Dissertation
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Dissertation
Hohlkastenbrücken
genehmigte Dissertation
vorgelegt von
Dipl.-Ing. Matthias Müller
Prüfungskommission:
Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dieter Ungermann
Referent: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Reinhard Maurer
Korreferent: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Konrad Zilch
Dortmund 2016
Kurzfassung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Untersuchungen zum Tragverhalten der Gurte
gegliederter Querschnitte auf Basis der Finite-Elemente-Methode (FEM) durchgeführt. Die bei
aktuellen Nachrechnungen bestehender Spannbetonbrücken häufig festzustellenden rechneri-
schen Defizite, welche insbesondere in den Druckgurtbereichen der Bodenplatten von Brücken
mit Hohlkastenquerschnitt ermittelt werden, haben den Ausschlag zu dieser Arbeit gegeben.
Mit der Weiterentwicklung der technischen Regelwerke zur Konstruktion und Bemessung
von Spannbetonbrücken war auch eine Umstellung der Nachweiskonzepte zur Ermittlung der
Schubtragfähigkeit verbunden. Bis zur Einführung der DIN Fachberichte für den Brückenbau
war der Nachweis auf Basis zulässiger Hauptspannungen in Deutschland eine anerkannte Regel
der Technik. Seither erfolgt die Ermittlung des Bauteilwiderstands auf Grundlage eines Fach-
werkmodells im gerissenen Zustand II. Die für Stegquerschnitte konzipierten Bemessungsregeln
werden dabei sinngemäß auf die Gurtbereiche gegliederter Querschnitte übertragen.
Eine entscheidende Größe für die Ermittlung der Tragfähigkeit der schubfesten Verbindung
zwischen Gurt- und Stegquerschnitt ist die möglichst wirklichkeitsnahe Berücksichtigung der
wahrscheinlichen Rissentwicklung. Im derzeit in Deutschland bei der Bemessung zur Anwen-
dung kommenden Fachwerkmodell mit Rissreibung wird der Schubrisswinkel auf Grundlage
der vorhandenen Längsspannung bestimmt. Die zur Rissbildung führende Schubspannung
korrespondiert bei dieser Vorgehensweise nicht mit der Längsspannung. Durch die zunächst
analytische Untersuchung der Unterschiede im Tragverhalten zwischen Steg- und Gurtquer-
schnitt wird gezeigt, dass das zu erwartende Rissverhalten in den beiden Querschnittsteilen
deutlich voneinander abweicht, und dass für eine wirklichkeitsnahe Prognose der Rissrichtung
innerhalb von Druckgurten die Berücksichtigung der vorhandenen Längs- und Schubspannungen
als korrespondierende Größen erforderlich ist. In den im weiteren Verlauf der Studien durch-
geführten numerischen Simulationsrechnungen wird dieser Zusammenhang bestätigt und es
werden weitere das Tragverhalten und den Tragwiderstand beeinflussende Größen identifiziert
und untersucht.
Die Kalibrierung und Verifizierung der verwendeten FE-Modelle erfolgt zunächst durch die
Nachrechnung gut dokumentierter Versuche und die Auswertung der Simulationsergebnisse
an kleinmaßstäblichen Versuchskörpern. Während letztgenannte insbesondere zur Erlangung
eines besseren Verständnisses zum Modellverhalten relevant sind, wird durch die Nachrechnung
von Versuchen zum Tragverhalten gegliederter Querschnitte die Modelleignung im Hinblick
auf die Abbildung der untersuchten Tragwirkung überprüft. Neben einem elasto-plastischen
Kontinuumsmodell wird für die Modellierung der Betonquerschnitte ein Schalenmodell auf Basis
der nichtlinearen Elastizitätstheorie verwendet. Mit beiden Modellen gelingt es, die Bruchlasten
und die Versagensart wirklichkeitsnah abzubilden.
Aufgrund der im Vergleich zu den Versuchen insgesamt besseren Übereinstimmungen der
mit der nichtlinearen Elastizitätstheorie erzielten Ergebnisse erfolgt die Anwendung dieses
Modells auf Systeme mit für den Brückenbau relevanten Abmessungen. Die im Vergleich zu
den Versuchsträgern deutlich schlankeren Querschnitte führen dazu, dass die durch lokale
Lasteinleitungen bedingten Störbereiche im Verhältnis zur Gesamtspannweite deutlich reduziert
werden. Daher können die Auswirkungen des sich über die Bauteillänge stetig ändernden
Längsspannungszustands auf das Tragverhalten an diesen Systemen untersucht werden.
Auf Basis der Ergebnisse der durchgeführten analytischen und numerischen Studien werden
Bemessungsmodelle abgeleitet, die das tatsächliche Tragverhalten realitätsnäher erfassen. Neben
Modellen, die eine Bemessung im gerissenen Zustand II ermöglichen und das wahrscheinliche
Rissverhalten in vereinfachter Form berücksichtigen, werden auch Berechnungsvorschläge unter
Einbeziehung kombinierter Scheiben- und Plattenbeanspruchungen (Interaktion von Längsschub
mit Querbiegung) sowie Möglichkeiten zur rechnerischen Berücksichtigung des Tragwiderstands
ungerissener Gurtbereiche (Hauptspannungskriterium) vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis v
1 Einleitung 1
1.1 Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
v
3.4.2 Übertragung von Schubkräften in gerissenen Querschnitten . . . . . . 27
3.4.3 Druckfestigkeit gerissener Stahlbetonscheiben . . . . . . . . . . . . . . 29
3.5 Materialmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.6 Modellierung mit ABAQUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.6.1 Elementansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.6.2 Materialmodelle für Beton und Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.7 Modellierung mit SOFiSTiK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.7.1 Elementansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.7.2 Materialmodelle für Beton und Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . 44
vi
6.2.2 Materialmodell CDP – ABAQUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.2.3 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
6.3 Zuggurt mit Längsschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
6.3.1 Nichtlineare Elastizitätstheorie – SOFiSTiK . . . . . . . . . . . . . . . 108
6.3.2 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7 Sensitivitätsanalyse 113
7.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2 Einfluss aus einer Abminderung der Betondruckfestigkeit . . . . . . . . . . . . 113
7.2.1 Versagen infolge Biegedruckbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2.2 Bruch der schiefen Betondruckstrebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
7.2.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
7.3 Einfluss von Stegbewehrung und Vorspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
7.4 Einfluss der Belastungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
7.5 Einfluss des Anschlussbewehrungsgrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
7.6 Einfluss der Betonzugfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
7.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
vii
10.3 Gurtanschlüsse mit rechnerisch erforderlicher Anschlussbewehrung . . . . . . . 191
10.3.1 Abgrenzung zur Ermittlung des Querkraftwiderstands von Stegquer-
schnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
10.3.2 Längsdruck mit Schub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
10.3.3 Längsdruck mit Schub und Querbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . 194
10.3.4 Längsdruck mit Schub bei bestehenden Bauwerken . . . . . . . . . . . 195
10.4 Ergänzende Hinweise zu den Bemessungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . 196
10.5 Hinweise zur Anwendung nichtlinearer FEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
Literatur 205
Tabellenverzeichnis 215
Abbildungsverzeichnis 217
viii
Abkürzungsverzeichnis
D-Bereich Diskontinuitätsbereich
FEM Finite-Elemente-Methode
NA nationaler Anhang
NCI ergänzende nicht widersprechende Angaben (en: noncontradictory
complementary information)
NDP national festzulegende Parameter (en: nationally determined parame-
ters)
NR Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nach-
rechnungsrichtlinie)
ix
x
Lateinische Buchstaben
xi
VEd Bemessungswert der einwirkenden Querkraft
VRd,cc Bemessungswert des Querkrafttraganteils des Betons für Bauteile mit
Querkraftbewehrung infolge Rissreibung
VRd,max Bemessungswert der maximalen Querkrafttragfähigkeit
V Querkraft
WT Torsionswiderstandsmoment
Wy Biegewiderstandsmoment bezüglich der horizontalen Achse
∆Fd Längskraftdifferenz im Gurt über die Länge ∆x
∆x Länge eines betrachteten Abschnittes
∆y Breite eines betrachteten Abschnittes
as,GA Querschnittsfläche der Bewehrung im Gurtanschnitt pro Längeneinheit
bc Schädigungsparameter mit pl in
c /c
bef f mitwirkende Breite eines Querschnitts oder eines Gurtes
bw Breite des Steges
b Breite eines Querschnitts oder Breite eines Gurtes
ds Durchmesser der Bewehrung
d statische Nutzhöhe
fb0 /fc0 Verhältnis von zweiaxialer zu einaxialer Betondruckfestigkeit
fc,cal rechnerische Betondruckfestigkeit
fc,cyl,mod modifizierte Zylinderdruckfestigkeit
fc,cyl Zylinderdruckfestigkeit
fcd Bemessungswert der einaxialen Betondruckfestigkeit
fck charakteristischer Wert der einaxialen Zylinderdruckfestigkeit des
Betons
fcm Mittelwert der einaxialen Zylinderdruckfestigkeit des Betons
fctd Bemessungswert der einaxialen Betonzugfestigkeit
fctk;0,05 5%-Quantilwert der einaxialen Betonzugfestigkeit
fctm,f l mittlere Biegezugfestigkeit
fctm Mittelwert der einaxialen Betonzugfestigkeit
fct einaxiale Betonzugfestigkeit
fc einaxiale Betondruckfestigkeit
ft Zugfestigkeit der Bewehrung
fyd Bemessungswert der Streckgrenze der Bewehrung
fyk charakteristischer Wert der Streckgrenze der Bewehrung
fym Mittelwert der Streckgrenze der Bewehrung
hf Dicke des Gurtes am Anschnitt zum Steg
h Bauteildicke oder Bauteilhöhe
k Beiwert, Faktor
l0 Abstand zwischen Biegemomentennulldurchgängen
xii
li Teillänge des betrachteten Druckgurtanschlusses (entspricht ∆x)
lc Längenparameter Druck, lct charakteristische Elementlänge für Zug
mRd Bemessungswert des aufnehmbaren Biegemoments je Längeneinheit
mR aufnehmbares Biegemoment je Längeneinheit
ne Anzahl der Integrationspunkte je Element
p Linienlast
sf Abstand der Bewehrungsstäbe
tef effektive Wanddicke
t rechnerische Auflagerbreite
vEd Bemessungswert der einwirkenden Querkraft je Längeneinheit
vRd,sy Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit der Bewehrung je Län-
geneinheit
vRd Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit je Längeneinheit
vR Querkrafttragfähigkeit je Längeneinheit
wc kritische Rissöffnung
w Rissöffnung
x Druckzonenhöhe
z1 Abstand der betrachteten Randfaser zur Schwerachse des Querschnitts
z Hebelarm der inneren Kräfte
xiii
xiv
Griechische Buchstaben
xv
σI Hauptzugspannung
σcp Bemessungswert der Betonlängsspannungen in Höhe des Schwer-
punkts des Querschnitts
σc Betonlängsspannung
σs Betonstahlspannung
σx,GA,Ed Bemessungswert der Betonlängsspannungen im Gurtanschnitt
σx,GA Betonlängsspannungen im Gurtanschnitt
σx Betonlängsspannungen in lokaler X-Richtung
σy Betonlängsspannungen in lokaler Y-Richtung
σ Normalspannung
τT,Ed Schubspannung infolge des Bemessungswerts der Torsion
τV,Ed Schubspannung infolge des Bemessungswerts der Querkraft
τxy,GA,Ed Bemessungswert der Schubspannung im Gurtanschnitt
τxy,GA Schubspannung im Gurtanschnitt
τ Schubspannung
xvi
Kapitel 1
Einleitung
1.1 Herausforderungen
40 2001
35 -
15,4
2012
30
12,7
10,5
10,3
25
9,6
9,1 20
7,6
6,9
6,0 15
4,9
10
3,0
1,5
5
0,6
0
1950 - 54
1955 - 59
1960 - 64
1965 - 69
1970 - 74
1975 - 79
1980 - 84
1985 - 89
1990 - 94
1995 - 99
2000 - 04
2005 - 09
2010 - 14
1,0 - 1,4
1,5 - 1,9
2,0 - 2,4
2,5 - 2,9
3,0 - 3,4
3,5 - 4,0
(a) Altersstruktur ab dem Jahr 1950 (b) Entwicklung der Zustandsnoten von 2001 bis 2012
Abb. 1.1: Brücken im Bundesfernstraßennetz nach Brückenflächen in [%] Stand: März 2014 aus [8]
100% 100%
37,50% 56,20% 40,90% 50,00% 10,30% 44,40% 62,50% 62,50%
90% 90%
80% 80% 89,70%
70% 70%
60% 62,50% 60%
59,10%
50% 50% 55,60%
50,00%
40% 43,80% 40%
30% 30% 37,50% 37,50%
20% 20%
10% 10%
0% 0%
bis 1966 1967-1973 1974-1979 ab 1980 bis 1966 1967-1973 1974-1979 ab 1980
(8 BW) (16 BW) (22 BW) (4 BW) (29 BW) (36 BW) (32 BW) (8 BW)
mit rechnerischem Gurtanschlussdefizit mit rechnerischem Querkraftdefizit
ohne rechnerisches Gurtanschlussdefizit ohne rechnerisches Querkraftdefizit
Abb. 1.2: Häufigkeit rechnerischer Gurtanschluss- (a) und Querkraftdefizite (b) nach Bauwerksalter
aus [34]
derzeit bei der Nachrechnung anzusetzenden Verkehrslasten zurückgeführt werden. Fischer et al.
stellten in [34] jedoch in etwa der Hälfte der Fälle mit rechnerischen Defiziten Überschreitungen
im Grenzzustand der Tragfähigkeit von über 100% fest. Betrachtet man die relativ hohen
Eigengewichtsanteile von Spannbetonbrücken an den Bemessungsschnittgrößen, die in der
3
Regel etwa 70% der Gesamtbeanspruchung ausmachen, so stellt man fest, dass die gestiegenen
Verkehrslasten nicht allein die Erklärung für die bei der Nachrechnung festzustellenden Defizite
sind. Die von Maurer et. al in [68, 71] durchgeführten Untersuchungen zur Auswirkung der mit
Einführung der Eurocodes gestiegenen Verkehrslasten bestätigen diese Aussage.
Die Ursachen sind folglich vor allem auch auf die mit der Weiterentwicklung der Regelwerke
geänderten Bemessungsvorschriften und Konstruktionsregeln zurückzuführen. In Kapitel 2.1
werden daher die wichtigsten Entwicklungsschritte der Bemessungsnormen für Spannbeton-
brücken innerhalb der vergangenen 65 Jahre zusammenfassend dargestellt. Die Bemessung und
Konstruktion mit den aktuellen für den Neubau von Brückenbauwerken konzipierten Regelwer-
ken führt zu robusten und wirtschaftlichen Tragwerken [78]. Für bestehende Konstruktionen
sind jedoch gesonderte Überlegungen erforderlich, da Verstärkungsmaßnahmen in der Regel
nicht nur erhebliche finanzielle Aufwendungen mit sich bringen, sondern darüber hinaus auch
einen erheblichen Eingriff in die Bausubstanz darstellen. Daher werden genauere Verfahren
zur Nachrechnung bestehender Brückenbauwerke benötigt, die das normativ geforderte Zu-
verlässigkeitsniveau unter Ausnutzung bislang rechnerisch nicht berücksichtigter Traganteile
einhalten.
Tab. 2.1: Entwicklung der Bemessungsvorschriften zum Nachweis des schubfesten Anschlusses
gegliederter Querschnitte im Spannbetonbrückenbau in Deutschland
Aus Tabelle 2.1 gehen die wichtigsten Entwicklungsschritte im Rahmen der Normung in
Deutschland, die einen Einfluss auf die Bemessung von Gurtanschlüssen vorgespannter Beton-
brücken haben, hervor. Insbesondere die Entwicklung vom reinen Hauptzugspannungsnachweis
9
hin zur Bemessung am Fachwerkmodell, die Abschaffung der für die Bemessung günstigen
Zone a und die Festlegung verbindlicher Mindestbewehrungsgrade können neben den erhöh-
ten Beanspruchungen als Begründung für die rechnerischen Defizite bei der Nachrechnung
angeführt werden. Seinerzeit erfolgte eine Unterteilung der Querschnitte in unterschiedliche
Zonen für die Schubbemessung. In die Zone a durften jene Querschnitte eingruppiert werden,
bei denen aufgrund betragsmäßig begrenzter Biegezugspannungen unter der maßgebenden
Einwirkungskombination keine Biegerissbildung zu erwarten ist. Schubrisse entstehen hier in der
Regel schlagartig in Form von Schubzugrissen. In der Zone b hingegen ist mit einer Biegezugriss-
bildung zu rechnen. Die Risse knicken hier oberhalb der Biegezugbewehrung ab und wachsen als
geneigte Biegeschubrisse weiter in den Querschnitt. Für die gedrückten Bodenplattenbereiche
von Hohlkastenbrücken galt seinerzeit eine besondere Regelung. Auf Basis der beschriebenen
Randbedingungen hätte theoretisch eine Eingruppierung der Gurtplattenquerschnitte in die
für die Bemessung ungünstigere Zone b erfolgen können, da die Gesamtquerschnitte an der
Oberseite im Bereich der Fahrbahnplatte betragsmäßig hohen Zugspannungen in Längsrich-
tung ausgesetzt sind und hier in der Regel mit einer Rissbildung unter der maßgebenden
Einwirkungskombination zu rechnen ist. Jedoch wurden die in Längsrichtung vollständig über-
drückten Gurtbereiche als Teilquerschnitte losgelöst vom Gesamtquerschnitt betrachtet und in
die günstigere Zone a eingestuft.
Mit der Einführung der DIN-Fachberichte wurde zur Vereinfachung der Nachweise die bis
dahin vorgenommene Unterteilung der Querschnitte in unterschiedliche Schubzonen aufgegeben.
Hierdurch wurden auch einige Kritikpunkte am bis dahin gültigen Nachweisformat ausgeräumt.
Hierzu zählten die Überlagerung der Beanspruchungen aus Last mit schwer quantifizierbaren
Eigen- und Zwangsspannungen bei einer gleichzeitigen nicht unerheblichen Streuung der Be-
tonzugfestigkeit. Darüber hinaus wurde die Biegebemessung an Innenstützen auf Grundlage
planmäßig gerissener Querschnitte im Zustand II durchgeführt, während die Querkraftbemessung
in den gleichen Schnitten durch eine Begrenzung der Hauptzugspannungen im ungerissenen
Zustand I erfolgte. Von nun an war bei der Bemessung immer von gerissenen Querschnitten
auszugehen. Die derzeitigen Regelungen der DIN EN 1992 [18–20] zur Bemessung des schub-
festen Anschlusses von Gurten gegliederter Querschnitte an die Stege werden in Kapitel 2.4
ausführlich vorgestellt.
örtlicher Einwirkungen, z.B. infolge fließenden Verkehrs oder Profilverformung bei Hohlkasten-
querschnitten, zusätzliche Querbiegemomente und Plattenquerkräfte eine weitere zu berück-
sichtigende Beanspruchungsart darstellen. In der Literatur sind eine Reihe experimenteller und
theoretischer Untersuchungen zum Tragverhalten der Gurte gegliederter Querschnitte doku-
mentiert, aus denen Bemessungsvorschläge abgeleitet sind. Badawy und Bachmann [4, 5] und
Bacchetta und Bachmann [3] untersuchten bereits in den 1970er Jahren das Tragverhalten von
Druckgurtanschlüssen mit und ohne Querbiegung. Weitere Untersuchungen an Plattenbalken
mit Druckgurten aus Stahlbeton wurden beispielsweise von Leonhardt und Walther in [58,
59] beschrieben. Experimentelle Untersuchungen zum Tragverhalten von Zuggurtanschlüssen
folgten durch Eibl und Kühn [28–30], Bacchetta und Bachmann [2] und Schieferstein [88].
Theoretische Überlegungen zum Tragverhalten unter Berücksichtigung einer vorhandenen Quer-
biegung sind unter anderem in [9, 43, 83] zu finden. Nachfolgend werden die Erkenntnisse der
genannten experimentellen Untersuchungen kurz dargestellt.
Badawy und Bachmann [4, 5] führten in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre Versuche an 5
Versuchsträgern mit Plattenbalkenquerschnitt durch (Träger Q1 bis Q5) und untersuchten
strukturiert den Einfluss von Längsschub mit und ohne Querbiegung in Druckgurten. Die
experimentellen Untersuchungen an den Trägern Q1 und Q2 stellen eine wesentliche Grundlage
für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Simulationsrechnungen dar und werden an
entsprechender Stelle noch ausführlicher vorgestellt. Hier werden zunächst die wesentlichen
Erkenntnisse beschrieben.
Auf Basis der Ergebnisse ihrer experimentellen Untersuchungen zeigten Badawy und Bach-
mann, dass eine Bemessung der Querbewehrung zur Sicherstellung der schubfesten Verbindung
von Druckgurt und Stegquerschnitt durch den Nachweis der schiefen Hauptzugspannungen nach
Balkentheorie keine zutreffende Näherung darstellt. Bei den untersuchten Trägern führte diese
Art der Bemessung zu Bewehrungskonzentrationen in für das spätere Versagen nicht maßgeben-
den Trägerabschnitten. Die Dimensionierung des erforderlichen Betonstahlquerschnitts für den
Bruchzustand nach dem Flanschfachwerk-Modell führte hingegen zu guten Übereinstimmungen
der Berechnung mit den Beobachtungen im Versuch. Hierbei wurde ein Wert für die Neigung der
Betondruckstrebe im Druckgurt von etwa tan Θ = 0,5 angegeben. Für die optimale Lage der
Querbewehrung in der Gurtplatte war das Versatzmaß, das sich aus dem Fachwerkmodell ergibt,
zu berücksichtigen. Bei den untersuchten Trägern mit einem zusätzlichen Querbiegemoment
ergaben sich ebenfalls gute Übereinstimmungen mit dem Flanschfachwerk-Modell. Darüber
hinaus wurden Empfehlungen zur Reduktion der Schubbewehrung auf der Biegedruckseite
gegeben.
11
%
2TJOPD %
%DPTPD DPT GM
]
;
DPUB UH
+
0M
Abb. 2.2: Tragverhalten der gerissenen Platte nach Eibl aus [28]
des Zuggurtanschlusses bei reiner Schubbeanspruchung nach Fachwerkanalogie wurde für die
vorliegenden Untersuchungen mit etwa tan Θ ≈ 0,5 angegeben. Dies entspricht nicht den im
Versuch beobachteten Risswinkeln und wurde mit starken Vereinfachungen im Fachwerkmodell
begründet. Die Herleitung des Fachwerkmodells erfolgte an einem in Anlehnung an das Rissbild
aus der Platte gedanklich herausgeschnittenen Riss- bzw. Schubzahn. Dieser ist an seiner
Wurzel in den Steg eingespannt und es wirken Schubkräfte in den Rissflanken, was insgesamt
zu einem günstigeren Tragverhalten führt und die flachere Neigung der Betondruckstrebe
im Fachwerkmodell erklären soll. In [28] veranschaulichte Eibl das Tragverhalten mit der
Darstellung in Abbildung 2.2.
Auf Basis des Bemessungsmodells von Eibl und Kühn [29, 30] plante Schieferstein [88] drei
Versuchsträger mit dem Ziel, die Tragfähigkeit der schiefen Betondruckstrebe im Zuggurt zu
erforschen. Die Untersuchungen umfassten neben der reinen Längsschubbeanspruchung auch
kombinierte Beanspruchungszustände aus Längsschub mit Querbiegung. Tatsächlich versagten
alle drei Querschnitte im Versuch durch eine Überbeanspruchung des Betons auf Druck im Zug-
gurtanschnitt. Es wurden Bemessungsverfahren und Interaktionsdiagramme für die Fälle Schub
mit überwiegender Querbiegung mit einer einlagigen Anschlussbewehrung auf der Biegezugseite
und Querbiegung mit überwiegendem Schub mit einer Anschlussbewehrung auf der Biegezug-
und Biegedruckseite hergeleitet. Für den zweiten Fall überwiegender Schubbeanspruchung wurde
der Neigungswinkel der Betondruckstrebe im Zuggurt in Übereinstimmung mit den im Rahmen
der Versuchsdurchführung festgestellten Winkeln mit tan Θ = 0,5 konstant angenommen. Eine
Reduktion der Tragfähigkeit der schiefen Betondruckstreben in Bezug auf die Prismenfestigkeit
wurde im Rahmen der Versuchsauswertung nicht festgestellt.
14 2 Stand des Wissens
Die nachfolgend aufgeführten Bemessungsvorschriften stammen aus dem Teil 1-1 (Allgemeine
Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau) [18] und dem Teil 2 (Betonbrücken) [19] der
DIN EN 1992. Darüber hinaus regelt ein nationaler Anhang (NA) zu den jeweiligen Normen die
Verwendung von national festzulegenden Parametern (NDP) und enthält ergänzende, nicht
widersprechende Angaben (NCI) zur Anwendung. Die hier dargestellten nationalen Regelungen
aus dem nationalen Anhang für Betonbrücken [20] werden im Folgenden mit NA kenntlich
gemacht.
Der Nachweis einer ausreichenden Schubtragfähigkeit eines Gurtanschlusses darf unter der
Annahme eines Fachwerkmodells mit schrägen Betondruckstreben und Bewehrung als Zugglieder
erfolgen [18]. Hierbei ist nachzuweisen, dass ein Versagen der Betondruckstrebe im Gurt bzw.
der Querbewehrung in der Anschlussfuge infolge des Bemessungswerts der Längsschubspannung
ausgeschlossen werden kann.
Der Bemessungswert der Längsschubspannung ergibt sich gemäß (2.1) aus der Längskraftdif-
ferenz im untersuchten Teil des Gurtes. Als Bemessungslänge darf höchstens der halbe Abstand
zwischen Momentennulldurchgang und betragsmäßigem Momentenmaximum bzw. der Abstand
zwischen eventuell wirkenden Einzellasten angenommen werden [18, Abs. 6.2.4]. Der Nachweis
im GZT ist entsprechend (2.2) zu führen.
ν · f · sin Θ · cos Θ
cd f f Tragfähigkeit der Druckstrebe
νEd ≤ (2.2)
(As,GA · fyd /sf ) / (hf / cot Θf ) Tragfähigkeit der Bewehrung
σcp
VRd,cc = 0,24 · fck 1/3
· 1 − 1,2 · · bw · z (2.4)
fcd
Dabei ist bw = hf und z = ∆x zu setzen. Für σcp darf anstelle der mittleren Betonlängs-
spannung im Querschnitt die mittlere Betonlängsspannung im anzuschließenden Gurtabschnitt
mit der Länge ∆x angesetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine nahezu unveränderte
Übertragung des in Deutschland prinzipiell für die Querkraftbemessung von Stegen anzuwen-
denden Fachwerkmodells mit Rissreibung auf die Bemessung von Gurtplatten gegliederter
Querschnitte.
In Gurtanschlussbereichen, in denen die bezogene Längsschubkraft νEd kleiner oder gleich
der mit dem Faktor k reduzierten Bemessungszugfestigkeit fctd ist, ist keine zusätzliche
Bewehrung zur Biegebewehrung erforderlich. Der empfohlene Abminderungsbeiwert k wird mit
0,4 angegeben und im NA so übernommen [18, Abs. 6.2.4 (6)] [20, NDP zu 6.2.4 (6)].
Die Ermittlung der Dicken z1 und z2 soll iterativ mit dem Ziel erfolgen, die Ausnutzung des
Druckspannungsfeldes bzw. der Zugbewehrung zu optimieren. Der optimale Zugbewehrungsgrad
kann auf Basis des Anhangs F der DIN EN 1992-1-1 ermittelt werden, der Nachweis des Druck-
spannungsfeldes darf nach Abschnitt 6.109 der DIN EN 1992-2 auf Basis der Plastizitätstheorie
mit einer Lösung nach dem statischen Grenzwertsatz (untere Schranke) erfolgen. In Deutschland
sind beide Abschnitte nicht anzuwenden [20].
18 2 Stand des Wissens
Für die Gurtplatten von Hohlkastenquerschnitten mit üblichen Abmessungen gilt hier in der
Regel tef = hf . Die erforderliche Bewehrung für Torsion ergibt sich aus der Berechnung der
Zugstrebenkräfte in Längs- und Querrichtung am räumlichen Fachwerk mit dem gemeinsamen
Druckstrebenwinkel Θf . Sie ist zusätzlich zur erforderlichen Bewehrung infolge Biegung mit
Längskraft und Querkraft einzulegen. Vorhandene Biegedruckkräfte dürfen auf eine erforderliche
Torsionslängsbewehrung angerechnet werden.
In Deutschland gelten darüber hinaus ergänzende Regeln für den Fall, dass Torsion gleichzeitig
mit Biegemomenten, Querkräften und Normalkräften auftritt (NA), da eine solche Beanspru-
chungskombination zu kritischen Hauptspannungszuständen in der Druckzone führen kann. In
ungerissenen Bereichen dürfen die Hauptdruckspannungen den Wert fcd nicht überschreiten. In
gerissenen Bereichen sind die Hauptdruckspannungen nach der Fachwerkanalogie im Zustand II
zu ermitteln und der Wert fcd ist angemessen abzumindern [20, NCI zu 6.3.2]. Hiervon ist
auszugehen, wenn die Hauptzugspannungen nach Elastizitätstheorie den 5%-Quantilwert der
Betonzugfestigkeit überschreiten. Sind die maximalen Schubspannungen aus Querkraft und
Torsion kleiner als 0,1fck , so darf auf den Nachweis der schiefen Hauptdruckspannung verzichtet
werden.
Lasteinleitung Auflager
Abb. 2.4: Versuchsträger von Badawy und Bachmann [5] mit Diskontinuitätsbereichen (grau) in
Anlehnung an [90]
gegangen werden, dass der derzeitige Nachweis für den ungünstigsten Längsspannungszustand
ausgelegt ist. Die Untersuchung der Auswirkungen veränderlicher Längsspannungszustände auf
die Tragfähigkeit des ungerissenen Betongurtes wird daher im Rahmen dieser Arbeit genauer
untersucht.
Der Einfluss der Rissbildung bzw. des Dehnungszustands in der Gurtscheibe hat einen
Einfluss auf die Tragfähigkeit der schiefen Betondruckstrebe. Die Erkenntnisse aus Versuchen
an Plattenbalkenquerschnitten und an Scheiben (siehe Kapitel 2.3) liefern kein einheitliches
Bild. Darüber hinaus kann insbesondere bei den kleinformatigen Scheibenversuchen ein nicht
unerheblicher Einfluss von teilweise versuchsbedingten Störgrößen festgestellt werden (siehe
Kapitel 3.4.3). Die Reduktion der Betondruckfestigkeit infolge kritischer Querdehnungszustände
wird nach derzeitigen Regelwerken für die Ermittlung der maximalen Tragfähigfkeit der schiefen
Betondruckstrebe pauschal berücksichtigt [20, NDP zu 6.2.3(103)]. Für den Nachweis der
schiefen Hauptdruckspannungen bei kombinierter Beanspruchung aus Längsbiegung, Schub
und Normalkraft wird darauf hingewiesen, dass der Bemessungswert der Betondruckfestigkeit
angemessen abzumindern sei [20, NCI zu 6.3.2]. Hier besteht derzeit noch Regelungsbedarf.
In Kapitel 3.4.3 werden die bisherigen Erkenntnisse daher vergleichend gegenübergestellt. Die
Auswirkungen möglicher Abminderungen der Druckfestigkeit in Abhängigkeit vom vorhandenen
Querdehnungszustand werden im Rahmen der Sensitivitätsanalysen an gut dokumentierten
Plattenbalkenversuchen in Kapitel 7 untersucht. Die Ergebnisse lassen eine Aussage zu den
Auswirkungen unterschiedlicher Abminderungsvorschriften bei der Simulation komplexerer
Systeme zu. Grundlage für die Definition der unterschiedlichen Abminderungsvorschriften in
der Literatur waren in der Regel experimentelle Untersuchungen an Stahlbetonscheiben, die
einem gleichmäßigen Spannungszustand über die komplette Versuchskörpergeometrie hinweg
ausgesetzt waren (siehe Kapitel 3.4.3). Durch die Anwendung auf Systeme mit ungleich-
mäßiger Spannungsverteilung werden gegebenenfalls vorhandene Umlagerungsmöglichkeiten
berücksichtigt.
Kapitel 3
3.1 Einleitung
In den folgenden Kapiteln werden die grundlegenden mechanischen Werkstoffeigenschaften von
Beton und Betonstahl sowie das Verhalten des aus beiden Komponenten zusammengesetzten
Verbundwerkstoffs Stahlbeton phänomenologisch beschrieben. Im Anschluss wird auf die
Umsetzung im Rahmen von Materialmodellen für Simulationsrechnungen auf Basis der FEM
eingegangen. Hierbei wird der Schwerpunkt auf die implementierten Materialmodelle der in
dieser Arbeit verwendeten Programmsysteme ABAQUS und SOFiSTiK gelegt.
Uniaxialer Druck
Das Verhalten von Beton unter uniaxialer Druckbeanspruchung wird durch die in Abbildung
3.1 dargestellte Spannungs-Dehnungs-Beziehung beschrieben. Für die Berechnung von Trag-
werken aus Beton genügt in der Regel eine Betrachtung des Werkstoffs auf Bauteilebene als
homogenes Material (Makro-Ebene). Um das Verhalten unter steigender Druckbeanspruchung
bis zum Bruch besser zu verstehen, ist eine kleinteiligere Betrachtung auf der Meso-Ebene
erforderlich. Hierbei genügt die Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Zementstein und
Gesteinskörnung unter steigender Beanspruchung. Druckkräfte stützen sich dabei auf das
im Vergleich zur Zementsteinmatrix wesentlich steifere Korngerüst ab. Hierdurch entstehen
Querzugspannungen innerhalb der Zementsteinmatrix. Bis zu einer Beanspruchung, die etwa
40% der Betondruckfestigkeit entspricht, verhält sich der Beton nahezu linear-elastisch. Bei
weiter steigender Druckkraft kommt es zu einer wachsenden Mikrorissbildung. Hiervon sind
insbesondere die Kontaktflächen zwischen Zementstein und Gesteinskörnung betroffen. Diese
22 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle
fc
0,4fc
Ec
ε c1 ε cu
Längsstauchung
Abb. 3.1: Spannungs-Dehnungs-Linie für Beton unter uniaxialer Druckbeanspruchung für die
Schnittgrößenermittlung mit nichtlinearen Verfahren nach DIN EN 1992-1-1
weisen zum einen eine geringere Haftzugfestigkeit auf als die Zugfestigkeit der ungestörten
Zementsteinmatrix, zum anderen sind sie bereits in Teilen durch Mikrorisse als Folge von noch
vor Belastungsbeginn entstandenen Schwindeigenspannungen vorgeschädigt. Bis zu einer Druck-
spannung, die etwa 80% der Druckfestigkeit entspricht, wachsen die Mikrorisse zu sichtbaren
Makrorissen zusammen. Diese Rissbildung ist mit einem nicht unerheblichen Steifigkeitsverlust
verbunden, was sich in einem stetig flacher werdenden Verlauf der Spannungs-Dehnungs-Linie
zeigt. Die weiter fortschreitende Makrorissbildung führt schließlich durch Ausbildung einer
Bruchfläche zum Versagen des Betons. Eine ausführliche Beschreibung der unterschiedlichen
Modellebenen mit entsprechenden grafischen Darstellungen und des Tragverhaltens ist beispiels-
weise in [103] zu finden. Die beschriebenen Zusammenhänge beziehen sich ausschließlich auf
das Verhalten von Normalbeton.
Uniaxialer Zug
Das Tragverhalten von Beton unter zentrischer Zugbeanspruchung ist in Abbildung 3.2 am
Beispiel einer weggeregelten Versuchsdurchführung dargestellt. Zunächst verhält sich der
Probekörper nahezu linear-elastisch. Der aus dem Druckversuch abgeleitete Tangentenmodul
Ec beschreibt die Anfangssteifigkeit dabei in guter Näherung [103]. Noch bevor die Maximallast
erreicht wird, setzt ein gleichförmig über den Probekörper verteiltes Mikrorisswachstum ein.
Die Dehnungen sind über die Höhe der Probe in dieser Phase konstant. Mit zunehmender
Beanspruchung im weggeregelten Versuch lokalisieren sich die zum späteren Bruch führenden
Risse in einem Rissband, dessen Breite bis zum Versagen immer schmaler wird. Hier kommt es
zu einer sprunghaften Dehnungszunahme. In den Bereichen außerhalb des Rissbandes gehen
23
∆l ε ∆l ε ∆l ε F
B
A
l l l C
∆l
(a) FA (b) FB (c) FC (d)
Abb. 3.2: Zugtragverhalten von Beton im ansteigenden Ast (a), Lokalisierung des Rissbandes (b),
VH Makrorissbildung (c) und Spannungs-Verschiebungs-Beziehung (d) gemäß [27]
a) b)
Vc Vc
L = 5 cm
L L = 10 cm
fctm L = 20 cm fctm
H = 'L w
L
σ1/fc
Zug
Zug
einaxial
zweiaxial
Druck einaxial i an
e rid
σ2/fc km
σ1 uc σ2
-1,2 -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2
Dr
Zug
-0,2 einaxial
-0,4
Zu
-0,6 gm
e rid
ian
2
σ
=
-0,8
1
σ
Deviatorschnitt
-1,0 Druck einaxial
σ3
-1,2
Druck zweiaxial
Neben den bereits beschriebenen Fällen der einachsigen Druck- oder Zugbeanspruchung sind
flächige Bauteile aus Beton im Allgemeinen einer Kombination dieser Beanspruchungen ausge-
setzt. Kupfer gibt in [55] Versagenskurven im Hauptspannungsraum auf Basis experimenteller
Untersuchungen an unbewehrten Betonscheiben mit den Abmessungen 20cm · 20cm · 5cm an.
