Zum Profil Der Mont - Paed
Zum Profil Der Mont - Paed
Zum Profil Der Mont - Paed
(erarbeitet von Prof. Dr. Hans Dietrich Raapke, Universität Oldenburg, und der
Fachgruppe „Theorie“ der Dozentenkonferenz der deutschen Montessori-Vereinigung
e.V., Stand 2003)
Leitgedanken:
4. Die pädagogischen Einrichtungen müssen sich nach der Entwicklung der Kin-
der richten, weil sie sonst die Kinder (aus dem Blick) verlieren.
1
Vgl. Schatz, Helga L.: Aktionsgemeinschaft Deutscher Montessori-Vereine e.V. In: Hansen-Schaberg, Inge/ Scho-
nig, Bruno (Hg.): Montessori-Pädagogik, Basiswissen Pädagogik Bd.4, Hohengehren 2002: Ludwig, Harald/
Fischer, Christian/ Fischer, Reinhard (Hg.): Montessori-Pädagogik in Deutschland – 40 Jahre Montessori-Vereini-
gung e.V., Impulse der Reformpädagogik Bd.7, Münster 2002, S.11.
gleichen zum Beispiel Polen, Tschechien und andere.2
Die Montessori-Pädagogik wird in vielen Ländern von engagierten Pädagoginnen und Pädagogen wei-
terentwickelt und auf die sich ändernden gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse hin eingerich-
tet. Unverändert aber sind die von Maria Montessori aufgestellten pädagogischen Prinzipien und ihre
Haltung gegenüber den Kindern, von deren Personalität und Würde sie tief überzeugt war.
2
Vgl. Ludwig,, Harald (Hg.): Montessori-Pädagogik in der Diskussion – Aktuelle Forschungen und internationale
Entwicklungen, Freiburg 1999.
und Interessenhorizont und markiert ihn zugleich. Vom Kind selbst, von innen her, kommt der An-
trieb, sich mit der Außenwelt auseinander zu setzen, sich an ihr abzuarbeiten, vielleicht sie ein Stück
weit zu beherrschen. Dem Kind muss darum Raum und Zeit gelassen werden, seine selbst gewählte
Arbeit auch selbständig und in Ruhe zu Ende zu führen, damit es durch das Erreichte sich selbst
(„Selbstkompetenz“) und seine Leistungsfähigkeit bestätigt fühlt.
Als Ziele stehen in der Montessori-Pädagogik von diesen Ausgangspunkten her nicht kanonisch fixier-
te inhaltliche Lernziele im Vordergrund, sondern - modern ausgedrückt – „Schlüsselkompetenzen“
wie disponieren, sprachlich kommunizieren, kooperieren, selbstverständlich in Verbindung mit fach-
lichen Kompetenzen. Es geht um die allmähliche Einübung des „selbstregulierten Lernens“ in Verbin-
dung mit dem Kompetenzerwerb. Den Kindern soll die Möglichkeit eröffnet werden, die Selbständig-
keit, die von ihnen als Erwachsenen erwartet wird, schon frühzeitig einzuüben. Eine wichtige Voraus-
setzung dafür ist die sich Schritt um Schritt erweiternde Unabhängigkeit von den Erwachsenen und
auch von anderen Kindern. Abhängigkeit von den Erwachsenen, die womöglich an den Kindern ihre
eigenen Fehler korrigieren möchten, führt nach Montessori leicht zur Unterwürfigkeit und dem Anleh-
nungsbedürfnis an einen starken „Führer“.3 Zu den Zielen gehören auch die heute so genannten „So-
zialkompetenzen“ in ihren vielfältigen Ausprägungen, die Bereitschaft zu helfen und Verantwortung
zu übernehmen gegenüber Menschen wie für die Erhaltung und Pflege der Natur.
