036 Muellheim

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Untersuchungszentrale

der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle
des Bundes

Aktenzeichen: 60uu2011-05/159

Datum: 25.02.2013

Gefhrliches Ereignis im Eisenbahnbetrieb

Ereignisart: Zugentgleisung
Datum: 20.05.2011
Zeit: 13:06 Uhr
Bahnhof: Mllheim (Baden)
Gleis: 12/2
Kilometer: 237,000
Untersuchungsbericht

Zugentgleisung, 20.05.2011, Mllheim (Baden)

Verffentlicht durch:

Bundesministerium fr Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,

Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes

Robert-Schuman-Platz 1

53175 Bonn

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Untersuchungsbericht

Zugentgleisung, 20.05.2011, Mllheim (Baden)

Inhaltsverzeichnis:
Seite

1 Zusammenfassung .............................................................................................. 7
1.1 Hergang ................................................................................................................. 7

1.2 Folgen.................................................................................................................... 7

1.3 Ursachen ............................................................................................................... 7

2 Vorbemerkungen ................................................................................................. 9
2.1 Organisatorischer Hinweis..................................................................................... 9

2.2 Ziel der Eisenbahn-Unfalluntersuchung................................................................. 9

2.3 Mitwirkende.......................................................................................................... 10

3 Ereignis............................................................................................................... 10
3.1 Ereignishergang................................................................................................... 10

3.2 Todesopfer, Verletzte und Sachschden............................................................. 12

3.3 Wetterbedingungen ............................................................................................. 12

4 Untersuchungsprotokoll ................................................................................... 13
4.1 Zusammenfassung von Aussagen ...................................................................... 13

4.2 Notfallmanagement.............................................................................................. 13

4.3 Untersuchung der Infrastruktur ............................................................................ 14

4.4 Untersuchung Leit- und Sicherungstechnik ......................................................... 15

4.4.1 Stellwerk Mllheim (Baden) ................................................................................. 15

4.4.2 Heiluferortungsanlagen ................................................................................... 15

4.4.3 LZB-Zentralen Leutersberg und Weil (Rhein)...................................................... 16

4.5 Untersuchung der betrieblichen Handlungen ...................................................... 17

4.5.1 Handlungsablufe des Triebfahrzeugfhrers 43777............................................ 17

4.5.2 Fahrdienst auf den Betriebsstellen ...................................................................... 19

4.6 Untersuchung von Fahrzeugen ........................................................................... 20

4.6.1 Sichtprfung......................................................................................................... 20

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4.6.2 Werkstofftechnische Untersuchung ..................................................................... 23

4.6.3 Radverschiebungen............................................................................................. 26

5 Auswertung und Schlussfolgerungen ............................................................. 27


6 Bisher getroffene Manahmen der Beteiligten ............................................... 29

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Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1: Aufnahmen von der Unfallstelle ...................................................................................8

Abb. 2: Auffindeort Radscheibenbruchstck ..........................................................................10

Abb. 3: Lageplan Bf Mllheim (Baden)...................................................................................11

Abb. 4: Weiche 10 in Fahrtrichtung TEC 43777 sowie Detailaufnahme Flgelschiene .........11

Abb. 3: Zusammenstellung der Heiluferortungsanlagen ....................................................15

Abb. 5: zerstrtes Linienleiterkabel, km 224,649 ...................................................................16

Abb. 6: Standort des Zuges....................................................................................................17

Abb. 7: Anordnung der Radstze im Containertragwagen.....................................................21

Abb. 8: Schadenszuordnung ..................................................................................................21

Abb. 9: beschdigte Radstze ...............................................................................................23

Abb. 10: Zusammenstellung der durchgefhrten fahrzeugtechnischen Untersuchungen......25

Abb. 11: Aufpresskrfte gem Aufpressprotokollen.............................................................26

Abb. 12: Ausgangspunkt des Ermdungsrisses und Fortentwicklung ...................................27

Abb. 13: Wrmeeinflusszonen ...............................................................................................28