Hierfür wurden unterschiedliche Spannungsverhältnisse σ1 zu σ2 proportional bis zum Bruch
gesteigert.
In Abbildung 3.4(a) ist eine Versagenskurve in Anlehnung an die durch Kupfer ermittelten
Bruchlasten dargestellt. Während im kombinierten Druck-Druck Beanspruchungsbereich eine
traglaststeigernde Wirkung von bis zu 25% beobachtet werden kann, tritt das Versagen im
Zug-Zug Bereich nahezu unabhängig vom Spannungsverhältnis bei Überschreitung der einaxialen
Zugfestigkeit ein. Zu einer Abminderung der einaxialen Druck- bzw. Zugfestigkeit kommt es
nur bei einer kombinierten Beanspruchung infolge Druck- und Zugspannungen. Hier kann die
Streubreite der Versuchsergebnisse durch eine etwa lineare Abnahme der Druckfestigkeit mit
steigender Querzugspannung angenähert werden.
Triaxiale Beanspruchung
flächigen Bauteilen ist die Genauigkeit aufgrund sehr geringer Querspannungen häufig dennoch
ausreichend. Im allgemeinen Fall werden Betonbauteile durch triaxiale Spannungszustände
beansprucht. Experimentelle Untersuchungen zur Erfassung der Auswirkungen unterschiedlicher
Spannungskombinationen werden meist an Zylindern unter Flüssigkeitsdruck auf die seitliche
Oberfläche (hier haben die Hauptspannungen σ1 und σ2 die gleiche Größe) oder an Würfeln
durchgeführt. Bei Versuchen an Würfeln sind theoretisch alle Spannungskombinationen reali-
sierbar. Da Versuche mit Zugspannungskomponenten erheblich schwieriger durchzuführen sind,
liegen deutlich mehr reine Druckspannungsversuche vor [72].
Stellt man den Versagensbereich für triaxial beanspruchten Beton im Hauptspannungsraum
grafisch dar, ergibt sich die Bruchumhüllende in Abbildung 3.4(b). Charakteristisch für Beton
ist die mit steigendem mehraxialen Druckspannungszustand verbundene Festigkeitssteigerung.
Bei gleichmäßiger Steigerung der Spannungen σ1 = σ2 = σ3 nimmt die Druckfestigkeit zu.
Gleichzeitig steigt die Beanspruchbarkeit auf Schub mit zunehmendem hydrostatischen Druck.
Dies ist an der Aufweitung der Bruchfläche in der Deviatorebene gut erkennbar.
σs σs
ft ft
fy f0,2
εy εu εs ε 0,2 εu εs
(a) (b)
Die Beteiligung der ungerissenen Bereiche des Betons zwischen den Rissen am Lastab-
trag bewirkt geringere mittlere Stahlspannungen bzw. Stahldehnungen und stellt damit eine
versteifende Wirkung dar.
• Reibungskräfte in Schubrissen
• Traganteil einer den Riss mit einem Winkel 6= 90◦ kreuzenden Bewehrung
Bei den Modellvorstellungen zur Tragfähigkeit der ungerissenen Betondruckzone wird in der
Regel von durch Querkraft, Biegung und gegebenenfalls Vorspannung beanspruchten Bauteilen
ausgegangen. In diesem Zusammenhang häufig zitiert wird das Modell von Zink [104]. Bei
diesem wird davon ausgegangen, dass in Balkenquerschnitten ohne Querkraftbewehrung der
Traganteil der Zugzone mit zunehmender Beanspruchung abnimmt und eine Umlagerung der
Schubkräfte auf die ungerissene Druckzone stattfindet. Nach Abschluss der Umlagerung findet
der Querkraftlastabtrag ausschließlich über ein Sprengwerk in den ungerissenen Balkenbereichen
statt. Dieses kann sich jedoch nur bei Balken mit hohen Druckzonen in voller Höhe einstellen
(z.B. bei vorgespannten Trägern).
Aufbauend auf dem Modell von Zink entwickelte Görtz in [36] eine verfeinerte Modell-
vorstellung. Hierbei wird davon ausgegangen, dass im unteren Beanspruchungsbereich die
Rissverzahnung den maßgebenden Traganteil darstellt. Mit steigender Beanspruchung kommt
es zur Lokalisierung des späteren Versagensrisses und verbunden damit zum Ausfall der Rissrei-
bungskomponente. Es findet eine Umlagerung in die ungerissene Betondruckzone und auf die
Dübeltragwirkung der Längsbewehrung statt. Ein horizontaler Riss auf Höhe der Längsbeweh-
rung leitet den Ausfall der Dübelwirkung ein, der mit einer weiteren Umlagerung der Querkraft
in die Betondruckzone (Sprengwerk) verbunden ist [36, 37]. In [38] übertragen Hegger und
Herbrand den von Görtz für Einfeldträger entwickelten Ansatz auf Zweifeldträger.
28 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle
!cr in N/mm2 cr
10
!cr
9 wcr = 0,1 0,2 0,3 0,4
0,5 0,6 0,7
8 wcr
0,8
7
0,9
6 !cr
1,0
5 vcr
cr
4
3 fc,cube " 33 N/mm2
2 dg = 32 mm
1
0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2
vcr in mm
1
2
3
4 1,0
5 0,9
6 0,4 0,5 0,6 0,8
0,2 0,3 0,7
7 wcr = 0,1
cr in N/mm2
Abb. 3.6: Rissreibung, Schub- und Normalspannungen in Abhängigkeit von Rissgleitung und
Rissöffnung nach Walraven [99] entnommen aus [103]
Kiziltan stellt in [51] einen Ansatz zur Berechnung eines Druckbogentraganteils, vergleichbar
mit einem Bogen-Zugband-Modell [57], über die Ermittlung des Verlaufs der Biegedruck-
kraftresultierenden für vorgespannte Einfeldträger auf. Maurer et al. bestätigen in [74] die
Übertragbarkeit auf Durchlaufträger.
Reibungskräfte in Schubrissen
Ebenfalls ausgelöst durch eine gegenseitige Verschiebung der Rissufer wird die Dübelwirkung der
den Schubriss kreuzenden Längsbewehrung. Der Beitrag zum Gesamtwiderstand durch diesen
29
Traganteil kann in der Regel als gering eingestuft werden [75]. Dies gilt insbesondere bei einem
Abplatzen der zur Einleitung der Dübelkraft erforderlichen Betondeckung. Die Dübelkraft kann
bei ausreichend großem Randabstand als Funktion in Abhängigkeit der Rissuferverschiebung
beispielsweise mit Hilfe der Theorie des elastisch gebetteten Balkens bestimmt werden [75].
Durch die Rissufergleitung kommt es zu Biege- und Schubspannungen in der Bewehrung und
großen örtlichen Druckspannungen an den Umlenkpunkten innerhalb des Betongefüges. Eine
Gleichung zur Ermittlung der Dübelkraft wird zum Beispiel von Walraven in [99] angegeben.
Traganteil einer den Riss mit einem Winkel 6= 90◦ kreuzenden Bewehrung
Eine den Schubriss nicht rechtwinklig kreuzende Bewehrung ist dazu in der Lage, eine gegensei-
tige Rissuferverschiebung zu behindern (ohne Berücksichtigung einer Verdüblungswirkung) und
über eine Fachwerktragwirkung Schubkräfte über den Riss zu übertragen.
Kollegger und Mehlhorn [53] berücksichtigten als Basis für ihre Auswertungen die Wür-
feldruckfestigkeit βW 200 . Hier erfolgt eine Umrechnung auf die Zylinderdruckfestigkeit mit
fc,cyl = 0,8 · βW 200 analog [33].
Schießl stellte Überfestigkeiten uniaxial belasteter Scheibenelemente im Vergleich zur Zy-
linderdruckfestigkeit fest. Diese wurden für alle uniaxial belasteten Scheiben im Mittel mit
8% angegeben. Bei alleiniger Auswertung der unbewehrten Scheiben ergibt sich eine mittlere
30 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle
Überfestigkeit von 10%. Die Zylinderdruckfestigkeit wird daher analog zur Vorgehensweise
in [33] im Rahmen der Auswertung um 10% erhöht. Hierdurch soll eine Unterschätzung des
Einflusses der Querzugspannungen auf die Druckfestigkeit ausgeschlossen werden.
Fehling et al. führten Versuche an vier Serien von Scheibenelementen durch. Die Serien 1
und 3 sind für die Betrachtungen hier nicht relevant (Die Ergebnisse der Serie 1 sind aufgrund
des Versuchsaufbaus nicht aussagekräftig und im Rahmen der Serie 3 wurden ausschließlich
Faserbetonscheiben untersucht). Im Rahmen der Versuchsauswertung der Stahlbetonscheiben
der Serien 2 und 4 wurden zwei störende Einflüsse beobachtet. In Serie 4 wurden durch den
Störeinfluss der Bewehrung nur 87,5% der Zylinderdruckfestigkeit bei uniaxialer Belastung
erreicht. In Serie 2 überlagerte sich dieser Effekt mit einer durch Entmischung des Betons
verminderten Druckfestigkeit, so dass bei den untersuchten uniaxial beanspruchten unbewehrten
Betonscheiben nur etwa 87,5% der Zylinderdruckfestigkeit erreicht wurden.
Im Zuge der hier vorgenommenen Auswertung wird die Zylinderdruckfestigkeit der bewehrten
Scheiben der Serie 2 daher mit dem Faktor 0,875 · 0,875 ≈ 0,77 und die der Serie 4 mit dem
Faktor 0,875 modifiziert. Dabei wird davon ausgegangen, dass beide festgestellten Störwirkungen
in realen Bauwerken nicht in dieser Ausprägung vorkommen. Die festgestellte Störwirkung der
Bewehrung wurde vermutlich durch die Einleitung großer Druckkräfte unmittelbar oberhalb der
abgewinkelten Vertikalbewehrung ungünstig beeinflusst. Zudem war der Längsbewehrungsgrad
mit 1,57% im Vergleich zu den in Gurtplatten älterer bestehender Spannbetonhohlkastenbrücken
üblichen Anschlussbewehrungsgrade sehr hoch (zum Vergleich: Die Mindestschubbewehrung
ab dem Jahr 1966 betrug abhängig von der Betongüte zwischen 0,14% und 0,22% für einen
Betonstahl der Sorte BSt III [102]).
Tab. 3.2: Versuche von Kollegger und Mehlhorn aus [53] (Auswertung analog [33])
fc,cyl
σII,netto σII,netto
Versuch 1 1,max σII,netto βW 200 = fc,cal βW 200 fc,cal
[ ‰] [ ‰] [MPa] [MPa] [MPa] [–] [–]
Serie 1 EGE102 0,55 1,34 14,65 22,20 17,76 0,66 0,83
EGE103 – 0,72 9,52 14,00 11,20 0,68 0,85
EGE104 0,76 1,52 15,12 21,30 17,04 0,71 0,89
EGE105 1,38 2,10 12,14 17,60 14,08 0,69 0,86
EGE106 1,54 4,07 12,33 16,90 13,52 0,73 0,91
EGE108 0,00 1,81 12,48 20,80 16,64 0,60 0,75
EGE110 1,76 5,54 11,14 17,40 13,92 0,64 0,80
EGE111 1,72 7,73 12,03 19,10 15,28 0,63 0,79
EGE112 1,86 7,55 13,16 22,30 17,84 0,59 0,74
EGE113 0,00 0,67 8,45 11,90 9,52 0,71 0,89
EGE114 0,05 1,08 12,23 16,30 13,04 0,75 0,94
EGE115 0,64 1,43 10,11 16,30 13,04 0,62 0,78
EGE116 1,31 1,84 12,92 21,90 17,52 0,59 0,74
In Abbildung 3.7 sind die Streubänder der in den Versuchen erzielten Abminderungen der
uniaxialen Druckfestigkeit über die Querdehnung ohne Modifikationen aufgetragen. Zunächst
werden die Werte der relativen Druckfestigkeit aus den einzelnen Forschungsberichten einander
unverändert gegenübergestellt. In den Versuchen von Kollegger und Mehlhorn kam es während
der Aufbringung der Druckbeanspruchung zu einem teilweise erheblichen Dehnungszuwachs in
Zugrichtung (siehe Abbildung 3.7(b)). Derartige Dehnungszuwächse können bei den Scheiben
der anderen Forscher nicht beobachtet werden. Die weiteren Betrachtungen erfolgen daher auf
Basis der aufgebrachten Zugdehnung 1 .
Es ist zu erkennen, dass durch die vorgenommene Modifikation der Zylinderdruckfestigkeit
fc,cyl zur Kompensation der durch Fehling et al. festgestellten Störwirkungen die uniaxiale
Betondruckfestigkeit bei den nicht durch Querzug beanspruchten Scheiben (VK1, VK2, VK4,
000VK1, 000VK2, 000VK3, 000, 000VK4) mit einer maximalen Abweichung von −10% bis
+6% erreicht wird (siehe Tabelle 3.3). Darüber hinaus kann eine Annäherung der Ergebnisse
der Serien 2 und 4 in Abbildung 3.8 beobachtet werden. Die Vorgehensweise führt somit
augenscheinlich zu plausiblen Ergebnissen.
Im Rahmen der Versuche VK5 und 025VK der Serie 4 von Fehling et al. und der kompletten
33
1,2 1,2
1,0 1,0
0,8 0,8
σc2,Netto/fc,cal
σc2,Netto/fc,cal
0,6 0,6
0,4 0,4
Kol-S1 Kol-S2 Kol-S1 Kol-S2
Kol-S3 Kol-S4 Kol-S3 Kol-S4
0,2 0,2
Schi-NB Feh-S2 Schi-NB Feh-S2
Feh-S4 Feh-S4
0,0 0,0
0 2 4 6 8 0 2 4 6 8
ε1 [‰] ε1,max [‰]
(a) In Abhängigkeit der aufgebrachten Zugdehnung (b) In Abhängigkeit der Bruchdehnung in Zugrichtung
Abb. 3.7: Relative Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der Zugdehnung der Versuche von
Kollegger und Mehlhorn [53], Schießl [89] und Fehling et al. [33] ohne Modifikation
Serie 4 von Kollegger und Mehlhorn werden relativ hohe Druckfestigkeiten beobachtet. Im Fall
der beiden erstgenannten Scheiben wird die Ursache durch Fehling et al. in einer im Vergleich
zur tatsächlichen Scheibendruckfestigkeit deutlich geringeren Zylinderdruckfestigkeit vermutet
[33]. Aufgrund der unter ±45◦ zur Hauptspannungsrichtung geneigten Bewehrungsführung
im Rahmen der Serie 4 von Kollegger und Mehlhorn ist eine mit erhöhten Ungenauigkeiten
verbundene Ermittlung der Betondruckspannung nicht auszuschließen [33]. Aus den genannten
Gründen werden diese Versuche aus der Auswertung entfernt (siehe Abbildung 3.8(b)).
Insgesamt kann durch die Berücksichtigung der von Fehling et al. [33] vorgeschlagenen Modifika-
tionen bei der Auswertung der Versuche von Kollegger und Mehlhorn bzw. Schießl und der hier
vorgenommenen Umrechnung der Zylinderdruckfestigkeit um den Beitrag der Störwirkungen
bei den experimentellen Untersuchungen von Fehling et al. eine gute Vergleichbarkeit aller
hier betrachteten Versuchsreihen der verschiedenen Forscher erreicht werden. Eine Abhängig-
keit der Druckfestigkeit von der Zugdehnung ist in Abbildung 3.8(b) eindeutig zu erkennen.
Die Streubreite der Ergebnisse ist in Summe dennoch sehr groß, was insbesondere bei der
Betrachtung der Versuche ohne Querzugbeanspruchung deutlich wird. Bei den uniaxial auf
Druck beanspruchten Scheiben beträgt die maximale Abminderung in den hier betrachteten
Versuchen −25%. Dem entgegen steht eine Tragfähigkeit von +6% im Vergleich zur jeweiligen
Zylinderdruckfestigkeit (siehe Abbildung 3.8(b)).
Die Ursachen für die festzustellende Streubreite sind vielfältig. Durch die gleichmäßige Bean-
spruchung der untersuchten Scheiben tritt ein Versagen unmittelbar ein, sobald an irgendeiner
Stelle eine Grenztragfähigkeit erreicht bzw. überschritten wird. Ein größeres Umlagerungspoten-
34 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle
1,2 1,2
1,0 1,0
0,8 0,8
σc2,Netto/fc,cal
σc2,Netto/fc,cal
0,6 0,6
0,4 0,4
Kol-S1 Kol-S2 Kol-S1 Kol-S2
Kol-S3 Kol-S4
0,2 0,2 Kol-S3 Schi-NB
Schi-NB Feh-S2
Feh-S4 Feh-S2 Feh-S4
0,0 0,0
0 2 4 6 8 0 2 4 6 8
ε1 [‰] ε1 [‰]
(a) Alle Versuche aus den Tabellen 3.1, 3.2, 3.3 (b) Repräsentative Versuche
Abb. 3.8: Relative Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der Zugdehnung der Versuche von
Kollegger und Mehlhorn [53], Schießl [89] und Fehling et al. [33] unter Berücksichtigung
der Modifikation der Scheibendruckfestigkeit
tial ist bei den in der Regel sehr kleinen Versuchskörpern nicht vorhanden. Dadurch haben die
zum Teil beobachteten Störeinflüsse (z.B. Entmischung des Betons, Störwirkung der Bewehrung,
ungleichmäßige Lasteinleitung) sowie vom Mittelwert abweichende Festigkeitseigenschaften
einen unmittelbaren Einfluss auf die im Versuch erzielte Grenztraglast. Die zu beobachtenden
Streuungen sind folglich systemimmanent. Da in realen Tragwerken die Auslastung in der Regel
nicht in allen Schnitten gleich groß ist, können sich Beanspruchungen in statisch unbestimmten
Systemen bei Überschreitung einer Grenztragfähigkeit in einem begrenzten Bereich umlagern.
Die Auswirkungen der Abminderung der Druckfestigkeit infolge Querdehnung müssen im
Rahmen der Bemessung in geeigneter Weise berücksichtigt werden. Vorschläge hierzu, die
eine Abhängigkeit zur Querdehnung aufweisen, finden sich beispielsweise in Fehling et al. [33]
oder auch Vecchio und Collins [97]. Die DIN EN 1992-2/NA sieht eine pauschale Abminderung
auf 75% der uniaxialen Druckfestigkeit vor. Die DIN EN 1992-1-1 (ohne Berücksichtigung des
deutschen nationalen Anhangs) berücksichtigt die Betongüte und sieht unabhängig von der
vorhandenen Querdehnung eine Reduktion der Druckfestigkeit auf 60% für Normalbeton und
auf bis zu 50% für hochfeste Betone vor (siehe Abbildung 3.9).
35
1,2
1,0
σc2,Netto/fc,cal 0,6
DIN EN 1992-1-1 (fck<60) Fehling (fck=30 MPa)
0,2
0,0
0 2 4 6 8
ε1 [‰]
Abb. 3.9: Vorschläge zur Abminderung der Betondruckfestigkeit für gerissenen Stahlbeton
3.5 Materialmodelle
3.6.1 Elementansatz
Die Systemmodellierung mit dem Programmsystem ABAQUS erfolgt unter Verwendung linearer
Hexaederelemente für den Beton. Durch die Nutzung von Elementen mit linearer Ansatzfunktion
kann es bei der Nachrechnung von biegebeanspruchten Bauteilversuchen zum sogenannten
Shear Locking [1] kommen. Die einzelnen Elemente sind nicht dazu in der Lage eine Krümmung
infolge reiner Biegung abzubilden. Vielmehr kommt es trotz fehlender Schubbeanspruchung
zu einer Schubverzerrung der Elemente. Insgesamt führt dies zu einer Überschätzung der
Elementsteifigkeit [1, 100]. Zur Vermeidung dieses Effektes kommen Elemente mit reduzierter
Integration zur Anwendung. Die Anzahl der Integrationspunkte reduziert sich hierbei von 8
(lineares Hexaederelement mit voller Integration) auf 1 (lineares Hexaederelement mit reduzierter
Integration).
Durch die Lage des Integrationspunktes im Volumenelement kann sich nun bei reiner Biegebe-
anspruchung ein umgekehrter Effekt einstellen. Eine durch eine Biegebeanspruchung ausgelöste
Verzerrung des Elements führt zu keiner Änderung des Verzerrungszustands im Integrations-
punkt. Dieser Effekt wird als Hourglassing bezeichnet und kann zu großen Elementverformungen
bis hin zum Abbruch der Berechnung führen, da kein stabiles Gleichgewicht gefunden werden
kann. In den hier durchgeführten Berechnungen wird dieser Effekt durch zwei Maßnahmen
vermieden. Zum einen erfolgt die Vernetzung in der Art, dass immer eine ausreichende Anzahl
an Elementen über die Querschnittshöhe und ggf. Breite vorhanden ist, um ein Biegeproblem
abbilden zu können. Zum anderen verfügt das verwendete Programmsystem ABAQUS über
eine integrierte Hourglassing-Kontrolle [1]. Durch die Einbringung künstlicher Energie wird
das Problem automatisch behoben. Hierbei wird darauf geachtet, dass das Verhältnis von
künstlicher zu innerer Energie stets sehr klein bleibt. Ein negativer Einfluss auf die Ergebnisse
der Berechnung kann auf diese Weise ausgeschlossen werden [1].
q σ1 σ2
σ3=0
σ1=σ2= 1,16 fc
1
Kc = 1
1,0 Kc = 2/3
p Kc = 1/2
1
σ3= fc
σ1=σ2=0
Zugmeridian
Druckmeridian
(a) (b) σ3
Abb. 3.10: Fließfläche in der (a) Meridianebene für Kc =2/3 und fb0 /fc0 =1,16 und in der (b)
Deviatorebene für verschiedene Werte für Kc gemäß [1]
Ansatz einer isotropen Ver- bzw. Entfestigungsfunktion. Eine nicht assoziierte Fließregel dient
der Beschreibung der plastischen Dehnungen nach Überschreitung der Fließfläche. Hierdurch
wird den sich nicht normal zur Fließfläche entwickelnden Betondehnungen in geeigneter Weise
Rechnung getragen [72].
Im Druckbereich wird die Fließfläche durch eine modifizierte Drucker-Prager Funktion
beschrieben. Zunächst wird hierzu die Materialarbeitslinie unter uniaxialer Betondruckbean-
spruchung vorgegeben. Die Form der Fließfläche wird im Wesentlichen durch die Formge-
bungsparameter fb0 /fc0 und Kc beeinflusst. Hierbei beschreibt das Verhältnis von fb0 /fc0 den
Zusammenhang zwischen zweiaxialer und einaxialer Betondruckfestigkeit. Kc bestimmt die
Form für triaxiale Druckspannungszustände. Der Einfluss ist sowohl in Meridian- als auch
Deviatorebene gut erkennbar (siehe Abbildung 3.10). Das Materialverhalten von Beton wird mit
dem dargestellten Formfaktor Kc = 2/3 in guter Näherung abgebildet [1]. Der Erhöhungsfaktor
fb0 /fc0 kann aus experimentellen Untersuchungen zum biaxialen Tragverhalten von Beton unter
Druck-Druck Beanspruchung abgeleitet werden. Auf Basis der in Kapitel 3.2.2 beschriebenen
Untersuchungen von Kupfer wird im Rahmen der hier durchgeführten Berechnungen ein Wert
von fb0 /fc0 = 1,16 angenommen.
Nach Überschreitung der Fließfläche wird das weitere Dehnungsverhalten durch eine von
der Fließfläche abweichende (nicht assoziierte) Fließregel beschrieben. Diese wird durch eine
plastische Potentialfunktion vom Typ Drucker-Prager beschrieben [56] und von zwei wesentli-
chen Parametern beeinflusst. Der erste Parameter ist αe , dieser stellt keinen Materialparameter
im mechanischen Sinne dar, sondern dient der Ausrundung der Potentialfunktion am Schnitt-
punkt mit der hydrostatischen Achse. Hierdurch wird mit αe > 0 die ansonsten vorhandene
Unstetigkeitsstelle entfernt und damit eine erhöhte Stabilität des Iterationsverfahrens erreicht
(siehe Abbildung 3.11). Einen weiteren Parameter zur Beschreibung des Materialverhaltens
38 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle
αe = 0 αe >0
p
Unstetigkeitsstelle in
α e fct Drucker-Prager Fließregel
Abb. 3.11: Einfluss der Parameter αe und ψ auf die plastische Potentialfunktion zur Beschreibung
der Fließregel
nach Überschreitung der Fließfläche stellt der sogenannte Dilatanzwinkel ψ dar. Dieser aus
der Bodenmechanik stammende Parameter beschreibt die Volumenänderung eines granularen
Materials unter einer Scherverzerrung. Vermeer und de Borst [98] beschreiben die Dilatanz
am Beispiel einer möglichst dichten Packung kugelförmigen Materials. Wird auf diese Packung
eine Scherbeanspruchung gegeben, so müssen sich die Kugeln auseinander bewegen. Die Folge
ist eine Vergrößerung des Packungsvolumens. Dieses Verhalten lässt sich neben Böden auch
auf Beton übertragen [98]. Die Höhe des Dilatanzwinkels wird in der Literatur in der Regel mit
Winkeln zwischen 30° und 40° für die Simulation von Stahlbeton- und Spannbetonstrukturen
angegeben (z.B. [38, 51, 63, 72]). Im Rahmen dieser Arbeit wird der Dilatanzwinkel ψ mit 35°
angenommen.
Auf die Verwendung einer Schädigungskomponente, die zur Beschreibung zyklischer Bean-
spruchungen erforderlich ist, wird hier verzichtet. Der im CDP-Modell implementierte Ansatz
führt mit zunehmendem Grad der Schädigung zu einer Reduktion des E-Moduls für Entlastungs-
und Wiederbelastungspfade, also in Bereichen, die einen Dehnungsrückgang und im Anschluss
ggf. einen erneuten Dehnungsanstieg erfahren. Bei allen nachgerechneten Versuchen handelt
es sich um statisch bestimmt gelagerte Systeme, deren Beanspruchung stetig bis zum Bruch
gesteigert wird. Hierbei kommt es weder zu einem wechselnden Öffnen und Schließen der Risse
in den Versuchskörpern noch zu einer nennenswerten Wechselbelastung in Bereichen mit großen
Druckstauchungen. Vielmehr findet ein kontinuierlicher Dehnungszuwachs in den wesentlichen
Bereichen bis zum Bruch statt. Eine nennenswerte Verbesserung der Berechnungsergebnisse
durch die Berücksichtigung des isotropen Schädigungsansatzes ist daher nicht zu erwarten. In
Tabelle 3.4 sind die verwendeten CDP-Modellparameter zusammengestellt.
Zur Vermeidung von Netzabhängigkeiten erfolgt die Definition der uniaxialen Materialar-
beitslinien für Druck- und Zugbeanspruchung nach dem von Mark [63] beschriebenen Regu-
39
νQ ψ αe fb0 /fc0 Kc µ
0,18 35 0,1 1,16 2/3 5e − 6
Bereich 1:
σc = Ec · c 0,40 · fcm ≥ σc (3.1)
Bereich 2:
Eci · fcm
c
− (c /c1 )2
σc = · fcm 0,40 · fcm < σc ≤ fcm (3.2)
1 + Eci · fcm
c1
− 2 c1c
mit
2 4 · fcm 5
Eci = · (fcm /c1 )2 − + · Ec (3.3)
3 · Ec 3 · c1 3
Bereich 3:
−1
γ c · c 2
2 + γ c · fcm · c1
σc = − γ c · c + (3.4)
2 · fcm 2 · c1
mit
1/2 · π 2 · fcm · c1
γc = h i2 > 0 (3.5)
fcm bc ·fcm
gcl − 2
· c1 · (1 − bc ) + Ec
Versagen
Gcl=
8
kraftgeregelt
fc γ c=0
γ c1>0
Versagen γ c2> γ c1
weggeregelt γ c3>> γ c2
Ggl2
"Snap-Back" gcl2= l 2
c2 3
γ c=
8
Ec 1
Gcl=0 lc1>lc2>lc3
Längsstauchung
Abb. 3.12: Qualitative Darstellung des Einflusses des Längenparameters lc bzw. der
Zerstauchungsenergie Gcl auf die Arbeitslinie
Die Ermittlung des Längenparameters lc nach (3.7) ist abhängig von der Größe und der
Art der verwendeten Elemente. Durch die Wahl eines linearen Elementansatzes mit reduzierter
Integration verfügt jedes Element über nur einen Integrationspunkt (ne = 1). Hieraus folgt
ein vergleichsweise großer Wert für den Längenparameter. Um einen sogenannten Snap-Back
(siehe Abbildung 3.12), einen Rücksprung des abfallenden Astes der Arbeitslinie auszuschließen,
darf lc den Maximalwert nach (3.8) nicht überschreiten. Eine solche Rückverformung kann
dann eintreten, wenn der elastische Rückverformungsanteil des ungeschädigten Bereichs ei-
ner Probe größer ist als der im Lokalisierungsbereich der Schädigung eintretende plastische
Verformungsanteil.
Die Modellierung des Tragverhaltens von Beton unter zentrischer Zugbeanspruchung erfolgt
auf Grundlage des von Hillerborg et al. [41, 42] entwickelten „fiktiven Rissmodells“ (Fictitious
Crack Model) bis zum Erreichen der Betonzugfestigkeit unter der Annahme linear-elastischen
Verformungsverhaltens. Im Rahmen der Versuchsnachrechnungen wird der Mittelwert der
dokumentierten Betonzugfestigkeit angesetzt. Hieraus folgt ein rechnerischer Übergang in den
gerissenen Zustand bei einer Längsdehnung von ct = fctm /Ec (siehe auch Kapitel 3.2.1).
Nach Überschreitung der Zugfestigkeit wird der abfallende Ast nach der von Hordijk in [45]
entwickelten Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung ermittelt (3.9).
41
" 3 #
σct w w w
· 1 + c31 · exp (−c2 ) (3.9)
= 1 + c1 · · exp −c2 · −
fctm wc wc wc
mit
c1 = 3; c2 = 6,93 nach [45]
Der Parameter wc beschreibt die kritische Rissöffnung, bei der keine Zugspannungen mehr
zwischen den Rissufern übertragen werden können. Durch die mit (3.9) beschriebene Form
des abfallenden Astes der Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung lässt sich die Bruchenergie nach
(3.10) ermitteln.
" 3 !
1 c1
GF = fctm · wc 1+6
c2 c2
(3.10)
1 1 3 6 6 1
+ c31 1 + c31 exp (−c2 )
− + + + +
c2 c2 c22 c32 c42 2
Mit dem von Mark [63] vorgeschlagenen Wert von wc = 180µm für die kritische Rissöffnung
ergibt sich somit eine berücksichtigte Bruchenergie von etwa 0,088N/mm bis 0,1N/mm für
fctm = 2,5 bis 3MPa (dies entspricht etwa den Betondruckfestigkeiten C25 und C30). In der
Literatur finden sich verschiedene Ansätze zur rechnerischen Ermittlung der Bruchenergie. Der
Model Code 1990 [11] gibt für die Bruchenergie den in (3.12) dargestellten Zusammenhang an.
GF wird hiernach in Abhängigkeit der mittleren Betondruckfestigkeit und des Größtkorndurch-
messers der Gesteinskörnung ermittelt.
In Tabelle 3.51 sind die sich hieraus ergebenden Werte für die Bruchenergie in Abhängigkeit
des Größtkorndurchmessers zusammengestellt.
Die hier verwendete Vorgehensweise führt somit zu Werten, die tendenziell über denen
des Model Code 1990 liegen. Mark stellt dies in [63] ebenfalls fest, führt jedoch eine gute
Übereinstimmung mit experimentellen Ergebnissen an. Darüber hinaus wird die Eignung des
Ansatzes durch gute Übereinstimmungen bei der Nachrechnung experimenteller Untersuchungen
1
Die in Tabelle 2.1.4 des Model Code 1990 angegebenen Werte der Bruchenergie GF für unterschiedliche
Betondruckfestigkeiten stehen im Widerspruch zum angegebenen Vorgabewert von 0,058N/mm für GF 0 und
dmax = 32mm in Verbindung mit (3.12). Hier wird daher ein Wert von 0,038N/mm übernommen.
42 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle
(z.B. in [51, 63, 72, 77]) bestätigt. Die Ermittlung der Bruchenergie nach Model Code 2010
würde hingegen zu erheblich größeren Werten führen [38, 47].
Die Beschreibung des Zugtragverhaltens durch die Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung ist
zunächst geometrie- und damit netzunabhängig. Eine möglichst objektive Modellierung mithilfe
einer Spannungs-Dehnungs-Beziehung kann durch eine von der verwendeten Elementgröße
abhängigen Umrechnung erreicht werden. Die Gesamtdehnung setzt sich aus einem elastischen
und einem plastischen Anteil zusammen. Bei den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten
Rechnung ohne Berücksichtigung einer zusätzlichen Schädigungskomponente entspricht der
elastische Dehnungsanteil dem Quotienten aus Rissspannung σct und Elastizitätsmodul Ec .
Die über die elastischen Anteile hinausgehenden plastischen Dehnungen werden nach (3.13)
ermittelt.
(3.13)
1
c pl in
t = c t =
w
lct
mit lct = (V e ) 3
Betonstahl
Die Modellierung des Betonstahls erfolgt über diskrete Fachwerkstäbe. Das Verformungsverhal-
ten wird dabei auf Basis der dokumentierten Versuchsdaten als bilineares einaxial elastoplasti-
sches Materialgesetz definiert.
Verbund
Die verwendeten Bewehrungselemente werden grundsätzlich mit starrem Verbund in die Beton-
elemente eingebettet (embedded element technique [1]). Dabei werden die diskret modellierten
Bewehrungsstäbe unabhängig von der Lage der Knoten in die Betonelemente integriert. Liegt
ein Knoten eines Bewehrungselements innerhalb eines Betonelements wird dieser zu einem
„eingebetteten Knoten“, dessen Verschiebungsfreiheitsgrade auf die interpolierten Werte der
entsprechenden Freiheitsgrade des Aufnahmeelements beschränkt werden [1]. Hierdurch wird
eine diskrete Bewehrungsmodellierung ermöglicht, ohne eine geometrische Kompatibilität der
Knoten herstellen zu müssen. Der in Kapitel 3.4.1 beschriebene Versteifungseffekt wird analog
der von Pölling [82] beschriebenen Vorgehensweise, die an ein von Feenstra [32] vorgeschlagenes
Verfahren angelehnt ist, berücksichtigt. Hierbei erfolgt eine Aufteilung der versteifenden Wirkung
43
Kraft
Stahlbeton
1 keine Risse
2 Betonstahl 2 Erstrissbildung
3 abgeschlossenes
Tension Stiffening Rissbild
1
Tension Softening
Stahlspannung
unbewehrter
Beton
Verschiebung
Abb. 3.13: Versteifungswirkung durch Tension Stiffening und Tension Softening in Anlehnung an
Pölling [82]
des Betons zwischen den Rissen auf zwei Anteile. Einen auf der Betonseite (Tension Softening)
und einen Anteil auf der Stahlseite (Tension Stiffening). In Abbildung 3.13 sind die Teilbeiträge,
die sich auf Grundlage der gewählten Form des abfallenden Astes der Betonzugfestigkeit nach
Hordijk [45] ergeben, schematisch dargestellt. Der Anteil infolge Tension Softening ergibt sich
aus dem in (3.9) bis (3.11) beschriebenen Tragverhalten des Betons im Nachbruchbereich.
Die Berücksichtigung des zweiten Anteils am Gesamtversteifungseffekt kann beispielsweise
über eine Modifikation der Stahlkennlinie erfolgen [10]. Auf eine solche Modifikation wird im
Rahmen dieser Arbeit in Anlehnung an die Vorgehensweisen in [35, 51, 63, 72, 82] verzichtet.
3.7.1 Elementansatz
Grundlage für die Berücksichtigung des nichtlinearen Werkstoffverhaltens von Beton im Druck-
und Zugbereich ist die Vorgabe einer einaxialen Spannungs-Dehnungs-Beziehung. Hierzu wird
die Arbeitslinie für nichtlineare Verfahren der Schnittgrößenermittlung und für Verformungsbe-
rechnungen der DIN EN 1992-1-1 [18] gemäß (3.14) verwendet.
1,2
1,0
0,8
σc2,Netto/fc,cal
1 A175 3
A2075
0,6
2 A160
4 A6050
0,4
0,2
0,0
0 2 4 6 8
ε1 [‰]
gung des in Deutschland geltenden NA zu einer Reduktionen der Betondruckfestigkeit auf 75%.
Im Unterschied zu den Verläufen 1 und 2 wird hier ein linearer Entfestigungsverlauf bis zum
Erreichen der Fließgrenze des Bewehrungsstahls vorausgesetzt. Dieser wird auf der sicheren
Seite liegend mit 2 ‰ angenommen. Die in den dokumentierten Versuchen festgestellten
Zusammenhänge lassen eine solche Annahme als gerechtfertigt erscheinen (siehe Abbildungen
3.14 und 3.9).
Mit dem Reduktionsverlauf 4 soll der Vorschlag von Vecchio und Collins [97] in linearisierter
Form angenähert werden.
Verbund
Im Rahmen der Berechnungen wird starrer Verbund zwischen Beton und Betonstahl ange-
nommen. Die Bewehrung wird hierbei nicht diskret, sondern in über die Fläche der Stahllayer
verschmierter Form in die Elementmodellierung einbezogen (siehe Kapitel 3.7.1). Wie bereits
erwähnt erfolgt die Berücksichtigung der versteifenden Wirkung des Betons in gerissenen Berei-
chen im Wesentlichen durch eine Modifikation der Stahlarbeitslinie. Bei den hier durchgeführten
Untersuchungen wird diese entsprechend den Regelungen des DAfStb Hefts 525 [13] angepasst.
