Hauptspannungs-
winkel sind für einen Bodenplattenausschnitt eines Hohlkastenquerschnitts im Druckbereich
77

τ σ x (x+x1) σ (x+xx1)
β (x) σ I (x) σ x (x) I β (x+xx1)
- -

- - - -
N(x) N(x+x1)

+ +
σ II (x) τ (x) τ (x+x1) σ (x+x1)
τ II
x1

Abb. 5.4: Scheibenspannungen im Druckgurtausschnitt eines Hohlkastenquerschnittes im Zustand I

exemplarisch in Abbildung 5.4 dargestellt.


Während die Höhe der mittleren Längsdruckspannung bei Stegquerschnitten in der Regel
annähernd konstant vom Grad der Längsvorspannung abhängt, verhält sich diese in den Gurten
über die Bauwerkslänge affin zum Verlauf des Biegemomentes. Die zwischen Biegemomenten-
nulldurchgang und betragsmäßigem Momentenmaximum über die Länge ≈ l0 /2 stetig steigende
Biegedruckkraft hat einen günstigen Einfluss auf die Höhe der zur Erstrissbildung führenden
Hauptzugspannungen, auf die Risswinkel und auf deren Verlauf über die Bauwerkslängsrichtung.
So geht mit größer werdendem Längsdruck eine flachere Rissneigung in den Druckgurten einher.
Dieser Zusammenhang gilt unabhängig davon, ob es sich bei der äußeren Einwirkung um
gleichmäßig verteilte Lasten (z.B. infolge Eigengewicht, Ausbaulast oder Flächenlasten) oder
um örtlich wirkende Einzellasten handelt. In Abbildung 5.5(o) ist die Verteilung der Längsdruck-
und der Schubspannungen in Abhängigkeit von der Art der Einwirkung aufgetragen und der
zugehörige Verlauf der Hauptdruckspannungswinkel dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die
Änderung der Längsdruckspannung immer durch eine Funktion höheren Grades beschrieben
wird als die der Schubspannung. Die Neigung der Hauptdruckspannung nach (5.1) im Anschnitt
des Druckgurtes wird folglich mit größer werdendem Biegemoment flacher. Sie entspricht
gleichzeitig dem theoretischen Winkel der Erstrissbildung. Trägt man die beschriebene Winkel-
änderung in Längs- und Querrichtung gemeinsam in der Druckgurtaufsicht ein, so ergibt sich
der in Abbildung 5.5(u) idealisiert dargestellte Trajektorienverlauf.
 
−2 · τxy,GA
βGA = 0,5 · arctan (5.1)
σx,GA

Die Hauptzugspannungsverteilung im Zustand I in Querrichtung (siehe Abbildung 5.4) lässt


eine Erstrissbildung bei Überschreitung der Betonzugfestigkeit in unmittelbarer Nähe zum
Steg- oder Voutenanschnitt erwarten. Mit größer werdender Längsdruckkraft ist hiernach mit
78 5 Tragwirkung von Steg und Bodenplatte

Gleichlast Einzellast

l0 l0

σ x,GA
- -
(o)
τxy,GA

Winkel
σ II,GA
βGA

Aufsicht Druckplatte (Gleichlast ~ Einzellast)

σII σI (u)

l0

Abb. 5.5: Entwicklung der Hauptdruckspannungsrichtung im Druckgurtanschnitt in Abhängigkeit


der Belastungsart im Zustand I (o), Idealisierter Hauptspannungstrajektorienverlauf (u)
l0 : Bereich zwischen den Momentennullpunkten

einer Lokalisierung der Risse im stegnahen Bereich zu rechnen. Über die komplette Gurtbreite
durchgehende Risse sind hingegen nicht zu erwarten. In Abbildung 5.6 ist das Rissbild an
einem Plattenbalkenquerschnitt in Anlehnung an die Versuchsbeobachtungen von Badawy
und Bachmann [5] in idealisierter Form dargestellt. Die Änderung der Rissrichtung sowie die
Lokalisierung der Risse im stegnahen Bereich bei zunehmender Druckgurtkraft ist hier eindeutig
zu erkennen. Die Risse laufen nicht über die gesamte Druckgurtbreite bis zum Rand durch.
Damit unterscheidet sich das Rissbild im Druckgurt signifikant von dem im Steg.
Im Hinblick auf die Übertragbarkeit des Fachwerkmodells mit Rissreibung ergeben sich
nachfolgend beschriebene Einschränkungen. Es ist zu erkennen, dass mit größer werdender
Längsdruckkraft eine immer flachere Rissneigung einhergeht. Darüber hinaus sind die zu
erwartenden Schubrisse in ihrer Ausdehnung im Druckgurt begrenzt (siehe Detail in Abbildung
5.6). Aus Verträglichkeitsgründen folgt, dass die gegenseitige Verschiebung der Rissufer zu
den Rissenden hin gegen Null gehen muss. Daher sind über die Risslänge allenfalls sehr kleine
Gleitungen zu erwarten. In Kombination mit dem abnehmenden Einfluss der Rissreibungskraft
bei flacher werdender Rissneigung (siehe Abbildung 5.3(b)) ist vermutlich kein nennenswerter
79

Detail

v=0
w = Rissöffnung
v = Rissgleitung
w
v=0

Abb. 5.6: Idealisiertes Rissbild eines Plattenbalkens mit Druckgurt in Anlehnung an die Rissbilder
aus [5]

Tragwiderstand infolge Rissreibung in Druckgurtanschlüssen zu erwarten.


Traganteile aus Druckbogen- oder Sprengwerkwirkung, die derzeit einen Untersuchungs-
schwerpunkt bei der Ermittlung des Querkraftwiderstandes von Stegquerschnitten darstellen
(siehe Kapitel 5.2), entstehen durch die Interaktion von Längsbiegung und Querkraft im betrach-
teten Querschnitt. Um aus dem geneigten Verlauf der Druckkraft eine entlastende Wirkung im
Hinblick auf eine erforderliche Querkraftbewehrung ableiten zu können, ist überdies eine unmit-
telbare Lasteinleitung zur Umlenkung der Vertikalkomponente des Bogens oder des Sprengwerks
erforderlich (siehe Abbildung 5.7). Diese Voraussetzungen treffen auf Gurtquerschnitte nicht
zu. Aus diesem Grund können derartige Traganteile in Gurtplatten ausgeschlossen werden.
Eine die Traglast steigernde Wirkung geht möglicherweise von der stetig steigenden Längs-
druckspannung im Gurtquerschnitt aus. Neben der immer flacher werdenden Rissneigung
beeinflusst die im Verhältnis zur Schubspannung überproportional ansteigende Längsdruck-
spannung offensichtlich auch die Ausdehnung des Bereichs, in dem eine Rissentstehung infolge
Schub zu erwarten ist (siehe Abbildungen 5.5 und 5.6). Darüber hinaus stellt sich die Frage,
ob die zur Übertragung der Längsschubkräfte erforderliche Gurtanschlussbewehrung in allen
Bereichen über die gesamte Gurtbreite zu führen ist.
80 5 Tragwirkung von Steg und Bodenplatte

fu Fu

(a) (c)
Umlenkkraft Bogen Umlenkkraft Sprengwerk

fu Fu

(b) (d)

Abb. 5.7: Bogen- oder Sprengwerkwirkung, Aktivierung durch (a) und (c) äußere Einwirkung (b)
und (d) im Bauteil hervorgerufene Zugkräfte

5.3.1 Überlegungen zur Ermittlung des Risswinkels


Das Rissverhalten im Bereich der Gurtanschlüsse wird wesentlich durch den veränderlichen
Längsspannungszustand beeinflusst. Im Gegensatz zu üblichen Stegquerschnitten, in denen
die mittlere Längsdruckspannung in hohem Maße von der Höhe der Vorspannung abhängig
ist, korrespondiert diese im Bereich der Gurte mit den über die Bauwerkslänge veränderlichen
Biegezug- und Biegedruckkraftresultierenden. Darüber hinaus sind Änderungen der Schubkräfte
im Gurtanschnitt untrennbar mit Änderungen des Längsspannungszustandes innerhalb der
Gurtscheibe verbunden. Das derzeitige Nachweiskonzept berücksichtigt diese gegenseitige
Beeinflussung von Schubfluss und Längsspannung nicht.
Beim Fachwerkmodell mit Rissreibung, das derzeit die Grundlage für die Bemessung von
Gurt- und Stegquerschnitten in Deutschland darstellt, erfolgt die Ermittlung des Risswinkels
nach (5.2). Hierbei wird die ursprüngliche Ausgangsgleichung zur Ermittlung des Risswinkels
(5.3) linearisiert und darüber hinaus eine Abhängigkeit zur Betondruckfestigkeit eingeführt [85].

σxd
cot β = 1,2 − 1,4 · (5.2)
fcd
r
σxd
cot β = 1 − (5.3)
fct
Die Ermittlung des Risswinkels nach (5.3) erfolgt unter der Annahme der Rissentstehung,
sobald die Hauptzugspannung σI die Betonzugfestigkeit fct erreicht. Als Eingangswerte werden
die vorhandene Längsspannung σxd und die Hauptzugspannung zum Zeitpunkt der Rissent-
81

stehung σI = fct verwendet. Gesucht wird der Risswinkel, oder mit cot β = τ /σI implizit
die zur Rissbildung führende Schubspannung. Der Risswinkel wird folglich nicht auf Basis des
tatsächlich vorhandenen Spannungsverhältnisses von Längsdruck- zu Schubspannung ermit-
telt. Stattdessen erfolgt die Berechnung unter ansteigender Belastung bis die zur Rissbildung
führende Schubspannung bei konstantem Längsspannungszustand erreicht wird.
Diese Vorgehensweise erscheint für Stegquerschnitte, in denen die mittlere Längsspannung
unabhängig von der Querkraft beziehungsweise der Schubspannung im Querschnitt ist, durchaus
plausibel. Im Fall von Gurtquerschnitten führt diese Vorgehensweise jedoch zu einer konservativen
Abschätzung der Rissneigung, da mit einer Erhöhung des Schubflusses auch eine Erhöhung der
Längsspannung einhergeht, was sich günstig auf die Schubrissneigung auswirkt.

5.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen


Aus den vergleichenden Betrachtungen zum Tragverhalten von Druckgurt- und Stegquerschnit-
ten auf Basis analytischer Überlegungen zur Spannungs- und Rissentwicklung können erste
Erkenntnisse abgeleitet werden.
Der Zeitpunkt des Übergangs vom ungerissenen Zustand I in den gerissenen Zustand II
wird neben der Betonzugfestigkeit maßgeblich von der Höhe und Art der Längsspannungen
beeinflusst. Die Auswertung der Rissbilder dokumentierter experimenteller Untersuchungen
zum Tragverhalten von Gurtanschlüssen gibt Aufschluss über die Lokalisierungsbereiche und
die Ausrichtung der Risse. Im Fall von Druckgurten kann mit steigender Längsdruckspannung
eine zunehmende Lokalisierung im stegnahen Bereich beobachtet werden. Diese Beobachtung
geht mit gleichzeitig flacher werdenden Rissneigungen einher. Durch die vorangegangenen
Überlegungen zur Hauptspannungsentwicklung in den Gurtscheiben, in Abhängigkeit der
vorherrschenden Beanspruchung des Längssystems, können diese Feststellungen mechanisch
plausibel begründet beziehungsweise bestätigt werden.
Durch die flacher werdende Neigung der Risse und ihrer innerhalb der Gurtscheibenebene
begrenzten Länge mit erkennbarem Rissanfang und Rissende innerhalb der Scheibe, wird ein
möglicher Rissreibungseinfluss als vernachlässigbar eingeschätzt. Für die Nachrechnung von
Versuchen sind die Auswirkungen einer fehlenden Berücksichtigung allmählicher Schubentfesti-
gung beim Modell auf Basis verschmierter Risse mit fixierter Richtung daher vermutlich nicht
maßgebend.
Es wird gezeigt, dass der derzeit in Deutschland verwendete Ansatz zur Ermittlung der
Rissneigung bei der Anwendung auf Gurtquerschnitte eher zu konservativen Ergebnissen führt.
Dies wird auf die Vernachlässigung der günstigen Wirkung aus der Interaktion von vorhandener
Längsdruckkraft und Schubkraft bei der Ermittlung des Risswinkels im Fachwerkmodell mit
Rissreibung zurückgeführt. Im Fall von Gurtquerschnitten sind der Schubfluss im Gurtanschnitt
und die Höhe der Längsspannungen jedoch immer korrespondierende Größen.
82 5 Tragwirkung von Steg und Bodenplatte
Kapitel 6

Anwendung der Modelle

6.1 Allgemeines
Die in den Kapiteln 3.6 und 3.7 beschriebenen und in Kapitel 4 an grundlegenden Beispielen
verifizierten Modelle werden im Folgenden zur numerischen Simulation dokumentierter Versuche
zum Tragverhalten von Gurtanschlüssen gegliederter Querschnitte eingesetzt. Hierdurch wird
eine kontinuierliche Kontrolle der Berechnungsergebnisse durch den direkten Vergleich mit den
Messdaten und Versuchsbeobachtungen ermöglicht.
Zunächst erfolgt jeweils eine Beschreibung der experimentellen Untersuchungen und der doku-
mentierten Ergebnisse. Im Anschluss werden diese den Ergebnissen der Simulationsrechnungen
gegenübergestellt.

6.2 Druckgurt mit Längsschub


Bei den Versuchsbalken Q1 und Q2, die im Rahmen experimenteller Studien von Badawy und
Bachmann [4, 5] bis zum Bruch belastet wurden, handelt es sich um 0,62m hohe Plattenbal-
kenquerschnitte aus Stahlbeton. Die Breite der Stege bw beträgt 0,2m, die Gesamtbreite der
Gurtplatten 1,0m und die Höhe der Gurte hf ist mit 0,1m konstant. Wesentlich unterscheiden
sich die beiden Träger nur in Bezug auf die eingebaute Gurtanschlussbewehrung. Hierdurch
sollten seinerzeit verschiedene der Bewehrungsführung zugrunde liegende Bemessungsmodelle
auf ihre Eignung zum Nachweis der schubfesten Verbindung zwischen Balkensteg und Gurt
überprüft werden [5]. Für den Versuchsträger Q1 erfolgt die Anordnung der Gurtanschluss-
bewehrung entsprechend der Größe der rechnerischen Hauptzugspannung im ungerissenen
Zustand I nach Technischer Biegelehre im Gurtanschnitt des Balkenquerschnitts. Die Gurtan-
schlussbewehrung des Trägers Q2 entspricht dem Ergebnis einer Vordimensionierung am von
Badawy und Bachmann entwickelten Flanschfachwerk-Modell (siehe Kapitel 2.2.1). Die Biege-
und Querkraftbewehrung im Steg sind so dimensioniert, dass ein vorzeitiges Versagen in diesem
Bereich ausgeschlossen werden sollte.
84 6 Anwendung der Modelle

0,62
0,52
0,52 2,0 2,0 2,0 0,52

[m]

0,4

1,0
0,4
Bewehrung Q1 Bewehrung Q2
ds = 6mm; sf = 8,5-28,5cm ds = 6mm; sf = 12,5cm

Abb. 6.1: System und Gurtanschlussbewehrung der Versuchsträger Q1 und Q2 nach [5]

Die Belastung der Versuchsträger erfolgt in 4-Punkt-Biegeversuchen zunächst kraftgeregelt,


in den höheren Beanspruchungsbereichen bis zum Bruch wird auf eine weggeregelte Versuchs-
durchführung umgestellt. Der Versuchsaufbau und die Anordnung der Gurtanschlussbewehrung
sind schematisch in Abbildung 6.1 dargestellt. Für die Nachrechnung der Träger maßgebende
Baustoffkennwerte können Tabelle 6.1 entnommen werden. Beim Balken Q1 wurde seinerzeit
die Erstrissbildung in der Platte auf einem um etwa 30% höheren Lastniveau erreicht als
angenommen [5]. Dies deutet darauf hin, dass der Bauteilbeton eine höhere Zugfestigkeit
aufweist als die gleichzeitig hergestellten Prüfkörper zur Ermittlung der Festigkeitskennwerte.
In Tabelle 6.1 sind daher zwei Werte für die Zugfestigkeit angegeben. Die nahezu gleich großen
Pressenlasten zum Zeitpunkt der Erstrissbildung in den Gurten der Balken Q1 und Q2 (35 bzw.
37t [5]) lassen ebenfalls den Schluss zu, dass die Zugfestigkeit der beiden Bauteile vergleichbar
groß gewesen sein muss.
Neben dem Last-Verformungsverhalten, das nur für den Versuchsbalken Q1 dokumentiert ist,
sind die Betonstauchungen in Längsrichtung, die Betonstahldehnungen in Plattenquerrichtung
und die Riss- und Bruchbilder für beide Versuchsträger im Versuchsbericht [5] enthalten.
Diese Daten werden zum qualitativen und quantitativen Vergleich mit den Ergebnissen der
numerischen Simulation herangezogen.

Tab. 6.1: Verwendete Werkstoffkennwerte für die Nachrechnung nach [5]

Beton fcm fct Ec Betonstahl fym y ft u Es


[MPa] [MPa] [MPa] [MPa] [ ‰] [MPa] [ ‰] [MPa]
Q1 26,5 2,2 (2,9) 32000 ds = 6mm (Gurt) 475 2,26 518 65 210000
Q2 30 3,0 30200 ds = 12mm (Steg) 495 2,36 666 50 210000
ds = 30mm (Steg) 554 2,64 750 44 210000
85

>>bkr > bkr bkr bkr

bkr bkr bkr bkr


Über- Über-
schneidungs- schneidungs-
fläche fläche

(a) 2-D (b) Faltwerk (c) reduzierte (d) Versatz und (e) Versatz und
Breite Kopplung reduzierte Breite

Abb. 6.2: Varianten der Strukturmodellierung von Plattenbalkenquerschnitten mit Flächenelementen

6.2.1 Nichtlineare Elastizitätstheorie – SOFiSTiK

Strukturmodellierung

Für die Strukturmodellierung des Plattenbalkenquerschnitts mit Flächenelementen sind zunächst


Überlegungen zur Anordnung, Kopplung und Art der Elemente erforderlich. Diese müssen sowohl
zur Aufnahme von Membran- als auch von Plattenschnittgrößen geeignet sein. Daher erfolgt
die Modellierung mit ebenen Schalenelementen. In Abbildung 6.2 sind mögliche Varianten (a–e)
zur Generierung der Struktur dargestellt. Für die Erfassung des Tragverhaltens im Bereich des
Gurtanschlusses ist es erforderlich, die Flächenelemente in Form eines Faltwerks anzuordnen.
Die in Abbildung 6.2(a) dargestellte Variante ist daher ungeeignet. Die Steifigkeit des Systems
wird zwar korrekt erfasst, jedoch wird ein mögliches Versagen im Bereich des Gurtanschlusses
bei einer solchen Strukturmodellierung rechnerisch nicht abgebildet.
Durch die übrigen vier Modellvarianten werden sowohl die Systemsteifigkeit als auch das
Gurttragverhalten berücksichtigt. Die Positionierung der Schalenelemente erfolgt in der Mit-
telfläche des Querschnitts. Bei den Varianten (b) und (c) ergibt sich hierbei im Bereich des
Schnittpunktes von Gurt- und Stegelementen eine Überschneidungsfläche. Diese Ungenauigkeit
ist in Bezug auf die Biegesteifigkeit des Systems bei nicht zu dicken Gurt- und Stegquerschnitten
im Allgemeinen vernachlässigbar [87]. Im vorliegenden Fall sollen jedoch nicht nur die absolute
Systemsteifigkeit im ungerissenen Zustand I, sondern auch das Tragverhalten des Anschlusses
vom Gurt an den Stegquerschnitt im gerissenen Zustand II erfasst werden. In realen Bauteilen
muss nur ein Teil der resultierenden Biegedruckkraft in die Kragbereiche der Gurtquerschnitte
ausgelagert werden. Die Auslagerung wird durch das Verhältnis der in der Druckzone liegen-
den Flächen von Steg und Gurt beeinflusst. Um diesen Einfluss besser zu erfassen, wird in
Variante (c) die Gurtbreite soweit reduziert, dass die Gesamtsteifigkeit im Zustand I unter
Berücksichtigung der Überscheidungsfläche etwa dem des realen Bauteils entspricht.
Durch die in den Varianten (d) und (e) dargestellten Strukturmodellierungen können sowohl
die tatsächliche Gurtbreite als auch die Systemsteifigkeit für die Haupttragrichtung abgebildet
86 6 Anwendung der Modelle

0,52 2,0 2,0 2,0 0,52

[m]

Restkräfte

Abb. 6.3: Schematische Darstellung der Restkräfte im Gurtanschnitt

werden. Durch den Verzicht auf eine Kopplung der Elemente in Variante (e) wird die Breite
des Querschnitts und damit die Steifigkeit in Querrichtung reduziert. Dies hat auf die hier
untersuchten Fragestellungen jedoch keine Auswirkungen.
Durch die relativ schmalen Stegabmessungen werden bereits mit dem in Abbildung 6.2(c)
dargestellten Strukturmodell gute Ergebnisse erzielt. Diese Variante stellt für die zu untersuchen-
de Problemstellung gleichzeitig den besten Kompromiss zwischen Einfachheit der Modellierung
und Wirklichkeitsnähe der erzielten Ergebnisse dar. Die Varianten (d) und (e) versprechen daher
keine signifikante Verbesserung der Ergebnisse. Darüber hinaus lässt sich die weniger kom-
plexe Modellierung der Variante (c) besser auf andere Querschnittsgeometrien (beispielsweise
Hohlkästen) übertragen.

Auswertung der nichtlinearen Systemanalyse

Zur Nachrechnung der Versuchsträger werden die durch das FE-Programm voreingestellten
Grenzdehnungen, die ein Abbruchkriterium für die Berechnung darstellen, außer Kraft gesetzt.
Diese richten sich nach der für die Berechnung gewählten Bemessungsnorm und führen daher
zu einem Abbruch der Analyse vor Erreichen der in den experimentellen Studien gemessenen
Dehnungen.
Im Rahmen des Iterationsverfahrens werden mit jedem Schritt Restkräfte ermittelt (siehe
Kapitel 3.7.2). Nach Abschluss der Berechnung müssen die verbleibenden Restkräfte, die nicht
mehr auf das System aufgebracht werden können, unter einem zu definierenden Grenzwert
liegen. Die Voreinstellung im Programm beträgt hierfür „T OL = 0,001“. Die Toleranzgrenze
ergibt sich aus der Multiplikation dieses Wertes mit der maximalen Knotenlast [93]. Bei der
Auswertung der Simulationsergebnisse des schwächer bewehrten Querschnitts Q1 kann fest-
gestellt werden, dass insbesondere im Anschlussbereich der Gurte an die Stege systematisch
Restkräfte nach Überschreiten der Fließgrenze der Anschlussbewehrung entstehen. In Abbildung
6.3 ist diese Beobachtung schematisch dargestellt. Es muss davon ausgegangen werden, dass
es durch die Kräfte, die infolge der örtlichen Plastizierung nicht mehr vollständig aufgenommen
87

werden können, zu einer rechnerischen Überschätzung der Tragfähigkeit des Gurtanschlusses


kommen kann. Um dies auszuschließen, wird neben der Prüfung der Restkräfte nach dem letzten
Iterationsschritt gegebenenfalls die Toleranzgrenze in Abhängigkeit von der vorhandenen Gurt-
anschlussbewehrung reduziert. Es wird sichergestellt, dass die Restkraft je Element nicht größer
als 5% der Tragfähigkeit der in diesem Bereich vorhandenen Bewehrung wird. Als Bezugswert
zur Ermittlung der Tragfähigkeit dient hierbei die Streckgrenze der Betonstahlbewehrung.

Vergleich der Ergebnisse aus Simulation und Versuch für Träger Q1

In Abbildung 6.4 sind die rechnerisch ermittelte und die im Rahmen der Versuchsdurchführung
dokumentierte Last-Verformungskurve für die Durchbiegung in Feldmitte einander gegenüberge-
stellt. Die Bruchlast wird durch die Simulation in guter Näherung erreicht. Wird die Rissrichtung
im Rahmen der Traglastiteration in einer frühen Phase des Rissbildungsprozesses rechnerisch
fixiert, so wird eine etwas geringere Versagenslast bei gleichzeitig größeren Betonstahldehnungen
ermittelt (siehe Abbildung 6.4 „FEM Q1 (mit PLF)“). Die direkte Berechnung der Traglast
ohne Berücksichtigung niedriger Laststufen als Primärlastfall führt hier tendenziell zu besseren
Übereinstimmungen mit den dokumentierten Versuchsergebnissen. Mit Abweichungen von
(1 − 476/518) · 100 = 8,1% und (1 − 504/518) · 100 = 2,7% wird die Bruchlast durch beide
Varianten auf der sicheren Seite liegend angenähert.
Die Steifigkeit des Trägers fällt im Rahmen der Simulationsrechnung geringfügiger ab als
im Versuch. Dies ist an der geringeren Verformungszunahme im oberen Lastbereich (etwa
80% bis 100% Pressenlast) zu erkennen. Im Rahmen der Versuchsdurchführung wurde die
Belastung in 18 gleichartigen Stufen aufgebracht. Zunächst wurde innerhalb von etwa zwei
Minuten die vorgesehene Last- oder Verformungsgröße eingestellt. Im Anschluss wurde die
so erreichte Anfangslast für weitere zwei Minuten konstant gehalten. Abschließend wurden
innerhalb von 30 bis 60 Minuten Messungen am Balken durchgeführt. Während dieser Zeit wurde
die Deformation konstant gehalten [5]. Durch das Konstanthalten der Verformung über einen
längeren Zeitraum in jeder Stufe kam es beim Realversuch zu einem Abfall der Pressenlast infolge
Kriechens (siehe Abbildung 6.4). In der Simulationsrechnung wird ein vergleichbarer Effekt nicht
berücksichtigt. Zur besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist daher der auf theoretischem
Weg ermittelte wahrscheinliche Verlauf der Last-Verformungskurve ohne Kriecheffekte bis zum
Erreichen der Maximallast in Abbildung 6.4 hypothetisch eingetragen. Insgesamt wird das
experimentell ermittelte Durchbiegungsverhalten durch die Simulationsrechnungen in guter
Näherung wiedergegeben.
Der Verlauf der maximalen Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung über die halbe Trä-
gerlänge ist für unterschiedliche Pressenkräfte in Abbildung 6.5 dargestellt. Ein nennenswer-
ter Dehnungszuwachs in der Gurtanschlussbewehrung kann sowohl im Versuch als auch in
der Berechnung erst bei L = 1,0m beobachtet werden. Dies entspricht etwa einer Entfer-
nung von 0,50m vom Auflager. Das von Badawy und Bachmann in [5] festgestellte und im
88 6 Anwendung der Modelle

600

518
504
500
476 480

400
Pressenlast [kN]

300

200

FEM Q1 (ohne PLF)


100 FEM Q1 (mit PLF)
Versuch Q1
Q1 ohne Kriecheffekte
0
0 20 40 60 80
Durchbiegung [mm]

Abb. 6.4: Last-Verformungsverhalten des Trägers Q1 in Versuch und Simulation

4
504 kN i.Mittel FEM
3,5 428 kN i.Mittel FEM
390 kN i.Mittel FEM
3 518 kN Versuch
428 kN Versuch
2,5 390 kN Versuch
εy
ε s[‰]

1,5

0,5

0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
L [m]

Abb. 6.5: Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung über die Länge der Anschlussfuge

Flanschfachwerk-Modell berücksichtigte Versatzmaß, das durch die Höhe des Stegquerschnitts


beeinflusst wird, kann im Rahmen der numerischen Simulation bestätigt werden.
Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen wurden die Betonstauchungen von Badawy
und Bachmann durch diskrete Messstrecken an der Ober- und Unterseite der Gurtplatten
gemessen. Diese wiesen einen Abstand untereinander von etwa 67cm auf und einen Abstand
89

zum Plattenrand beziehungsweise zum Anschnitt an den Steg von jeweils 3cm. Die Auswer-
tungsschnitte im Modell können Abbildung 6.7(a) entnommen werden. Die Auswertung erfolgt
in der jeweils zweiten Elementknotenreihe ausgehend vom Gurtanschnitt beziehungsweise vom
Plattenende. Vergleichend sind die rechnerischen und gemessenen Betonstauchungen der Gurt-
platten in Abbildung 6.7(b) und (c) gegenübergestellt. Dabei werden die Simulationsergebnisse
jeweils für die rechnerische Höchstlast von 504kN angegeben. Diese werden in Abbildung 6.7(b)
mit den Messwerten bei 450kN und in Abbildung 6.7(c) mit denen bei 518kN verglichen.
Die gemessenen und berechneten Betonstauchungen weisen bei einer qualitativen Betrach-
tung des Verlaufs eine sehr gute Übereinstimmung auf. Tendenziell werden durch die Versuchs-
daten etwas größere Stauchungen im Bereich der inneren (stegnahen) Schnitte ausgewiesen. In
Auflagernähe werden rechnerisch insbesondere in den inneren Schnitten Zugdehnungen ermittelt.
Diese wurden seinerzeit, vermutlich bedingt durch die Auswertung in diskreten Punkten, nicht
in vergleichbarer Höhe gemessen. Eine Betrachtung der dokumentierten Rissbilder bestätigt
jedoch das Ergebnis der Simulation (siehe Abbildung 5.6). Insgesamt werden die Messergebnisse
durch das verwendete FE-Modell gut wiedergegeben.
Das Versagen des Trägers Q1 wird im Versuch und der Simulation durch einen überpropor-
tional großen Dehnungszuwachs in der Gurtanschlussbewehrung nach Fließbeginn eingeleitet
(siehe Abbildung 6.5).
90 6 Anwendung der Modelle

Steg
P = 560 kN

(a)

Untersicht Gurt
P = 340 kN

(b)

Draufsicht Gurt
P = 390 kN

(c)

Draufsicht Gurt
P = 560 kN

(d)

Abb. 6.6: Rissbild in Steg und Gurt als Ergebnis der Simulationsrechnung
91

(oa) (oi) (oi) (oa)


0 0,5 2,5 3,5
oben außen (oa), unten außen (ua) [m]

oben innen (oi), unten innen (ui)

(ua) (ui) (ui) (ua)

Gurtscheibe

System mit Belastung

(a) Lage der Auswertungsschnitte

0,5

0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
-0,5
504,oi FEM

-1 504,oa FEM
ε c [‰]

504,ui FEM
-1,5 504,ua FEM
450,oi Versuch
-2
450,oa Versuch
-2,5 450,ui Versuch
450,ua Versuch
-3
L [m]

(b) 450kN Versuch – 504kN FEM

0,5

0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
-0,5
504,oi FEM

-1 504,oa FEM
ε c [‰]

504,ui FEM
-1,5 504,ua FEM
518,oi Versuch
-2
518,oa Versuch
-2,5 518,ui Versuch
518,ua Versuch
-3
L [m]

(c) 518kN Versuch – 504kN FEM

Abb. 6.7: Betonstauchungen in der Gurtplatte des Trägers Q1 in Versuch und Simulation
92 6 Anwendung der Modelle

600 588
560

500

400
Pressenlast [kN]

300

200

100 Q2 (ohne PLF)


Q2 (mit PLF)
Versuch Q4
Q4 ohne Kriecheffekte
0
0 20 40 60
Durchbiegung [mm]

Abb. 6.8: Last-Verformungsverhalten des Trägers Q4 im Versuch und Q2 in der Simulation

Vergleich der Ergebnisse aus Simulation und Versuch für Träger Q2

Der im Vergleich zum Träger Q1 mit einem größeren Bewehrungsgrad und einer anderen
Bewehrungsverteilung im Gurtanschluss ausgeführte Balken Q2 (siehe Abbildung 6.1) versagte
im Experiment nicht wie geplant durch ein Abscheren der Gurte, sondern durch einen Bie-
gebruch auf höherem Lastniveau. Im Rahmen der hier durchgeführten Simulation wird diese
Versagensart ebenfalls ermittelt. Der Bruch wird hierbei in der Nachrechnung durch das Fließen
der Biegezugbewehrung eingeleitet und tritt schließlich noch vor Erreichen der Zugfestigkeit des
Stahls als sekundärer Biegedruckbruch ein. Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen
wurde der Fließbeginn der Biegzugbewehrung zwischen den Laststufen 428kN und der Bruchlast
beobachtet [5]. Die Betonstauchungen der Gurtplatte und die von Badawy und Bachmann
veröffentlichten Bruchbilder [5] lassen auf ein vergleichbares Bruchverhalten in Versuch und
Simulation schließen.
Eine dokumentierte Last-Verformungskurve liegt für diesen Plattenbalken nicht vor. In
Abbildung 6.8 wird daher zum Vergleich der Belastungsverlauf des Balkens Q4 dargestellt.
Dieser wies die gleiche Bruchlast im Experiment auf wie der Träger Q2, war jedoch zusätzlich
93

4 0,5
588 kN i.Mittel FEM 560 kN Versuch
3,5 428 kN i.Mittel FEM 428 kN Versuch 0
390 kN i.Mittel FEM 390 kN Versuch -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
3
-1
2,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 450,oi FEM

εc [‰]
εs [‰]

L [m] -1,5 450,oa FEM


2 450,ui FEM
-2
1,5 450,ua FEM
-2,5
450,oi Versuch
1 -3 450,oa Versuch
0,5 -3,5 450,ui Versuch
450,ua Versuch L [m]
0 -4

(a) Dehnungsverteilung der Gurtanschlussbewehrung (b) Betonstauchung 450kN Versuch – 450kN FEM

0,5 0,5
0 0
-0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
-1 588,oi FEM -1 588,oi FEM
εc [‰]

εc [‰]
-1,5 588,oa FEM -1,5 588,oa FEM
-2 588,ui FEM -2 588,ui FEM
588,ua FEM 588,ua FEM
-2,5 -2,5
560,oi Versuch 450,oi Versuch
-3 560,oa Versuch -3 450,oa Versuch
-3,5 560,ui Versuch -3,5 450,ui Versuch
560,ua Versuch L [m] 450,ua Versuch L [m]
-4 -4

(c) Betonstauchung 560kN Versuch – 588kN FEM (d) Betonstauchung 450kN Versuch – 588kN FEM

Abb. 6.9: Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung und Stauchungen der Gurtplatte des Balkens Q2
in Versuch und Simulation

durch ein Querbiegemoment beansprucht. Es kann davon ausgegangen werden, dass das
Last-Verformungsverhalten der Versuche Q2 und Q4 ähnlich war.
Die im Versuch erreichte Traglast wird durch die Simulationsrechnung gut wiedergegeben.
Mit einer rechnerischen Bruchlast zwischen 582kN und 588kN wird die Tatsächliche um
4 bis 5% lediglich geringfügig überschätzt. Hierbei ist das Ergebnis unabhängig von der
Berücksichtigung der Primärlastfälle. Die mittleren Stahldehnungen im Gurtanschnitt sowie
die Betonlängsstauchungen der Gurtplatte in Bauwerkslängsrichtung können Abbildung 6.9
entnommen werden.
Die Dehnungs- beziehungsweise Stauchungsverläufe lassen auf ein mit dem realen Bauteil
vergleichbares Tragverhalten des Modells in der Simulation schließen. In der Tendenz werden
in der Nachrechnung wie beim Balken Q1 etwas geringere Betonstauchungen als im Versuch
ermittelt (siehe Abbildungen 6.9(b) und (c)).

Weitere Ergebnisse der Nachrechnung der Träger Q1 und Q2

Badawy und Bachmann folgerten aus den Ergebnissen ihrer experimentellen Studien, dass
durch die Ermittlung der Gurtanschlussbewehrung auf Basis des seinerzeit üblichen Haupt-
94 6 Anwendung der Modelle

zugspannungsnachweises die tatsächliche Verteilung der Beanspruchungen nur unzureichend


berücksichtigt wird [5]. Die Hauptzugspannungen wurden für die Vergleichsrechnungen in
[5] nach Technischer Biegelehre am Balkenquerschnitt ermittelt. In dem in Abbildung 6.5
erkennbaren Versatzmaß, dass hier durch die numerische Simulation ebenfalls festgestellt werden
kann, sahen sie die Bestätigung für das Flanschfachwerk-Modell (siehe Abbildung 2.1).
Im Folgenden werden die rechnerischen Spannungen im Gurtanschnitt, die in den Zustän-
den I und II (ungerissen und gerissen) am Faltwerk aus Schalenelementen ermittelt werden,
ausgewertet und es erfolgt eine vergleichende Betrachtung mit den Ergebnissen an einem
Balkenelement. In Abbildung 6.11 sind die Beanspruchungen des 4-Punkt-Biegeversuchs als
Stabschnittgrößen (a) und die daraus resultierenden Spannungen im Gurtanschnitt (b) und (c)
dargestellt. Die Schubspannung am Balken wird gemäß (6.1) im ungerissenen Zustand I nach
Technischer Biegelehre ermittelt. Hieraus folgt der zur Querkraft affine Verlauf. Die rechne-
rische Hauptzugspannung erreicht unmittelbar über den Auflagerachsen ihren rechnerischen
Maximalwert, da diese mit dem Nulldurchgang der ansonsten negativen Biegerandspannung
zusammenfällt.

V · Sy
τ= (6.1)
Iy · hf
Die Berechnung der Spannungen nach Balkentheorie beziehungsweise Technischer Biegelehre
setzt die Gültigkeit der Bernoulli-Hypothese voraus, nach der die Querschnitte im verformten
Balken eben bleiben. In Bereichen, die ein deutlich nichtlineares Dehnungsverhalten aufweisen,
ist diese Methode jedoch nicht anwendbar. Im vorliegenden Fall trifft dies auf die konzentrierten
Lasteinleitungsbereiche an den Lager- und Pressenansatzpunkten zu.
Die Ermittlung der Beanspruchungen nach linearer Elastizitätstheorie am Faltwerk mit
Schalenelementen führt bereits zu einer deutlich realistischeren Einschätzung. In der Gurtschei-
be kommt es zu einem allmählichen Aufbau der Schub- und Normalspannungen. Der nach
Technischer Biegelehre erreichte Spitzenwert der Hauptzugspannung über dem Auflager wird
nicht mehr erreicht. Es kann eine deutliche Verstetigung des Hauptspannungsverlaufs in diesem
Bereich im Rahmen der Modellrechnung beobachtet werden (siehe Abbildung 6.11(c)).
Eine weitere Verbesserung der Modellrechnung wird durch die Berücksichtigung des nicht-
linearen Werkstoffverhaltens erreicht. Mit Überschreitung der Betonzugfestigkeit durch die
Hauptzugspannungen kommt es zur Rissbildung und die freiwerdenden Zugkräfte aus dem
Betonquerschnitt werden durch einen entsprechenden Spannungszuwachs in den Betonstahllay-
ern kompensiert. Zur Aufnahme der schiefen Hauptzugspannungen im Auflagerbereich (siehe
Abbildung 6.10(a)) steht jedoch nur eine vertikale Bügelbewehrung zur Verfügung. Dies führt
zu einer Umlagerung der Hauptspannungen im Steg infolge Rissbildung zur Sicherstellung eines
Gleichgewichtszustandes (siehe Abbildung 6.10(b)). Hierdurch kommt es zum von Badawy und
Bachmann [5] beobachteten Versatzmaß. Bei dem in Abbildung 6.11(c) dargestellten Verlauf
der Hauptzugspannungen handelt es sich um rein rechnerische Spannungen, die auf Basis
95

(a) Zustand I (b) Zustand II

Abb. 6.10: Hauptspannungstrajektorien im Auflagerbereich des Stegquerschnitts

der vorhandenen Schub- und Normalspannungen nach (6.2) ermittelt sind. Tatsächlich ist der
Gurtanschnitt über die volle Länge gerissen und es werden keine Hauptzugspannungen mehr
über Betonelemente übertragen. Aufgrund des in Kapitel 4.3.4 aufgezeigten Modellverhaltens
handelt es sich hierbei faktisch um einen Traganteil der Bewehrung.