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Abkrzungsverzeichnis

AEG Allgemeines Eisenbahngesetz

AVV Allgemeiner Vertrag zur Verwendung von Gterwagen

BAV Bundesamt fr Gterverkehr

BMVBS Bundesministerium fr Verkehr Bau- und Stadtentwicklung

BPol Bundespolizei

DAG Datenaufzeichnungsgert

B Bahnbergang

EBA Eisenbahn-Bundesamt

EBL Eisenbahnbetriebsleiter

EBO Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung

EIU Eisenbahninfrastrukturunternehmen

ERA Europische Eisenbahn Agentur

ESO Eisenbahnsignalordnung

EUB Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes

EUV Eisenbahn-Unfalluntersuchungsverordnung

EVU Eisenbahnverkehrsunternehmen

Gbf Gterbahnhof

HOA Heiluferortungsanlage

LeiDis-N Leitsystem Disposition Netz

LZB Linienzugbeeinflussung

NE Nichtbundeseigene Eisenbahn

Nmg Notfallmanager

Ril Richtlinie

SB Sicherheitsbehrde

SBB Schweizerische Bundesbahnen

SMS Sicherheitsmanagementsystem

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1 Zusammenfassung
1.1 Hergang
TEC 43777 (Kln Eifeltor Gallerate) entgleist bei der Fahrt durch Gleis 12/2 in km 237,000
im Bf Mllheim (Baden) mit sieben Wagen. Das fhrende Triebfahrzeug sowie die ersten 16
Wagen kommen nach dem Ereignis in km 237,824 im Gleis 12 zum Stehen. Der Wagen 17
entgleist mit beiden Drehgestellen in Hhe der Weiche 10 in km 237,000 und liegt quer ber
beide Hauptgleise und auf dem Mittelbahnsteig in km 237,193. Der Wagen 18 verkeilt sich in
den Wagen 17 und bleibt in Seitenlage einschlielich der Wechselaufbauten auf dem Nord-
teil des Mittelbahnsteiges liegen. Die Wagen 18 bis 21 entgleisen mit allen Radstzen und
bleiben teilweise in Schrglage hinter den vorgenannten Wagen liegen. Die Wagen 22 und
23 entgleisen mit je einem Radsatz. Die im Zugverband am Schluss laufenden Wagen 24
und 25 entgleisen nicht.

1.2 Folgen
Der 17. und 18. Wagen einschlielich der Wechselaufbauten werden total zerstrt. Die nach-
folgenden Wagen 19 bis 23 werden erheblich beschdigt. Aus dem zerstrten Tankcontainer
des Wagens 17 tritt eine geringfgige Menge Harzlsung (Gefahrgut; entzndbar; UN-Nr.
1866) aus. Infolge der Zugtrennung werden die Zug- und Stoeinrichtung sowie die
Schlauchverbindung des Wagens 15 beschdigt. Die Gleisanlagen sowie Fahrleitungs- und
Signalanlagen im nrdlichen Abschnitt des Bf Mllheim werden erheblich beschdigt bzw.
total zerstrt. Im Weiteren werden zwischen den Betriebsstellen Bad Krotzingen und Mll-
heim (Baden) mehrere Betonschwellen zerstrt bzw. beschdigt vorgefunden. Im km
224,963 zwischen Bad Krotzingen und Heitersheim wird darber hinaus noch ein Linienlei-
terkabel durchtrennt.

1.3 Ursachen
Auf Grundlage der durchgefhrten Untersuchungen ist davon auszugehen, dass die Entglei-
sung letztlich die Folge eines Radscheibenbruches am Radsatz 650030 des Wagens 3385
4556 820-0 darstellt. Der Radscheibenbruch erfolgte bereits ca. 12 km vor der spteren Ent-
gleisungsstelle und ist auf einen Ermdungsriss zurckzufhren, der sich an Fase der Rad-
scheibe entwickelte. Im Ergebnis der durchgefhrten werkstofftechnischen Untersuchungen
konnte die Rissentstehung auf eine thermische berbeanspruchung zurck gefhrt werden,
die offenbar durch eine berschleifende Bremsklotzsohle verursacht wurde.

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Abb. 1: Aufnahmen von der Unfallstelle

Quelle: BPol

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2 Vorbemerkungen
2.1 Organisatorischer Hinweis
Mit der Richtlinie 2004/49/EG zur Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft (Eisenbahnsi-
cherheitsrichtlinie) wurden die Mitgliedstaaten der europischen Union verpflichtet, unab-
hngige Untersuchungsstellen fr die Untersuchung bestimmter gefhrlicher Ereignisse ein-
zurichten.

Diese Richtlinie wurde mit dem 5. Gesetz zur nderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften
vom 16. April 2007 umgesetzt und die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes
(EUB) eingerichtet. Die weitere Umsetzung der Sicherheitsrichtlinie erfolgte durch die Eisen-
bahn-Unfalluntersuchungsverordnung (EUV) vom 05.07.2007.

Die Leitung der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (EUB) liegt beim Bundes-
ministerium fr Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Zur Durchfhrung der Unter-
suchungen greift die Leitung der EUB auf die Untersuchungszentrale beim Eisenbahn-
Bundesamt - die fachlich ausschlielich und unmittelbar dem Leiter der EUB untersteht -
zurck.

Nheres hierzu ist im Internet unter >> www.eisenbahn-unfalluntersuchung.de << eingestellt.

2.2 Ziel der Eisenbahn-Unfalluntersuchung


Ziel und Zweck der Untersuchungen ist es, die Ursachen von gefhrlichen Ereignissen auf-
zuklren und hieraus Hinweise zur Verbesserung der Sicherheit abzuleiten. Untersuchungen
der EUB dienen nicht dazu, ein Verschulden festzustellen oder Fragen der Haftung oder
sonstiger zivilrechtlicher Ansprche zu klren und werden unabhngig von jeder gerichtli-
chen Untersuchung durchgefhrt.

Die Untersuchung umfasst die Sammlung und Auswertung von Informationen, die Erarbei-
tung von Schlussfolgerungen einschlielich der Feststellung der Ursachen und gegebenen-
falls die Abgabe von Sicherheitsempfehlungen. Die Vorschlge der Untersuchungsstelle zur
Vermeidung von Unfllen und Verbesserung der Sicherheit im Eisenbahnverkehr werden der
Sicherheitsbehrde und, soweit erforderlich, anderen Stellen und Behrden oder anderen
Mitgliedstaaten der EU in Form von Sicherheitsempfehlungen mitgeteilt.