Im gerissenen Zustand geschieht dies durch eine Parallelverschiebung der Arbeitslinie, sodass bei
gleicher Spannung geringere Dehnungen in der Zugzone des Verbundquerschnitts berücksichtigt
werden. Das Maß der Parallelverschiebung errechnet sich gemäß (3.15) und wird von folgenden
Faktoren beeinflusst: Der Beiwert βt dient der Berücksichtigung der Belastungsdauer. Er wird
mit 0,4 für kurzzeitige und mit 0,25 für andauernde Beanspruchungen oder häufige Lastwechsel
angesetzt. Die Differenz (sr2 − sr1 ) stellt den Dehnungsunterschied des Betonstahls unter
Rissschnittgrößen bei Betrachtung des gerissenen Querschnitts (sr2 ) und des noch ungerissenen
Querschnitts (sr1 ) dar.
Bis zum Erreichen der Rissschnittgröße beteiligen sich Beton- und Stahlquerschnitt bei
gleicher Dehnung entsprechend des Verhältnisses ihrer Dehnsteifigkeit am Lastabtrag. Bei
weiterer Laststeigerung kommt es zum Ausfall des Betons auf Zug im Rissquerschnitt und damit
verbunden zu einem sprunghaften Dehnungsanstieg im Stahlquerschnitt. Zwischen den Rissen
kann sich der Beton in der Zugzone des Verbundquerschnitts am Lastabtrag beteiligen, was zu
einem steiferen Systemtragverhalten führt. Die Umsetzung im Rahmen des FE-Programms ist
in Abbildung 3.15 schematisch dargestellt. Bis zum Erreichen der Rissschnittgröße verhalten
sich Beton und Stahl linear-elastisch. Mit Beginn der Erstrissbildung wird die Differenzdehnung
infolge der zugversteifenden Wirkung des Betons zwischen den Rissen linear interpoliert und
die Betonzugfestigkeit fällt linear ab. Nach dem vollständigen Rückgang der Betonzugfestigkeit
wird der volle Zugversteifungseffekt des Betons nach (3.15) wirksam [93].
Die Differenzdehnung nach (3.15) wird bei der Nachrechnung von Biegebalken durch die
47
σs
Stahlbeton
Abb. 3.15: Ansatz der Zugversteifung in Anlehnung an DAfStb Heft 525 [13] nach [93]
Rissbildung
Bei den Modellen mit fixierten Rissen führt eine Überschreitung der Betonzugfestigkeit im
Integrationspunkt eines Elements zur Rissentstehung. Die Rissrichtung wird normal zur Haupt-
zugspannungsrichtung angenommen und im Anschluss für die weitere Berechnung fixiert. Eine
Veränderung des Risswinkels ist im Folgenden nicht mehr möglich. Eine beanspruchungsindu-
zierte Drehung der Hauptspannungsrichtung nach Rissentstehung ist daher mit der Entstehung
einer Schubbeanspruchung in der Rissebene verbunden. Den Riss kreuzende Bewehrungsele-
mente können zur Übertragung einer solchen Beanspruchung beitragen. Ein weiteres Mittel
zur Übertragung von Schubspannungen stellt die Berücksichtigung einer im Rissquerschnitt
verbleibenden Schubsteifigkeit dar, die mit zunehmender Dehnung stetig abfällt. Einige Modelle
berücksichtigen diesen Effekt durch den sogenannten shear retention factor.
Bei Modellen mit rotierenden Rissen ist der Risswinkel stets normal zur aktuellen Hauptzug-
spannungsrichtung. Dabei ist je Hauptspannungsrichtung immer nur der zuletzt entstandene
Riss aktiv. Eine Schubkraftübertragung über die Risse ist somit nicht erforderlich.
Im verwendeten Programmsystem SOFiSTiK werden Risse auf Grundlage des Modells mit
fixierter Rissrichtung berücksichtigt. Die Schubsteifigkeit in gerissenen Elementen wird dabei
unmittelbar nach Rissentstehung zu Null gesetzt. Eine Schubkraftübertragung über einmal
entstandene Risse ist somit nur über die Definition einer entsprechend angeordneten Bewehrung
möglich. Zum genaueren Verständnis der Umsetzung des Rissmodells wird nachfolgend der
Ablauf einer nichtlinearen Systemanalyse im Hinblick auf die Festlegung der Rissrichtung
beschrieben.
Nach jedem Iterationsschritt werden die Dehnungen und daraus resultierenden Spannungen
ermittelt. In Elementen, in denen es zu einer Plastizierung gekommen ist, stimmen die Knoten-
lasten nicht mehr mit der linear-elastischen Rechnung überein. Die so entstehenden Restkräfte
werden im nächsten Iterationsschritt wieder auf das System gesetzt [93]. Ein Gleichgewicht
ist dann gefunden, wenn die Energie (Produkt aus Last und Verformung) konvergiert und die
Restkräfte unterhalb einer festgelegten Toleranzgrenze liegen. Im Anschluss an den letzten
Iterationsschritt wird die Rissrichtung festgelegt und der Riss für weitere Berechnungen fixiert.
Dieser Zusammenhang ermöglicht zwei unterschiedliche Berechnungsabläufe mit voneinander
abweichenden Zeitpunkten zur Festlegung der Rissrichtung:
Bei der Traglastiteration mit automatischem Aufsetzen auf einen Primärlastfall wird die
jeweils letzte Laststufe zum neuen Primärlastfall für die weitere Laststeigerung. Die Festlegung
der Rissrichtung erfolgt für jede Traglaststufe nach dem letzten Iterationsschritt der jeweils
durchgeführten nichtlinearen Systemanalyse. Diese wird dann für die noch folgenden Lastschritte
fixiert.
Eine Alternative zur Traglastiteration ist die unmittelbare nichtlineare Berechnung einer
vorgegebenen Belastungsstufe ohne schrittweise Laststeigerung beziehungsweise die schrittweise
Laststeigerung ohne die Berücksichtigung der jeweils letzten Laststufe als Primärlastfall. Hierbei
erfolgt nur ein Iterationslauf beziehungsweise mehrere voneinander unabhängige Iterationen
zum Nachweis eines Gleichgewichtszustandes. Da auch hier die Festlegung der Rissrichtung
erst nach dem letzten Iterationsschritt erfolgt und eine Drehung der Hauptspannungsrichtungen
bis dahin ungehindert möglich ist, kann so ein dem Modell mit rotierenden Rissen ähnliches
Verhalten berücksichtigt werden.
50 3 Werkstoffverhalten und Materialmodelle
Kapitel 4
4.1 Allgemeines
Zur Verifikation der gewählten Rechenmodelle eignet sich insbesondere die Nachrechnung von
gut dokumentierten Versuchen beziehungsweise von einfachen Systemen, deren Ergebnisse
auch durch analytische Betrachtungen verifiziert werden können. An dieser Stelle werden daher
zunächst Simulationsrechnungen an unkomplizierten Systemen durchgeführt, um die Eignung
der Modelle zu überprüfen und gegebenenfalls vorhandene Einschränkungen festzustellen.
55 52,5
∆l = ∆l =
5 2,5
[cm] 0,005 [cm] 0,005
fct = 3,5 1,75 3,5 [MPa] fct = 3,5 1,75 3,5 [MPa]
Abb. 4.1: Zugstäbe mit unterschiedlich feiner Diskretisierung; Abmessungen und Einwirkung
2 2
Simulation:
1,5 1,5 25 mm
50 mm
σ ct [MPa]
σ ct [MPa]
1 1
0,46 MPa σ-ε-Linie:
0,46 MPa
0,5 0,5 25 mm
50 mm
0 0
0 0,05 0,1 0,15 0,2 0 0,0025 0,005 0,0075 0,01
w [mm] εpl [-]
Abb. 4.2: Ergebnisse der Zugstäbe (a) Vorgabewerte (b) netzabhängige Umrechnung und Vergleich
mit Ergebnissen der Simulation
daher zunächst die Versuche an unbewehrten Betonscheiben von Kupfer [55] nachgerechnet.
Dieser führte zerstörende Untersuchungen an Scheiben aus Normalbeton mit verschiedenen
Zylinderdruckfestigkeiten durch. Hierbei wurden unterschiedliche Hauptspannungskombinatio-
nen in den Bereichen Druck-Druck, Druck-Zug und Zug-Zug proportional bis zum Versagen
des Versuchskörpers gesteigert. Die Nachrechnung erfolgt ebenfalls durch proportionale Last-
steigerung der angegebenen Kombinationen (siehe Tabelle 4.1). Das statische System und
die verwendeten Materialkennwerte sind in Abbildung 4.3 dargestellt. Der Vergleich der Er-
gebnisse der numerischen Simulation führt zu guten Übereinstimmungen in den Bereichen
Druck-Druck und Zug-Zug. Gewisse Abweichungen sind jedoch in den Druck-Zug Quadranten
zu beobachten (siehe Abbildung 4.4), die sich jedoch aufgrund der großen Streuungen der Un-
tersuchungswerte in diesem Bereich relativieren. Besonders deutlich werden die Abweichungen
bei Betrachtung der Spannungs-Dehnungs-Verläufe für die einzelnen Beanspruchungskom-
binationen. Während unter reinen Druckspannungskombinationen sowohl die Traglast als
auch das Spannungs-Dehnungs-Verhalten in guter Näherung durch die Simulationsrechnungen
wiedergegeben werden, führt diese für gemischte Spannungszustände bereichsweise zu recht
konservativen Ergebnissen. Insbesondere im Bereich hoher Druckspannungen mit gleichzeitig
geringen Querzugkräften wird die Entfestigung überschätzt (siehe Abbildungen 4.5(d,e)). Dieser
Einfluss nimmt mit größer werdendem Spannungsverhältnis allmählich ab (siehe Abbildung
4.5(f)).
54 4 Verifikation der Rechenmodelle
σ2
Materialparameter:
fcm = 31,1 MPa
h = 5 cm fct ~ 3,0 MPa
10
Ec ~ 32000 MPa
σ1
[cm] 10
Abb. 4.3: Nachrechnung der Scheibenversuche von Kupfer ; statisches System und
Materialparameter
0,2
σ2/fcm
0
-1,4 -1,2 -1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2
-0,2
-0,4
-0,6
-0,8
-1
-1,2
σ1/fcm
FEM-CDP Kupfer
-1,4
Abb. 4.4: Vergleich der idealisieren an die streuenden Versuchswerte angepassten Bruchkurve nach
Kupfer aus [55] mit den Ergebnissen der Simulation
55
1,2 1,2
|σ2|/fcm |σ2|/fcm
ε2 ε1 ε2 ε1
1 1
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 Kupfer ε1,εε2
0 0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002
1,4
|σ2|/fcm
ε2 ε1
1,2
1 1
|σ2|/fcm
0,8 0,8
ε2 ε1
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 Kupfer ε1,εε2
0 0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002
0,8 |σ2|/fcm
ε2 0,6 ε1 0,6
|σ2|/fcm
0,4 0,4
ε2 ε1
0,2 0,2
FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 Kupfer ε1,εε2
0 0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002
Beton im Zugbereich
Betrachtet wird eine Betonscheibe, die innerhalb der Ebene in beide Hauptspannungsrichtungen
weggeregelt gedehnt wird. Hierbei werden zunächst zwei Varianten mit unterschiedlichen
Zugbeanspruchungspfaden untersucht.
Bei der ersten Variante einer proportionalen Steigerung der aufgebrachten Knotenverschie-
bungen im Verhältnis 1/1 erreicht die Scheibe in beide Hauptspannungsrichtungen die volle
Zugfestigkeit. Nach Überschreitung der Rissdehnung kann das gleiche Entfestigungsverhalten
in beide Richtungen beobachtet werden (siehe Abbildung 4.6(a)). Dieses Verhalten deckt
sich qualitativ mit den von Kupfer festgestellten Scheibenzugfestigkeiten unter kombinierter
Zug-Zug Beanspruchung (siehe Abbildung 3.4(a), Quadrant I).
Im Fall der zweiten Variante erfolgt die Erhöhung der aufgebrachten Dehnung zunächst
nur in eine Richtung. Das zuvor beschriebene Verhalten kann für diese Richtung durch das
Materialmodell ebenfalls abgebildet werden. Mit Überschreitung der Rissdehnung beginnt die
Entfestigung. Durch den isotropen Ansatz wird diese richtungsunabhängig gespeichert. Dies
hat zur Folge, dass die Zugspannung in die zweite Richtung nur noch bis zur Rissspannung
nach Zugentfestigung aus der ersten Beanspruchungssequenz linear gesteigert werden kann,
bevor es zur Weiterentwicklung der isotropen Zugentfestigung kommt. In Abbildung 4.6(b)
sind die beschriebenen Zusammenhänge schematisch dargestellt. Vergleichbare Untersuchungen
von Gödde in [35] führen unter Berücksichtigung eines linearen Verlaufs der Entfestigung zu
den gleichen Erkenntnissen.
In einem realen Betonbauteil kann davon ausgegangen werden, dass die Zugfestigkeit or-
thogonal zu einem bereits entstandenen Riss noch vollständig erreicht werden kann und eine
gegenseitige Beeinflussung tatsächlich nicht stattfindet. Für einen derartigen Beanspruchungs-
pfad führt der vereinfachte Ansatz isotroper Entfestigung folglich nicht zu realitätsnahen
Ergebnissen.
Beton im Druckbereich
∆l/2 ∆l2/2
II II II
I I I
∆l/2 ∆l2/2
σI = σII σI σII
Step I Step II
fct fct fct
ν Q>0
ν Q=0
ε I = εII εI ε II
∆l/l ∆l/l
∆l2/l
(a) Proportionale Dehnungserhöhung (b) Sequenzielle Dehnungserhöhung
Abb. 4.6: Schematische Darstellung der Ergebnisse der numerischen Simulation für verschiedene
Zugbeanspruchungspfade
geltenden Zusammenhänge schematisch dargestellt. Hierbei wird ein Betonelement bis in den
Entfestigungsbereich hinein gestaucht (Step I) und im Anschluss vollständig entlastet (Step II).
Im darauf folgenden Schritt wird eine Stauchung in Querrichtung auf das Element aufgebracht
(Step III). Die bereits in der ersten Belastungssequenz entstandene Entfestigung hat zur Folge,
dass die volle uniaxiale Druckfestigkeit in Querrichtung nicht mehr erreicht werden kann. Für
die hier durchgeführten Untersuchungen mit monotoner Laststeigerung bis zum Bruch der
jeweiligen Versuchskörper hat dieser Zusammenhang keinen nennenswerten Einfluss auf die
Qualität der Ergebnisse.
Bei Kombinationen aus Zug- und Druckbeanspruchung werden zwei Varianten untersucht
und exemplarisch dargestellt. In der Variante 1 (Abbildung 4.7(b)) wird ein Element zunächst
uniaxial gedehnt und im Anschluss in die gleiche Richtung gestaucht. Die Zugentfestigung
aus der ersten Belastungssequenz (Step I) wird gespeichert. Diese wirkt sich jedoch nicht
ungünstig auf die anschließende Druckbeanspruchung (Step II) aus. An einem realen Bauteil
kann davon ausgegangen werden, dass der unter Zug entstandene Riss im Anschluss vollständig
überdrückt wird und keinen negativen Einfluss auf das Tragverhalten unter der anschließenden
Druckbeanspruchung hat. Das Materialmodell bildet dies somit realitätsnah ab. Die isotro-
pe Zugentfestigung wirkt sich nur auf weitere Zugbeanspruchungen aus und nicht auf den
Druckbereich.
Eine Zugkraft in Querrichtung hat jedoch bekanntlich einen unmittelbaren Einfluss auf die er-
tragbare Druckbeanspruchung in Längsrichtung (siehe Abbildung 3.4(a), Quadranten II und IV).
58 4 Verifikation der Rechenmodelle
I I I
Step I: Zug
fct
σI - ε I Step II σII - ε II
σII - ε II Step I
Step II σI - ε I
fcm ε I, ε II
Step I fcm
Step II
Step III
(a) Druck-Entlastung-Querdruck (b) Zug-Druck (c) Zug-Querzug-Druck
Abb. 4.7: Schematische Darstellung der Ergebnisse der numerischen Simulation für verschiedene
Druck- und Zug-Druck-Pfade
Daher wird in einer weiteren Rechnung überprüft, wie sich die isotrope Zugentfestigung hierauf
auswirkt. Die Dehnungs- und Stauchungssequenz in die untersuchte Hauptelementrichtung (II)
unterscheiden sich nicht von der zuvor durchgeführten Rechnung. Jedoch wird im Anschluss an
die Aufbringung der Zugdehnung in Richtung (II) eine Zugkraft in Querrichtung (I) aufgebracht.
Da die isotrope Zugentfestigung im untersuchten Element bereits weit fortgeschritten ist, kann
nur noch eine sehr kleine Zugkomponente in Querrichtung aufgebracht werden. Eine anschlie-
ßende Stauchung in Hauptrichtung (II) führt unmittelbar zum rechnerischen Versagen des
Elements, bei jetzt nach erfolgter Entfestigung nur noch entsprechend kleiner Bruchfestigkeit.
Die schematische Darstellung des beschriebenen Ablaufs kann Abbildung 4.7(c) entnommen
werden. Bei einem realen Probekörper kann davon ausgegangen werden, dass der erste Riss
keinen Einfluss auf die Zugtragfähigkeit in Querrichtung hat. Die sehr geringe aufgebrach-
te Querzugkraft hätte zudem keinen nennenswerten Einfluss auf die Drucktragfähigkeit in
Hauptrichtung (II).
Schlussfolgerungen
Stege im Fokus. In einem Anschlusselement müssen hierbei Kombinationen aus Druck- und
Zugbeanspruchung abgebildet werden, um die Schubkraftübertragung im Anschnitt zum Steg
realitätsnah zu berücksichtigen. Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen kann ein Einfluss
der isotropen Entfestigung auf das rechnerische Tragverhalten, insbesondere bei größeren
Drehungen der Hauptspannungsachsen nach Entfestigungsbeginn oder in Bereichen mit großen
mehraxialen Zugdehnungen (Zuggurte), nicht völlig ausgeschlossen werden. Im Rahmen der
Nachrechnung von Balken unter hohen Schubbeanspruchungen wird das Materialmodell derzeit
häufig eingesetzt und liefert ungeachtet der Vereinfachungen meist zutreffende Ergebnisse [38,
51, 52, 63, 72, 74, 95]. Etwaige Auswirkungen der beschriebenen Einschränkungen auf die hier
untersuchten Träger mit Druckgurtanschluss lassen sich im Vorfeld nur schwer einschätzen und
werden daher im Einzellfall überprüft.
F 2 . ds = 16 mm
7,5 bw = 30 cm As = 2 . 200 mm²
10 Bügel
ds =9,5 mm
85
As =71,3 mm²
(je Bügelschenkel)
7,5
3 . d s = 30 mm
As = 3 . 700 mm²
30 270 270 30
600
Abb. 4.8: Versuchsanordnung und Bewehrungsführung des Trägers BM100 aus [81]
fcm fct Ec
Beton [MPa] [MPa] [MPa]
46 3,9 32800
fym ft E
Bügelbewehrung [MPa] [MPa] [MPa]
fym ft E
Längsbewehrung unten [MPa] [MPa] [MPa]
fym ft E
Längsbewehrung oben [MPa] [MPa] [MPa]
nötig beziehungsweise so klein wie möglich zu wählen. Der Einfluss verschiedener Werte des
Viskositätsparameters auf das Ergebnis der Simulation kann Abbildung 4.9(a) entnommen
werden. Der Dämpfungsparameter wird hierbei schrittweise so weit herabgesetzt, bis sich
das Ergebnis nicht mehr signifikant ändert. Es ist zu erkennen, dass sich bei diesem Modell
die Last-Verformungskurven für Parameter µ ≤ 10e-6 nicht mehr nennenswert ändern und
gute Übereinstimmungen mit dem im Versuch beobachteten Verformungsverhalten erzielt
werden. Alle im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten weiteren Rechnungen wurden mit
Viskositätsparametern µ ≤ 5e-6 durchgeführt.
Auf die Variation der Elementgrößen (max. 50 · 50 · 50 mm3 und max. 100 · 100 · 100
mm3 ), die Art der Lastaufbringung (Wegregelung oder Lastregelung) und die Ausnutzung
der doppelten Symmetrie bei der Systemmodellierung reagiert das System in den gewählten
Grenzen unempfindlich (siehe Abbildung 4.9(b)). Bei den Berechnungen werden die von der
FE-Netzgröße abhängigen Entfestigungsbereiche der uniaxialen Materialarbeitslinien wie in
61
900 900
800 800
700 700
600 600
Last [kN]
Last [kN]
500 500
400 400
BM100-Versuch
BM100-Versuch
300 FEM_visk-10E-7 300
FEM_50mm_Symm_Weg
FEM_visk-5E-6
200 200 FEM_50mm_Symm_Last
FEM_visk-10E-6
100 FEM_visk-10E-5 100 FEM_50mm_Last
FEM_visk-10E-4 FEM_100mm_Last
0 0
0 5 10 15 20 25 0 5 10 15 20 25
Verformung [mm] Verformung [mm]
(a) Variation des Viskositätsparameters (maximale Ele- (b) Variation der Elementgröße, Symmetriebedingung,
mentgröße 50 · 50 · 50 mm3 , weggeregelt, Ausnut- Lastaufbringung (µ = 5e-6)
zung der Symmetrie
Abb. 4.9: Einfluss verschiedener Randbedingungen auf das Simulationsergebnis aus [77]
4.2.5 Fazit
Das Werkstoffverhalten von Beton kann durch das verwendete Materialmodell CDP unter
Berücksichtigung der in Kapitel 3.6 beschriebenen Randbedingungen gut abgebildet werden.
62 4 Verifikation der Rechenmodelle
Abb. 4.10: Schematische Darstellung des Rissbilds im Versuch nach [81] und der plastischen
Dehnungen in der Simulation (oben), Bügelspannungen (unten)
Der Regularisierungsansatz zur Vermeidung von netzabhängigen Ergebnissen bei der Ermittlung
der verschmierten Rissbildung führt zu einer objektiven Systemantwort. Unter einaxialer Druck-
und Zugbeanspruchung sowie mehraxialer Druckbeanspruchung werden ebenfalls sehr gute
Nachrechnungsergebnisse erzielt. Mögliche Auswirkungen des isotropen Entfestigungsansat-
zes und des tendenziell als konservativ einzustufenden Modellverhaltens unter kombinierter
Druck-Zug-Beanspruchung (siehe Abbildung 4.4) sind bei der Auswertung weiterer Versuchs-
nachrechnungen im Einzelfall zu prüfen. Die guten Übereinstimmungen der rechnerischen mit
den im Versuch dokumentieren Ergebnissen bei dem hier im Rahmen der Modellverifikation
untersuchten Balken (Kapitel 4.2.4) sind jedoch ein Beleg für die grundsätzliche Eignung des
verwendeten Modells zur Simulation schubbeanspruchter Träger.
1,2 1,2
|σ2|/fcm |σ2|/fcm
ε2 ε1 ε2 ε1
1 1
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
1,4
|σ2|/fcm
ε2 ε1
1,2
1 1
|σ2|/fcm
0,8 0,8
ε2 ε1
0,6 0,6
0,4 0,4
1 |σ2|/fcm
ε2 0,8 ε1
0,6
0,6 |σ2|/fcm
0,4
0,4 ε2 ε1
FEM-Sofistik FEM-Sofistik 0,2
0,2
FEM-CDP FEM-CDP
Kupfer ε1,εε2 ε1,εε2
0 Kupfer
0
-0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002 -0,003 -0,002 -0,001 0 0,001 0,002
Für die Untersuchungen an im GZT gerissenen Stahlbetonelementen hat dies jedoch keine
nennenswerten Auswirkungen, da die Abminderung der Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit
zu der vorhandenen Querdehnung erfolgt und bei der hier verwendeten experimentellen Pro-
grammversion frei definiert werden kann (siehe Kapitel 3.7.2, Abbildung 3.14). Das verwendete
Rechenmodell bildet das Tragverhalten der Betonscheiben unter biaxialen Spannungszuständen
somit gut ab. Zum Vergleich sind in Abbildung 4.11 neben den Ergebnissen der experimentellen
Studien von Kupfer und denen der Simulationsrechnungen mit dem FEM-Programm SOFiSTiK
auch die mit dem Materialmodell CDP erzielten Ergebnisse dargestellt.
Ac fct Ec As fyk Es βt
[m2 ] [MPa] [MPa] [m2 ] [MPa] [MPa] [–]
0,15 2,9 32837 0,0018 500 200000 0,25 (Dauerlast)
Die Ergebnisse der Rechnung mit nichtlinearer FEM und der Handrechnung nach
DAfStb Heft 525 [13] sind in Abbildung 4.12 dargestellt. Die Ermittlung von ∆s erfolgt hierbei
nach (3.15). Es ist zu erkennen, dass die Rechnungen nach Abschluss der Rissbildung zu
gleichen Ergebnissen führen. In der Phase von der Erstrissbildung bis zum abgeschlossenen
Rissbild wird nach [13] von einem Lastzuwachs von etwa 30% ausgegangen. Diese sogenannte
Einzelrissbildungsphase kann im FE-Rechenmodell an einem Zugstab mit konstanter Zugfes-
tigkeit nicht erfasst werden. Durch die Berücksichtigung einer streuenden Zugfestigkeit kann
diese Phase ebenfalls rechnerisch abgebildet werden [54].
65
1000
900
800
700
Zugnormalkraft
1,3Ncr ∆εs
600
500 Ncr
400
300
FEM-Sofistik
200
Handrechnung nach Heft 525
100
reiner Zustand II
0
εsr1 εsr2
0 0,0005 0,001 0,0015 0,002 0,0025
εs
Das in Kapitel 3.7.2 beschriebene Rissverhalten wird anhand einer Beispielrechnung dargestellt.
Betrachtet wird eine Scheibe unter reiner Schubbeanspruchung. Die Bewehrung ist parallel zu
den Rändern im Verhältnis ρx /ρy = 2/1 gleichmäßig verteilt. Es werden zwei Traglastiterationen
durchgeführt, um die Festlegung der Rissrichtung im Modell zu untersuchen. In Abbildung
4.13 ist das System mit Beanspruchung und der Bewehrungsverteilung dargestellt. Die erste
durchgeführte Traglastiteration setzt auf einen Primärlastfall auf, der etwa zur Erstrissbildung
führt. Diese Rissrichtung (hier etwa 45°) wird im Anschluss für alle weiteren Traglaststeigerungen
fixiert. Bei der zweiten Traglastiteration werden keine Primärlastfälle berücksichtigt. Für jede
untersuchte Einwirkungshöhe erfolgt die Rechnung somit am zunächst ungerissenen System.
Da die Rissrichtung erst im Anschluss an den letzten Iterationsschritt festgelegt wird, ist
eine Drehung der Hauptspannungsrichtungen ungehindert möglich. In Abbildung 4.13(b) sind
die auf diese Weise rechnerisch ermittelten Rissrichtungen eingetragen. Das in Kapitel 3.7.2
beschriebene Verhalten wird somit durch die Modellrechnungen bestätigt.
Im hier untersuchten Beispiel kommt es zu einer Drehung der Hauptspannungs- und damit
Rissrichtung bei steigender Beanspruchung, ohne dass sich die Einwirkungsrichtung ändert.
Dieses Modellverhalten ist auf die unterschiedlichen Steifigkeitsverhältnisse der beiden Haupt-
bewehrungsrichtungen zurückzuführen. Im Zustand I wird die Dehnsteifigkeit der Scheibe
maßgeblich vom ungerissenen Betonquerschnitt beeinflusst und ist somit in alle Richtungen
ähnlich groß. Durch den Übergang in den gerissenen Zustand II ändern sich die Steifigkeitsver-
hältnisse richtungsbezogen in Abhängigkeit des jeweiligen Bewehrungsgrades. Eine durchge-
führte Vergleichsrechnung mit einem Bewehrungsverhältnis von ρx /ρy = 1/1 führt für beide
Lastaufbringungsarten zu gleichen Ergebnissen. Dies bestätigt den Einfluss der Dehnsteifigkeits-
66 4 Verifikation der Rechenmodelle
τ yx
y
x Traglastiteration
ohne Primärlastfälle
(weitere Rotation der
Bewehrung:
Rissrichtung möglich)
ρ x=0,018
τ xy τ xy
ρ y=0,009
Traglastiteration unter
τ xy = τ yx Berücksichtigung der
Primärlastfälle
τ yx ("fixed crack")
Abb. 4.13: Modellrechnung an einem Scheibenelement (a) System und Bewehrung (b) Rissrichtung
für unterschiedliche Traglastiterationen
verhältnisse auf die Entwicklung der Hauptspannungsrichtung und damit auf die Festlegung
der Rissrichtung im Modell.
Vecchio und Collins untersuchten Scheiben unter reiner Schubbeanspruchung mit unter-
schiedlichen Verhältnissen der richtungsbezogenen Bewehrungsgrade [97]. Sie stellten fest, dass
sich der Versagensriss bei stark unterschiedlichen Bewehrungsgraden der schwächer bewehrten
Richtung annähert. Diese Beobachtung stützt das hier beschriebene Modellverhalten. Im Rah-
men der weiteren Versuchsnachrechnungen werden daher zunächst beide Modellierungsvarianten
vergleichend angewendet.
Step I: Step I:
Zug ~ Risskraft (Primärlastfall) Zug ~ Risskraft (Primärlastfall)
Rissrichtung Rissrichtung
ρ y= ρ x ρ I= ρ II
Druck Druck
F F
(a) Bewehrung parallel zum Bauteilrand (b) Bewehrung unter 45° zum Bauteilrand
und eine Verdüblungswirkung durch das Rechenmodell nicht erfasst wird, versagt die Schreibe
rechnerisch unmittelbar bei dem Versuch der Horizontallaststeigerung. Dieses Ergebnis bestätigt
auch den unmittelbaren Rückgang der Schubsteifigkeit nach Rissbildung ohne Berücksichtigung
einer allmählichen Entfestigung.
Die zweite Scheibe ist trotz identischer Einwirkungs- und Rissrichtung dazu in der Lage, die
Horizontalkraft aufzunehmen. Dies lässt sich ausschließlich auf die den Riss unter 45° kreuzende
Bewehrung zurückführen.
Bei gleichzeitiger Aufbringung der Vertikal- und Horizontallast kann auch für die Scheibe 1
ein Gleichgewichtszustand nachgewiesen werden. Hierbei stellt sich ein in Abhängigkeit vom
Spannungsverhältnis geneigter Risswinkel ein. Bereits kleine Winkel sind ausreichend um die
Tragwirkung der Bewehrung im Rechenmodell zu aktivieren. Von Kolodziejczyk durchgeführte
Modellrechnungen bestätigen diesen Zusammenhang [54].
1,1 1,1
1 1
0,9 0,9
0,8 0,8
eps1 0
0,7 0,7 eps1 0.1
0,6 0,6 eps1 0.6
σ c/fc
σ c/fc
eps1 1.4
0,5 0,5 eps1 2.2
eps1 3.2
0,4 0,4 eps1 3.6
0,3 0,3 εic nach Darwin und Pecknold eps1 4.8
eps1 5.2
0,2 0,2 eps1 6
eps1 6.4
0,1 0,1 eps1 6.8
0 0
0 0,001 0,002 0,003 0,004 0,005 0,006 0,007 0,008 0 0,0005 0,001 0,0015 0,002 0,0025
ε1 ε2
Abb. 4.15: Exemplarische Darstellung der Abminderung der Betondrucktragfähigkeit für die
untersuchte Abminderungsvorschrift A6050 gemäß Tabelle 7.1
F 2 . ds = 16 mm
bw = 30 cm As = 2 . 200 mm²
7,5
10 Bügel
ds =9,5 mm
85
As =71,3 mm²
(je Bügelschenkel)
7,5
3 . ds = 30 mm
As = 3 . 700 mm²
270
F
asl=2/0,15=13,33 cm²/m
15 70 15
3 je Seite
1 asl=1,5*7/0,15=70 cm²/m
je Seite
30 540 30
Abb. 4.16: Versuchsträger BM100 aus [81] und Abbildung der Bewehrung in den Flächenelementen
Dehnungszuwächsen in den Teilbereichen des Systems mit bereits fixierten Rissen und zu
einem vorzeitigen rechnerischen Versagen des Trägers. Dies deckt sich jedoch nicht mit
dem im Versuch beobachteten Trag- beziehungsweise Rissverhalten. Daher kann davon
ausgegangen werden, dass die Modellrechnung ohne die Berücksichtigung der Primärlastfälle
das Tragverhalten in diesem Fall besser beschreibt. Diese Beobachtung gilt für das untersuchte
Beispiel und ist nicht allgemein übertragbar. Der Vergleich der dokumentierten Rissbilder mit
den Bereichen wahrscheinlicher Rissbildung der Simulationsrechnung ist in Abbildung 4.18
dargestellt. Die Schubrissbildung wird durch das Modell in guter Näherung abgebildet.
4.3.7 Fazit
Die durchgeführten Modellrechnungen zeigen, dass das Werkstoffverhalten von Beton bezie-
hungsweise des Verbundwerkstoffs Stahlbeton durch das verwendete Materialmodell gut abgebil-
det wird. Unter mehrachsialen Scheibenspannungszuständen wird das Last-Verformungsverhalten
des Betons durch das Konzept äquivalent einachsiger Spannungs-Dehnungs-Beziehungen gut
wiedergegeben. Durch die Implementierung frei definierbarer Zusammenhänge für das Druck-
entfestigungsverhalten gerissenen Stahlbetons können überdies die Auswirkungen verschiedener
Entfestigungsbeziehungen auf das Tragverhalten komplexer Systeme untersucht werden. Die
in Kapitel 4.3.6 beschriebene Anwendung des Modells auf einen 3-Punkt-Biegeversuch an
einem schwach querkraftbewehrten Balkenquerschnitt belegt die Eignung des Modells zur
rechnerischen Erfassung eines Querkraftversagens.
71
900
800
700 659,4
600
Last [kN]
500
400
300
200 BM100-Versuch
100 FEM_ohne-PLF
FEM_mit-PLF
0
0 5 10 15 20 25
Verformung [mm]
Abb. 4.18: Schematische Darstellung des Rissbilds im Versuch nach [81] und in der
Simulationsrechnung
72 4 Verifikation der Rechenmodelle
Kapitel 5
5.1 Allgemeines
Derzeit erfolgt die Bemessung von Gurten und Stegen gegliederter Querschnitte in Deutschland
auf Basis des gleichen Ingenieurmodells, dem sogenannten Fachwerkmodell mit Rissreibung
nach Reineck [85]. Dieses Verfahren, dessen Anwendung bei der Dimensionierung der Stege von
Stahlbeton- und Spannbetonbalken auf der sicheren Seite liegende Ergebnisse liefert [85], wird im
Rahmen der Nachweisführung nach DIN EN 1992-2/NA [20] ohne nennenswerte Modifikationen
(siehe Kapitel 2.4) auf die Gurtbereiche übertragen. Im Folgenden werden daher zunächst
das Tragverhalten von Stegquerschnitten und die wesentlichen Annahmen des Rechenmodells
beschrieben. Unterschiede im Tragverhalten gedrückter Gurte und die Übertragbarkeit des
Bemessungsmodells werden im Anschluss kritisch diskutiert.
V(x) M(x+x1)
M(x)
N(x) N(x+x1)
V(x+x1)
x1
+ + + +
σ II (x) τ (x) τ (x+x1) σ (x+x1)
II
z (x+x1)
z (x)
Zug
w = Rissöffnung
v = Rissgleitung
v
w
(a) (b)
Abb. 5.2: Verschiebungen am idealisierten Biegeschubrissbild (a) unverformt (b) verformt (überhöht)
Fc Fc
Ncr
βr Tcr βr Tcr Ncr
Fs Fs
z . cot βr z . cot β r
Ncr
Ncr
Tcr
Tcr
Vcr
Vcr
βr .
βr .
Hcr
Hcr
(a) (b)
τ σ x (x+x1) σ (x+xx1)
β (x) σ I (x) σ x (x) I β (x+xx1)
- -
- - - -
N(x) N(x+x1)
+ +
σ II (x) τ (x) τ (x+x1) σ (x+x1)
τ II
x1
Gleichlast Einzellast
l0 l0
σ x,GA
- -
(o)
τxy,GA
Winkel
σ II,GA
βGA
σII σI (u)
l0
einer Lokalisierung der Risse im stegnahen Bereich zu rechnen. Über die komplette Gurtbreite
durchgehende Risse sind hingegen nicht zu erwarten. In Abbildung 5.6 ist das Rissbild an
einem Plattenbalkenquerschnitt in Anlehnung an die Versuchsbeobachtungen von Badawy
und Bachmann [5] in idealisierter Form dargestellt. Die Änderung der Rissrichtung sowie die
Lokalisierung der Risse im stegnahen Bereich bei zunehmender Druckgurtkraft ist hier eindeutig
zu erkennen. Die Risse laufen nicht über die gesamte Druckgurtbreite bis zum Rand durch.
Damit unterscheidet sich das Rissbild im Druckgurt signifikant von dem im Steg.