σx 1 p 2
σI = + · σx + 4 · τ 2 (6.2)
2 2
Der Hauptunterschied der drei untersuchten Modellrechnungen liegt in der Genauigkeit
der Beanspruchungsermittlung im Diskontinuitätsbereich (D-Bereich) in Auflagernähe. Hierbei
werden durch die Berechnung nach Technischer Biegelehre erwartungsgemäß die ungenausten
Ergebnisse und bei der Analyse auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie die besten
Übereinstimmungen mit dem realen Bauteilversuch erzielt.
Darüber hinaus ist zu erkennen, dass der Normalspannungszuwachs bei der nichtlinearen
Systemanalyse nicht affin zum Momentenverlauf (linear) erfolgt. Dies ist vermutlich ebenfalls
auf die ausgeprägten D-Bereichslängen zurückzuführen.
Das Rissverhalten der Gurtplatten im Rahmen der Nachrechnung lässt sich wie folgt beschrei-
ben: Infolge der lokal wirkenden Pressenlasten kommt es zu konzentrierten Spannungsspitzen in
den Gurtplatten im Bereich der Lasteinleitungen. Diese weichen wesentlich von den Spannungen
nach Technischer Biegelehre ab und können nur am Faltwerk mit Schalenelementen ermittelt
werden. Gleichzeitig sind die rechnerischen Spannungen in hohem Maß abhängig von der
Modellierung des Systems und der Lasteinleitung und können daher mit veränderter Struk-
turmodellierung unterschiedliche Absolutwerte aufweisen. Ausgehend von den Spitzenwerten
der Zugspannung im Lasteinleitungsbereich bilden sich die ersten Risse und breiten sich mit
weiterer Laststeigerung zügig im ganzen Schubbereich der Platte aus.
96 6 Anwendung der Modelle

-1000

-500
0 1 2 3 4 5 6 7
M, V [kNm, kN]

500

1000
MY [kNm]
VZ [kN] L [m]
1500

(a) Stabschnittgrößen

5
L [m]

-5 0 1 2 3 4 5 6 7
Versatzmaß
σ x [MPa]

-15

-25
Balken
Faltwerk linear elastisch Mittelfläche
-35 Faltwerk linear elastisch oben, unten
Faltwerk nichtlinear oben
Faltwerk nichtlinear unten D-Bereich D-Bereich
-45

(b) Normalspannungen

10
Balken
Faltwerk linear elastisch
Faltwerk nichtlinear oben
7,5
Faltwerk nichtlinear unten
τ, σ I [MPa]

Versatzmaß
5
Versatzmaß
2,5

0
0 1 2 3 L [m] 4 5 6 7

(c) Schubspannungen (links) und Hauptzugspannungen (rechts)

Abb. 6.11: Rechnerische Spannungen im Anschnitt zwischen Steg und Gurtquerschnitt


97

5
Pressenlast
0 0,5 2,5 3,5
[m] 168 kN
4
Auswertungsschnitt 280 kN
336 kN
3 Gurtscheibe
392 kN
System mit Belastung
560 kN
2
σ I [MPa]

D-Bereich B-Bereich D-Bereich


1

-1
3 2 1
-2
0 0,5 1 1,5 L [m] 2 2,5 3 3,5

Abb. 6.12: Entwicklung der Hauptzugspannungsverteilung im Gurtanschnitt bei nichtlinearer


Berechnung

In Abbildung 6.12 ist die Entwicklung der Hauptzugspannungen im Gurtanschnitt auf Basis
einer nichtlinearen Systemanalyse dargestellt. Es ist zu erkennen, dass der Ort der Erstriss-
bildung wesentlich von den Auswirkungen der Lasteinleitung beeinflusst wird. Die maximalen
Hauptzugspannungen werden zunächst im Bereich der konzentriert wirkenden Pressenkräfte
1 erreicht. Mit Überschreitung der Betonzugfestigkeit kommt es zur Rissbildung in diesem
Bereich und damit verbunden zu einer Verlagerung des Spitzenwertes der Hauptzugspannung in
den unmittelbar angrenzenden Bereich des ungerissenen Betons 2 . Das bis hierhin beschrie-
bene Modellverhalten findet vollständig im D-Bereich um die Lasteinleitung statt. Wie bereits
erwähnt ist es stark abhängig von der gewählten Modellierung. Daher ist eine Vorhersage der
tatsächlichen Erstrisslasten in diesem Bereich nicht ohne Weiteres möglich. Das grundsätzliche
Modellverhalten wird hier beschrieben.
Außerhalb des Störbereichs durch die Lasteinleitung 3 entwickeln sich die Hauptzug-
spannungen im Anschnitt der Gurte an den Steg entsprechend des Verlaufs der globalen
Beanspruchungen bestehend aus Biegung und Querkraft unter Berücksichtigung des durch die
Rissbildung im Steg verursachten Versatzmaßes. Die maximalen Hauptzugspannungen außerhalb
des Lasteinleitungsbereichs werden unter Berücksichtigung des Versatzmaßes in Auflagernähe
erreicht (siehe Abbildung 6.12 Bereich 3 beziehungsweise Abbildung 6.11(b)). Dies ist in
Anbetracht der gleichmäßigen Schubspannungsverteilung und der sukzessiven Zunahme der
Längsdruckspannungen infolge Biegung auch plausibel.
98 6 Anwendung der Modelle

Fazit

Das Tragverhalten der gegliederten Querschnitte mit Druckgurt wird im Rahmen der Simula-
tion unter Verwendung des in Kapitel 3.7 beschriebenen Modells auf Basis der nichtlinearen
Elastizitätstheorie sehr gut wiedergegeben. Die Systemtraglast, das Last-Verformungsverhalten,
die wahrscheinliche Rissbildung in der Gurtplatte und im Steg, die qualitative Verteilung
der Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung und die Versagensart werden mit sehr guten
Übereinstimmungen im Vergleich zu den Versuchsbeobachtungen erfasst.

6.2.2 Materialmodell CDP – ABAQUS


Im Folgenden werden die Ergebnisse der Nachrechnungen der beiden Balken Q1 und Q2 auf
Grundlage des elastoplastischen Schädigungsmodells CDP beschrieben.

Strukturmodellierung

Die Eingabe des Systems erfolgt auf Basis der in Kapitel 4.2 untersuchten Modellvarianten
unter Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften der Balken. Durch die Verwendung von Kontinu-
umselementen für den Beton und diskreten Fachwerkstäben für die Bewehrung sind besondere
Überlegungen zur wirklichkeitsnahen Erfassung der Steifigkeit im System nicht erforderlich.
Bei der Diskretisierung des Systems wird die Elementgröße entsprechend der zu erwartenden
Beanspruchung angepasst, um negative Einflüsse infolge Hourglassing möglichst auszuschließen.
In biegebeanspruchten Bereichen werden hierzu mindestens vier Elemente über die Bauteilhöhe
vorgesehen. In Abbildung 6.13 ist ein Modell exemplarisch dargestellt. Die Lasteinleitungs-

Abb. 6.13: Strukturmodell eines Plattenbalkens mit Kontinuumselementen und diskreter Bewehrung
99

600 600
560 552,83
518
513
500 500

470

400 400
Last [kN]

Last [kN]
300 300

200 200
FEM Q1 (fct=2,2 MPa) FEM Q2
FEM Q2 (Gurt linear)
100 FEM Q1 (fct=2,9 MPa) 100
Versuch Q4
Versuch Q1
Q4 ohne Kriecheffekte
0 0
0 20 40 60 80 0 20 40 60 80
Verformung [mm] Verformung [mm]
(a) Balken Q1 (b) Balken Q2

Abb. 6.14: Last-Verformungsverhalten der Balken Q1 und Q2 in Versuch und Simulation

bereiche werden hier über eine Breite von 20cm durch Stahlplatten mit linearelastischem
Materialverhalten modelliert, um eine möglichst gleichmäßige Beanspruchungsverteilung in
diesen Bereichen zu erzeugen.

Vergleich der Ergebnisse aus Simulation und Versuch für die Träger Q1 und Q2

Die in der Simulation ermittelten Systemtraglasten stimmen mit den experimentell ermittelten
Bruchlasten in guter Näherung überein. Die mit der Rissbildung im Gurtanschnitt verbundene
Reduktion der Systemsteifigkeit fällt im Rahmen der Simulation jedoch größer aus als beim
Realversuch. Dies ist in Abbildung 6.14 an der Verformungszunahme im Lastbereich ≥ 350kN gut
zu erkennen. In der experimentellen Studie fielen die Verformungszuwächse ab dieser Laststufe
geringer aus. Beim Balken Q1 werden unter Berücksichtigung einer mittleren Zugfestigkeit von
fct = 2,9 bessere Übereinstimmungen mit den Versuchswerten erzielt. Dies gilt für die Höhe
der rechnerischen Bruchlast und den Zeitpunkt der Erstrissbildung im Gurtanschnitt. Damit
wird die in Kapitel 6.2 beschriebene und in Tabelle 6.1 dokumentierte Annahme der höheren
Bauteilzugfestigkeit bestätigt. Die rechnerische Steifigkeit im gerissenen Zustand II ist nahezu
unabhängig von der Zugfestigkeit.
Ein Vergleich der experimentell und numerisch ermittelten Betonstahldehnungen in der
Gurtplatte zeigt insbesondere qualitativ sehr gute Übereinstimmungen im Dehnungsverlauf über
die Bauteillängsachse. In Abbildung 6.15 ist dieser für den Balken Q2 für verschiedene Laststufen
dargestellt. Neben dem Vergleich der maximalen Dehnungen ist deren rechnerische Verteilung
100 6 Anwendung der Modelle

in der Ebene einer Gurtplattenseite ausgewertet. Innerhalb des infolge Querkraft und Biegung
beanspruchten Bereichs ist zu erkennen, dass die Dehnungen in der Gurtanschlussbewehrung in
Querrichtung stark abnehmen. Die von Badawy und Bachmann dokumentierten Dehnungsver-
läufe der Bewehrung in Plattenquerrichtung stimmen qualitativ mit den Rechnerischen überein.
Diese sind zum Vergleich in Abbildung 6.16 schematisch dargestellt.
Das Versagen des Balkens Q1 in der Simulation geht mit dem Fließen der Gurtanschlussbe-
wehrung über den kompletten Wirkungsbereich einher. Die Anschlussbewehrung des Balkens Q2
fließt zum Zeitpunkt des Versagens in Teilbereichen. Der Bruch wird jedoch durch eine Über-
lastung des Betons in der Biegedruckzone ausgelöst.
Insbesondere beim schwächer bewehrten Balken Q1 werden durch die Nachrechnung tendenzi-
ell größere Stahldehnungen ermittelt als im Versuch. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein:
Zum einen wurden die Dehnungen seinerzeit mit Deformetern über eine Messlänge von 10cm
gemittelt. Zum anderen hat die Zugfestigkeit des Betons einen nicht unerheblichen Einfluss
auf die Ergebnisse. Durch den sehr geringen Anschlussbewehrungsgrad, dessen Fließkraft die
mittlere zentrische Risskraft der Gurtscheibe nicht abdeckt, ist ein Fließbeginn in einem frühen
Stadium nach Rissbildung wahrscheinlich. Gegebenenfalls könnte eine Modifikation der konstitu-
tiven Beziehung der Bewehrung unter Berücksichtigung eines weiteren zugversteifenden Anteils
die Ergebnisse weiter angleichen. Eine mögliche Vorgehensweise hierfür wird beispielsweise von
Feenstra [32] beschrieben. Aufgrund der im Rahmen der Versuchsdurchführung beobachteten
starken Streuung der Ergebnisse, zu erkennen an der Darstellung mehrerer Versuchsergebnisse
für Balken Q1 in Abbildung 6.15, sowie der ansonsten guten Übereinstimmungen in Bezug auf
die ermittelten Bruchlasten und Dehnungsverteilungen wird auf eine solche Modifikation im
Rahmen dieser Arbeit, wie in Kapitel 3.6.2 beschrieben, verzichtet.
Die Visualisierung der Bereiche, in denen eine Rissbildung rechnerisch wahrscheinlich
ist, erfolgt über die Auswertung der plastischen Dehnungen. In Abbildung 6.17 sind diese
gemeinsam mit einem aus den rechnerischen Dehnungsrichtungen und Dehnungskonzentra-
tionen ermittelten möglichen Rissbild dargestellt. Dieses rechnerisch wahrscheinliche Rissbild
weist für die Gurtscheibe gute Übereinstimmungen mit den Versuchsbeobachtungen auf. So
kann eine Drehung der plastischen Dehnungsrichtung zwischen Auflager und Lasteinleitung
beobachtet werden, die mit einer zunehmend flacher werdenden Rissneigung gleichgesetzt
werden kann. Mit Ausnahme der auflagernahen Bereiche konzentrieren sich die Dehnungen
in den Anschlussbereichen der Gurte an den Steg. Die hieraus folgende, wahrscheinliche
Rissbildung ist daher örtlich begrenzt und erfasst nicht die volle Gurtbreite. Im mittleren Bereich
zwischen den beiden Pressenansatzpunkten ist mit einer nahezu stegparallelen Rissbildung zu
rechnen. Das in den Versuchen dokumentierte Rissverhalten wird anhand der durchgeführten
Simulationsrechnungen für die Gurtbereiche folglich wirklichkeitsnah erfasst. Das im Rahmen
der experimentellen Untersuchungen beobachtete Rissverhalten ist in Anlehnung an die
Beschreibungen und Fotos gemäß [5] schematisch in Abbildung 5.6 dargestellt.
101

Dehnungsverteilung Dehnungsverteilung

Anschnitt Anschnitt
0,003 εs 0,003 εs
0,0025 Fließdehnung 0,0025 Fließdehnung
0,002 0,002
0,0015 Versuch 390kN - 0,0015
Versuch 390kN -
0,001
FEM 350kN 0,001
FEM 360kN bis 390 kN
0,0005
bis 390 kN 0,0005
0 0
0 L [m] 2,5 3, 0 L [m] 2,5 3,5
5

0,003 εs 0,003 εs
0,0025 Fließdehnung 0,0025 Fließdehnung
0,002 0,002
Versuch 428kN - Versuch 428kN - FEM
0,0015 0,0015
FEM 380kN FEM 400kN bis 428 kN Versuch
0,001 0,001
bis 428 kN
0,0005 0,0005
0 0
0 L [m] 2,5 3, 0 L [m] 2,5 3,5
5

0,004 εs 0,003 εs
0,0035 0,0025 Fließdehnung
0,003
0,0025 Fließdehnung 0,002
0,002 0,0015 Versuch 560kN -
0,0015
Versuch 518kN - 0,001 FEM 500kN
0,001 bis 552 kN
0,0005 FEM 472kN 0,0005
0 0
0 L [m] 2,5 3,5 0 L [m] 2,5 3,5
(a) Balken Q1 (b) Balken Q2

Abb. 6.15: Vergleich der rechnerischen Betonstahldehnungen in der Gurtplatte mit den
Versuchsdaten

x = 2,50m (Presse) x = 3,50m (Mittelachse)

Pressenlast: 560 kN

εs εs
0 1 2 0 1 2

Abb. 6.16: Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung des Balkens Q2 in Querrichtung gemäß [5]
102 6 Anwendung der Modelle

(a) Steg Bruchlast

Gurt

Steg

(b) Gurt Bruchlast

Abb. 6.17: Plastische Dehnungen in der Simulation und mögliches zugehöriges Rissbild des Balkens
Q2 (Rissbildung im Versuch siehe Abbildung 5.6)

Bei Betrachtung der plastischen Dehnungen im Steg ist zu erkennen, dass in einem Teilbereich
zwischen Lasteinleitung und Auflager eine Schubrissbildung weniger wahrscheinlich ist (siehe
Abbildung 6.17(a)). In diesem Bereich kommt es zu einer rechnerischen Ausbildung einer
direkten Druckstrebe beziehungsweise eines Druckbogens. Der Vergleich mit den dokumentierten
Rissbildern macht deutlich, dass das Tragverhalten des Realversuchs in diesem Bereich durch
das Modell ungenau erfasst wird. Eine schematische Darstellung der Rissbilder im Versuch kann
Abbildung 5.6 entnommen werden. Die im Experiment beobachtete Rissbildung im Steg deutet
auf eine ausgeprägtere Fachwerktragwirkung in diesem Bereich hin.
Abbildung 6.18 zeigt eine Gegenüberstellung der rechnerischen mit den seinerzeit gemessenen
Betonstauchungen der Gurtplatte im Anschnitt zum Steg und am Plattenrand exemplarisch
für den Versuchsbalken Q2. Es ist zu erkennen, dass die Stauchungen rechnerisch tendenziell
überschätzt werden. Dies gilt insbesondere für die Auswertung des stegnahen Schnittes im
Bereich um die Lasteinleitung.
103

6
(oa) (oi)

4
(ua) (ui)
2

0
ε c [‰]

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5


-2
552,oi FEM
552,oa FEM
-4 552,ui FEM
552,ua FEM
560,oi Versuch
-6 560,oa Versuch
560,ui Versuch
560,ua Versuch
-8
L [m]

Abb. 6.18: Betonstauchungen in der Gurtplatte des Trägers Q2 in Versuch und Simulation

Weitere Nachrechnungsergebnisse und Ursachen für die festgestellten Abweichun-


gen

Im unmittelbaren Anschlussbereich der Gurte an den Steg kommt es infolge der Schubkraft-
übertragung zu einer kombinierten Druck-Zug Beanspruchung. Gerade in diesem Beanspru-
chungsbereich kann es theoretisch zu Einschränkungen bei der Verwendung des Materialmodells
CDP kommen. In Kapitel 4.2 werden die erzielten und teilweise recht konservativen Ergeb-
nisse in diesem Beanspruchungsbereich beschrieben. Im Allgemeinen kann das Tragverhalten
schubbeanspruchter Träger dennoch hinreichend genau abgebildet werden (siehe Kapitel 4.2.4
beziehungsweise [38, 51, 52, 63, 72, 74, 95]).
Mit dem Übergang des Gurtanschlussbereichs in den gerissenen Zustand II kommt es zu einer
Entfestigung der betroffenen Elemente. Aufgrund der beschriebenen Lokalisierung im stegnahen
Bereich ist hiervon die komplette erste Elementreihe im Anschnitt zum Steg betroffen. Die
Rissbildung beginnt in der Nähe der Lasteinleitung und breitet sich zwischen 340 und 400kN
zu den Auflagern hin aus. Dies entspricht auch den dokumentierten Versuchsbeobachtungen
von Badawy und Bachmann [5]. Infolge der zunehmenden Entfestigung der Elemente im
Anschlussbereich ist eine weitere Laststeigerung in den gerissenen Bereichen im Modell nicht
möglich. Dies ist anschaulich in Abbildung 6.19 zu erkennen. Dort ist die Entwicklung der
rechnerischen Längsdruckkraft in der Gurtplatte in Querschnitten mit äquidistantem Abstand
exemplarisch für den Versuchsbalken Q2 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass es mit Beginn des
Rissbildungsprozesses im Anschnitt der Gurtplatte an den Steg in den betrachteten Querschnitten
keine weitere Zunahme der Längsdruckkraft bei gleichzeitiger Steigerung der Pressenkraft gibt.
Im Modell wird die Entfestigung der gerissenen Anschlussbereiche durch Beanspruchungs-
104 6 Anwendung der Modelle

Pressenkraft [kN]
0
0 100 200 300 400 500 600

-100

0,5m
-200 0,75m
1,0m
1,25m
Längsdruckkraft Gurtplatte [kN]

-300 1,5m
1,75m
2,0m
2,25m
-400 2,5m (Pressenachse) Plattenanrisslast
2,75m
3,0m
-500 3,25m
3,5m (Mittelachse)

0 0,5 2,5 3,5


-600 [m]
1,0 1,5 2,0 3,0

-700
0,75 1,25 1,75 2,25 2,75 3,25

-800 Gurtscheibe

System mit Belastung

-900

Abb. 6.19: Entwicklung der rechnerischen Längsdruckkraft in einer Gurtplatte des Trägers Q2

umlagerungen kompensiert.
Im Steg kommt es zu einer Veränderung des Tragverhaltens. Dieser ist mit einem hohen
Querkraftbewehrungsgrad von ρw = 1,13% ausgeführt und der Lastabtrag erfolgt zunächst
über das steife Stegfachwerk. Die mit einsetzender Entfestigung im Gurtanschnitt verbunde-
ne Änderung der Steifigkeitsverhältnisse im Bauteil führt im Rechenmodell zur allmählichen
Ausbildung einer direkten Druckstrebe beziehungsweise eines Druckbogens zwischen Auflager
und Lasteinleitung. Durch die modellbedingte Verformungsbehinderung im Bereich der Pres-
senansatzpunkte stellen sich hier mehraxiale Druckspannungszustände ein, die rechnerisch zu
einer deutlichen Erhöhung der einaxialen Betondruckfestigkeit führen. In Abbildung 6.20 ist die
beschriebene Entwicklung des rechnerischen Lastabtrags im Steg anhand der Entwicklung der
Hauptdruckspannungsverteilung dargestellt.
Im Gurtbereich findet ausgehend von der hohen Konzentration der Längsdruckspannungen
im Pressenbereich eine Ausbreitung der Druckspannungen in die Gurtplatte im querkraftfreien
Mittelbereich des Balkens statt. Dies entspricht einer rechnerischen Umlagerung der Schubspan-
nungen in den nur durch Biegung beanspruchten Bereich des Balkens zwischen den Pressen. In
Abbildung 6.19 ist dieses Modellverhalten an der deutlichen Längskraftdifferenz in den Schnit-
105

(a) 340kN (b) 400kN

(c) 450kN (d) 500kN

Abb. 6.20: Rechnerische Hauptdruckspannungsverteilung im Steg des Balkens Q2

(a) 340kN (b) 400kN

(c) 450kN (d) 500kN

Abb. 6.21: Rechnerische Hauptdruckspannungsverteilung im Steg des Balkens Q2 bei linear


elastischem Materialverhalten für die Gurtscheibe

ten zwischen 2,5m und 3,5m zu erkennen. Dass heißt, die Biegedruckkraft in der Gurtplatte
steigt trotz gleichbleibendem Biegemoment zwischen Presse und Balkenmitte weiter. Nur ein
Teil dieser Längskraftdifferenz kann hierbei dem Versatzmaß eines Flanschfachwerk-Modells
zugeschrieben werden.
Zum Vergleich wird eine Beispielrechnung an einem Modell mit linear-elastischem Ma-
terialverhalten im Bereich der Gurtscheibe durchgeführt. Der Steg wird hierbei weiterhin
physikalisch nichtlinear in der Simulation berücksichtigt. In Abbildung 6.21 ist die Entwicklung
der Hauptdruckspannungsverteilung im Steg für dieses Modell dargestellt. Es ist zu erkennen,
dass das Stegfachwerk hier in allen Laststufen einen Haupttraganteil liefert. Auch das Last-
Verformungsverhalten und die wahrscheinliche Rissbildung im Steg werden auf diese Weise
mit guter Übereinstimmung zu den Ergebnissen der Realversuche ermittelt (siehe Abbildungen
6.14(b) und 6.22).
106 6 Anwendung der Modelle

Abb. 6.22: Plastische Dehnungen in der Simulation und mögliche zugehörige Rissbildung im Steg
bei linear-elastischem Verhalten der Gurtscheibe (Rissbildung im Versuch siehe
Abbildung 5.6)

Fazit

Das Tragverhalten der gegliederten Querschnitte mit Druckgurt wird im Rahmen der Simulation
unter Verwendung des Materialmodells CDP in weiten Teilen gut abgebildet. Die Systemtraglast,
die wahrscheinliche Rissbildung in der Gurtplatte in Bezug auf den Zeitpunkt der Rissbildung,
die Rissrichtung und die Lokalisierung sowie die qualitative Verteilung der Dehnungen der Gurt-
anschlussbewehrung werden in guter Näherung erfasst. Das Entfestigungsverhalten des Betons
im Materialmodell unter kombinierter Druck-Zug Beanspruchung wird jedoch im Vergleich zum
Realversuch stark überschätzt. Die Lokalisierung der wahrscheinlichen Rissbildung in der ersten
Elementreihe im Anschnitt vom Gurt an den Steg führt hier zu einer Verstärkung des Effekts.
Diese Modelleinschränkung wird rechnerisch durch Spannungsumlagerungen kompensiert. Durch
einen Vergleich mit den dokumentierten Rissbildern der Realversuche kann gezeigt werden,
dass vergleichbare Umlagerungen tatsächlich nicht in der Form stattgefunden haben.
In der Literatur finden sich weitere Beispiele, die einen Einfluss des Entfestigungsverhaltens
darstellen. Kattenstedt beschreibt in [49] auf Grundlage ihrer numerischen Untersuchungen
zur Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit von Stahlbetonträgern eine ähnliche Beobachtung
und führt das Verhalten auf den isotropen Entfestigungsansatz im Materialmodell zurück. Im
Rahmen numerischer Untersuchungen zur Simulation des Tragverhaltens unter reiner Torsion
rechnet Werner Balkenquerschnitte mit dem CDP-Modell nach. Mit Überschreiten der Risslast
ist eine realistische Abbildung des Tragverhaltens nicht mehr möglich [101]. Löhning kommt in
[60] zu dem gleichen Ergebnis.
Schlussfolgerungen in Bezug auf ein mögliches Umlagerungspotential sind daher zwar auf
Modellebene möglich, diese setzen jedoch eine deutlich stärkere Entfestigung des Betons im
Bereich des Gurtanschlusses voraus als in den vorliegenden Versuchen beobachtet wurde. Eine
Eignung des Modells im Hinblick auf eine wirklichkeitsnahe Erfassung der wahrscheinlichen
Rissentwicklung im Gurtanschnitt kann jedoch festgestellt werden.
107

6.2.3 Zusammenfassung und Ausblick


Mit beiden untersuchten Varianten der Struktur- und Materialmodellierung wird ein Gleich-
gewichtszustand bis zum Erreichen der in den experimentellen Untersuchungen beobachteten
Bruchlast nachgewiesen. Ein wesentlicher Unterschied der rechnerischen Ergebnisse wird im
Entfestigungsverhalten des Betons im Gurtanschlussbereich festgestellt. Während es bei der Si-
mulation mit dem Materialmodell CDP zu einer signifikanten Entfestigung im Druck-Zugbereich
des Gurtanschnittes kommt, was im Modell durch Beanspruchungsumlagerungen im Steg- und
Gurtbereich kompensiert wird, ist die mit der Rissbildung im Gurt verbundene Steifigkeitsände-
rung bei der Modellrechnung auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie vernachlässigbar.
Letzteres entspricht auch den in [5] dokumentierten Versuchsbeobachtungen.
Durch die ergänzenden Auswertungen wird gezeigt, dass das von Badawy und Bachmann [5]
beobachtete Versatzmaß im Flanschfachwerk-Modell vom Tragverhalten des Stegs abhängig
ist. Die Ausbildung etwaiger direkter Druckstreben oder Druckbögen, die in weiten Bereichen
innerhalb des Stegquerschnittes verlaufen, haben einen direkten Einfluss auf die Schubbean-
spruchung im Gurtanschnitt. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Auswirkung einer
mit einem Winkel von 45° zur Stabachse eingebauten Querkraftbewehrung im Steg (eine
aus heutiger Sicht unübliche Bewehrungsführung) beziehungsweise von Spanngliedern, die
im Bereich der Schwerachse hinter der Auflagerachse verankert werden, auf das Versatzmaß
im Rechenmodell. Durch beide Bewehrungsvarianten sollte es theoretisch möglich sein, den
Ausfall der schiefen Hauptzugspannungen bei Überschreitung der Betonzugfestigkeit ohne oder
mit geringeren Umlagerungen zu kompensieren (siehe Abbildung 6.10). Diese konstruktiven
Maßnahmen werden im Rahmen der Sensitivitätsanalyse in Kapitel 7 untersucht.
Im Rahmen der Modellrechnungen wird gezeigt, dass das Rissverhalten im Hinblick auf
die Lage der Erstrissbildung und deren Ausbreitung innerhalb der Gurtplatte von der örtlichen
Lasteinleitung im Bereich der Presseneinzellast maßgeblich beeinflusst wird. Mögliche Auswir-
kungen einer Änderung der Belastungsart von Punkt- auf Linienlast werden daher im Folgenden
ebenfalls untersucht.

6.3 Zuggurt mit Längsschub


Bei den bislang nachgerechneten Versuchsbalken liegen ein Versagen des Gurtanschlusses auf-
grund einer Überbeanspruchung der Gurtanschlussbewehrung (Balken Q1) und ein sekundäres
Versagen der Biegedruckzone (Balken Q2) vor. Experimentelle Untersuchungen an Platten-
balken mit Druckgurt, die zu einem Versagen der schiefen Betondruckstrebe im Anschnitt
der Gurte an den Steg geführt haben, sind nicht bekannt. Schieferstein untersuchte diesen
Versagensmechanismus in [88] gezielt an I-Querschnitten mit der Gurtscheibe in der Zugzone.
Im Folgenden wird der Balken PB1 aus [88] nachgerechnet. Hierdurch wird zum einen die
Eignung des Modells zur Simulation des Tragverhaltens von Zuggurten und zur Abbildung der
108 6 Anwendung der Modelle

150
59 32 59
0,6 1,35 3,65 0,6
6,5 7. 5
Asl = 2 x 9 ø 20
[m] u. 2 x 1 ø 12
ø12/3,75 ø12/7,5 2,5

14 5 18 80
Asw = ø16/10

45
As,GA =
ø12/7,5
ø12/3,75
19 32 19
70
[cm]

ø12 wechselseitig
oben und unten

Abb. 6.23: System, Querschnitt und Bewehrung des Versuchsträgers PB1 nach [88]

genannten Versagensart überprüft, zum anderen soll im Rahmen der in Kapitel 7 durchgeführten
Sensitivitätsanalysen auch der Einfluss unterschiedlicher Vorgaben der Betondruckfestigkeitsab-
minderung in Abhängigkeit der vorhandenen Querdehnung untersucht werden. Die Simulation
von Balken, deren Versagen maßgeblich durch die Betondruckfestigkeit bestimmt wird, ist
hierfür von besonderem Interesse. Die Simulation des Versuchsbalkens Q2, dessen Versagen
durch den hohen Ausnutzungsgrad der Biegedruckzone beeinflusst wurde, wird durch den
Balken PB1 daher sinnvoll ergänzt.
In Abbildung 6.23 ist das System mit Belastung, Bewehrung und Querschnittsgeometrie
dargestellt. Die Materialparameter des verwendeten Bewehrungsstahls und des Betons zum
Zeitpunkt der Versuchsdurchführung können Tabelle 6.2 entnommen werden.

Tab. 6.2: Verwendete Werkstoffkennwerte für die Nachrechnung nach [88]

Beton fcm fct Ec Betonstahl fym y ft u Es


[MPa] [MPa] [MPa] [MPa] [ ‰] [MPa] [ ‰] [MPa]
PB1 18,5 2,2 26500 ds = 12mm (Gurt) 442 2,11 596 50 200000
ds = 16mm (Steg) 416 2,06 668 50 200000
ds = 20mm (Gurt) 497 2,49 597 50 200000

6.3.1 Nichtlineare Elastizitätstheorie – SOFiSTiK


Die Modellierung des Systems erfolgt analog der in Kapitel 4.3.6 beschriebenen Vorgehens-
weise durch Einteilung der Flächen in Bereiche mit unterschiedlich starken Bewehrungslayern.
Innerhalb eines Bereichs kann nur eine konstitutive Beziehung zur Beschreibung des Material-
verhaltens der Bewehrung berücksichtigt werden. Unterschiedliche Materialeigenschaften der
Längs- und Querbewehrung innerhalb eines Layers können nicht abgebildet werden. Aufgrund
109

600

505
500
498

400 0,6 1,35


Pressenlast [kN]

[m]
300

FEM
200

100 Versuch
PB1 FEM
PB1 Versuch
0
0 5 10 15 20 25 30 35
Durchbiegung [mm]

(a) Last-Verformungskurve (b) Rissbild

Abb. 6.24: Vergleich der Durchbiegungen (a) und Rissbilder in der Gurtscheibe (b) zwischen
Versuch und Simulation

der hohen Gurtanschlussbewehrungsgrade verbleiben die Bewehrungsdehnungen in den experi-


mentellen Untersuchungen bis einschließlich zum Versagen des Balkens im linear-elastischen
Bereich. Die korrekte Abbildung des Fließbeginns und des Fließplateaus sind daher für die Nach-
rechnung nicht von Bedeutung. Aus diesem Grund werden für die Simulationsrechnungen die
Materialeigenschaften der Längsbewehrung auch für die Gurtanschlussbewehrung berücksichtigt.
Das Last-Verformungsverhalten und die Rissbilder auf der Oberseite der Gurtscheibe sind als
Ergebnis der Simulation in Abbildung 6.24 den dokumentierten Ergebnissen aus [88] vergleichend
gegenübergestellt. Es ist zu erkennen, dass der Zeitpunkt der Rissbildung, die Steifigkeit im
Zustand II und die Versagenslast durch die Modellrechnung sehr gut abgebildet werden. Auch
das rechnerisch wahrscheinliche Rissbild stimmt in Bezug auf Lage und Rissrichtung in guter
Näherung mit den Versuchsbeobachtungen überein.
Schieferstein beschreibt eine relativ gleichmäßige Spannungsverteilung in der Biegezugbe-
wehrung innerhalb der Gurtscheiben mit zunehmendem Abstand von der Auflagerachse (siehe
Schnitt A in Abbildung 6.26). In Auflagernähe kommt es hingegen zu einer Spannungskon-
zentration in der stegnahen Längsbewehrung [88]. Dieses Tragverhalten kann im Rahmen der
Simulation sowohl qualitativ als auch quantitativ in guter Näherung wiedergegeben werden.
Der Vergleich der Versuchsergebnisse aus [88] mit denen der FE-Simulation ist in Abbildung
6.26 dargestellt.
110 6 Anwendung der Modelle

Der Bruch des Balkens PB1 trat im Versuch durch eine Überschreitung der Betondruckstre-
bentragfähigkeit in der Gurtscheibe ein. Gleichzeitig sind mit dem Abplatzen der Betonoberfläche
auf der Gurtscheibenunterseite in größeren Bereichen weitere Betonabplatzungen im Druck-
flansch in der Nähe des Auflagers dokumentiert [88]. Die Auswertung der Nachrechnung führt
mit Überschreitung der Laststufe 505kN, für die noch ein stabiler Gleichgewichtszustand
nachgewiesen werden kann, zu einem erheblichen Zuwachs der Betonstauchungen mit Werten
>> 2,1‰ = c1 im Bereich der schiefen Betondruckstreben im Anschnitt der Gurtscheiben an
den Steg und im Auflagerbereich des Druckflansches. Die Versagensart wird im Rahmen der
Simulation somit entsprechend den dokumentierten Versuchsbeobachtungen wiedergegeben.
Eine genauere Auswertung der rechnerischen Betonstauchungen in der Biegedruckzone des
Stegs beziehungsweise im Bereich der schiefen Druckstreben des Zuggurtes deutet jedoch
darauf hin, dass die Überbeanspruchung der Betondruckzone im Steg Ursache für das Versagen
des Balkens ist. Die Überlastung der schiefen Betondruckstreben im Zuggurt ist die unmittel-
bare Folge einer entfestigten Biegedruckzone und einer damit einhergehenden Reduktion des
inneren Hebelarms. In Abbildung 6.25 sind die rechnerischen Betonstauchungen unmittelbar
vor dem Versagen des Trägers im Steg- und Gurtbereich eingetragen. Darüber hinaus sind
die rechnerischen Neigungswinkel der Druckstreben im Gurtanschnitt und die Spannungsver-
teilung der Gurtanschlussbewehrung über die Anschlusslänge dargestellt. Es ist zu erkennen,
dass unmittelbar vor dem rechnerischen Versagenseintritt die Betonstauchung im Bereich der
Biegedruckzone den mit dem Höchstwert der Betondruckspannung korrespondierenden Wert
von c1 = 2,1‰ bereits überschritten hat. Damit befindet sich die Biegedruckzone bereits im
Entfestigungsbereich, während die Betondruckspannungen in der Gurtscheibe noch nicht voll
ausgenutzt sind.
Schieferstein führt die Grenztragfähigkeit auf einen mittleren Neigungswinkel der Druckstrebe
von Θ = 26,5° (tanΘ = 0,5) zurück und sieht in den gemessenen geringen Querbewehrungs-
spannungen (≤ 150MPa) eine Bestätigung für diesen Ansatz [88]. Diese flache Neigung der
Betondruckstrebe kann im Zuge der durchgeführten Modellrechnungen nicht bestätigt werden
(siehe Abbildung 6.25). Aufgrund der ansonsten sehr guten Übereinstimmungen der Ergebnisse
von Simulation und Versuch ist anzunehmen, dass der Bruch im Realversuch ebenfalls von
einer Überbeanspruchung des Druckflansches eingeleitet wurde und das Versagen der schiefen
Betondruckstreben in der Gurtscheibe eine unmittelbare Folge darstellt.
Der hohe Gurtanschlussbewehrungsgrad führt zu einer großen Dehnsteifigkeit in Quer-
richtung. Sowohl in der Nachrechnung als auch im Versuch ist die Gurtanschlussbewehrung
deutlich unterhalb der Streckgrenze ausgenutzt. Dies sind weitere Indizien, die eine mittlere
Druckstrebenneigung Θ >> 26,5° plausibel erscheinen lassen.
111

P = 505 kN

300
Stauchung: -2,3‰ doppelter
250
Bewehrungs-
0 0,6 1,95
[m]
grad
200

σ [Mpa]
Übertragungslänge Schub Versatzmaß
150

MIN: -17,1 MPa 100


MIN: -1,32 ‰ Stauchung
50 obere Lage
35° 35° 41° 42° 47° 51° untere Lage
0
0 0,5 1 1,5 2
L [m]

(a) Betonstauchungen und Hauptdruckspannungen (b) Spannungen der Gurtanschlussbewehrung

Abb. 6.25: Schematische Darstellung der rechnerischen Betonstauchungen und Druckstrebenwinkel


(a) und der Spannungen der Gurtanschlussbewehrung im Anschnitt zum Steg (b)

6.3.2 Zusammenfassung und Ausblick


Das Tragverhalten des Zuggurtanschlusses kann im Rahmen der Modellrechnung im Hinblick
auf das Verformungs-, Rissbildungs- und Bruchverhalten mit sehr guten Übereinstimmungen
zum Realversuch abgebildet werden. Insbesondere die rechnerische Erfassung der Versagensart
ist hierbei für die weiteren Untersuchungen von besonderem Interesse. Die beschriebenen Nach-
rechnungsergebnisse setzen eine unverminderte Betondruckfestigkeit des gerissenen Stahlbetons
voraus. Die Auswirkungen verschiedener in Abhängigkeit der Querdehnung abgeminderter
Druckfestigkeiten werden in Kapitel 7 untersucht.
Aufgrund des festgestellten kombinierten Druckversagens in Steg- und Gurtquerschnitt
wird die rechnerische Stegdruckfestigkeit im Rahmen der Sensitivitätsanalyse in zusätzlichen
Rechnungen so weit erhöht, dass ein primäres Versagen der Druckstreben im Zuggurt eindeutig
nachgewiesen werden kann.
Die Anwendung des CDP-Modells auf den Zuggurtversuch ist hier nicht dargestellt, da es
nicht gelungen ist, das Tragverhalten der gezogenen Gurtscheiben mit ausreichender Genauig-
keit abzubilden. Dies wird im Wesentlichen auf das beschriebene Entfestigungsverhalten des
Modells im kombinierten Druck-Zug Bereich zurückgeführt, welches sich in der unter hoher
Längszugbeanspruchung stehenden Gurtscheibe noch stärker auswirkt.
112 6 Anwendung der Modelle

500
σs [MPa]
P Schnitt:
A B C

400

0,6 1,35

0,5 0,35 0,5 300


[m]

P=500 kN
b

200
P=375 kN
a a

P=300 kN

100
P=225 kN
b

b a a b
A B C
Versuch FEM
0
(a) Lage der Auswertungsbereiche (b) Schnitt A

500 500
σs [MPa] σs [MPa]

400 400

P=500 kN
300 300
P=500 kN

P=375 kN P=375 kN
200 200
P=300 kN P=300 kN

P=225 kN P=225 kN
100 100

b a a b b a a b
Versuch FEM Versuch FEM
0 0
(c) Schnitt B (d) Schnitt C

Abb. 6.26: Dehnungen der Längsbewehrung in der Gurtscheibe in Versuch und Simulation
Kapitel 7

Sensitivitätsanalyse

7.1 Allgemeines
In den nachfolgenden Abschnitten werden die Auswirkungen von einer Variation einzelner
Parameter auf die Ergebnisse der Simulationsrechnungen untersucht. Hierzu erfolgt eine gezielte
Variation des jeweils betrachteten Parameters bei ansonsten unveränderten Randbedingungen.
Als Basismodell dient die Simulation am Faltwerk mit Schalenelementen auf Grundlage der
nichtlinearen Elastizitätstheorie. Zum einen konnte hiermit insgesamt die beste Übereinstimmung
von Rechnung zu Versuch erzielt werden, zum anderen kann eine gezielte Untersuchung der
Auswirkungen einer vorgegebenen Abminderung der Betondruckfestigkeit hier ebenfalls erfasst
werden. Zur Verifizierung der Ergebnisse erfolgt ein Abgleich einzelner Einflüsse mit dem
CDP-Modell.