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2.3 Mitwirkende
Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung und Ursachenerforschung wurden folgende externe
Stellen einbezogen:

DB Systemtechnik GmbH, Werkstofftechnik/Schwachstellenanalyse, Brandenburg-


Kirchmser
DB AG, Zentrale Auswertstelle (ZAS), Nrnberg

3 Ereignis
3.1 Ereignishergang
Zwischen den Betriebsstellen Bad Krotzingen und Heitersheim - ca. in km 224,900 - bricht
bei dem Wagen (Sgns 3385 4556 820-0) eine Radscheibe des nachlaufenden Radsatzes
650030 im vorauslaufenden Drehgestell. Ein Bruchstck des Rades wurde westlich des Glei-
ses (in Fahrtrichtung Mllheim rechts) aufgefunden.

Abb. 2: Auffindeort Radscheibenbruchstck

Quelle: BPol

Nach Einfahrt auf Hauptsignal in den Bf Mllheim (Baden) kollidieren Teile dieses Wagens
mit der Flgelschiene der Weiche 10 und es kommt zur Entgleisung des Zuges.

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Abb. 3: Lageplan Bf Mllheim (Baden)

Quelle: DB Netz AG

Abb. 4: Weiche 10 in Fahrtrichtung TEC 43777 sowie Detailaufnahme Flgelschiene

Quelle: BPol

In Folge der Entgleisung des 17. Wagens trennt sich der Zugverband. Der vordere Zugteil
mit den an 1. bis 16. Stelle laufenden Wagen kommt nach der zugtrennungsbedingten

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Zwangsbremsung in km 237,824 zum Stillstand. Der 16. Wagen des vorderen Zugteils
kommt in km 237,430 zum Stillstand.

Der entgleiste Wagen 17 (Sgns 3385 4556 820-0) des hinteren Zugteils verliert seinen
Wechselaufbau und bleibt quer ber beide Hauptgleise und dem nrdlichen Teil des Mittel-
bahnsteiges in km 237,193 liegen. Dabei werden alle vier Radstze beider Drehgestelle ab-
gerissen. Der Wechselaufbau prallt gegen einen Oberleitungsmast. Hierbei wird der Mast
abgeknickt und der Tankcontainer beschdigt und es kommt zum Gefahrgutaustritt (Harzl-
sung, UN-Nr. 1866). Wagen 18 (Sgns 3368 4575 435-5) verkeilt sich in den davor laufenden
Wagen 17 und kippt um. Wagen und Wechselaufbau bleiben in Seitenlage stark beschdigt
auf dem Mittelbahnsteig liegen. Die Radstze werden abgerissen. In Folge kommt es zum
Austritt der in den Containern befindlichen Ladung. Die Wagen 19 (Sggn 3385 4576 599-6)
und 20 (Sdkm 8385 4754 782-1) entgleisen mit allen Achsen und verkeilen sich hinter Wa-
gen 18. Beide Wagen bleiben in Schrglage liegen. Der Wagen 21 (Sdgn 33 85 4506 579-3)
entgleist mit allen Radstzen. Der Wagen 22 (Sgns 3385 4575 297-8) entgleist mit dem vor-
deren Drehgestell. Wagen 23 (Sggn 3385 4576 573-1) entgleist mit einem Radsatz des vor-
deren Drehgestells. Die am Schluss laufenden Wagen 24 und 25 entgleisen nicht.

3.2 Todesopfer, Verletzte und Sachschden


Bei der Zugentgleisung sind Sachschden entstanden, die durch den Infrastrukturbetreiber
wie folgt beziffert wurden:

Schienenfahrzeuge ca.: 105.000,00 Euro


Bauliche Anlagen: ca.: 2.000.000,00 Euro
Hoch u. Kunstbauten: ca.: 3.500,00 Euro
Sicherungs- und Telekommunikationsanlagen: ca.: 50.000,00 Euro
Maschinen und elektrotechnische Anlagen: ca.: 150.000,00 Euro
Sonstige Sachschden der Bahn ca.: 3.006.385.00 Euro
Bodenverunreinigung: ca.: 20.000.00 Euro
Sonstige Sachschden Dritter ca.: 5.000.000,00 Euro

3.3 Wetterbedingungen
Zum Ereigniszeitpunkt waren die Sichtverhltnisse nicht eingeschrnkt.

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4 Untersuchungsprotokoll
4.1 Zusammenfassung von Aussagen
Aussage des Triebfahrzeugfhrers TEC 43777

Er habe in Offenburg Gbf den Auftrag erhalten den Zug 43777 mit der Zuglok 145 070-9
nach Basel SBB zu befrdern. In Offenburg Gbf, Gleis A6 sei von ihm die vereinfachte
Bremsprobe durchgefhrt worden. Der Zug sei seit 5:45 Uhr abgestellt gewesen und das
Triebfahrzeug mit Federspeicherbremse gesichert gewesen. Bei der Durchfahrt in Mllheim
habe er einen Ruck versprt und die schwankende Oberleitung wahrgenommen. Er habe
eine Schnellbremsung vorgenommen, den Stromabnehmer gesenkt und den Notruf abge-
setzt.