In der Konsequenz führt das zu dem Ziel, dass Montessori-Einrichtungen für alle Kinder offen sind:
Lernschwache und Hochbegabte, Behinderte und Nichtbehinderte, Einheimische und Einwanderer,
Arme und Reiche, und zwar ohne Rivalität und Selektion. Höchstes Ziel war für Maria Montessori,
Kinder und Jugendliche heranwachsen zu sehen, die über alle ethnischen, nationalen und sozialen
Grenzen hinweg Frieden in der Welt schaffen. Das war eine großartige Vision, die dennoch einen rea-
listischen Kern hat: Jedes neugeborene Kind ist eine neue Chance zum Frieden.
Selbstverständlich ist auch die konkrete Leistung der Kinder und Jugendlichen auf jeder Stufe ihrer
Entwicklung von großer Bedeutung: Beim Kleinkind ist es die Mithilfe in der häuslichen Umwelt, im
Kinderhaus sind es die Übungen des praktischen Lebens und die Arbeit mit dem Sinnesmaterial zur
Förderung der operativen Intelligenz; in der Schule die schnell wachsenden Herausforderungen und
der fortschreitende Leistungsaufbau in der Mathematik sowie in der Beherrschung und dem Verständ-
nis der Sprache; nicht zuletzt das höchst komplexe und umfängliche Unternehmen der „Erforschung
von Natur und Kultur durch die Kinder und mit den Kindern“4 in der Kosmischen Erziehung. Kosmi-
sche Erziehung hat mehrere Dimensionen: ökologisch, humanethisch, politisch-sozial, religiös mit
dem obersten Ziel des Friedens. Im Spätwerk hat Montessori ihre inhaltlichen Vorstellungen zum
schulischen Lernen in einem auf die Entwicklung von Natur und Menschheit bezogenen „universalen
3
Vgl. dazu Montessoris berühmte Friedensrede in Genf (1932) in ihrer Schrift „Frieden und Erziehung“, Freiburg
1973; S.1-25; auch in „Die Macht der Schwachen“, Freiburg 1989, S.19-42.
4
Eckert, Ela: Maria und Mario Montessoris Kosmische Erziehung – Vision und Konkretion, Bad Heilbrunn 2001,
S.84
Lehrplan“ zusammengefasst (s. auch unten in Abschnitt 7: „Schule des Kindes“).5
In Schweden werden regelmäßig reichseinheitliche Leistungstest an allen Schulen durchgeführt. Dabei
schneiden die Montessori-Schulen eher besser ab als der Durchschnitt; ausschlaggebend ist dafür zu-
mal die größere Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler. Auch die Erfahrungen in anderen Län-
dern zeigen, dass es in vielen Montessori-Schulen gelingt, eine „Verbindung von Lust und Leistung“
zu erreichen, weil das Lernen Spaß macht, wenn es Erfolge bringt und Zufriedenheit nach sich zieht.6
5
Vgl. Fischer, Reinhard/ Klein-Landeck, Michael/ Ludwig, Harald (Hg.): Die „Kosmische Erziehung“ Maria
Montessoris, Reihe: Impulse der Reformpädagogik Bd.2, Münster 1999.
6
Vgl. Raapke, Hans Dietrich: Montessori heute – Eine moderne Pädagogik für Familie, Kindergarten und Schule,
Reinbek 2000, S.22.f.
7
Vgl. Elkind, David: Zwei entwicklungspsychologische Ansätze: Piaget und Montessori. Psychologie des 20.
Jahrhunderts, Bd. VII, Zürich 1978, S.584ff.
Kind von entscheidender Wichtigkeit sind,
< dass die eigene Aktivität des Kindes die Basis jeder wirksamen Erziehung ist.
Den Stufen der Entwicklung hat Maria Montessori jeweils die entsprechenden Stufen der Erziehung
und damit bestimmte pädagogische Einrichtungen zugeordnet. (s. Abschnitt 7)
Die offenen oder verdeckten Bedürfnisse des Kindes haben Vorrang vor den Plänen und Absichten der
Pädagogin oder des Pädagogen. Montessori benutzt meistens die Bezeichnung „Leiterin“. Diese Be-
dürfnisse werden durch den Entwicklungs- und Reifestand sowie den bisherigen Lernprozess des je
individuellen Kindes bestimmt. Die Beobachtung, die Diagnose kommt also in der Regel vor der Di-
daktik. Dazu bedarf es professioneller Beobachtungs- und Messverfahren ebenso wie persönlicher Zu-
wendung und Empathie.
b. Im Kinderhaus und in der Grundschule / Primarschule wird die Didaktik zu einem großen
Teil durch das didaktische Material repräsentiert.