7.2 Einfluss aus einer Abminderung der Betondruckfes-


tigkeit

7.2.1 Versagen infolge Biegedruckbruch


Bei einer Bemessung auf Querschnittsebene erfolgt nach DIN EN 1992 [18–20] derzeit ei-
ne pauschale Abminderung der Betondruckfestigkeit für den Nachweis einer ausreichenden
Querkraft- beziehungsweise Schubtragfähigkeit. Durch diese Regelung soll dem in Kapitel
3.4.3 beschriebenen Entfestigungsverhalten von gerissenem Stahlbeton auf Druck pauschaliert
Rechnung getragen werden. Für die Bemessung von Druckgurten gegliederter Querschnitte hat
dies zur Folge, dass eine Abminderung der Druckfestigkeit für den Nachweis der Druckstreben
für die schubfeste Verbindung erfolgt, während gleichzeitig die Biegebemessung mit der vollen
Betondruckfestigkeit durchgeführt wird. Daher stellt sich die Frage, wie sich diese Inkonsistenz
im Bemessungskonzept auswirkt.
114 7 Sensitivitätsanalyse

Zur Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Abminderungsvorschriften der Beton-


druckfestigkeit auf das Modelltragverhalten beziehungsweise die rechnerische Systemtraglast
werden daher nachfolgend die in Kapitel 3.7.2 dargestellten Abminderungsvorschriften auf die
Modellrechnungen angewendet (siehe Abbildung 3.14). Durch die Querdehnungsabhängigkeit
der Festigkeitsreduktion im numerischen Modell erfolgt diese wirklichkeitsnah allerdings nur
örtlich und je nach Querdehnungshöhe mit unterschiedlicher Ausprägung. In Tabelle 7.1 sind
die verwendeten Bezeichnungen und deren Bedeutung dargestellt.

Tab. 7.1: Bilineare Abminderungsvorschriften in Abhängigkeit der Querdehnung

Bezeichnung Faktor oh. Querdehnung linear auf bei Querdehnung


[–] [–] [ ‰]
A1 1,0 – –
A6050 1,0 0,50 6,0
A2075 1,0 0,75 2,0
A175 1,0 0,75 0,1
A160 1,0 0,60 0,1

Die verschiedenen Abminderungsvorschriften wirken sich im numerischen Modell auf die


Verteilung der Längsdruckspannungen in der Gurtplatte, die Betonstauchungen und auf die
Dehnungen in der Gurtanschlussbewehrung in Querrichtung aus. In Abbildung 7.1 sind die beiden
letztgenannten Auswirkungen vergleichend dargestellt. Mit zunehmender Höhe der Abminderung
kommt es zu einer Vergrößerung der rechnerischen Stahldehnungen beziehungsweise einer
Erhöhung der Betonstauchungen im Anschnitt. Die größeren Betonstauchungen stehen im
direkten Zusammenhang zum lokal auf den Gurtanschnitt begrenzten Bereich der verminderten
Druckfestigkeit.
Infolge des örtlich geänderten Verhältnisses von Schub- zu Drucknormalspannung kommt es
im Rechenmodell zu einer Veränderung der Hauptdruckspannungswinkel und damit zu einer
Vergrößerung der Stahldehnungen im Gurtanschnitt. In Abbildung 7.2 ist dieser Zusammenhang
für die Grenzfälle A1 (keine Abminderung) und die Abminderungsvorschrift A160, die die
maximale Auswirkung auf das Modell des Balkens Q2 repräsentiert, schematisch dargestellt.
Die Änderung des Hauptdruckspannungswinkels, der auch dem wahrscheinlichen Risswinkel
entspricht, kann auf den Zeitpunkt der Festlegung der Rissrichtung im Modell ohne Berücksichti-
gung von Primärlastfällen geringerer Laststufen zurückgeführt werden (siehe Kapitel 3.7.2). Die
Auswirkungen dieser Winkeländerung sind in den hier durchgeführten Modellrechnungen gering
und können für übliche Abminderungen um bis zu 25% durch geringfügige Dehnungszuwächse
in der Anschlussbewehrung kompensiert werden (siehe Abbildung 7.1(a)). Die schrittweise
Lastaufbringung unter Berücksichtigung einer Fixierung der Rissrichtung auf niedrigerem Last-
niveau führt zu vergleichbaren rechnerischen Bruchlasten. Insgesamt wird das Tragverhalten
jedoch weniger gut wiedergegeben als bei der direkten Berechnung. Daher wird hier auf weitere
115

4
560 kN Versuch 0,5
3,5 560 kN A1 FEM L [m]
3 588 kN A1 FEM -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
560 kN A6050 FEM
2,5 560 kN A2075 FEM
εs [‰]

-1,5

εc [‰]
2 560 kN A175 FEM 582,oi A1 FEM
1,5 560 kN A160 FEM 588,oi A1 FEM
-2,5 582,oi A6050 FEM
1 582,oi A2075 FEM
0,5 -3,5 582,oi A175 FEM
0 582,oi A160 FEM
-4,5 560,oi Versuch
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
L [m]

(a) Dehnung der Gurtanschlussbewehrung im An- (b) Betonstauchungen im Gurtanschnitt oben


schnitt zum Steg

Abb. 7.1: Auswirkungen der unterschiedlichen Abminderungsvorschriften auf das Modellverhalten


am Beispiel des Balkens Q2

0 0,5 2,5 3,5


1 2 [m] 1 2
-10,8 -18,8
A1
-13,5 -18,8 20° 15°

-11,7 -15,6
22° 17°
A160
-10,7 -18,8

Gurtscheibe 1 2 1 2
Längsspannungen
Winkel
Hauptdruckspannung
System mit Belastung (wahrscheinliche
Rissrichtung)

Abb. 7.2: Schematische Darstellung der Spannungsänderung im Modell bei abgeminderter


Druckfestigkeit

Ergebnisdarstellungen verzichtet.
Die geringen Winkeländerungen im Modell können auf die im Vergleich zum Stegquerschnitt
hohen Längsdruckspannungen in der Druckplatte des gegliederten Querschnitts zurückgeführt
werden. Abbildung 7.3 zeigt die Auswirkungen sich ändernder Längsdruckspannungen auf den
wahrscheinlichen Risswinkel für verschiedene konstante Schubspannungen. Es ist zu erken-
nen, dass der Einfluss einer Druckspannungsänderung mit betragsmäßig größer werdenden
Längsdruckspannungen geringer wird (asymptotische Annäherung an 0°). Im Vergleich zu
mit üblichen Vorspanngraden versehenen Stegquerschnitten erscheint es daher plausibel, dass
etwaige Längsspannungsänderungen in Druckgurten einen deutlich geringeren Einfluss auf die
116 7 Sensitivitätsanalyse

50

Steg Druckgurt
40

τ [MPa]
2.5
30
5
Risswinkel β [[°°]

7.5
10
Vorspannung -3 bis -6 MPa

20
∆ ∼ 2°
zentrischer Anteil der

∆ ∼ 2°

10

Schnitt: 1-1 2-2

-11,7 -13,5 -15,6 -18,8


0
0 -10 -20 -30 -40
Längsspannung [MPa]

Abb. 7.3: Auswirkungen geänderter Spannungsverhältnisse auf die wahrscheinlichen Risswinkel

Rissrichtung haben als in Stegen. Im vorliegenden Fall ist der Querschnitt nicht vorgespannt. In
Abbildung 7.3 ist dennoch der Bereich üblicher zentrischer Vorspanngrade von Querschnitten
im Spannbetonbrückenbau dargestellt.
Die rechnerische Bruchlast wird durch die verschiedenen Modifikationen der Betondruck-
festigkeit im Rahmen der am Balken Q2 durchgeführten Modellrechnungen nicht nennenswert
beeinflusst. Abminderungen der Längsdruckspannung infolge Rissbildung treten im Modell nur
unmittelbar lokal im Bereich des Gurtanschnitts auf und werden durch Umlagerungen innerhalb
der Gurtscheibe weitestgehend kompensiert.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse im Rahmen der Modellrechnungen erscheint die
derzeitige Vorgehensweise der getrennten Bemessung auf Querschnittsebene für Biegung und
Schub mit unterschiedlicher Berücksichtigung der Betondruckfestigkeit gerechtfertigt. Durch
die Lokalisierung der Schädigung im Anschnitt des Druckgurtes sind die Auswirkungen der
Interaktion von Längsbiegung und Schub im untersuchten Beispiel trotz der hohen Ausnutzung
der Betondruckzone und des festgestellten sekundären Biegedruckbruches als Versagensart
vernachlässigbar.
117

7.2.2 Bruch der schiefen Betondruckstrebe

Das Versagen des Versuchsbalkens PB1 im Versuch wurde durch gleichzeitige Abplatzungen
des Betons im Steganschnitt der Gurtscheibe und in der Biegedruckzone begleitet und auf
eine Überbeanspruchung der Druckzonen in diesen Bereichen zurückgeführt [88]. In Kapitel
6.3.1 wird dieser kombinierte Versagensmechanismus rechnerisch bestätigt und die Entfesti-
gung der Biegedruckzone als primäre Versagensursache festgestellt. Nachfolgend werden die
Auswirkungen verschiedener querdehnungsabhängiger Abminderungsvorschriften (siehe Tabelle
7.1 und Abbildung 3.14) auf die Ergebnisse der Simulation vorgestellt und diskutiert. Die
Modellierung erfolgt auf Grundlage der in Kapitel 6.3.1 beschriebenen Materialeigenschaften.
Zusätzlich wird in einer weiteren Simulationsreihe die Druckfestigkeit des Betons im Steg und im
Druckgurt auf fcm = 60MPa erhöht. Dies entspricht etwa einer Verdreifachung der uniaxialen
Betondruckfestigkeit in diesen Bereichen und führt rechnerisch zu einem Primärversagen im
Bereich der schiefen Betondruckstreben im Zuggurt.
In Abbildung 7.4(a) ist das Last-Verformungverhalten des unveränderten Modells im Rah-
men der Simulationsrechnungen im Vergleich zu den dokumentierten Versuchsergebnissen
dargestellt. Es ist zu erkennen, dass sich die Berücksichtigung der unterschiedlichen Abminde-
rungsvorschriften auf die Höhe der rechnerisch erreichbaren Bruchlast auswirkt. Diese beträgt
unabhängig von der zugrundeliegenden Druckentfestigungsvorschrift etwa 460kN, was einer
Reduktion der Systemtraglast um (1 − 460/505) · 100 = 9% entspricht. Das von der gewählten
Abminderungsvorschrift unabhängige Ergebnis kann im Rechenmodell auf den kombinierten
Versagensmechanismus zurückgeführt werden. Ausgehend von der Entfestigung der Biegedruck-
zone im Steg und der damit verbundenen Verringerung des inneren Hebelarms kommt es zu
einer Überlastung der schiefen Druckstreben in der Gurtscheibe. Die schiefen Druckstreben
sind nicht der Auslöser für das Versagen des Versuchsträgers im Modell (siehe Kapitel 6.3.1).
Die Erhöhung der Betondruckfestigkeit im Bereich des Druckflansches und im Steg führt
im Rahmen der Simulationsrechnung zu einer signifikanten Steigerung der Systemtraglast
und zu einem von einer Überbeanspruchung der schiefen Druckstrebe in der Gurtscheibe
ausgehenden Versagen. In Abbildung 7.4(b) sind die Ergebnisse der Simulatiosrechnungen mit
der vergrößerten Betondruckfestigkeit im Stegquerschnitt und im Druckflansch dargestellt. Die
unterschiedlichen Vorgaben zur Abminderung der Betondruckfestigkeit wirken sich hier deutlich
auf die rechnerisch erreichbare Systemtraglast aus. Die Traglastreduktion bleibt jedoch immer
unterhalb der maximalen Druckfestigkeitsreduktion (siehe Tabelle 7.2).
Eine Erklärung hierfür kann durch die Auswertung der Schubspannungsverläufe im Gurtan-
schnitt zum Steg gegeben werden. In Abbildung 7.5 sind diese für das Originalmodell ohne
Druckfestigkeitsabminderung und das modifizierte Modell ohne und mit Abminderung (A160)
exemplarisch dargestellt. Durch die ungleichmäßige Spannungsverteilung und damit verbunden
unterschiedlich hohen Ausnutzungsgrade der schiefen Betondruckstrebe wirkt sich die Abminde-
rung über die Gurtanschlusslänge unterschiedlich stark aus. Die Beanspruchbarkeit der schiefen
118 7 Sensitivitätsanalyse

800 800

700 700

600 600
Pressenlast [kN]

Pressenlast [kN]
500 500

400 400

300 300
PB1 Versuch PB1 Versuch
A1 FEM A1 FEM
200 200
A160 FEM A160 FEM
A175 FEM A175 FEM
100 100
A2075 FEM A2075 FEM
A6050 FEM A6050 FEM
0 0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
Durchbiegung [mm] Durchbiegung [mm]

(a) Original Materialparameter (b) Erhöhte Druckfestigkeit im Steg und im Druck-


flansch (fcm = 60MPa)

Abb. 7.4: Last-Verformungskurven aus Versuch und Simulation unter Berücksichtigung


unterschiedlicher Abminderungen der Betondruckfestigkeit

Betondruckstrebe innerhalb der Gurtscheibe kann unter der Annahme einer konstanten Beton-
druckfestigkeit nach (7.1) ermittelt werden. Für einen Druckstrebenwinkel von Θ = 40° bis 45°,
dies entspricht etwa den in der Nachrechnung festgestellten mittleren Neigungswinkeln (sie-
he Abbildung 6.25) und eine mittlere Betondruckfestigkeit von fcm = 18,5MPa ergibt sich
hiernach τ max = 9,1 bis 9,25MPa. Vergleicht man diesen analytisch ermittelten Grenzwert mit
den rechnerischen Schubspannungen in Abbildung 7.5, so kann zum einen festgestellt werden,
dass die aufnehmbare Schubspannung im Originalmodell noch nicht erreicht ist. Daher wirkt
sich die auf die Maximaltragfähigkeit bezogene Abminderungsvorschrift auch nicht wesentlich
aus. Zum anderen wird auch im Modell mit modifizierter Stegdruckfestigkeit die aufnehmbare

Tab. 7.2: Maximale Reduktion der Systemtraglast für verschiedene Druckfestigkeitsabminderungen

Bezeichnung Abminderung der Abminderung der


Betondruckfestigkeit auf Systemtraglast auf
[%] [kN] [%]
A1 100 735 100
A6050 50 560 76
A2075 75 610 83
A175 75 605 82
A160 60 510 70
119

L [m]
0
P
-1 0 0,5 1 1,5 2
-2
-3
0 0,6 1,95
-4 Faktor [m]
τ [MPa]

-5 P=510 kN << 0,6


-6
A1 FEM
-7 Faktor
Faktor
<< 0,6 P=505 kN
-8 ~ 0,6 A1 FEM (mod. Steg)
-9
P=735 kN A160 FEM (mod. Steg)
-10

Abb. 7.5: Rechnerische Schubspannung im Gurtanschnitt im Zustand II

Schubspannung nicht über die komplette Anschlusslänge erreicht. In Bereichen mit geringerem
Auslastungsgrad ist die Wirkung der Festigkeitsabminderung ebenfalls geringer.

τ max = fcm /(cotΘ + tanΘ) (7.1)

7.2.3 Fazit
Im Rahmen der durchgeführten Modellrechnungen mit verschiedenen Abminderungsvorschriften
der Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der vorhandenen Querdehnung werden Auswirkungen
auf die rechnerisch erreichbare Systemtraglast festgestellt, deren Höhe maßgeblich von der
Versagensart beeinflusst wird.
Bei einem Bruch als Folge eines Versagens der Biegedruckzone werden im Rahmen der
Simulationsrechnungen keine nennenswerten Auswirkungen auf die erreichbare Systemtraglast
festgestellt. Beim Plattenbalken mit Druckgurt kommt es durch die Lokalisierung der Schädigung
infolge Rissbildung im stegnahen Bereich zu einer lokal begrenzten Entfestigung, die durch
Beanspruchungsumlagerungen innerhalb der Gurtscheibe kompensiert werden kann.
Tritt das Systemversagen hingegen als Folge einer Überanspruchung der schiefen Beton-
druckstreben innerhalb der Gurtscheibe ein, so hat dies deutliche Auswirkungen auf die erreich-
bare Systemtraglast.
Im Allgemeinen handelt es sich bei den Gurten bestehender Spannbetonbrücken um in
Querrichtung schwach bewehrte Bauteile. Der hier nachgerechnete Versuchsträger war mit
einem Querbewehrungsgrad der Gurtscheibe von ρGA = 1,88% bis 3,77% [88] um ein Vielfaches
höher bewehrt als übliche Gurtanschlüsse im Brückenbau.
120 7 Sensitivitätsanalyse

ds = 12mm; sf = 10cm
α = 45°

(a) Neigung der Querkraftbewehrung im Schubbereich

(b) Zentrische Vorspannung des Balkens σcp = −3,5 bis − 5MPa

Abb. 7.6: Variation der Neigung der Querkraftbewehrung und Berücksichtigung einer Vorspannung

Nennenswerte Auswirkungen auf die Systemtraglast infolge einer querdehnungsabhängigen


Entfestigung des Betons auf Druck innerhalb der Gurtscheiben sind daher zumindest für
Plattenbalkenbrücken mit üblichen Bewehrungsgraden eher unwahrscheinlich.

7.3 Einfluss von Stegbewehrung und Vorspannung


In Kapitel 6.2.1 wird gezeigt, dass das im Flanschfachwerk-Modell berücksichtigte Versatzmaß
auf das Tragverhalten des Stegquerschnitts zurückgeführt werden kann. Im Folgenden wird
der Einfluss der Querkraftbewehrung im Steg beziehungsweise einer zusätzlichen Vorspannung
des Längssystems auf das rechnerische Versatzmaß in der Gurtscheibe in qualitativer Form
untersucht.
Die rechnerisch berücksichtigten Modifikationen sind in Abbildung 7.6 schematisch dargestellt.
Die Ergebnisse der Berechnungen sind exemplarisch für den Versuchsträger Q1 als Referenzbalken
dargestellt. Zum einen wird die Querkraftbewehrung im Steg, die im Versuch unter einem
Winkel von α = 90° eingebaut war, mit einem Winkel von α = ±45° zur Bauteillängsachse
in Rechnung gestellt. Durch diese Neigung sollen die mit dem Übergang in den gerissenen
Zustand II freigesetzten Betonzugspannungen im Auflagerbereich besser aufgenommen werden
(siehe Hauptzugspannungsrichtung im Zustand I in Abbildung 6.10(a)). Zum anderen wird
der Einfluss einer zusätzlichen externen Vorspannung mit einem zentrischen Anteil von σcp =
−3,5 bis − 5MPa untersucht. Um den Einfluss der Drucknormalspannung infolge Vorspannung
losgelöst von der Spannkrafteinleitung zu erfassen, wird diese zunächst als gleichmäßig über den
Querschnitt verteilte Druckspannung in Rechnung gestellt. Die Einleitung der Vorspannkraft in
einem konzentrierten Verankerungsbereich wird danach zusätzlich untersucht und die Ergebnisse
der Berechnungen werden ausgewertet. Bis zur vollständigen Ausbreitung der Vorspannkraft
121

σ cp

(a) Referenzsystem (b) Zentrische Vorspannung σcp = −5MPa

FP

(c) Neigung der Querkraftbewehrung α = 45° (d) Berücksichtigung der Spanngliedverankerung

Abb. 7.7: Hauptdruckspannungen im Auflagerbereich des Balkenstegs Q1 für verschiedene


Randbedingungen im Zustand II

im Querschnitt kommt es hierbei jedoch zu einer Erhöhung der Schubbeanspruchung im


Gurtanschnitt. Daher können die Ergebnisse mit konzentrierter Spannkrafteinleitung nicht
unmittelbar mit denen der anderen Berechnungen verglichen werden.
Die Neigungsänderung der Querkraftbewehrung im Steg führt zu einer Reduktion der
erforderlichen Umlagerung der Hauptdruckspannungsrichtung im Auflagerbereich des Steg-
querschnittes beim Übergang vom ungerissenen Zustand I in den gerissenen Zustand II. Dies
kann darauf zurückgeführt werden, dass durch die in diesem Bereich affin zum Hauptzugspan-
nungsverlauf eingebaute Querkraftbewehrung die Aufnahme der bei Rissbildung freiwerdenden
Zugspannungen mit geringeren Hauptspannungsrotationen möglich ist (siehe Abbildung 7.7(c)).
Leonhardt und Walther stellten in [58] fest, dass der unter Zugspannungen stehende Bereich der
Druckplatte im Auflagerbereich durch den Einbau von unter 45° geneigten Schubaufbiegungen
der Längsbewehrung im Steg reduziert wird. Diese Beobachtung bestätigt das Ergebnis der
hier durchgeführten Berechnung. Der gezogene Bereich der Druckplatte, der sich bis zu einer
Entfernung von etwa 1,5 · d vom Endauflager ins Feld erstreckt, ergibt sich aus dem Versatz-
maß und kann auch in den hier untersuchten Balkenquerschnitten beobachtet werden (siehe
beispielsweise Abbildungen 6.6(d) und 6.7(b-c)). Durch die rechnerische Berücksichtigung einer
schräg eingebauten Querkraftbewehrung wird diese Bereichslänge ebenfalls reduziert.
122 7 Sensitivitätsanalyse

Durch das Aufbringen einer zentrischen Vorspannung verbleibt der Querschnitt länger im
ungerissenen Zustand I. Insbesondere im Endauflagerbereich, der nicht durch Biegemomente
beansprucht wird, begünstigt dies den Lastabtrag innerhalb des Stegquerschnitts. In Abbildung
7.7(b) sind die Auswirkungen einer zentrischen Vorspannung von σcp = −5MPa auf die
Hauptdruckspannungsverteilung im Steg dargestellt. Die schematische Darstellung in Form
eines Stabwerkmodells veranschaulicht den Lastabtrag und belegt die mit der Vorspannung
verbundene Reduktion des Versatzmaßes.
Das Ergebnis der rechnerischen Berücksichtigung einer konzentrierten Spannkrafteinleitung
in Bezug auf die Verteilung der Hauptspannungen im Auflagerbereich ist in Abbildung 7.7(d)
dargestellt. Der positive Effekt der zentrischen Vorspannwirkung überlagert sich hier mit der
Ausbreitung der Vorspannung im Querschnitt. Dies wird insbesondere bei einer Auswertung der
Schubspannungsverteilung im Gurtanschnitt deutlich.
In Abbildung 7.8 sind die Schubspannungsverläufe für die verschiedenen Randbedingungen
über die Bauteillänge dargestellt. Zum Vergleich sind die linear-elastisch ermittelten Schubspan-
nungen nach Technischer Biegelehre und linearer Elastizitätstheorie mit aufgetragen. Es ist zu
erkennen, dass es sich bei den beiden Fällen der Schubspannungsermittlung am Faltwerk nach
linear-elastischer Berechnung (FW linear) und nichtlinearer Berechnung (FW nichtlinear) um
Grenzfälle im Hinblick auf das Versatzmaß handelt. Durch die Berücksichtigung einer schiefen
Bewehrung oder einer Vorspannung kommt es zu einer Annäherung der Spannungsverläufe. Die
hohen Schubspannungen auf den ersten etwa 80cm bei Berücksichtigung der konzentrierten
Spannkrafteinleitung sind der beschriebenen Ausbreitung der Vorspannkraft im Querschnitt
geschuldet und bei der Planung eines Bauteils gesondert zu berücksichtigen.
Die Entwicklung der Beanspruchungen innerhalb der Gurtanschlussfuge wird vom Tragver-
halten des Stegs beeinflusst. Unter der Voraussetzung der Gültigkeit eines parallelgurtigen
Fachwerkmodells für den Steg stellt das von Badawy und Bachmann mit dem Flanschfachwerk-
Modell vorgeschlagene Versatzmaß von etwa 1,0 · d einen oberen Grenzwert dar. Im Rahmen
der durchgeführten Simulationsrechnungen wird gezeigt, dass die Berücksichtigung einer an
den Hauptzugspannungsverlauf angepassten Querkraftbewehrung das Versatzmaß reduziert.
Aus einer zusätzlichen Vorspannwirkung resultiert zwar gegebenenfalls ein flacherer Druckstre-
benwinkel im Stegfachwerk, was theoretisch zu einer Vergrößerung des Versatzmaßes im
Auflagerbereich führt, dies wird jedoch dadurch kompensiert, dass der Querschnitt in einem
größeren Bereich im ungerissenen Zustand I verbleibt.
123

10
Balken FW linear
FW nichtlinear FW nichtlinear 45° Qbew
7,5 FW nichtlinear -3,5MPa FW nichtlinear -5MPa
FW nichtlinear Spannkrafteinl.
τ [MPa]

5 Versatzmaß

2,5

0
0 1 2 3 L [m] 4 5 6 7

Abb. 7.8: Rechnerischer Schubspannungsverlauf im Gurtanschnitt im Zustand II für verschiedene


Randbedingungen

7.4 Einfluss der Belastungsart


Das Rissverhalten der untersuchten Balken wird in Bezug auf den Ort der Rissentstehung
und die Rissentwicklung von den konzentriert eingeleiteten Pressenkräften beeinflusst. Dieser
Zusammenhang wird in Kapitel 6.2.1 ausführlich beschrieben. Im Rahmen experimenteller
Untersuchungen an Balken aus Stahlbeton und Spannbeton sind solche lokalen Effekte nahezu
unvermeidbar. Die Beanspruchung von Versuchsbalken durch Einzellasten stellt den Regelfall
bei zerstörenden Bauteilversuchen dar, da die Aufbringung gleichmäßig verteilter Lasten mit
großen technischen Schwierigkeiten verbunden ist und einen erheblichen Mehraufwand darstellt.
Mit der FEM ist es möglich, die Auswirkungen geänderter Laststellungen auf das Trag-
verhalten vergleichend zu untersuchen. Für weit gespannte Tragwerke aus Beton stellt das
Eigengewicht bereits einen hohen Anteil der Gesamtlasten dar. Im Fall von Brückenbauwerken
liegt der Eigengewichtsanteil in der Regel etwa bei 70%. Hierbei handelt es sich um relativ gleich-
mäßig verteilte Lasten, die rechnerisch in Form von Linien- oder Flächenlasten berücksichtigt
werden.
Im Folgenden werden daher die Auswirkungen einer Umstellung der Belastungsart von kon-
zentrierten Punktlasten in den Drittelspunkten des Systems auf eine Linienbelastung untersucht.
Hierbei erfolgt der Austausch der zwei Punktlasten der 4-Punkt-Biegeversuche gegen eine
Linienlast, die im Mittelbereich zwischen den ursprünglichen Einzellasten angeordnet wird (siehe
Abbildung 7.9). Durch diese Lastkonfiguration ist es möglich, den rechnerischen Rissentste-
hungsprozess in den jeweils 2m langen Randbereichen des Trägers (zwischen Auflager und dem
Beginn der Lasteinleitung) bei unveränderter Schnittgrößenverteilung in diesen Bereichen zu
untersuchen.
Ausgewertet werden die Rissentstehung und die rechnerische Spannungsverteilung in der
124 7 Sensitivitätsanalyse

P P
p=2P/2m

2,0 2,0 2,0

[m]

-
+ V

Abweichung vom Q1, Q2 Schnittgrößenverlauf

M
+

Abb. 7.9: Ersatz der Punktlasten durch annähernd äquivalente Linienlast

Gurtanschlussfuge. Die rechnerische Bruchlast ist hier nicht Gegenstand der Untersuchung, da
eine Vergleichbarkeit durch die absolut geänderten Schnittgrößen in Feldmitte nicht gegeben
ist.
In Abbildung 7.10 sind Beanspruchung und Ort der Erstrissbildung in der Gurtplatte darge-
stellt. Es ist zu erkennen, dass die Rissbildung bei geänderter Laststellung nun vom Ort der
theoretisch maximalen Hauptzugspannung ausgeht und sich mit zunehmender Belastung zur
Mitte des Balkens hin ausbreitet. Durch die Berücksichtigung einer Linienlast im Mittelbe-
reich des Plattenbalkens wird die Störwirkung infolge der Lasteinleitung nahezu ausgeschaltet.
Die Rissrichtung wird, wie im Versuch und in der Simulation mit konzentrierten Einzellasten
beobachtet, mit zunehmender Biegelängsdruckkraft im Gurt flacher. Auf einer Länge von
etwa 1,0 · d vom Auflager in Richtung Feldmitte werden auch hier Zugdehnungen innerhalb
der Druckplatte nachgewiesen. Abbildung 7.11 zeigt die rechnerische Entwicklung der Schub-
und Hauptzugspannungen innerhalb der Gurtanschlussfuge. Das Versatzmaß und der Ort der
wahrscheinlichen Erstrissbildung sind hier ebenfalls gut erkennbar.
Die Ergebnisse der Berechnungen mit dem CDP-Modell liefern im Hinblick auf das wahrschein-
liche Rissverhalten ein vergleichbares Bild. In Abbildung 7.12 sind die plastischen Dehnungen
innerhalb der Gurtplatte unmittelbar nach deren Auftreten für die beiden Fälle Punktlast und
Linienlast dargestellt. Bei dieser Berechnung ist die Linienlast entsprechend Abbildung 7.12(b)
über die volle Feldlänge von 3m berücksichtigt. Es ist zu erkennen, dass die konzentrierte
Lasteinleitung im Bereich der Pressenansatzpunkte für den Ort der Rissentstehung im Versuch
verantwortlich war. Die Berücksichtigung der linienförmigen Belastung über dem Steg führt auch
in diesem Modell zu einer deutlichen Reduktion des durch die Lasteinleitung hervorgerufenen
125

Steg
p = 476 kN/m

(a)

Draufsicht Gurt
p = 370 kN/m

(b)

Draufsicht Gurt
p = 392 kN/m

(c)

Draufsicht Gurt
p = 476 kN/m
41°

23°

(d)

Abb. 7.10: Rissentwicklung im Druckgurt im Rahmen der FE-Simulation, Linienlast in Feldmitte

Störbereichs.
126 7 Sensitivitätsanalyse

7,5 3,5
Balken Linienlast p:
Erstriss
Faltwerk linear elastisch 3 224 kN/m
Faltwerk nichtlinear 2,5 364 kN/m
5
370 kN/m

σ I [MPa]
τ [MPa]

2
387 kN/m
1,5
2,5
1
0,5
0 0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
L [m] L [m]

(a) Schubspannungen (b) Hauptzugspannungen (Faltwerk nichtlinear)

Abb. 7.11: Spannungsverläufe im Gurtanschnitt zwischen Trägerende und Balkenmitte

Gurt

Steg

(a) Punktlast

Gurt

Steg

(b) Linienlast

Abb. 7.12: Rissbildungsbeginn im Gurtanschnitt für unterschiedliche Belastungsarten mit dem


CDP-Modell (ABAQUS)

7.5 Einfluss des Anschlussbewehrungsgrades


Auf Basis der Bewehrungsverteilung des Versuchsbalkens Q2 wird der Gurtanschlussbewehrungs-
grad im Rahmen der Modellrechnungen variiert. Hierbei erfolgt jeweils eine Grenzfallbetrachtung.
Als oberer Grenzfall dient der Versuch Q2 mit der vorhandenen Bewehrung im Rahmen der ex-
perimentellen Untersuchungen. Als unterer Grenzfall wird der Stegquerschnitt ohne Gurtplatten
nachgerechnet.
In beiden Modellen hat die schrittweise Erhöhung des Anschlussbewehrungsgrades im Rahmen
der Simulation eine traglaststeigernde Wirkung. Ab einem Bewehrungsgrad von etwa ρ ≥ 0,3%,
127

700 ρGurt = 0,45% (Q2)


600 582
532

Pressenkraft [kN]
500 504
448
400
336 308
300
ρGurt =
200 0,11% ; 0,18%;
0,23%; 0,27%;
100 0,34%
Steg
0
0 30 60 90
Verformung [mm]

Abb. 7.13: Auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie (SOFiSTiK ) ermittelte


Last-Verformungskurven für unterschiedliche Gurtanschlussbewehrungsgrade

dies entspricht etwa 70% der Gurtanschlussbewehrung des Versuchsbalkens Q2, kann bei beiden
Modellen keine nennenswerte weitere Traglaststeigerung beobachtet werden, da die Versagensart
Biegedruckbruch maßgebend wird.
In Abbildung 7.13 sind die Ergebnisse der Simulationsrechnungen auf Basis der nichtlinearen
Elastizitätstheorie mit dem Programmsystem SOFiSTiK dargestellt. Wird der Steg allein be-
trachtet, so kommt es bei einer Pressenlast von etwa 308kN zum rechnerischen Biegedruckbruch.
Die Nachrechnung des Plattenbalkens mit einer sehr geringen Anschlussbewehrung oder gar
ohne Anschlussbewehrung ist nicht möglich. Hierbei kommt es unmittelbar mit dem Aufreißen
des Gurtanschnitts zum rechnerischen Systemversagen aufgrund zu großer Dehnungen. Dies gilt
auch dann, wenn die Stegtragfähigkeit ohne Gurtplatte noch nicht erreicht ist. Durch Abschalten
des Abbruchkriteriums bei zu großen Dehnungen ist es zwar möglich weitere Laststufen zu
berechnen, die Restkräfte im Gurtanschnitt steigen aber unmittelbar mit dem Aufreißen der
Platte stark an. Die so ermittelten Ergebnisse sind folglich technisch nicht verwertbar.
Die Prüfung der Restkräfte ist insbesondere bei gering bewehrten Gurtscheiben, bei denen
ein Versagen infolge einer Überbeanspruchung der Anschlussbewehrung erfolgt, erforderlich
und wird hier als Abbruchkriterium in Abhängigkeit des elementbezogenen Bewehrungsgehalts
entsprechend den Angaben in Kapitel 6.2.1 berücksichtigt.
Die Anwendung des CDP-Modells ermöglicht auch die rechnerische Untersuchung des
Plattenbalkenquerschnitts ohne Gurtanschlussbewehrung. Hierbei ist in Abbildung 7.14(a)
zu erkennen, dass sich die Steifigkeit bis zum Aufreißen des Gurtanschlusses wie bei den
übrigen Rechnungen an den Querschnitten mit bewehrter Gurtplatte verhält. Mit dem Übergang
des Anschnittes in den gerissenen Zustand II kommt es zu einem schlagartigen Versagen des
Gurtanschlusses. Die Systemtraglast ist jedoch erst mit dem Versagen des Stegquerschnitts
128 7 Sensitivitätsanalyse

700 ρGurt =0,45% (Q2) 700

600 600 585


Pressenkraft [kN]

Pressenkraft [kN]
500 500 552
436
400 400

300 300 323


ρGurt =
200 0,05% - 200
ρGurt = 0% 0,4%
100 100
Steg
0 0
0 30 60 90 120 0 30 60 90 120
Verformung [mm] Verformung [mm]

(a) Querkraftbewehrung wie im Versuch Q2 (b) ohne Querkraftbewehrung im reinen Biegebereich

Abb. 7.14: Auf Basis des CDP-Modells (ABAQUS) ermittelte Last-Verformungskurven für
unterschiedliche Gurtanschlussbewehrungsgrade

erreicht. Ein solches Tragverhalten wäre auch in einem Realversuch zu erwarten.


In Abbildung 7.14(a) fällt auf, dass für den Stegquerschnitt im Vergleich zur Berechnung
nach nichtlinearer Elastizitätstheorie eine um etwa 40% erhöhte Systemtraglast errechnet
wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es im dreidimensionalen CDP-Modell durch die
Querkraftbewehrung (Querkraftbewehrungsgrad ρ = 1,13%) zu einer Umschnürungswirkung
der Biegedruckzone kommt. Hierbei wird in der Simulation eine deutliche Erhöhung der uni-
axialen Betondruckfestigkeit in diesem Bereich ermittelt. Zum Vergleich sind in Abbildung
7.14(b) die Ergebnisse von zwei Rechnungen ausgewertet, bei denen im Rechenmodell auf eine
Querkraftbewehrung im nur durch Biegemomente beanspruchten Mittelbereich des Trägers
verzichtet wird. Durch die fehlende Umschnürungswirkung im CDP-Modell erfolgt der rechneri-
sche Biegedruckbruch des Stegquerschnitts nun in beiden Rechenmodellen auf vergleichbarem
Lastniveau. Auf die rechnerische Systemtraglast des Plattenbalkenquerschnitts hat die geänderte
Stegbewehrung keinen nennenswerten Einfluss.