Aussage des Fahrdienstleiters Mllheim (Baden)

Er habe die Ein- und Ausfahrt fr Zug 43777 gestellt. Bei der Vorbeifahrt des Zuges am Stell-
werk, habe Zug 43777 eine Notbremsung bekommen und auf dem Stelltisch sei alles rot
gewesen. Beim Blick aus dem Fenster in Richtung Norden habe er und seine Kollegen eine
groe Staubwolke gesehen. Nachdem diese sich legte, habe er und seine Kollegen festge-
stellt, dass sich einige Wagen vom Zug gelst hatten und entgleist waren. Er habe den
Selbststellbetrieb (SB) zurckgenommen und die Notfallleitstelle informiert. Weitere Zge
seien in seinem Stellbereich nicht unterwegs gewesen.

4.2 Notfallmanagement
Nach 4 Abs. 3 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) - in der zum Ereigniszeitpunkt gltigen
Fassung - haben die Eisenbahnen die Verpflichtung, an Manahmen des Brandschutzes
und der technischen Hilfeleistung mitzuwirken. In einer Vereinbarung zwischen den Innenmi-
nisterien der Lnder und der DB AG hat man sich auf eine Verfahrensweise verstndigt. Fr
die DB Netz AG gelten die entsprechenden Brand- und Katastrophenschutzgesetze der Ln-
der. Das Notfallmanagement der DB AG ist in der Richtlinie (Ril) 123 nher beschrieben und
geregelt.

Die Feuerwehr Mllheim (Baden) wurde um 13:02 Uhr ber die Leitstelle mit dem Zusatz
Gefahrgutunfall informiert. Um 13:13 Uhr traf der Gefahrgutzug an der Ereignisstelle ein. Im
Anschluss wurde seitens des Einsatzleiters der Feuerwehr ein Absperrbereich von 50 m ein-
gerichtet und eine Evakuierung im Umkreis von 100 m veranlasst. Nach Angaben des Land-
ratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald; Fachbereich Brand -und Katastrophenschutz traf der
Notfallmanager der DB Netz AG um 13:40 Uhr an der Unfallstelle ein. Die Meldung ber die

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Freischaltung der Speiseleitung erfolgte um 14:39 Uhr. Die Erdung der Oberleitung erfolgte
um 14:10 Uhr durch den Notfallmanager. Unter Einhaltung entsprechender Vorgaben wie der
DIN VDE 0132 Brandbekmpfung und Technische Hilfeleistung im Bereich elektrischer An-
lagen sind erste Hilfsmanahmen auch mglich, wenn Leitungen unter Spannung stehen.
Bezglich der Bahnerdung von Oberleitungen steht der Notfallmanager als Fachberater nach
den Vorgaben der Ril 123 den Rettungskrften zur Verfgung. Dementsprechend ist der Not-
fallmanager als Erdungsberechtigter materiell ausgerstet. Fr die Erdung der Speiseleitun-
gen sind spezielle Erdungsvorrichtungen erforderlich. Diese Erdungen erfolgen an entspre-
chend ausgersteten Oberleitungsmasten. Eine Speiseleitungserdung erfolgt daher aus-
schlielich durch eine elektrotechnische Fachkraft. Zeitliche Vorgaben analog den Bestim-
mungen der Ril 123 fr das Notfallmanagement sind nicht hinterlegt und existieren nicht.

Eine Stoffidentifikation der im Zugverband mitgefhrten Ladungen einschlielich des Gefahr-


gutes konnte zunchst nicht vorgenommen werden, da die herum liegenden Gefahrgutcon-
tainer von den zugehrigen Fahrgestellen abgerissen und auch die zugehrige Beschriftung
sowie die Gefahrgutkennzeichnung wegen der Schrglage nicht erkennbar gewesen seien.
Zum Verbleib bzw. Entnahme der Frachtpapiere vom Triebfahrzeug liegen widersprchliche
Informationen vor. Wann und durch wen die Papiere vom Triebfahrzeug in Verwahrung ge-
nommen wurden konnte nicht abschlieend geklrt werden.

4.3 Untersuchung der Infrastruktur


Bei der Strecke 4000, Offenburg Basel, handelt es sich um eine zweigleisige, elektrifizierte
Hauptbahn. Der an der Entgleisungsstelle befindliche Oberbau war technisch in einwand-
freiem Zustand und hatte die Zugentgleisung nicht begnstigt oder verursacht. Auch bei der
berprfung der fr den Zustand des Oberbaus einschlgigen Messprotokolle waren keine
Anzeichen auf bereits vorhandene sicherheitsrelevante Mngel erkennbar. Auf Grund von
Bauarbeiten war im Gleis 12 eine Langsamfahrstelle (Schutz-La) mit 120 km/h eingerichtet.

Bei den beginnend mit den Anschlagspuren auf der Flgelschiene der Weiche 10 festgestell-
ten Schden an der Infrastruktur im Bf Mllheim handelt es sich gesamthaft um entglei-
sungsbedingte Folgeschden, die als nicht entgleisungsurschlich einzustufen sind.