Man spricht von einem „materialisierten Curriculum“. Das Begreifen im Gehirn soll über das Ergrei-
fen mit den Händen und überhaupt mit allen Sinnen gelernt werden. Anfangs wird jede Schwierigkeit
in einem Material isoliert, um im Gedächtnis klare Strukturen aufzubauen. Die Möglichkeit zur eige-
nen Fehlerkontrolle in jedem Material soll das Kind dazu führen, seine Fehler selbst zu erkennen, da-
mit es später auch selbst seine Fehler bearbeiten kann.
Mit zunehmendem Schulalter und bei zunehmender Fähigkeit zur Abstraktion tritt das didaktische
Material in den Hintergrund. Es kann jedoch z. B. bei Schwierigkeiten immer wieder darauf zurüc-
kgegriffen werden. Das didaktische Material hat einen bestimmten sachlogischen Aufbau, besonders
deutlich in der Mathematik. Diesem Aufbau folgend wird das Material den Kindern präsentiert, in der
Regel jedem Kind einzeln. In mindestens drei Schritten lernt das Kind das Material, seinen Zweck und
den Umgang damit kennen. Danach sollte es allein mit dem Material weiterarbeiten können.
Sie beginnt im Kinderhaus und auch schon früher. Für Montessori war die Freiarbeit eine grundlegen-
de Lernform, die den unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen durch weitgehende Individualisie-
8
Dazu Klein-Landeck, Michael: Freie Arbeit bei Maria Montessori und Peter Petersen, Reihe: Impulse der
Reformpädagogik, Münster 1998, S.3ff und S.64ff: Dort auch eine gute Auswertung und Zusammenfassung der
Publikationen von Albert Heller: W ie frei ist die Freie Arbeit? In: Montessori 32 (1994), H.2, und Christa
W edekind: Freiheitsgrade von Freiarbeitsformen. In: Montessori 33 (1995), H.3/4.
rung entspricht. Arbeit war für sie vor allem Arbeit an sich selbst als ein elementares Bedürfnis des
Menschen, in diesem Sinne heute auch als Selbstverwirklichung bezeichnet. Die Freiarbeit wird zu-
meist durch gebundenen Unterricht in bestimmten Fächern ergänzt.
b. Wer seine Leistung selbst bewerten soll, muss seine Fehler erkennen lernen.
Zu der Unabhängigkeit, die junge Menschen nach Montessoris Vorstellung erreichen sollten, gehört,
dass sie lernen, ihre Leistungen selbst zu bewerten. Darum hat sie vor zu viel Lob und Tadel gewarnt,
denn Lob kann Misserfolgsängstliche abhängig machen von der Zustimmung anderer und Tadel bes-
sert selten. Die eigene Leistung einzuschätzen wird in der Montessori-Pädagogik schon früh geübt.
Beim Sinnesmaterial ist jeweils die Möglichkeit der eigenen Fehlerkontrolle durch das Kind mit ein-
gebaut. Auch auf allen weiteren Stufen und bei jedem Schritt soll und darf das Kind seine Fehler
selbst entdecken, sie selbst bearbeiten und verbessern. Das Ziel ist: Die Lernenden kontrollieren ihre
Arbeit selbst, sie korrigieren ihre Fehler und verbessern dabei sich selbst.
c. Alle Menschen machen Fehler, aber sie wachsen auch an ihren Fehlern.