7.6 Einfluss der Betonzugfestigkeit


Die Höhe der mittleren Betonzugfestigkeit in biegebeanspruchten Bauteilen ist entscheidend
für den Zeitpunkt der Erstrissbildung, die Ausdehnung der gerissenen Bereiche in Bauteil-
längsrichtung, die damit verbundene Systemsteifigkeit und folglich auch für die Größe der
Verformungen bei gegebener Beanspruchung. Die Bemessung auf Querschnittsebene im GZT
nach DIN EN 1992 [18–20] erfolgt unter der Annahme gerissener Querschnitte. Die Höhe der
129

700
140
600
120 Einfluss auf die
Pressenkraft [kN]

Pressenkraft [kN]
500 Zugversteifung
100 zwischen den Rissen
400
80
300 60
FEM 1,0 x fct Beginn der FEM 1,0 x fct
200 40
FEM 0,5 x fct Biegeriss- FEM 0,5 x fct
100 bildung
siehe (b) FEM 0,0 x fct 20 FEM 0,0 x fct
Versuch Q4 Versuch Q4
0 0
0 30 60 90 0 5 10 15
Verformung [mm] Verformung [mm]

(a) Gesamtdarstellung (b) Ausschnitt

Abb. 7.15: Auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie (SOFiSTiK ) ermittelte


Last-Verformungskurven für unterschiedliche Betonzugfestigkeiten

Betonzugfestigkeit hat danach bei schubbewehrten Bauteilen keinen direkten Einfluss auf die
Höhe des rechnerischen Tragwiderstands.
Im Rahmen einer nichtlinearen Systemanalyse mit der FEM ist die Vorgabe einer Betonzugfes-
tigkeit jedoch erforderlich. Im Folgenden werden die Auswirkungen einer in den Rechenmodellen
angesetzten verminderten Betonzugfestigkeit auf die Ergebnisse der Simulationsrechnungen
ausgewertet. Hierzu wird der Versuchsträger Q2 jeweils mit der vollen und der halben mittleren
Betonzugfestigkeit nachgerechnet.
In Abbildung 7.15 sind die Ergebnisse der Simulation auf Grundlage der nichtlinearen
Elastizitätstheorie mit dem Programmsystem SOFiSTiK dargestellt. Es ist zu erkennen, dass
die unterschiedlichen Vorgaben der Betonzugfestigkeit im Modell einen Einfluss auf den
Zeitpunkt der Erstrissbildung und die zugversteifende Wirkung zwischen den Rissen nach
Abschluss der Rissbildung haben. Die Verformungen des Balkens werden durch die Abminderung
der Betonzugfestigkeit bei gleicher Pressenlast geringfügig erhöht. Eine Auswirkung auf die
rechnerische Systemtraglast kann nicht beobachtet werden.
Die Ergebnisse der Simulationsrechnungen auf Basis des CDP-Modells weisen eine deut-
lich größere Abhängigkeit von der angesetzten Betonzugfestigkeit auf. Neben dem Last-
Verformungsverhalten wird auch die erreichbare Traglast durch die Variation beeinflusst. In
Abbildung 7.16 sind die Ergebnisse der durchgeführten Rechnungen am Beispiel des Balkens Q2
dargestellt. Die Reduktion der Betonzugfestigkeit führt nach (3.11) zu einer Abminderung der
Bruchenergie GF im gleichen Verhältnis (siehe Abbildung 7.16(a)). Im Rahmen einer weiteren
Rechnung wird diese durch Anpassung des abfallenden Astes der Spannungs-Rissöffnungs-
Beziehung etwa konstant gehalten. Das Ergebnis und die verwendete Spannungs-Rissöffnungs-
130 7 Sensitivitätsanalyse

700 700

600 600
∆≈5%
∆≈20%

Pressenkraft [kN]
Pressenkraft [kN]

500 500

400 400
3 σct [MPa] 3 σct [MPa]
300 GF (fct=3) 300 GF (fct=3)
1,5 = 2 GF (fct=1,5) 1,5 = GF (fct=1,5)
200 200
wc=0,18 wc=0,18
100 0 100 0
0 w [mm] 0,2 0 w [mm] 0,2
0 0
0 30 60 90 120 0 30 60 90 120
Verformung [mm] Verformung [mm]

(a) Bruchenergie GF reduziert (b) Bruchenergie GF konstant

Abb. 7.16: Auf Basis des CDP-Modells (ABAQUS) ermittelte Last-Verformungskurven für
unterschiedliche Betonzugfestigkeiten

Beziehung können Abbildung 7.16(b) entnommen werden.


Im vorliegenden Fall führt die gleichmäßige Abminderung von Betonzugfestigkeit und
Bruchenergie zu einer um etwa 20% verminderten Systemtraglast. Unter Beibehaltung der
Bruchenergie ist der Einfluss der reduzierten Betonzugfestigkeit deutlich geringer. Die Abmin-
derung der rechnerischen Systemtraglast beträgt nur etwa 5%. Hegger und Herbrand stellten
bei der Nachrechnung schubbeanspruchter Spannbetonträger in [38] unter Variation der Beton-
zugfestigkeit zwischen 1,6MPa und 3,1MPa und konstanter Bruchenergie eine vergleichbare
Auswirkung auf die rechnerische Systemtraglast fest.
Die rechnerischen Auswirkungen der unterschiedlichen Betonzugfestigkeiten können auf die
gegenseitige Beeinflussung von Druck- und Zugtragfähigkeit im CDP-Modell zurückgeführt
werden. Diese bewirkt neben der Abminderung der Zugfestigkeit auch eine Reduktion der
Betondruckfestigkeit in gerissenen Elementen.

7.7 Zusammenfassung
Die Abminderung der Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der vorhandenen Querdehnung
nach unterschiedlichen Ansätzen (siehe Tabelle 7.1) führt in den Modellrechnungen nur dann
zu einer Reduktion der Systemtraglast, wenn der Druckbruch der schiefen Betondruckstrebe
im Gurt die maßgebende Versagensart darstellt. Eine Beeinträchtigung der Tragfähigkeit der
Biegedruckzone wird aufgrund der Lokalisierung der Schädigung im Anschnitt zum Steg im
Rahmen der Modellrechnungen nicht festgestellt.
131

Das von Badawy und Bachmann aus dem Flanschfachwerk-Modell abgeleitete Versatzmaß
zur Bemessung des schubfesten Gurtanschlusses wird im Rahmen der hier durchgeführten
Simulationsrechnungen bestätigt. Der beobachtete Versatz steht in direktem Zusammenhang mit
dem Tragverhalten des Stegquerschnitts im Auflagerbereich und kann durch eine entsprechende
Bewehrungsführung oder die Aufbringung einer Vorspannung reduziert werden.
Das Trag- und Rissverhalten der untersuchten Plattenbalkenquerschnitte wird wesentlich
durch die Art der Lasteinleitung beeinflusst. So kann die Lage der im Rahmen der Versuchs-
durchführung dokumentierten Erstrissbildung auf die konzentrierten Pressenkräfte zurückgeführt
werden. Durch die Umstellung auf eine Linienlast im Rechenmodell, die für die Randbereiche der
Balken identische Beanspruchungen zur Folge hat (siehe Abbildung 7.9), wird dieser Sachverhalt
bestätigt. Die Erstrissbildung geht nun vom Ort der nach linearer Elastizitätstheorie maximalen
Hauptzugspannungen aus.
Mit zunehmendem Bewehrungsgrad der Gurtanschlussbewehrung kann die Systemtragfähig-
keit sukzessive gesteigert werden. Einen unteren Grenzwert stellt dabei die Tragfähigkeit des
Querschnittes ohne Gurt dar. Ein oberer Grenzwert ist erreicht, sobald eine andere Versagensart
im System maßgebend wird. Dieses Ergebnis erscheint auch vor dem Hintergrund des in Kapitel
5.3 beschriebenen Tragverhaltens der Gurtquerschnitte plausibel.
Eine Abhängigkeit der Systemtraglast von der Betonzugfestigkeit ist für gerissene Bau-
teile mit ausreichender Querkraftbewehrung im Allgemeinen nicht zu erwarten und wird bei
den Rechnungen auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie auch nicht festgestellt. Die
beobachtete Abhängigkeit im CDP-Modell ist vermutlich auf die durch das Materialmodell
bedingte Druckentfestigung in Bereichen unter kombinierten Druck-Zug Spannungszuständen
zurückzuführen.
Insgesamt werden insbesondere mit dem FE-Modell auf Grundlage der nichtlinearen Elastizi-
tätstheorie (SOFiSTiK ) gute Übereinstimmungen mit den dokumentierten Versuchsergebnissen
und plausible Ergebnisse im Rahmen der Sensitivitätsanalysen erzielt. Eine Schwäche des
Modells zeigt sich bei der Berechnung sehr gering oder gar nicht bewehrter Gurtanschlüsse.
Für letzteren Fall ist eine realitätsnahe Ermittlung der Systemtraglast nur möglich, wenn die
Belastung, die zur Erstrissbildung im Gurtanschnitt führt, oberhalb der Stegtraglast liegt. Für
die praktische Anwendung ist dies jedoch von untergeordneter Bedeutung.
132 7 Sensitivitätsanalyse
Kapitel 8

Modellverhalten unter Berücksichtigung


von Strukturabmessungen des
Brückenbaus

8.1 Allgemeines

Bei den bislang betrachteten Bauteilversuchen an Plattenbalkenquerschnitten trifft die Bernoulli-


Hypothese einer linearen Dehnungsverteilung theoretisch nur in sehr kleinen Bereichen zu (siehe
Abbildung 2.4). Auf die Auswirkungen der Diskontinuitätsbereiche auf die Versuchsergebnisse
wurde in den Kapiteln 6.2.1 und 7.3 ausführlich eingegangen. Darüber hinaus wurde in Kapitel
7.4 gezeigt, dass eine Reduktion der Störbereiche im Mittelbereich der Versuchsträger durch
Änderung der Lasteinleitung im Rechenmodell zu einem anderen Rissverhalten in Bezug auf
den Ort der Erstrissbildung führt. Dieser kann mithilfe der nach linearer Elastizitätstheorie
berechneten Hauptzugspannungsverteilung ermittelt werden.
Betonbrücken weisen in der Regel eine deutlich größere Schlankheit als die betrachteten
Bauteilversuche auf und sind zu einem wesentlichen Anteil durch gleichmäßig verteilte Lasten
beansprucht. Die Bernoulli-Hypothese ist in weiten Teilen des Längssystems üblicher Brü-
ckentragwerke gültig. Um die Auswirkungen des veränderlichen Längsspannungszustandes in
diesen Bereichen zu überprüfen, erfolgt die Übertragung des Modells auf Systeme mit üblichen
Brückenabmessungen und Hohlkastenquerschnitt.
Das Tragverhalten der Bodenplatte innerhalb eines Referenzquerschnittes mit für den
Brückenbau typischen Abmessungen wird nachfolgend umfassend untersucht. Durch die an-
schließende Variation einzelner das Tragverhalten beeinflussender Parameter soll eine möglichst
große Bandbreite relevanter Randbedingungen erfasst werden.
134 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

Linienlast
D-Bereiche

2h h

Einzellast 20
D-Bereiche
2h 2h h

50 50

asl,O
Referenzquerschnitt asq,O
bkr=3 bi=6,67 bkr=3
(Strukturmodellierung)

asl,W hf,O=0,45

h=3,5
bw=0,5 asq,W asl,U bw
as,GA

hf,U=0,35 [m]

Abb. 8.1: Hohlkasten Referenzsystem mit Querschnittsabmessungen, Belastung, D-Bereichen und


schematischer Darstellung der Strukturmodellierung

8.2 Referenzsystem und Einwirkungen

Das den Simulationsrechnungen zugrunde liegende Referenzsystem ist in Abbildung 8.1 dar-
gestellt. Es handelt sich um einen Zweifeldträger mit Einzelstützweiten von jeweils 50m. Der
Querschnitt des einzelligen Hohlkastens wird vereinfachend ohne Berücksichtigung veränderlicher
Fahrbahn- beziehungsweise Bodenplattendicken modelliert.
Es werden zwei unterschiedliche Belastungsarten untersucht. Zum einen erfolgt die Lastein-
leitung konzentriert im Feldbereich durch symmetrische Anordnung von Einzellasten auf den
beiden Stegen des einzelligen Kastenquerschnitts, zum anderen wird eine gleichmäßig verteilte
Belastung berücksichtigt. Durch Letztere sollen die Beanspruchungsverhältnisse realer Bauwerke
besser abgebildet werden. Die Anordnung der Linienlasten erfolgt ebenfalls symmetrisch in den
Stegachsen.
Durch die im Vergleich zu den bislang nachgerechneten Versuchsträgern hohe Schlankheit
des Referenzsystems behält die Bernoulli-Hypothese unabhängig von der Belastungsart in weiten
Teilen des Längssystems ihre Gültigkeit. Gleichzeitig werden die D-Bereiche im Verhältnis zur
Gesamtlänge des Bauwerks kleiner als bei üblichen Bauteilversuchen (vergleiche Abbildungen
8.1 und 2.4). Es ist daher möglich, den Einfluss der Interaktion aus der veränderlichen Biegebe-
anspruchung des Längssystems und der Schubbeanspruchung innerhalb des Gurtanschlusses
über große ungestörte Bereiche zu untersuchen und die Entwicklung des Tragverhaltens unter
ansteigender Belastung in diesen Bereichen zu beschreiben.
135

Die den Berechnungen zugrunde liegenden wesentlichen Materialkennwerte und die Beweh-
rungsverteilung können Tabelle 8.1 entnommen werden. Eine schematische Darstellung der
Verlegerichtungen und Bezeichnungen der einzelnen Bewehrungspositionen ist in Abbildung
8.1 enthalten. Zur Aufnahme der großen Biegebeanspruchungen werden hohe Längsbeweh-
rungsgrade in den Gurtscheiben des zunächst nicht vorgespannten Längssystems erforderlich.
Innerhalb der Bodenplatte wird diese hohe Längsbewehrung nur in der Biegezugzone vorgesehen.
Auswirkungen auf das rechnerische Tragverhalten des Druckgurtes im Stützbereich sollen auf
diese Weise ausgeschlossen werden.

Tab. 8.1: Materialkennwerte und Bewehrungsanordnung

Beton fcm c1 fct Ec


[MPa] [ ‰] [MPa] [MPa]
C40/50 48 2,2 2,46 37978

Betonstahl fyk ft u Es
[MPa] [MPa] [ ‰] [MPa]
B500B 500 540 50 200000

Ort Bezeichnung Bewehrung Lage ρ


[oben/unten]
[cm2 /m] [innen/außen] [%]
Bodenplatte as,GA 20 o+u 1,14
asl,U 100 o+u 5,7
Steg asq,W 60 i+a 2,4
asl,W 5 i+a 0,2
Fahrbahnplatte asq,O 20 o+u 0,89
asl,O 150 o+u 6,67

8.3 Tragverhalten der Bodenplatte


Nachfolgend wird das Tragverhalten der Bodenplatte im Modell als Zug- und Druckgurt unter
Punkt- beziehungsweise Linienlasten für das Referenzsystem ausgewertet. Zunächst erfolgt eine
Beschreibung des Rissverhaltens und der damit verbundenen Spannungsverteilungen im Bereich
des Gurtanschnittes. Aus den ermittelten Hauptspannungsverteilungen wird ein Stabwerkmodell
entwickelt, das den Kraftfluss innerhalb der Bodenplatte möglichst wirklichkeitsnah beschreiben
soll. Ausgehend von der ursprünglichen Geometrie und Bewehrungsverteilung des Referenzsys-
tems werden im Anschluss daran einzelne Parameter variiert und deren Auswirkungen auf das
Tragverhalten untersucht.
136 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

20 P1 bis P5

-
+ 15
50
[m]

P1=5600kN

P2=9800kN

P3=18200kN

P4=24500kN
43,

38,7

27,9°

16,4°

13,3°
22,7°
33°

P5=28000kN

Abb. 8.2: Rechnerisch wahrscheinliche Rissentwicklung in der Bodenplatte für die Punktlasten P 1
bis P 5

8.3.1 Rissverhalten und Spannungsverteilung

In den Abbildungen 8.2 und 8.3 ist die rechnerisch wahrscheinliche Rissentwicklung innerhalb
der Bodenplatte des Referenzsystems für die unterschiedlichen Belastungsarten dargestellt. In
beiden Fällen stellen sich zunächst erste Biegezugrisse im Feld ein. Bei weiterer Laststeigerung
kommt es zu einer Ausdehnung der gerissenen Bereiche in Bauwerkslängsrichtung. Gleichzeitig
kann bereits im Zuggurt eine immer flacher werdende Rissneigung im Anschnitt vom Gurt
137

an den Steg beobachtet werden. Im gezogenen Bereich kommt es in Querrichtung zu einem


vollständigen Aufreißen der Gurtscheibe. Im Druckbereich lokalisiert sich die Rissbildung mit
zunehmender Längsdruckkraft im Bereich des Steganschnitts.
Die Entwicklung der rechnerischen Betonstahlspannungen und der Schubspannungen im
Gurtanschnitt als Ergebnis der nichtlinearen FE-Berechnung sowie die daraus resultierenden nach
(8.1) ermittelten Druckstrebenwinkel sind in Abbildung 8.4 dargestellt. Die Spannungen in der
verschmiert eingelegten Betonstahlbewehrung sowie die Schubspannungen im Anschnitt werden
zur Ermittlung des Druckstrebenwinkels immer je laufenden Meter Gurtanschlussfugenlänge
berücksichtigt. Für die Auswertungen unter Punktlasten sind die D-Bereiche mit D und die

Biegebereiche, in denen die Bernoulli-Hypothese gilt, mit B gekennzeichnet. Der mit der
Querkraftbeanspruchung korrespondierende Schubspannungsverlauf entspricht im gerissenen
Zustand II qualitativ dem Verlauf im Zustand I. Um die Größe der Spannungen realitätsnah zu
erfassen ist jedoch die rechnerische Berücksichtigung der Biegerissbildung erforderlich.

σs · as,GA
tan Θ = (8.1)
τ · hf
Eine vereinfachend mit einem konstanten Druckstrebenwinkel durchgeführte Ermittlung der
Spannungen innerhalb der Gurtanschlussbewehrung hätte einen mit den Schubspannungen
korrespondierenden Verlauf zum Ergebnis. Im Rahmen der Modellrechnungen werden jedoch
hiervon signifikant abweichende Spannungsverläufe in der Anschlussbewehrung festgestellt.
Besonders deutlich ist dies für den Fall der einwirkenden Punktlast zu erkennen (siehe Abbildung
8.4(b)). Mit abnehmender Biegezugkraft beziehungsweise zunehmender Biegedruckkraft nehmen
die Spannungen in der Anschlussbewehrung signifikant ab. Diese ist im Rahmen der Simulation
über die komplette Bauwerkslänge mit konstantem Querschnitt in Rechnung gestellt.
Die nach (8.1) ermittelten Druckstrebenwinkel sind für verschiedene Laststufen in den
Abbildungen 8.4(c) und (f) dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Druckstreben mit zuneh-
mender Nähe zum Mittelauflager eine immer flacher werdende Neigung aufweisen. Da eine
eventuell vorhandene Rissreibungskomponente im verwendeten Modell keine Berücksichtigung
findet, stimmt die Neigung der Druckstrebenwinkel mit der Rissneigung überein (vergleiche
mit den Abbildungen 8.2 und 8.3). Eine nennenswerte Rotation der Druckstrebenwinkel in
bereits gerissenen Bereichen mit zunehmender Laststeigerung, die aufgrund der durchgeführten
direkten Berechnung der einzelnen Laststufen ohne Berücksichtigung vorausgegangener Primär-
lastfälle theoretisch möglich wäre, kann nicht beobachtet werden. Es handelt sich folglich um
die natürlichen Risswinkel im Modell ohne Berücksichtigung einer zusätzlichen Rotation im
Zustand II.
Ein Vergleich der rechnerischen Druckstrebenwinkel im Gurtanschnitt auf Basis der Ergebnisse
der nichtlinearen FEM mit den linear-elastisch nach Technischer Biegelehre am Balken bezie-
hungsweise nach linearer Elastizitätstheorie am Faltwerk ermittelten Werte für den Zustand I
zeigt gute Übereinstimmungen in Bereichen großer Längsdruckspannungen. Im Zugbereich
138 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

p1 bis p4

-
+ 12,5

50
[m]

p1=0,8 pEG=226kN/m

p2=1,1 pEG=311kN/m

p3=1,6 pEG=452kN/m

24,5°
31,4
37,1
43,
48,
57

16,6°
,2°

p4=2,0 pEG=565 kN/m

Abb. 8.3: Rechnerisch wahrscheinliche Rissentwicklung in der Bodenplatte für die Linienlasten p1 bis
p4

hingegen sind nicht unerhebliche Rotationen der Druckstrebenwinkel beim Übergang in den
Zustand II erforderlich.
Zum besseren Verständnis des Modelltragverhaltens ist die rechnerische Spannungsentwick-
lung zu Beginn des Rissbildungsprozesses für einen Bodenplattenausschnitt im Feldbereich
in Abbildung 8.5 dargestellt. Im ungerissenen Zustand I erfolgt die Lastausbreitung innerhalb
der Bodenplatte im Wesentlichen über schiefe Hauptzugspannungen, die mit zunehmendem
Biegemoment immer flacher werdende Winkel zur Bauwerkslängsachse einschließen (siehe Ab-
bildung 8.5(b) Laststufe PI ). Mit der Erstrissbildung kommt es örtlich zum Ausfall des Betons
auf Zug und zur Umlagerung der Zugkräfte auf den eingebetteten Betonstahl. Der schubfeste
Anschluss des gerissenen Zuggurtbereichs an den Steg erfolgt nun über die Ausbildung schiefer
Betondruckstreben. Hierbei kommt es zu einer Drehung der Hauptdruckspannungsrichtung im
Vergleich zum ungerissenen Zustand I.
139

6
9 nichtlineare p4
D B D B D 5
nichtlineare FEM
7 4 Techn. Biegelehre p4
Techn. Biegelehre P5 FEM P5
lineare Elastizitätstheorie
5 lineare
P 4 3 p3
p4
Elastizitätstheorie 2 p2
τ [MPa]

τ [MPa]
3 P5 P3
P2 1 p1
1 0
P1
-1 -1 0 10 20 30 40 50
0 10 20 30 40 50
-2
-3
-3
L [m] L [m]
-5 -4

(a) Schubspannungen (Punktlast) (d) Schubspannungen (Linienlast)

500 250
D B D B D obere Lage
untere Lage
400 P5 200
obere Lage p4
P4
untere Lage
300 150
σ [MPa]
σ [MPa]

P3
200 P2 100

100 P1 50
p1 p2 p3
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(b) Betonstahlspannungen der Gurtanschlussbeweh- (e) Betonstahlspannungen der Gurtanschlussbeweh-


rung (Punktlast) rung (Linienlast)

90 Zug Druck 90 Zug Druck


D B D B D
80 80
Druckstrebenwinkel θ [°]

Druckstrebenwinkel θ [°]

lineare lineare
70 Elastizitäts 70 Elastizitäts
60 -theorie 60 -theorie
(LE) (LE)
50 50
Techn. Techn.
40 40 nichtlineare
Biegelehre Biegelehre
nichtlineare FEM
30 (TB) 30 (TB)
FEM P5 p4
20 P1 20
P2 p2 p3
10 P3 P 10
4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(c) Druckstrebenwinkel (Punktlast) (f) Druckstrebenwinkel (Linienlast)

Abb. 8.4: Simulationsergebnisse im Gurtanschnitt der Bodenplatte an den Steg im ersten Feld nach
nichtlinearer Elastizitätstheorie
140 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

Anhand der Spannungsverteilungen (Abbildung 8.5(a) und (b)) ist deutlich zu erkennen, dass
die Aktivierung der gleichmäßig über die Bodenplattenbreite verteilten Biegezugbewehrung über
schiefe Betondruckstreben mit der Entstehung eines Versatzmaßes in Bauwerkslängsrichtung
verbunden ist. Die ersten Risse in Feldmitte verlaufen über einen großen Teil der Bodenplat-
te normal zur Bauteilachse und knicken erst im Endbereich zum Gurtanschluss ab. Da ein
Rissreibungsanteil im Modell rechnerisch nicht berücksichtigt wird, kann eine Erhöhung der
Längszugspannungen innerhalb der Biegezugbewehrung in der Bodenplatte nur in Bereichen mit
rechnerischer Schrägrissbildung stattfinden. Dieser Zusammenhang ist auch deutlich an der Ver-
teilung der Schubspannungen nach dem Übergang der Bodenplatte in den gerissenen Zustand II
zu erkennen. Mit einsetzender Rissbildung konzentrieren sich die Schubspannungen zunächst
im Bereich des Gurtanschnitts und breiten sich mit zunehmendem Rissfortschritt über die
Gurtplattenbreite aus. In Abbildung 8.5 sind die Übergänge vom ungerissenen in den gerissenen
Bereich für die einzelnen Laststufen schematisch dargestellt. Die Hauptzugspannungen schließen
mit dem Übergangsbereich zum gerissenen Abschnitt der Bodenplatte einen Winkel von 90°
ein. Infolge des Versatzmaßes weicht diese Richtung jedoch von der ursprünglichen Richtung
innerhalb der noch ungerissenen Bodenplatte ab. Aufgrund der kontinuierlichen Einleitung von
Schubkräften in den Anschnitten zu den Stegen kann eine allmähliche Drehung der Hauptspan-
nungsachsen in den noch ungerissenen Bereichen beobachtet werden. Erst mit dem Übergang
in den gerissenen Zustand II bei weiterer Laststeigerung wird die Hauptspannungsrichtung im
jeweiligen Bereich fixiert.
Nach Abschluss der kontinuierlichen Laststeigerung bis zum vollständigen Aufreißen des
Gurtanschnittes stellt sich die in Abbildung 8.6(c) exemplarisch für das System mit Punktlast
dargestellte Hauptspannungsverteilung ein. Zum Vergleich ist auch die Spannungsverteilung
nach linear-elastischer Berechnung dargestellt (Abbildung 8.6(b)). Es ist deutlich zu erkennen,
dass die Hauptdruckspannungsrichtungen im Biegedruckbereich der Gurtplatte in Bezug auf
ihre Ausrichtung im Zustand II nicht deutlich vom ungerissenen Zustand I abweichen. Im
Biegezugbereich hingegen kommt es zur beschriebenen Änderung des Betontragverhaltens beim
Übergang in den gerissenen Zustand II.
Das sich einstellende Versatzmaß zur Aktivierung der Längsbewehrung innerhalb der Gurt-
scheibe führt dazu, dass die Bewehrung in Gurtscheibenmitte über eine größere Länge Zug-
spannungen aufweist als die Bewehrung am Anschnitt zum Steg (siehe Abbildung 8.6(d)). Mit
zunehmendem Abstand des betrachteten Querschnitts vom Ort des maximalen Biegemoments
im Feld kommt es infolge des beobachteten Versatzmaßes darüber hinaus zu einer Umkehrung
der Spannungsverteilung innerhalb der Biegezugbewehrung im Gurt. In Feldmitte werden die
größten Zugspannungen in der Längsbewehrung in unmittelbarer Nähe zum Gurtanschnitt an
den Steg ermittelt. Im weiteren Verlauf gleichen sich die Längsbewehrungsspannungen zunächst
an. In der Nähe des Biegemomentennulldurchgangs (Abbildung 8.6 Schnitt A ) sind bereits
keine nennenswerten Längsbewehrungsspannungen im Gurtanschnitt mehr vorhanden, während
141

PI < PII < PIII < PIV

15 Bodenplatten-
ausschnitt

PI
Zustand I

Druck
Zug

63
78

,4°
,7
°
PII
Zustand I

Zustand II

58

58
,6°

°
PIII
57

49,
,1


°

PIV

Versatz

y
44,
51°

x
(a) Schubspannungen τ yx (b) Hauptspannungen (c) Stabwerkmodell

Abb. 8.5: Spannungs- und schematische Rissentwicklung innerhalb der Bodenplatte

in Gurtscheibenmitte noch deutliche Zugspannungen ermittelt werden. Die Längsdruckspannun-


gen im Beton und die Zugspannungen in der Bewehrung stehen im Schnitt A (Abbildung
8.6) miteinander im Gleichgewicht. Die erforderlichen Längsdruckspannungen im Beton zur
Aktivierung der Bewehrung in Gurtscheibenmitte sind eine mögliche Erklärung für die deutlich
von 45° abweichenden Druckstrebenwinkel im Übergangsbereich vom Zug- auf den Druckgurt.
Bacchetta und Bachmann dokumentierten in [2] bei den von ihnen durchgeführten Versuchen
an Plattenbalken mit Zuggurt ebenfalls eine Verschiebung des Dehnungsmaximums innerhalb
der Biegezugbewehrung von der Stegbewehrung im Bereich des betragsmäßig maximalen
Momentes hin zur Gurtbewehrung und führten diese auf das Flanschfachwerk-Modell zurück.
Darüber hinaus beschrieben sie eine zum Trägerende (Kragarm mit Gurt in der Biegezugzone)
hin immer flacher werdende Rissneigung. Diese Beobachtung ist so auch in den Versuchs-
auswertungen von Schieferstein [88] zu finden, deren Versuchsbalken PB1 in Kapitel 6.3 in
guter Näherung nachgerechnet wird (siehe auch Abbildungen 6.24 und 6.25). Die Ergebnisse
der hier durchgeführten Simulationsrechnungen scheinen auch vor diesem Hintergrund das
Tragverhalten realitätsnah zu beschreiben.
142 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

Ein auf Basis der rechnerisch ermittelten Spannungsverteilung entwickeltes Stabwerkmodell


ist in Abbildung 8.6(f) dargestellt. Die in den Rissbildern und der dargestellten Hauptspannungs-
verteilung erkennbare Drehung der Druckstrebenrichtung in Querrichtung wird im Stabwerk-
modell linearisiert. Für die Ermittlung der maßgebenden Beanspruchungen im Gurtanschnitt
hat diese Vereinfachung keine nennenswerten Auswirkungen. Ursächlich für die Drehung der
Hauptspannungsrichtung in Querrichtung des Zuggurts (siehe Abbildung 8.6(c) und (e)) ist die
sukzessive Lasteinleitung in die gleichmäßig über die Gurtbreite verteilte Längsbewehrung. Sie
ist in diesen Bereichen somit abhängig von der tatsächlichen Anordnung der Biegezugbewehrung
im Querschnitt. Die Auswirkungen einer geänderten Bewehrungsverteilung werden im Rahmen
der nachfolgenden Parameterstudie untersucht.
143

20m
A

Momentennulldurchgang

(a) System

65
70

57

33,6

17,9°
,8°

,3°

,6°

°
(b) Hauptspannungsrichtungen (FEM linear-elastisch)
38,9

32,2

24,9°

17,6°
44°

(c) Hauptspannungsrichtungen (FEM nichtlinear)

keine Längsbewehrung
vorhanden

(d) Verteilung der Betonstahlspannungen in Längsrichtung Versatz

(e) idealisierter Druckspannungs- und Rissverlauf


44,

37,9

31,2

24,5°

16,8°

(f) Stabwerkmodell Versatz Druck


Zug

Abb. 8.6: Entwicklung eines Stabwerkmodells für die Bodenplatte nach Abschluss der
Rissentwicklung
144 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

90 Zug Druck 90 Zug Druck


80 80
Druckstrebenwinkel θ [°]

Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70 A1
60 TB 60
LE A1 A2 A2
50 50
R
40 R 40 TB
30 30 LE
20 20
10 10
P5 p4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(a) Punktlast (b) Linienlast

Abb. 8.7: Entwicklung der rechnerischen Druckstrebenneigung in Abhängigkeit vom Anteil der in
den Zuggurt ausgelagerten Bewehrung (vergleiche Tabelle 8.2)

Einfluss der Verteilung der Biegezugbewehrung im Querschnitt

Das Tragverhalten innerhalb des Zuggurtes der Gurtscheibe wird durch das Versatzmaß,
welches sich mit der Rissbildung einstellt, beeinflusst. Im Rahmen der bislang durchgeführten
Simulationsrechnungen mit einer vollständig in den Zuggurt ausgelagerten Biegezugbewehrung
kann ein fließender Übergang der Druckstrebenneigung zwischen Zug- und Druckgurt im Modell
beobachtet werden.
Die Höhe der ausgelagerten Biegezugbewehrung steht im direkten Zusammenhang mit der
Beanspruchung der schiefen Betondruckstreben. Daher ist eine Beeinflussung des Modelltrag-
verhaltens durch die Höhe der in den Gurt ausgelagerten Biegezugbewehrung wahrscheinlich.
Folglich werden die in Tabelle 8.2 aufgeführten Bewehrungsanordnungen untersucht.

Tab. 8.2: Variation des Anteils der in den Zuggurt ausgelagerten Bewehrung

Bezeichnung Bewehrungsanteil im Steg Bewehrungsanteil im Zuggurt Kommentar


[%] [%]
R 0 100 Referenzquerschnitt
A1 50 50
A2 100 0

Die Auswertungen der auf dieser Basis durchgeführten Simulationsrechnungen sind in Ab-
bildung 8.7 dargestellt. Je geringer der Anteil der in den Zuggurt ausgelagerten Bewehrung
an der gesamten Biegezugbewehrung ist, desto stärker nimmt die Größe der rechnerischen
Druckstrebenneigung im Übergangsbereich vom Druck- auf den Zuggurtbereich zu. Für den
145

Grenzfall der vollständigen Anordnung der Biegezugbewehrung im Steg (A2) findet erwartungs-
gemäß keine Schubkraftübertragung in den Zuggurt statt. Die Risswinkel verlaufen über die
komplette Länge des Zuggurtes nahezu rechtwinklig zur Bauwerkslängsachse. Eine signifikante
Auswirkung der Bewehrungsanordnung im Biegezugbereich auf die rechnerisch ermittelten
Druckstreben- beziehungsweise Risswinkel im gedrückten Bereich des Gurtes kann hingegen
nicht festgestellt werden.

Einfluss der Gurtplattenbreite

Die Ausbreitung der Beanspruchungen im Gurt erfolgt allmählich und geht insbesondere im
Druckbereich mit immer flacher werdenden Druckstreben- und Risswinkeln einher. Im Folgenden
wird daher untersucht, ob ein Einfluss des Verhältnisses von Gurtbreite zu Gurtlänge gegeben
ist. Die Untersuchung erfolgt durch eine Variation der Breite des Hohlkastenquerschnittes.
Auf diese Weise kann das statische System mit geringfügigen Anpassungen weiter verwendet
werden. Die im Zuggurt verschmierte Biegezugbewehrung wird in den schmalen Querschnitten
so angepasst, dass der Gesamtbewehrungsquerschnitt erhalten bleibt. In Tabelle 8.3 sind die
untersuchten Geometrien der Bodenplatte zusammengestellt.

Tab. 8.3: Variation der Bodenplattenbreite

Bezeichnung Gesamtbreite Feldlänge/Gesamtbreite Kommentar


[m] [–]
R 6,67 7,5 Referenzquerschnitt
B1 3,33 15
B2 5,00 10
B3 15,00 3,33

Die in Abbildung 8.8 dargestellte Auswertung der Simulationsergebnisse im Gurtanschnitt


lässt keinen nennenswerten Einfluss des Verhältnisses von Gurtbreite zu Feldlänge erkennen. Für
die schmaleren Querschnitte (B1 und B2) werden für den im Zustand II befindlichen Druckbe-
reich geringfügig flachere Druckstrebenwinkel ermittelt. Mit schmaler werdender Gurtbreite
setzt die Rissbildung im Gurtanschnitt des Druckgurtes im Modell jedoch erst auf einem höheren
Lastniveau ein, so dass Abschnitte des Druckbereichs im ungerissenen Zustand I verbleiben. Für
den erheblich breiteren Gurtquerschnitt der Variante B3 werden ebenfalls keine signifikanten
Änderungen der Druckstrebenwinkel festgestellt.
Um dieses Ergebnis auf Plausibilität zu überprüfen, erfolgt ein Vergleich der rechnerisch
ermittelten Neigungswinkel der Hauptdruckspannungen innerhalb des unter Längsdruckspan-
nungen stehenden Bereichs des Gurtes mit den linear-elastisch nach Technischer Biegelehre
ermittelten Werten. Die Berechnung erfolgt hierbei zum einen auf Basis der Querschnittswerte
des jeweiligen Gesamtquerschnitts und zum anderen unter Berücksichtigung der mitwirkenden
Breiten in Anlehnung an die Vorgaben der DIN EN 1992 [18–20]. Der Abstand zwischen den
146 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

90 Zug Druck 90 Zug Druck


80 80

Druckstrebenwinkel θ [°]
Druckstrebenwinkel θ [°]

70 70
60 TB 60 TB
LE
R LE R
50 50
B3
40 B3 40
30 30 R
R
20 20
10 B1 B2 10 B1 B2
P5 p4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(a) Punktlast (b) Linienlast

Abb. 8.8: Entwicklung der rechnerischen Druckstrebenneigung in Abhängigkeit von der


Bodenplattenbreite (vergleiche Tabelle 8.3)

Biegemomentennulldurchgängen l0 wird hierbei entsprechend des tatsächlichen Biegemomen-


tenverlaufs mit l0 = 30m für die Punktlast und mit l0 = 25m für die Linienlast berücksichtigt
(vergleiche Abbildungen 8.2 und 8.3). Die den Berechnungen zugrunde liegenden Werte können
Tabelle 8.4 entnommen werden.