Im Hinblick auf die Übertragbarkeit des Fachwerkmodells mit Rissreibung ergeben sich
nachfolgend beschriebene Einschränkungen. Es ist zu erkennen, dass mit größer werdender
Längsdruckkraft eine immer flachere Rissneigung einhergeht. Darüber hinaus sind die zu
erwartenden Schubrisse in ihrer Ausdehnung im Druckgurt begrenzt (siehe Detail in Abbildung
5.6). Aus Verträglichkeitsgründen folgt, dass die gegenseitige Verschiebung der Rissufer zu
den Rissenden hin gegen Null gehen muss. Daher sind über die Risslänge allenfalls sehr kleine
Gleitungen zu erwarten. In Kombination mit dem abnehmenden Einfluss der Rissreibungskraft
bei flacher werdender Rissneigung (siehe Abbildung 5.3(b)) ist vermutlich kein nennenswerter
79
Detail
v=0
w = Rissöffnung
v = Rissgleitung
w
v=0
Abb. 5.6: Idealisiertes Rissbild eines Plattenbalkens mit Druckgurt in Anlehnung an die Rissbilder
aus [5]
fu Fu
(a) (c)
Umlenkkraft Bogen Umlenkkraft Sprengwerk
fu Fu
(b) (d)
Abb. 5.7: Bogen- oder Sprengwerkwirkung, Aktivierung durch (a) und (c) äußere Einwirkung (b)
und (d) im Bauteil hervorgerufene Zugkräfte
σxd
cot β = 1,2 − 1,4 · (5.2)
fcd
r
σxd
cot β = 1 − (5.3)
fct
Die Ermittlung des Risswinkels nach (5.3) erfolgt unter der Annahme der Rissentstehung,
sobald die Hauptzugspannung σI die Betonzugfestigkeit fct erreicht. Als Eingangswerte werden
die vorhandene Längsspannung σxd und die Hauptzugspannung zum Zeitpunkt der Rissent-
81
stehung σI = fct verwendet. Gesucht wird der Risswinkel, oder mit cot β = τ /σI implizit
die zur Rissbildung führende Schubspannung. Der Risswinkel wird folglich nicht auf Basis des
tatsächlich vorhandenen Spannungsverhältnisses von Längsdruck- zu Schubspannung ermit-
telt. Stattdessen erfolgt die Berechnung unter ansteigender Belastung bis die zur Rissbildung
führende Schubspannung bei konstantem Längsspannungszustand erreicht wird.
Diese Vorgehensweise erscheint für Stegquerschnitte, in denen die mittlere Längsspannung
unabhängig von der Querkraft beziehungsweise der Schubspannung im Querschnitt ist, durchaus
plausibel. Im Fall von Gurtquerschnitten führt diese Vorgehensweise jedoch zu einer konservativen
Abschätzung der Rissneigung, da mit einer Erhöhung des Schubflusses auch eine Erhöhung der
Längsspannung einhergeht, was sich günstig auf die Schubrissneigung auswirkt.
6.1 Allgemeines
Die in den Kapiteln 3.6 und 3.7 beschriebenen und in Kapitel 4 an grundlegenden Beispielen
verifizierten Modelle werden im Folgenden zur numerischen Simulation dokumentierter Versuche
zum Tragverhalten von Gurtanschlüssen gegliederter Querschnitte eingesetzt. Hierdurch wird
eine kontinuierliche Kontrolle der Berechnungsergebnisse durch den direkten Vergleich mit den
Messdaten und Versuchsbeobachtungen ermöglicht.
Zunächst erfolgt jeweils eine Beschreibung der experimentellen Untersuchungen und der doku-
mentierten Ergebnisse. Im Anschluss werden diese den Ergebnissen der Simulationsrechnungen
gegenübergestellt.
0,62
0,52
0,52 2,0 2,0 2,0 0,52
[m]
0,4
1,0
0,4
Bewehrung Q1 Bewehrung Q2
ds = 6mm; sf = 8,5-28,5cm ds = 6mm; sf = 12,5cm
Abb. 6.1: System und Gurtanschlussbewehrung der Versuchsträger Q1 und Q2 nach [5]
(a) 2-D (b) Faltwerk (c) reduzierte (d) Versatz und (e) Versatz und
Breite Kopplung reduzierte Breite
Strukturmodellierung
[m]
Restkräfte
werden. Durch den Verzicht auf eine Kopplung der Elemente in Variante (e) wird die Breite
des Querschnitts und damit die Steifigkeit in Querrichtung reduziert. Dies hat auf die hier
untersuchten Fragestellungen jedoch keine Auswirkungen.
Durch die relativ schmalen Stegabmessungen werden bereits mit dem in Abbildung 6.2(c)
dargestellten Strukturmodell gute Ergebnisse erzielt. Diese Variante stellt für die zu untersuchen-
de Problemstellung gleichzeitig den besten Kompromiss zwischen Einfachheit der Modellierung
und Wirklichkeitsnähe der erzielten Ergebnisse dar. Die Varianten (d) und (e) versprechen daher
keine signifikante Verbesserung der Ergebnisse. Darüber hinaus lässt sich die weniger kom-
plexe Modellierung der Variante (c) besser auf andere Querschnittsgeometrien (beispielsweise
Hohlkästen) übertragen.
Zur Nachrechnung der Versuchsträger werden die durch das FE-Programm voreingestellten
Grenzdehnungen, die ein Abbruchkriterium für die Berechnung darstellen, außer Kraft gesetzt.
Diese richten sich nach der für die Berechnung gewählten Bemessungsnorm und führen daher
zu einem Abbruch der Analyse vor Erreichen der in den experimentellen Studien gemessenen
Dehnungen.
Im Rahmen des Iterationsverfahrens werden mit jedem Schritt Restkräfte ermittelt (siehe
Kapitel 3.7.2). Nach Abschluss der Berechnung müssen die verbleibenden Restkräfte, die nicht
mehr auf das System aufgebracht werden können, unter einem zu definierenden Grenzwert
liegen. Die Voreinstellung im Programm beträgt hierfür „T OL = 0,001“. Die Toleranzgrenze
ergibt sich aus der Multiplikation dieses Wertes mit der maximalen Knotenlast [93]. Bei der
Auswertung der Simulationsergebnisse des schwächer bewehrten Querschnitts Q1 kann fest-
gestellt werden, dass insbesondere im Anschlussbereich der Gurte an die Stege systematisch
Restkräfte nach Überschreiten der Fließgrenze der Anschlussbewehrung entstehen. In Abbildung
6.3 ist diese Beobachtung schematisch dargestellt. Es muss davon ausgegangen werden, dass
es durch die Kräfte, die infolge der örtlichen Plastizierung nicht mehr vollständig aufgenommen
87
In Abbildung 6.4 sind die rechnerisch ermittelte und die im Rahmen der Versuchsdurchführung
dokumentierte Last-Verformungskurve für die Durchbiegung in Feldmitte einander gegenüberge-
stellt. Die Bruchlast wird durch die Simulation in guter Näherung erreicht. Wird die Rissrichtung
im Rahmen der Traglastiteration in einer frühen Phase des Rissbildungsprozesses rechnerisch
fixiert, so wird eine etwas geringere Versagenslast bei gleichzeitig größeren Betonstahldehnungen
ermittelt (siehe Abbildung 6.4 „FEM Q1 (mit PLF)“). Die direkte Berechnung der Traglast
ohne Berücksichtigung niedriger Laststufen als Primärlastfall führt hier tendenziell zu besseren
Übereinstimmungen mit den dokumentierten Versuchsergebnissen. Mit Abweichungen von
(1 − 476/518) · 100 = 8,1% und (1 − 504/518) · 100 = 2,7% wird die Bruchlast durch beide
Varianten auf der sicheren Seite liegend angenähert.
Die Steifigkeit des Trägers fällt im Rahmen der Simulationsrechnung geringfügiger ab als
im Versuch. Dies ist an der geringeren Verformungszunahme im oberen Lastbereich (etwa
80% bis 100% Pressenlast) zu erkennen. Im Rahmen der Versuchsdurchführung wurde die
Belastung in 18 gleichartigen Stufen aufgebracht. Zunächst wurde innerhalb von etwa zwei
Minuten die vorgesehene Last- oder Verformungsgröße eingestellt. Im Anschluss wurde die
so erreichte Anfangslast für weitere zwei Minuten konstant gehalten. Abschließend wurden
innerhalb von 30 bis 60 Minuten Messungen am Balken durchgeführt. Während dieser Zeit wurde
die Deformation konstant gehalten [5]. Durch das Konstanthalten der Verformung über einen
längeren Zeitraum in jeder Stufe kam es beim Realversuch zu einem Abfall der Pressenlast infolge
Kriechens (siehe Abbildung 6.4). In der Simulationsrechnung wird ein vergleichbarer Effekt nicht
berücksichtigt. Zur besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist daher der auf theoretischem
Weg ermittelte wahrscheinliche Verlauf der Last-Verformungskurve ohne Kriecheffekte bis zum
Erreichen der Maximallast in Abbildung 6.4 hypothetisch eingetragen. Insgesamt wird das
experimentell ermittelte Durchbiegungsverhalten durch die Simulationsrechnungen in guter
Näherung wiedergegeben.
Der Verlauf der maximalen Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung über die halbe Trä-
gerlänge ist für unterschiedliche Pressenkräfte in Abbildung 6.5 dargestellt. Ein nennenswer-
ter Dehnungszuwachs in der Gurtanschlussbewehrung kann sowohl im Versuch als auch in
der Berechnung erst bei L = 1,0m beobachtet werden. Dies entspricht etwa einer Entfer-
nung von 0,50m vom Auflager. Das von Badawy und Bachmann in [5] festgestellte und im
88 6 Anwendung der Modelle
600
518
504
500
476 480
400
Pressenlast [kN]
300
200
4
504 kN i.Mittel FEM
3,5 428 kN i.Mittel FEM
390 kN i.Mittel FEM
3 518 kN Versuch
428 kN Versuch
2,5 390 kN Versuch
εy
ε s[‰]
1,5
0,5
0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
L [m]
Abb. 6.5: Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung über die Länge der Anschlussfuge
zum Plattenrand beziehungsweise zum Anschnitt an den Steg von jeweils 3cm. Die Auswer-
tungsschnitte im Modell können Abbildung 6.7(a) entnommen werden. Die Auswertung erfolgt
in der jeweils zweiten Elementknotenreihe ausgehend vom Gurtanschnitt beziehungsweise vom
Plattenende. Vergleichend sind die rechnerischen und gemessenen Betonstauchungen der Gurt-
platten in Abbildung 6.7(b) und (c) gegenübergestellt. Dabei werden die Simulationsergebnisse
jeweils für die rechnerische Höchstlast von 504kN angegeben. Diese werden in Abbildung 6.7(b)
mit den Messwerten bei 450kN und in Abbildung 6.7(c) mit denen bei 518kN verglichen.
Die gemessenen und berechneten Betonstauchungen weisen bei einer qualitativen Betrach-
tung des Verlaufs eine sehr gute Übereinstimmung auf. Tendenziell werden durch die Versuchs-
daten etwas größere Stauchungen im Bereich der inneren (stegnahen) Schnitte ausgewiesen. In
Auflagernähe werden rechnerisch insbesondere in den inneren Schnitten Zugdehnungen ermittelt.
Diese wurden seinerzeit, vermutlich bedingt durch die Auswertung in diskreten Punkten, nicht
in vergleichbarer Höhe gemessen. Eine Betrachtung der dokumentierten Rissbilder bestätigt
jedoch das Ergebnis der Simulation (siehe Abbildung 5.6). Insgesamt werden die Messergebnisse
durch das verwendete FE-Modell gut wiedergegeben.
Das Versagen des Trägers Q1 wird im Versuch und der Simulation durch einen überpropor-
tional großen Dehnungszuwachs in der Gurtanschlussbewehrung nach Fließbeginn eingeleitet
(siehe Abbildung 6.5).
90 6 Anwendung der Modelle
Steg
P = 560 kN
(a)
Untersicht Gurt
P = 340 kN
(b)
Draufsicht Gurt
P = 390 kN
(c)
Draufsicht Gurt
P = 560 kN
(d)
Abb. 6.6: Rissbild in Steg und Gurt als Ergebnis der Simulationsrechnung
91
Gurtscheibe
0,5
0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
-0,5
504,oi FEM
-1 504,oa FEM
ε c [‰]
504,ui FEM
-1,5 504,ua FEM
450,oi Versuch
-2
450,oa Versuch
-2,5 450,ui Versuch
450,ua Versuch
-3
L [m]
0,5
0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
-0,5
504,oi FEM
-1 504,oa FEM
ε c [‰]
504,ui FEM
-1,5 504,ua FEM
518,oi Versuch
-2
518,oa Versuch
-2,5 518,ui Versuch
518,ua Versuch
-3
L [m]
Abb. 6.7: Betonstauchungen in der Gurtplatte des Trägers Q1 in Versuch und Simulation
92 6 Anwendung der Modelle
600 588
560
500
400
Pressenlast [kN]
300
200
Der im Vergleich zum Träger Q1 mit einem größeren Bewehrungsgrad und einer anderen
Bewehrungsverteilung im Gurtanschluss ausgeführte Balken Q2 (siehe Abbildung 6.1) versagte
im Experiment nicht wie geplant durch ein Abscheren der Gurte, sondern durch einen Bie-
gebruch auf höherem Lastniveau. Im Rahmen der hier durchgeführten Simulation wird diese
Versagensart ebenfalls ermittelt. Der Bruch wird hierbei in der Nachrechnung durch das Fließen
der Biegezugbewehrung eingeleitet und tritt schließlich noch vor Erreichen der Zugfestigkeit des
Stahls als sekundärer Biegedruckbruch ein. Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen
wurde der Fließbeginn der Biegzugbewehrung zwischen den Laststufen 428kN und der Bruchlast
beobachtet [5]. Die Betonstauchungen der Gurtplatte und die von Badawy und Bachmann
veröffentlichten Bruchbilder [5] lassen auf ein vergleichbares Bruchverhalten in Versuch und
Simulation schließen.
Eine dokumentierte Last-Verformungskurve liegt für diesen Plattenbalken nicht vor. In
Abbildung 6.8 wird daher zum Vergleich der Belastungsverlauf des Balkens Q4 dargestellt.
Dieser wies die gleiche Bruchlast im Experiment auf wie der Träger Q2, war jedoch zusätzlich
93
4 0,5
588 kN i.Mittel FEM 560 kN Versuch
3,5 428 kN i.Mittel FEM 428 kN Versuch 0
390 kN i.Mittel FEM 390 kN Versuch -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
3
-1
2,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 450,oi FEM
εc [‰]
εs [‰]
(a) Dehnungsverteilung der Gurtanschlussbewehrung (b) Betonstauchung 450kN Versuch – 450kN FEM
0,5 0,5
0 0
-0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
-1 588,oi FEM -1 588,oi FEM
εc [‰]
εc [‰]
-1,5 588,oa FEM -1,5 588,oa FEM
-2 588,ui FEM -2 588,ui FEM
588,ua FEM 588,ua FEM
-2,5 -2,5
560,oi Versuch 450,oi Versuch
-3 560,oa Versuch -3 450,oa Versuch
-3,5 560,ui Versuch -3,5 450,ui Versuch
560,ua Versuch L [m] 450,ua Versuch L [m]
-4 -4
(c) Betonstauchung 560kN Versuch – 588kN FEM (d) Betonstauchung 450kN Versuch – 588kN FEM
Abb. 6.9: Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung und Stauchungen der Gurtplatte des Balkens Q2
in Versuch und Simulation
durch ein Querbiegemoment beansprucht. Es kann davon ausgegangen werden, dass das
Last-Verformungsverhalten der Versuche Q2 und Q4 ähnlich war.
Die im Versuch erreichte Traglast wird durch die Simulationsrechnung gut wiedergegeben.
Mit einer rechnerischen Bruchlast zwischen 582kN und 588kN wird die Tatsächliche um
4 bis 5% lediglich geringfügig überschätzt. Hierbei ist das Ergebnis unabhängig von der
Berücksichtigung der Primärlastfälle. Die mittleren Stahldehnungen im Gurtanschnitt sowie
die Betonlängsstauchungen der Gurtplatte in Bauwerkslängsrichtung können Abbildung 6.9
entnommen werden.
Die Dehnungs- beziehungsweise Stauchungsverläufe lassen auf ein mit dem realen Bauteil
vergleichbares Tragverhalten des Modells in der Simulation schließen. In der Tendenz werden
in der Nachrechnung wie beim Balken Q1 etwas geringere Betonstauchungen als im Versuch
ermittelt (siehe Abbildungen 6.9(b) und (c)).
Badawy und Bachmann folgerten aus den Ergebnissen ihrer experimentellen Studien, dass
durch die Ermittlung der Gurtanschlussbewehrung auf Basis des seinerzeit üblichen Haupt-
94 6 Anwendung der Modelle
V · Sy
τ= (6.1)
Iy · hf
Die Berechnung der Spannungen nach Balkentheorie beziehungsweise Technischer Biegelehre
setzt die Gültigkeit der Bernoulli-Hypothese voraus, nach der die Querschnitte im verformten
Balken eben bleiben. In Bereichen, die ein deutlich nichtlineares Dehnungsverhalten aufweisen,
ist diese Methode jedoch nicht anwendbar. Im vorliegenden Fall trifft dies auf die konzentrierten
Lasteinleitungsbereiche an den Lager- und Pressenansatzpunkten zu.
Die Ermittlung der Beanspruchungen nach linearer Elastizitätstheorie am Faltwerk mit
Schalenelementen führt bereits zu einer deutlich realistischeren Einschätzung. In der Gurtschei-
be kommt es zu einem allmählichen Aufbau der Schub- und Normalspannungen. Der nach
Technischer Biegelehre erreichte Spitzenwert der Hauptzugspannung über dem Auflager wird
nicht mehr erreicht. Es kann eine deutliche Verstetigung des Hauptspannungsverlaufs in diesem
Bereich im Rahmen der Modellrechnung beobachtet werden (siehe Abbildung 6.11(c)).
Eine weitere Verbesserung der Modellrechnung wird durch die Berücksichtigung des nicht-
linearen Werkstoffverhaltens erreicht. Mit Überschreitung der Betonzugfestigkeit durch die
Hauptzugspannungen kommt es zur Rissbildung und die freiwerdenden Zugkräfte aus dem
Betonquerschnitt werden durch einen entsprechenden Spannungszuwachs in den Betonstahllay-
ern kompensiert. Zur Aufnahme der schiefen Hauptzugspannungen im Auflagerbereich (siehe
Abbildung 6.10(a)) steht jedoch nur eine vertikale Bügelbewehrung zur Verfügung. Dies führt
zu einer Umlagerung der Hauptspannungen im Steg infolge Rissbildung zur Sicherstellung eines
Gleichgewichtszustandes (siehe Abbildung 6.10(b)). Hierdurch kommt es zum von Badawy und
Bachmann [5] beobachteten Versatzmaß. Bei dem in Abbildung 6.11(c) dargestellten Verlauf
der Hauptzugspannungen handelt es sich um rein rechnerische Spannungen, die auf Basis
95
der vorhandenen Schub- und Normalspannungen nach (6.2) ermittelt sind. Tatsächlich ist der
Gurtanschnitt über die volle Länge gerissen und es werden keine Hauptzugspannungen mehr
über Betonelemente übertragen. Aufgrund des in Kapitel 4.3.4 aufgezeigten Modellverhaltens
handelt es sich hierbei faktisch um einen Traganteil der Bewehrung.
σx 1 p 2
σI = + · σx + 4 · τ 2 (6.2)
2 2
Der Hauptunterschied der drei untersuchten Modellrechnungen liegt in der Genauigkeit
der Beanspruchungsermittlung im Diskontinuitätsbereich (D-Bereich) in Auflagernähe. Hierbei
werden durch die Berechnung nach Technischer Biegelehre erwartungsgemäß die ungenausten
Ergebnisse und bei der Analyse auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie die besten
Übereinstimmungen mit dem realen Bauteilversuch erzielt.
Darüber hinaus ist zu erkennen, dass der Normalspannungszuwachs bei der nichtlinearen
Systemanalyse nicht affin zum Momentenverlauf (linear) erfolgt. Dies ist vermutlich ebenfalls
auf die ausgeprägten D-Bereichslängen zurückzuführen.
Das Rissverhalten der Gurtplatten im Rahmen der Nachrechnung lässt sich wie folgt beschrei-
ben: Infolge der lokal wirkenden Pressenlasten kommt es zu konzentrierten Spannungsspitzen in
den Gurtplatten im Bereich der Lasteinleitungen. Diese weichen wesentlich von den Spannungen
nach Technischer Biegelehre ab und können nur am Faltwerk mit Schalenelementen ermittelt
werden. Gleichzeitig sind die rechnerischen Spannungen in hohem Maß abhängig von der
Modellierung des Systems und der Lasteinleitung und können daher mit veränderter Struk-
turmodellierung unterschiedliche Absolutwerte aufweisen. Ausgehend von den Spitzenwerten
der Zugspannung im Lasteinleitungsbereich bilden sich die ersten Risse und breiten sich mit
weiterer Laststeigerung zügig im ganzen Schubbereich der Platte aus.
96 6 Anwendung der Modelle
-1000
-500
0 1 2 3 4 5 6 7
M, V [kNm, kN]
500
1000
MY [kNm]
VZ [kN] L [m]
1500
(a) Stabschnittgrößen
5
L [m]
-5 0 1 2 3 4 5 6 7
Versatzmaß
σ x [MPa]
-15
-25
Balken
Faltwerk linear elastisch Mittelfläche
-35 Faltwerk linear elastisch oben, unten
Faltwerk nichtlinear oben
Faltwerk nichtlinear unten D-Bereich D-Bereich
-45
(b) Normalspannungen
10
Balken
Faltwerk linear elastisch
Faltwerk nichtlinear oben
7,5
Faltwerk nichtlinear unten
τ, σ I [MPa]
Versatzmaß
5
Versatzmaß
2,5
0
0 1 2 3 L [m] 4 5 6 7
5
Pressenlast
0 0,5 2,5 3,5
[m] 168 kN
4
Auswertungsschnitt 280 kN
336 kN
3 Gurtscheibe
392 kN
System mit Belastung
560 kN
2
σ I [MPa]
-1
3 2 1
-2
0 0,5 1 1,5 L [m] 2 2,5 3 3,5
In Abbildung 6.12 ist die Entwicklung der Hauptzugspannungen im Gurtanschnitt auf Basis
einer nichtlinearen Systemanalyse dargestellt. Es ist zu erkennen, dass der Ort der Erstriss-
bildung wesentlich von den Auswirkungen der Lasteinleitung beeinflusst wird. Die maximalen
Hauptzugspannungen werden zunächst im Bereich der konzentriert wirkenden Pressenkräfte
1 erreicht. Mit Überschreitung der Betonzugfestigkeit kommt es zur Rissbildung in diesem
Bereich und damit verbunden zu einer Verlagerung des Spitzenwertes der Hauptzugspannung in
den unmittelbar angrenzenden Bereich des ungerissenen Betons 2 . Das bis hierhin beschrie-
bene Modellverhalten findet vollständig im D-Bereich um die Lasteinleitung statt. Wie bereits
erwähnt ist es stark abhängig von der gewählten Modellierung. Daher ist eine Vorhersage der
tatsächlichen Erstrisslasten in diesem Bereich nicht ohne Weiteres möglich. Das grundsätzliche
Modellverhalten wird hier beschrieben.
Außerhalb des Störbereichs durch die Lasteinleitung 3 entwickeln sich die Hauptzug-
spannungen im Anschnitt der Gurte an den Steg entsprechend des Verlaufs der globalen
Beanspruchungen bestehend aus Biegung und Querkraft unter Berücksichtigung des durch die
Rissbildung im Steg verursachten Versatzmaßes. Die maximalen Hauptzugspannungen außerhalb
des Lasteinleitungsbereichs werden unter Berücksichtigung des Versatzmaßes in Auflagernähe
erreicht (siehe Abbildung 6.12 Bereich 3 beziehungsweise Abbildung 6.11(b)). Dies ist in
Anbetracht der gleichmäßigen Schubspannungsverteilung und der sukzessiven Zunahme der
Längsdruckspannungen infolge Biegung auch plausibel.
98 6 Anwendung der Modelle
Fazit
Das Tragverhalten der gegliederten Querschnitte mit Druckgurt wird im Rahmen der Simula-
tion unter Verwendung des in Kapitel 3.7 beschriebenen Modells auf Basis der nichtlinearen
Elastizitätstheorie sehr gut wiedergegeben. Die Systemtraglast, das Last-Verformungsverhalten,
die wahrscheinliche Rissbildung in der Gurtplatte und im Steg, die qualitative Verteilung
der Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung und die Versagensart werden mit sehr guten
Übereinstimmungen im Vergleich zu den Versuchsbeobachtungen erfasst.
Strukturmodellierung
Die Eingabe des Systems erfolgt auf Basis der in Kapitel 4.2 untersuchten Modellvarianten
unter Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften der Balken. Durch die Verwendung von Kontinu-
umselementen für den Beton und diskreten Fachwerkstäben für die Bewehrung sind besondere
Überlegungen zur wirklichkeitsnahen Erfassung der Steifigkeit im System nicht erforderlich.
Bei der Diskretisierung des Systems wird die Elementgröße entsprechend der zu erwartenden
Beanspruchung angepasst, um negative Einflüsse infolge Hourglassing möglichst auszuschließen.
In biegebeanspruchten Bereichen werden hierzu mindestens vier Elemente über die Bauteilhöhe
vorgesehen. In Abbildung 6.13 ist ein Modell exemplarisch dargestellt. Die Lasteinleitungs-
Abb. 6.13: Strukturmodell eines Plattenbalkens mit Kontinuumselementen und diskreter Bewehrung
99
600 600
560 552,83
518
513
500 500
470
400 400
Last [kN]
Last [kN]
300 300
200 200
FEM Q1 (fct=2,2 MPa) FEM Q2
FEM Q2 (Gurt linear)
100 FEM Q1 (fct=2,9 MPa) 100
Versuch Q4
Versuch Q1
Q4 ohne Kriecheffekte
0 0
0 20 40 60 80 0 20 40 60 80
Verformung [mm] Verformung [mm]
(a) Balken Q1 (b) Balken Q2
bereiche werden hier über eine Breite von 20cm durch Stahlplatten mit linearelastischem
Materialverhalten modelliert, um eine möglichst gleichmäßige Beanspruchungsverteilung in
diesen Bereichen zu erzeugen.
Vergleich der Ergebnisse aus Simulation und Versuch für die Träger Q1 und Q2
Die in der Simulation ermittelten Systemtraglasten stimmen mit den experimentell ermittelten
Bruchlasten in guter Näherung überein. Die mit der Rissbildung im Gurtanschnitt verbundene
Reduktion der Systemsteifigkeit fällt im Rahmen der Simulation jedoch größer aus als beim
Realversuch. Dies ist in Abbildung 6.14 an der Verformungszunahme im Lastbereich ≥ 350kN gut
zu erkennen. In der experimentellen Studie fielen die Verformungszuwächse ab dieser Laststufe
geringer aus. Beim Balken Q1 werden unter Berücksichtigung einer mittleren Zugfestigkeit von
fct = 2,9 bessere Übereinstimmungen mit den Versuchswerten erzielt. Dies gilt für die Höhe
der rechnerischen Bruchlast und den Zeitpunkt der Erstrissbildung im Gurtanschnitt. Damit
wird die in Kapitel 6.2 beschriebene und in Tabelle 6.1 dokumentierte Annahme der höheren
Bauteilzugfestigkeit bestätigt. Die rechnerische Steifigkeit im gerissenen Zustand II ist nahezu
unabhängig von der Zugfestigkeit.
Ein Vergleich der experimentell und numerisch ermittelten Betonstahldehnungen in der
Gurtplatte zeigt insbesondere qualitativ sehr gute Übereinstimmungen im Dehnungsverlauf über
die Bauteillängsachse. In Abbildung 6.15 ist dieser für den Balken Q2 für verschiedene Laststufen
dargestellt. Neben dem Vergleich der maximalen Dehnungen ist deren rechnerische Verteilung
100 6 Anwendung der Modelle
in der Ebene einer Gurtplattenseite ausgewertet. Innerhalb des infolge Querkraft und Biegung
beanspruchten Bereichs ist zu erkennen, dass die Dehnungen in der Gurtanschlussbewehrung in
Querrichtung stark abnehmen. Die von Badawy und Bachmann dokumentierten Dehnungsver-
läufe der Bewehrung in Plattenquerrichtung stimmen qualitativ mit den Rechnerischen überein.
Diese sind zum Vergleich in Abbildung 6.16 schematisch dargestellt.
Das Versagen des Balkens Q1 in der Simulation geht mit dem Fließen der Gurtanschlussbe-
wehrung über den kompletten Wirkungsbereich einher. Die Anschlussbewehrung des Balkens Q2
fließt zum Zeitpunkt des Versagens in Teilbereichen. Der Bruch wird jedoch durch eine Über-
lastung des Betons in der Biegedruckzone ausgelöst.
Insbesondere beim schwächer bewehrten Balken Q1 werden durch die Nachrechnung tendenzi-
ell größere Stahldehnungen ermittelt als im Versuch. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein:
Zum einen wurden die Dehnungen seinerzeit mit Deformetern über eine Messlänge von 10cm
gemittelt. Zum anderen hat die Zugfestigkeit des Betons einen nicht unerheblichen Einfluss
auf die Ergebnisse. Durch den sehr geringen Anschlussbewehrungsgrad, dessen Fließkraft die
mittlere zentrische Risskraft der Gurtscheibe nicht abdeckt, ist ein Fließbeginn in einem frühen
Stadium nach Rissbildung wahrscheinlich. Gegebenenfalls könnte eine Modifikation der konstitu-
tiven Beziehung der Bewehrung unter Berücksichtigung eines weiteren zugversteifenden Anteils
die Ergebnisse weiter angleichen. Eine mögliche Vorgehensweise hierfür wird beispielsweise von
Feenstra [32] beschrieben. Aufgrund der im Rahmen der Versuchsdurchführung beobachteten
starken Streuung der Ergebnisse, zu erkennen an der Darstellung mehrerer Versuchsergebnisse
für Balken Q1 in Abbildung 6.15, sowie der ansonsten guten Übereinstimmungen in Bezug auf
die ermittelten Bruchlasten und Dehnungsverteilungen wird auf eine solche Modifikation im
Rahmen dieser Arbeit, wie in Kapitel 3.6.2 beschrieben, verzichtet.
Die Visualisierung der Bereiche, in denen eine Rissbildung rechnerisch wahrscheinlich
ist, erfolgt über die Auswertung der plastischen Dehnungen. In Abbildung 6.17 sind diese
gemeinsam mit einem aus den rechnerischen Dehnungsrichtungen und Dehnungskonzentra-
tionen ermittelten möglichen Rissbild dargestellt. Dieses rechnerisch wahrscheinliche Rissbild
weist für die Gurtscheibe gute Übereinstimmungen mit den Versuchsbeobachtungen auf. So
kann eine Drehung der plastischen Dehnungsrichtung zwischen Auflager und Lasteinleitung
beobachtet werden, die mit einer zunehmend flacher werdenden Rissneigung gleichgesetzt
werden kann. Mit Ausnahme der auflagernahen Bereiche konzentrieren sich die Dehnungen
in den Anschlussbereichen der Gurte an den Steg. Die hieraus folgende, wahrscheinliche
Rissbildung ist daher örtlich begrenzt und erfasst nicht die volle Gurtbreite. Im mittleren Bereich
zwischen den beiden Pressenansatzpunkten ist mit einer nahezu stegparallelen Rissbildung zu
rechnen. Das in den Versuchen dokumentierte Rissverhalten wird anhand der durchgeführten
Simulationsrechnungen für die Gurtbereiche folglich wirklichkeitsnah erfasst. Das im Rahmen
der experimentellen Untersuchungen beobachtete Rissverhalten ist in Anlehnung an die
Beschreibungen und Fotos gemäß [5] schematisch in Abbildung 5.6 dargestellt.
101
Dehnungsverteilung Dehnungsverteilung
Anschnitt Anschnitt
0,003 εs 0,003 εs
0,0025 Fließdehnung 0,0025 Fließdehnung
0,002 0,002
0,0015 Versuch 390kN - 0,0015
Versuch 390kN -
0,001
FEM 350kN 0,001
FEM 360kN bis 390 kN
0,0005
bis 390 kN 0,0005
0 0
0 L [m] 2,5 3, 0 L [m] 2,5 3,5
5
0,003 εs 0,003 εs
0,0025 Fließdehnung 0,0025 Fließdehnung
0,002 0,002
Versuch 428kN - Versuch 428kN - FEM
0,0015 0,0015
FEM 380kN FEM 400kN bis 428 kN Versuch
0,001 0,001
bis 428 kN
0,0005 0,0005
0 0
0 L [m] 2,5 3, 0 L [m] 2,5 3,5
5
0,004 εs 0,003 εs
0,0035 0,0025 Fließdehnung
0,003
0,0025 Fließdehnung 0,002
0,002 0,0015 Versuch 560kN -
0,0015
Versuch 518kN - 0,001 FEM 500kN
0,001 bis 552 kN
0,0005 FEM 472kN 0,0005
0 0
0 L [m] 2,5 3,5 0 L [m] 2,5 3,5
(a) Balken Q1 (b) Balken Q2
Abb. 6.15: Vergleich der rechnerischen Betonstahldehnungen in der Gurtplatte mit den
Versuchsdaten
Pressenlast: 560 kN
εs εs
0 1 2 0 1 2
Abb. 6.16: Dehnungen der Gurtanschlussbewehrung des Balkens Q2 in Querrichtung gemäß [5]
102 6 Anwendung der Modelle
Gurt
Steg
Abb. 6.17: Plastische Dehnungen in der Simulation und mögliches zugehöriges Rissbild des Balkens
Q2 (Rissbildung im Versuch siehe Abbildung 5.6)
Bei Betrachtung der plastischen Dehnungen im Steg ist zu erkennen, dass in einem Teilbereich
zwischen Lasteinleitung und Auflager eine Schubrissbildung weniger wahrscheinlich ist (siehe
Abbildung 6.17(a)). In diesem Bereich kommt es zu einer rechnerischen Ausbildung einer
direkten Druckstrebe beziehungsweise eines Druckbogens. Der Vergleich mit den dokumentierten
Rissbildern macht deutlich, dass das Tragverhalten des Realversuchs in diesem Bereich durch
das Modell ungenau erfasst wird. Eine schematische Darstellung der Rissbilder im Versuch kann
Abbildung 5.6 entnommen werden. Die im Experiment beobachtete Rissbildung im Steg deutet
auf eine ausgeprägtere Fachwerktragwirkung in diesem Bereich hin.
Abbildung 6.18 zeigt eine Gegenüberstellung der rechnerischen mit den seinerzeit gemessenen
Betonstauchungen der Gurtplatte im Anschnitt zum Steg und am Plattenrand exemplarisch
für den Versuchsbalken Q2. Es ist zu erkennen, dass die Stauchungen rechnerisch tendenziell
überschätzt werden. Dies gilt insbesondere für die Auswertung des stegnahen Schnittes im
Bereich um die Lasteinleitung.
103
6
(oa) (oi)
4
(ua) (ui)
2
0
ε c [‰]
Abb. 6.18: Betonstauchungen in der Gurtplatte des Trägers Q2 in Versuch und Simulation
Im unmittelbaren Anschlussbereich der Gurte an den Steg kommt es infolge der Schubkraft-
übertragung zu einer kombinierten Druck-Zug Beanspruchung. Gerade in diesem Beanspru-
chungsbereich kann es theoretisch zu Einschränkungen bei der Verwendung des Materialmodells
CDP kommen. In Kapitel 4.2 werden die erzielten und teilweise recht konservativen Ergeb-
nisse in diesem Beanspruchungsbereich beschrieben. Im Allgemeinen kann das Tragverhalten
schubbeanspruchter Träger dennoch hinreichend genau abgebildet werden (siehe Kapitel 4.2.4
beziehungsweise [38, 51, 52, 63, 72, 74, 95]).
Mit dem Übergang des Gurtanschlussbereichs in den gerissenen Zustand II kommt es zu einer
Entfestigung der betroffenen Elemente. Aufgrund der beschriebenen Lokalisierung im stegnahen
Bereich ist hiervon die komplette erste Elementreihe im Anschnitt zum Steg betroffen. Die
Rissbildung beginnt in der Nähe der Lasteinleitung und breitet sich zwischen 340 und 400kN
zu den Auflagern hin aus. Dies entspricht auch den dokumentierten Versuchsbeobachtungen
von Badawy und Bachmann [5]. Infolge der zunehmenden Entfestigung der Elemente im
Anschlussbereich ist eine weitere Laststeigerung in den gerissenen Bereichen im Modell nicht
möglich. Dies ist anschaulich in Abbildung 6.19 zu erkennen. Dort ist die Entwicklung der
rechnerischen Längsdruckkraft in der Gurtplatte in Querschnitten mit äquidistantem Abstand
exemplarisch für den Versuchsbalken Q2 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass es mit Beginn des
Rissbildungsprozesses im Anschnitt der Gurtplatte an den Steg in den betrachteten Querschnitten
keine weitere Zunahme der Längsdruckkraft bei gleichzeitiger Steigerung der Pressenkraft gibt.
Im Modell wird die Entfestigung der gerissenen Anschlussbereiche durch Beanspruchungs-
104 6 Anwendung der Modelle
Pressenkraft [kN]
0
0 100 200 300 400 500 600
-100
0,5m
-200 0,75m
1,0m
1,25m
Längsdruckkraft Gurtplatte [kN]
-300 1,5m
1,75m
2,0m
2,25m
-400 2,5m (Pressenachse) Plattenanrisslast
2,75m
3,0m
-500 3,25m
3,5m (Mittelachse)
-700
0,75 1,25 1,75 2,25 2,75 3,25
-800 Gurtscheibe
-900
Abb. 6.19: Entwicklung der rechnerischen Längsdruckkraft in einer Gurtplatte des Trägers Q2
umlagerungen kompensiert.
Im Steg kommt es zu einer Veränderung des Tragverhaltens. Dieser ist mit einem hohen
Querkraftbewehrungsgrad von ρw = 1,13% ausgeführt und der Lastabtrag erfolgt zunächst
über das steife Stegfachwerk. Die mit einsetzender Entfestigung im Gurtanschnitt verbunde-
ne Änderung der Steifigkeitsverhältnisse im Bauteil führt im Rechenmodell zur allmählichen
Ausbildung einer direkten Druckstrebe beziehungsweise eines Druckbogens zwischen Auflager
und Lasteinleitung. Durch die modellbedingte Verformungsbehinderung im Bereich der Pres-
senansatzpunkte stellen sich hier mehraxiale Druckspannungszustände ein, die rechnerisch zu
einer deutlichen Erhöhung der einaxialen Betondruckfestigkeit führen. In Abbildung 6.20 ist die
beschriebene Entwicklung des rechnerischen Lastabtrags im Steg anhand der Entwicklung der
Hauptdruckspannungsverteilung dargestellt.