Zwischen den Betriebstellen Bad Krotzingen und Heitersheim im Bereich von ca. km 224,225
-225,000 wurden Bruchstcke eines Bremsklotzes und einer Radscheibe sowie mehrere
beschdigte Betonschwellen und Beschdigungen des Linienleiterkabels aufgefunden.

Die augenscheinliche berprfung aller zwischen Bad Krotzingen und Mllheim (Baden)
befahrenen Weichen war unauffllig und es wurden keine Anfahrschden festgestellt. Auch

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wiesen die zugehrigen Weichenprfbltter keine sicherheitsrelevanten Maberschreitun-


gen auf.

4.4 Untersuchung Leit- und Sicherungstechnik

4.4.1 Stellwerk Mllheim (Baden)


Es handelt sich um ein Gleisbildstellwerk der Stellwerksbauform Spurplan Dr L 60 mit LZB
CIR ELKE* und Teilblock innerhalb des Bahnhofs Mllheim (Baden).

*:CIR Elke = besondere Form der LZB auf dem Streckenabschnitt Offenburg - Basel

Auf weitergehende Untersuchungen kann verzichtet werden, da keine Indizien auf eine ent-
gleisungsurschliche Fehlfunktion in der Stellwerkslogik hindeuten.

4.4.2 Heiluferortungsanlagen
Die im Laufweg der Zugfahrt liegenden HOA wurden ausgelesen und lieferten keine Hinwei-
se auf einen sich entwickelnden Heilufer, auch wenn die Datenstze der HOA Forchheim
nicht auslesbar waren. Nach Durchfahrung der letzten HOA in Orschweier legte der Zug bis
zum Bruch der Radscheibe noch ca. 52 km zurck.

HOA (Ortsanga- km Angabe Uhrzeit- Streckenabschnitt Befund


be) angabe

Bad Breisig 56,629 01:13:45* Kln-Bingen ohne Befund

Niederheimbach 142,290 02:16:04* Kln-Bingen ohne Befund

Waghusel 28,515 03:52:09* Hockenheim-Graben-Neudorf ohne Befund

Forchheim 70,701 Karlsruhe - Offenburg Datenstze


nicht lesbar

nsbach 128,030 04:56:18** Karlsruhe - Offenburg ohne Befund

Orschweier*** 171,600 12:11:05* Offenburg Freiburg (Brsg.) ohne Befund

*Zeitangaben entsprechen nicht Echtzeit

** Zeitangabe wurde um 60 min korrigiert

*** letzte Heiluferortungsanlage Richtung Basel vor Mllheim (Baden)

Abb. 3: Zusammenstellung der Heiluferortungsanlagen

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4.4.3 LZB-Zentralen Leutersberg und Weil (Rhein)


Whrend der Zugfahrt des TEC 43777 ist es zu einer Strmeldung bei der LZB-Zentrale Leu-
tersberg gekommen. Strmeldungen werden im LZB-Bedienterminal im Datenaufzeich-
nungsgert (DAG) angezeigt, parallel automatisch am Drucker ausgedruckt und es ertnt
eine akustische Meldung. Nheres zur Abarbeitung ist in Kapitel 4.5.3.2 dargestellt.

Das Programm der LZB Rechner und


der LZB-Triebfahrzeugrechner ist in der
LZB-Zentrale derart ausgelegt, dass es
bei einem Ausfall einer Kurzschleife (LL
300, bzw. das nicht Erkennen von 3
Kreuzungsstellen) zu keinem dauer-
haften bertragungsausfall zwischen
Triebfahrzeug und LZB-Zentrale kommt.
Fhrt das Triebfahrzeug nach 300 m in
eine intakte Kurzschleife ein, wird der
Telegrammverkehr wieder aufgenom-
men.

Abb. 5: zerstrtes Linienleiterkabel, km 224,649

Quelle: BPol

Das Linienleiterinnenkabel wurde zwischen km 224,370 224,990 mehrfach beschdigt. In


der LZB-Zentrale Leutersberg wurde in km 224,649 eine Meldung ber ein zerstrtes Linien-
leiterkabel aufgezeichnet FSG Ausfall (671). Aufgrund der Zugbildung betrgt der Abstand
zwischen dem fhrenden Fahrzeug und der fr die Zerstrung des Linienleiterkabels verur-
sachenden Radscheibe im ersten Drehgestell des 17. Wagens ca. 376 m. Hieraus ergibt
sich, dass sich das fhrende Triebfahrzeug zum Zeitpunkt des Ausfalls ca. im km 225,025
befand. Wie der folgenden Abbildung zu entnehmen ist, befand sich das fhrende Fahrzeug,
zum Zeitpunkt der Zerstrung des Linienleiters im Grobort 66, bereits in einer folgenden in-
takten Kurzschleife im Grobort 70. Demzufolge war der Datenverkehr zwischen dem Trieb-
fahrzeug und der LZB-Zentrale gewhrleistet. Die Angaben der LZB-Auswertung korrelieren
mit den Daten (EFR) des fhrenden Triebfahrzeuges des 43777.