Tab. 8.4: Mitwirkende Breite der Bodenplatte im Stützbereich in Abhängigkeit von der Belastungsart

Bezeichnung Gesamtbreite bef f (Punktlast) bef f (Linienlast) Kommentar


[m] [m] [m]
R 6,67 6,67 6,67 Referenzquerschnitt
B1 3,33 3,33 3,33
B2 5,00 5,00 5,00
B3 15,00 9,00 8,00

Bei der Bodenplatte des Referenzquerschnitts und den untersuchten Varianten B1 und
B2 kann von einer vollständigen Mitwirkung bei der Berechnung am Balkenquerschnitt aus-
gegangen werden. Bei der untersuchten Variante B3 werden die in Tabelle 8.4 aufgeführten
reduzierten mitwirkenden Breiten bei der Spannungsermittlung berücksichtigt. Die Auswertung
der Hauptdruckspannungswinkel nach Technischer Biegelehre im Gurtanschnitt ist exemplarisch
für die Varianten B2 und B3 in Abbildung 8.9 dargestellt.
In den Abbildungen 8.9(a) und (d) ist für die Variante B2 mit 5m breiter Gurtplatte zu
erkennen, dass die Hauptdruckspannungsrichtung nach Technischer Biegelehre im Bereich des
Druckgurtanschnittes an den Steg in guter Näherung mit den Ergebnissen der nichtlinearen
Simulationsrechnungen übereinstimmt. Da der Gurtanschnitt auf den letzten Metern bis zur
147

Mittelstütze rechnerisch im Zustand I verbleibt, sind zusätzlich jeweils die Ergebnisse eines
zweiten Rechenlaufs dargestellt. Um eine weitere Laststeigerung zu ermöglichen, erfolgt dieser
mit einer erhöhten Betondruckfestigkeit von fcm = 68MPa. Die rechnerische Zugfestigkeit
bleibt jedoch unverändert. Auf diese Weise ist es möglich, die Last bis zum nahezu vollständigen
Aufreißen des Gurtanschnittes zu steigern. Die rechnerischen Risswinkel stellen sich auch in
diesem Bereich ähnlich den Hauptdruckspannungsrichtungen nach Technischer Biegelehre ein.
Die Auswertungen der Ergebnisse der Variante B3 mit 15m breiter Gurtplatte sind für
Punkt- und Linienbelastung in den Abbildungen 8.9(b) und (e) dargestellt und führen zu
vergleichbaren Erkenntnissen. Mit zunehmender Längsdruckkraft in der Gurtplatte nähern
sich die Lösungen nach Technischer Biegelehre unter Berücksichtigung der mitwirkenden
Gurtbreiten und nichtlinearer FEM einander an. Die Berechnungen nach Technischer Biegelehre
auf Basis der unverminderten Bruttoquerschnittswerte führen dagegen zu stark abweichenden
Druckstrebenwinkeln.
Mit größer werdendem Verhältnis von Gurtbreite b zu dem Abstand zwischen den Biege-
momentennulldurchgängen l0 , kommt es zu einer zunehmend nichtlinearen Verteilung der
Längsspannungen in der Gurtscheibe. Hierbei konzentrieren sich die Spannungen im Bereich
der Gurtanschnitte und nehmen mit anwachsendem Abstand ab. Dieses Verhalten wird in
aktuellen Regelwerken [18–20] durch die Ermittlung der mitwirkenden Gurtbreiten kompensiert.
Infolge der großen Längsdruckspannungen im Bereich der Druckgurte und der gleichzeitigen
Beschränkung der am Lastabtrag beteiligten Gurtbereiche bleiben die Auswirkungen einer
Variation der Gurtbreite begrenzt (siehe hierzu auch Abbildung 7.3). Es sei jedoch darauf
hingewiesen, dass kleine Änderungen der rechnerischen Druckstrebenwinkel in Bereichen mit
ohnehin geringen Winkeln von teilweise Θ ≤ 20° große Auswirkungen auf die Ermittlung der
erforderlichen Gurtanschlussbewehrung haben können. Bei den hier untersuchten Varianten mit
Gurtbreiten zwischen 5m und 15m ergibt sich in der Simulation eine Winkelabweichung von bis
zu etwa ∆Θ ≈ 5° (siehe Abbildungen 8.9(c) und (f)).
148 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

90 Zug Druck 90 Zug Druck


80 80

Druckstrebenwinkel θ [°]
Druckstrebenwinkel θ [°]

Technische Technische
70 Biegelehre 70
Biegelehre
60 (TB) 60 (TB)
50 50
fcm = 68 MPa nichtlineare fcm = 68 MPa
40 40
FEM
30 nichtlineare 30
FEM
20 20
10 10 p4 B2
P5 B2
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(a) Punktlast Variante B2 (d) Linienlast Variante B2

90 Zug Druck 90 Zug Druck


80 Technische 80 Technische
Druckstrebenwinkel θ [°]
Druckstrebenwinkel θ [°]

70 Biegelehre 70 Biegelehre

60 60
50 50
p4 B3
40 40
nichtlineare B3 nichtlineare
30 30 FEM
FEM P5
20 20
10 10
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(b) Punktlast Variante B3 (e) Linienlast Variante B3

90 Druck 90 Druck
80 80
Druckstrebenwinkel θ [°]
Druckstrebenwinkel θ [°]

70 70
60 60
Technische
50 Technische 50 Biegelehre (TB)
Biegelehre (TB) nichtlineare
40 nichtlineare 40
FEM
30 FEM 30
B3 B3
20 20
10 10 B2
B2
0 0
35 40 45 50 37,5 40 42,5 45 47,5 50
L [m] L [m]

(c) Punktlast Druckgurtbereich (f) Linienlast Durckgurtbereich

Abb. 8.9: Vergleich der rechnerischen Druckstrebenneigung nach nichtlinearer FEM und Technischer
Biegelehre für die Varianten B2 und B3
149

90 Zug Druck
Gurtanschlussbewehrung

Anschlussbewehrung [cm²/m]
80
(oben + unten)
70
C2 ρ=1,7%
60
50 nur Punktlast
R ρ=1,14%
40
30 C3P ρ=0,23-1,4%
C1 ρ=0,57%
20
10 nur Linienlast C3L ρ=0,2-0,285%

0
0 10 20 30 40 50
L [m]

Abb. 8.10: Gurtanschlussbewehrung der Varianten C1 bis C3

Einfluss des Anschlussbewehrungsgrads

Das Tragverhalten von durch Querkräfte beanspruchten Balkenstegen im gerissenen Zustand II


wird durch die Steifigkeit der vorhandenen Schubbewehrung beeinflusst. Hegger und Görtz
stellten in [37] einen Zusammenhang zwischen dem mechanischen Bügelbewehrungsgrad und
der Druckstrebenneigung her. Mit abnehmendem Bewehrungsgrad wird hierbei ein flacher
werdender Druckstrebenwinkel berücksichtigt. Darüber hinaus setzt sich der Querkraftwider-
stand von Stegquerschnitten aus weiteren Traganteilen zusammen, die mit abnehmendem
Querkraftbewehrungsgrad an Bedeutung gewinnen. An dieser Stelle sei hierzu exemplarisch auf
folgende Literaturquellen verwiesen [37, 38, 51, 69, 70, 73, 74].
Untersuchungen zum Einfluss des Anschlussbewehrungsgrads auf die Riss- beziehungsweise
Druckstrebenwinkel in Gurtscheiben gegliederter Querschnitte sind nicht bekannt. An dieser
Stelle werden mögliche Auswirkungen unterschiedlicher Bewehrungsgrade auf das Verhalten des
hier verwendeten Rechenmodells untersucht. Diese Betrachtungen dienen in erster Linie dazu,
ein möglicherweise sensitives Modellverhalten zu identifizieren. Rückschlüsse auf ein vom vor-
handenen Bewehrungsgrad abhängiges Bauteilverhalten sind aufgrund fehlender experimenteller
Untersuchungsergebnisse nur bedingt möglich.
Im Rahmen der Varianten C1 und C2 wird die Anschlussbewehrung ausgehend von der
Bewehrung des Referenzsystems um 50% reduziert beziehungsweise um 50% erhöht. Um einen
möglichst hohen Auslastungsgrad der Gurtanschlussbewehrung in Teilbereichen der Druckgurte
zu erzielen, werden in der Variante C3 beanspruchungsabhängig unterschiedliche Beweh-
rungsverteilungen vorgesehen. Ausgehend von einem konstanten Anschlussbewehrungsgrad im
Feldbereich erfolgt eine kontinuierliche Bewehrungsreduktion mit zunehmender Nähe zum Mit-
telauflager. Die rechnerisch berücksichtigten Bewehrungsverteilungen für die unterschiedlichen
Varianten können Abbildung 8.10 entnommen werden.
150 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

550 90 Zug Druck


obere Lage σ≈fy
500 80
untere Lage

Druckstrebenwinkel θ [°]
450
70 TB
400
350 C3P 60 LE
σ [MPa]

300 50 C2
R
250 40
200 C2 30
150
20 C3P
100
50 10
P5 P5
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(a) Stahlspannung Punktlast C2 und C3P (b) Druckstrebenwinkel Punktlast C2 und C3P

550 σ≥fy
90 Zug Druck
σ≥fy C1
500 80
Druckstrebenwinkel θ [°]

450 P4 P5 70
400 P3
350 60 TB
σ [MPa]

300 50 LE R
250 40
200
P2 P2-P5
30
150 C1
20
100
obere Lage 10
50 untere Lage
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(c) Stahlspannung Punktlast C1 (d) Druckstrebenwinkel Punktlast C1

550 90 Zug Druck


σ≥fy σ≥fy C3L
500 80
Druckstrebenwinkel θ [°]

450
70
400
60 TB
350 LE R
σ [MPa]

300 C1 50
C2
250 40
200 C1
30
150 C2 C3L
20
100
obere Lage 10
50 p4
p4 untere Lage
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(e) Stahlspannung Linienlast C1 bis C3L (f) Druckstrebenwinkel Linienlast C1 bis C3L

Abb. 8.11: Einfluss des Gurtanschlussbewehrungsgrades auf die Neigung der rechnerischen
Druckstrebenwinkel im Modell (Definitionen siehe Abbildung 8.10)
151

In Abbildung 8.11 ist die Auswertung der Simulationsergebnisse mit unterschiedlichen An-
schlussbewehrungsgraden dargestellt. Zusätzlich zu den rechnerischen Neigungswinkeln der
Betondruckstreben sind hier auch jeweils die Spannungsverteilungen der Gurtanschlussbeweh-
rung innerhalb der Anschlussfuge zum Steg ausgewertet, da die Fließgrenze von fyk = 500MPa
teilweise erreicht wird.
Es ist zu erkennen, dass sich mit zunehmendem Bewehrungsgrad (Variante C2) tendenziell
steilere Druckstrebenneigungen und mit abnehmendem Bewehrungsgrad (Variante C1 und C3L )
flachere Winkel im Rechenmodell einstellen (siehe Abbildungen 8.11(b), (d) und (f)).
Bei der Bewehrungsvariante C1 wird die Fließspannung der Gurtanschlussbewehrung unter
konzentrierter Punktbelastung (Abbildungen 8.11(c) und (d)) in weiten Teilen des Zuggurtes
erreicht. Das Fließen der Bewehrung wird im Modell durch eine nicht unerhebliche Rotation
der Druckstrebenwinkel innerhalb des gerissenen Betons von bis zu ∆Θ = 10° kompensiert.
Dieses Ergebnis ist auf das in Kapitel 4.3.3 beschriebene Modellverhalten zurückzuführen und
deckt sich mit Versuchsbeobachtungen an Stahlbetonscheiben von Vecchio und Collins in [97]
(siehe Kapitel 4.3.3).
Im Fall der Variante C3P wird die Fließspannung in Teilbereichen des Anschlusses gerade
erreicht. Ein signifikanter Einfluss auf das Modelltragverhalten kann unter dieser Voraussetzung
nicht festgestellt werden.
Insgesamt kann ein Einfluss des rechnerisch berücksichtigten Anschlussbewehrungsgrads auf
das Modellverhalten beobachtet werden. Ausgeprägte Winkeländerungen werden insbesondere
im Bereich des Zuggurtes und bei Überschreitung der Fließspannung der Anschlussbewehrung
festgestellt. Daher sollten insbesondere die Umlagerungen nach Überschreitung der Fließgrenze
durch experimentelle Untersuchungen an Plattenbalkenquerschnitten überprüft werden. Für
eine rechnerische Ausnutzung im Rahmen eines Ingenieurmodells ist dieser sich zusätzlich
einstellende Traganteil derzeit nicht ausreichend abgesichert. Solange sich die Anschlussbeweh-
rung im linear-elastischen Bereich befindet, bleiben die Auswirkungen der unterschiedlichen
Bewehrungsgrade im Bereich des Druckgurtes gering.

Einfluss einer Vorspannung

Zur Untersuchung des Einflusses einer zusätzlichen Vorspannwirkung auf das Tragverhalten
werden drei Varianten untersucht. Die Vorspannung wird im Rechenmodell in Form einer
zusätzlichen äußeren Belastung aufgebracht, was einer rein externen Vorspannwirkung entspricht.
In Tabelle 8.5 sind Vorspanngrade und Lasteinleitungsart beschrieben.
Neben den zwei Varianten D1 und D2, in denen die Auswirkungen einer rein zentrischen
Vorspannwirkung untersucht werden, beinhaltet die Variante D3 zusätzlich Umlenkpunkte
in den Feldern und über der Mittelstütze. Die theoretische Spanngliedführung sowie die
angesetzten Umlenkkräfte in den Feldern sind in Abbildung 8.12 dargestellt. Mit den gewählten
Vorspanngraden zwischen −2,45MPa und −5MPa wird eine brückenbaurelevante Bandbreite
152 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

D3P P

1,25

1,8
PV=39,6 MN
20 30
4,85 MN
D3L p

1,25

1,8
PV=27,7 MN
15 22,5 12,5
2.3 MN 4,0 MN

Abb. 8.12: Berücksichtigte Vorspannung in den Varianten D3P und D3L

Tab. 8.5: Berücksichtigte Varianten einer zusätzlichen Vorspannwirkung

Bezeichnung mittlere Vorspannung Pv Einleitung Umlenkpunkte je Feld Kommentar


[MPa] [MN] [L(x) /L]
R 0,00 0,00 – – Referenzquerschnitt
D1 −3,5 −39,6 zentrisch –
D2 −5,0 −56,6 zentrisch –
D3P −3,5 −39,6 exzentrisch 0,4/1,0 nur Punktlast P
D3L −2,45 −27,7 exzentrisch 0,3/0,75/1,0 nur Linienlast p

abgedeckt. Im Fall der Variante D3L ist die Vorspannung so dimensioniert, dass bereits infolge
Eigengewichts geringe Zugspannungen an der Unterseite des Feldquerschnitts entstehen.
In allen hier untersuchten Fällen verläuft die Rissentstehung analog zur Darstellung in
Abbildung 8.5. Unabhängig vom untersuchten Vorspanngrad entstehen zunächst erste Biegerisse
im Feld. Mit zunehmender Laststeigerung kann ein Rissfortschritt innerhalb der Bodenplatte zum
Rand- und Mittelauflager verbunden mit einer stetig flacher werdenden Druckstrebenneigung
in Bereichen mit Schubrissbildung festgestellt werden.
Die Auswertung der Ergebnisse der Simulationsrechnungen sind in den Abbildungen 8.13
und 8.14 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass der Einfluss der Vorspannwirkung auf die
Druckstrebenneigung im Modell unabhängig davon ist, ob die Einleitung der Vorspannung
zentrisch oder exzentrisch erfolgt. Darüber hinaus sind die Auswirkungen der unterschiedlichen
Variationen der Vorspannung auf die Neigung der Betondruckstreben im Gurtanschnitt im
gerissenen Zustand II tendenziell gering, und sie verlieren sich im Druckgurt mit zunehmender
Längsdruckkraft.
Signifikante Auswirkungen der Vorspannung können jedoch in Bezug auf die erforderliche
Laststufe, die zur Erstrissbildung im Gurtanschnitt führt, festgestellt werden. Die in Tabelle
8.5 aufgelisteten Vorspanngrade führen in den Simulationen dazu, dass der Gurtanschnitt
nicht mehr auf der vollen Länge aufreißt. Dies ist am plötzlichen Abfall der rechnerisch nach
153

90 Zug Druck 90 Zug Druck


80 80
Druckstrebenwinkel θ [°]

Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70 (0,85∙Pv)
TB D2 TB D3P 1,125∙P
60 60 5
TB D1
50 R 50 R TB R
TB R
40 40
30 30 D3P
20 20
D2
10 10 (0,85∙Pv) 1,125∙P5
D1
P5 P5
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(a) Druckstrebenwinkel Punktlast D1 und D2 (b) Druckstrebenwinkel Punktlast D3P

Abb. 8.13: Einfluss einer Vorspannung auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwinkel im
Modell mit Punktlast

(8.1) ermittelten Druckstrebenwinkel auf Θ ≈ 0° zu erkennen. In diesen Bereichen sind keine


nennenswerten Spannungen in der Gurtanschlussbewehrung vorhanden. Um eine Rissbildung
auf der ganzen Anschlusslänge zu erzielen, werden die Lasten wie in den Abbildungen 8.13(b),
8.14(a) und (b) zu erkennen weiter gesteigert. Im Fall der Variante D3P wird die Vorspannkraft
zusätzlich auf 85% reduziert.
Besonders deutlich sind die Auswirkungen am System unter Gleichstreckenlast zu erkennen.
Unter einer Beanspruchung, die dem 2-fachen Systemeigengewicht entspricht, kann in keinem
der untersuchten Fälle mit Vorspannung eine rechnerische Schubrissbildung im Druckgurt
prognostiziert werden. Erst eine Vergrößerung der Belastung um 25% bis 50% führt zum
vollständigen Aufreißen des Anschnittes.
Zur Einordnung dieses Ergebnisses wird davon ausgegangen, dass die Beanspruchungen einer
realen Spannbetonbrücke zu etwa 70% durch Eigenlasten (pEG ) hervorgerufen werden. Die
charakteristische Gesamtbeanspruchung ergibt sich somit zu 1/0,7 · pEG = 1,43 · pEG . Unter der
Annahme eines mittleren Teilsicherheitsbeiwerts für ständige und veränderliche Einwirkungen
von γ ≈ 1,4 ergibt sich der Bemessungswert der Beanspruchung zu γ ·1/0,7·pEG = 2·pEG = p4 .
Dass heißt, dass im vorliegenden Fall des durch Gleichstreckenlasten beanspruchten Systems
eine Rissbildung im Druckgurtanschnitt der Bodenplatte unter Bemessungsschnittgrößen sehr
unwahrscheinlich ist.
Die Tragfähigkeit von Druckgurten im ungerissenen Zustand I wird in Kapitel 8.3.3 weiterge-
hend untersucht.
154 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

90 Zug Druck 90 Zug Druck


80 80
Druckstrebenwinkel θ [°]

Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70
p4 TB D2
60 60 p4 R TB R
R
50 TB D1 50
TB R TB D3L
40 D1 1,25∙p4 40
30 D2 1,25∙p4 30
20 20 1,5∙p4
Gurtanschnitt D3L
10 ungerissen p4 D2 10
D1 p4 p4 1,25∙p4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(a) Druckstrebenwinkel Linienlast D1 und D2 (b) Druckstrebenwinkel Linienlast D3L

Abb. 8.14: Einfluss einer Vorspannung auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwinkel im
Modell mit Linienlast

Tab. 8.6: Berücksichtigte Varianten der Bodenplattendicke hf

Bezeichnung Dicke hf Bereich Kommentar


[cm] [m]
R 35 0,00 → 100,0 Referenzquerschnitt
E1 45 0,00 → 100,0

E2 25 0,00 → 39,5
25 → 55 39,5 → 50,0 Voute in Längsrichtung
55 → 25 50,0 → 60,5 Voute in Längsrichtung
25 60,5 → 100,0

Einfluss Gurtplattendicke

Die Dicke der Bodenplatte beziehungsweise der Gurte im Allgemeinen beeinflusst die absolute
Höhe der rechnerischen Spannungen bei ansonsten unveränderten Randbedingungen. Im Fol-
genden werden die Auswirkungen geänderter Querschnittsabmessungen untersucht. Ausgehend
vom Referenzquerschnitt werden zwei Varianten betrachtet. Zum einen eine gleichmäßige
Vergrößerung der Gurtdicke hf von 35cm auf 45cm und zum anderen ein gevouteter Boden-
plattenbereich mit zunehmender Querschnittsdicke in Längsrichtung hin zum Mittelauflager.
Die genauen Parameter sind in Tabelle 8.6 angegeben.
In Abbildung 8.15 sind die Ergebnisse der Simulationsrechnungen mit unterschiedlichen
Gurtdicken ausgewertet. Ein signifikanter Einfluss einer Änderung der Bodenplattendicke bezie-
hungsweise der Berücksichtigung der Voute in Längsrichtung auf die Neigung der Druckstreben-
winkel im Modell kann nicht festgestellt werden. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass
155

90 Zug Druck 90 Zug Druck


80 80
Druckstrebenwinkel θ [°]

Druckstrebenwinkel θ [°]
70 TB E2 70
E1 TB E1 R
60 TB E1 R 60
50 50 R TB E2
40 R 40
30 E2 30 E2
20 20
10 E1 10
P5 p4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(a) Druckstrebenwinkel Punktlast E1 und E2 (b) Druckstrebenwinkel Linienlast E1 und E2

Abb. 8.15: Einfluss der Gurtdicke auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwinkel im Modell

das Verhältnis von Schub zu Längsspannungen im betrachteten Schnitt unabhängig von der
Dicke näherungsweise erhalten bleibt. Die absolute Höhe der Spannung wird durch die Variation
der Gurtdicke jedoch nennenswert beeinflusst. Dies kann in der Folge zu einer Veränderung der
Erstrisslast im Gurtanschnitt führen.

8.3.2 Hinweise zur Ermittlung der Beanspruchungen


Berücksichtigung der Biegerissbildung

Im Rahmen der Ausführungen in Kapitel 8.3.1 wurde gezeigt, dass die Ermittlung der Beanspru-
chungen in der Gurtanschlussfuge mit Hilfe eines Stabwerkmodells in Anlehnung an Abbildung
8.6 wirklichkeitsnah erfolgen kann. Die Wahl des rechnerischen Druckstrebenwinkels innerhalb
des Druckgurtes in Übereinstimmung mit dem Winkel der Hauptdruckspannungstrajektorien auf
Basis einer linear-elastischen Berechnung nach Technischer Biegelehre unter Berücksichtigung
der mitwirkenden Gurtbereiche nach DIN EN 1992-2 [18–20] führt hierbei zu auf der sicheren
Seite liegenden Ergebnissen. Für die Ermittlung der Beanspruchungen ist die Biegerissbildung
innerhalb des Querschnitts jedoch zu berücksichtigen, da die absolute Höhe der Beanspruchun-
gen durch die Änderung des Tragverhaltens beim Übergang des Querschnitts in den gerissenen
Zustand II vom ungerissenen Zustand abweicht (siehe Abbildungen 8.4(a) und (d)).

Lasteinleitungsbereiche unter Einzellasten

Unter Berücksichtigung des Fächers unter der Einzellast können die maßgebenden Lasteinlei-
tungsbereiche zur Ermittlung der Schubbeanspruchung in der Gurtanschlussfuge zur Bodenplatte
angegeben werden. In Abbildung 8.16 sind die Schubspannungsverläufe in den Gurtanschnitten
156 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

Gurtanschnitt Fahrbahnplatte
(Schubspannungen)

0 τ GA

h
Lasteinleitung
h Lasteinleitung Punktlast Lasteinleitung
Lager Lager
h h
Gurtanschnitt Bodenplatte
(Schubspannungen)
0 τ GA

Abb. 8.16: Einfluss des Lasteinleitungsfächers im Steg auf die Schubbeanspruchung in den
Gurtanschlussfugen (hier für Θ = 45°)

von Fahrbahn- und Bodenplatte des Referenzquerschnitts schematisch dargestellt. Im Bereich


konzentriert angreifender Kräfte erfolgt die Lasteinleitung in den Stegquerschnitt in Form eines
Druckfächers. Im jeweils gegenüberliegenden Gurt bauen sich kontinuierlich Schubspannungen
innerhalb dieser Lasteinleitungsbereiche auf. Innerhalb dieses durch Biegerissbildung dominierten
Bereichs kommt es in den Randzonen der Gurte zur Ausbildung erster Schubrisse und zur
allmählichen Entwicklung des Versatzmaßes in Gurtscheibenebene (siehe auch Abbildung 8.5).
Aus diesen Ergebnissen lässt sich folgern, dass der Einfluss in Auflagernähe (Abstand zum
Auflager ≤ h) angreifender Einzellasten auf die Beanspruchung der Gurtanschlussfuge in der
Bodenplatte etwa linear abnehmend ist. Im Fall von gleichmäßig verteilten Einwirkungen sind
die Schnittgrößen im Abstand ≈ h/2 vom Zwischenauflager maßgebend für die Ermittlung der
Beanspruchungen innerhalb des Druckgurtanschlusses der Bodenplatte an den Steg.

Ausrundung von Biegemomenten im Bereich von Zwischenauflagern

Bei der Ermittlung der Beanspruchungen infolge Biegung im Bereich von Zwischenunterstützun-
gen mehrfeldriger Brücken, die auf konventionellen Lagern aufliegen, dürfen die Stützmomente
in Abhängigkeit von einer rechnerischen Auflagerbreite reduziert werden [18–20]. Hierbei sind
unterschiedliche Ansätze zur Ermittlung dieser rechnerischen Auflagerbreite t in den aktuell
gültigen Normen zu finden. Nach DIN EN 1992-1-1 [18] darf die Ausrundung des Stützmo-
ments auf einer Länge, die der Auflagertiefe (z.B. Breite einer stützenden Wand) entspricht,
durchgeführt werden. Die DIN EN 1992-2 [19] empfiehlt ebenfalls die Berechnung auf Grundla-
ge der tatsächlichen Breite des Auflagers, erlaubt jedoch eine landesspezifisch abweichende
Festlegung. Der deutsche NA [20] zur DIN EN 1992-2 erlaubt zusätzlich zur Berücksichtigung
der tatsächlichen Auflagerbreite eine Lastausbreitung unter einem Winkel von 35° gegen die
Lotrechte bis zur Schwerachse des Querschnitts.
157

F
F
- -
+ V + V

∆ M = F. t/8
- -

M M
(a) Punktlagerung (b) Berücksichtigung der Lagerabmessungen

Horizontalkraft
t infolge Lastausbreitung
55

∆ Th
°

Ausrundungslänge t
F
-
V 35°
+
∆ Ch
∆ M = F. t/8
-

M
F
(c) Lagerabmessungen und Lastausbreitung (d) Horizontalkräfte

Abb. 8.17: Auswirkung der berücksichtigten Momentenausrundung auf die Entwicklung zusätzlicher
Horizontalkräfte

In Abbildung 8.17 sind die theoretischen Querkraft- und Biegemomentenverläufe, die durch
den Abzug des Differenzmoments nach (8.2) implizit berücksichtigt werden, für verschiedene
rechnerische Auflagerbreiten dargestellt. Zusätzlich sind die Lastausbreitungen in Form von
Stabwerkmodellen entsprechend eines Fächers in die Ansicht des Querschnitts eingetragen. Es
ist zu erkennen, dass die Berücksichtigung einer über die tatsächliche Breite hinausgehenden
rechnerischen Auflagerbreite zusätzliche Horizontalkräfte innerhalb der Zug- und der Druckzone
des Querschnitts zur Folge hat, die miteinander im Gleichgewicht stehen müssen ( H = 0 ⇒
P

∆Th = ∆Ch ).

∆M = F · t/8 (8.2)

Die theoretischen Auswirkungen dieser im Rahmen einer Berechnung nach DIN EN 1992-
2/NA vernachlässigten Horizontalkomponenten werden anhand des Beispiels in Abbildung 8.18
aufgezeigt. Es handelt sich um ein symmetrisches System mit 2 Kragarmen, die eine Länge
von jeweils 10m aufweisen. Die Auflagerkraft F infolge der ebenfalls symmetrischen Belastung
durch 2 Einzellasten beträgt 7500kN. Das Stützmoment ohne Berücksichtigung einer Ausrun-
dung beträgt M St = 3750 · 10 = 37500kNm. Nachfolgend werden die Stützmomente unter
Berücksichtigung der Momentenausrundung ermittelt und die daraus resultierenden Biegedruck-
beziehungsweise Biegezugkräfte angegeben. Hierbei werden zwei Fälle untersucht, die der
Abbildung 8.18 entnommen werden können. Den Handrechnungen liegt in der Auflagerachse
158 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

10 10
Fall (*1) Fall (*2)

z ~ 3,25
3,45(*2) verursacht

3,50

1,75
1,0(*1) Horizontalkraft
3750 3750
1087
F=7500kN
V [kN] V [kN]
3750 1087
3750
1,0 1,23 1,0
[m]
[m] 3,45

Abb. 8.18: Beispielrechnung zur Ausrundung des Stützmoments

ein konstanter innerer Hebelarm z von 3,25m zugrunde. Zusätzlich werden für den Fall (∗ 2)
einer Lastausbreitung unter einem Winkel von 35° zur Lotrechten die sich hieraus ergebenden
Horizontalkomponenten ∆Th = ∆Ch ermittelt (siehe Abbildung 8.17). Die Biegezug- bezie-
hungsweise Biegedruckkraft werden durch diese bei der Ausbreitung auf die größere rechnerische
Auflagerbreite entstehenden Horizontalkraftanteile entsprechend vergrößert.
Für den Fall (∗ 1) (rechnerische Breite = Auflagerbreite) errechnet sich das ausgerundete
Stützmoment nach (8.3) zu 37500 − 7500 · 1/8 = 36563kNm. Die resultierende Biegedruck-
beziehungsweise Biegezugkraft ergibt sich nach (8.4) zu 36563/3,25 = 11250kN.

M red = M − ∆M = M − F · t/8 (8.3)

Th = Ch = M red /z (8.4)

Für den Fall (∗ 2) (rechnerische Breite = Auflagerbreite zuzüglich Lastausbreitung unter


35° zur Lotrechten) errechnet sich das ausgerundete Stützmoment unter Berücksichtigung der
größeren rechnerischen Auflagerbreite nach (8.3) zu 37500 − 7500 · 3,45/8 = 34266kNm. Mit
einem inneren Hebelarm von 3,25m folgt für die Biegedruck- beziehungsweise Biegezugkraftre-
sultierende nach (8.4) ohne Ansatz der zusätzlichen Horizontalkomponenten ∆Th = ∆Ch zu
34266/3,25 = 10543kN. Die ausgelagerte Auflagerkraft beträgt je Seite links und rechts der
Stützung F 6 = 3750 − 1087 = 2663kN (siehe Abbildung 8.18). Die Auslagerung erfolgt unter
einem mittleren Winkel von ΘF = 35/2 = 17,5° zur Lotrechten. Die zusätzlich zu berücksich-
tigenden Horizontalkomponenten infolge der schiefen Betondruckstreben ergeben sich somit
nach (8.5) zu ∆Th = ∆Ch = 2663 · tan 17,5 = 840kN. Hiermit folgt eine Gesamtkraft von
etwa Th,ges = Ch,ges ≈ 105434 + 840 = 11383kN.
Die zusätzliche Reduktion der Biegezug- beziehungsweise Biegedruckkraftresultierenden
infolge einer fiktiven und von den realen Lagerabmessungen abweichenden Auflagerbreite wird
somit durch die konsequente Berücksichtigung der mit der Lastausbreitung einhergehenden
159

Versatzmoment
∆ Mst=F/2 . e

Ausrundungslänge t
∆ Mst ∆ Mst

F/2 e e F/2

F/2 F/2

Abb. 8.19: Entstehung eines Versatzmoments unter Berücksichtigung einer vergrößerten


rechnerischen Auflagerbreite

10 10 [m] asl,o=250cm²
b = 2,0m
C40/50

3,50
1,75
b = 0,5m
1 t=2,50m Auswertebereich asq=20cm²/m
2 t=1,00m b = 2,0m
Fges=7500kN
3 t=0,50m

Abb. 8.20: Modellierungsvarianten zur Ermittlung der Momentenausrundung mittels nichtlinearer


FEM

horizontalen Lastanteile vollständig aufgezehrt (11383kN Fall (∗ 2) ≈ 11250kN Fall (∗ 1)).

∆Th = ∆Ch = F 6 · tan ΘF (8.5)

Der beschriebene Zusammenhang lässt sich auch mit der Entstehung eines Versatzmoments
beschreiben. Wird eine von der tatsächlichen Lagerbreite abweichende Länge zur Ausrundung
des Stützmoments herangezogen, so entspricht dies einer Verschiebung der Auflagerkraftresultie-
renden links und rechts der Lagerachse um ein Maß e. Zur Sicherstellung des Momentengleich-
gewichts ist für eine solche Horizontalverschiebung der Kraft mechanisch die Berücksichtigung
eines Versatzmoments ∆M st erforderlich (siehe Abbildung 8.19).
Zusätzlich zu den vorangegangenen analytischen Überlegungen erfolgt die numerische
Untersuchung dieses Zusammenhangs mittels nichtlinearer FEM. Für die Modellierung des
Systems werden ebene Schalenelemente verwendet. Eine schematische Darstellung des Systems,
der Bewehrung und der untersuchten Auflagerbreiten kann Abbildung 8.20 entnommen werden.
Die Ergebnisse der nichtlinearen Systemanalysen sind in Abbildung 8.21 dargestellt. Um
die resultierenden Biegemomente angeben zu können, erfolgt zunächst die Integration der
160 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

σ= 450.0 => Th~11250kN

-37137
0,50m M [kNm]
15000 kN/m
σ= 446.7 => Th~11168kN
-36760

1,00m M [kNm]
7500 kN/m
σ= 431.8 => Th~10795kN
-35392

2,50m M [kNm]
3000 kN/m

(a) resultierendes Biegemoment (b) Hauptdruck- und Stahlspannungen

Abb. 8.21: Ergebnisse der nichtlinearen Simulationsrechnungen zur Ausrundung des Stützmoments

Layerspannungen über die Elementdicke und die Transformation der Kräfte in das lokale
Koordinatensystem lotrecht angeordneter Schnittflächen durch den Querschnitt. Im Anschluss
werden die resultierenden Kräfte und Momente um die theoretische Stabachse (Schwerachse)
ermittelt [94]. Durchgeführte Vergleichsrechnungen auf Grundlage einer linear-elastischen
Ermittlung der Beanspruchungen führen zu vergleichbaren Ergebnissen in Bezug auf die
resultierenden Biegemomente und deren Verläufe.
Im Rahmen der Simulationsrechnungen kann ein eindeutiger Zusammenhang zwischen
Auflagerbreite und resultierendem Biegemoment beziehungsweise Biegezugkraft nachgewie-
sen werden. Da die numerischen Untersuchungen an einem statisch bestimmt gelagerten
Hauptsystem durchgeführt werden, kann eine Beeinflussung der Ergebnisse durch eventuel-
le Schnittgrößenumlagerungen ausgeschlossen werden. Die Berücksichtigung einer über die
tatsächliche Lagerbreite hinausgehenden Lastausbreitung zur Ermittlung der Ausrundung des
Stützmoments kann auch auf Basis der Ergebnisse der nichtlinearen Simulationsrechnungen
nicht als gerechtfertigt bestätigt werden.
Tabelle 8.7 enthält einen Vergleich der rechnerischen Stützmomente für die untersuchten
Lagerbreiten auf Basis der nichtlinearen FEM und Handrechnung nach (8.3). Unter Berück-
sichtigung der rechnerischen Lagerbreite t nach DIN EN 1992-2/NA [20] ergeben sich nicht
unerhebliche Abweichungen bei den resultierenden Stützmomenten. Die Handrechnungen auf
Grundlage der tatsächlichen Lagerbreiten stimmen in sehr guter Näherung mit der Lösung nach
nichtlinearer FEM überein.
161

Tab. 8.7: Vergleich der Stützmomente nach nichtlinearer FEM und Handrechnung für verschiedene
Lagerbreiten

Handrechnung mit t = tatsächliche Lagerbreite


Nr. Lagerbreite Biegemoment Abweichung
FEM Handrechnung
[m] [kNm] [kNm] [%]
1 0,5 −37137 −37031 −0,3
2 1,0 −36760 −36563 −0,5
3 2,5 −35392 −35156 −0,7

Handrechnung mit t nach DIN EN 1992-2/NA


Nr. Lagerbreite Biegemoment Abweichung
FEM Handrechnung
[m] [kNm] [kNm] [%]
1 0,5 → t = 2,95 −37137 −34734 −6,5
2 1,0 → t = 3,45 −36760 −34266 −6,8
3 2,5 → t = 4,95 −35392 −32859 −7,2

8.3.3 Tragfähigkeit ungerissener Gurtquerschnitte

Im Rahmen der in Kapitel 8.3.1 beschriebenen Simulationen kann eine Rissbildung in den
Druckgurtbereichen der Bodenplatte des untersuchten Hohlkastenquerschnitts teilweise erst
unter sehr großen Biegebeanspruchungen erreicht werden, die in einigen Fällen die theoretischen
Bemessungsschnittgrößen deutlich übersteigt. Insbesondere gilt dies für vorgespannte Systeme,
die bei dieser Querschnittsform im Brückenbau den Regelfall darstellen.
Bei der Planung neuer Spannbetonbrücken spielt die theoretische Tragfähigkeit im GZT
noch ungerissener Querschnittsteile keine Rolle. Dies ist im Hinblick auf eine möglichst robuste
Tragwerksauslegung auch sinnvoll. Für bestehende Bauwerke, die teilweise bereits 40 bis 60
Jahre unter Verkehr sind und bis heute keine Rissbildung infolge einer Schubeinleitung in den
Druckgurtbereichen erkennen lassen, wäre die Möglichkeit einer rechnerischen Berücksichtigung
der Betonzugfestigkeit zum Nachweis eines ausreichenden Tragwiderstandes jedoch durchaus
wünschenswert [66].
Um zu einer wirklichkeitsnahen Beurteilung des Tragverhaltens eines Gurtquerschnitts unter-
halb einer beginnenden Rissbildung zu kommen, spielen zwei wesentliche Faktoren eine Rolle.
Zum einen müssen die Beanspruchungen innerhalb der Gurtanschlussfuge unter Berücksichti-
gung der Rissentwicklung des Gesamtquerschnitts in abliegenden Bereichen ermittelt werden.
Die linear-elastische Berechnung der Hauptzugspannungen nach Technischer Biegelehre führt
gegebenenfalls zu einer Unterschätzung der Spannungen. Zum anderen darf es nicht zu einer
Überschätzung der vom Beton auf Dauer aufnehmbaren Zugspannungen kommen.
162 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

20 P P 20

(b) (c)
50 50

(a) Referenzsystem mit Punktlast

3 30
Druckgurt (Z II)
Zustand II Zustand I
(Z II) (Z I) 20 P5=28MN

Querbiegung myy [kNm]


(Z II) (Z I)
2 mittel (50cm)
σ I ,GA[MPa]

10 P=14MN
grob
(100cm)
0
1
fein
(20cm) -10

P=14MN
0 -20
35 36 37 38 39 40 35 40 45 50
L [m] L [m]

(b) Hauptzugspannungen an der Rissgrenze mit unter- (c) Querbiegung im Gurtanschnitt


schiedlicher FE-Netzgröße

Abb. 8.22: Exemplarische Darstellung des Einflusses der Diskretisierung (b) und der vorhandenen
Querbiegemomente (c) am Bodenplattenanschnitt des Referenzsystems mit Punktlast

Modellverhalten unter Einzellast

Während des Rissentstehungsprozesses kommt es im numerischen Modell zu Zugspannungs-


spitzen im Übergangsbereich zwischen gerissenen und noch ungerissenen Bereichen des Gurt-
anschlusses. Diese werden im Wesentlichen durch die zusätzlich vorhandenen örtlichen Quer-
biegemomente verursacht. Die Ausprägung dieser Spannungsspitzen ist in einem gewissen
Umfang von der Diskretisierung des Modells abhängig (siehe Abbildung 8.22(b)). Überdies
entstehen trotz der unmittelbar in den Stegachsen berücksichtigten Lasteinleitung im Rahmen
der Modellrechnungen Querbiegemomente in den Lasteinleitungs- und Auflagerbereichen, die
einen Einfluss auf die Erstrissbildung haben (siehe Abbildung 8.22(c)).
Es kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere die örtlichen Spannungsspitzen in
Auflagernähe in realen Tragwerken in der hier festgestellten Ausprägung nicht auftreten, wenn
eine gleichmäßige Lasteinleitung durch massive Querträger sichergestellt wird. Eine mögliche
Erklärung für die im Modell zu beobachtenden Krempelmomente im Bereich des Übergangs
vom ungerissenen zum gerissenen Gurtanschnitt (siehe Abbildung 8.22(c) für P = 14MN)
163

]
Zustand I [m
x 50
y x=
t vy
r kraf
P/2 e
qu
P/2 tten
Pla 30

Zustand II

20
x=

Abb. 8.23: Plattenquerkraft vy im Übergangsbereich zwischen gerissener und ungerissener


Gurtplatte für P = 14MN

könnte in der höheren Steifigkeit des rechnerisch noch ungerissenen Gurtscheibenbereichs


gesehen werden. Hierdurch kann es zu einer Beteiligung der steiferen Bereiche am globalen
Querkaftlastabtrag und damit aus Gründen der Verträglichkeit zu den im Modell beobachteten
Krempelmomenten kommen. In Abbildung 8.23 ist die rechnerische Querkraftbeanspruchung in
Plattenquerrichtung vy dargestellt. Ein Einfluss dieses Modellverhaltens ist für die Bemessung
gerissener Querschnitte völlig unerheblich. Eine Beeinflussung der Größe der Rissschnittgrößen
kann jedoch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden.

Modellverhalten unter Gleichlast

Beim im Wesentlichen durch Gleichstreckenlasten beanspruchten Modell kann ein ähnliches


Verhalten beobachtet werden. Der Einfluss der Krempelmomente im Übergangsbereich vom un-
gerissenen zum gerissenen Bereich des Gurtanschnitts ist in den hier durchgeführten Simulationen
jedoch deutlich geringer. Dies ist vermutlich auf die im Mittel geringere Querkraftbeanspruchung
bei den Modellrechnungen mit Gleichstreckenlast zurückzuführen.

Fazit

Die durchgeführten Modellrechnungen belegen, dass eine exakte Ermittlung der zur Erst-
rissbildung führenden Belastung nicht möglich ist. Allein die Modellunsicherheiten aus dem
numerischen Modell sind nicht unerheblich. Überdies sind gegebenenfalls vorhandene Eigen-
und Zwangsspannungen nicht ohne Weiteres quantifizierbar. Es ist daher sinnvoll, die anrechen-
bare Zugfestigkeit für die Bemessung ungerissener Gurtquerschnitte in geeigneter Weise zu
reduzieren. Die Ergebnisse der durchgeführten Modellrechnungen werden dabei zur Verifikation
eines ausreichenden Sicherheitsniveaus in Bezug auf das hier beobachtete Modellverhalten
164 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus

herangezogen. Hierzu erfolgt in Kapitel 9 ein Vergleich der von Hand nach (8.6) ermittelten
Scheibenspannungen bei Erstrissbildung im numerischen Modell mit theoretischen Werten.
Acc bezeichnet in (8.6) die gesamte Fläche der Biegedruckzone und AcGurt die mitwirkende
Gurtfläche.