Im Gurtbereich findet ausgehend von der hohen Konzentration der Längsdruckspannungen
im Pressenbereich eine Ausbreitung der Druckspannungen in die Gurtplatte im querkraftfreien
Mittelbereich des Balkens statt. Dies entspricht einer rechnerischen Umlagerung der Schubspan-
nungen in den nur durch Biegung beanspruchten Bereich des Balkens zwischen den Pressen. In
Abbildung 6.19 ist dieses Modellverhalten an der deutlichen Längskraftdifferenz in den Schnit-
105
ten zwischen 2,5m und 3,5m zu erkennen. Dass heißt, die Biegedruckkraft in der Gurtplatte
steigt trotz gleichbleibendem Biegemoment zwischen Presse und Balkenmitte weiter. Nur ein
Teil dieser Längskraftdifferenz kann hierbei dem Versatzmaß eines Flanschfachwerk-Modells
zugeschrieben werden.
Zum Vergleich wird eine Beispielrechnung an einem Modell mit linear-elastischem Ma-
terialverhalten im Bereich der Gurtscheibe durchgeführt. Der Steg wird hierbei weiterhin
physikalisch nichtlinear in der Simulation berücksichtigt. In Abbildung 6.21 ist die Entwicklung
der Hauptdruckspannungsverteilung im Steg für dieses Modell dargestellt. Es ist zu erkennen,
dass das Stegfachwerk hier in allen Laststufen einen Haupttraganteil liefert. Auch das Last-
Verformungsverhalten und die wahrscheinliche Rissbildung im Steg werden auf diese Weise
mit guter Übereinstimmung zu den Ergebnissen der Realversuche ermittelt (siehe Abbildungen
6.14(b) und 6.22).
106 6 Anwendung der Modelle
Abb. 6.22: Plastische Dehnungen in der Simulation und mögliche zugehörige Rissbildung im Steg
bei linear-elastischem Verhalten der Gurtscheibe (Rissbildung im Versuch siehe
Abbildung 5.6)
Fazit
Das Tragverhalten der gegliederten Querschnitte mit Druckgurt wird im Rahmen der Simulation
unter Verwendung des Materialmodells CDP in weiten Teilen gut abgebildet. Die Systemtraglast,
die wahrscheinliche Rissbildung in der Gurtplatte in Bezug auf den Zeitpunkt der Rissbildung,
die Rissrichtung und die Lokalisierung sowie die qualitative Verteilung der Dehnungen der Gurt-
anschlussbewehrung werden in guter Näherung erfasst. Das Entfestigungsverhalten des Betons
im Materialmodell unter kombinierter Druck-Zug Beanspruchung wird jedoch im Vergleich zum
Realversuch stark überschätzt. Die Lokalisierung der wahrscheinlichen Rissbildung in der ersten
Elementreihe im Anschnitt vom Gurt an den Steg führt hier zu einer Verstärkung des Effekts.
Diese Modelleinschränkung wird rechnerisch durch Spannungsumlagerungen kompensiert. Durch
einen Vergleich mit den dokumentierten Rissbildern der Realversuche kann gezeigt werden,
dass vergleichbare Umlagerungen tatsächlich nicht in der Form stattgefunden haben.
In der Literatur finden sich weitere Beispiele, die einen Einfluss des Entfestigungsverhaltens
darstellen. Kattenstedt beschreibt in [49] auf Grundlage ihrer numerischen Untersuchungen
zur Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit von Stahlbetonträgern eine ähnliche Beobachtung
und führt das Verhalten auf den isotropen Entfestigungsansatz im Materialmodell zurück. Im
Rahmen numerischer Untersuchungen zur Simulation des Tragverhaltens unter reiner Torsion
rechnet Werner Balkenquerschnitte mit dem CDP-Modell nach. Mit Überschreiten der Risslast
ist eine realistische Abbildung des Tragverhaltens nicht mehr möglich [101]. Löhning kommt in
[60] zu dem gleichen Ergebnis.
Schlussfolgerungen in Bezug auf ein mögliches Umlagerungspotential sind daher zwar auf
Modellebene möglich, diese setzen jedoch eine deutlich stärkere Entfestigung des Betons im
Bereich des Gurtanschlusses voraus als in den vorliegenden Versuchen beobachtet wurde. Eine
Eignung des Modells im Hinblick auf eine wirklichkeitsnahe Erfassung der wahrscheinlichen
Rissentwicklung im Gurtanschnitt kann jedoch festgestellt werden.
107
150
59 32 59
0,6 1,35 3,65 0,6
6,5 7. 5
Asl = 2 x 9 ø 20
[m] u. 2 x 1 ø 12
ø12/3,75 ø12/7,5 2,5
14 5 18 80
Asw = ø16/10
45
As,GA =
ø12/7,5
ø12/3,75
19 32 19
70
[cm]
ø12 wechselseitig
oben und unten
Abb. 6.23: System, Querschnitt und Bewehrung des Versuchsträgers PB1 nach [88]
genannten Versagensart überprüft, zum anderen soll im Rahmen der in Kapitel 7 durchgeführten
Sensitivitätsanalysen auch der Einfluss unterschiedlicher Vorgaben der Betondruckfestigkeitsab-
minderung in Abhängigkeit der vorhandenen Querdehnung untersucht werden. Die Simulation
von Balken, deren Versagen maßgeblich durch die Betondruckfestigkeit bestimmt wird, ist
hierfür von besonderem Interesse. Die Simulation des Versuchsbalkens Q2, dessen Versagen
durch den hohen Ausnutzungsgrad der Biegedruckzone beeinflusst wurde, wird durch den
Balken PB1 daher sinnvoll ergänzt.
In Abbildung 6.23 ist das System mit Belastung, Bewehrung und Querschnittsgeometrie
dargestellt. Die Materialparameter des verwendeten Bewehrungsstahls und des Betons zum
Zeitpunkt der Versuchsdurchführung können Tabelle 6.2 entnommen werden.
600
505
500
498
[m]
300
FEM
200
100 Versuch
PB1 FEM
PB1 Versuch
0
0 5 10 15 20 25 30 35
Durchbiegung [mm]
Abb. 6.24: Vergleich der Durchbiegungen (a) und Rissbilder in der Gurtscheibe (b) zwischen
Versuch und Simulation
Der Bruch des Balkens PB1 trat im Versuch durch eine Überschreitung der Betondruckstre-
bentragfähigkeit in der Gurtscheibe ein. Gleichzeitig sind mit dem Abplatzen der Betonoberfläche
auf der Gurtscheibenunterseite in größeren Bereichen weitere Betonabplatzungen im Druck-
flansch in der Nähe des Auflagers dokumentiert [88]. Die Auswertung der Nachrechnung führt
mit Überschreitung der Laststufe 505kN, für die noch ein stabiler Gleichgewichtszustand
nachgewiesen werden kann, zu einem erheblichen Zuwachs der Betonstauchungen mit Werten
>> 2,1‰ = c1 im Bereich der schiefen Betondruckstreben im Anschnitt der Gurtscheiben an
den Steg und im Auflagerbereich des Druckflansches. Die Versagensart wird im Rahmen der
Simulation somit entsprechend den dokumentierten Versuchsbeobachtungen wiedergegeben.
Eine genauere Auswertung der rechnerischen Betonstauchungen in der Biegedruckzone des
Stegs beziehungsweise im Bereich der schiefen Druckstreben des Zuggurtes deutet jedoch
darauf hin, dass die Überbeanspruchung der Betondruckzone im Steg Ursache für das Versagen
des Balkens ist. Die Überlastung der schiefen Betondruckstreben im Zuggurt ist die unmittel-
bare Folge einer entfestigten Biegedruckzone und einer damit einhergehenden Reduktion des
inneren Hebelarms. In Abbildung 6.25 sind die rechnerischen Betonstauchungen unmittelbar
vor dem Versagen des Trägers im Steg- und Gurtbereich eingetragen. Darüber hinaus sind
die rechnerischen Neigungswinkel der Druckstreben im Gurtanschnitt und die Spannungsver-
teilung der Gurtanschlussbewehrung über die Anschlusslänge dargestellt. Es ist zu erkennen,
dass unmittelbar vor dem rechnerischen Versagenseintritt die Betonstauchung im Bereich der
Biegedruckzone den mit dem Höchstwert der Betondruckspannung korrespondierenden Wert
von c1 = 2,1‰ bereits überschritten hat. Damit befindet sich die Biegedruckzone bereits im
Entfestigungsbereich, während die Betondruckspannungen in der Gurtscheibe noch nicht voll
ausgenutzt sind.
Schieferstein führt die Grenztragfähigkeit auf einen mittleren Neigungswinkel der Druckstrebe
von Θ = 26,5° (tanΘ = 0,5) zurück und sieht in den gemessenen geringen Querbewehrungs-
spannungen (≤ 150MPa) eine Bestätigung für diesen Ansatz [88]. Diese flache Neigung der
Betondruckstrebe kann im Zuge der durchgeführten Modellrechnungen nicht bestätigt werden
(siehe Abbildung 6.25). Aufgrund der ansonsten sehr guten Übereinstimmungen der Ergebnisse
von Simulation und Versuch ist anzunehmen, dass der Bruch im Realversuch ebenfalls von
einer Überbeanspruchung des Druckflansches eingeleitet wurde und das Versagen der schiefen
Betondruckstreben in der Gurtscheibe eine unmittelbare Folge darstellt.
Der hohe Gurtanschlussbewehrungsgrad führt zu einer großen Dehnsteifigkeit in Quer-
richtung. Sowohl in der Nachrechnung als auch im Versuch ist die Gurtanschlussbewehrung
deutlich unterhalb der Streckgrenze ausgenutzt. Dies sind weitere Indizien, die eine mittlere
Druckstrebenneigung Θ >> 26,5° plausibel erscheinen lassen.
111
P = 505 kN
300
Stauchung: -2,3‰ doppelter
250
Bewehrungs-
0 0,6 1,95
[m]
grad
200
σ [Mpa]
Übertragungslänge Schub Versatzmaß
150
500
σs [MPa]
P Schnitt:
A B C
400
0,6 1,35
P=500 kN
b
200
P=375 kN
a a
P=300 kN
100
P=225 kN
b
b a a b
A B C
Versuch FEM
0
(a) Lage der Auswertungsbereiche (b) Schnitt A
500 500
σs [MPa] σs [MPa]
400 400
P=500 kN
300 300
P=500 kN
P=375 kN P=375 kN
200 200
P=300 kN P=300 kN
P=225 kN P=225 kN
100 100
b a a b b a a b
Versuch FEM Versuch FEM
0 0
(c) Schnitt B (d) Schnitt C
Abb. 6.26: Dehnungen der Längsbewehrung in der Gurtscheibe in Versuch und Simulation
Kapitel 7
Sensitivitätsanalyse
7.1 Allgemeines
In den nachfolgenden Abschnitten werden die Auswirkungen von einer Variation einzelner
Parameter auf die Ergebnisse der Simulationsrechnungen untersucht. Hierzu erfolgt eine gezielte
Variation des jeweils betrachteten Parameters bei ansonsten unveränderten Randbedingungen.
Als Basismodell dient die Simulation am Faltwerk mit Schalenelementen auf Grundlage der
nichtlinearen Elastizitätstheorie. Zum einen konnte hiermit insgesamt die beste Übereinstimmung
von Rechnung zu Versuch erzielt werden, zum anderen kann eine gezielte Untersuchung der
Auswirkungen einer vorgegebenen Abminderung der Betondruckfestigkeit hier ebenfalls erfasst
werden. Zur Verifizierung der Ergebnisse erfolgt ein Abgleich einzelner Einflüsse mit dem
CDP-Modell.
4
560 kN Versuch 0,5
3,5 560 kN A1 FEM L [m]
3 588 kN A1 FEM -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
560 kN A6050 FEM
2,5 560 kN A2075 FEM
εs [‰]
-1,5
εc [‰]
2 560 kN A175 FEM 582,oi A1 FEM
1,5 560 kN A160 FEM 588,oi A1 FEM
-2,5 582,oi A6050 FEM
1 582,oi A2075 FEM
0,5 -3,5 582,oi A175 FEM
0 582,oi A160 FEM
-4,5 560,oi Versuch
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
L [m]
-11,7 -15,6
22° 17°
A160
-10,7 -18,8
Gurtscheibe 1 2 1 2
Längsspannungen
Winkel
Hauptdruckspannung
System mit Belastung (wahrscheinliche
Rissrichtung)
Ergebnisdarstellungen verzichtet.
Die geringen Winkeländerungen im Modell können auf die im Vergleich zum Stegquerschnitt
hohen Längsdruckspannungen in der Druckplatte des gegliederten Querschnitts zurückgeführt
werden. Abbildung 7.3 zeigt die Auswirkungen sich ändernder Längsdruckspannungen auf den
wahrscheinlichen Risswinkel für verschiedene konstante Schubspannungen. Es ist zu erken-
nen, dass der Einfluss einer Druckspannungsänderung mit betragsmäßig größer werdenden
Längsdruckspannungen geringer wird (asymptotische Annäherung an 0°). Im Vergleich zu
mit üblichen Vorspanngraden versehenen Stegquerschnitten erscheint es daher plausibel, dass
etwaige Längsspannungsänderungen in Druckgurten einen deutlich geringeren Einfluss auf die
116 7 Sensitivitätsanalyse
50
Steg Druckgurt
40
τ [MPa]
2.5
30
5
Risswinkel β [[°°]
7.5
10
Vorspannung -3 bis -6 MPa
20
∆ ∼ 2°
zentrischer Anteil der
∆ ∼ 2°
10
Rissrichtung haben als in Stegen. Im vorliegenden Fall ist der Querschnitt nicht vorgespannt. In
Abbildung 7.3 ist dennoch der Bereich üblicher zentrischer Vorspanngrade von Querschnitten
im Spannbetonbrückenbau dargestellt.
Die rechnerische Bruchlast wird durch die verschiedenen Modifikationen der Betondruck-
festigkeit im Rahmen der am Balken Q2 durchgeführten Modellrechnungen nicht nennenswert
beeinflusst. Abminderungen der Längsdruckspannung infolge Rissbildung treten im Modell nur
unmittelbar lokal im Bereich des Gurtanschnitts auf und werden durch Umlagerungen innerhalb
der Gurtscheibe weitestgehend kompensiert.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse im Rahmen der Modellrechnungen erscheint die
derzeitige Vorgehensweise der getrennten Bemessung auf Querschnittsebene für Biegung und
Schub mit unterschiedlicher Berücksichtigung der Betondruckfestigkeit gerechtfertigt. Durch
die Lokalisierung der Schädigung im Anschnitt des Druckgurtes sind die Auswirkungen der
Interaktion von Längsbiegung und Schub im untersuchten Beispiel trotz der hohen Ausnutzung
der Betondruckzone und des festgestellten sekundären Biegedruckbruches als Versagensart
vernachlässigbar.
117
Das Versagen des Versuchsbalkens PB1 im Versuch wurde durch gleichzeitige Abplatzungen
des Betons im Steganschnitt der Gurtscheibe und in der Biegedruckzone begleitet und auf
eine Überbeanspruchung der Druckzonen in diesen Bereichen zurückgeführt [88]. In Kapitel
6.3.1 wird dieser kombinierte Versagensmechanismus rechnerisch bestätigt und die Entfesti-
gung der Biegedruckzone als primäre Versagensursache festgestellt. Nachfolgend werden die
Auswirkungen verschiedener querdehnungsabhängiger Abminderungsvorschriften (siehe Tabelle
7.1 und Abbildung 3.14) auf die Ergebnisse der Simulation vorgestellt und diskutiert. Die
Modellierung erfolgt auf Grundlage der in Kapitel 6.3.1 beschriebenen Materialeigenschaften.
Zusätzlich wird in einer weiteren Simulationsreihe die Druckfestigkeit des Betons im Steg und im
Druckgurt auf fcm = 60MPa erhöht. Dies entspricht etwa einer Verdreifachung der uniaxialen
Betondruckfestigkeit in diesen Bereichen und führt rechnerisch zu einem Primärversagen im
Bereich der schiefen Betondruckstreben im Zuggurt.
In Abbildung 7.4(a) ist das Last-Verformungverhalten des unveränderten Modells im Rah-
men der Simulationsrechnungen im Vergleich zu den dokumentierten Versuchsergebnissen
dargestellt. Es ist zu erkennen, dass sich die Berücksichtigung der unterschiedlichen Abminde-
rungsvorschriften auf die Höhe der rechnerisch erreichbaren Bruchlast auswirkt. Diese beträgt
unabhängig von der zugrundeliegenden Druckentfestigungsvorschrift etwa 460kN, was einer
Reduktion der Systemtraglast um (1 − 460/505) · 100 = 9% entspricht. Das von der gewählten
Abminderungsvorschrift unabhängige Ergebnis kann im Rechenmodell auf den kombinierten
Versagensmechanismus zurückgeführt werden. Ausgehend von der Entfestigung der Biegedruck-
zone im Steg und der damit verbundenen Verringerung des inneren Hebelarms kommt es zu
einer Überlastung der schiefen Druckstreben in der Gurtscheibe. Die schiefen Druckstreben
sind nicht der Auslöser für das Versagen des Versuchsträgers im Modell (siehe Kapitel 6.3.1).
Die Erhöhung der Betondruckfestigkeit im Bereich des Druckflansches und im Steg führt
im Rahmen der Simulationsrechnung zu einer signifikanten Steigerung der Systemtraglast
und zu einem von einer Überbeanspruchung der schiefen Druckstrebe in der Gurtscheibe
ausgehenden Versagen. In Abbildung 7.4(b) sind die Ergebnisse der Simulatiosrechnungen mit
der vergrößerten Betondruckfestigkeit im Stegquerschnitt und im Druckflansch dargestellt. Die
unterschiedlichen Vorgaben zur Abminderung der Betondruckfestigkeit wirken sich hier deutlich
auf die rechnerisch erreichbare Systemtraglast aus. Die Traglastreduktion bleibt jedoch immer
unterhalb der maximalen Druckfestigkeitsreduktion (siehe Tabelle 7.2).
Eine Erklärung hierfür kann durch die Auswertung der Schubspannungsverläufe im Gurtan-
schnitt zum Steg gegeben werden. In Abbildung 7.5 sind diese für das Originalmodell ohne
Druckfestigkeitsabminderung und das modifizierte Modell ohne und mit Abminderung (A160)
exemplarisch dargestellt. Durch die ungleichmäßige Spannungsverteilung und damit verbunden
unterschiedlich hohen Ausnutzungsgrade der schiefen Betondruckstrebe wirkt sich die Abminde-
rung über die Gurtanschlusslänge unterschiedlich stark aus. Die Beanspruchbarkeit der schiefen
118 7 Sensitivitätsanalyse
800 800
700 700
600 600
Pressenlast [kN]
Pressenlast [kN]
500 500
400 400
300 300
PB1 Versuch PB1 Versuch
A1 FEM A1 FEM
200 200
A160 FEM A160 FEM
A175 FEM A175 FEM
100 100
A2075 FEM A2075 FEM
A6050 FEM A6050 FEM
0 0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
Durchbiegung [mm] Durchbiegung [mm]
Betondruckstrebe innerhalb der Gurtscheibe kann unter der Annahme einer konstanten Beton-
druckfestigkeit nach (7.1) ermittelt werden. Für einen Druckstrebenwinkel von Θ = 40° bis 45°,
dies entspricht etwa den in der Nachrechnung festgestellten mittleren Neigungswinkeln (sie-
he Abbildung 6.25) und eine mittlere Betondruckfestigkeit von fcm = 18,5MPa ergibt sich
hiernach τ max = 9,1 bis 9,25MPa. Vergleicht man diesen analytisch ermittelten Grenzwert mit
den rechnerischen Schubspannungen in Abbildung 7.5, so kann zum einen festgestellt werden,
dass die aufnehmbare Schubspannung im Originalmodell noch nicht erreicht ist. Daher wirkt
sich die auf die Maximaltragfähigkeit bezogene Abminderungsvorschrift auch nicht wesentlich
aus. Zum anderen wird auch im Modell mit modifizierter Stegdruckfestigkeit die aufnehmbare
L [m]
0
P
-1 0 0,5 1 1,5 2
-2
-3
0 0,6 1,95
-4 Faktor [m]
τ [MPa]
Schubspannung nicht über die komplette Anschlusslänge erreicht. In Bereichen mit geringerem
Auslastungsgrad ist die Wirkung der Festigkeitsabminderung ebenfalls geringer.
7.2.3 Fazit
Im Rahmen der durchgeführten Modellrechnungen mit verschiedenen Abminderungsvorschriften
der Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der vorhandenen Querdehnung werden Auswirkungen
auf die rechnerisch erreichbare Systemtraglast festgestellt, deren Höhe maßgeblich von der
Versagensart beeinflusst wird.
Bei einem Bruch als Folge eines Versagens der Biegedruckzone werden im Rahmen der
Simulationsrechnungen keine nennenswerten Auswirkungen auf die erreichbare Systemtraglast
festgestellt. Beim Plattenbalken mit Druckgurt kommt es durch die Lokalisierung der Schädigung
infolge Rissbildung im stegnahen Bereich zu einer lokal begrenzten Entfestigung, die durch
Beanspruchungsumlagerungen innerhalb der Gurtscheibe kompensiert werden kann.
Tritt das Systemversagen hingegen als Folge einer Überanspruchung der schiefen Beton-
druckstreben innerhalb der Gurtscheibe ein, so hat dies deutliche Auswirkungen auf die erreich-
bare Systemtraglast.
Im Allgemeinen handelt es sich bei den Gurten bestehender Spannbetonbrücken um in
Querrichtung schwach bewehrte Bauteile. Der hier nachgerechnete Versuchsträger war mit
einem Querbewehrungsgrad der Gurtscheibe von ρGA = 1,88% bis 3,77% [88] um ein Vielfaches
höher bewehrt als übliche Gurtanschlüsse im Brückenbau.
120 7 Sensitivitätsanalyse
ds = 12mm; sf = 10cm
α = 45°
Abb. 7.6: Variation der Neigung der Querkraftbewehrung und Berücksichtigung einer Vorspannung
σ cp
FP
Durch das Aufbringen einer zentrischen Vorspannung verbleibt der Querschnitt länger im
ungerissenen Zustand I. Insbesondere im Endauflagerbereich, der nicht durch Biegemomente
beansprucht wird, begünstigt dies den Lastabtrag innerhalb des Stegquerschnitts. In Abbildung
7.7(b) sind die Auswirkungen einer zentrischen Vorspannung von σcp = −5MPa auf die
Hauptdruckspannungsverteilung im Steg dargestellt. Die schematische Darstellung in Form
eines Stabwerkmodells veranschaulicht den Lastabtrag und belegt die mit der Vorspannung
verbundene Reduktion des Versatzmaßes.
Das Ergebnis der rechnerischen Berücksichtigung einer konzentrierten Spannkrafteinleitung
in Bezug auf die Verteilung der Hauptspannungen im Auflagerbereich ist in Abbildung 7.7(d)
dargestellt. Der positive Effekt der zentrischen Vorspannwirkung überlagert sich hier mit der
Ausbreitung der Vorspannung im Querschnitt. Dies wird insbesondere bei einer Auswertung der
Schubspannungsverteilung im Gurtanschnitt deutlich.
In Abbildung 7.8 sind die Schubspannungsverläufe für die verschiedenen Randbedingungen
über die Bauteillänge dargestellt. Zum Vergleich sind die linear-elastisch ermittelten Schubspan-
nungen nach Technischer Biegelehre und linearer Elastizitätstheorie mit aufgetragen. Es ist zu
erkennen, dass es sich bei den beiden Fällen der Schubspannungsermittlung am Faltwerk nach
linear-elastischer Berechnung (FW linear) und nichtlinearer Berechnung (FW nichtlinear) um
Grenzfälle im Hinblick auf das Versatzmaß handelt. Durch die Berücksichtigung einer schiefen
Bewehrung oder einer Vorspannung kommt es zu einer Annäherung der Spannungsverläufe. Die
hohen Schubspannungen auf den ersten etwa 80cm bei Berücksichtigung der konzentrierten
Spannkrafteinleitung sind der beschriebenen Ausbreitung der Vorspannkraft im Querschnitt
geschuldet und bei der Planung eines Bauteils gesondert zu berücksichtigen.
Die Entwicklung der Beanspruchungen innerhalb der Gurtanschlussfuge wird vom Tragver-
halten des Stegs beeinflusst. Unter der Voraussetzung der Gültigkeit eines parallelgurtigen
Fachwerkmodells für den Steg stellt das von Badawy und Bachmann mit dem Flanschfachwerk-
Modell vorgeschlagene Versatzmaß von etwa 1,0 · d einen oberen Grenzwert dar. Im Rahmen
der durchgeführten Simulationsrechnungen wird gezeigt, dass die Berücksichtigung einer an
den Hauptzugspannungsverlauf angepassten Querkraftbewehrung das Versatzmaß reduziert.
Aus einer zusätzlichen Vorspannwirkung resultiert zwar gegebenenfalls ein flacherer Druckstre-
benwinkel im Stegfachwerk, was theoretisch zu einer Vergrößerung des Versatzmaßes im
Auflagerbereich führt, dies wird jedoch dadurch kompensiert, dass der Querschnitt in einem
größeren Bereich im ungerissenen Zustand I verbleibt.
123
10
Balken FW linear
FW nichtlinear FW nichtlinear 45° Qbew
7,5 FW nichtlinear -3,5MPa FW nichtlinear -5MPa
FW nichtlinear Spannkrafteinl.
τ [MPa]
5 Versatzmaß
2,5
0
0 1 2 3 L [m] 4 5 6 7
P P
p=2P/2m
[m]
-
+ V
M
+
Gurtanschlussfuge. Die rechnerische Bruchlast ist hier nicht Gegenstand der Untersuchung, da
eine Vergleichbarkeit durch die absolut geänderten Schnittgrößen in Feldmitte nicht gegeben
ist.
In Abbildung 7.10 sind Beanspruchung und Ort der Erstrissbildung in der Gurtplatte darge-
stellt. Es ist zu erkennen, dass die Rissbildung bei geänderter Laststellung nun vom Ort der
theoretisch maximalen Hauptzugspannung ausgeht und sich mit zunehmender Belastung zur
Mitte des Balkens hin ausbreitet. Durch die Berücksichtigung einer Linienlast im Mittelbe-
reich des Plattenbalkens wird die Störwirkung infolge der Lasteinleitung nahezu ausgeschaltet.
Die Rissrichtung wird, wie im Versuch und in der Simulation mit konzentrierten Einzellasten
beobachtet, mit zunehmender Biegelängsdruckkraft im Gurt flacher. Auf einer Länge von
etwa 1,0 · d vom Auflager in Richtung Feldmitte werden auch hier Zugdehnungen innerhalb
der Druckplatte nachgewiesen. Abbildung 7.11 zeigt die rechnerische Entwicklung der Schub-
und Hauptzugspannungen innerhalb der Gurtanschlussfuge. Das Versatzmaß und der Ort der
wahrscheinlichen Erstrissbildung sind hier ebenfalls gut erkennbar.
Die Ergebnisse der Berechnungen mit dem CDP-Modell liefern im Hinblick auf das wahrschein-
liche Rissverhalten ein vergleichbares Bild. In Abbildung 7.12 sind die plastischen Dehnungen
innerhalb der Gurtplatte unmittelbar nach deren Auftreten für die beiden Fälle Punktlast und
Linienlast dargestellt. Bei dieser Berechnung ist die Linienlast entsprechend Abbildung 7.12(b)
über die volle Feldlänge von 3m berücksichtigt. Es ist zu erkennen, dass die konzentrierte
Lasteinleitung im Bereich der Pressenansatzpunkte für den Ort der Rissentstehung im Versuch
verantwortlich war. Die Berücksichtigung der linienförmigen Belastung über dem Steg führt auch
in diesem Modell zu einer deutlichen Reduktion des durch die Lasteinleitung hervorgerufenen
125
Steg
p = 476 kN/m
(a)
Draufsicht Gurt
p = 370 kN/m
(b)
Draufsicht Gurt
p = 392 kN/m
(c)
Draufsicht Gurt
p = 476 kN/m
41°
23°
(d)
Störbereichs.
126 7 Sensitivitätsanalyse
7,5 3,5
Balken Linienlast p:
Erstriss
Faltwerk linear elastisch 3 224 kN/m
Faltwerk nichtlinear 2,5 364 kN/m
5
370 kN/m
σ I [MPa]
τ [MPa]
2
387 kN/m
1,5
2,5
1
0,5
0 0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
L [m] L [m]
Gurt
Steg
(a) Punktlast
Gurt
Steg
(b) Linienlast
Pressenkraft [kN]
500 504
448
400
336 308
300
ρGurt =
200 0,11% ; 0,18%;
0,23%; 0,27%;
100 0,34%
Steg
0
0 30 60 90
Verformung [mm]
dies entspricht etwa 70% der Gurtanschlussbewehrung des Versuchsbalkens Q2, kann bei beiden
Modellen keine nennenswerte weitere Traglaststeigerung beobachtet werden, da die Versagensart
Biegedruckbruch maßgebend wird.
In Abbildung 7.13 sind die Ergebnisse der Simulationsrechnungen auf Basis der nichtlinearen
Elastizitätstheorie mit dem Programmsystem SOFiSTiK dargestellt. Wird der Steg allein be-
trachtet, so kommt es bei einer Pressenlast von etwa 308kN zum rechnerischen Biegedruckbruch.
Die Nachrechnung des Plattenbalkens mit einer sehr geringen Anschlussbewehrung oder gar
ohne Anschlussbewehrung ist nicht möglich. Hierbei kommt es unmittelbar mit dem Aufreißen
des Gurtanschnitts zum rechnerischen Systemversagen aufgrund zu großer Dehnungen. Dies gilt
auch dann, wenn die Stegtragfähigkeit ohne Gurtplatte noch nicht erreicht ist. Durch Abschalten
des Abbruchkriteriums bei zu großen Dehnungen ist es zwar möglich weitere Laststufen zu
berechnen, die Restkräfte im Gurtanschnitt steigen aber unmittelbar mit dem Aufreißen der
Platte stark an. Die so ermittelten Ergebnisse sind folglich technisch nicht verwertbar.
Die Prüfung der Restkräfte ist insbesondere bei gering bewehrten Gurtscheiben, bei denen
ein Versagen infolge einer Überbeanspruchung der Anschlussbewehrung erfolgt, erforderlich
und wird hier als Abbruchkriterium in Abhängigkeit des elementbezogenen Bewehrungsgehalts
entsprechend den Angaben in Kapitel 6.2.1 berücksichtigt.
Die Anwendung des CDP-Modells ermöglicht auch die rechnerische Untersuchung des
Plattenbalkenquerschnitts ohne Gurtanschlussbewehrung. Hierbei ist in Abbildung 7.14(a)
zu erkennen, dass sich die Steifigkeit bis zum Aufreißen des Gurtanschlusses wie bei den
übrigen Rechnungen an den Querschnitten mit bewehrter Gurtplatte verhält. Mit dem Übergang
des Anschnittes in den gerissenen Zustand II kommt es zu einem schlagartigen Versagen des
Gurtanschlusses. Die Systemtraglast ist jedoch erst mit dem Versagen des Stegquerschnitts
128 7 Sensitivitätsanalyse
Pressenkraft [kN]
500 500 552
436
400 400
Abb. 7.14: Auf Basis des CDP-Modells (ABAQUS) ermittelte Last-Verformungskurven für
unterschiedliche Gurtanschlussbewehrungsgrade
700
140
600
120 Einfluss auf die
Pressenkraft [kN]
Pressenkraft [kN]
500 Zugversteifung
100 zwischen den Rissen
400
80
300 60
FEM 1,0 x fct Beginn der FEM 1,0 x fct
200 40
FEM 0,5 x fct Biegeriss- FEM 0,5 x fct
100 bildung
siehe (b) FEM 0,0 x fct 20 FEM 0,0 x fct
Versuch Q4 Versuch Q4
0 0
0 30 60 90 0 5 10 15
Verformung [mm] Verformung [mm]
Betonzugfestigkeit hat danach bei schubbewehrten Bauteilen keinen direkten Einfluss auf die
Höhe des rechnerischen Tragwiderstands.
Im Rahmen einer nichtlinearen Systemanalyse mit der FEM ist die Vorgabe einer Betonzugfes-
tigkeit jedoch erforderlich. Im Folgenden werden die Auswirkungen einer in den Rechenmodellen
angesetzten verminderten Betonzugfestigkeit auf die Ergebnisse der Simulationsrechnungen
ausgewertet. Hierzu wird der Versuchsträger Q2 jeweils mit der vollen und der halben mittleren
Betonzugfestigkeit nachgerechnet.
In Abbildung 7.15 sind die Ergebnisse der Simulation auf Grundlage der nichtlinearen
Elastizitätstheorie mit dem Programmsystem SOFiSTiK dargestellt. Es ist zu erkennen, dass
die unterschiedlichen Vorgaben der Betonzugfestigkeit im Modell einen Einfluss auf den
Zeitpunkt der Erstrissbildung und die zugversteifende Wirkung zwischen den Rissen nach
Abschluss der Rissbildung haben. Die Verformungen des Balkens werden durch die Abminderung
der Betonzugfestigkeit bei gleicher Pressenlast geringfügig erhöht. Eine Auswirkung auf die
rechnerische Systemtraglast kann nicht beobachtet werden.
Die Ergebnisse der Simulationsrechnungen auf Basis des CDP-Modells weisen eine deut-
lich größere Abhängigkeit von der angesetzten Betonzugfestigkeit auf. Neben dem Last-
Verformungsverhalten wird auch die erreichbare Traglast durch die Variation beeinflusst. In
Abbildung 7.16 sind die Ergebnisse der durchgeführten Rechnungen am Beispiel des Balkens Q2
dargestellt. Die Reduktion der Betonzugfestigkeit führt nach (3.11) zu einer Abminderung der
Bruchenergie GF im gleichen Verhältnis (siehe Abbildung 7.16(a)). Im Rahmen einer weiteren
Rechnung wird diese durch Anpassung des abfallenden Astes der Spannungs-Rissöffnungs-
Beziehung etwa konstant gehalten. Das Ergebnis und die verwendete Spannungs-Rissöffnungs-
130 7 Sensitivitätsanalyse
700 700
600 600
∆≈5%
∆≈20%
Pressenkraft [kN]
Pressenkraft [kN]
500 500
400 400
3 σct [MPa] 3 σct [MPa]
300 GF (fct=3) 300 GF (fct=3)
1,5 = 2 GF (fct=1,5) 1,5 = GF (fct=1,5)
200 200
wc=0,18 wc=0,18
100 0 100 0
0 w [mm] 0,2 0 w [mm] 0,2
0 0
0 30 60 90 120 0 30 60 90 120
Verformung [mm] Verformung [mm]
Abb. 7.16: Auf Basis des CDP-Modells (ABAQUS) ermittelte Last-Verformungskurven für
unterschiedliche Betonzugfestigkeiten
7.7 Zusammenfassung
Die Abminderung der Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit der vorhandenen Querdehnung
nach unterschiedlichen Ansätzen (siehe Tabelle 7.1) führt in den Modellrechnungen nur dann
zu einer Reduktion der Systemtraglast, wenn der Druckbruch der schiefen Betondruckstrebe
im Gurt die maßgebende Versagensart darstellt. Eine Beeinträchtigung der Tragfähigkeit der
Biegedruckzone wird aufgrund der Lokalisierung der Schädigung im Anschnitt zum Steg im
Rahmen der Modellrechnungen nicht festgestellt.
131
Das von Badawy und Bachmann aus dem Flanschfachwerk-Modell abgeleitete Versatzmaß
zur Bemessung des schubfesten Gurtanschlusses wird im Rahmen der hier durchgeführten
Simulationsrechnungen bestätigt. Der beobachtete Versatz steht in direktem Zusammenhang mit
dem Tragverhalten des Stegquerschnitts im Auflagerbereich und kann durch eine entsprechende
Bewehrungsführung oder die Aufbringung einer Vorspannung reduziert werden.
Das Trag- und Rissverhalten der untersuchten Plattenbalkenquerschnitte wird wesentlich
durch die Art der Lasteinleitung beeinflusst. So kann die Lage der im Rahmen der Versuchs-
durchführung dokumentierten Erstrissbildung auf die konzentrierten Pressenkräfte zurückgeführt
werden. Durch die Umstellung auf eine Linienlast im Rechenmodell, die für die Randbereiche der
Balken identische Beanspruchungen zur Folge hat (siehe Abbildung 7.9), wird dieser Sachverhalt
bestätigt. Die Erstrissbildung geht nun vom Ort der nach linearer Elastizitätstheorie maximalen
Hauptzugspannungen aus.
Mit zunehmendem Bewehrungsgrad der Gurtanschlussbewehrung kann die Systemtragfähig-
keit sukzessive gesteigert werden. Einen unteren Grenzwert stellt dabei die Tragfähigkeit des
Querschnittes ohne Gurt dar. Ein oberer Grenzwert ist erreicht, sobald eine andere Versagensart
im System maßgebend wird. Dieses Ergebnis erscheint auch vor dem Hintergrund des in Kapitel
5.3 beschriebenen Tragverhaltens der Gurtquerschnitte plausibel.
Eine Abhängigkeit der Systemtraglast von der Betonzugfestigkeit ist für gerissene Bau-
teile mit ausreichender Querkraftbewehrung im Allgemeinen nicht zu erwarten und wird bei
den Rechnungen auf Basis der nichtlinearen Elastizitätstheorie auch nicht festgestellt. Die
beobachtete Abhängigkeit im CDP-Modell ist vermutlich auf die durch das Materialmodell
bedingte Druckentfestigung in Bereichen unter kombinierten Druck-Zug Spannungszuständen
zurückzuführen.