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Abb. 6: Standort des Zuges

Quelle: DB Netz AG bearbeitet durch EUB

4.5 Untersuchung der betrieblichen Handlungen

4.5.1 Handlungsablufe des Triebfahrzeugfhrers 43777


Der Triebfahrzeugfhrer bernahm Zug 43777 nach einem Stillstand von 05:49:04 Uhr bis
11:26:06 (aus LeiDis-N) im Bf Offenburg Gbf. Nach seinen Angaben wurde eine vereinfachte
Bremsprobe nach Ril 915.0104 i. V. mit Ril 915.0102 durchgefhrt. Die anschlieende Fahrt
einschlielich des Streckenabschnittes in der das Linienleiterkabel in km 224,649 zerstrt
wurde bis zum Stillstand des fhrenden Fahrzeuges lsst keine Rckschlsse auf Unregel-
migkeiten oder Fehlhandlungen zu. Die LZB-bertragung auf die modulare Fhrerraum-
anzeige stand laut EFR (-Spur) im zu untersuchenden Streckenabschnitt zwischen km

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218,903 und 237,824 permanent an. Die Angaben der EFR korrelieren mit der Auswertung
der LZB-Datenbertragung.

4.5.1.1 Auswertung der elektronischen Fahrtenregistrierung (EFR)


Das Triebfahrzeug ist mit einer induktiven Zugsicherungsanlage der Bauform LZB 80/180;
System PZB 90 mit Elektronischer Fahrten-Registrierung auf DSK 20 ausgerstet. Am Da-
tensteller war die Bremsart 4 und 80 Bremshundertstel (schnellwirkend) eingegeben worden.
Die Zugleistung wurde im zu untersuchenden Streckenabschnitt zwischen km 218,903 und
km 237,824 im LZB-Betrieb gefahren. In diesem Streckenabschnitt ist in der Fahrten-
Registrierung des fhrenden Fahrzeuges kein LZB-bertragungsausfall (Spur ) registriert.
Laut Fahrten-Registrierung durchfuhr das fhrende Triebfahrzeug um 12:50:59 Uhr (DSK-
Zeit*) mit 98 km/h den Abschnitt des beschdigten Linienleiterkabels in km 224,649. Im Fahr-
abschnitt mit aktiver LZB-Fhrung sind die nach Fahrplan (EBuLa) zulssigen Geschwindig-
keiten nicht zu Grunde zu legen. Die Aufzeichnungen wurden auf die Streckenkilometrierung
bezogen auf den Standort des fhrenden Triebfahrzeuges in km 237,824 normiert. Die ge-
fahrene Geschwindigkeit betrug vor dem Ereignis 72 km/h. In km 237,441 um 12:59:34 Uhr
(DSK-Zeit*) beginnt die registrierte Geschwindigkeitsreduzierung bis zum Stillstand. Die
Fahrtaufzeichnung ergibt einen Bremsweg (ab Beginn der Geschwindigkeitsreduzierung bis
zum Fahrzeugstillstand) von ca. 383 m bei einer Bremszeit von 30s. Die Einleitung einer
Schnellbremsung durch den Triebfahrzeugfhrer bzw. die Druckabsenkung in Folge der Zug-
trennung (Spurwechsel von L auf 0) bei einem Hauptluftleitungsdruck von < 2,2 bar ist in
der Fahrtenregistrierung nicht nachweisbar. Der exakte Zeitpunkt bzw. die gefahrene Ge-
schwindigkeit bei Eintritt des Ereignisses (Entgleisung und Zugtrennung) ist nach der Auf-
zeichnung nicht unmittelbar ersichtlich.

*DSK-Zeit entspricht nicht Echtzeit

4.5.1.2 Auswertung von Sprachaufzeichnungen


Die protokollierte Sprachaufzeichnung zwischen dem Fahrdienstleiter Mllheim (Baden) und
dem Triebfahrzeugfhrer 43777 wurde ausgewertet. Rckschlsse bezglich der Unfallursa-
che lassen sich aus dem Gesprchsinhalt nicht ableiten. Die Gesprchsinhalte sind fr die
Unfalluntersuchung nicht relevant.

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4.5.2 Fahrdienst auf den Betriebsstellen

4.5.2.1 Fahrdienstleiter Mllheim (Baden)


Die Durchfhrung der Zugfahrt 43777 regelt der Fahrdienstleiter des Stellwerkes Mf im Bf
Mllheim (Baden). Die Zugfahrten werden fr die durchgehenden Hauptgleise im Selbststell-
betrieb mit Zuglenkung durchgefhrt. Die Zugfahrt 43777 wurde auf Hauptsignal durchge-
fhrt. Im relevanten Zeitraum verkehrten im Stellbereich des Stellwerks Mf keine weiteren
Zge.

Bei der berprfung des Arbeitsplatzes wurde eine Abweichung von Zhlwerkstand und den
im Nachweis der Zhlwerke zu dokumentierenden Hilfshandlungen festgestellt. Hierbei han-
delte es sich um

Fahrstraenhilfstaste fr die Gesamtauflsung von Zugstraen (FHT GAZ) von Nr.


61027 bis 61030,

Durchrutschweghilfstaste (DHT) Nr. 1171 und

Gesamtzhlwerk (GZ) von Nr. 69376 bis 69380.