σx,GA (x) = M (x)/(z · Acc )

(8.6)
(σx,GA (x + 1) − σx,GA (x − 1)) · Ac,Gurt
τxy,GA (x) =
2 · (L(x + 1) − L(x − 1)) · hf
Kapitel 9

Schnittgrößeninteraktionen auf
Bauteilebene

9.1 Allgemeines

Die bisherigen Erkenntnisse zum Tragverhalten der Druckgurte gegliederter Querschnitte


werden in den folgenden Kapiteln durch Untersuchungen zur Interaktion von Scheiben- und
Plattenbeanspruchungen auf Bauteilebene erweitert.
In Kapitel 8.3.3 wurden modellbedingte Einflüsse auf die zur Erstrissbildung führende
Beanspruchung im Anschnitt des Druckgurtes an den Steg beschrieben. Nachfolgend wer-
den ergänzend hierzu experimentelle Studien aus der Literatur herangezogen, um zu einer
gesicherten Aussage zum Erstrissverhalten von Scheiben unter kombinierter Druck-Schub Bean-
spruchung zu kommen. Darüber hinaus werden Überlegungen zum Einfluss eines zusätzlichen
Querbiegemoments auf die Tragfähigkeit aufgestellt.
Die bislang durchgeführten Untersuchungen zum Tragverhalten gerissener Gurte widmeten
sich im Wesentlichen Kombinationen aus Druck-Schub beziehungsweise Zug-Schub Beanspru-
chungen. In den Bodenplatten von Hohlkastenbrücken sind dies in der Regel die maßgebenden
Größen für die Bemessung. Infolge von Profilverformungen oder direkter Einwirkungen kön-
nen jedoch zusätzliche Plattenschnittgrößen in Form von Querbiegemomenten entstehen, die
ebenfalls im Zuge der Bemessung zu berücksichtigen sind. Menn stellte in [9] hierfür einen
Berechnungsansatz vor, der im Rahmen dieser Arbeit auf das Format der derzeitigen Fassung
der DIN EN 1992 [18–20] übertragen wird.
166 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

9.2 Gurtanschlüsse ohne rechnerisch erforderliche An-


schlussbewehrung

9.2.1 Längsdruck mit Schub

Experimentelle Untersuchungen an gegliederten Querschnitten, in denen die Höhe der Bean-


spruchungen zum Zeitpunkt der Rissentstehung im Gurtanschnitt systematisch ausgewertet
wurde, sind nicht bekannt. Die vorhandenen Versuche, z.B. [2–5, 29, 30, 88], sind aufgrund der
über weite Bereiche der Träger ausgedehnten D-Bereiche nur bedingt geeignet, um verallgemei-
nerbare Schlüsse auf die Höhe der Beanspruchungen zum Zeitpunkt der Rissentstehung ziehen
zu können. Daher werden im Folgenden Versuche an scheibenartigen Bauteilen aus Beton und
Stahlbeton aus der Literatur ausgewertet, bei denen ein relativ gleichmäßiger Spannungszustand
während der Versuchsdurchführung aufgebracht wurde.
Für die Auswahl der Versuche sind gewisse Randbedingungen zu beachten. Im Allgemeinen
dienten die Versuche an Stahlbetonscheiben der Ermittlung der Tragfähigkeit im bereits
gerissenen Zustand. Die Lastaufbringung erfolgte hierzu in vielen Fällen sequenziell. Das heißt,
es wurde zunächst eine Zugkraft aufgebracht um ein Rissbild zu erzeugen, und im Anschluss
wurde orthogonal zur Zugrichtung eine Druckspannung in den Querschnitt eingetragen. Als
Beispiele hierfür können die Untersuchungen von Kollegger und Mehlhorn [53], Schießl [89]
und Fehling et al. [33] genannt werden. Diese Art der Lastaufbringung ist zur Untersuchung
des Erstrissverhaltens von Bauteilen unter kombinierten Spannungszuständen ungeeignet.
Hierfür ist eine gleichzeitige proportionale Laststeigerung aller Belastungsanteile zwingende
Grundvoraussetzung.
Für die nachfolgenden Auswertungen werden die Untersuchungen an Stahlbetonscheiben von
Vecchio und Collins [97], Schlaich und Schäfer [91] und Maier und Thürlimann [62] sowie die
Versuche von Kupfer [55] an unbewehrten Betonscheiben herangezogen. Diese erfüllen alle die
Grundvoraussetzung einer gleichmäßigen Steigerung der untersuchten Spannungskombination.
Für eine detaillierte Beschreibung der Einzelversuche wird an dieser Stelle auf die jeweiligen
Originalquellen verwiesen.
Für die hier durchgeführten Auswertungen erfolgt eine Umrechnung der angegebenen
Spannungszustände zum Zeitpunkt der Erstrissbildung in einen äquivalenten mittleren
Druck-Schubspannungszustand mit der Annahme σy = 0. Hierdurch soll zum einen eine
einheitliche Darstellung der unterschiedlichen Versuchsergebnisse und zum anderen die Ver-
gleichbarkeit untereinander und mit dem aktuellen auf zulässigen Schubspannungen basierenden
Ansatz der DIN EN 1992-2 [19, 20] erreicht werden.
Die Ermittlung der Hauptspannungen erfolgt in Abhängigkeit der Eingangswerte nach (9.1).
Bei Versuchen mit einer orthogonalen Zug-Druck Laststeigerung entsprechen die aufgebrachten
167

4,5
4
3,5
3

τ/fctm
2,5
Kupfer 2
Vecchio/Collins (PV) 1,5
Schlaich/Schäfer
Maier/Thürlimann (S2/S7) 1
Hohlkasten Punktlast FEM 0,5
Hohlkasten Linienlast FEM τ = 0,4fctd
0
-1 -0,9 -0,8 -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1
σx/fcm

Abb. 9.1: Vergleich experimentell und numerisch ermittelter Scheibenspannungszustände bei


Erstrissbildung mit theoretischen Werten

Spannungen bereits den Hauptspannungen. Die Ermittlung nach (9.1) entfällt in diesen Fällen.

s 2
σx,cr + σy,cr σx,cr − σy,cr
σI cr = + + τ 2cr
2 2
(9.1)
s 2
σx,cr + σy,cr σx,cr − σy,cr
σII cr = − + τ 2cr
2 2

Mit der Annahme σy = 0 kann ein äquivalenter zur Erstrissbildung führender Scheibenspan-
nungszustand bestehend aus den Spannungskomponenten σx,cr und τ cr nach (9.2) ermittelt
werden.

σx,cr = σI cr + σII cr
(9.2)

τ cr = −σI cr · σII cr

Die hier berücksichtigten Vorgabewerte aus den jeweiligen Originalquellen und die Umrech-
nungsergebnisse können den Tabellen 9.1 bis 9.4 entnommen werden.
In Abbildung 9.1 sind die in den σx /τ -Spannungsraum transformierten Scheibenspannungen
unmittelbar bei der Erstrissbildung gemeinsam mit den Rechenwerten nach (8.6) für das in
Kapitel 8.3.3 untersuchte Rissverhalten des Druckgurtanschlusses des Hohlkastenquerschnitts
dargestellt. Um eine Vergleichbarkeit der Versuchs- und Rechenergebnisse herzustellen, werden
168 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

Tab. 9.1: Versuche an Stahlbetonscheiben im Panel-Tester von Vecchio und Collins aus [97]

Versuch Beton Erstrissbildung Hauptspannungen Spannungszustand Kommentar


nach [97] nach (9.1) nach (9.2)
fcm σx,cr = σy ,cr τ cr σI cr σII cr σx,cr,cal τ cr,cal
[MPa] [MPa] [MPa] [MPa] [MPa] [MPa] [MPa]
PV4 26,6 0,00 1,79 1,79 −1,79 0,00 1,79 Schub
PV6 29,8 0,00 2,00 2,00 −2,00 0,00 2,00 Schub
PV9 11,6 0,00 1,38 1,38 −1,38 0,00 1,38 Schub
PV10 14,5 0,00 1,86 1,86 −1,86 0,00 1,86 Schub
PV11 15,6 0,00 1,66 1,66 −1,66 0,00 1,66 Schub
PV12 16,0 0,00 1,73 1,73 −1,73 0,00 1,73 Schub
PV13 18,2 0,00 1,73 1,73 −1,73 0,00 1,73 Schub
PV16 21,7 0,00 2,07 2,07 −2,07 0,00 2,07 Schub
PV18 19,5 0,00 2,00 2,00 −2,00 0,00 2,00 Schub
PV19 19,0 0,00 2,07 2,07 −2,07 0,00 2,07 Schub
PV20 19,6 0,00 2,21 2,21 −2,21 0,00 2,21 Schub
PV21 19,5 0,00 2,35 2,35 −2,35 0,00 2,35 Schub
PV22 19,6 0,00 2,42 2,42 −2,42 0,00 2,42 Schub
PV23 20,5 −1,45 3,73 2,28 −5,18 −2,91 3,43 Schub und Druck
PV25 19,2 −2,86 4,14 1,28 −7,00 −5,71 3,00 Schub und Druck
PV26 21,3 0,00 2,00 2,00 −2,00 0,00 2,00 Schub
PV27 20,5 0,00 2,04 2,04 −2,04 0,00 2,04 Schub
PV28 19,0 0,53 1,66 2,19 −1,13 1,06 1,57 Schub und Zug
PV30 19,1 0,00 1,55 1,55 −1,55 0,00 1,55 Schub

Tab. 9.2: Versuche an Stahlbetonscheiben von Schlaich und Schäfer aus [91]

Versuch Beton Erstrissbildung Spannungszustand Kommentar


nach [91] nach (9.2)
fcm σI cr σII cr σx,cr,cal τ cr,cal
[MPa] [MPa] [MPa] [MPa] [MPa]
(1) 23,6 2,19 −2,19 0,00 2,19 Laststufe ≈ 1,95
(2) 23,6 2,19 −2,19 0,00 2,19 „
(5) 21,7 2,19 −2,19 0,00 2,19 „
(6) 21,7 2,19 −2,19 0,00 2,19 „

die Spannungen als bezogene Größen angegeben. Hierbei werden die vorhandenen Längsspan-
nungen σx auf die jeweilige mittlere Betondruckfestigkeit fcm und die Schubspannungen zum
Zeitpunkt der Erstrissbildung auf die mittlere Betonzugfestigkeit fctm bezogen. Die Ermittlung
der Betonzugfestigkeit erfolgt für alle experimentellen Untersuchungen in Abhängigkeit der mitt-
leren Betondruckfestigkeit nach (9.3). Dabei wird in Anlehnung an [86] für die Umrechnung der
mittleren auf die charakteristische Betondruckfestigkeit von Versuchen unter Laborbedingungen
169

Tab. 9.3: Versuche an Stahlbetonscheiben von Maier und Thürlimann aus [62]

Versuch Beton Erstrissbildung zug. Querschnitte Spannungszustand


nach [62] nach [62] σ = N /Ac τ = V /Ac,Steg
fcm N V cr Ac Ac,Steg σx,cr,cal τ cr,cal
[MPa] [MN] [MN] [m ]
2
[m2 ] [MPa] [MPa]
∗1
S2 31,2 −1,669 0,599 0,178 0,108 −9,38 5,54
S7 34,1 −1,693 0,595 0,178 0,108 −9,51 5,51
∗1
Mit einem Faktor von 0,75 in Anlehnung an [86] umgerechnete Betondruckfestigkeit
(Probekörper: Würfel mit fcw = 41,6MPa und einer Kantenlänge von a = 150mm)

Tab. 9.4: Versuche an unbewehrten Betonscheiben von Kupfer aus [55]

Versuch Beton Bruchlast Spannungszustand


nach [55] nach (9.2)
fcm σI cr σII cr σx,cr,cal τ cr,cal
Druck/Zug [MPa] [MPa] [MPa] [MPa] [MPa]
−1/0 29 0,00 −29,00 −29,00 0,00
−1/0,052 29 1,28 −24,65 −23,37 5,62
−1/0,070 29 1,56 −22,33 −20,77 5,90
−1/0,103 29 1,85 −17,98 −16,13 5,77
−1/0,202 29 2,16 −10,73 −8,56 4,82
0/1 29 2,64 0,00 2,64 0,00

eine Differenz von 4MPa angenommen (fck = fcm − 4).

fctm = 0,3 · (fcm − 4)2/3 (9.3)

Ergänzend zu den Versuchs- und Rechenergebnissen, deren zur Erstrissbildung führende


Spannungskombination jeweils mit einem Punkt in Abbildung 9.1 gekennzeichnet ist, werden
verschiedene σx /τ -Grenzlinien dargestellt. Jede Einzelne repräsentiert Spannungskombinationen
mit gleichen resultierenden Hauptzugspannungen. Es ist gut zu erkennen, dass bis zu einer
Längsdruckspannung von etwa σx = 0,5 · fcm nahezu alle zur Erstrissbildung führenden Span-
nungskombinationen innerhalb der die Quantilwerte der Betonzugfestigkeit kennzeichnenden
Grenzlinien liegen. Erst auf einem Druckspannungsniveau ≥ 0,5 · fcm nimmt die in den experi-
mentellen Untersuchungen von Kupfer [55] beobachtete Betonzugfestigkeit stärker ab. Für eine
Bemessung im GZT spielt dieser Zusammenhang jedoch eine untergeordnete Rolle, da derartig
hohe Druckspannungen durch die Begrenzung auf den Bemessungswert der Betondruckfestigkeit
fcd ausgeschlossen sind. Dieser liegt je nach Betonfestigkeitsklasse zwischen 40% und 50% der
mittleren Betondruckfestigkeit fcm .
Insgesamt wirken sich die Längsdruckspannungen im Querschnitt signifikant traglaststeigernd
im Hinblick auf den Zeitpunkt der zu erwartenden Erstrissbildung in der Scheibenebene aus.
170 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

Der derzeitige Ansatz der DIN EN 1992 [18–20], der die Schubspannungen in Scheibenebene
begrenzt (siehe Kapitel 2.4), berücksichtigt die positive Wirkung der vorhandenen Längsdruck-
spannungen in Druckgurten nicht. In Abbildung 9.1 ist dieser ebenfalls in Form einer Grenzlinie
dargestellt (τ = 0,4 · fctd ). Die Gründe für die Festlegung dieses Grenzwertes sind hier nicht
bekannt. Da dieses Nachweisformat jedoch unabhängig von der vorhandenen Längsspannung
angewandt werden darf, also auch für den Fall vorhandener Längszugspannungen, ist es durchaus
möglich, dass der konstante Grenzwert für ungünstig wirkende Längszugspannungen kalibriert
wurde.

9.2.2 Längsdruck mit Schub und Querbiegung


Im Allgemeinen treten in den Gurtanschnitten der Bodenplatten von Hohlkastenbrücken nur
geringe Querbiegemomente auf, die das Rissmoment des Querschnitts nicht selten unterschrei-
ten. Sie resultieren im Wesentlichen aus Profilverformungen, der Rahmentragwirkung des
Kastenquerschnitts in Querrichtung und aus direkten Einwirkungen im Bereich der Bodenplatte.
Die resultierenden Hauptzugspannungen innerhalb der Gurtscheibe infolge einer Längsdruck-
spannung σx , einer Scheibenschubspannung τ und einer Spannungskomponente σy infolge
Querbiegung am oberen Querschnittsrand können nach (9.1) ermittelt werden. Im Folgen-
den wird der Einfluss einer Querbiegung für verschiedene Kombinationen aus Biegezug- und
Längsdruckspannung untersucht. Hierbei sind die Größen σx und σy bekannt. Darüber hinaus
wird davon ausgegangen, dass die Hauptzugspannung zum Zeitpunkt der Erstrissbildung σI cr
genau der mittleren zentrischen Zugfestigkeit fctm entspricht. Gesucht wird die aufnehmbare
Schubspannung τ für verschiedene Spannungskombinationen, die durch Umstellung von (9.1)
nach τ cr gemäß (9.4) ermittelt wird.

p
τ cr = σI 2cr − σI cr · σx,cr − σI cr · σy,cr + σx,cr · σy,cr
p (9.4)
= fctm 2 − fctm · σx,cr − fctm · σy,cr + σx,cr · σy,cr

Ausgehend von einer Betonfestigkeitsklasse C30/37 und einer mittleren Betonzugfestigkeit


von fctm = 2,9MPa werden die aufnehmbaren Schubspannungen nach (9.4) für Spannungskom-
binationen mit Biegezugspannungen zwischen σy = 0,0 und σy = 2,5 ermittelt. Dies entspricht
einer Ausnutzung der zentrischen Zugfestigkeit durch Querbiegung von bis zu etwa 85%. In
Abbildung 9.2 sind die so ermittelten Scheibenspannungszustände bei Erreichen der zentrischen
Zugfestigkeit für verschiedene Querbiegemomente aufgetragen.
Ergänzend zur analytischen Ermittlung der rechnerischen Grenzlinien nach (9.4) erfolgt eine
numerische Verifikation an einem unbewehrten, ebenen Betonschalenelement (siehe Abbildung
9.3). Für die Simulationsrechnung wird die Materialarbeitslinie für den Beton im Zugbereich
zunächst dahingehend angepasst, dass die Zugspannung nach Überschreitung der Rissdehnung
nahezu unmittelbar auf 0MPa abfällt (siehe Abbildung 9.3(b)). Die manuelle Anpassung des
171

4,5
Handrechnung
4
FEM
3,5
0,17 3
0,35 σI =fctd
2,5

τ/fctm
σy ~ fctm. 0,5
2
0,7
1,5
1
0,5
σI =0,4fctd τ = 0,4fctd
0
-1 -0,9 -0,8 -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1
σx/fcm

Abb. 9.2: Vergleich analytisch und numerisch ermittelter Scheibenspannungszustände bei


Erstrissbildung ohne Berücksichtigung einer erhöhten Biegezugfestigkeit

myy (σ y)
σx τ
σc σc
FEM:
σ x = τ =0 FEM:
σ x = τ =0
fctm=2,9 fctm=2,9
0,50

h=0,35 Mcr=59kNm Mcr=76kNm


(reine Biegung) (reine Biegung)
GF~0 GF
fctm,fl~1,3fctm
εc εc
0,50

(a) System FEM (b) zentrische Zugfestigkeit (c) Biegezugfestigkeit

Abb. 9.3: Schematische Darstellung des Systems und der Betonarbeitslinien im Zugbereich zur
Ermittlung der Tragfähigkeit infolge Biegung und durch kombinierte Beanspruchungen

abfallendes Astes der Arbeitslinie im Zugbereich bewirkt, dass sich die maximale Biegetrag-
fähigkeit des unbewehrten Betonquerschnitts unmittelbar mit dem Erreichen der zentrischen
Betonzugfestigkeit in der Randfaser des Querschnitts einstellt. So wird ein Vergleich mit der
analytischen Berechnung möglich, die einen möglichen Einfluss einer erhöhten Biegezugfestig-
keit nicht erfasst. Die Ergebnisse der numerischen Simulation sind ebenfalls in Abbildung 9.2
enthalten.
Es ist ein deutlicher Einfluss der Querbiegung auf die aufnehmbare Schubspannung in der
Randfaser zu erkennen. Mit steigendem Querbiegemoment wird diese kontinuierlich verringert.
Die Ergebnisse der analytischen und der numerischen Berechnungen stimmen hierbei in guter
Näherung überein. Dennoch können insbesondere unter dem Einfluss hoher Längsdruckspannun-
gen auch unter Berücksichtigung der Querbiegung noch nennenswerte Schubspannungen vom
172 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

ungerissenen Querschnitt aufgenommen werden. Dies wird beim Vergleich mit dem nach derzeiti-
gen Regelwerken [18, 20] anwendbaren Bemessungswert des Widerstands τ = 0,4 · fctd deutlich,
dessen Sicherheitsabstand zum Rissspannungszustand mit größer werdenden vorhandenen
Längsdruckspannungen kontinuierlich steigt (siehe Abbildung 9.2).
Die bisherigen Überlegungen berücksichtigen lediglich die zentrische Zugfestigkeit des Betons.
Tatsächlich bauen sich die Zugspannungen im Beton mit einsetzender Rissbildung jedoch nicht
unmittelbar auf 0 ab, sondern es findet mit zunehmender Dehnung eine allmähliche Entfestigung
statt (siehe Abbildung 9.3(c)). Hierdurch kann sich infolge einer Biegebeanspruchung nach
dem Überschreiten der zentrischen Zugfestigkeit in der Randfaser zunächst ein nichtlinearer
Zugspannungsverlauf einstellen, dessen Maximum in das Innere des Bauteils verschoben ist.
Erst bei weiterer Laststeigerung kommt es zum Biegeversagen des Bauteils auf einem höheren
Lastniveau. Diese Traglaststeigerung kann vereinfachend auf eine im Vergleich zur mittleren
zentrischen Zugfestigkeit fctm erhöhte Biegezugfestigkeit fctm,f l zurückgeführt werden. Hierbei
handelt es sich um einen reinen Rechenwert, der insbesondere in Abhängigkeit der vorhandenen
Bauteilhöhe variiert (Maßstabseffekt), und um keinen tatsächlichen Materialparameter. Die
zentrische Zugfestigkeit wird tatsächlich an keiner Stelle des Querschnitts überschritten. Ver-
schiedene Ansätze zur Ermittlung der Biegezugfestigkeit sind beispielsweise in [11, 18, 27] zu
finden.
Mit Hilfe der FEM ist es möglich den Einfluss des erhöhten Biegewiderstands durch die
Berücksichtigung des abfallenden Astes der Zugfestigkeit (siehe Abbildung 9.3(c)) in die
bisherigen Überlegungen einfließen zu lassen. Die Modellierung erfolgt unter Berücksichtigung
einer Bruchenergie von GF = 0,097N/mm. Dies entspricht etwa dem Wert nach Model
Code 1990 [11] für einen Beton C30/37 mit 32mm Größtkorndurchmesser. In Abbildung 9.3
sind die Ergebnisse der Simulationsrechnungen am unbewehrten Betonquerschnitt für reine
Biegebeanspruchung eingetragen. Durch die Berücksichtigung des linear abfallenden Astes
ergibt sich hier ein um etwa 30% erhöhter Biegewiderstand beziehungsweise eine im Vergleich
zur zentrischen Zugfestigkeit um 30% erhöhte Biegezugfestigkeit fctm,f l = 1,3 · fctm .
Ein mit den Ausführungen des Model Code 1990 [11] oder der DIN EN 1992 [18] vergleichba-
rer Maßstabseffekt kann im Programm im Fall von Plattenbiegung nicht abgebildet werden. Dies
wird darauf zurückgeführt, dass eine gegenseitige Beeinflussung der Randfasern benachbarter
Plattenelemente bei reiner Biegung nicht erfolgt. In Abbildung 9.4 sind die Ergebnisse eines
Vergleichs zwischen der Modellierung eines Balkens mit Platten- beziehungsweise Scheiben-
elementen dargestellt. Bei der Modellvariante mit Scheibenelementen über die Balkenhöhe
(Abbildung 9.4(a)), kann nach Entfestigungsbeginn im Lokalisierungsbereich der Schädigung
eine elastische Rückverformung in den unmittelbar benachbarten Bereichen rechnerisch be-
rücksichtigt werden. Hierdurch kommt es zu einer nichtlinearen Erhöhung der Dehnungen
im Rissquerschnitt. Dieses Strukturverhalten ist in gleicher Weise bei Plattenelementen nicht
erfassbar (Abbildung 9.4(b)).
Abbildung 9.5 zeigt die rechnerische Erhöhung der zentrischen Zugfestigkeit für unter-
173

10h 2 nichtlinear-
P P
elastisch
linear- nichtlinear- linear- p p h=
elastisch elastisch h elastisch Plattendicke

1
27,5h 5,5 [m]
Überhöhung (Faktor=5)
Längsspannung Längsspannung unten

*1 *2
h

1
keine elastische Rückverformung
elastische Rückverformung der Randfaser der Plattenelemente
*1 *2

h h
Element-
ebene

(a) Scheibenelemente (b) Plattenelemente

Abb. 9.4: Scheiben- und Plattenmodell zur Ermittlung der Biegezugfestigkeit eines
4-Punkt-Biegebalkens

schiedliche Balkenhöhen als Vergleich der beiden Modellvarianten. Analog zu der von Duda
[27] beschriebenen Vorgehensweise werden bei den Berechnungen mit Scheibenelementen
alle Systemabmessungen proportional zur untersuchten Balkenhöhe h angepasst. Durch das
beschriebene Strukturverhalten im Modell kommt es zu einer mit zunehmender Bauteilhöhe
abnehmenden bezogenen Biegezugfestigkeit bei den Simulationsrechnungen mit Scheibenele-
menten (Maßstabseffekt). Für die Untersuchung mit dem verwendeten FE-Modell, bei dem
die Querbiegung als Plattenbiegung berücksichtigt wird, ist eine Prüfung der resultierenden
Biegezugfestigkeit im Einzelfall erforderlich, da die Abhängigkeit der Biegezugfestigkeit von
der Bauteilhöhe nicht berücksichtigt werden kann. Für Einzelbetrachtungen an unbewehrtem
Beton kann gegebenenfalls eine Anpassung des Modellverhaltens über einen modifizierten
Bruchenergieansatz erfolgen.
Für den hier untersuchten Einfluss der Biegezugfestigkeit auf das Rissverhalten unter
kombinierter Beanspruchung aus Längsdruck, Schub und Querbiegung, ist die beschriebene
Einschränkung des Modells vernachlässigbar. Für die Betrachtung des Einflusses einer bekannten
bezogenen Biegezugfestigkeit, die unter reiner Biegebeanspruchung auf Elementebene ermittelt
wurde, ist das Strukturverhalten innerhalb eines realen Bauteils unerheblich.
Auf Grundlage dieser Überlegungen wird der Einfluss der Biegezugfestigkeit auf das Riss-
174 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

1,6
Scheiben-
1,5
elemente
1,4 Platten-

fctm,fl/fctm
elemente
1,3

1,2

1,1 Mode Code 1990

1
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1
h [m]

Abb. 9.5: Vergleich der bezogenen Biegezugfestigkeit für die Modelle mit Scheiben- beziehungsweise
Plattenelementen

verhalten unter kombinierter Beanspruchung am Modell nach Abbildung 9.3(a) mit der Ma-
terialarbeitslinie im Zugbereich entsprechend Abbildung 9.3(c) untersucht. Zusätzlich zur
numerischen Simulation des Rissverhaltens erfolgt eine analytische Ermittlung der Grenztragfä-
higkeit in Anlehnung an (9.4). Hierbei wird jedoch anstelle der tatsächlichen Zugspannungen
infolge Querbiegung σy eine effektive Zugspannung unter Berücksichtigung der vorhandenen
Biegezugfestigkeit σy,ef f nach (9.5) verwendet.

fctm
σy,ef f = σy · (9.5)
fctm,f l
Die Auswertung der Ergebnisse der numerischen Simulation und der begleitenden Handrech-
nungen sind in Abbildung 9.6 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass im Vergleich zur Berechnung
ohne Berücksichtigung des Einflusses der Biegezugfestigkeit (siehe Abbildung 9.2) deutlich
größere Schubspannung bei ansonsten gleichen Spannungsverhältnissen zum Versagen des
unbewehrten Betonquerschnitts führen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der numeri-
schen Simulation durch die vereinfachend mit einer effektiven Biegespannung durchgeführten
Handrechnung in guter Näherung wiedergegeben.
Insgesamt kann gezeigt werden, dass die vorhandenen Längsdruckspannungen in den Druck-
gurten gegliederter Querschnitte signifikante Steigerungen der Traglasten der ungerissenen
Betonquerschnitte zur Folge haben. Sogar unter Berücksichtigung geringer Querbiegemomen-
te führen die derzeitigen Bemessungsansätze aktueller Regelwerke [18, 79] zu konservativen
beziehungsweise weit auf der sicheren Seite liegenden Ergebnissen.
175

4,5
Handrechnung
4
FEM
3,5
0,17 3
σy ~ fctm . 0,35 σI =fctd
0,5 2,5

τ/fctm
0,7
2
1,5
1
0,5
σI =0,4fctd τ = 0,4fctd
0
-1 -0,9 -0,8 -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1
σx/fcm

Abb. 9.6: Vergleich analytisch und numerisch ermittelter Scheibenspannungszustände bei


Erstrissbildung unter Berücksichtigung einer um etwa fctm,f l /fctm = 1,3 erhöhten
Biegezugfestigkeit

9.3 Gurtanschlüsse mit rechnerisch erforderlicher An-


schlussbewehrung

9.3.1 Längsdruck mit Schub und Querbiegung


Druckgurtanschlüsse im Bereich der Bodenplatten von Kastenträgern werden im Wesentlichen
durch eine Kombination aus Längsdruck und Schub beansprucht. Zusätzliche Querbiegemomente
infolge Profilverformung oder örtlicher Einwirkungen sind im Allgemeinen gering. Die DIN EN
1992 [18–20] sieht eine getrennte Nachweisführung für Schub und Querbiegung vor, wobei
nur der jeweils größere erforderliche Bewehrungsquerschnitt der Einzelnachweise einzulegen ist.
Eine Überlagerung der erforderlichen Bewehrungsmengen ist nicht erforderlich.
Die in Kapitel 8 durchgeführten Untersuchungen führen insbesondere in Gurtbereichen
mit großen vorhandenen Längsdruckspannungen zu sehr geringen Druckstrebenwinkeln. Eine
mit einem zusätzlichen Querbiegemoment einhergehende Einschnürung der Betondruckstrebe
könnte jedoch insbesondere in diesen Bereichen zu kritischen Betondruckspannungen führen.
Menn stellt in [9] einen Berechnungsansatz vor, der die Interaktion von Schub und Querbiegung
berücksichtigt. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Resultierende der schiefen Beton-
druckstrebe sich innerhalb des Gurtquerschnitts zur Biegedruckseite hin verschieben kann und
die Bewehrung auf der Biegezugseite somit entlastet wird. Die Beanspruchung des Betons
auf der Biegedruckseite wird hierdurch erhöht. Eine Voraussetzung für die Verschiebung der
Resultierenden des Druckspannungsfelds ist daher, dass der Betonquerschnitt des Gurtes nicht
bereits infolge der vorhandenen Schubbeanspruchung voll ausgenutzt ist.
176 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

500
obere Lage
400 untere Lage
Schub
300 Querbiegung

σ [MPa]
Schub +
200 Querbiegung

p p
100

0
0 10 20 30 40 50
-100
p p L [m]

(a) Zusätzliche Linienlast für Querbiegung (b) Betonstahlspannungen

Abb. 9.7: Vergleich des Modellverhaltens im Bereich des Gurtanschnittes unter reinem Schub und
Schub mit Querbiegung

In Abbildung 9.7 ist der Einfluss einer zusätzlichen etwa konstanten Querbiegebeanspruchung
innerhalb des Gurtanschnittes der Bodenplatte des Referenzsystems mit Punktlast aus Kapitel
8 auf die Ausnutzung der Gurtanschlussbewehrung dargestellt. Das Querbiegemoment ist dabei
so groß gewählt, dass die Bewehrung auf der Biegezugseite die Fließgrenze gerade erreicht. Im
Rahmen der Simulation können die konzentriert eingeleiteten Einzellasten auch unter Berück-
sichtigung der Querbiegung wesentlich gesteigert werden. Die Übertragung von Schubkräften
erfolgt hierbei nahezu vollständig auf der Biegedruckseite der ebenen Schalenelemente. Das von
Menn beschriebene und auf Grundlage von Versuchsauswertungen entwickelte Modellverhalten
[9] kann im Rahmen der Simulation in vergleichbarer Weise beobachtet und bestätigt werden.
Maurer verwendete das Modell von Menn in [67] zur Bemessung der Betongurte von
Stahlverbundträgern auf Schub mit Querbiegung und stellte es hierzu auf das seinerzeit
vorgesehene Format und Sicherheitskonzept des Eurocode 2 um. Im folgenden werden die
Interaktionsbedingungen in Anlehnung an Menn [9] auf das aktuelle Format der DIN EN
1992-2 [19, 20] umgestellt. Hierzu sind im Vergleich zu [67] nur noch geringfügige Anpassungen
erforderlich. Diese betreffen im Wesentlichen die Verwendung des Beiwerts zur Berücksichtigung
von Langzeiteffekten α für Biegung und Schub sowie die Höhe der Druckspannungsbegrenzung
innerhalb des Druckfeldes durch den Abminderungsbeiwert ν. Dieser wird entsprechend der
derzeit gültigen Fassung der DIN EN 1992-2 [19] unter Berücksichtigung der DIN EN 1992-2/NA
[20] mit ν = 0,75 in Rechnung gestellt.
Für das Aufstellen der Interaktionsbedingungen sind zwei Fälle zu unterscheiden. Im ersten
Fall ist die Zugkraft in der Gurtanschlussbewehrung infolge Schub größer und im zweiten Fall
kleiner als die Druckkraft infolge Querbiegung [9].
Für den Fall 1 vorwiegender Schubbeanspruchung führt die Querbiegung zu keiner zusätzli-
177

as,GA,1 σs,1

d2 d0 d1
mR
Fc,H

hf
x1
vR
as,GA,2 σs,2

as,GA,1
hf
x1

as,GA,2


x=
1,0
θ

m
Fs=as,GA,1 σ s,1
+as,GA,2 σ s,2
Fc,H=Fc sin θ mR
vR

Fc
Fc= σ c ∆ x sin θ x1
θ
sin
∆x
σc

Abb. 9.8: Schematische Darstellung der Beanspruchung eines Gurtabschnitts für den Fall 1 nach
Menn [9] in Anlehnung an [67]

chen Beanspruchung des Betons auf Druck. Stattdessen erfolgt eine Erhöhung beziehungsweise
Reduktion der Zugkräfte in der Gurtanschlussbewehrung [9]. Das Gleichgewicht an einem
Gurtscheibenabschnitt kann durch (9.6) angegeben werden. Die einzelnen Bezeichnungen sind
in Abbildung 9.8 für den Fall 1 dargestellt.

F · cos Θ = σ · x · sin Θ · cos Θ
c c 1 Beton
vR = min
Fs / tan Θ = (as,GA,1 · σs1 + as,GA,2 · σs2 ) · cot Θ Betonstahl (9.6)
x 
1
mR = as,GA,1 · σs1 · d0 − σc · x1 · sin2 Θ · − d2
2

Unter Berücksichtigung der Begrenzung der Betondruckspannungen gemäß (9.7), der Ein-
führung einer zusätzlichen Abminderung der schiefen Betondruckspannungen in Bereichen
mit schräger Schubrissbildung ν und der Annahme, dass die Stahlspannung in der oberen
Bewehrungslage den Bemessungswert der Streckgrenze fyd erreicht, ergeben sich die Bemes-
178 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

sungswiderstände für Schub mit Querbiegung nach (9.8).

fck fck
σc = fcd = αcc · = 0,85 · (9.7)
γc 1,5

f · x · ν · sin Θ · cos Θ
cd 1
vRd = min
(as,GA,1 · fyd + as,GA,2 · σs2 ) · cot Θ (9.8)
x 
2 1
mRd = as,GA,1 · fyd · d0 − fcd · x1 · ν · sin Θ · − d2
2

Die Interaktionsbeziehung (9.9) ergibt sich durch die Umstellung der ersten Gleichung für
vRd in (9.8) nach x1 und anschließendes Einsetzen in die Bedingung zur Sicherstellung des
Momentengleichgewichts.
 
vRd
mRd = as,GA,1 · fyd · d0 − vRd · tan Θ · − d2 (9.9)
2 · fcd · ν · sin Θ · cos Θ
Beim Fall 2 vorwiegender Querbiegebeanspruchung führt diese dazu, dass die Zugkräfte infol-
ge Schub in der Bewehrungslage auf der Biegedruckseite kleiner werden als die Biegedruckkraft.
Menn führt zur Aufnahme dieser zusätzlichen Biegedruckkomponente eine zusätzliche Beton-
druckkraft ein und verlagert das Betondruckspannungsfeld aus Schub in Richtung Stegmitte
[9] (hier: Gurtmitte).
Das Gleichgewicht an einem Gurtscheibenabschnitt kann durch (9.10) angegeben werden.
Die einzelnen Bezeichnungen sind in Abbildung 9.9 für den Fall 2 dargestellt.

F · cos Θ = σ · x · sin Θ · cos Θ
c c 1
vR = min
(Fs − Fcu,H ) / tan Θ = (as,GA,1 · σs1 − x2 · σc ) · cot Θ (9.10)
 x2  2
x
1 x2 
mR = as,GA,1 · σs1 · hf − d1 − − σc · x1 · sin Θ · +
2 2 2

Durch die Berücksichtigung der gleichen Annahmen zur Ausnutzung der Druckspannungs-
felder und der Gurtanschlussbewehrung wie bei Fall 1, können die Widerstände für Schub mit
überwiegender Querbiegung im Fall 2 gemäß (9.11) angegeben werden.

f · x · ν · sin Θ · cos Θ
cd 1
vRd = min
(as,GA,1 · fyd − x2 · fcd ) · cot Θ (9.11)
 x2  2
x
1 x2 
mRd = as,GA,1 · fyd · hf − d1 − − fcd · x1 · ν · sin Θ · +
2 2 2

Die Interaktionsbeziehung (9.12) für den Fall 2 ergibt sich durch die Umstellung der Glei-
chungen für vRd in (9.11) nach x1 beziehungsweise x2 und anschließendes Einsetzen in die
179

as,GA,1 σs,1

d d1
mR
Fc,H

hf
x2 x1
vR
Fcu,H

as,GA,1
hf
x2 x1


x=
1,0
m
θ Fs=as,GA,1 σ s,1

Fc,H=Fc sin θ
Fcu,H=x2 σc
mR
vR

Biegedruckzone

Fc
Fc= σ c ∆ x sin θ x1
θ
sin
∆x
σc

Abb. 9.9: Schematische Darstellung der Beanspruchung eines Gurtabschnitts für den Fall 2 nach
Menn [9] in Anlehnung an [67]

Bedingung zur Sicherstellung des Momentengleichgewichts analog zur Vorgehensweise im Fall 1.


 
as,GA,1 · fyd − vRd · tan Θ
mRd = as,GA,1 · fyd · hf − d1 −
2 · fcd
vRd
− fcd · ν · · sin2 Θ
fcd · ν · cos Θ · sin Θ
 
vRd as,GA,1 · fyd − vRd · tan Θ
· +
2 · fcd · ν · cos Θ · sin Θ 2 · fcd (9.12)

 
as,GA,1 · fyd − vRd · tan Θ
⇒ mRd = as,GA,1 · fyd · hf − d1 −
2 · fcd
 
vRd as,GA,1 · fyd − vRd · tan Θ
− vRd · tan Θ · +
2 · fcd · ν · cos Θ · sin Θ 2 · fcd

Für die Aufstellung von Interaktionsdiagrammen ist eine bezogene beziehungsweise dimen-
sionslose Darstellung der aufnehmbaren Schubkräfte und Biegemomente erforderlich. Hierzu
180 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

werden in Anlehnung an Menn [9] die Bezugsgrößen vRd0 (9.13) und mRd0 (9.14) eingeführt.
Für einen gegebenen Querschnitt mit der Dicke hf stellt der Wert vRd0 den maximal aufnehm-
baren Schubfluss dar (d.h. x1 = hf ). Das Bezugsmoment mRd0 stellt für diesen Querschnitt,
dessen Bewehrung für vRd0 ausgelegt ist, das zugehörige maximal aufnehmbare Biegemoment
dar.

vRd0 = fcd · hf · ν · sin Θ · cos Θ (9.13)

!
mRd0 = as,GA,1 · fyd · z = x2 · fcd · z = 0,5 · vRd0 · tan Θ · z
mit
0,5 · vRd0 · tan Θ (9.15)
⇒ x2 = = 0,5 · hf · ν · sin2 Θ
f cd
x2
z = hf − d1 −
2  x2  (9.14)
⇒ mRd0 = 0,5 · fcd · hf · ν · sin Θ · cos Θ · tan Θ · hf − d1 −
 =d 2 
z }| { 1
= 0,5 · fcd · hf · ν · sin2 Θ · hf − d1 − · hf · ν · sin2 Θ
4
mit
(9.16)
= ω 0 · fcd · d · (d − 0,5 · ω 0 · d) = ω 0 · fcd · d2 · (1 − 0,5 · ω 0 )

Zur Berücksichtigung des Bewehrungsquerschnitts werden zwei weitere dimensionslose


Bezugsgrößen nach Menn eingeführt [9]. Der geometrische Bewehrungsgrad ρ0 (9.15) korre-
spondiert hierbei mit dem maximal aufnehmbaren Schubfluss vRd0 . Auf Basis von ρ0 erfolgt
die Ermittlung des mechanischen Bewehrungsgrads ω 0 (9.16) unter Verwendung der statischen
Höhe des Gurtes für Querbiegung.

mit mit 2
as,GA,tot (9.8) vRd0 (9.13) fcd · ν · sin Θ
ρ0 = = =
hf hf · fyd · cot Θ fyd
(9.15)
mit
as,GA,tot = as,GA,1 + as,GA,2

mit
ρ0 hf fyd (9.15) ν · sin2 Θ hf
ω0 = · · = · (9.16)
2 d fcd 2 d

Der tatsächlich vorhandene geometrische Bewehrungsgrad ρtot wird mit (as,GA,1 +as,GA,2 )/hf
bei der Erstellung der Interaktionsdiagramme berücksichtigt. Zusätzlich sind einige Grenzbedin-
gungen beim Aufstellen der Diagramme zu beachten [67]. Für den Fall 1 gilt nach (9.17), dass
die Gesamthöhe des rechnerischen Druckfelds x1 nicht größer werden darf als die vorhandene
181

ε c=-0,0035

0,416 x2
Fc= α R x2 fcd

x2=0,6167 d
-

ka x2=
Fc=0,493 d fcd

0,8 x2
-0,002 =0,5 d fcd

z=0,753 d

z=0,743 d
d

As + Fs Fs
εs=0,002175

(a) Dehnungsebene (b) Spannungsblock (c) Parabel-Rechteck-Diagramm

Abb. 9.10: Resultierende Betondruckkraft unter Berücksichtigung der Grenzdehnung und


verschiedener Spannungs-Dehnungs-Beziehungen

Gurtdicke hf .

vRd
Fall 1: x1 ≤ hf ⇒ ≤1 (9.17)
vRd0

Für den Fall 2 gilt nach (9.18) analog zum Fall 1, dass die Gesamthöhe des rechnerischen
Druckfeldes bestehend aus den Komponenten x1 und x2 nicht größer werden darf als die
vorhandene Gurtdicke hf .