Montessori fand: Die Erkenntnis, dass wir Fehler machen und auch kontrollieren können, sei eine der
großen Errungenschaften der psychischen Freiheit. Dagegen führten Zensuren und Bewertungen durch
andere zu einer Verminderung der Energie und des Interesses. Auch von Konkurrenz oder Wettbewerb
hielt sie nichts; früh gelernte Rivalität verschwinde nie wieder und bleibe ein Potenzial zum
Unfrieden. 9
In Gesellschaften, die vielen empirischen Ergebnissen zum Trotz an der Selektion durch
„Sitzenbleiben“ oder „Zurückstufen“ sowie der Konkurrenz10 als unverzichtbar festhalten, können sich
Montessori-Schulen einem solchen Druck schwerlich widersetzen und müssen Kompromisse
9
Vgl. Ludwig, Harald/ Fischer, Christian/ Fischer, Reinhard (Hg.): Leistungserziehung und Montessori-Pädagogik,
Reihe: Impulse der Reformpädagogik Bd.5, Münster 2000.
10
Vgl. u.a. „PISA 2000 – Basiskompetenzen ... im internationalen Vergleich“, Opladen 2000, sowie “Die Länder der
Bundesrepublik Deutschland im Vergleich“, Opladen 2002. Vgl. besonders beim Ländervergleich Abschn.2.4:
Regionale Unterschiede in der Bildungsbeteiligung, S.49ff.
eingehen.
6. Religiöse Erziehung
Eine zentrale Stellung im Denken und in der Praxis Maria Montessoris nimmt die religiöse Erziehung
ein.11 Sie findet ihre Basis in ihrer Anthropologie und in ihrem Verständnis der Welt als Schöpfung (s.
„Kosmische Erziehung“). Montessori geht davon aus, dass Religion zu den fundamentalen
Bedürfnissen des Menschen gehört. In diesem Zusammenhang meint „Religion“ sehr allgemein die
Neigung und die Fähigkeit, über das Vorfindliche, materiell Greifbare hinaus nach Sinn und Wert der
Welt und des Menschen, nach Gerechtigkeit und Vertrauen zu fragen und dabei offen zu sein für
Transzendenz. Dieses Bedürfnis kann sich inhaltlich in vielen Religionen konkretisieren. Montessori
gab allgemeine Hinweise für eine religiöse Erziehung. In Indien führte sie dazu einen Kursus für
Angehörige unterschiedlicher Religionen durch. Sie selbst war katholische Christin. Bei
religionspädagogischen Versuchen in Barcelona entwickelte sie ein Konzept, das die Kinder in die
Praxis gelebten katholischen Glaubens einführt und einübt, vornehmlich in die Feier der Messe. Dafür
entwickelte sie ein „Atrium“, einen Raum als “Vorhalle des Glaubens“, in dem Kinder diese religiöse
Praxis erleben, nach-vollziehen und nachdenken konnten.
Diese Erkenntnisse Montessoris sind in unsere Gegenwart fortzuschreiben. Einmal geht es um das
Grundverständnis von „Religion“. Hier stellt sich die Aufgabe, die Fähigkeit zum mehrdimensionalen
Empfinden und Denken zu fördern, etwa durch eine qualifizierte Symbolerziehung. Zum anderen
muss die Praxis der religiöse Erziehung neu bedacht werden: Viele junge Menschen erleben die von
Montessori noch vorausgesetzte Einheit geprägter Religiosität im Raum der Kirche nicht mehr. Wir
leben in einer offenen, multireligiösen Gesellschaft. Vielleicht braucht unsere Zeit ein „Atrium“, das
allen Kindern die Möglichkeit gibt, sich in die mitgebrachte, aber auch in andere Religionen
einzuleben und eigene Ausdrucksformen zu finden.