Diese konnten mit einer im Frhdienst bedingten Fahrstraenhilfsauflsung (Teilfahrstraen)


einschlielich Durchrutschwegauflsung belegt und plausibel erlutert werden. Eine unfallur-
schliche betriebliche Fehlhandlung ist auszuschlieen

4.5.2.2 Fahrdienstleiter Leutersberg


Die im LZB-Bedienerterminal aufgelaufene Strmeldung ist gem Ril 482.9025L72CE Sig-
nalanlagen bedienen, Streckeneinrichtungen der Linienzugbeeinflussung L 72 CE (LZB L 72
CE), Abschnitt 7 Manahmen bei Unregelmigkeiten abzuarbeiten.

Nach Durchfahrt des 43777 im Bereich der Kurzschleife in km 224,649 offenbart der Proto-
kollausdruck beim Fahrdienstleiter eine Strung am Linienleiterfernspeisegert bzw. am Li-
nienleiterkanal. Diese Fehleroffenbarung am Linienleiterfernspeisegert bzw. am Linienlei-
terkanal (FSG Ausfall 671/679) wird durch Bettigung eines Abfragebefehls (Fg 0+) durch
den Fahrdienstleiter besttigt. Diese Besttigung erfolgte nach der Fehleroffenbarung nicht.
Gem Ril 482.9025 L 72 CE sind jedoch keine konkreten betrieblichen Manahmen bezg-
lich der Meldung (MSG Ausfall 671/679) vorgesehen. Die Fehler- bzw. Strungsbeseitigung
wird im Rahmen des Instandhaltungsmanagements durch den Fachdienst vorgenommen.

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4.6 Untersuchung von Fahrzeugen


Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung konnten vorliegende fahrzeugseitige Entgleisungsur-
sachen auf den an der 17. Stelle laufenden Wagen eingegrenzt werden. An den Radstzen
des voraus laufenden Drehgestelles wurde ein Radscheibenbruch sowie zwei Radverschie-
bungen auf den Wellensitzen festgestellt.

Insbesondere zur Klrung des Radscheibenbruches wurde eine werkstofftechnische Scha-


densuntersuchung durchgefhrt. Diese wurde in Abstimmung mit den fr die Strafverfolgung
zustndigen Stellen durch das Eisenbahnverkehrsunternehmen DB Schenker Rail Deutsch-
land AG bei der DB Systemtechnik GmbH beauftragt.

4.6.1 Sichtprfung
Bei dem Wagen handelt es sich um den Containertragwagen Sgns 3385 4556 820-0 des
Halters Hupac SA. Bei erfolgten Sichtberprfungen am Wagen konnten ber die gebroche-
ne Radscheibe sowie die losen Radscheiben keine weiteren ggf. entgleisungsurschlichen
Feststellungen getroffen werden. Dies trifft insbesondere auch auf die Bremsanlage der Bau-
art Oerlikon mit den Bremsstellungen G und P zu. An beiden Drehgestellen waren alle
Bremsklotzhngeeisen vorhanden, wobei am nach laufenden Drehgestell drei infolge der
Entgleisung abgerissen wurden. Da in allen Bremsschuhen noch die Sicherungsmittel zur
Fixierung der Bremssohlen (Graugusssohlen) vorhanden waren, ist davon auszugehen, dass
die Bremssohlen in Folge des Ereignisses herausgeschlagen wurden. An den vorgefunde-
nen Bremssohlen und den Bremsschuhen selbst waren keine Anzeichen einer thermischen
Belastung durch eine feste Bremse erkennbar.

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Abb. 7: Anordnung der Radstze im Containertragwagen

Unter den Drehgestellten der Bauart Y25 waren Radstze mit Vollrdern der Bauart Db 004
verbaut. Hierbei handelt es sich um thermisch stabile Rder nach UIC 510-5, die gem
Zeichnung Vollrad KP-0016-03S aus dem Werkstoff R7T nach UIC 812-3 und ER7 nach
EN 13262 bestehen.

An den Radstzen im Drehgestell 1 wurden keine augenscheinlichen Radverschiebungen


festgestellt. An den Radstzen im Drehgestell 2 wurden folgende Schden vorgefunden:

Radsatz 4: 654963

Radbezeichnung B1: KLW32333 R7T 05 08 067 B2: KLW32333 R7T 05 08157

Feststellung verschoben o. B.

Radsatz 3: 650030

Radbezeichnung A1: KLW21561 R7T 08 08 004 A2: KLW21561 R7T 08 08 082

Feststellung gebrochen verschoben

Abb. 8: Schadenszuordnung

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Die dunkelgrau beschichteten Rder sowie das Bruchstck zu Rad A1 wiesen keinen Farb-
abbrand auf und lieferten somit keinen Hinweis auf eine thermische Belastung.

Die letzte Instandhaltung der Stufe IS 3 erfolgte fr Radsatz 4 im Mrz 2009 und fr Radsatz
3 im April 2009 in der Werkstatt Bellinzona. Im Mai 2009 wurden die beiden Radstze im
Drehgestell verbaut und liefen bis zu dem Ereignis ca. 246.000 km.