Fall 2: x1 + x2 ≤ hf (9.18)

Darüber hinaus ist die Einhaltung der zulässigen Grenzdehnungen infolge Querbiegung
entsprechend der Vorgaben der DIN EN 1992 [18–20] sicherzustellen. Die DIN EN 1992-
1-1 erlaubt für die Anwendung im allgemeinen Hochbau hierzu die Berücksichtigung eines
resultierenden Biegedruckspannungsblocks gemäß Abbildung 9.10(b). Für den Brückenbau darf
die Querschnittsbemessung auf Grundlage eines Parabel-Rechteck-Diagramms entsprechend
der in Abbildung 9.10(c) dargestellten Spannungsverteilung im Querschnitt erfolgen. Die
Anwendung alternativer Spannungs-Dehnungs-Beziehungen ist ebenfalls zulässig, wenn sie zu
gleichwertigen oder konservativeren Ergebnissen führen [20, NCI zu 3.1.7(2)].
Für die Ermittlung des zulässigen Grenzmoments erfolgt zunächst ein Vergleich der theoreti-
schen Werte auf Basis der Rechnungen mit dem Parabel-Rechteck-Diagramm beziehungsweise
einem vereinfachten Spannungsblock. Die Bruchdehnung des Betons wird hierbei gemäß DIN
EN 1992 auf cu2 = −3,5‰ festgelegt. Die Grenzdehnung des Betonstahls ergibt sich für einen
B500A beziehungsweise B500B im GZT zu fyd /Es = 435/200000 = 0,002175 = 2,175‰. Die
zugehörige Dehnungsebene und die daraus resultierenden Biegedruckkräfte können Abbildung
9.10 entnommen werden.
Für die vereinfachte Ermittlung mit dem konstanten Spannungsblock (Abbildung 9.10(b))
182 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

ergibt sich das zugehörige Grenzmoment gemäß (9.19).

x2 = 0,8 · 0,6167 · d
F c = 0,493 · d · fcd
(9.19)
z = 0,753 · d
mRd ≤ 0,371 · d2 · fcd

Bei einer Berechnung auf Grundlage des Parabel-Rechteck-Diagramms kann das zugehörige
Grenzmoment nach (9.20) ermittelt werden.

x2 = 0,6167 · d
F c = 0,81 · 0,6167 · d · fcd = 0,5 · fcd
(9.20)
z = (1 − 0,416 · x2 ) · d = 0,743 · d
mRd ≤ 0,371 · d2 · fcd

Die beiden Varianten zur Ermittlung des rechnerischen Grenzmoments führen am Rechteck-
querschnitt zu gleichwertigen Ergebnissen. Die Nutzung des vereinfachten Spannungsblocks ist
folglich auch durch die DIN EN 1992-2/NA [20, NCI zu 3.1.7(2)] abgedeckt.
Auf Basis der Interaktionsbedingungen und unter Berücksichtigung der genannten Grenz-
bedingungen werden Interaktionsdiagramme für unterschiedliche Druckstrebenneigungen und
variierende Bewehrungsverhältnisse aufgestellt. Die Wahl der Druckstrebenneigung für die
Interaktionsdiagramme erfolgt in Anlehnung an die Ergebnisse der durchgeführten Simulations-
rechnungen an einem Hohlkastenquerschnitt in Kapitel 8 für Winkelbereiche zwischen Θ = 15°
und Θ = 40°. Die Diagramme sind in Anhang A abgedruckt.
Zur Verifikation der Interaktionsbedingungen werden nachfolgend die experimentell ermittel-
ten Traglasten ausgewählter Versuche zur Tragfähigkeit unter Schubbeanspruchung mit und
ohne Querbiegung in den jeweils zugehörigen Interaktionsdiagrammen ausgewertet. Die Tabelle
9.5 enthält die verwendeten Daten der hierzu herangezogenen experimentellen Untersuchungen
aus der Literatur. Der Vergleich der erzielten Traglasten im Versuch mit den Diagrammen
erfolgt auf Basis der ebenfalls in Tabelle 9.5 aufgeführten Mittelwerte der Baustoffeigenschaf-
ten. Sowohl die Teilsicherheitsbeiwerte γ c und γ s auf der Materialseite für den Beton und
den Betonstahl als auch der Beiwert zur Berücksichtigung der Dauerfestigkeit αcc werden
für die Aufstellung der Diagramme, die dem Vergleich mit den Versuchswerten dienen (siehe
Abbildungen 9.11, 9.12 und 9.13), mit 1,0 angesetzt.
Die Tragfähigkeit wird durch die Interaktionskurven in nahezu allen Fällen gut angenähert
beziehungsweise auf der sicheren Seite liegend abgeschätzt (siehe Abbildungen 9.11, 9.12 und
9.13). Ausnahmen stellen die Nachrechnungen der Versuche PB1 und PB2 von Schieferstein
183

Tab. 9.5: Verwendete Parameter experimenteller Untersuchungen an Plattenbalkenquerschnitten

Versuch fcm fym Pressenlast P Schubfluss v Querbiegung hf as,GA ,1 Quelle


,2
2
[MPa] [MPa] [kN] [kN/m] [kNm/m] [m] [cm /m]
Schieferstein
PB1/I 18,5 442 498 592 0,00 0,08 7,54
7,54 [88]
PB1/I,cal 18,5 442 735 874 0,00 0,08 7,54
7,54 Kap. 7.2.2
PB1/II 18,5 442 455 200 26,8 0,08 15,08
0,00 [88]
PB2 22,0 484 516 613 15,7 0,08 18,84
0,00 [88]
PB3 21,5 484 400 475 30,1 0,08 18,84
0,00 [88]
Badawy und Bachmann
Q1 26,5 475 518 518 0,00 0,10 1,13
1,13 [5]
Q4 30,0 475 560 560 14,70 0,10 5,14
2,26 [5]
Bacchetta und Bachmann
Z1 32,0 475 520 490 0,00 0,10 2,83
2,83 [2]
Z3 32,0 525 580 547 19,05 0,10 5,80
2,52 [2]
Z4 32,0 525 430 405 29,3 0,10 5,02
1,03 [2]
Z5 32,0 525 580 547 19,05 0,10 5,80
1,03 [2]
Z6 32,0 525 560 528 19,05 0,10 4,57
1,03 [2]

dar. Der Versagensmechanismus des erstgenannten Trägers wurde in Kapitel 7.2.2 genauer
untersucht. Es wurde gezeigt, dass es sich um eine Kombination aus Biegedruckbruch des
Balkens und Schubbruch der Platte gehandelt hat. Daher ist zusätzlich die rechnerisch in Kapitel
7.2.2 ermittelte Bruchlast der Gurtscheibe in Abbildung 9.11(b) mit ausgewertet. Darüber
hinaus wird für alle Nachrechnungen die uniaxiale Betondruckfestigkeit in nicht abgeminderter
Form angesetzt (ν = 1,0). Unter Ansatz einer Abminderung von ν = 0,75 gemäß DIN EN
1992-2/NA [20] liegen alle Rechenergebnisse auf der sicheren Seite.
184 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene

1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0

vR/vR0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2
mR/mR0 mR/mR0

(a) PB1/I, Θ = 30° (b) PB1/I,cal , Θ = 40°

1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0

vR/vR0

0,8 0,8

Grenzmoment
Grenzmoment

0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
mR/mR0 mR/mR0

(c) PB1/II, Θ = 30° (d) PB2 und PB3, Θ = 30°

Abb. 9.11: Nachrechnung der Versuche von Schieferstein mit ν = 1,0

1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0

vR/vR0

0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2
mR/mR0 mR/mR0

(a) Q1, Θ = 20° (b) Q4, Θ = 20°

Abb. 9.12: Nachrechnung der Versuche von Badawy und Bachmann mit ν = 1,0
185

1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0

vR/vR0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2
mR/mR0 mR/mR0

(a) Z1, Θ = 30° (b) Z3, Θ = 30°

1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0

vR/vR0

0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2
mR/mR0 mR/mR0

(c) Z5, Θ = 30° (d) Z6, Θ = 30°

Abb. 9.13: Nachrechnung der Versuche von Bacchetta und Bachmann mit ν = 1,0
186 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
Kapitel 10

Vorschläge für die Bemessung

10.1 Allgemeines
Aus den gewonnenen Erkenntnissen zum Tragverhalten des schubfesten Gurtanschlusses in
Bereichen vorwiegender Längsdruckspannungen werden nachfolgend zwei Vorschläge für eine
Bemessung im GZT abgeleitet.
Der erste Bemessungsvorschlag gilt für Betonquerschnitte mit sehr geringen vorhandenen
Anschlussbewehrungsgraden und berücksichtigt die in den Untersuchungen festgestellten hohen
rechnerischen Tragfähigkeiten des ungerissenen Druckgurtquerschnitts. Eine etwaige vorhandene
geringe Gurtanschlussbewehrung bleibt im Nachweiskonzept, das auf zulässigen Hauptzugspan-
nungen basiert, unberücksichtigt. Zur Erzielung einer möglichst robusten Tragwerksauslegung
ist von einer Anwendung dieses Vorschlags für die Neubauplanung abzusehen. Er ist einzig für
die Beurteilung der Tragfähigkeit der Bodenplatten bestehender Hohlkastenbrücken gedacht,
die bereits einen großen Teil ihrer ursprünglich geplanten Nutzungsdauer unter Verkehr sind
und die keine Risse im Bereich der Druckgurtanschlüsse aufweisen.
Der zweite Bemessungsvorschlag ist sowohl für die Nachrechnung bestehender Konstruktionen
als auch für die Planung von Neubauten sinnvoll einsetzbar. Die Nachweisführung im GZT
erfolgt auf Grundlage des in Kapitel 8.3.1 entwickelten Stabwerkmodells unter Berücksichtigung
der wahrscheinlichen Rissentwicklung.

10.2 Gurtanschlüsse ohne rechnerisch erforderliche An-


schlussbewehrung

10.2.1 Längsdruck mit Schub


Der Nachweis des schubfesten Anschlusses der Bodenplatten bestehender Hohlkastenbrücken
darf in ungerissenen Bereichen des Druckgurtes gemäß (10.1) als Hauptspannungsnachweis
188 10 Vorschläge für die Bemessung

erfolgen. Querschnitte mit nachträglich verpressten Rissen gelten in diesem Zusammenhang


als gerissen. Für diese darf der hier beschriebene Nachweisvorschlag keine Anwendung finden.
Im Zuge der Fortschreibung der Nachrechnungsrichtlinie [79] wurde im April 2015 die erste
Ergänzung [80] herausgegeben. Diese beinhaltet bereits die Möglichkeit der Nachweisführung
auf Grundlage rechnerischer Hauptzugspannungen im GZT für Stegquerschnitte. Für Hinter-
grundinformationen zum Nachweiskonzept für Stege wird an dieser Stelle auf [39, 40] verwiesen.
Um die praktische Anwendung zu erleichtern, wird für die Nachrechnung von Gurtscheiben
eine ähnliche Vorgehensweise vorgeschlagen.

σI,GA,Ed ≤ k 1 · fctd (10.1)

Die Ermittlung der Bemessungswerte der Hauptzugspannungen erfolgt unter Berücksichti-


gung der Schnittgrößen der ständigen und vorübergehenden Bemessungssituation gemäß [24,
79] nach (10.2).

σx,GA,Ed 1 p
σI,GA,Ed = + · σx,GA,Ed 2 + 4 · τxy,GA,Ed 2 (10.2)
2 2
Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Im Fall 1 ist der Gesamtquerschnitt infolge Biegung
des Längssystems noch im ungerissenen Zustand I. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn
die Randspannungen des in der Zugzone beziehungsweise auf der weniger stark gedrückten
Seite liegenden Gurts im GZT den Wert fctm nicht überschreiten. Sind die rechnerischen
Randzugspannungen größer als fctm gilt Fall 2, in dem der Gesamtquerschnitt infolge Biegung
des Längssystems bereits in den gerissenen Zustand II übergegangen ist. Die Ermittlung der
Eingangswerte der Beanspruchungen erfolgt für den Fall 1 nach (10.3) und für den Fall 2
entsprechend (10.4).

Fall 1: Querschnitt infolge Biegung im GZT ungerissen:

NEd MEd
σx,GA,Ed = + · z1
Ac Iy
(10.3)
VEd · Sy TEd
τxy,GA,Ed = τV,Ed + τT,Ed = +
Iy · hf WT

Fall 2: Querschnitt infolge Biegung im GZT gerissen:

MEd
σx,GA,Ed =
z · Acc
(10.4)
∆Fd TEd
τxy,GA,Ed = τV,Ed + τT,Ed = +
hf · ∆x WT

Für Fall 1 und Fall 2 gilt bei Hohlkästen:

WT = 2 · Ak · hf (10.5)
189

4,5
4
3,5
3

τ/fctm
2,5
Kupfer 2
Vecchio/Collins (PV) 1,5
Schlaich/Schäfer
Maier/Thürlimann (S2/S7) 1
Hohlkasten Punktlast FEM 0,5
Hohlkasten Linienlast FEM τ = 0,4fctd
0
-1 -0,9 -0,8 -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1
σx/fcm

Abb. 10.1: Vergleich numerisch und experimentell ermittelter Erstrisslasten mit dem
Bemessungsvorschlag nach (10.1)

Bei der Ermittlung der Querschnittswerte sind die mitwirkenden Gurtbreiten gemäß
DIN Fachbericht 102 [26] beziehungsweise DIN EN 1992-2 [18, 20] zu berücksichtigen. Für den
Bemessungswert der anrechenbaren Betonzugfestigkeit gilt (10.6). Es wird vorgeschlagen, den
Beiwert αct zur Berücksichtigung von Langzeiteffekten und ungünstigen Auswirkungen infolge
der Art der Beanspruchung auf Grundlage des in Kapitel 8.3.3 beobachteten Modellverhaltens
mit αct = 0,85 festzulegen und zusätzlich den Faktor k 1 = 0,8 einzubeziehen. Hierdurch soll
den Auswirkungen etwaiger Spannungsspitzen, die in der Rechnung nicht erfasst werden können,
Rechnung getragen werden. Die in den Modellrechnungen festgestellten Abminderungen der
Tragfähigkeit des ungerissenen Gurtes (siehe Kapitel 8.3.3) werden durch diese Annahmen
weitestgehend abgedeckt. Durch die fehlende Berücksichtigung üblicherweise vorhandener mas-
siver Querträger in den hier durchgeführten Simulationsrechnungen kann davon ausgegangen
werden, dass die getroffenen Annahmen zu auf der sicheren Seite liegenden Ergebnissen führen.

fctk;0,05
σI,GA,Rd = k 1 · fctd = k 1 · αct ·
γc
mit (10.6)

k 1 = 0,8 ; αct = 0,85

In Abbildung 10.1 ist die unter Berücksichtigung von (10.6) ermittelte Grenzlinie im
σx,GA /τxy,GA -Raum den rechnerischen Bruchlasten aus den Simulationsrechnungen und den in
Kapitel 9.2.1 dargestellten Versuchsergebnissen an Stahlbetonscheiben gegenübergestellt. Es ist
zu erkennen, dass in allen Fällen eine sichere Tragwerksbemessung erreicht wird. Darüber hinaus
kann unter Einbeziehung des vorhandenen Längsspannungszustands die Tragfähigkeit des unge-
rissenen Querschnitts deutlich besser ausgenutzt werden als dies nach derzeitigen Regelwerken
190 10 Vorschläge für die Bemessung

1,5
1,45
1,4
1,35

fctm,fl/fctm [-]
1,3
1,25
1,2
Model Code 1990
1,15
1,1
1,05 DIN EN 1992-1-1

1
200 400 600 800 1000 1200 1400
Gurtdicke hf [mm]

Abb. 10.2: Vergleich der bezogenen Biegezugfestigkeit in Abhängigkeit der Bauteildicke nach
Model Code 1990 und DIN EN 1992-1-1

[18–20, 79] möglich ist. Die derzeit zulässige Bemessungsgrenze von τxy,GA = 0,4 · fctd ist zum
Vergleich ebenfalls in Abbildung 10.1 eingetragen.

10.2.2 Längsdruck mit Schub und Querbiegung


Werden die Hauptbeanspruchungen innerhalb des Druckgurtes bestehend aus Längsdruck und
Schub durch eine zusätzliche geringe Querbiegekomponente überlagert, so beeinflusst dies
den Zeitpunkt der Rissbildung. Im Fall von Gurtquerschnitten mit einer geringen Bauteildicke
hat die mit der Mikrorissbildung einhergehende völligere Verteilung der Biegezugspannungen
innerhalb des Querschnitts (Biegezugfestigkeit) einen positiven Einfluss auf die Tragfähigkeit
des Querschnitts.
Es wird daher vorgeschlagen, die Ermittlung der Beanspruchungen innerhalb des Gurtan-
schnitts nach (10.2) um eine Komponente zur Berücksichtigung einer effektiven Biegezug-
spannung σy,ef f zu erweitern. Bei dieser handelt es sich um eine rechnerische Spannung, die
bezogen auf die zentrische Zugfestigkeit fctm des Betons die gleiche Ausnutzung aufweist wie
die tatsächlich vorhandene Biegezugspannung σy zur Biegezugfestigkeit fctm,f l . Die Ermittlung
erfolgt gemäß (10.7). Für die Berechnung der Biegezugfestigkeit wird vorgeschlagen, den
im Vergleich zum Model Code 1990 [11] konservativeren Ansatz (10.8) der DIN EN 1992-1-1
[18] zu verwenden (siehe Abbildung 10.2). Hierdurch soll eine Überschätzung des Einflusses
einer erhöhten Biegezugfestigkeit vermieden werden. Die Berücksichtigung einer effektiven
Biegezugspannung hat in den hier durchgeführten Nachrechnungen gute Übereinstimmungen
mit den Ergebnissen der Simulation zur Folge (siehe hierzu auch Kapitel 9.2.2), gleichzeitig
handelt es sich hierbei jedoch um eine Näherungslösung, die mit gewissen Unsicherheiten
191

einhergeht.

σy σy,ef f fctm
= ⇒ σy,ef f = σy · (10.7)
fctm,f l fctm fctm,f l

fctm,f l = (1,6 − hf /1000) · fctm ≥ fctm (10.8)

Die vorhandene Beanspruchung unter Berücksichtigung der Querbiegung kann nach (10.9)
ermittelt werden.

s 2
σx,GA,Ed + σy,ef f,Ed σx,GA,Ed − σy,ef f,Ed
σI,GA,Ed = + + 4 · τxy,GA 2,Ed (10.9)
2 2

Für die Ermittlung des Bemessungswiderstands gilt (10.6).

10.3 Gurtanschlüsse mit rechnerisch erforderlicher An-


schlussbewehrung

10.3.1 Abgrenzung zur Ermittlung des Querkraftwiderstands von


Stegquerschnitten
Bereits in Kapitel 5.3.1 wurde dargelegt, dass die derzeitigen Annahmen zur Ermittlung der
wahrscheinlichen Rissneigung in Stegquerschnitten nach dem Fachwerkmodell mit Rissreibung
nicht ohne ergänzende Überlegungen auf die Gurtbereiche gegliederter Querschnitte übertragbar
sind. Durch die implizite Ermittlung der zur Rissbildung führenden Schubspannung bei konstanter
Längsspannung wird das tatsächliche Tragverhalten stark vereinfacht, da in Gurtquerschnitten
mit einer Erhöhung des Schubflusses auch eine Erhöhung der Längsspannung einhergeht. Es
handelt sich um korrespondierende Größen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Dieser
Zusammenhang und der damit verbundene Einfluss auf die wahrscheinlichen Risswinkel konnte
in den umfangreich durchgeführten Simulationsrechnungen bestätigt werden (siehe Kapitel 6
und 8).
Der im nachfolgenden Kapitel vorgestellte Bemessungsvorschlag berücksichtigt diese festge-
stellten Besonderheiten im Bereich von Druckgurtanschlüssen und ist speziell zur Bemessung
von Bodenplatten in Hohlkastenbrücken im Bereich von Zwischenstützungen formuliert.

10.3.2 Längsdruck mit Schub


Der Nachweis des schubfesten Anschlusses der Druckgurte gegliederter Querschnitte darf in
gerissenen Bereichen in Anlehnung an das in Kapitel 8.3.1 vorgestellte Stabwerkmodell erfolgen.
192 10 Vorschläge für die Bemessung

Die Neigung der Druckstrebenwinkel wird hierbei ohne Ansatz eines zusätzlichen Traganteils
infolge Rissreibung (siehe hierzu auch Kapitel 5) auf Grundlage des im GZT vorhandenen
Spannungszustands innerhalb der mitwirkenden Gurtbereiche ermittelt.
Die Formulierung des hier vorgeschlagenen Nachweisformats erfolgt unter Verwendung der
Notation der DIN EN 1992 [18–20].
Der Nachweis des schubfesten Anschlusses nach (10.10) ist erbracht, wenn der Bemessungs-
wert der Beanspruchungen im GZT kleiner oder gleich dem Bemessungswert des Bauteilwider-
standes ist.

Ed ≤ Rd bzw. vEd ≤ vRd (10.10)

Grundlage für die Ermittlung des Bemessungswerts der Beanspruchung nach (10.11) ist die
DIN EN 1992. Abweichend von den Vorgaben des Eurocodes erfolgt die Ermittlung der Beanspru-
chungen und der Widerstände bezogen auf die Längeneinheit ∆x = 1,0m. Es ist nachzuweisen,
dass der so ermittelte Schubfluss weder die Maximaltragfähigkeit der Betondruckstrebe noch
die Tragfähigkeit der Bewehrung nach (10.12) übersteigt.

vEd = ∆Fd /∆x (10.11)


h · ν · f · sin Θ · cos Θ
f cd f f Tragfähigkeit der Druckstrebe
vEd ≤ (10.12)
(As,GA · fyd /sf ) · cot Θf Tragfähigkeit der Bewehrung

Abweichend von den derzeitigen Regelungen der DIN EN 1992 wird vorgeschlagen, den mini-
malen Druckstrebenwinkel Θf entsprechend der Neigung der Hauptdruckspannungstrajektorien
im Gurtanschnitt zum Steg im Abstand d vom Zwischenauflager festzulegen. Die Ermittlung
des Winkels darf vereinfachend nach Technischer Biegelehre am Balken im ungerissenen Zu-
stand I erfolgen. Diese Vereinfachung gilt ausschließlich für die Berechnung des Neigungswinkels
der Druckstrebe. Die Bestimmung des Schubflusses vEd erfolgt im GZT unter der Annahme
gerissener Querschnitte.
Bei der Ermittlung der Querschnittswerte sind die mitwirkenden Gurtbreiten entsprechend
DIN EN 1992-1-1 [18, Abs. 5.3.2.1] zu berücksichtigen. Hierbei wird empfohlen, den Ab-
stand zwischen den Momentennullpunkten l0 für die maßgebende Einwirkungskombination
im GZT rechnerisch am Balkenmodell zu berechnen und von einer vereinfachten Annahme
gemäß DIN EN 1992-1-1 [18, Abs. 5.3.2.1(2), Bild 5.2] abzusehen. Der Neigungswinkel der
Betondruckstrebe im Druckgurt der Bodenplatte von Kastenquerschnitten im Abstand d vom
Zwischenauflager darf entsprechend (10.13) ermittelt werden. Zwischen dem minimalen Nei-
gungswinkel im Abstand d vom Zwischenauflager und dem Momentennulldurchgang kann die
Neigung der Betondruckstrebe in guter Näherung als linear veränderlich angenommen werden
193

Momentennulldurchgang

(a) System

(b) Bodenplatte: Stabwerkmodell Versatz Druck


Zug

lbd
σI<0,4 fctd

lbd
35°
40°
40°

linear d
θ f=40° θ f=35° θ f>15°
Winkel berechnen
(c) Bodenplatte: Druckstrebenwinkel für die Bemessung

Abb. 10.3: Vorschlag zur Ermittlung der Druckstrebenneigung und der Verankerungsbereiche der
Gurtanschlussbewehrung; Winkel im Abstand d nach (10.13) und (10.14)

(siehe Abbildung 10.3).


 
−2 · τxy,GA,Ed
Θf = βGA = 0,5 · arctan
σx,GA,Ed
mit (10.13)
MEd VEd · Sy TEd
σx,GA,Ed = und τxy,GA,Ed = +
Wy Iy · hf 2 · Ak · hf

Auf Basis der Ergebnisse der durchgeführten Modellrechnungen werden für Druckgurtan-
schlüsse die Grenzwerte für den Winkel Θ nach (10.14) vorgeschlagen.

15° ≤ Θf ≤ 35° (10.14)

In Abbildung 10.4 ist der Vorschlag zur Ermittlung der Druckstrebenneigung im Gurtan-
schnitt im Vergleich zu den Ergebnissen der in Kapitel 8 durchgeführten Simulationsrechnungen
ausgewertet. Sowohl die Ergebnisse der hier durchgeführten Berechnungen als auch die Auswer-
194 10 Vorschläge für die Bemessung

90 Zug Druck 90 Zug Druck


80 80
Druckstrebenwinkel θ [°]

Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70
60 60
50 50
40 40
30 30
20 20
10 10
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]

(a) System mit Punktlast (b) System mit Linienlast

Abb. 10.4: Vergleich des Vorschlags zur Ermittlung der Druckstrebenwinkel mit den Ergebnissen der
FE-Simulation aus Kapitel 8

tungen der Traglasten im Rahmen der experimentellen Studien an Plattenbalken von Badawy
und Bachmann [5] beziehungsweise Bacchetta und Bachmann [3] bestätigen die vorgeschlagene
Obergrenze für den Druckstrebenwinkel von Θ = 35° im Bereich von Druckgurtanschlüssen.
Für eine konkrete Bemessungsaufgabe ist es zweckmäßig, die Neigung der Druckstrebe
abschnittsweise konstant anzunehmen. In diesem Fall sollte immer der mittlere Winkel Θ für
den jeweils betrachteten Abschnitt verwendet werden. Die Abschnittslänge darf analog zur Vor-
gehensweise der DIN EN 1992 die halbe Länge zwischen betragsmäßigem Momentenmaximum
und Momentennullpunkt nicht überschreiten. Es wird jedoch insbesondere für die Nachrech-
nung bestehender Bauwerke empfohlen, kürzere Abschnittslängen zu definieren. Im Fall einer
gestaffelten Gurtanschlussbewehrung sollten die Bereichslängen analog zu den Empfehlungen
im Rahmen der ersten Ergänzung zur Nachrechnungsrichtlinie [80] an der vorhandenen Be-
wehrungsführung ausgerichtet werden. Hierdurch wird eine optimale rechnerische Ausnutzung
erreicht.

10.3.3 Längsdruck mit Schub und Querbiegung

Für den Fall einer zusätzlichen Querbiegebeanspruchung wird empfohlen, den Nachweis der
Tragfähigkeit im GZT auf Grundlage der in Kapitel 9.3.1 hergeleiteten Interaktionsbedingungen
zu führen. Hierzu werden in Anhang A entsprechende Interaktionsdiagramme bereitgestellt.
Die Ermittlung der Druckstrebenneigung Θ darf analog zur Vorgehensweise ohne Querbiegung
erfolgen.
195

beff,sy
as,GA,n
as,GA,n-1
as,GA,2
as,GA,1

beff,sy
Druck-
gurt
l1 l2 ln-1 ln=d
Winkel
θ f,1<35° θ f,2 θ f,n-1 θ f,n>15°

Abb. 10.5: Annahmen zur Ermittlung der maximal mitwirkenden Gurtbreite; Winkel im Abstand d
nach (10.13) und (10.14)

10.3.4 Längsdruck mit Schub bei bestehenden Bauwerken

Für bestehende Brückenbauwerke, bei welchen der Nachweis des schubfesten Gurtanschlusses
durch das in Kapitel 10.3.2 vorgeschlagene Nachweisformat aufgrund nicht ausreichend vorhande-
ner Querbewehrung nicht erbracht werden kann, wird nachfolgend ein weiteres Nachweiskonzept
zur Ermittlung der Grenztragfähigkeit des Querschnitts vorgestellt. Das Nachweisformat basiert
auf der Annahme, dass die Gesamttragfähigkeit des Querschnitts nach Überschreitung der
Fließgrenze der Bewehrung noch nicht erreicht ist. Darüber hinaus wird dem Umstand Rech-
nung getragen, dass in Einzelfällen nicht die volle rechnerisch mitwirkende Gurtbreite gemäß
DIN EN 1992 erforderlich ist, um eine ausreichende Tragfähigkeit nachzuweisen.

n
X b
ef f nach DIN EN 1992
bef f ,sy = bef f ,sy,i ≤
b tatsächliche Gurtbreite
i=1

mit (10.15)
vRd,sy,i · li
bef f ,sy,i = ; li = l1 ...ln (siehe Abbildung 10.5)
hf · fcd
vRd,sy,i = as,GA,i · fyd / (hf / cot Θ)

Die Ermittlung der maximal aktivierbaren mitwirkenden Gurtbreite bef f ,sy nach (10.15)
erfolgt im GZT in Abhängigkeit der Tragfähigkeit der vorhandenen Gurtanschlussbewehrung.
Hierbei wird davon ausgegangen, dass der vorhandene Schubfluss im Gurtanschnitt die Grenz-
tragfähigkeit der Gurtanschlussbewehrung genau erreicht (vEd =vRd,sy ). In Abbildung 10.5 sind
die Eingangsgrößen für die Berechnung schematisch dargestellt.
Für die auf diese Weise ermittelten Gurtbreiten ist der Nachweis des schubfesten Anschlusses
implizit erbracht. Es ist jedoch zu beachten, dass dieser Nachweis nicht losgelöst von der Ermitt-
196 10 Vorschläge für die Bemessung

lung der Biegetragfähigkeit des Querschnitts erfolgen darf. Die Tragfähigkeit des Querschnitts
für Biegung mit Längskraft im GZT ist daher ebenfalls auf Grundlage der mitwirkenden Breite
nach (10.15) nachzuweisen.
Bei dieser Art der Nachweisführung wird angenommen, dass eine weitere Steigerung der
Beanspruchungen nach Überschreitung der Grenztragfähigkeit der Gurtanschlussbewehrung
durch die übrigen Bereiche des Querschnitts aufgenommen werden können. Damit sich ein
solches Tragverhalten einstellen kann, ist mit einer erhöhten Rissbildung mit nicht nach
derzeitigen Anforderungen für Brückenüberbauten begrenzten Rissbreiten zu rechnen. Daher
wird dieses Nachweisformat ausschließlich für die Ermittlung der Resttragfähigkeit bestehender
Bauwerke vorgeschlagen, für die von einer vorläufig eingeschränkten Restnutzungsdauer von
bis zu 20 Jahren auszugehen ist (Nachweisklasse C gemäß NR [79]).

10.4 Ergänzende Hinweise zu den Bemessungsmodellen


Die vorgeschlagenen Bemessungsansätze gelten für unter Längsdruckspannungen stehende
Bereiche der Bodenplatten von Hohlkastenbrücken. Die Vorgehensweise kann analog auf
Druckgurte von Plattenbalkenquerschnitten übertragen werden. Hier ist jedoch in der Regel mit
größeren Plattenbiegemomenten und Querkräften in Querrichtung zu rechnen. Insbesondere
für Bemessungsansätze auf Basis des Hauptzugspannungskriteriums ist darüber hinaus zu
beachten, dass die Anwendung nur in ungestörten Regelbereichen des Bauwerks erfolgen darf.
Zusätzliche Überlegungen sind daher beispielsweise in Bereichen der Gurte erforderlich, in denen
Spanngliedverankerungen untergebracht sind. Diese führen zu nicht unerheblichen örtlichen
Spannungsspitzen, die das Rissverhalten deutlich beeinflussen können. Exemplarisch hierfür
wird auf die von Müller, A. et al. in [76] dokumentierte Nachrechnung einer Hohlkastenbrücke
verwiesen, die Risse im Bereich von Spanngliedverankerungen innerhalb der Biegedruckzone
der Bodenplatte aufwies. In diesem Fall würde die Nachrechnung auf Basis des vorgestellten
Hauptspannungsnachweises zu auf der unsicheren Seite liegenden Ergebnissen führen.

10.5 Hinweise zur Anwendung nichtlinearer FEM


Die Nachrechnungsrichtlinie eröffnet in Ausnahmefällen, für die eine Zustimmung im Einzellfall
erforderlich wird, die Anwendung nichtlinearer FEM unter Berücksichtigung der Stufe 4 der
Richtlinie [79]. Im Rahmen dieser Arbeit wurden umfangreiche Untersuchungen mit zwei ver-
schiedenen Programmsystemen und voneinander abweichenden Struktur- und Materialmodellen
durchgeführt. Bislang existiert kein einheitliches und allgemein anerkanntes Materialmodell,
das alle denkbaren Tragmechanismen wirklichkeitsnah abbilden kann. Aus diesem Grund ist es
nicht möglich, allgemeingültige Vorgaben zur Anwendung nichtlinearer FEM zu definieren, die
für alle Materialmodelle und Programmsysteme anwendbar sind.
197

Daher ist es unerlässlich, die Eignung eines Modells im Einzelfall zu prüfen. Das Studium der
durch den Programmhersteller zur Verfügung gestellten Modell- und Programmbeschreibung
ist hierzu im Allgemeinen nicht ausreichend. Eine zielführende Vorgehensweise, die in dieser
Arbeit Anwendung gefunden hat, wird daher nachfolgend kurz skizziert:
Zur Verifikation der Qualität des verwendeten Modells ist die Nachrechnung von Versuchen,
die das zu untersuchende Problemfeld abdecken und deren Ergebnisse bereits bekannt und gut
dokumentiert sind, eine pragmatische und zielführende Methode [72]. Hierbei ist besonders
darauf zu achten, dass neben dem Last-Verformungsverhalten weitere das Tragverhalten
kennzeichnende Parameter verglichen werden. Hierzu zählen beispielsweise Stahldehnungen,
Betonstauchungen oder das Rissverhalten. Je mehr Übereinstimmungen zwischen Experiment
und Rechenmodell erzielt werden können, desto besser kann die Qualität des Modells in Bezug
auf die zu untersuchende Fragestellung eingeschätzt werden.
Die hier durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere etwas größere
Versuchskörper mit innerhalb des Bauteils veränderlichem Spannungszustand für eine Nach-
rechnung gut geeignet sind. Dies kann zum einen damit begründet werden, dass Störeinflüsse
durch örtliche Lasteinleitungspunkte hier in der Regel gering sind und zum anderen damit,
dass innerhalb dieser Versuchskörper noch gewisse Spannungsumlagerungen möglich sind. Die
Nachrechnung kleinmaßstäblicher Versuche, zum Beispiel Scheiben, in denen ein gleichmäßiger
Spannungszustand erzeugt wird, eignen sich durchaus zur Erlangung eines besseren Verständ-
nisses des Modellverhaltens. Eine exakte Ermittlung der im Versuch festgestellten Bruchlast ist
hier jedoch im Allgemeinen nicht möglich, da die Schwankungsbreite der Ergebnisse solcher
experimentellen Untersuchungen eine exakte Nachrechnung nicht zulassen (siehe hierzu auch
Kapitel 3.4.3).
Im Anschluss an die Verifikation des Rechenmodells sollte der Einfluss möglicherweise
streuender Parameter im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse überprüft werden. Hierzu zählen
neben streuenden Materialparametern, wie zum Beispiel der Zugfestigkeit des Beton, auch
geänderte Systemrandbedingungen, die mögliche Auswirkungen auf die Ergebnisse haben
können. So werden Versuchsbalken im Experiment in der Regel unter hohen konzentriert
aufgebrachten Pressenkräften bis zum Bruch belastet. Im Fall realer Betonbrücken kann hingegen
davon ausgegangen werden, dass der größte Teil der bemessungsrelevanten Beanspruchungen
durch gleichmäßig verteilte Lasten verursacht wird. Vor der Übertragung des Modells vom
Versuchsträger auf ein Realbauwerk ist es daher ratsam, das System im Hinblick auf ein
möglicherweise sensitives Verhalten bei Änderung derartiger Randbedingungen zu überprüfen
und die Auswirkungen der Änderungen zu bewerten.
Bei der Beurteilung der Tragfähigkeit mittels nichtlinearer FEM ist neben einem geeigneten
Struktur- und Materialmodell auch ein für diese Zwecke geeignetes Sicherheitskonzept unerläss-
lich. Im Rahmen dieser Arbeit wurde das Tragverhalten im Modell untersucht mit dem Ziel,
Bemessungsansätze abzuleiten, die für eine Handrechnung geeignet sind. Sicherheitskonzepte
für nichtlineare Systemanalysen standen nicht im Fokus der Untersuchungen. Hierzu finden
198 10 Vorschläge für die Bemessung

sich eine Reihe von Veröffentlichungen in der Literatur. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf
[72] verwiesen.
Kapitel 11

Zusammenfassung und Ausblick

11.1 Zusammenfassung

Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten Untersuchungen widmen sich der Analyse
des Tragverhaltens der Gurte gegliederter Querschnitte. Aufgrund der häufig auftretenden
Defizite bei der Nachrechnung der unter hohen Längsdruckspannungen stehenden Bodenplatten
im Bereich von Zwischenunterstützungen bestehender Hohlkastenbrücken mit ihrem schubfesten
Anschluss (siehe Kapitel 1.1) stehen diese Bereiche im Fokus der Studien.
Zunächst wurden zwei unterschiedliche Finite-Elemente-Modelle mit voneinander abweichen-
den Material- und Strukturmodellierungen an kleinmaßstäblichen Systemen und in der Folge an
gut dokumentierten Versuchen aus der Literatur kalibriert und in Bezug auf ihre Eignung zur
möglichst wirklichkeitsnahen Erfassung des Tragverhaltens überprüft (siehe Kapitel 4 und 6).
Die im Rahmen der Simulationsrechnungen erzielten Ergebnisse beschreiben das Verhalten
des jeweiligen Rechenmodells. Erst der Vergleich der Simulationsergebnisse mit den während
der Versuchsdurchführung dokumentierten Messwerten lässt Aussagen über die Qualität der nu-
merischen Näherungslösung zu. Neben dem Last-Durchbiegungsverhalten werden hierzu jeweils
mehrere weitere Parameter, wie zum Beispiel Stahldehnungen, Betonstauchungen, Versagensart
und das rechnerisch wahrscheinliche Rissverhalten mit den in der Versuchsdurchführung doku-
mentierten Messwerten und Beobachtungen verglichen. Mit beiden untersuchten Modellen ist
es grundsätzlich möglich, die Versagensart und die Bruchlasten wirklichkeitsnah zu simulieren.
Es wurde gezeigt, dass insbesondere mit dem verwendeten FEM-Programmsystem SOFiSTiK
sehr gute rechnerische Übereinstimmungen mit den Realversuchen zum Tragverhalten von Druck-
und Zuggurtanschlüssen erzielt werden können. Die numerischen Untersuchungen erfolgten
hierbei mit Schalenelementen auf Grundlage der nichtlinearen Elastizitätstheorie. Aufgrund der
guten Übereinstimmung bei der Nachrechnung dokumentierter Versuche und der darüber hinaus
bestehenden Möglichkeit zur gezielten Untersuchung weiterer Einflüsse mit vergleichsweise
geringem Rechenaufwand erfolgten die weiteren Sensitivitätsanalysen (siehe Kapitel 7) und
die anschließende Übertragung auf Strukturen mit brückenbaurelevanten Abmessungen (siehe
200 11 Zusammenfassung und Ausblick

Kapitel 8) auf Basis dieses Modells.