Insgesamt werden insbesondere mit dem FE-Modell auf Grundlage der nichtlinearen Elastizi-
tätstheorie (SOFiSTiK ) gute Übereinstimmungen mit den dokumentierten Versuchsergebnissen
und plausible Ergebnisse im Rahmen der Sensitivitätsanalysen erzielt. Eine Schwäche des
Modells zeigt sich bei der Berechnung sehr gering oder gar nicht bewehrter Gurtanschlüsse.
Für letzteren Fall ist eine realitätsnahe Ermittlung der Systemtraglast nur möglich, wenn die
Belastung, die zur Erstrissbildung im Gurtanschnitt führt, oberhalb der Stegtraglast liegt. Für
die praktische Anwendung ist dies jedoch von untergeordneter Bedeutung.
132 7 Sensitivitätsanalyse
Kapitel 8
8.1 Allgemeines
Linienlast
D-Bereiche
2h h
Einzellast 20
D-Bereiche
2h 2h h
50 50
asl,O
Referenzquerschnitt asq,O
bkr=3 bi=6,67 bkr=3
(Strukturmodellierung)
asl,W hf,O=0,45
h=3,5
bw=0,5 asq,W asl,U bw
as,GA
hf,U=0,35 [m]
Das den Simulationsrechnungen zugrunde liegende Referenzsystem ist in Abbildung 8.1 dar-
gestellt. Es handelt sich um einen Zweifeldträger mit Einzelstützweiten von jeweils 50m. Der
Querschnitt des einzelligen Hohlkastens wird vereinfachend ohne Berücksichtigung veränderlicher
Fahrbahn- beziehungsweise Bodenplattendicken modelliert.
Es werden zwei unterschiedliche Belastungsarten untersucht. Zum einen erfolgt die Lastein-
leitung konzentriert im Feldbereich durch symmetrische Anordnung von Einzellasten auf den
beiden Stegen des einzelligen Kastenquerschnitts, zum anderen wird eine gleichmäßig verteilte
Belastung berücksichtigt. Durch Letztere sollen die Beanspruchungsverhältnisse realer Bauwerke
besser abgebildet werden. Die Anordnung der Linienlasten erfolgt ebenfalls symmetrisch in den
Stegachsen.
Durch die im Vergleich zu den bislang nachgerechneten Versuchsträgern hohe Schlankheit
des Referenzsystems behält die Bernoulli-Hypothese unabhängig von der Belastungsart in weiten
Teilen des Längssystems ihre Gültigkeit. Gleichzeitig werden die D-Bereiche im Verhältnis zur
Gesamtlänge des Bauwerks kleiner als bei üblichen Bauteilversuchen (vergleiche Abbildungen
8.1 und 2.4). Es ist daher möglich, den Einfluss der Interaktion aus der veränderlichen Biegebe-
anspruchung des Längssystems und der Schubbeanspruchung innerhalb des Gurtanschlusses
über große ungestörte Bereiche zu untersuchen und die Entwicklung des Tragverhaltens unter
ansteigender Belastung in diesen Bereichen zu beschreiben.
135
Die den Berechnungen zugrunde liegenden wesentlichen Materialkennwerte und die Beweh-
rungsverteilung können Tabelle 8.1 entnommen werden. Eine schematische Darstellung der
Verlegerichtungen und Bezeichnungen der einzelnen Bewehrungspositionen ist in Abbildung
8.1 enthalten. Zur Aufnahme der großen Biegebeanspruchungen werden hohe Längsbeweh-
rungsgrade in den Gurtscheiben des zunächst nicht vorgespannten Längssystems erforderlich.
Innerhalb der Bodenplatte wird diese hohe Längsbewehrung nur in der Biegezugzone vorgesehen.
Auswirkungen auf das rechnerische Tragverhalten des Druckgurtes im Stützbereich sollen auf
diese Weise ausgeschlossen werden.
Betonstahl fyk ft u Es
[MPa] [MPa] [ ‰] [MPa]
B500B 500 540 50 200000
20 P1 bis P5
-
+ 15
50
[m]
P1=5600kN
P2=9800kN
P3=18200kN
P4=24500kN
43,
38,7
27,9°
16,4°
13,3°
22,7°
33°
8°
P5=28000kN
Abb. 8.2: Rechnerisch wahrscheinliche Rissentwicklung in der Bodenplatte für die Punktlasten P 1
bis P 5
In den Abbildungen 8.2 und 8.3 ist die rechnerisch wahrscheinliche Rissentwicklung innerhalb
der Bodenplatte des Referenzsystems für die unterschiedlichen Belastungsarten dargestellt. In
beiden Fällen stellen sich zunächst erste Biegezugrisse im Feld ein. Bei weiterer Laststeigerung
kommt es zu einer Ausdehnung der gerissenen Bereiche in Bauwerkslängsrichtung. Gleichzeitig
kann bereits im Zuggurt eine immer flacher werdende Rissneigung im Anschnitt vom Gurt
137
Biegebereiche, in denen die Bernoulli-Hypothese gilt, mit B gekennzeichnet. Der mit der
Querkraftbeanspruchung korrespondierende Schubspannungsverlauf entspricht im gerissenen
Zustand II qualitativ dem Verlauf im Zustand I. Um die Größe der Spannungen realitätsnah zu
erfassen ist jedoch die rechnerische Berücksichtigung der Biegerissbildung erforderlich.
σs · as,GA
tan Θ = (8.1)
τ · hf
Eine vereinfachend mit einem konstanten Druckstrebenwinkel durchgeführte Ermittlung der
Spannungen innerhalb der Gurtanschlussbewehrung hätte einen mit den Schubspannungen
korrespondierenden Verlauf zum Ergebnis. Im Rahmen der Modellrechnungen werden jedoch
hiervon signifikant abweichende Spannungsverläufe in der Anschlussbewehrung festgestellt.
Besonders deutlich ist dies für den Fall der einwirkenden Punktlast zu erkennen (siehe Abbildung
8.4(b)). Mit abnehmender Biegezugkraft beziehungsweise zunehmender Biegedruckkraft nehmen
die Spannungen in der Anschlussbewehrung signifikant ab. Diese ist im Rahmen der Simulation
über die komplette Bauwerkslänge mit konstantem Querschnitt in Rechnung gestellt.
Die nach (8.1) ermittelten Druckstrebenwinkel sind für verschiedene Laststufen in den
Abbildungen 8.4(c) und (f) dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Druckstreben mit zuneh-
mender Nähe zum Mittelauflager eine immer flacher werdende Neigung aufweisen. Da eine
eventuell vorhandene Rissreibungskomponente im verwendeten Modell keine Berücksichtigung
findet, stimmt die Neigung der Druckstrebenwinkel mit der Rissneigung überein (vergleiche
mit den Abbildungen 8.2 und 8.3). Eine nennenswerte Rotation der Druckstrebenwinkel in
bereits gerissenen Bereichen mit zunehmender Laststeigerung, die aufgrund der durchgeführten
direkten Berechnung der einzelnen Laststufen ohne Berücksichtigung vorausgegangener Primär-
lastfälle theoretisch möglich wäre, kann nicht beobachtet werden. Es handelt sich folglich um
die natürlichen Risswinkel im Modell ohne Berücksichtigung einer zusätzlichen Rotation im
Zustand II.
Ein Vergleich der rechnerischen Druckstrebenwinkel im Gurtanschnitt auf Basis der Ergebnisse
der nichtlinearen FEM mit den linear-elastisch nach Technischer Biegelehre am Balken bezie-
hungsweise nach linearer Elastizitätstheorie am Faltwerk ermittelten Werte für den Zustand I
zeigt gute Übereinstimmungen in Bereichen großer Längsdruckspannungen. Im Zugbereich
138 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
p1 bis p4
-
+ 12,5
50
[m]
p1=0,8 pEG=226kN/m
p2=1,1 pEG=311kN/m
p3=1,6 pEG=452kN/m
24,5°
31,4
37,1
43,
48,
57
16,6°
,2°
7°
8°
Abb. 8.3: Rechnerisch wahrscheinliche Rissentwicklung in der Bodenplatte für die Linienlasten p1 bis
p4
hingegen sind nicht unerhebliche Rotationen der Druckstrebenwinkel beim Übergang in den
Zustand II erforderlich.
Zum besseren Verständnis des Modelltragverhaltens ist die rechnerische Spannungsentwick-
lung zu Beginn des Rissbildungsprozesses für einen Bodenplattenausschnitt im Feldbereich
in Abbildung 8.5 dargestellt. Im ungerissenen Zustand I erfolgt die Lastausbreitung innerhalb
der Bodenplatte im Wesentlichen über schiefe Hauptzugspannungen, die mit zunehmendem
Biegemoment immer flacher werdende Winkel zur Bauwerkslängsachse einschließen (siehe Ab-
bildung 8.5(b) Laststufe PI ). Mit der Erstrissbildung kommt es örtlich zum Ausfall des Betons
auf Zug und zur Umlagerung der Zugkräfte auf den eingebetteten Betonstahl. Der schubfeste
Anschluss des gerissenen Zuggurtbereichs an den Steg erfolgt nun über die Ausbildung schiefer
Betondruckstreben. Hierbei kommt es zu einer Drehung der Hauptdruckspannungsrichtung im
Vergleich zum ungerissenen Zustand I.
139
6
9 nichtlineare p4
D B D B D 5
nichtlineare FEM
7 4 Techn. Biegelehre p4
Techn. Biegelehre P5 FEM P5
lineare Elastizitätstheorie
5 lineare
P 4 3 p3
p4
Elastizitätstheorie 2 p2
τ [MPa]
τ [MPa]
3 P5 P3
P2 1 p1
1 0
P1
-1 -1 0 10 20 30 40 50
0 10 20 30 40 50
-2
-3
-3
L [m] L [m]
-5 -4
500 250
D B D B D obere Lage
untere Lage
400 P5 200
obere Lage p4
P4
untere Lage
300 150
σ [MPa]
σ [MPa]
P3
200 P2 100
100 P1 50
p1 p2 p3
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
Druckstrebenwinkel θ [°]
lineare lineare
70 Elastizitäts 70 Elastizitäts
60 -theorie 60 -theorie
(LE) (LE)
50 50
Techn. Techn.
40 40 nichtlineare
Biegelehre Biegelehre
nichtlineare FEM
30 (TB) 30 (TB)
FEM P5 p4
20 P1 20
P2 p2 p3
10 P3 P 10
4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
Abb. 8.4: Simulationsergebnisse im Gurtanschnitt der Bodenplatte an den Steg im ersten Feld nach
nichtlinearer Elastizitätstheorie
140 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
Anhand der Spannungsverteilungen (Abbildung 8.5(a) und (b)) ist deutlich zu erkennen, dass
die Aktivierung der gleichmäßig über die Bodenplattenbreite verteilten Biegezugbewehrung über
schiefe Betondruckstreben mit der Entstehung eines Versatzmaßes in Bauwerkslängsrichtung
verbunden ist. Die ersten Risse in Feldmitte verlaufen über einen großen Teil der Bodenplat-
te normal zur Bauteilachse und knicken erst im Endbereich zum Gurtanschluss ab. Da ein
Rissreibungsanteil im Modell rechnerisch nicht berücksichtigt wird, kann eine Erhöhung der
Längszugspannungen innerhalb der Biegezugbewehrung in der Bodenplatte nur in Bereichen mit
rechnerischer Schrägrissbildung stattfinden. Dieser Zusammenhang ist auch deutlich an der Ver-
teilung der Schubspannungen nach dem Übergang der Bodenplatte in den gerissenen Zustand II
zu erkennen. Mit einsetzender Rissbildung konzentrieren sich die Schubspannungen zunächst
im Bereich des Gurtanschnitts und breiten sich mit zunehmendem Rissfortschritt über die
Gurtplattenbreite aus. In Abbildung 8.5 sind die Übergänge vom ungerissenen in den gerissenen
Bereich für die einzelnen Laststufen schematisch dargestellt. Die Hauptzugspannungen schließen
mit dem Übergangsbereich zum gerissenen Abschnitt der Bodenplatte einen Winkel von 90°
ein. Infolge des Versatzmaßes weicht diese Richtung jedoch von der ursprünglichen Richtung
innerhalb der noch ungerissenen Bodenplatte ab. Aufgrund der kontinuierlichen Einleitung von
Schubkräften in den Anschnitten zu den Stegen kann eine allmähliche Drehung der Hauptspan-
nungsachsen in den noch ungerissenen Bereichen beobachtet werden. Erst mit dem Übergang
in den gerissenen Zustand II bei weiterer Laststeigerung wird die Hauptspannungsrichtung im
jeweiligen Bereich fixiert.
Nach Abschluss der kontinuierlichen Laststeigerung bis zum vollständigen Aufreißen des
Gurtanschnittes stellt sich die in Abbildung 8.6(c) exemplarisch für das System mit Punktlast
dargestellte Hauptspannungsverteilung ein. Zum Vergleich ist auch die Spannungsverteilung
nach linear-elastischer Berechnung dargestellt (Abbildung 8.6(b)). Es ist deutlich zu erkennen,
dass die Hauptdruckspannungsrichtungen im Biegedruckbereich der Gurtplatte in Bezug auf
ihre Ausrichtung im Zustand II nicht deutlich vom ungerissenen Zustand I abweichen. Im
Biegezugbereich hingegen kommt es zur beschriebenen Änderung des Betontragverhaltens beim
Übergang in den gerissenen Zustand II.
Das sich einstellende Versatzmaß zur Aktivierung der Längsbewehrung innerhalb der Gurt-
scheibe führt dazu, dass die Bewehrung in Gurtscheibenmitte über eine größere Länge Zug-
spannungen aufweist als die Bewehrung am Anschnitt zum Steg (siehe Abbildung 8.6(d)). Mit
zunehmendem Abstand des betrachteten Querschnitts vom Ort des maximalen Biegemoments
im Feld kommt es infolge des beobachteten Versatzmaßes darüber hinaus zu einer Umkehrung
der Spannungsverteilung innerhalb der Biegezugbewehrung im Gurt. In Feldmitte werden die
größten Zugspannungen in der Längsbewehrung in unmittelbarer Nähe zum Gurtanschnitt an
den Steg ermittelt. Im weiteren Verlauf gleichen sich die Längsbewehrungsspannungen zunächst
an. In der Nähe des Biegemomentennulldurchgangs (Abbildung 8.6 Schnitt A ) sind bereits
keine nennenswerten Längsbewehrungsspannungen im Gurtanschnitt mehr vorhanden, während
141
15 Bodenplatten-
ausschnitt
PI
Zustand I
Druck
Zug
63
78
,4°
,7
°
PII
Zustand I
Zustand II
58
58
,6°
°
PIII
57
49,
,1
8°
°
PIV
Versatz
y
44,
51°
1°
x
(a) Schubspannungen τ yx (b) Hauptspannungen (c) Stabwerkmodell
20m
A
Momentennulldurchgang
(a) System
65
70
57
33,6
17,9°
,8°
,3°
,6°
°
(b) Hauptspannungsrichtungen (FEM linear-elastisch)
38,9
32,2
24,9°
17,6°
44°
keine Längsbewehrung
vorhanden
37,9
31,2
24,5°
16,8°
2°
Abb. 8.6: Entwicklung eines Stabwerkmodells für die Bodenplatte nach Abschluss der
Rissentwicklung
144 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70 A1
60 TB 60
LE A1 A2 A2
50 50
R
40 R 40 TB
30 30 LE
20 20
10 10
P5 p4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
Abb. 8.7: Entwicklung der rechnerischen Druckstrebenneigung in Abhängigkeit vom Anteil der in
den Zuggurt ausgelagerten Bewehrung (vergleiche Tabelle 8.2)
Das Tragverhalten innerhalb des Zuggurtes der Gurtscheibe wird durch das Versatzmaß,
welches sich mit der Rissbildung einstellt, beeinflusst. Im Rahmen der bislang durchgeführten
Simulationsrechnungen mit einer vollständig in den Zuggurt ausgelagerten Biegezugbewehrung
kann ein fließender Übergang der Druckstrebenneigung zwischen Zug- und Druckgurt im Modell
beobachtet werden.
Die Höhe der ausgelagerten Biegezugbewehrung steht im direkten Zusammenhang mit der
Beanspruchung der schiefen Betondruckstreben. Daher ist eine Beeinflussung des Modelltrag-
verhaltens durch die Höhe der in den Gurt ausgelagerten Biegezugbewehrung wahrscheinlich.
Folglich werden die in Tabelle 8.2 aufgeführten Bewehrungsanordnungen untersucht.
Tab. 8.2: Variation des Anteils der in den Zuggurt ausgelagerten Bewehrung
Die Auswertungen der auf dieser Basis durchgeführten Simulationsrechnungen sind in Ab-
bildung 8.7 dargestellt. Je geringer der Anteil der in den Zuggurt ausgelagerten Bewehrung
an der gesamten Biegezugbewehrung ist, desto stärker nimmt die Größe der rechnerischen
Druckstrebenneigung im Übergangsbereich vom Druck- auf den Zuggurtbereich zu. Für den
145
Grenzfall der vollständigen Anordnung der Biegezugbewehrung im Steg (A2) findet erwartungs-
gemäß keine Schubkraftübertragung in den Zuggurt statt. Die Risswinkel verlaufen über die
komplette Länge des Zuggurtes nahezu rechtwinklig zur Bauwerkslängsachse. Eine signifikante
Auswirkung der Bewehrungsanordnung im Biegezugbereich auf die rechnerisch ermittelten
Druckstreben- beziehungsweise Risswinkel im gedrückten Bereich des Gurtes kann hingegen
nicht festgestellt werden.
Die Ausbreitung der Beanspruchungen im Gurt erfolgt allmählich und geht insbesondere im
Druckbereich mit immer flacher werdenden Druckstreben- und Risswinkeln einher. Im Folgenden
wird daher untersucht, ob ein Einfluss des Verhältnisses von Gurtbreite zu Gurtlänge gegeben
ist. Die Untersuchung erfolgt durch eine Variation der Breite des Hohlkastenquerschnittes.
Auf diese Weise kann das statische System mit geringfügigen Anpassungen weiter verwendet
werden. Die im Zuggurt verschmierte Biegezugbewehrung wird in den schmalen Querschnitten
so angepasst, dass der Gesamtbewehrungsquerschnitt erhalten bleibt. In Tabelle 8.3 sind die
untersuchten Geometrien der Bodenplatte zusammengestellt.
Druckstrebenwinkel θ [°]
Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70
60 TB 60 TB
LE
R LE R
50 50
B3
40 B3 40
30 30 R
R
20 20
10 B1 B2 10 B1 B2
P5 p4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
Tab. 8.4: Mitwirkende Breite der Bodenplatte im Stützbereich in Abhängigkeit von der Belastungsart
Bei der Bodenplatte des Referenzquerschnitts und den untersuchten Varianten B1 und
B2 kann von einer vollständigen Mitwirkung bei der Berechnung am Balkenquerschnitt aus-
gegangen werden. Bei der untersuchten Variante B3 werden die in Tabelle 8.4 aufgeführten
reduzierten mitwirkenden Breiten bei der Spannungsermittlung berücksichtigt. Die Auswertung
der Hauptdruckspannungswinkel nach Technischer Biegelehre im Gurtanschnitt ist exemplarisch
für die Varianten B2 und B3 in Abbildung 8.9 dargestellt.
In den Abbildungen 8.9(a) und (d) ist für die Variante B2 mit 5m breiter Gurtplatte zu
erkennen, dass die Hauptdruckspannungsrichtung nach Technischer Biegelehre im Bereich des
Druckgurtanschnittes an den Steg in guter Näherung mit den Ergebnissen der nichtlinearen
Simulationsrechnungen übereinstimmt. Da der Gurtanschnitt auf den letzten Metern bis zur
147
Mittelstütze rechnerisch im Zustand I verbleibt, sind zusätzlich jeweils die Ergebnisse eines
zweiten Rechenlaufs dargestellt. Um eine weitere Laststeigerung zu ermöglichen, erfolgt dieser
mit einer erhöhten Betondruckfestigkeit von fcm = 68MPa. Die rechnerische Zugfestigkeit
bleibt jedoch unverändert. Auf diese Weise ist es möglich, die Last bis zum nahezu vollständigen
Aufreißen des Gurtanschnittes zu steigern. Die rechnerischen Risswinkel stellen sich auch in
diesem Bereich ähnlich den Hauptdruckspannungsrichtungen nach Technischer Biegelehre ein.
Die Auswertungen der Ergebnisse der Variante B3 mit 15m breiter Gurtplatte sind für
Punkt- und Linienbelastung in den Abbildungen 8.9(b) und (e) dargestellt und führen zu
vergleichbaren Erkenntnissen. Mit zunehmender Längsdruckkraft in der Gurtplatte nähern
sich die Lösungen nach Technischer Biegelehre unter Berücksichtigung der mitwirkenden
Gurtbreiten und nichtlinearer FEM einander an. Die Berechnungen nach Technischer Biegelehre
auf Basis der unverminderten Bruttoquerschnittswerte führen dagegen zu stark abweichenden
Druckstrebenwinkeln.
Mit größer werdendem Verhältnis von Gurtbreite b zu dem Abstand zwischen den Biege-
momentennulldurchgängen l0 , kommt es zu einer zunehmend nichtlinearen Verteilung der
Längsspannungen in der Gurtscheibe. Hierbei konzentrieren sich die Spannungen im Bereich
der Gurtanschnitte und nehmen mit anwachsendem Abstand ab. Dieses Verhalten wird in
aktuellen Regelwerken [18–20] durch die Ermittlung der mitwirkenden Gurtbreiten kompensiert.
Infolge der großen Längsdruckspannungen im Bereich der Druckgurte und der gleichzeitigen
Beschränkung der am Lastabtrag beteiligten Gurtbereiche bleiben die Auswirkungen einer
Variation der Gurtbreite begrenzt (siehe hierzu auch Abbildung 7.3). Es sei jedoch darauf
hingewiesen, dass kleine Änderungen der rechnerischen Druckstrebenwinkel in Bereichen mit
ohnehin geringen Winkeln von teilweise Θ ≤ 20° große Auswirkungen auf die Ermittlung der
erforderlichen Gurtanschlussbewehrung haben können. Bei den hier untersuchten Varianten mit
Gurtbreiten zwischen 5m und 15m ergibt sich in der Simulation eine Winkelabweichung von bis
zu etwa ∆Θ ≈ 5° (siehe Abbildungen 8.9(c) und (f)).
148 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
Druckstrebenwinkel θ [°]
Druckstrebenwinkel θ [°]
Technische Technische
70 Biegelehre 70
Biegelehre
60 (TB) 60 (TB)
50 50
fcm = 68 MPa nichtlineare fcm = 68 MPa
40 40
FEM
30 nichtlineare 30
FEM
20 20
10 10 p4 B2
P5 B2
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
70 Biegelehre 70 Biegelehre
60 60
50 50
p4 B3
40 40
nichtlineare B3 nichtlineare
30 30 FEM
FEM P5
20 20
10 10
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
90 Druck 90 Druck
80 80
Druckstrebenwinkel θ [°]
Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70
60 60
Technische
50 Technische 50 Biegelehre (TB)
Biegelehre (TB) nichtlineare
40 nichtlineare 40
FEM
30 FEM 30
B3 B3
20 20
10 10 B2
B2
0 0
35 40 45 50 37,5 40 42,5 45 47,5 50
L [m] L [m]
Abb. 8.9: Vergleich der rechnerischen Druckstrebenneigung nach nichtlinearer FEM und Technischer
Biegelehre für die Varianten B2 und B3
149
90 Zug Druck
Gurtanschlussbewehrung
Anschlussbewehrung [cm²/m]
80
(oben + unten)
70
C2 ρ=1,7%
60
50 nur Punktlast
R ρ=1,14%
40
30 C3P ρ=0,23-1,4%
C1 ρ=0,57%
20
10 nur Linienlast C3L ρ=0,2-0,285%
0
0 10 20 30 40 50
L [m]
Druckstrebenwinkel θ [°]
450
70 TB
400
350 C3P 60 LE
σ [MPa]
300 50 C2
R
250 40
200 C2 30
150
20 C3P
100
50 10
P5 P5
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
(a) Stahlspannung Punktlast C2 und C3P (b) Druckstrebenwinkel Punktlast C2 und C3P
550 σ≥fy
90 Zug Druck
σ≥fy C1
500 80
Druckstrebenwinkel θ [°]
450 P4 P5 70
400 P3
350 60 TB
σ [MPa]
300 50 LE R
250 40
200
P2 P2-P5
30
150 C1
20
100
obere Lage 10
50 untere Lage
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
450
70
400
60 TB
350 LE R
σ [MPa]
300 C1 50
C2
250 40
200 C1
30
150 C2 C3L
20
100
obere Lage 10
50 p4
p4 untere Lage
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
(e) Stahlspannung Linienlast C1 bis C3L (f) Druckstrebenwinkel Linienlast C1 bis C3L
Abb. 8.11: Einfluss des Gurtanschlussbewehrungsgrades auf die Neigung der rechnerischen
Druckstrebenwinkel im Modell (Definitionen siehe Abbildung 8.10)
151
In Abbildung 8.11 ist die Auswertung der Simulationsergebnisse mit unterschiedlichen An-
schlussbewehrungsgraden dargestellt. Zusätzlich zu den rechnerischen Neigungswinkeln der
Betondruckstreben sind hier auch jeweils die Spannungsverteilungen der Gurtanschlussbeweh-
rung innerhalb der Anschlussfuge zum Steg ausgewertet, da die Fließgrenze von fyk = 500MPa
teilweise erreicht wird.
Es ist zu erkennen, dass sich mit zunehmendem Bewehrungsgrad (Variante C2) tendenziell
steilere Druckstrebenneigungen und mit abnehmendem Bewehrungsgrad (Variante C1 und C3L )
flachere Winkel im Rechenmodell einstellen (siehe Abbildungen 8.11(b), (d) und (f)).
Bei der Bewehrungsvariante C1 wird die Fließspannung der Gurtanschlussbewehrung unter
konzentrierter Punktbelastung (Abbildungen 8.11(c) und (d)) in weiten Teilen des Zuggurtes
erreicht. Das Fließen der Bewehrung wird im Modell durch eine nicht unerhebliche Rotation
der Druckstrebenwinkel innerhalb des gerissenen Betons von bis zu ∆Θ = 10° kompensiert.
Dieses Ergebnis ist auf das in Kapitel 4.3.3 beschriebene Modellverhalten zurückzuführen und
deckt sich mit Versuchsbeobachtungen an Stahlbetonscheiben von Vecchio und Collins in [97]
(siehe Kapitel 4.3.3).
Im Fall der Variante C3P wird die Fließspannung in Teilbereichen des Anschlusses gerade
erreicht. Ein signifikanter Einfluss auf das Modelltragverhalten kann unter dieser Voraussetzung
nicht festgestellt werden.
Insgesamt kann ein Einfluss des rechnerisch berücksichtigten Anschlussbewehrungsgrads auf
das Modellverhalten beobachtet werden. Ausgeprägte Winkeländerungen werden insbesondere
im Bereich des Zuggurtes und bei Überschreitung der Fließspannung der Anschlussbewehrung
festgestellt. Daher sollten insbesondere die Umlagerungen nach Überschreitung der Fließgrenze
durch experimentelle Untersuchungen an Plattenbalkenquerschnitten überprüft werden. Für
eine rechnerische Ausnutzung im Rahmen eines Ingenieurmodells ist dieser sich zusätzlich
einstellende Traganteil derzeit nicht ausreichend abgesichert. Solange sich die Anschlussbeweh-
rung im linear-elastischen Bereich befindet, bleiben die Auswirkungen der unterschiedlichen
Bewehrungsgrade im Bereich des Druckgurtes gering.
Zur Untersuchung des Einflusses einer zusätzlichen Vorspannwirkung auf das Tragverhalten
werden drei Varianten untersucht. Die Vorspannung wird im Rechenmodell in Form einer
zusätzlichen äußeren Belastung aufgebracht, was einer rein externen Vorspannwirkung entspricht.
In Tabelle 8.5 sind Vorspanngrade und Lasteinleitungsart beschrieben.
Neben den zwei Varianten D1 und D2, in denen die Auswirkungen einer rein zentrischen
Vorspannwirkung untersucht werden, beinhaltet die Variante D3 zusätzlich Umlenkpunkte
in den Feldern und über der Mittelstütze. Die theoretische Spanngliedführung sowie die
angesetzten Umlenkkräfte in den Feldern sind in Abbildung 8.12 dargestellt. Mit den gewählten
Vorspanngraden zwischen −2,45MPa und −5MPa wird eine brückenbaurelevante Bandbreite
152 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
D3P P
1,25
1,8
PV=39,6 MN
20 30
4,85 MN
D3L p
1,25
1,8
PV=27,7 MN
15 22,5 12,5
2.3 MN 4,0 MN
abgedeckt. Im Fall der Variante D3L ist die Vorspannung so dimensioniert, dass bereits infolge
Eigengewichts geringe Zugspannungen an der Unterseite des Feldquerschnitts entstehen.
In allen hier untersuchten Fällen verläuft die Rissentstehung analog zur Darstellung in
Abbildung 8.5. Unabhängig vom untersuchten Vorspanngrad entstehen zunächst erste Biegerisse
im Feld. Mit zunehmender Laststeigerung kann ein Rissfortschritt innerhalb der Bodenplatte zum
Rand- und Mittelauflager verbunden mit einer stetig flacher werdenden Druckstrebenneigung
in Bereichen mit Schubrissbildung festgestellt werden.
Die Auswertung der Ergebnisse der Simulationsrechnungen sind in den Abbildungen 8.13
und 8.14 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass der Einfluss der Vorspannwirkung auf die
Druckstrebenneigung im Modell unabhängig davon ist, ob die Einleitung der Vorspannung
zentrisch oder exzentrisch erfolgt. Darüber hinaus sind die Auswirkungen der unterschiedlichen
Variationen der Vorspannung auf die Neigung der Betondruckstreben im Gurtanschnitt im
gerissenen Zustand II tendenziell gering, und sie verlieren sich im Druckgurt mit zunehmender
Längsdruckkraft.
Signifikante Auswirkungen der Vorspannung können jedoch in Bezug auf die erforderliche
Laststufe, die zur Erstrissbildung im Gurtanschnitt führt, festgestellt werden. Die in Tabelle
8.5 aufgelisteten Vorspanngrade führen in den Simulationen dazu, dass der Gurtanschnitt
nicht mehr auf der vollen Länge aufreißt. Dies ist am plötzlichen Abfall der rechnerisch nach
153
Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70 (0,85∙Pv)
TB D2 TB D3P 1,125∙P
60 60 5
TB D1
50 R 50 R TB R
TB R
40 40
30 30 D3P
20 20
D2
10 10 (0,85∙Pv) 1,125∙P5
D1
P5 P5
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
Abb. 8.13: Einfluss einer Vorspannung auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwinkel im
Modell mit Punktlast
Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70
p4 TB D2
60 60 p4 R TB R
R
50 TB D1 50
TB R TB D3L
40 D1 1,25∙p4 40
30 D2 1,25∙p4 30
20 20 1,5∙p4
Gurtanschnitt D3L
10 ungerissen p4 D2 10
D1 p4 p4 1,25∙p4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
Abb. 8.14: Einfluss einer Vorspannung auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwinkel im
Modell mit Linienlast
E2 25 0,00 → 39,5
25 → 55 39,5 → 50,0 Voute in Längsrichtung
55 → 25 50,0 → 60,5 Voute in Längsrichtung
25 60,5 → 100,0
Einfluss Gurtplattendicke
Die Dicke der Bodenplatte beziehungsweise der Gurte im Allgemeinen beeinflusst die absolute
Höhe der rechnerischen Spannungen bei ansonsten unveränderten Randbedingungen. Im Fol-
genden werden die Auswirkungen geänderter Querschnittsabmessungen untersucht. Ausgehend
vom Referenzquerschnitt werden zwei Varianten betrachtet. Zum einen eine gleichmäßige
Vergrößerung der Gurtdicke hf von 35cm auf 45cm und zum anderen ein gevouteter Boden-
plattenbereich mit zunehmender Querschnittsdicke in Längsrichtung hin zum Mittelauflager.
Die genauen Parameter sind in Tabelle 8.6 angegeben.
In Abbildung 8.15 sind die Ergebnisse der Simulationsrechnungen mit unterschiedlichen
Gurtdicken ausgewertet. Ein signifikanter Einfluss einer Änderung der Bodenplattendicke bezie-
hungsweise der Berücksichtigung der Voute in Längsrichtung auf die Neigung der Druckstreben-
winkel im Modell kann nicht festgestellt werden. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass
155
Druckstrebenwinkel θ [°]
70 TB E2 70
E1 TB E1 R
60 TB E1 R 60
50 50 R TB E2
40 R 40
30 E2 30 E2
20 20
10 E1 10
P5 p4
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
Abb. 8.15: Einfluss der Gurtdicke auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwinkel im Modell
das Verhältnis von Schub zu Längsspannungen im betrachteten Schnitt unabhängig von der
Dicke näherungsweise erhalten bleibt. Die absolute Höhe der Spannung wird durch die Variation
der Gurtdicke jedoch nennenswert beeinflusst. Dies kann in der Folge zu einer Veränderung der
Erstrisslast im Gurtanschnitt führen.
Im Rahmen der Ausführungen in Kapitel 8.3.1 wurde gezeigt, dass die Ermittlung der Beanspru-
chungen in der Gurtanschlussfuge mit Hilfe eines Stabwerkmodells in Anlehnung an Abbildung
8.6 wirklichkeitsnah erfolgen kann. Die Wahl des rechnerischen Druckstrebenwinkels innerhalb
des Druckgurtes in Übereinstimmung mit dem Winkel der Hauptdruckspannungstrajektorien auf
Basis einer linear-elastischen Berechnung nach Technischer Biegelehre unter Berücksichtigung
der mitwirkenden Gurtbereiche nach DIN EN 1992-2 [18–20] führt hierbei zu auf der sicheren
Seite liegenden Ergebnissen. Für die Ermittlung der Beanspruchungen ist die Biegerissbildung
innerhalb des Querschnitts jedoch zu berücksichtigen, da die absolute Höhe der Beanspruchun-
gen durch die Änderung des Tragverhaltens beim Übergang des Querschnitts in den gerissenen
Zustand II vom ungerissenen Zustand abweicht (siehe Abbildungen 8.4(a) und (d)).
Unter Berücksichtigung des Fächers unter der Einzellast können die maßgebenden Lasteinlei-
tungsbereiche zur Ermittlung der Schubbeanspruchung in der Gurtanschlussfuge zur Bodenplatte
angegeben werden. In Abbildung 8.16 sind die Schubspannungsverläufe in den Gurtanschnitten
156 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
Gurtanschnitt Fahrbahnplatte
(Schubspannungen)
0 τ GA
h
Lasteinleitung
h Lasteinleitung Punktlast Lasteinleitung
Lager Lager
h h
Gurtanschnitt Bodenplatte
(Schubspannungen)
0 τ GA
Abb. 8.16: Einfluss des Lasteinleitungsfächers im Steg auf die Schubbeanspruchung in den
Gurtanschlussfugen (hier für Θ = 45°)
Bei der Ermittlung der Beanspruchungen infolge Biegung im Bereich von Zwischenunterstützun-
gen mehrfeldriger Brücken, die auf konventionellen Lagern aufliegen, dürfen die Stützmomente
in Abhängigkeit von einer rechnerischen Auflagerbreite reduziert werden [18–20]. Hierbei sind
unterschiedliche Ansätze zur Ermittlung dieser rechnerischen Auflagerbreite t in den aktuell
gültigen Normen zu finden. Nach DIN EN 1992-1-1 [18] darf die Ausrundung des Stützmo-
ments auf einer Länge, die der Auflagertiefe (z.B. Breite einer stützenden Wand) entspricht,
durchgeführt werden. Die DIN EN 1992-2 [19] empfiehlt ebenfalls die Berechnung auf Grundla-
ge der tatsächlichen Breite des Auflagers, erlaubt jedoch eine landesspezifisch abweichende
Festlegung. Der deutsche NA [20] zur DIN EN 1992-2 erlaubt zusätzlich zur Berücksichtigung
der tatsächlichen Auflagerbreite eine Lastausbreitung unter einem Winkel von 35° gegen die
Lotrechte bis zur Schwerachse des Querschnitts.
157
F
F
- -
+ V + V
∆ M = F. t/8
- -
M M
(a) Punktlagerung (b) Berücksichtigung der Lagerabmessungen
Horizontalkraft
t infolge Lastausbreitung
55
∆ Th
°
Ausrundungslänge t
F
-
V 35°
+
∆ Ch
∆ M = F. t/8
-
M
F
(c) Lagerabmessungen und Lastausbreitung (d) Horizontalkräfte
Abb. 8.17: Auswirkung der berücksichtigten Momentenausrundung auf die Entwicklung zusätzlicher
Horizontalkräfte
In Abbildung 8.17 sind die theoretischen Querkraft- und Biegemomentenverläufe, die durch
den Abzug des Differenzmoments nach (8.2) implizit berücksichtigt werden, für verschiedene
rechnerische Auflagerbreiten dargestellt. Zusätzlich sind die Lastausbreitungen in Form von
Stabwerkmodellen entsprechend eines Fächers in die Ansicht des Querschnitts eingetragen. Es
ist zu erkennen, dass die Berücksichtigung einer über die tatsächliche Breite hinausgehenden
rechnerischen Auflagerbreite zusätzliche Horizontalkräfte innerhalb der Zug- und der Druckzone
des Querschnitts zur Folge hat, die miteinander im Gleichgewicht stehen müssen ( H = 0 ⇒
P
∆Th = ∆Ch ).