Die Bedeutung Montessoris für heutige religiöse Erziehung liegt in der Sensibilisierung
Heranwachsender für die Tiefendimension der Wirklichkeit und in der konsequent lebensweltlichen
Ausrichtung. Dazu tragen die Prinzipien ihrer allgemeinen Pädagogik bei. Eine wichtige Rolle spielt
hierfür ferner die Stilleerziehung Montessoris. Das kontemplative Element ist in ihrer Pädagogik für
alle Entwicklungsstufen neben dem Aktivitätsprinzip von großer Bedeutung. Im einzelnen sind
unterschiedliche Ansätze religiöser Erziehung im Anschluss an Montessoris Pädagogik entwickelt
worden.12
11
Vgl. dazu Montessori, Maria: Gott und das Kind, Kleine Schriften Bd.4, 3. Aufl., Freibrug 1995.
12
Vgl. hierzu Kabus, Andrea: Zur Rezeption der Montessori-Pädagogik in der Religionspädagogik, W ürzburg 2001.
7. Pädagogische Einrichtungen
Die 1. Phase der Entwicklung und Erziehung umfasst das (Entwicklungs-) Alter 0-6 Jahre. Sie wird in
zwei Teilphasen unterteilt: 0-3 Jahre und 3-6 Jahre.
Nach Montessoris Auffassung, aber auch nach heutigem Forschungsstand werden beim Kleinkind die
Fähigkeiten zur Bewegung, Wahrnehmung, Sprache, Sozialität usw. grundlegend aufgebaut. Durch
eine besonders aufnahmeintensive, unbewusste Intelligenz – „absorbierender Geist“- entstehen
nachhaltige psychische und geistige Strukturen, deren Aufbau besonderer pädagogischer
Aufmerksamkeit bedarf.
13
Die Bezeichnung „Krippe“ für eine Tagesstätte für Kleinstkinder unter drei Jahren ist weit verbreitet. Deshalb wird
sie trotz ihrer Problematik hier verwandt. Manchmal spricht man auch von „Krabbelstuben“.
Sprache als Ausdrucksmittel emotionaler Zuwendung.
Durch Aktivität und Reaktivität der unbewussten Intelligenz („absorbierender Geist“) bei Erfahrungen
und Auseinandersetzungen mit der Umgebung entwickeln sich grundlegende und weiterführende
Potenzialitäten. Die spezifische Qualität dieser Umgebung hat dabei eine entscheidende Bedeutung.
14
Vgl. Steenberg, Ulrich: Montessori-Pädagogik im Kindergarten, Freiburg 2002.
Verantwortung für sich selbst und diese Welt zu übernehmen.
Von daher ist die Kosmische Erziehung - trotz vieler inhaltlicher Gemeinsamkeiten - nicht identisch
mit dem Sachunterricht in der Grundschule. Jedoch ist die Nähe zu den heutigen Vorstellungen der
Ökologie-Bewegung unverkennbar; Montessori hat im Kontext der Kosmischen Erziehung selbst den
Ökologie-Begriff verwendet.15
In der Praxis müssen oft Kompromisse geschlossen werden. Insbesondere müssen Montessori-Schulen
sich curricular insoweit dem Regelschulwesen anpassen, dass für die Schülerinnen und Schüler
jederzeit ein Übergang zu einer Regelschule möglich ist.
Didaktik:
< Intensive Sprachbildung in den unterschiedlichen Ausdrucks- und Rezeptionsformen: Erzählen,
lesen, schreiben, singen, reimen, Theater spielen...
< Mathematische Grundbildung als Denken in mathematischen Strukturen und Modellen neben
Fertigkeiten des Rechnens
< „Universaler Lehrplan“ - Das ist in der Montessori-Praxis eine nach menschlichen
Grundfähigkeiten (sprechen, schreiben, lesen, rechnen usw.), menschlichen Bedürfnissen
(Nahrung, Kleidung, Wohnung, spirituelle Bedürfnisse, Religionen usw.) sowie nach Sachgebieten
(Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Geologie, Geschichte, Kunst usw.) strukturierte
Themenübersicht, aus der die Schülerinnen und Schüler einzeln oder in Gruppen, in der Regel mit
Hilfen, ihre jeweiligen Arbeitsvorhaben auswählen.
< Erzählen (z.B. „Cosmic tales“) und Zeigen in der Realität anstelle von Begriffen in Büchern, selbst
erforschen statt nur rezipieren, um zu reproduzieren.