Nachfolgend werden die wesentlichen Erkenntnisse und Folgerungen aus den durchgeführten
Untersuchungen beschrieben:
In den derzeitigen Regelwerken existieren unterschiedliche Ansätze zur Berücksichtigung
einer reduzierten Betondruckfestigkeit infolge Querzug und Rissbildung. Diese wurden in der
Regel auf Basis experimenteller Untersuchungen an kleinmaßstäblichen Stahlbetonscheiben
hergeleitet (siehe Kapitel 3.4.3). Zur Untersuchung der Auswirkungen unterschiedlicher Abmin-
derungsvorschriften in Abhängigkeit von der vorhandenen Querdehnung auf das Tragverhalten
eines komplexeren Systems (hier: des Druckgurtes eines biegebeanspruchten Plattenbalkens)
wurde von der SOFiSTiK eine experimentelle Programmversion des Moduls ASE zur Verfügung
gestellt. Hiermit war es möglich, die Abminderungsvorschrift in Abhängigkeit der vorhandenen
Querdehnung über zwei Stützstellen zu definieren (siehe Kapitel 3.7.2). Im Rahmen der durch-
geführten Modellrechnungen konnte ein Einfluss der Abminderung der Betondruckfestigkeit auf
die Systemtraglast insbesondere dann festgestellt werden, wenn die Tragfähigkeit der schiefen
Betondruckstrebe maßgebend für das Versagen des Bauteils ist. Durch die Lokalisierung der
Schädigung im stegnahen Bereich des Druckgurtes erscheint die Berücksichtigung einer redu-
zierten Betondrucktragfähigkeit beim Nachweis der Biegedruckzone im GZT nicht erforderlich.
Die separate Betrachtung der Biegetragfähigkeit des Gesamtquerschnitts und des schubfesten
Gurtanschlusses führt folglich im Vergleich zur numerischen Lösung zu zutreffenden Ergebnis-
sen. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die ungleichmäßig verteilte Beanspruchung innerhalb
des Gurtanschlusses dazu führt, dass die Reduktion der Systemtraglast in allen untersuchten
Fällen kleiner als die Reduktion der uniaxialen Betondruckfestigkeit ist (siehe Kapitel 7.2). Die
Festlegung des Abminderungsbeiwerts für unter Druckbeanspruchung gerissenen Beton auf
ν = 0,75 in nationalen Regelwerken [20] erscheint vor diesem Hintergrund für einen Nachweis
auf Querschnittsebene, der keine Umlagerungen berücksichtigt, gerechtfertigt.
Mit der Nachrechnung konnte ein nennenswerter Einfluss der Art der Lasteinleitung auf
die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen nachgewiesen werden. Es wurde gezeigt,
dass die in den Versuchsträgern teilweise ausgeprägt vorhandenen Diskontinuitätsbereiche
insbesondere das Rissverhalten nennenswert beeinflussen (siehe Kapitel 7.4). Dieser Einfluss
konnte jedoch bei der Übertragung des Modells auf Systeme realer Brückenbauwerke zum
einen aufgrund ihrer Abmessungen und zum anderen aufgrund des hohen Anteils gleichmäßig
verteilter Lasten nicht in dieser Ausprägung festgestellt werden.
Das von Badawy und Bachmann aus dem Flanschfachwerk-Modell abgeleitete Versatzmaß
zur Bemessung des schubfesten Gurtanschlusses wurde im Rahmen der hier durchgeführten
Simulationsrechnungen bestätigt. Der beobachtete Versatz steht in direktem Zusammenhang mit
dem Tragverhalten des Stegquerschnitts im Auflagerbereich und kann durch eine entsprechende
Bewehrungsführung oder die Aufbringung einer Vorspannung beeinflusst werden (siehe Kapitel
7.3). Insbesondere in den Endauflagerbereichen vorgespannter Brückenhauptträger ist der
Einfluss des Versatzmaßes daher in der Praxis eher als gering einzuschätzen und die derzeitigen
201

Nachweisbereiche zwischen den Extremalwerten und den Nulldurchgängen der Biegemomente


können prinzipiell bestätigt werden.
Mit zunehmendem Gurtanschlussbewehrungsgrad kann die Systemtraglast sukzessive ge-
steigert werden. Die Tragfähigkeit des Stegquerschnitts ohne Gurte stellt dabei einen unteren
Grenzwert dar. Ein oberer Grenzwert ist erreicht, sobald eine andere Versagensart, z.B. Versagen
der Biegedruckzone, maßgebend wird (siehe Kapitel 7.5).
Im Gegensatz zu Stegquerschnitten konventionell gelagerter Bauwerke, in denen die mittlere
vorhandene Längsspannung nur vom Grad der Vorspannung abhängt, kommt es in den Bo-
denplatten von mehrfeldrigen Hohlkastenbrücken im Bereich der Zwischenunterstützungen zu
großen Längsdruckspannungen infolge der Biegebeanspruchung des Längssystems. Die Gurte
gegliederter Querschnitte stellen hierbei eine Erweiterung der im Steg vorhandenen Biegedruck-
beziehungsweise Biegezugzone dar. Hierbei muss theoretisch nur der Teil des Gurtes schubfest
an den Steg angeschlossen werden, der zur Sicherstellung des Momentengleichgewichts erfor-
derlich ist. Hierin wird bereits ein wesentlicher Unterschied zum Stegtragverhalten gesehen,
welcher die Biegedruck- und die Biegezugzone über die komplette Höhe schubfest miteinander
verbinden muss, um das Gleichgewicht der inneren Kräfte zu gewährleisten (siehe Kapitel 5).
Es wurde gezeigt, dass die sich einstellenden Riss- beziehungsweise Druckstrebenwinkel
mit dem vorhandenen Schub-Längsdruckspannungsverhältnis korrespondieren (siehe Kapitel
8). Da die in den Gurten vorhandenen Längsspannungen unmittelbar von den vorhandenen
Schubspannungen im Gurtanschnitt abhängig sind und beide unter einem Anstieg der Belastung
gleichermaßen zunehmen, beschreibt die derzeit in nationalen Regelwerken [20] verwendete
Vorgehensweise einer impliziten Ermittlung der zur Schubrissbildung führenden aufsteigenden
Schubspannung bei konstanter Längsspannung das tatsächliche Tragverhalten nicht zutref-
fend (siehe Kapitel 5.3.1). Bei der Ermittlung der wahrscheinlichen Riss- beziehungsweise
Druckstrebenwinkel sollte das tatsächlich vorhandene Schub- zu Längsspannungsverhältnis im
Gurtanschnitt berücksichtigt werden.
Im Rahmen von Parameterstudien wurde gezeigt, dass sich unter großen Längsdruckspan-
nungen die rechnerischen Hauptspannungsrichtungen in Gurtbereichen infolge einer Rissbildung
nur unwesentlich verändern. Die wahrscheinliche Rissrichtung kann in diesen Bereichen daher
näherungsweise mit der Richtung der Hauptdruckspannung nach linearer Elastizitätstheorie
oder nach Technischer Biegelehre unter Einbezug der mitwirkenden Gurtbereiche gleichgesetzt
werden (siehe Kapitel 8).
Im Bereich von Zuggurten und in Übergangsbereichen von Zug- auf Druckgurt (Momenten-
nullpunkte) werden größere Drehungen der Hauptspannungsrichtungen beim Übergang in den
gerissenen Zustand II erforderlich. Die aus den Simulationsrechnungen resultierenden Beobach-
tungen lassen unter Berücksichtigung der zeitlichen Rissentwicklung darauf schließen, dass sich
die erforderlichen Drehungen der Hauptspannungsrichtungen unmittelbar vor Rissentstehung
in den noch ungerissenen Bereichen einstellen können. Dies würde sowohl die veränderliche
Neigung der Risswinkel im Zuggurtbereich des Rechenmodells als auch in den experimentellen
202 11 Zusammenfassung und Ausblick

Untersuchungen von Schieferstein [88] beziehungsweise Bacchetta und Bachmann [2] erklären.
Auf Grundlage der Beobachtungen zum Rissverhalten in den numerischen Modellrechnungen
und in den dokumentierten experimentellen Untersuchungen wurde ein Bemessungsvorschlag
für gerissene Gurtquerschnitte im GZT abgeleitet (siehe Kapitel 10). Zur Berücksichtigung
einer möglichen Interaktion mit einer zusätzlich vorhandenen Plattenbiegung wurde darüber
hinaus ein von Menn in [9] vorgestelltes Interaktionsverfahren auf das Format der aktuel-
len DIN EN 1992 angepasst. Die auf diese Weise erstellten Interaktionsdiagramme und die
erforderlichen Eingangswerte sind in Anhang A abgedruckt.
Aufgrund der hohen Längsdruckspannungen ist mit einer Rissbildung innerhalb der Boden-
platten im Bereich von Zwischenunterstützungen erst auf einem hohen Beanspruchungsniveau
zu rechnen (siehe Kapitel 9.2). Begünstigt wird das Rissverhalten durch die in der Regel geringen
Plattenbeanspruchungen, die gleichzeitig mit den Scheibenbeanspruchungen auftreten. Im Rah-
men der Bemessung auf Grundlage der derzeitigen Fassung der DIN EN 1992 [18–20] darf beim
Nachweis der Einhaltung eines geringen Schubspannungsgrenzwerts von einem ungerissenen
Gurtanschnitt ausgegangen werden. Dieses Nachweisformat berücksichtigt allerdings nicht einen
tatsächlichen günstigen Längsdruckspannungszustand. Es wurde daher ein Nachweisformat
entwickelt, das den positiven Einfluss vorhandener Längsdruckspannungen in geeigneter Weise
berücksichtigt (siehe Kapitel 10). Die Anwendung sollte jedoch auf die Tragfähigkeitsbeurteilung
älterer bestehender Bauwerke beschränkt bleiben, da es sich um einen Nachweis zur Begrenzung
der Hauptzugspannungen handelt. Die zuverlässige Ermittlung der Spannungen in Tragwerken
aus Beton ist aufgrund vieler Unsicherheiten bei den Rechenannahmen sehr schwierig.

11.2 Ausblick
Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Auswertungen zum Tragverhalten gegliederter
Querschnitte machen deutlich, dass die vorhandene Versuchsdatengrundlage derzeit noch sehr
gering ist. Darüber hinaus kann bei vielen der dokumentierten Versuche kein Versagen im
Bereich des Gurtanschlusses beobachtet werden, da zuvor ein Bruch an einer anderen Stelle im
Tragwerk eingetreten ist. Zur Verifikation genauerer Bemessungsverfahren sind daher weitere
systematische experimentelle Untersuchungen zum Tragverhalten des schubfesten Anschlusses
gegliederter Querschnitte erforderlich.
Auf Basis der Erkenntnisse der hier durchgeführten numerischen Untersuchungen werden
nachfolgend Randbedingungen formuliert, die bei der Planung zukünftiger Versuche berücksich-
tigt werden sollten.
Zur Untersuchung der Auswirkungen veränderlicher Längsspannungszustände in den Gurten
auf das Tragverhalten sind möglichst große ungestörte Trägerbereiche erforderlich. Es sollte daher
darauf geachtet werden, dass die Bernoulli-Hypothese in möglichst großen Trägerabschnitten
gültig ist und die Diskontinuitätsbereiche auf kleine Bereiche begrenzt bleiben.
203

Darüber hinaus wird empfohlen, im Rahmen einer Versuchsserie mehrere unterschiedliche


Anschlussbewehrungsgrade zu untersuchen, um deren Einfluss auf das Tragverhalten experi-
mentell abzusichern. Darüber hinaus sollte immer ein Balken ohne zusätzliche Gurtbereiche
als Referenzsystem dienen. So kann der Einfluss der zusätzlichen Gurte in Abhängigkeit des
Anschlussbewehrungsgrads genau erfasst werden. Den unteren Grenzwert stellt der einfache
rechteckige Balkenquerschnitt dar. Ein oberer Grenzwert wird erreicht, sobald ein anderes
Versagen als das des Gurtanschlusses maßgebend wird. Gleichzeitig kann durch einen solchen
Forschungsansatz eine möglicherweise vorhandene Abhängigkeit des Risswinkels vom vorhande-
nen Gurtanschlussbewehrungsgrad experimentell überprüft werden (siehe Parameterstudie in
Kapitel 8.3.1).
Wichtige Messgrößen sind neben dem Last-Verformungsverhalten die Dehnungen der Gurt-
anschlussbewehrung, die Dehnungen der Längsbewehrung, die Betonstauchungen im Steg und
in den Gurten sowie das Rissverhalten. Hierzu zählen der Zeitpunkt der Rissentstehung, die
Rissentwicklung sowie die Lage und Ausrichtung der Risse.
Weiterer Forschungsbedarf besteht im Hinblick auf das Rissverhalten im Übergangsbereich
zwischen Zug- und Druckgurt. Die Beobachtungen aus der Simulation lassen auf eine gleichmäßi-
ge Rissentwicklung mit sich stetig änderndem Risswinkel schließen. Diese Simulationsergebnisse
sind jedoch durch Versuche nicht ausreichend abgesichert und werden daher im Zuge des hier
vorgeschlagenen Bemessungsansatzes im Bereich des Zuggurtes nicht berücksichtigt.
204 11 Zusammenfassung und Ausblick
Literatur

[1] ABAQUS: ABAQUS 6.11 Online Documentation. Dessault Systèmes, 2011.

[2] Bacchetta, A. und Bachmann, H.: Versuche über Längsschub, Querbiegung und
Quervorspannung in Zugplatten von Betonträgern. Bericht Nr. 6504-10. Institut für
Baustatik und Konstruktion ETH Zürich, 1979.

[3] Bacchetta, A. und Bachmann, H.: Versuche zur teilweisen Vorspannung für Längsschub
und Querbiegung in Druckplatten von Betonträgern. Bericht Nr. 6504-9. Institut für
Baustatik und Konstruktion ETH Zürich, 1977.

[4] Bachmann, H.: Längsschub und Querbiegung in Druckplatten von Betonträgern. In:
Beton- und Stahlbetonbau 73 (3/1978), S. 57–63.

[5] Badawy, M. und Bachmann, H.: Versuche über Längsschub und Querbiegung in
Druckplatten von Betonträgern. Bericht Nr. 6504-8. Institut für Baustatik und
Konstruktion ETH Zürich, 1977.

[6] Bazant, Z.P. und Oh, B.H.: Crack band theory for fracture of concrete. In: Materials
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Tabellenverzeichnis

2.1 Entwicklung der Bemessungsvorschriften zum Nachweis des schubfesten An-


schlusses gegliederter Querschnitte im Spannbetonbrückenbau in Deutschland . 7
2.1 Fortsetzung – Entwicklung der Bemessungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . 8

3.1 Versuche von Schießl aus [89] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30


3.2 Versuche von Kollegger und Mehlhorn aus [53] (Auswertung analog [33]) . . . 31
3.3 Versuche von Fehling et al. aus [33] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.4 Modellparameter CDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.5 Bruchenergie GF [N/mm] gemäß Model Code 1990 [11] . . . . . . . . . . . . 42

4.1 Untersuchte Hauptspannungsverhältnisse nach Kupfer [55] . . . . . . . . . . . 54


4.2 Bei der Nachrechnung berücksichtigte Materialparameter (Versuchsbalken BM100) 60
4.3 Parameter Zugstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

6.1 Verwendete Werkstoffkennwerte für die Nachrechnung nach [5] . . . . . . . . 84


6.2 Verwendete Werkstoffkennwerte für die Nachrechnung nach [88] . . . . . . . . 108

7.1 Bilineare Abminderungsvorschriften in Abhängigkeit der Querdehnung . . . . . 114


7.2 Maximale Reduktion der Systemtraglast für verschiedene Druckfestigkeitsab-
minderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

8.1 Materialkennwerte und Bewehrungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 135


8.2 Variation des Anteils der in den Zuggurt ausgelagerten Bewehrung . . . . . . . 144
8.3 Variation der Bodenplattenbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
8.4 Mitwirkende Breite der Bodenplatte im Stützbereich in Abhängigkeit von der
Belastungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
8.5 Berücksichtigte Varianten einer zusätzlichen Vorspannwirkung . . . . . . . . . 152
8.6 Berücksichtigte Varianten der Bodenplattendicke hf . . . . . . . . . . . . . . 154
8.7 Vergleich der Stützmomente nach nichtlinearer FEM und Handrechnung für
verschiedene Lagerbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

9.1 Versuche an Stahlbetonscheiben im Panel-Tester von Vecchio und Collins aus [97]168
216 TABELLENVERZEICHNIS

9.2 Versuche an Stahlbetonscheiben von Schlaich und Schäfer aus [91] . . . . . . 168
9.3 Versuche an Stahlbetonscheiben von Maier und Thürlimann aus [62] . . . . . 169
9.4 Versuche an unbewehrten Betonscheiben von Kupfer aus [55] . . . . . . . . . 169
9.5 Verwendete Parameter experimenteller Untersuchungen an Plattenbalkenquer-
schnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Abbildungsverzeichnis

1.1 Brücken im Bundesfernstraßennetz nach Brückenflächen in [%] Stand: März


2014 aus [8] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Häufigkeit rechnerischer Gurtanschluss- (a) und Querkraftdefizite (b) nach
Bauwerksalter aus [34] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.1 Flanschfachwerk-Modell nach Badawy und Bachmann aus [5] . . . . . . . . . 11


2.2 Tragverhalten der gerissenen Platte nach Eibl aus [28] . . . . . . . . . . . . . 13
2.3 Sandwichmodell als Bemessungsgrundlage gemäß DIN EN 1992-2 [19] . . . . . 17
2.4 Versuchsträger von Badawy und Bachmann [5] mit Diskontinuitätsbereichen
(grau) in Anlehnung an [90] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.1 Spannungs-Dehnungs-Linie für Beton unter uniaxialer Druckbeanspruchung für


die Schnittgrößenermittlung mit nichtlinearen Verfahren nach DIN EN 1992-1-1 22
3.2 Zugtragverhalten von Beton im ansteigenden Ast (a), Lokalisierung des Riss-
bandes (b), Makrorissbildung (c) und Spannungs-Verschiebungs-Beziehung (d)
gemäß [27] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.3 Einfluss der Prüfkörpergeometrie [44, 48, 96] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.4 Versagenskurve unter mehraxialer Beanspruchung (a) Versagenslinie in Anleh-
nung an Kupfer [55] (b) Versagensfläche als Deviatorschnitt . . . . . . . . . . 24
3.5 Spannungs-Dehnungs-Verhalten verschiedener Betonstähle (a) warmverformt
(b) kaltverformt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3.6 Rissreibung, Schub- und Normalspannungen in Abhängigkeit von Rissgleitung
und Rissöffnung nach Walraven [99] entnommen aus [103] . . . . . . . . . . . 28
3.7 Relative Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der Zugdehnung der Versuche
von Kollegger und Mehlhorn [53], Schießl [89] und Fehling et al. [33] ohne
Modifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.8 Relative Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der Zugdehnung der Versuche
von Kollegger und Mehlhorn [53], Schießl [89] und Fehling et al. [33] unter
Berücksichtigung der Modifikation der Scheibendruckfestigkeit . . . . . . . . . 34
3.9 Vorschläge zur Abminderung der Betondruckfestigkeit für gerissenen Stahlbeton 35
218 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

3.10 Fließfläche in der (a) Meridianebene für Kc =2/3 und fb0 /fc0 =1,16 und in der
(b) Deviatorebene für verschiedene Werte für Kc gemäß [1] . . . . . . . . . . 37
3.11 Einfluss der Parameter αe und ψ auf die plastische Potentialfunktion zur Be-
schreibung der Fließregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.12 Qualitative Darstellung des Einflusses des Längenparameters lc bzw. der Zer-
stauchungsenergie Gcl auf die Arbeitslinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.13 Versteifungswirkung durch Tension Stiffening und Tension Softening in Anleh-
nung an Pölling [82] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.14 Untersuchungen zur Abminderung der Betondruckfestigkeit in gerissenen Stahl-
betonscheiben; Bezeichnungen siehe Tabelle 7.1 . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3.15 Ansatz der Zugversteifung in Anlehnung an DAfStb Heft 525 [13] nach [93] . . 47

4.1 Zugstäbe mit unterschiedlich feiner Diskretisierung; Abmessungen und Einwirkung 52


4.2 Ergebnisse der Zugstäbe (a) Vorgabewerte (b) netzabhängige Umrechnung und
Vergleich mit Ergebnissen der Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
4.3 Nachrechnung der Scheibenversuche von Kupfer ; statisches System und Mate-
rialparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.4 Vergleich der idealisieren an die streuenden Versuchswerte angepassten Bruch-
kurve nach Kupfer aus [55] mit den Ergebnissen der Simulation . . . . . . . . 54
4.5 Vergleich der Spannungs-Dehnungs-Verläufe für unterschiedliche Spannungsver-
hältnisse aus den Versuchen von Kupfer mit den Ergebnissen der Simulation . 55
4.6 Schematische Darstellung der Ergebnisse der numerischen Simulation für ver-
schiedene Zugbeanspruchungspfade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.7 Schematische Darstellung der Ergebnisse der numerischen Simulation für ver-
schiedene Druck- und Zug-Druck-Pfade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.8 Versuchsanordnung und Bewehrungsführung des Trägers BM100 aus [81] . . . 60
4.9 Einfluss verschiedener Randbedingungen auf das Simulationsergebnis aus [77] . 61
4.10 Schematische Darstellung des Rissbilds im Versuch nach [81] und der plastischen
Dehnungen in der Simulation (oben), Bügelspannungen (unten) . . . . . . . . 62
4.11 Vergleich der Spannungs-Dehnungs-Verläufe für unterschiedliche Spannungsver-
hältnisse aus den Versuchen von Kupfer mit den Ergebnissen der Simulation
mit SOFiSTiK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.12 Last-Verformungsverhalten eines Zugstabes, Vergleich FEM mit Handrechnung 65
4.13 Modellrechnung an einem Scheibenelement (a) System und Bewehrung (b)
Rissrichtung für unterschiedliche Traglastiterationen . . . . . . . . . . . . . . 66
4.14 Modellrechnung zur Schubkraftübertragung über Risse (schematische Darstellung) 67
4.15 Exemplarische Darstellung der Abminderung der Betondrucktragfähigkeit für
die untersuchte Abminderungsvorschrift A6050 gemäß Tabelle 7.1 . . . . . . . 68
219

4.16 Versuchsträger BM100 aus [81] und Abbildung der Bewehrung in den Flächen-
elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.17 Vergleich des dokumentierten Last-Verformungsverhaltens mit der Simulations-
rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
4.18 Schematische Darstellung des Rissbilds im Versuch nach [81] und in der Simu-
lationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

5.1 Tragwirkung Stegquerschnitt, Oben: Beanspruchung, Mitte: Spannungen im


Zustand I, Unten: Fachwerk im Zustand II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
5.2 Verschiebungen am idealisierten Biegeschubrissbild (a) unverformt (b) verformt
(überhöht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.3 Fachwerkmodell mit Rissreibung (oben) Kräfte am Schrägriss (unten) (a)
Stahlbeton (b) Spannbeton in Anlehnung an [85] . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5.4 Scheibenspannungen im Druckgurtausschnitt eines Hohlkastenquerschnittes im
Zustand I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
5.5 Entwicklung der Hauptdruckspannungsrichtung im Druckgurtanschnitt in Ab-
hängigkeit der Belastungsart im Zustand I (o), Idealisierter Hauptspannungstra-
jektorienverlauf (u) l0 : Bereich zwischen den Momentennullpunkten . . . . . . 78
5.6 Idealisiertes Rissbild eines Plattenbalkens mit Druckgurt in Anlehnung an die
Rissbilder aus [5] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
5.7 Bogen- oder Sprengwerkwirkung, Aktivierung durch (a) und (c) äußere Einwir-
kung (b) und (d) im Bauteil hervorgerufene Zugkräfte . . . . . . . . . . . . . 80

6.1 System und Gurtanschlussbewehrung der Versuchsträger Q1 und Q2 nach [5] . 84


6.2 Varianten der Strukturmodellierung von Plattenbalkenquerschnitten mit Flä-
chenelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
6.3 Schematische Darstellung der Restkräfte im Gurtanschnitt . . . . . . . . . . . 86
6.4 Last-Verformungsverhalten des Trägers Q1 in Versuch und Simulation . . . . . 88
6.5 Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung über die Länge der Anschlussfuge . . 88
6.6 Rissbild in Steg und Gurt als Ergebnis der Simulationsrechnung . . . . . . . . 90
6.7 Betonstauchungen in der Gurtplatte des Trägers Q1 in Versuch und Simulation 91
6.8 Last-Verformungsverhalten des Trägers Q4 im Versuch und Q2 in der Simulation 92
6.9 Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung und Stauchungen der Gurtplatte des
Balkens Q2 in Versuch und Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
6.10 Hauptspannungstrajektorien im Auflagerbereich des Stegquerschnitts . . . . . 95
6.11 Rechnerische Spannungen im Anschnitt zwischen Steg und Gurtquerschnitt . . 96
6.12 Entwicklung der Hauptzugspannungsverteilung im Gurtanschnitt bei nichtlinea-
rer Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
220 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

6.13 Strukturmodell eines Plattenbalkens mit Kontinuumselementen und diskreter


Bewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.14 Last-Verformungsverhalten der Balken Q1 und Q2 in Versuch und Simulation . 99
6.15 Vergleich der rechnerischen Betonstahldehnungen in der Gurtplatte mit den
Versuchsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
6.16 Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung des Balkens Q2 in Querrichtung gemäß
[5] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
6.17 Plastische Dehnungen in der Simulation und mögliches zugehöriges Rissbild des
Balkens Q2 (Rissbildung im Versuch siehe Abbildung 5.6) . . . . . . . . . . . 102
6.18 Betonstauchungen in der Gurtplatte des Trägers Q2 in Versuch und Simulation 103
6.19 Entwicklung der rechnerischen Längsdruckkraft in einer Gurtplatte des Trägers Q2104
6.20 Rechnerische Hauptdruckspannungsverteilung im Steg des Balkens Q2 . . . . . 105
6.21 Rechnerische Hauptdruckspannungsverteilung im Steg des Balkens Q2 bei linear
elastischem Materialverhalten für die Gurtscheibe . . . . . . . . . . . . . . . . 105
6.22 Plastische Dehnungen in der Simulation und mögliche zugehörige Rissbildung im
Steg bei linear-elastischem Verhalten der Gurtscheibe (Rissbildung im Versuch
siehe Abbildung 5.6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
6.23 System, Querschnitt und Bewehrung des Versuchsträgers PB1 nach [88] . . . . 108
6.24 Vergleich der Durchbiegungen (a) und Rissbilder in der Gurtscheibe (b) zwischen
Versuch und Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
6.25 Schematische Darstellung der rechnerischen Betonstauchungen und Druckstre-
benwinkel (a) und der Spannungen der Gurtanschlussbewehrung im Anschnitt
zum Steg (b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
6.26 Dehnungen der Längsbewehrung in der Gurtscheibe in Versuch und Simulation 112

7.1 Auswirkungen der unterschiedlichen Abminderungsvorschriften auf das Modell-


verhalten am Beispiel des Balkens Q2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
7.2 Schematische Darstellung der Spannungsänderung im Modell bei abgeminderter
Druckfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
7.3 Auswirkungen geänderter Spannungsverhältnisse auf die wahrscheinlichen Riss-
winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
7.4 Last-Verformungskurven aus Versuch und Simulation unter Berücksichtigung
unterschiedlicher Abminderungen der Betondruckfestigkeit . . . . . . . . . . . 118
7.5 Rechnerische Schubspannung im Gurtanschnitt im Zustand II . . . . . . . . . . 119
7.6 Variation der Neigung der Querkraftbewehrung und Berücksichtigung einer
Vorspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
7.7 Hauptdruckspannungen im Auflagerbereich des Balkenstegs Q1 für verschiedene
Randbedingungen im Zustand II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
221

7.8 Rechnerischer Schubspannungsverlauf im Gurtanschnitt im Zustand II für ver-


schiedene Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
7.9 Ersatz der Punktlasten durch annähernd äquivalente Linienlast . . . . . . . . . 124
7.10 Rissentwicklung im Druckgurt im Rahmen der FE-Simulation, Linienlast in
Feldmitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
7.11 Spannungsverläufe im Gurtanschnitt zwischen Trägerende und Balkenmitte . . 126
7.12 Rissbildungsbeginn im Gurtanschnitt für unterschiedliche Belastungsarten mit
dem CDP-Modell (ABAQUS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
7.13 Auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie (SOFiSTiK ) ermittelte Last-
Verformungskurven für unterschiedliche Gurtanschlussbewehrungsgrade . . . . 127
7.14 Auf Basis des CDP-Modells (ABAQUS) ermittelte Last-Verformungskurven für
unterschiedliche Gurtanschlussbewehrungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
7.15 Auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie (SOFiSTiK ) ermittelte Last-
Verformungskurven für unterschiedliche Betonzugfestigkeiten . . . . . . . . . . 129
7.16 Auf Basis des CDP-Modells (ABAQUS) ermittelte Last-Verformungskurven für
unterschiedliche Betonzugfestigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

8.1 Hohlkasten Referenzsystem mit Querschnittsabmessungen, Belastung, D-


Bereichen und schematischer Darstellung der Strukturmodellierung . . . . . . 134
8.2 Rechnerisch wahrscheinliche Rissentwicklung in der Bodenplatte für die Punkt-
lasten P 1 bis P 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
8.3 Rechnerisch wahrscheinliche Rissentwicklung in der Bodenplatte für die Linien-
lasten p1 bis p4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
8.4 Simulationsergebnisse im Gurtanschnitt der Bodenplatte an den Steg im ersten
Feld nach nichtlinearer Elastizitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
8.5 Spannungs- und schematische Rissentwicklung innerhalb der Bodenplatte . . . 141
8.6 Entwicklung eines Stabwerkmodells für die Bodenplatte nach Abschluss der
Rissentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
8.7 Entwicklung der rechnerischen Druckstrebenneigung in Abhängigkeit vom Anteil
der in den Zuggurt ausgelagerten Bewehrung (vergleiche Tabelle 8.2) . . . . . 144
8.8 Entwicklung der rechnerischen Druckstrebenneigung in Abhängigkeit von der
Bodenplattenbreite (vergleiche Tabelle 8.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
8.9 Vergleich der rechnerischen Druckstrebenneigung nach nichtlinearer FEM und
Technischer Biegelehre für die Varianten B2 und B3 . . . . . . . . . . . . . . 148
8.10 Gurtanschlussbewehrung der Varianten C1 bis C3 . . . . . . . . . . . . . . . . 149
8.11 Einfluss des Gurtanschlussbewehrungsgrades auf die Neigung der rechnerischen
Druckstrebenwinkel im Modell (Definitionen siehe Abbildung 8.10) . . . . . . . 150
8.12 Berücksichtigte Vorspannung in den Varianten D3P und D3L . . . . . . . . . . 152
222 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

8.13 Einfluss einer Vorspannung auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwin-
kel im Modell mit Punktlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
8.14 Einfluss einer Vorspannung auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwin-
kel im Modell mit Linienlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
8.15 Einfluss der Gurtdicke auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwinkel
im Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
8.16 Einfluss des Lasteinleitungsfächers im Steg auf die Schubbeanspruchung in den
Gurtanschlussfugen (hier für Θ = 45°) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
8.17 Auswirkung der berücksichtigten Momentenausrundung auf die Entwicklung
zusätzlicher Horizontalkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
8.18 Beispielrechnung zur Ausrundung des Stützmoments . . . . . . . . . . . . . . 158
8.19 Entstehung eines Versatzmoments unter Berücksichtigung einer vergrößerten
rechnerischen Auflagerbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
8.20 Modellierungsvarianten zur Ermittlung der Momentenausrundung mittels nicht-
linearer FEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
8.21 Ergebnisse der nichtlinearen Simulationsrechnungen zur Ausrundung des Stütz-
moments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
8.22 Exemplarische Darstellung des Einflusses der Diskretisierung (b) und der vorhan-
denen Querbiegemomente (c) am Bodenplattenanschnitt des Referenzsystems
mit Punktlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
8.23 Plattenquerkraft vy im Übergangsbereich zwischen gerissener und ungerissener
Gurtplatte für P = 14MN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

9.1 Vergleich experimentell und numerisch ermittelter Scheibenspannungszustände


bei Erstrissbildung mit theoretischen Werten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
9.2 Vergleich analytisch und numerisch ermittelter Scheibenspannungszustände bei
Erstrissbildung ohne Berücksichtigung einer erhöhten Biegezugfestigkeit . . . . 171
9.3 Schematische Darstellung des Systems und der Betonarbeitslinien im Zugbe-
reich zur Ermittlung der Tragfähigkeit infolge Biegung und durch kombinierte
Beanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
9.4 Scheiben- und Plattenmodell zur Ermittlung der Biegezugfestigkeit eines 4-
Punkt-Biegebalkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
9.5 Vergleich der bezogenen Biegezugfestigkeit für die Modelle mit Scheiben- be-
ziehungsweise Plattenelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
9.6 Vergleich analytisch und numerisch ermittelter Scheibenspannungszustände
bei Erstrissbildung unter Berücksichtigung einer um etwa fctm,f l /fctm = 1,3
erhöhten Biegezugfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
9.7 Vergleich des Modellverhaltens im Bereich des Gurtanschnittes unter reinem
Schub und Schub mit Querbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
223

9.8 Schematische Darstellung der Beanspruchung eines Gurtabschnitts für den Fall 1
nach Menn [9] in Anlehnung an [67] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
9.9 Schematische Darstellung der Beanspruchung eines Gurtabschnitts für den Fall 2
nach Menn [9] in Anlehnung an [67] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
9.10 Resultierende Betondruckkraft unter Berücksichtigung der Grenzdehnung und
verschiedener Spannungs-Dehnungs-Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . 181
9.11 Nachrechnung der Versuche von Schieferstein mit ν = 1,0 . . . . . . . . . . . 184
9.12 Nachrechnung der Versuche von Badawy und Bachmann mit ν = 1,0 . . . . . 184
9.13 Nachrechnung der Versuche von Bacchetta und Bachmann mit ν = 1,0 . . . . 185

10.1 Vergleich numerisch und experimentell ermittelter Erstrisslasten mit dem Be-
messungsvorschlag nach (10.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
10.2 Vergleich der bezogenen Biegezugfestigkeit in Abhängigkeit der Bauteildicke
nach Model Code 1990 und DIN EN 1992-1-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
10.3 Vorschlag zur Ermittlung der Druckstrebenneigung und der Verankerungsbe-
reiche der Gurtanschlussbewehrung; Winkel im Abstand d nach (10.13) und
(10.14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
10.4 Vergleich des Vorschlags zur Ermittlung der Druckstrebenwinkel mit den Ergeb-
nissen der FE-Simulation aus Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
10.5 Annahmen zur Ermittlung der maximal mitwirkenden Gurtbreite; Winkel im
Abstand d nach (10.13) und (10.14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

A.1 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 226
A.2 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 226
A.3 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 227
A.4 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 227
A.5 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 228
A.6 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 228
A.7 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 229
A.8 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 229
A.9 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 230
A.10 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 230
A.11 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 231
A.12 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 231
A.13 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 232
A.14 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 232
A.15 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 233
A.16 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 233
A.17 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 234
224 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

A.18 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 234
A.19 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 235
A.20 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 235
A.21 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 236
A.22 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 236
A.23 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 237
A.24 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 237
A.25 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 238
A.26 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 238
A.27 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 239
A.28 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 239
A.29 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 240
A.30 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 240
Anhang A

Interaktionsdiagramme für Schub mit


Querbiegung

Eingangswerte für die Anwendung der Interaktionsdiagramme:

fcd · ν · sin2 Θ
ρ0 =
fyd

ν · sin2 Θ hf
ω0 = ·
2 d

vRd0 = fcd · hf · ν · sin Θ · cos Θ

mRd0 = ω 0 · fcd · d2 · (1 − 0,5 · ω 0 )

mit

fck fyk
fcd = 0,85 · ; fyd = ; ν = 0,75 bis C 50/60
1,5 1,15

as,GA,1 + as,GA,2 ρs1 as,GA,1 /hf


ρtot = ; =
hf ρs2 as,GA,2 /hf
226 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0

Abb. A.1: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0

Abb. A.2: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1
227

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0

Abb. A.3: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
mRd/mRd0

Abb. A.4: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1
228 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
mRd/mRd0

Abb. A.5: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0

Abb. A.6: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5
229

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0

Abb. A.7: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0

Abb. A.8: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5
230 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0

Abb. A.9: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0

Abb. A.10: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5
231

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.11: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.12: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3
232 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.13: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.14: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3
233

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.15: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0

Abb. A.16: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1
234 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0

Abb. A.17: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0

Abb. A.18: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1
235

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4
mRd/mRd0

Abb. A.19: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4
mRd/mRd0

Abb. A.20: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1
236 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0

Abb. A.21: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0

Abb. A.22: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5
237

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0

Abb. A.23: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0

Abb. A.24: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5
238 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0

Abb. A.25: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.26: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3
239

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.27: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.28: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3
240 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.29: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3

0,9

0,8

0,7

0,6
vRd/vRd0

0,5

0,4

0,3

0,2

0,1

0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0

Abb. A.30: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3
Lebenslauf

Persönliche Daten
Name Matthias Müller
Geburtsdatum 07.11.1979
Geburtsort Hagen
Staatsangehörigkeit deutsch

Schulbildung, Zivildienst, Studium


08/1986 bis 06/1990 Grundschule Boloh, Hagen
08/1990 bis 06/1999 Ricarda-Huch-Gymnasium, Hagen
Abschluss: Abitur
07/1999 bis 06/2000 Zivildienst
10/2000 bis 02/2006 Studium des Bauingenieurwesens
an der Technischen Universität Dortmund
Vertiefung: Konstruktiver Ingenieurbau
Abschluss: Diplom

Beruflicher Werdegang
02/2002 bis 08/2005 Lederhose, Wittler & Partner GbR
Studentische Hilfskraft
03/2006 bis 04/2012 König und Heunisch Planungsgesellschaft mbH,
Dortmund
Angestellter Bauingenieur für konstruktiven
Ingenieurbau
08/2011 bis 07/2012 TU Dortmund, Lehrstuhl Betonbau
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
seit 07/2012 Bundesanstalt für Straßenwesen
Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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