∆M = F · t/8 (8.2)
Die theoretischen Auswirkungen dieser im Rahmen einer Berechnung nach DIN EN 1992-
2/NA vernachlässigten Horizontalkomponenten werden anhand des Beispiels in Abbildung 8.18
aufgezeigt. Es handelt sich um ein symmetrisches System mit 2 Kragarmen, die eine Länge
von jeweils 10m aufweisen. Die Auflagerkraft F infolge der ebenfalls symmetrischen Belastung
durch 2 Einzellasten beträgt 7500kN. Das Stützmoment ohne Berücksichtigung einer Ausrun-
dung beträgt M St = 3750 · 10 = 37500kNm. Nachfolgend werden die Stützmomente unter
Berücksichtigung der Momentenausrundung ermittelt und die daraus resultierenden Biegedruck-
beziehungsweise Biegezugkräfte angegeben. Hierbei werden zwei Fälle untersucht, die der
Abbildung 8.18 entnommen werden können. Den Handrechnungen liegt in der Auflagerachse
158 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
10 10
Fall (*1) Fall (*2)
z ~ 3,25
3,45(*2) verursacht
3,50
1,75
1,0(*1) Horizontalkraft
3750 3750
1087
F=7500kN
V [kN] V [kN]
3750 1087
3750
1,0 1,23 1,0
[m]
[m] 3,45
ein konstanter innerer Hebelarm z von 3,25m zugrunde. Zusätzlich werden für den Fall (∗ 2)
einer Lastausbreitung unter einem Winkel von 35° zur Lotrechten die sich hieraus ergebenden
Horizontalkomponenten ∆Th = ∆Ch ermittelt (siehe Abbildung 8.17). Die Biegezug- bezie-
hungsweise Biegedruckkraft werden durch diese bei der Ausbreitung auf die größere rechnerische
Auflagerbreite entstehenden Horizontalkraftanteile entsprechend vergrößert.
Für den Fall (∗ 1) (rechnerische Breite = Auflagerbreite) errechnet sich das ausgerundete
Stützmoment nach (8.3) zu 37500 − 7500 · 1/8 = 36563kNm. Die resultierende Biegedruck-
beziehungsweise Biegezugkraft ergibt sich nach (8.4) zu 36563/3,25 = 11250kN.
Th = Ch = M red /z (8.4)
Versatzmoment
∆ Mst=F/2 . e
Ausrundungslänge t
∆ Mst ∆ Mst
F/2 e e F/2
F/2 F/2
10 10 [m] asl,o=250cm²
b = 2,0m
C40/50
3,50
1,75
b = 0,5m
1 t=2,50m Auswertebereich asq=20cm²/m
2 t=1,00m b = 2,0m
Fges=7500kN
3 t=0,50m
Der beschriebene Zusammenhang lässt sich auch mit der Entstehung eines Versatzmoments
beschreiben. Wird eine von der tatsächlichen Lagerbreite abweichende Länge zur Ausrundung
des Stützmoments herangezogen, so entspricht dies einer Verschiebung der Auflagerkraftresultie-
renden links und rechts der Lagerachse um ein Maß e. Zur Sicherstellung des Momentengleich-
gewichts ist für eine solche Horizontalverschiebung der Kraft mechanisch die Berücksichtigung
eines Versatzmoments ∆M st erforderlich (siehe Abbildung 8.19).
Zusätzlich zu den vorangegangenen analytischen Überlegungen erfolgt die numerische
Untersuchung dieses Zusammenhangs mittels nichtlinearer FEM. Für die Modellierung des
Systems werden ebene Schalenelemente verwendet. Eine schematische Darstellung des Systems,
der Bewehrung und der untersuchten Auflagerbreiten kann Abbildung 8.20 entnommen werden.
Die Ergebnisse der nichtlinearen Systemanalysen sind in Abbildung 8.21 dargestellt. Um
die resultierenden Biegemomente angeben zu können, erfolgt zunächst die Integration der
160 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
-37137
0,50m M [kNm]
15000 kN/m
σ= 446.7 => Th~11168kN
-36760
1,00m M [kNm]
7500 kN/m
σ= 431.8 => Th~10795kN
-35392
2,50m M [kNm]
3000 kN/m
Abb. 8.21: Ergebnisse der nichtlinearen Simulationsrechnungen zur Ausrundung des Stützmoments
Layerspannungen über die Elementdicke und die Transformation der Kräfte in das lokale
Koordinatensystem lotrecht angeordneter Schnittflächen durch den Querschnitt. Im Anschluss
werden die resultierenden Kräfte und Momente um die theoretische Stabachse (Schwerachse)
ermittelt [94]. Durchgeführte Vergleichsrechnungen auf Grundlage einer linear-elastischen
Ermittlung der Beanspruchungen führen zu vergleichbaren Ergebnissen in Bezug auf die
resultierenden Biegemomente und deren Verläufe.
Im Rahmen der Simulationsrechnungen kann ein eindeutiger Zusammenhang zwischen
Auflagerbreite und resultierendem Biegemoment beziehungsweise Biegezugkraft nachgewie-
sen werden. Da die numerischen Untersuchungen an einem statisch bestimmt gelagerten
Hauptsystem durchgeführt werden, kann eine Beeinflussung der Ergebnisse durch eventuel-
le Schnittgrößenumlagerungen ausgeschlossen werden. Die Berücksichtigung einer über die
tatsächliche Lagerbreite hinausgehenden Lastausbreitung zur Ermittlung der Ausrundung des
Stützmoments kann auch auf Basis der Ergebnisse der nichtlinearen Simulationsrechnungen
nicht als gerechtfertigt bestätigt werden.
Tabelle 8.7 enthält einen Vergleich der rechnerischen Stützmomente für die untersuchten
Lagerbreiten auf Basis der nichtlinearen FEM und Handrechnung nach (8.3). Unter Berück-
sichtigung der rechnerischen Lagerbreite t nach DIN EN 1992-2/NA [20] ergeben sich nicht
unerhebliche Abweichungen bei den resultierenden Stützmomenten. Die Handrechnungen auf
Grundlage der tatsächlichen Lagerbreiten stimmen in sehr guter Näherung mit der Lösung nach
nichtlinearer FEM überein.
161
Tab. 8.7: Vergleich der Stützmomente nach nichtlinearer FEM und Handrechnung für verschiedene
Lagerbreiten
Im Rahmen der in Kapitel 8.3.1 beschriebenen Simulationen kann eine Rissbildung in den
Druckgurtbereichen der Bodenplatte des untersuchten Hohlkastenquerschnitts teilweise erst
unter sehr großen Biegebeanspruchungen erreicht werden, die in einigen Fällen die theoretischen
Bemessungsschnittgrößen deutlich übersteigt. Insbesondere gilt dies für vorgespannte Systeme,
die bei dieser Querschnittsform im Brückenbau den Regelfall darstellen.
Bei der Planung neuer Spannbetonbrücken spielt die theoretische Tragfähigkeit im GZT
noch ungerissener Querschnittsteile keine Rolle. Dies ist im Hinblick auf eine möglichst robuste
Tragwerksauslegung auch sinnvoll. Für bestehende Bauwerke, die teilweise bereits 40 bis 60
Jahre unter Verkehr sind und bis heute keine Rissbildung infolge einer Schubeinleitung in den
Druckgurtbereichen erkennen lassen, wäre die Möglichkeit einer rechnerischen Berücksichtigung
der Betonzugfestigkeit zum Nachweis eines ausreichenden Tragwiderstandes jedoch durchaus
wünschenswert [66].
Um zu einer wirklichkeitsnahen Beurteilung des Tragverhaltens eines Gurtquerschnitts unter-
halb einer beginnenden Rissbildung zu kommen, spielen zwei wesentliche Faktoren eine Rolle.
Zum einen müssen die Beanspruchungen innerhalb der Gurtanschlussfuge unter Berücksichti-
gung der Rissentwicklung des Gesamtquerschnitts in abliegenden Bereichen ermittelt werden.
Die linear-elastische Berechnung der Hauptzugspannungen nach Technischer Biegelehre führt
gegebenenfalls zu einer Unterschätzung der Spannungen. Zum anderen darf es nicht zu einer
Überschätzung der vom Beton auf Dauer aufnehmbaren Zugspannungen kommen.
162 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
20 P P 20
(b) (c)
50 50
3 30
Druckgurt (Z II)
Zustand II Zustand I
(Z II) (Z I) 20 P5=28MN
10 P=14MN
grob
(100cm)
0
1
fein
(20cm) -10
P=14MN
0 -20
35 36 37 38 39 40 35 40 45 50
L [m] L [m]
Abb. 8.22: Exemplarische Darstellung des Einflusses der Diskretisierung (b) und der vorhandenen
Querbiegemomente (c) am Bodenplattenanschnitt des Referenzsystems mit Punktlast
]
Zustand I [m
x 50
y x=
t vy
r kraf
P/2 e
qu
P/2 tten
Pla 30
Zustand II
20
x=
Fazit
Die durchgeführten Modellrechnungen belegen, dass eine exakte Ermittlung der zur Erst-
rissbildung führenden Belastung nicht möglich ist. Allein die Modellunsicherheiten aus dem
numerischen Modell sind nicht unerheblich. Überdies sind gegebenenfalls vorhandene Eigen-
und Zwangsspannungen nicht ohne Weiteres quantifizierbar. Es ist daher sinnvoll, die anrechen-
bare Zugfestigkeit für die Bemessung ungerissener Gurtquerschnitte in geeigneter Weise zu
reduzieren. Die Ergebnisse der durchgeführten Modellrechnungen werden dabei zur Verifikation
eines ausreichenden Sicherheitsniveaus in Bezug auf das hier beobachtete Modellverhalten
164 8 Modellverhalten unter Berücksichtigung von Strukturabmessungen des Brückenbaus
herangezogen. Hierzu erfolgt in Kapitel 9 ein Vergleich der von Hand nach (8.6) ermittelten
Scheibenspannungen bei Erstrissbildung im numerischen Modell mit theoretischen Werten.
Acc bezeichnet in (8.6) die gesamte Fläche der Biegedruckzone und AcGurt die mitwirkende
Gurtfläche.
(8.6)
(σx,GA (x + 1) − σx,GA (x − 1)) · Ac,Gurt
τxy,GA (x) =
2 · (L(x + 1) − L(x − 1)) · hf
Kapitel 9
Schnittgrößeninteraktionen auf
Bauteilebene
9.1 Allgemeines
4,5
4
3,5
3
τ/fctm
2,5
Kupfer 2
Vecchio/Collins (PV) 1,5
Schlaich/Schäfer
Maier/Thürlimann (S2/S7) 1
Hohlkasten Punktlast FEM 0,5
Hohlkasten Linienlast FEM τ = 0,4fctd
0
-1 -0,9 -0,8 -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1
σx/fcm
Spannungen bereits den Hauptspannungen. Die Ermittlung nach (9.1) entfällt in diesen Fällen.
s 2
σx,cr + σy,cr σx,cr − σy,cr
σI cr = + + τ 2cr
2 2
(9.1)
s 2
σx,cr + σy,cr σx,cr − σy,cr
σII cr = − + τ 2cr
2 2
Mit der Annahme σy = 0 kann ein äquivalenter zur Erstrissbildung führender Scheibenspan-
nungszustand bestehend aus den Spannungskomponenten σx,cr und τ cr nach (9.2) ermittelt
werden.
σx,cr = σI cr + σII cr
(9.2)
√
τ cr = −σI cr · σII cr
Die hier berücksichtigten Vorgabewerte aus den jeweiligen Originalquellen und die Umrech-
nungsergebnisse können den Tabellen 9.1 bis 9.4 entnommen werden.
In Abbildung 9.1 sind die in den σx /τ -Spannungsraum transformierten Scheibenspannungen
unmittelbar bei der Erstrissbildung gemeinsam mit den Rechenwerten nach (8.6) für das in
Kapitel 8.3.3 untersuchte Rissverhalten des Druckgurtanschlusses des Hohlkastenquerschnitts
dargestellt. Um eine Vergleichbarkeit der Versuchs- und Rechenergebnisse herzustellen, werden
168 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
Tab. 9.1: Versuche an Stahlbetonscheiben im Panel-Tester von Vecchio und Collins aus [97]
Tab. 9.2: Versuche an Stahlbetonscheiben von Schlaich und Schäfer aus [91]
die Spannungen als bezogene Größen angegeben. Hierbei werden die vorhandenen Längsspan-
nungen σx auf die jeweilige mittlere Betondruckfestigkeit fcm und die Schubspannungen zum
Zeitpunkt der Erstrissbildung auf die mittlere Betonzugfestigkeit fctm bezogen. Die Ermittlung
der Betonzugfestigkeit erfolgt für alle experimentellen Untersuchungen in Abhängigkeit der mitt-
leren Betondruckfestigkeit nach (9.3). Dabei wird in Anlehnung an [86] für die Umrechnung der
mittleren auf die charakteristische Betondruckfestigkeit von Versuchen unter Laborbedingungen
169
Tab. 9.3: Versuche an Stahlbetonscheiben von Maier und Thürlimann aus [62]
Der derzeitige Ansatz der DIN EN 1992 [18–20], der die Schubspannungen in Scheibenebene
begrenzt (siehe Kapitel 2.4), berücksichtigt die positive Wirkung der vorhandenen Längsdruck-
spannungen in Druckgurten nicht. In Abbildung 9.1 ist dieser ebenfalls in Form einer Grenzlinie
dargestellt (τ = 0,4 · fctd ). Die Gründe für die Festlegung dieses Grenzwertes sind hier nicht
bekannt. Da dieses Nachweisformat jedoch unabhängig von der vorhandenen Längsspannung
angewandt werden darf, also auch für den Fall vorhandener Längszugspannungen, ist es durchaus
möglich, dass der konstante Grenzwert für ungünstig wirkende Längszugspannungen kalibriert
wurde.
p
τ cr = σI 2cr − σI cr · σx,cr − σI cr · σy,cr + σx,cr · σy,cr
p (9.4)
= fctm 2 − fctm · σx,cr − fctm · σy,cr + σx,cr · σy,cr
4,5
Handrechnung
4
FEM
3,5
0,17 3
0,35 σI =fctd
2,5
τ/fctm
σy ~ fctm. 0,5
2
0,7
1,5
1
0,5
σI =0,4fctd τ = 0,4fctd
0
-1 -0,9 -0,8 -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1
σx/fcm
myy (σ y)
σx τ
σc σc
FEM:
σ x = τ =0 FEM:
σ x = τ =0
fctm=2,9 fctm=2,9
0,50
Abb. 9.3: Schematische Darstellung des Systems und der Betonarbeitslinien im Zugbereich zur
Ermittlung der Tragfähigkeit infolge Biegung und durch kombinierte Beanspruchungen
abfallendes Astes der Arbeitslinie im Zugbereich bewirkt, dass sich die maximale Biegetrag-
fähigkeit des unbewehrten Betonquerschnitts unmittelbar mit dem Erreichen der zentrischen
Betonzugfestigkeit in der Randfaser des Querschnitts einstellt. So wird ein Vergleich mit der
analytischen Berechnung möglich, die einen möglichen Einfluss einer erhöhten Biegezugfestig-
keit nicht erfasst. Die Ergebnisse der numerischen Simulation sind ebenfalls in Abbildung 9.2
enthalten.
Es ist ein deutlicher Einfluss der Querbiegung auf die aufnehmbare Schubspannung in der
Randfaser zu erkennen. Mit steigendem Querbiegemoment wird diese kontinuierlich verringert.
Die Ergebnisse der analytischen und der numerischen Berechnungen stimmen hierbei in guter
Näherung überein. Dennoch können insbesondere unter dem Einfluss hoher Längsdruckspannun-
gen auch unter Berücksichtigung der Querbiegung noch nennenswerte Schubspannungen vom
172 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
ungerissenen Querschnitt aufgenommen werden. Dies wird beim Vergleich mit dem nach derzeiti-
gen Regelwerken [18, 20] anwendbaren Bemessungswert des Widerstands τ = 0,4 · fctd deutlich,
dessen Sicherheitsabstand zum Rissspannungszustand mit größer werdenden vorhandenen
Längsdruckspannungen kontinuierlich steigt (siehe Abbildung 9.2).
Die bisherigen Überlegungen berücksichtigen lediglich die zentrische Zugfestigkeit des Betons.
Tatsächlich bauen sich die Zugspannungen im Beton mit einsetzender Rissbildung jedoch nicht
unmittelbar auf 0 ab, sondern es findet mit zunehmender Dehnung eine allmähliche Entfestigung
statt (siehe Abbildung 9.3(c)). Hierdurch kann sich infolge einer Biegebeanspruchung nach
dem Überschreiten der zentrischen Zugfestigkeit in der Randfaser zunächst ein nichtlinearer
Zugspannungsverlauf einstellen, dessen Maximum in das Innere des Bauteils verschoben ist.
Erst bei weiterer Laststeigerung kommt es zum Biegeversagen des Bauteils auf einem höheren
Lastniveau. Diese Traglaststeigerung kann vereinfachend auf eine im Vergleich zur mittleren
zentrischen Zugfestigkeit fctm erhöhte Biegezugfestigkeit fctm,f l zurückgeführt werden. Hierbei
handelt es sich um einen reinen Rechenwert, der insbesondere in Abhängigkeit der vorhandenen
Bauteilhöhe variiert (Maßstabseffekt), und um keinen tatsächlichen Materialparameter. Die
zentrische Zugfestigkeit wird tatsächlich an keiner Stelle des Querschnitts überschritten. Ver-
schiedene Ansätze zur Ermittlung der Biegezugfestigkeit sind beispielsweise in [11, 18, 27] zu
finden.
Mit Hilfe der FEM ist es möglich den Einfluss des erhöhten Biegewiderstands durch die
Berücksichtigung des abfallenden Astes der Zugfestigkeit (siehe Abbildung 9.3(c)) in die
bisherigen Überlegungen einfließen zu lassen. Die Modellierung erfolgt unter Berücksichtigung
einer Bruchenergie von GF = 0,097N/mm. Dies entspricht etwa dem Wert nach Model
Code 1990 [11] für einen Beton C30/37 mit 32mm Größtkorndurchmesser. In Abbildung 9.3
sind die Ergebnisse der Simulationsrechnungen am unbewehrten Betonquerschnitt für reine
Biegebeanspruchung eingetragen. Durch die Berücksichtigung des linear abfallenden Astes
ergibt sich hier ein um etwa 30% erhöhter Biegewiderstand beziehungsweise eine im Vergleich
zur zentrischen Zugfestigkeit um 30% erhöhte Biegezugfestigkeit fctm,f l = 1,3 · fctm .
Ein mit den Ausführungen des Model Code 1990 [11] oder der DIN EN 1992 [18] vergleichba-
rer Maßstabseffekt kann im Programm im Fall von Plattenbiegung nicht abgebildet werden. Dies
wird darauf zurückgeführt, dass eine gegenseitige Beeinflussung der Randfasern benachbarter
Plattenelemente bei reiner Biegung nicht erfolgt. In Abbildung 9.4 sind die Ergebnisse eines
Vergleichs zwischen der Modellierung eines Balkens mit Platten- beziehungsweise Scheiben-
elementen dargestellt. Bei der Modellvariante mit Scheibenelementen über die Balkenhöhe
(Abbildung 9.4(a)), kann nach Entfestigungsbeginn im Lokalisierungsbereich der Schädigung
eine elastische Rückverformung in den unmittelbar benachbarten Bereichen rechnerisch be-
rücksichtigt werden. Hierdurch kommt es zu einer nichtlinearen Erhöhung der Dehnungen
im Rissquerschnitt. Dieses Strukturverhalten ist in gleicher Weise bei Plattenelementen nicht
erfassbar (Abbildung 9.4(b)).
Abbildung 9.5 zeigt die rechnerische Erhöhung der zentrischen Zugfestigkeit für unter-
173
10h 2 nichtlinear-
P P
elastisch
linear- nichtlinear- linear- p p h=
elastisch elastisch h elastisch Plattendicke
1
27,5h 5,5 [m]
Überhöhung (Faktor=5)
Längsspannung Längsspannung unten
*1 *2
h
1
keine elastische Rückverformung
elastische Rückverformung der Randfaser der Plattenelemente
*1 *2
h h
Element-
ebene
Abb. 9.4: Scheiben- und Plattenmodell zur Ermittlung der Biegezugfestigkeit eines
4-Punkt-Biegebalkens
schiedliche Balkenhöhen als Vergleich der beiden Modellvarianten. Analog zu der von Duda
[27] beschriebenen Vorgehensweise werden bei den Berechnungen mit Scheibenelementen
alle Systemabmessungen proportional zur untersuchten Balkenhöhe h angepasst. Durch das
beschriebene Strukturverhalten im Modell kommt es zu einer mit zunehmender Bauteilhöhe
abnehmenden bezogenen Biegezugfestigkeit bei den Simulationsrechnungen mit Scheibenele-
menten (Maßstabseffekt). Für die Untersuchung mit dem verwendeten FE-Modell, bei dem
die Querbiegung als Plattenbiegung berücksichtigt wird, ist eine Prüfung der resultierenden
Biegezugfestigkeit im Einzelfall erforderlich, da die Abhängigkeit der Biegezugfestigkeit von
der Bauteilhöhe nicht berücksichtigt werden kann. Für Einzelbetrachtungen an unbewehrtem
Beton kann gegebenenfalls eine Anpassung des Modellverhaltens über einen modifizierten
Bruchenergieansatz erfolgen.
Für den hier untersuchten Einfluss der Biegezugfestigkeit auf das Rissverhalten unter
kombinierter Beanspruchung aus Längsdruck, Schub und Querbiegung, ist die beschriebene
Einschränkung des Modells vernachlässigbar. Für die Betrachtung des Einflusses einer bekannten
bezogenen Biegezugfestigkeit, die unter reiner Biegebeanspruchung auf Elementebene ermittelt
wurde, ist das Strukturverhalten innerhalb eines realen Bauteils unerheblich.
Auf Grundlage dieser Überlegungen wird der Einfluss der Biegezugfestigkeit auf das Riss-
174 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
1,6
Scheiben-
1,5
elemente
1,4 Platten-
fctm,fl/fctm
elemente
1,3
1,2
1
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1
h [m]
Abb. 9.5: Vergleich der bezogenen Biegezugfestigkeit für die Modelle mit Scheiben- beziehungsweise
Plattenelementen
verhalten unter kombinierter Beanspruchung am Modell nach Abbildung 9.3(a) mit der Ma-
terialarbeitslinie im Zugbereich entsprechend Abbildung 9.3(c) untersucht. Zusätzlich zur
numerischen Simulation des Rissverhaltens erfolgt eine analytische Ermittlung der Grenztragfä-
higkeit in Anlehnung an (9.4). Hierbei wird jedoch anstelle der tatsächlichen Zugspannungen
infolge Querbiegung σy eine effektive Zugspannung unter Berücksichtigung der vorhandenen
Biegezugfestigkeit σy,ef f nach (9.5) verwendet.
fctm
σy,ef f = σy · (9.5)
fctm,f l
Die Auswertung der Ergebnisse der numerischen Simulation und der begleitenden Handrech-
nungen sind in Abbildung 9.6 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass im Vergleich zur Berechnung
ohne Berücksichtigung des Einflusses der Biegezugfestigkeit (siehe Abbildung 9.2) deutlich
größere Schubspannung bei ansonsten gleichen Spannungsverhältnissen zum Versagen des
unbewehrten Betonquerschnitts führen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der numeri-
schen Simulation durch die vereinfachend mit einer effektiven Biegespannung durchgeführten
Handrechnung in guter Näherung wiedergegeben.
Insgesamt kann gezeigt werden, dass die vorhandenen Längsdruckspannungen in den Druck-
gurten gegliederter Querschnitte signifikante Steigerungen der Traglasten der ungerissenen
Betonquerschnitte zur Folge haben. Sogar unter Berücksichtigung geringer Querbiegemomen-
te führen die derzeitigen Bemessungsansätze aktueller Regelwerke [18, 79] zu konservativen
beziehungsweise weit auf der sicheren Seite liegenden Ergebnissen.
175
4,5
Handrechnung
4
FEM
3,5
0,17 3
σy ~ fctm . 0,35 σI =fctd
0,5 2,5
τ/fctm
0,7
2
1,5
1
0,5
σI =0,4fctd τ = 0,4fctd
0
-1 -0,9 -0,8 -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1
σx/fcm
500
obere Lage
400 untere Lage
Schub
300 Querbiegung
σ [MPa]
Schub +
200 Querbiegung
p p
100
0
0 10 20 30 40 50
-100
p p L [m]
Abb. 9.7: Vergleich des Modellverhaltens im Bereich des Gurtanschnittes unter reinem Schub und
Schub mit Querbiegung
In Abbildung 9.7 ist der Einfluss einer zusätzlichen etwa konstanten Querbiegebeanspruchung
innerhalb des Gurtanschnittes der Bodenplatte des Referenzsystems mit Punktlast aus Kapitel
8 auf die Ausnutzung der Gurtanschlussbewehrung dargestellt. Das Querbiegemoment ist dabei
so groß gewählt, dass die Bewehrung auf der Biegezugseite die Fließgrenze gerade erreicht. Im
Rahmen der Simulation können die konzentriert eingeleiteten Einzellasten auch unter Berück-
sichtigung der Querbiegung wesentlich gesteigert werden. Die Übertragung von Schubkräften
erfolgt hierbei nahezu vollständig auf der Biegedruckseite der ebenen Schalenelemente. Das von
Menn beschriebene und auf Grundlage von Versuchsauswertungen entwickelte Modellverhalten
[9] kann im Rahmen der Simulation in vergleichbarer Weise beobachtet und bestätigt werden.
Maurer verwendete das Modell von Menn in [67] zur Bemessung der Betongurte von
Stahlverbundträgern auf Schub mit Querbiegung und stellte es hierzu auf das seinerzeit
vorgesehene Format und Sicherheitskonzept des Eurocode 2 um. Im folgenden werden die
Interaktionsbedingungen in Anlehnung an Menn [9] auf das aktuelle Format der DIN EN
1992-2 [19, 20] umgestellt. Hierzu sind im Vergleich zu [67] nur noch geringfügige Anpassungen
erforderlich. Diese betreffen im Wesentlichen die Verwendung des Beiwerts zur Berücksichtigung
von Langzeiteffekten α für Biegung und Schub sowie die Höhe der Druckspannungsbegrenzung
innerhalb des Druckfeldes durch den Abminderungsbeiwert ν. Dieser wird entsprechend der
derzeit gültigen Fassung der DIN EN 1992-2 [19] unter Berücksichtigung der DIN EN 1992-2/NA
[20] mit ν = 0,75 in Rechnung gestellt.
Für das Aufstellen der Interaktionsbedingungen sind zwei Fälle zu unterscheiden. Im ersten
Fall ist die Zugkraft in der Gurtanschlussbewehrung infolge Schub größer und im zweiten Fall
kleiner als die Druckkraft infolge Querbiegung [9].
Für den Fall 1 vorwiegender Schubbeanspruchung führt die Querbiegung zu keiner zusätzli-
177
as,GA,1 σs,1
d2 d0 d1
mR
Fc,H
hf
x1
vR
as,GA,2 σs,2
as,GA,1
hf
x1
as,GA,2
∆
x=
1,0
θ
m
Fs=as,GA,1 σ s,1
+as,GA,2 σ s,2
Fc,H=Fc sin θ mR
vR
Fc
Fc= σ c ∆ x sin θ x1
θ
sin
∆x
σc
Abb. 9.8: Schematische Darstellung der Beanspruchung eines Gurtabschnitts für den Fall 1 nach
Menn [9] in Anlehnung an [67]
chen Beanspruchung des Betons auf Druck. Stattdessen erfolgt eine Erhöhung beziehungsweise
Reduktion der Zugkräfte in der Gurtanschlussbewehrung [9]. Das Gleichgewicht an einem
Gurtscheibenabschnitt kann durch (9.6) angegeben werden. Die einzelnen Bezeichnungen sind
in Abbildung 9.8 für den Fall 1 dargestellt.
F · cos Θ = σ · x · sin Θ · cos Θ
c c 1 Beton
vR = min
Fs / tan Θ = (as,GA,1 · σs1 + as,GA,2 · σs2 ) · cot Θ Betonstahl (9.6)
x
1
mR = as,GA,1 · σs1 · d0 − σc · x1 · sin2 Θ · − d2
2
Unter Berücksichtigung der Begrenzung der Betondruckspannungen gemäß (9.7), der Ein-
führung einer zusätzlichen Abminderung der schiefen Betondruckspannungen in Bereichen
mit schräger Schubrissbildung ν und der Annahme, dass die Stahlspannung in der oberen
Bewehrungslage den Bemessungswert der Streckgrenze fyd erreicht, ergeben sich die Bemes-
178 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
fck fck
σc = fcd = αcc · = 0,85 · (9.7)
γc 1,5
f · x · ν · sin Θ · cos Θ
cd 1
vRd = min
(as,GA,1 · fyd + as,GA,2 · σs2 ) · cot Θ (9.8)
x
2 1
mRd = as,GA,1 · fyd · d0 − fcd · x1 · ν · sin Θ · − d2
2
Die Interaktionsbeziehung (9.9) ergibt sich durch die Umstellung der ersten Gleichung für
vRd in (9.8) nach x1 und anschließendes Einsetzen in die Bedingung zur Sicherstellung des
Momentengleichgewichts.
vRd
mRd = as,GA,1 · fyd · d0 − vRd · tan Θ · − d2 (9.9)
2 · fcd · ν · sin Θ · cos Θ
Beim Fall 2 vorwiegender Querbiegebeanspruchung führt diese dazu, dass die Zugkräfte infol-
ge Schub in der Bewehrungslage auf der Biegedruckseite kleiner werden als die Biegedruckkraft.
Menn führt zur Aufnahme dieser zusätzlichen Biegedruckkomponente eine zusätzliche Beton-
druckkraft ein und verlagert das Betondruckspannungsfeld aus Schub in Richtung Stegmitte
[9] (hier: Gurtmitte).
Das Gleichgewicht an einem Gurtscheibenabschnitt kann durch (9.10) angegeben werden.
Die einzelnen Bezeichnungen sind in Abbildung 9.9 für den Fall 2 dargestellt.
F · cos Θ = σ · x · sin Θ · cos Θ
c c 1
vR = min
(Fs − Fcu,H ) / tan Θ = (as,GA,1 · σs1 − x2 · σc ) · cot Θ (9.10)
x2 2
x
1 x2
mR = as,GA,1 · σs1 · hf − d1 − − σc · x1 · sin Θ · +
2 2 2
Durch die Berücksichtigung der gleichen Annahmen zur Ausnutzung der Druckspannungs-
felder und der Gurtanschlussbewehrung wie bei Fall 1, können die Widerstände für Schub mit
überwiegender Querbiegung im Fall 2 gemäß (9.11) angegeben werden.
f · x · ν · sin Θ · cos Θ
cd 1
vRd = min
(as,GA,1 · fyd − x2 · fcd ) · cot Θ (9.11)
x2 2
x
1 x2
mRd = as,GA,1 · fyd · hf − d1 − − fcd · x1 · ν · sin Θ · +
2 2 2
Die Interaktionsbeziehung (9.12) für den Fall 2 ergibt sich durch die Umstellung der Glei-
chungen für vRd in (9.11) nach x1 beziehungsweise x2 und anschließendes Einsetzen in die
179
as,GA,1 σs,1
d d1
mR
Fc,H
hf
x2 x1
vR
Fcu,H
as,GA,1
hf
x2 x1
∆
x=
1,0
m
θ Fs=as,GA,1 σ s,1
Fc,H=Fc sin θ
Fcu,H=x2 σc
mR
vR
Biegedruckzone
Fc
Fc= σ c ∆ x sin θ x1
θ
sin
∆x
σc
Abb. 9.9: Schematische Darstellung der Beanspruchung eines Gurtabschnitts für den Fall 2 nach
Menn [9] in Anlehnung an [67]
as,GA,1 · fyd − vRd · tan Θ
⇒ mRd = as,GA,1 · fyd · hf − d1 −
2 · fcd
vRd as,GA,1 · fyd − vRd · tan Θ
− vRd · tan Θ · +
2 · fcd · ν · cos Θ · sin Θ 2 · fcd
Für die Aufstellung von Interaktionsdiagrammen ist eine bezogene beziehungsweise dimen-
sionslose Darstellung der aufnehmbaren Schubkräfte und Biegemomente erforderlich. Hierzu
180 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
werden in Anlehnung an Menn [9] die Bezugsgrößen vRd0 (9.13) und mRd0 (9.14) eingeführt.
Für einen gegebenen Querschnitt mit der Dicke hf stellt der Wert vRd0 den maximal aufnehm-
baren Schubfluss dar (d.h. x1 = hf ). Das Bezugsmoment mRd0 stellt für diesen Querschnitt,
dessen Bewehrung für vRd0 ausgelegt ist, das zugehörige maximal aufnehmbare Biegemoment
dar.
!
mRd0 = as,GA,1 · fyd · z = x2 · fcd · z = 0,5 · vRd0 · tan Θ · z
mit
0,5 · vRd0 · tan Θ (9.15)
⇒ x2 = = 0,5 · hf · ν · sin2 Θ
f cd
x2
z = hf − d1 −
2 x2 (9.14)
⇒ mRd0 = 0,5 · fcd · hf · ν · sin Θ · cos Θ · tan Θ · hf − d1 −
=d 2
z }| { 1
= 0,5 · fcd · hf · ν · sin2 Θ · hf − d1 − · hf · ν · sin2 Θ
4
mit
(9.16)
= ω 0 · fcd · d · (d − 0,5 · ω 0 · d) = ω 0 · fcd · d2 · (1 − 0,5 · ω 0 )
mit mit 2
as,GA,tot (9.8) vRd0 (9.13) fcd · ν · sin Θ
ρ0 = = =
hf hf · fyd · cot Θ fyd
(9.15)
mit
as,GA,tot = as,GA,1 + as,GA,2
mit
ρ0 hf fyd (9.15) ν · sin2 Θ hf
ω0 = · · = · (9.16)
2 d fcd 2 d
Der tatsächlich vorhandene geometrische Bewehrungsgrad ρtot wird mit (as,GA,1 +as,GA,2 )/hf
bei der Erstellung der Interaktionsdiagramme berücksichtigt. Zusätzlich sind einige Grenzbedin-
gungen beim Aufstellen der Diagramme zu beachten [67]. Für den Fall 1 gilt nach (9.17), dass
die Gesamthöhe des rechnerischen Druckfelds x1 nicht größer werden darf als die vorhandene
181
ε c=-0,0035
0,416 x2
Fc= α R x2 fcd
x2=0,6167 d
-
ka x2=
Fc=0,493 d fcd
0,8 x2
-0,002 =0,5 d fcd
z=0,753 d
z=0,743 d
d
As + Fs Fs
εs=0,002175
Gurtdicke hf .
vRd
Fall 1: x1 ≤ hf ⇒ ≤1 (9.17)
vRd0
Für den Fall 2 gilt nach (9.18) analog zum Fall 1, dass die Gesamthöhe des rechnerischen
Druckfeldes bestehend aus den Komponenten x1 und x2 nicht größer werden darf als die
vorhandene Gurtdicke hf .
Fall 2: x1 + x2 ≤ hf (9.18)
Darüber hinaus ist die Einhaltung der zulässigen Grenzdehnungen infolge Querbiegung
entsprechend der Vorgaben der DIN EN 1992 [18–20] sicherzustellen. Die DIN EN 1992-
1-1 erlaubt für die Anwendung im allgemeinen Hochbau hierzu die Berücksichtigung eines
resultierenden Biegedruckspannungsblocks gemäß Abbildung 9.10(b). Für den Brückenbau darf
die Querschnittsbemessung auf Grundlage eines Parabel-Rechteck-Diagramms entsprechend
der in Abbildung 9.10(c) dargestellten Spannungsverteilung im Querschnitt erfolgen. Die
Anwendung alternativer Spannungs-Dehnungs-Beziehungen ist ebenfalls zulässig, wenn sie zu
gleichwertigen oder konservativeren Ergebnissen führen [20, NCI zu 3.1.7(2)].
Für die Ermittlung des zulässigen Grenzmoments erfolgt zunächst ein Vergleich der theoreti-
schen Werte auf Basis der Rechnungen mit dem Parabel-Rechteck-Diagramm beziehungsweise
einem vereinfachten Spannungsblock. Die Bruchdehnung des Betons wird hierbei gemäß DIN
EN 1992 auf cu2 = −3,5‰ festgelegt. Die Grenzdehnung des Betonstahls ergibt sich für einen
B500A beziehungsweise B500B im GZT zu fyd /Es = 435/200000 = 0,002175 = 2,175‰. Die
zugehörige Dehnungsebene und die daraus resultierenden Biegedruckkräfte können Abbildung
9.10 entnommen werden.
Für die vereinfachte Ermittlung mit dem konstanten Spannungsblock (Abbildung 9.10(b))
182 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
x2 = 0,8 · 0,6167 · d
F c = 0,493 · d · fcd
(9.19)
z = 0,753 · d
mRd ≤ 0,371 · d2 · fcd
Bei einer Berechnung auf Grundlage des Parabel-Rechteck-Diagramms kann das zugehörige
Grenzmoment nach (9.20) ermittelt werden.
x2 = 0,6167 · d
F c = 0,81 · 0,6167 · d · fcd = 0,5 · fcd
(9.20)
z = (1 − 0,416 · x2 ) · d = 0,743 · d
mRd ≤ 0,371 · d2 · fcd
Die beiden Varianten zur Ermittlung des rechnerischen Grenzmoments führen am Rechteck-
querschnitt zu gleichwertigen Ergebnissen. Die Nutzung des vereinfachten Spannungsblocks ist
folglich auch durch die DIN EN 1992-2/NA [20, NCI zu 3.1.7(2)] abgedeckt.