< Ganzheitlicher, fächerübergreifender Unterricht, Vielfalt der Methoden, Öffnung der Schule in
Natur und Gesellschaft.
< Jedes Kind geht seinen individuellen Weg, was Gruppenarbeit keineswegs ausschließt, denn
Kinder können von Fall zu Fall einzeln oder in Gruppen arbeiten.
< Die Lerngruppen sind altersgemischt, in der Regel 3 Jahrgänge gemeinsam, aber auch 2 oder 4
Jahrgänge.
< Gesundheitserziehung einschließlich Suchtprävention
< Enge Verbindung von praktischer und theoretischer Arbeit mit viel forschendem Lernen an
anderen Lernorten als der Schule.
15
Vgl. Montessori, Maria: „Kosmische Erziehung“, 5. Aufl., Freiburg 2002 sowie die oben in Anmerkung 4 und 5
genannten W erke.
< Selbständigkeit, selbst organisiertes Lernen, Kooperation im Team, soziale Verantwortung.
Die „Schule des Kindes“ soll mit einem großen, weit gefächerten Angebot auf den Wissensdurst
sowie die Forscher- und Abenteuerneugier der Kinder eingehen. Die Kinder sollen ihren geistigen,
sozialen und kulturellen Aktionsradius erweitern können. Mit der Ausweitung des Weltbildes soll der
Übergang zur Abstraktion vollzogen werden können. In der vorbereiteten Umgebung - modern: der
Lernkultur - der Schule wie in den Schritten nach draußen kann soziales und moralisches Bewusstsein
entstehen und mit der besonderen Sensibilität dieses Alters für Gerechtigkeit können Kinder die
Fähigkeit entwickeln, eigenes und fremdes Handeln zu beurteilen.16
16
Zur Grundschulpädagogik Montessoris vgl. Stein, Barbara: Theorie und Praxis der Montessori-Grundschule,
Freiburg 1998 sowie neuerdings: Ludwig, Harald: Montessori-Schulen und ihre Didaktik, Baltmannsweiler 2003
17
Der „Erdkinderplan“ ist abgedruckt in: Montessori, Maria: Von der Kindheit zur Jugend, Freiburg 1966, und in:
„Kosmische Erziehung“, 5. Aufl., Freiburg 2002. Daraus die folgenden Zitate. Vgl. ferner: Raapke, Hans-Dietrich:
Montessoris Erdkinderplan zur Reform der Sekundarstufe – Ein Kommentar (2.erw. Aufl.) Oldenburg 1998.
Entscheidend ist die Vermittlung der Realität des Lebens auf der Basis sozialer Grunderfahrungen.
Der Studien- und Arbeitsplan - ein Rahmenplan für die weiterführende Schule - umfasst drei große
Bereiche: „Moralische Pflege, Leibespflege, Programm und Methoden“.
„Moralische Pflege“: Darunter versteht Montessori die Pflege der Beziehungen zwischen den Ju-
gendlichen, ihren Lehrern und der Umgebung (modern gesagt: Kommunikation und Pflege der
Sozialkompetenzen). Von den Lehrkräften erwartet Montessori, den Jugendlichen gegenüber Achtung
zu wahren, nie ihre Würde zu verletzen und sie keinesfalls wie Kinder zu behandeln. Die Jugendlichen
brauchten genügend Freiheit für individuelle Initiativen, die freilich bestimmten Regeln unterworfen
seien. Auch hier also das Montessori-Prinzip: Kinder und Jugendliche arbeiten in freier Initiative, aber
nach expliziten oder immanenten Regeln. Wichtig: Dem Bedürfnis junger Menschen nach Einsamkeit
und Ruhe muss entsprochen werden.
Der „Leibespflege“ widmet die Ärztin Montessori besondere Aufmerksamkeit. Wegen des
vehementen körperlichen Wachstums der Jugendlichen - mit seinen psychischen Komponenten - sei
medizinische Betreuung geboten. Auf die Ernährung und weit mehr sportliche Betätigung müsse
geachtet werden; auch zur Suchtprävention gegen Alkohol und Tabak hat Montessori damals schon
Überlegungen angestellt.
„Programm und Methoden“ zielt am meisten auf schulischen Unterricht und zwar in drei
Richtungen:
< Erstens möchte Montessori den „persönlichen Ausdruck“ der Jugendlichen öffnen und fördern z.B.
durch Musik, Sprache (Theater, Rhetorik) und bildnerisches Arbeiten (zeichnen, malen formen).
< Zweitens geht es um den Aufbau der Personalität, um Antwort auf „die schöpferischen Elemente
des psychischen Seins“. Ein Eckpunkt dafür ist die moralische Erziehung, die beiden anderen Eck-
punkte sind Mathematik und Sprachen. Montessori spricht von der „vitalen Bedeutung der
Mathematik“, aber auch wie sehr die „Sprachentwicklung ein Teil der Personalität selbst“ sei.
< Drittens: „Umfassende Bildung“ durch das Studium der Erde und der lebendigen Natur - das ist
eine Weiterführung der Kosmischen Erziehung - mit Geologie, Biologie, Kosmographie, Botanik,
Zoologie, Physiologie, Astrologie und Anatomie. In der Geschichte der Menschheit sollen die
Bilder des sozialen Lebens sowie die Entdeckungen und Erfindungen Schlüsselerfahrungen
vermitteln, wie es in der heutigen Didaktik heißt. Im übrigen wurde der Kontakt zwischen den
verschiedenen Völkern und Kulturen von Montessori besonders akzentuiert.
Die „Erfahrungsschule des sozialen Lebens“ sollte nach Montessoris Willen eine Schule für alle sein.
Für die Vorgehensweise gilt: „Die besten Methoden sind diejenigen, die beim Schüler ein Maximum
an Interesse hervorrufen, die ihm die Möglichkeit geben, allein zu arbeiten, selbst seine Erfahrungen
zu machen und die erlauben, die Studien mit dem praktischen Leben abzuwechseln.“
In Deutschland hat die Umsetzung der Montessori-Pädagogik in der weiterführenden Schule erst in
den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren einen intensiveren Aufschwung genommen. Zur Zeit gibt es
vier Gesamtschulen und vier Gymnasien, die sich in ihrer Arbeit ausschließlich auf die Pädagogik
Maria Montessoris beziehen und zumindest Teile ihrer Erfahrungsschule des sozialen Lebens
umsetzen. In Nordrhein Westfalen und in Bayern kommen dazu noch ungefähr fünfzehn Haupt- bzw.
Volksschulen, teilweise in privater Trägerschaft. Daneben existieren jedoch noch eine ganze Reihe
von weiterführenden Schulen, die entweder Montessori-Zweige, - Klassen oder auch nur Elemente
ihrer Pädagogik, wie z.B. Freiarbeit, in ihr Schulkonzept aufgenommen haben. All diesen Schulen
gemeinsam ist, dass sie die Selbsttätigkeit und Eigenverantwortung des Schülers mit dem Ziel der
Persönlichkeitsbildung in den Mittelpunkt stellen.
Das bedeutet vor allem, dass Freiarbeit als didaktisches Prinzip, aber auch Projekt- oder
projektorientiertes Lernen und auch Handwerk regelmäßig – möglichst täglich - durchgeführt werden.
Oft ist jedoch trotzdem der Bereich der „Studien“ dominant, weitere Elemente einer Erfahrungsschule
des sozialen Lebens, wie oben dargestellt, fehlen. Die Entwicklung der Montessori-Pädagogik in der
weiterführenden Schule schreitet kontinuierlich voran.18
18
Vgl. Meisterjahn-Knebel, Gudula: Montessori-Pädagogik in der weiterführenden Schule – Der Erdkinderplan in
der Praxis, Freiburg 2003, ferner Raapke, Hans-Dietrich: Erdkinder – Vorschläge für die Praxis, Oldenburg 1998.