Auf Basis der Interaktionsbedingungen und unter Berücksichtigung der genannten Grenz-
bedingungen werden Interaktionsdiagramme für unterschiedliche Druckstrebenneigungen und
variierende Bewehrungsverhältnisse aufgestellt. Die Wahl der Druckstrebenneigung für die
Interaktionsdiagramme erfolgt in Anlehnung an die Ergebnisse der durchgeführten Simulations-
rechnungen an einem Hohlkastenquerschnitt in Kapitel 8 für Winkelbereiche zwischen Θ = 15°
und Θ = 40°. Die Diagramme sind in Anhang A abgedruckt.
Zur Verifikation der Interaktionsbedingungen werden nachfolgend die experimentell ermittel-
ten Traglasten ausgewählter Versuche zur Tragfähigkeit unter Schubbeanspruchung mit und
ohne Querbiegung in den jeweils zugehörigen Interaktionsdiagrammen ausgewertet. Die Tabelle
9.5 enthält die verwendeten Daten der hierzu herangezogenen experimentellen Untersuchungen
aus der Literatur. Der Vergleich der erzielten Traglasten im Versuch mit den Diagrammen
erfolgt auf Basis der ebenfalls in Tabelle 9.5 aufgeführten Mittelwerte der Baustoffeigenschaf-
ten. Sowohl die Teilsicherheitsbeiwerte γ c und γ s auf der Materialseite für den Beton und
den Betonstahl als auch der Beiwert zur Berücksichtigung der Dauerfestigkeit αcc werden
für die Aufstellung der Diagramme, die dem Vergleich mit den Versuchswerten dienen (siehe
Abbildungen 9.11, 9.12 und 9.13), mit 1,0 angesetzt.
Die Tragfähigkeit wird durch die Interaktionskurven in nahezu allen Fällen gut angenähert
beziehungsweise auf der sicheren Seite liegend abgeschätzt (siehe Abbildungen 9.11, 9.12 und
9.13). Ausnahmen stellen die Nachrechnungen der Versuche PB1 und PB2 von Schieferstein
183
dar. Der Versagensmechanismus des erstgenannten Trägers wurde in Kapitel 7.2.2 genauer
untersucht. Es wurde gezeigt, dass es sich um eine Kombination aus Biegedruckbruch des
Balkens und Schubbruch der Platte gehandelt hat. Daher ist zusätzlich die rechnerisch in Kapitel
7.2.2 ermittelte Bruchlast der Gurtscheibe in Abbildung 9.11(b) mit ausgewertet. Darüber
hinaus wird für alle Nachrechnungen die uniaxiale Betondruckfestigkeit in nicht abgeminderter
Form angesetzt (ν = 1,0). Unter Ansatz einer Abminderung von ν = 0,75 gemäß DIN EN
1992-2/NA [20] liegen alle Rechenergebnisse auf der sicheren Seite.
184 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0
vR/vR0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2
mR/mR0 mR/mR0
1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0
vR/vR0
0,8 0,8
Grenzmoment
Grenzmoment
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
mR/mR0 mR/mR0
1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0
vR/vR0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2
mR/mR0 mR/mR0
Abb. 9.12: Nachrechnung der Versuche von Badawy und Bachmann mit ν = 1,0
185
1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0
vR/vR0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2
mR/mR0 mR/mR0
1,4 1,4
1,2 1,2
1 1
vR/vR0
vR/vR0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 0,2
0 0
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2
mR/mR0 mR/mR0
Abb. 9.13: Nachrechnung der Versuche von Bacchetta und Bachmann mit ν = 1,0
186 9 Schnittgrößeninteraktionen auf Bauteilebene
Kapitel 10
10.1 Allgemeines
Aus den gewonnenen Erkenntnissen zum Tragverhalten des schubfesten Gurtanschlusses in
Bereichen vorwiegender Längsdruckspannungen werden nachfolgend zwei Vorschläge für eine
Bemessung im GZT abgeleitet.
Der erste Bemessungsvorschlag gilt für Betonquerschnitte mit sehr geringen vorhandenen
Anschlussbewehrungsgraden und berücksichtigt die in den Untersuchungen festgestellten hohen
rechnerischen Tragfähigkeiten des ungerissenen Druckgurtquerschnitts. Eine etwaige vorhandene
geringe Gurtanschlussbewehrung bleibt im Nachweiskonzept, das auf zulässigen Hauptzugspan-
nungen basiert, unberücksichtigt. Zur Erzielung einer möglichst robusten Tragwerksauslegung
ist von einer Anwendung dieses Vorschlags für die Neubauplanung abzusehen. Er ist einzig für
die Beurteilung der Tragfähigkeit der Bodenplatten bestehender Hohlkastenbrücken gedacht,
die bereits einen großen Teil ihrer ursprünglich geplanten Nutzungsdauer unter Verkehr sind
und die keine Risse im Bereich der Druckgurtanschlüsse aufweisen.
Der zweite Bemessungsvorschlag ist sowohl für die Nachrechnung bestehender Konstruktionen
als auch für die Planung von Neubauten sinnvoll einsetzbar. Die Nachweisführung im GZT
erfolgt auf Grundlage des in Kapitel 8.3.1 entwickelten Stabwerkmodells unter Berücksichtigung
der wahrscheinlichen Rissentwicklung.
σx,GA,Ed 1 p
σI,GA,Ed = + · σx,GA,Ed 2 + 4 · τxy,GA,Ed 2 (10.2)
2 2
Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Im Fall 1 ist der Gesamtquerschnitt infolge Biegung
des Längssystems noch im ungerissenen Zustand I. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn
die Randspannungen des in der Zugzone beziehungsweise auf der weniger stark gedrückten
Seite liegenden Gurts im GZT den Wert fctm nicht überschreiten. Sind die rechnerischen
Randzugspannungen größer als fctm gilt Fall 2, in dem der Gesamtquerschnitt infolge Biegung
des Längssystems bereits in den gerissenen Zustand II übergegangen ist. Die Ermittlung der
Eingangswerte der Beanspruchungen erfolgt für den Fall 1 nach (10.3) und für den Fall 2
entsprechend (10.4).
NEd MEd
σx,GA,Ed = + · z1
Ac Iy
(10.3)
VEd · Sy TEd
τxy,GA,Ed = τV,Ed + τT,Ed = +
Iy · hf WT
MEd
σx,GA,Ed =
z · Acc
(10.4)
∆Fd TEd
τxy,GA,Ed = τV,Ed + τT,Ed = +
hf · ∆x WT
WT = 2 · Ak · hf (10.5)
189
4,5
4
3,5
3
τ/fctm
2,5
Kupfer 2
Vecchio/Collins (PV) 1,5
Schlaich/Schäfer
Maier/Thürlimann (S2/S7) 1
Hohlkasten Punktlast FEM 0,5
Hohlkasten Linienlast FEM τ = 0,4fctd
0
-1 -0,9 -0,8 -0,7 -0,6 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1
σx/fcm
Abb. 10.1: Vergleich numerisch und experimentell ermittelter Erstrisslasten mit dem
Bemessungsvorschlag nach (10.1)
Bei der Ermittlung der Querschnittswerte sind die mitwirkenden Gurtbreiten gemäß
DIN Fachbericht 102 [26] beziehungsweise DIN EN 1992-2 [18, 20] zu berücksichtigen. Für den
Bemessungswert der anrechenbaren Betonzugfestigkeit gilt (10.6). Es wird vorgeschlagen, den
Beiwert αct zur Berücksichtigung von Langzeiteffekten und ungünstigen Auswirkungen infolge
der Art der Beanspruchung auf Grundlage des in Kapitel 8.3.3 beobachteten Modellverhaltens
mit αct = 0,85 festzulegen und zusätzlich den Faktor k 1 = 0,8 einzubeziehen. Hierdurch soll
den Auswirkungen etwaiger Spannungsspitzen, die in der Rechnung nicht erfasst werden können,
Rechnung getragen werden. Die in den Modellrechnungen festgestellten Abminderungen der
Tragfähigkeit des ungerissenen Gurtes (siehe Kapitel 8.3.3) werden durch diese Annahmen
weitestgehend abgedeckt. Durch die fehlende Berücksichtigung üblicherweise vorhandener mas-
siver Querträger in den hier durchgeführten Simulationsrechnungen kann davon ausgegangen
werden, dass die getroffenen Annahmen zu auf der sicheren Seite liegenden Ergebnissen führen.
fctk;0,05
σI,GA,Rd = k 1 · fctd = k 1 · αct ·
γc
mit (10.6)
In Abbildung 10.1 ist die unter Berücksichtigung von (10.6) ermittelte Grenzlinie im
σx,GA /τxy,GA -Raum den rechnerischen Bruchlasten aus den Simulationsrechnungen und den in
Kapitel 9.2.1 dargestellten Versuchsergebnissen an Stahlbetonscheiben gegenübergestellt. Es ist
zu erkennen, dass in allen Fällen eine sichere Tragwerksbemessung erreicht wird. Darüber hinaus
kann unter Einbeziehung des vorhandenen Längsspannungszustands die Tragfähigkeit des unge-
rissenen Querschnitts deutlich besser ausgenutzt werden als dies nach derzeitigen Regelwerken
190 10 Vorschläge für die Bemessung
1,5
1,45
1,4
1,35
fctm,fl/fctm [-]
1,3
1,25
1,2
Model Code 1990
1,15
1,1
1,05 DIN EN 1992-1-1
1
200 400 600 800 1000 1200 1400
Gurtdicke hf [mm]
Abb. 10.2: Vergleich der bezogenen Biegezugfestigkeit in Abhängigkeit der Bauteildicke nach
Model Code 1990 und DIN EN 1992-1-1
[18–20, 79] möglich ist. Die derzeit zulässige Bemessungsgrenze von τxy,GA = 0,4 · fctd ist zum
Vergleich ebenfalls in Abbildung 10.1 eingetragen.
einhergeht.
σy σy,ef f fctm
= ⇒ σy,ef f = σy · (10.7)
fctm,f l fctm fctm,f l
Die vorhandene Beanspruchung unter Berücksichtigung der Querbiegung kann nach (10.9)
ermittelt werden.
s 2
σx,GA,Ed + σy,ef f,Ed σx,GA,Ed − σy,ef f,Ed
σI,GA,Ed = + + 4 · τxy,GA 2,Ed (10.9)
2 2
Die Neigung der Druckstrebenwinkel wird hierbei ohne Ansatz eines zusätzlichen Traganteils
infolge Rissreibung (siehe hierzu auch Kapitel 5) auf Grundlage des im GZT vorhandenen
Spannungszustands innerhalb der mitwirkenden Gurtbereiche ermittelt.
Die Formulierung des hier vorgeschlagenen Nachweisformats erfolgt unter Verwendung der
Notation der DIN EN 1992 [18–20].
Der Nachweis des schubfesten Anschlusses nach (10.10) ist erbracht, wenn der Bemessungs-
wert der Beanspruchungen im GZT kleiner oder gleich dem Bemessungswert des Bauteilwider-
standes ist.
Grundlage für die Ermittlung des Bemessungswerts der Beanspruchung nach (10.11) ist die
DIN EN 1992. Abweichend von den Vorgaben des Eurocodes erfolgt die Ermittlung der Beanspru-
chungen und der Widerstände bezogen auf die Längeneinheit ∆x = 1,0m. Es ist nachzuweisen,
dass der so ermittelte Schubfluss weder die Maximaltragfähigkeit der Betondruckstrebe noch
die Tragfähigkeit der Bewehrung nach (10.12) übersteigt.
h · ν · f · sin Θ · cos Θ
f cd f f Tragfähigkeit der Druckstrebe
vEd ≤ (10.12)
(As,GA · fyd /sf ) · cot Θf Tragfähigkeit der Bewehrung
Abweichend von den derzeitigen Regelungen der DIN EN 1992 wird vorgeschlagen, den mini-
malen Druckstrebenwinkel Θf entsprechend der Neigung der Hauptdruckspannungstrajektorien
im Gurtanschnitt zum Steg im Abstand d vom Zwischenauflager festzulegen. Die Ermittlung
des Winkels darf vereinfachend nach Technischer Biegelehre am Balken im ungerissenen Zu-
stand I erfolgen. Diese Vereinfachung gilt ausschließlich für die Berechnung des Neigungswinkels
der Druckstrebe. Die Bestimmung des Schubflusses vEd erfolgt im GZT unter der Annahme
gerissener Querschnitte.
Bei der Ermittlung der Querschnittswerte sind die mitwirkenden Gurtbreiten entsprechend
DIN EN 1992-1-1 [18, Abs. 5.3.2.1] zu berücksichtigen. Hierbei wird empfohlen, den Ab-
stand zwischen den Momentennullpunkten l0 für die maßgebende Einwirkungskombination
im GZT rechnerisch am Balkenmodell zu berechnen und von einer vereinfachten Annahme
gemäß DIN EN 1992-1-1 [18, Abs. 5.3.2.1(2), Bild 5.2] abzusehen. Der Neigungswinkel der
Betondruckstrebe im Druckgurt der Bodenplatte von Kastenquerschnitten im Abstand d vom
Zwischenauflager darf entsprechend (10.13) ermittelt werden. Zwischen dem minimalen Nei-
gungswinkel im Abstand d vom Zwischenauflager und dem Momentennulldurchgang kann die
Neigung der Betondruckstrebe in guter Näherung als linear veränderlich angenommen werden
193
Momentennulldurchgang
(a) System
lbd
σI<0,4 fctd
lbd
35°
40°
40°
linear d
θ f=40° θ f=35° θ f>15°
Winkel berechnen
(c) Bodenplatte: Druckstrebenwinkel für die Bemessung
Abb. 10.3: Vorschlag zur Ermittlung der Druckstrebenneigung und der Verankerungsbereiche der
Gurtanschlussbewehrung; Winkel im Abstand d nach (10.13) und (10.14)
Auf Basis der Ergebnisse der durchgeführten Modellrechnungen werden für Druckgurtan-
schlüsse die Grenzwerte für den Winkel Θ nach (10.14) vorgeschlagen.
In Abbildung 10.4 ist der Vorschlag zur Ermittlung der Druckstrebenneigung im Gurtan-
schnitt im Vergleich zu den Ergebnissen der in Kapitel 8 durchgeführten Simulationsrechnungen
ausgewertet. Sowohl die Ergebnisse der hier durchgeführten Berechnungen als auch die Auswer-
194 10 Vorschläge für die Bemessung
Druckstrebenwinkel θ [°]
70 70
60 60
50 50
40 40
30 30
20 20
10 10
0 0
0 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50
L [m] L [m]
Abb. 10.4: Vergleich des Vorschlags zur Ermittlung der Druckstrebenwinkel mit den Ergebnissen der
FE-Simulation aus Kapitel 8
tungen der Traglasten im Rahmen der experimentellen Studien an Plattenbalken von Badawy
und Bachmann [5] beziehungsweise Bacchetta und Bachmann [3] bestätigen die vorgeschlagene
Obergrenze für den Druckstrebenwinkel von Θ = 35° im Bereich von Druckgurtanschlüssen.
Für eine konkrete Bemessungsaufgabe ist es zweckmäßig, die Neigung der Druckstrebe
abschnittsweise konstant anzunehmen. In diesem Fall sollte immer der mittlere Winkel Θ für
den jeweils betrachteten Abschnitt verwendet werden. Die Abschnittslänge darf analog zur Vor-
gehensweise der DIN EN 1992 die halbe Länge zwischen betragsmäßigem Momentenmaximum
und Momentennullpunkt nicht überschreiten. Es wird jedoch insbesondere für die Nachrech-
nung bestehender Bauwerke empfohlen, kürzere Abschnittslängen zu definieren. Im Fall einer
gestaffelten Gurtanschlussbewehrung sollten die Bereichslängen analog zu den Empfehlungen
im Rahmen der ersten Ergänzung zur Nachrechnungsrichtlinie [80] an der vorhandenen Be-
wehrungsführung ausgerichtet werden. Hierdurch wird eine optimale rechnerische Ausnutzung
erreicht.
Für den Fall einer zusätzlichen Querbiegebeanspruchung wird empfohlen, den Nachweis der
Tragfähigkeit im GZT auf Grundlage der in Kapitel 9.3.1 hergeleiteten Interaktionsbedingungen
zu führen. Hierzu werden in Anhang A entsprechende Interaktionsdiagramme bereitgestellt.
Die Ermittlung der Druckstrebenneigung Θ darf analog zur Vorgehensweise ohne Querbiegung
erfolgen.
195
beff,sy
as,GA,n
as,GA,n-1
as,GA,2
as,GA,1
beff,sy
Druck-
gurt
l1 l2 ln-1 ln=d
Winkel
θ f,1<35° θ f,2 θ f,n-1 θ f,n>15°
Abb. 10.5: Annahmen zur Ermittlung der maximal mitwirkenden Gurtbreite; Winkel im Abstand d
nach (10.13) und (10.14)
Für bestehende Brückenbauwerke, bei welchen der Nachweis des schubfesten Gurtanschlusses
durch das in Kapitel 10.3.2 vorgeschlagene Nachweisformat aufgrund nicht ausreichend vorhande-
ner Querbewehrung nicht erbracht werden kann, wird nachfolgend ein weiteres Nachweiskonzept
zur Ermittlung der Grenztragfähigkeit des Querschnitts vorgestellt. Das Nachweisformat basiert
auf der Annahme, dass die Gesamttragfähigkeit des Querschnitts nach Überschreitung der
Fließgrenze der Bewehrung noch nicht erreicht ist. Darüber hinaus wird dem Umstand Rech-
nung getragen, dass in Einzelfällen nicht die volle rechnerisch mitwirkende Gurtbreite gemäß
DIN EN 1992 erforderlich ist, um eine ausreichende Tragfähigkeit nachzuweisen.
n
X b
ef f nach DIN EN 1992
bef f ,sy = bef f ,sy,i ≤
b tatsächliche Gurtbreite
i=1
mit (10.15)
vRd,sy,i · li
bef f ,sy,i = ; li = l1 ...ln (siehe Abbildung 10.5)
hf · fcd
vRd,sy,i = as,GA,i · fyd / (hf / cot Θ)
Die Ermittlung der maximal aktivierbaren mitwirkenden Gurtbreite bef f ,sy nach (10.15)
erfolgt im GZT in Abhängigkeit der Tragfähigkeit der vorhandenen Gurtanschlussbewehrung.
Hierbei wird davon ausgegangen, dass der vorhandene Schubfluss im Gurtanschnitt die Grenz-
tragfähigkeit der Gurtanschlussbewehrung genau erreicht (vEd =vRd,sy ). In Abbildung 10.5 sind
die Eingangsgrößen für die Berechnung schematisch dargestellt.
Für die auf diese Weise ermittelten Gurtbreiten ist der Nachweis des schubfesten Anschlusses
implizit erbracht. Es ist jedoch zu beachten, dass dieser Nachweis nicht losgelöst von der Ermitt-
196 10 Vorschläge für die Bemessung
lung der Biegetragfähigkeit des Querschnitts erfolgen darf. Die Tragfähigkeit des Querschnitts
für Biegung mit Längskraft im GZT ist daher ebenfalls auf Grundlage der mitwirkenden Breite
nach (10.15) nachzuweisen.
Bei dieser Art der Nachweisführung wird angenommen, dass eine weitere Steigerung der
Beanspruchungen nach Überschreitung der Grenztragfähigkeit der Gurtanschlussbewehrung
durch die übrigen Bereiche des Querschnitts aufgenommen werden können. Damit sich ein
solches Tragverhalten einstellen kann, ist mit einer erhöhten Rissbildung mit nicht nach
derzeitigen Anforderungen für Brückenüberbauten begrenzten Rissbreiten zu rechnen. Daher
wird dieses Nachweisformat ausschließlich für die Ermittlung der Resttragfähigkeit bestehender
Bauwerke vorgeschlagen, für die von einer vorläufig eingeschränkten Restnutzungsdauer von
bis zu 20 Jahren auszugehen ist (Nachweisklasse C gemäß NR [79]).
Daher ist es unerlässlich, die Eignung eines Modells im Einzelfall zu prüfen. Das Studium der
durch den Programmhersteller zur Verfügung gestellten Modell- und Programmbeschreibung
ist hierzu im Allgemeinen nicht ausreichend. Eine zielführende Vorgehensweise, die in dieser
Arbeit Anwendung gefunden hat, wird daher nachfolgend kurz skizziert:
Zur Verifikation der Qualität des verwendeten Modells ist die Nachrechnung von Versuchen,
die das zu untersuchende Problemfeld abdecken und deren Ergebnisse bereits bekannt und gut
dokumentiert sind, eine pragmatische und zielführende Methode [72]. Hierbei ist besonders
darauf zu achten, dass neben dem Last-Verformungsverhalten weitere das Tragverhalten
kennzeichnende Parameter verglichen werden. Hierzu zählen beispielsweise Stahldehnungen,
Betonstauchungen oder das Rissverhalten. Je mehr Übereinstimmungen zwischen Experiment
und Rechenmodell erzielt werden können, desto besser kann die Qualität des Modells in Bezug
auf die zu untersuchende Fragestellung eingeschätzt werden.
Die hier durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere etwas größere
Versuchskörper mit innerhalb des Bauteils veränderlichem Spannungszustand für eine Nach-
rechnung gut geeignet sind. Dies kann zum einen damit begründet werden, dass Störeinflüsse
durch örtliche Lasteinleitungspunkte hier in der Regel gering sind und zum anderen damit,
dass innerhalb dieser Versuchskörper noch gewisse Spannungsumlagerungen möglich sind. Die
Nachrechnung kleinmaßstäblicher Versuche, zum Beispiel Scheiben, in denen ein gleichmäßiger
Spannungszustand erzeugt wird, eignen sich durchaus zur Erlangung eines besseren Verständ-
nisses des Modellverhaltens. Eine exakte Ermittlung der im Versuch festgestellten Bruchlast ist
hier jedoch im Allgemeinen nicht möglich, da die Schwankungsbreite der Ergebnisse solcher
experimentellen Untersuchungen eine exakte Nachrechnung nicht zulassen (siehe hierzu auch
Kapitel 3.4.3).
Im Anschluss an die Verifikation des Rechenmodells sollte der Einfluss möglicherweise
streuender Parameter im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse überprüft werden. Hierzu zählen
neben streuenden Materialparametern, wie zum Beispiel der Zugfestigkeit des Beton, auch
geänderte Systemrandbedingungen, die mögliche Auswirkungen auf die Ergebnisse haben
können. So werden Versuchsbalken im Experiment in der Regel unter hohen konzentriert
aufgebrachten Pressenkräften bis zum Bruch belastet. Im Fall realer Betonbrücken kann hingegen
davon ausgegangen werden, dass der größte Teil der bemessungsrelevanten Beanspruchungen
durch gleichmäßig verteilte Lasten verursacht wird. Vor der Übertragung des Modells vom
Versuchsträger auf ein Realbauwerk ist es daher ratsam, das System im Hinblick auf ein
möglicherweise sensitives Verhalten bei Änderung derartiger Randbedingungen zu überprüfen
und die Auswirkungen der Änderungen zu bewerten.
Bei der Beurteilung der Tragfähigkeit mittels nichtlinearer FEM ist neben einem geeigneten
Struktur- und Materialmodell auch ein für diese Zwecke geeignetes Sicherheitskonzept unerläss-
lich. Im Rahmen dieser Arbeit wurde das Tragverhalten im Modell untersucht mit dem Ziel,
Bemessungsansätze abzuleiten, die für eine Handrechnung geeignet sind. Sicherheitskonzepte
für nichtlineare Systemanalysen standen nicht im Fokus der Untersuchungen. Hierzu finden
198 10 Vorschläge für die Bemessung
sich eine Reihe von Veröffentlichungen in der Literatur. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf
[72] verwiesen.
Kapitel 11
11.1 Zusammenfassung
Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten Untersuchungen widmen sich der Analyse
des Tragverhaltens der Gurte gegliederter Querschnitte. Aufgrund der häufig auftretenden
Defizite bei der Nachrechnung der unter hohen Längsdruckspannungen stehenden Bodenplatten
im Bereich von Zwischenunterstützungen bestehender Hohlkastenbrücken mit ihrem schubfesten
Anschluss (siehe Kapitel 1.1) stehen diese Bereiche im Fokus der Studien.
Zunächst wurden zwei unterschiedliche Finite-Elemente-Modelle mit voneinander abweichen-
den Material- und Strukturmodellierungen an kleinmaßstäblichen Systemen und in der Folge an
gut dokumentierten Versuchen aus der Literatur kalibriert und in Bezug auf ihre Eignung zur
möglichst wirklichkeitsnahen Erfassung des Tragverhaltens überprüft (siehe Kapitel 4 und 6).
Die im Rahmen der Simulationsrechnungen erzielten Ergebnisse beschreiben das Verhalten
des jeweiligen Rechenmodells. Erst der Vergleich der Simulationsergebnisse mit den während
der Versuchsdurchführung dokumentierten Messwerten lässt Aussagen über die Qualität der nu-
merischen Näherungslösung zu. Neben dem Last-Durchbiegungsverhalten werden hierzu jeweils
mehrere weitere Parameter, wie zum Beispiel Stahldehnungen, Betonstauchungen, Versagensart
und das rechnerisch wahrscheinliche Rissverhalten mit den in der Versuchsdurchführung doku-
mentierten Messwerten und Beobachtungen verglichen. Mit beiden untersuchten Modellen ist
es grundsätzlich möglich, die Versagensart und die Bruchlasten wirklichkeitsnah zu simulieren.
Es wurde gezeigt, dass insbesondere mit dem verwendeten FEM-Programmsystem SOFiSTiK
sehr gute rechnerische Übereinstimmungen mit den Realversuchen zum Tragverhalten von Druck-
und Zuggurtanschlüssen erzielt werden können. Die numerischen Untersuchungen erfolgten
hierbei mit Schalenelementen auf Grundlage der nichtlinearen Elastizitätstheorie. Aufgrund der
guten Übereinstimmung bei der Nachrechnung dokumentierter Versuche und der darüber hinaus
bestehenden Möglichkeit zur gezielten Untersuchung weiterer Einflüsse mit vergleichsweise
geringem Rechenaufwand erfolgten die weiteren Sensitivitätsanalysen (siehe Kapitel 7) und
die anschließende Übertragung auf Strukturen mit brückenbaurelevanten Abmessungen (siehe
200 11 Zusammenfassung und Ausblick
Untersuchungen von Schieferstein [88] beziehungsweise Bacchetta und Bachmann [2] erklären.
Auf Grundlage der Beobachtungen zum Rissverhalten in den numerischen Modellrechnungen
und in den dokumentierten experimentellen Untersuchungen wurde ein Bemessungsvorschlag
für gerissene Gurtquerschnitte im GZT abgeleitet (siehe Kapitel 10). Zur Berücksichtigung
einer möglichen Interaktion mit einer zusätzlich vorhandenen Plattenbiegung wurde darüber
hinaus ein von Menn in [9] vorgestelltes Interaktionsverfahren auf das Format der aktuel-
len DIN EN 1992 angepasst. Die auf diese Weise erstellten Interaktionsdiagramme und die
erforderlichen Eingangswerte sind in Anhang A abgedruckt.
Aufgrund der hohen Längsdruckspannungen ist mit einer Rissbildung innerhalb der Boden-
platten im Bereich von Zwischenunterstützungen erst auf einem hohen Beanspruchungsniveau
zu rechnen (siehe Kapitel 9.2). Begünstigt wird das Rissverhalten durch die in der Regel geringen
Plattenbeanspruchungen, die gleichzeitig mit den Scheibenbeanspruchungen auftreten. Im Rah-
men der Bemessung auf Grundlage der derzeitigen Fassung der DIN EN 1992 [18–20] darf beim
Nachweis der Einhaltung eines geringen Schubspannungsgrenzwerts von einem ungerissenen
Gurtanschnitt ausgegangen werden. Dieses Nachweisformat berücksichtigt allerdings nicht einen
tatsächlichen günstigen Längsdruckspannungszustand. Es wurde daher ein Nachweisformat
entwickelt, das den positiven Einfluss vorhandener Längsdruckspannungen in geeigneter Weise
berücksichtigt (siehe Kapitel 10). Die Anwendung sollte jedoch auf die Tragfähigkeitsbeurteilung
älterer bestehender Bauwerke beschränkt bleiben, da es sich um einen Nachweis zur Begrenzung
der Hauptzugspannungen handelt. Die zuverlässige Ermittlung der Spannungen in Tragwerken
aus Beton ist aufgrund vieler Unsicherheiten bei den Rechenannahmen sehr schwierig.
11.2 Ausblick
Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Auswertungen zum Tragverhalten gegliederter
Querschnitte machen deutlich, dass die vorhandene Versuchsdatengrundlage derzeit noch sehr
gering ist. Darüber hinaus kann bei vielen der dokumentierten Versuche kein Versagen im
Bereich des Gurtanschlusses beobachtet werden, da zuvor ein Bruch an einer anderen Stelle im
Tragwerk eingetreten ist. Zur Verifikation genauerer Bemessungsverfahren sind daher weitere
systematische experimentelle Untersuchungen zum Tragverhalten des schubfesten Anschlusses
gegliederter Querschnitte erforderlich.
Auf Basis der Erkenntnisse der hier durchgeführten numerischen Untersuchungen werden
nachfolgend Randbedingungen formuliert, die bei der Planung zukünftiger Versuche berücksich-
tigt werden sollten.
Zur Untersuchung der Auswirkungen veränderlicher Längsspannungszustände in den Gurten
auf das Tragverhalten sind möglichst große ungestörte Trägerbereiche erforderlich. Es sollte daher
darauf geachtet werden, dass die Bernoulli-Hypothese in möglichst großen Trägerabschnitten
gültig ist und die Diskontinuitätsbereiche auf kleine Bereiche begrenzt bleiben.
203
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207
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[96] van Mier, J.G.M.: Complete Stress-Strain Behavior and Damaging Status of Concrete
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213
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[103] Zilch, K. und Zehetmaier, G.: Bemessung im konstruktiven Betonbau: nach DIN 1045-1
(Fassung 2008) und EN 1992-1-1 (Eurocode 2). Springer, 2010.
[104] Zink, M.: Zum Biegeschubversagen schlanker Bauteile aus Hochleistungsbeton mit und
ohne Vorspannung. Dissertation. Universität Leipzig, 1999.
214 LITERATUR
Tabellenverzeichnis
9.1 Versuche an Stahlbetonscheiben im Panel-Tester von Vecchio und Collins aus [97]168
216 TABELLENVERZEICHNIS
9.2 Versuche an Stahlbetonscheiben von Schlaich und Schäfer aus [91] . . . . . . 168
9.3 Versuche an Stahlbetonscheiben von Maier und Thürlimann aus [62] . . . . . 169
9.4 Versuche an unbewehrten Betonscheiben von Kupfer aus [55] . . . . . . . . . 169
9.5 Verwendete Parameter experimenteller Untersuchungen an Plattenbalkenquer-
schnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Abbildungsverzeichnis
3.10 Fließfläche in der (a) Meridianebene für Kc =2/3 und fb0 /fc0 =1,16 und in der
(b) Deviatorebene für verschiedene Werte für Kc gemäß [1] . . . . . . . . . . 37
3.11 Einfluss der Parameter αe und ψ auf die plastische Potentialfunktion zur Be-
schreibung der Fließregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.12 Qualitative Darstellung des Einflusses des Längenparameters lc bzw. der Zer-
stauchungsenergie Gcl auf die Arbeitslinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.13 Versteifungswirkung durch Tension Stiffening und Tension Softening in Anleh-
nung an Pölling [82] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.14 Untersuchungen zur Abminderung der Betondruckfestigkeit in gerissenen Stahl-
betonscheiben; Bezeichnungen siehe Tabelle 7.1 . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3.15 Ansatz der Zugversteifung in Anlehnung an DAfStb Heft 525 [13] nach [93] . . 47
4.16 Versuchsträger BM100 aus [81] und Abbildung der Bewehrung in den Flächen-
elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.17 Vergleich des dokumentierten Last-Verformungsverhaltens mit der Simulations-
rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
4.18 Schematische Darstellung des Rissbilds im Versuch nach [81] und in der Simu-
lationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
8.13 Einfluss einer Vorspannung auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwin-
kel im Modell mit Punktlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
8.14 Einfluss einer Vorspannung auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwin-
kel im Modell mit Linienlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
8.15 Einfluss der Gurtdicke auf die Neigung der rechnerischen Druckstrebenwinkel
im Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
8.16 Einfluss des Lasteinleitungsfächers im Steg auf die Schubbeanspruchung in den
Gurtanschlussfugen (hier für Θ = 45°) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
8.17 Auswirkung der berücksichtigten Momentenausrundung auf die Entwicklung
zusätzlicher Horizontalkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
8.18 Beispielrechnung zur Ausrundung des Stützmoments . . . . . . . . . . . . . . 158
8.19 Entstehung eines Versatzmoments unter Berücksichtigung einer vergrößerten
rechnerischen Auflagerbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
8.20 Modellierungsvarianten zur Ermittlung der Momentenausrundung mittels nicht-
linearer FEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
8.21 Ergebnisse der nichtlinearen Simulationsrechnungen zur Ausrundung des Stütz-
moments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
8.22 Exemplarische Darstellung des Einflusses der Diskretisierung (b) und der vorhan-
denen Querbiegemomente (c) am Bodenplattenanschnitt des Referenzsystems
mit Punktlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
8.23 Plattenquerkraft vy im Übergangsbereich zwischen gerissener und ungerissener
Gurtplatte für P = 14MN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
9.8 Schematische Darstellung der Beanspruchung eines Gurtabschnitts für den Fall 1
nach Menn [9] in Anlehnung an [67] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
9.9 Schematische Darstellung der Beanspruchung eines Gurtabschnitts für den Fall 2
nach Menn [9] in Anlehnung an [67] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
9.10 Resultierende Betondruckkraft unter Berücksichtigung der Grenzdehnung und
verschiedener Spannungs-Dehnungs-Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . 181
9.11 Nachrechnung der Versuche von Schieferstein mit ν = 1,0 . . . . . . . . . . . 184
9.12 Nachrechnung der Versuche von Badawy und Bachmann mit ν = 1,0 . . . . . 184
9.13 Nachrechnung der Versuche von Bacchetta und Bachmann mit ν = 1,0 . . . . 185
10.1 Vergleich numerisch und experimentell ermittelter Erstrisslasten mit dem Be-
messungsvorschlag nach (10.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
10.2 Vergleich der bezogenen Biegezugfestigkeit in Abhängigkeit der Bauteildicke
nach Model Code 1990 und DIN EN 1992-1-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
10.3 Vorschlag zur Ermittlung der Druckstrebenneigung und der Verankerungsbe-
reiche der Gurtanschlussbewehrung; Winkel im Abstand d nach (10.13) und
(10.14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
10.4 Vergleich des Vorschlags zur Ermittlung der Druckstrebenwinkel mit den Ergeb-
nissen der FE-Simulation aus Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
10.5 Annahmen zur Ermittlung der maximal mitwirkenden Gurtbreite; Winkel im
Abstand d nach (10.13) und (10.14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
A.1 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 226
A.2 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 226
A.3 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 227
A.4 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 227
A.5 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 228
A.6 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 228
A.7 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 229
A.8 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 229
A.9 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 230
A.10 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 230
A.11 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 231
A.12 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 231
A.13 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 232
A.14 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 232
A.15 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 233
A.16 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 233
A.17 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 234
224 ABBILDUNGSVERZEICHNIS
A.18 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 234
A.19 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 235
A.20 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =1 . . . . . . . 235
A.21 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 236
A.22 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 236
A.23 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 237
A.24 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 237
A.25 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5 . . . . . . 238
A.26 Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 238
A.27 Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 239
A.28 Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 239
A.29 Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 240
A.30 Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 =3 . . . . . . . 240
Anhang A
fcd · ν · sin2 Θ
ρ0 =
fyd
ν · sin2 Θ hf
ω0 = ·
2 d
mit
fck fyk
fcd = 0,85 · ; fyd = ; ν = 0,75 bis C 50/60
1,5 1,15
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0
Abb. A.1: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0
Abb. A.2: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1
227
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0
Abb. A.3: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
mRd/mRd0
Abb. A.4: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1
228 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
mRd/mRd0
Abb. A.5: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0
Abb. A.6: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5
229
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0
Abb. A.7: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0
Abb. A.8: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5
230 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0
Abb. A.9: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0
Abb. A.10: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 1,5
231
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.11: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.12: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3
232 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.13: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.14: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3
233
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.15: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,15 und ρs1 /ρs1 = 3
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0
Abb. A.16: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1
234 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0
Abb. A.17: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4,5 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
mRd/mRd0
Abb. A.18: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1
235
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4
mRd/mRd0
Abb. A.19: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4
mRd/mRd0
Abb. A.20: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1
236 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0
Abb. A.21: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0
Abb. A.22: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5
237
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0
Abb. A.23: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0
Abb. A.24: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5
238 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-4 -3,5 -3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5
mRd/mRd0
Abb. A.25: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 1,5
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.26: Interaktionsdiagramm für Θ = 15°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3
239
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.27: Interaktionsdiagramm für Θ = 20°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.28: Interaktionsdiagramm für Θ = 25°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3
240 A Interaktionsdiagramme für Schub mit Querbiegung
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.29: Interaktionsdiagramm für Θ = 30°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3
0,9
0,8
0,7
0,6
vRd/vRd0
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5
mRd/mRd0
Abb. A.30: Interaktionsdiagramm für Θ = 40°, d1 /hf = 0,10 und ρs1 /ρs1 = 3
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name Matthias Müller
Geburtsdatum 07.11.1979
Geburtsort Hagen
Staatsangehörigkeit deutsch
Beruflicher Werdegang
02/2002 bis 08/2005 Lederhose, Wittler & Partner GbR
Studentische Hilfskraft
03/2006 bis 04/2012 König und Heunisch Planungsgesellschaft mbH,
Dortmund
Angestellter Bauingenieur für konstruktiven
Ingenieurbau
08/2011 bis 07/2012 TU Dortmund, Lehrstuhl Betonbau
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
seit 07/2012 Bundesanstalt für Straßenwesen
Wissenschaftlicher Mitarbeiter