Am 14.03.2011 seien im Werk Antwerpen/Belgien gem vorliegendem Wagenausgangs-


protokoll alle 32 Bremssohlen des Wagens 3385 4556 820-0 ausgetauscht worden. Auf Fra-
gen der Unfalluntersuchungsstelle zum Zustand der ausgetauschten Bremsbelge, und
Bremsgestnge wurde mitgeteilt, dass

keinerlei Einkerbungen, Ausbrckelungen oder Kanteneffekte an den ausgetauschten


Bremsbelgen/Reibelementen festgestellt,

das Bremsgestnge in Ordnung (ohne Unregelmigkeiten) und

keine anderen Unregelmigkeiten festgestellt und keinerlei weitere Reparaturen


durchgefhrt

worden seien.

Bis zum Ereignis am 20.05.2011 wurden gem dem vorgelegten Instandhaltungsnachweis


keine weiteren Manahmen an dem Fahrzeug nachgewiesen.

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Abb. 9: beschdigte Radstze


Quelle: BPol bearbeitet durch EUB

4.6.2 Werkstofftechnische Untersuchung


Im Folgenden sind die mageblichen Feststellungen der einzelnen umfangreichen Untersu-
chungen stichpunkartig dargestellt.

Farbbeschichtung von Rad A1:

Die geforderten Mindestschichtdicken wurden knapp erreicht. Die gem UIC 510-5 gefor-
derte Thermosensibilitt wurde jedoch nicht erfllt, da sich die Farbe zwar ab einer Tempe-
ratur von 400 Grad Celsius zersetzte es jedoch nicht zur geforderten Blasenbildung und
Abbltterung der Farbe kam.
Vermessung von Rad A 1 und A 2:

Die ermittelten Werte zu Spurkranzhhe und dicke sowie dem qR-Ma entsprachen den
Soll-Vorgaben gem dem Allgemeinen Vertrag fr die Verwendung von Gterwagen
(AVV).
An den beiden verschobenen Rdern A 2 und B 1 wurde der Durchmesser der Radsitze
mittels Messschieber ermittelt. Aufgrund Kratzern und Riefen lieferte eine durchgefhrte
Bgelmessschraubenmessung keine auswertbaren Ergebnisse. Es wurden jeweils 5 Mes-

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sungen durchgefhrt. Am Rad A 2 variierten die Durchmesser zwischen 199,6 - 200,0 mm


(Mittelwert 199,7 mm) und am Rad B 1 zwischen 199,1 199,8 mm (Mittelwert 199,5mm).

Die Radnabe B 1 wies ebenfalls Kratzer und Riefen auf. An der Radnabenauenseite, -mitte
und -innenseite wurden mittel Innenbgelmessschraube ebenfalls fnf Einzelmessungen
vorgenommen. Die Werte der Auenseite variierten zwischen 201,0 202,1 mm (Mittelwert
201,64 mm), an Mitte zwischen 200,2 200,8 mm (Mittelwert 200,56 mm) und Innenseite
zwischen 200,8 201,9 mm (Mittelwert 201,28 mm). Offensichtlich ist es in Folge der Ent-
gleisung zur trichterfrmigen Aufweitung an Auen- und Innenseite gekommen. Aufgrund
beschdigungsbedingter Messungenauigkeiten war ein Vergleich der Messwerte mit den
Sollvorgaben an die Lngspressmae nicht mglich.

Zerstrungsfreie Prfungen:

Die folgenden Untersuchungen konnten jeweils nur an geeigneten Bereichen der Rder A1,
A2, B1 und B2 durchgefhrt werden.

Die Eigenspannungsmessung an B 2 zeigte gegenber den Vorgaben einer Neufertigung


gem DIN EN 13262 erhhte Werte, die im Betriebseinsatz bei klotzgebremsten entstehen
knnen.
Die Magnetpulverprfung in der Laufflche aller Rder zeigte, dass umlaufende Querrisse
der Risskategorie 1 (Krtenhaut) und 2 bis zu 70mm von der Spurkranzflanke entfernt vor-
handen waren, die aus einer thermischen Beanspruchung durch die Klotzbremse herrhren.
Fischgrtenrisse, die auf eine Rollkontaktermdung hindeuten wurden nicht erkannt. Wei-
terhin wurde festgestellt, dass bei Rad B 1 Risse der Kategorie 1 bis nahe an die Fase (bis
130 mm von Spurkranzrckseite) und beim gebrochenen Rad A 1 bis unmittelbar an die
Fase herangereicht bzw. auch darber hinaus gingen.

Durch die Ultraschallprfung konnten die durch die Magnetpulverprfung detektierten Risse
besttigt werden.
Mittels Laufflchentzung konnte im Bruchstck des Rades A 1 in der Laufflche Reibmar-
tensitbildung festgestellt werden.

Werkstofftechnische Untersuchungen:

Durch die Bruchflchenuntersuchung des Rades A 1 konnte das Radversagen auf einen
Ermdungsbruch zurck gefhrt werden. Ein Rissausgangspunkt wurde im Bereich der Fa-
se des Radkranzes der Radkranzauenseite detektiert. Von hier aus entwickelte sich der
Riss zunchst radial bis in den Radsteg und knickte dann in tangentiale Richtung ab. Der

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Riss wuchs ber ca. des Radumfangs und knickte dann radial in Richtung Radkranz ab,
wo es dann zum Restgewaltbruch kam. Die Lnge des Ermdungsrisses betrgt ca. 760
mm.
In Zuge der makroskopischen Untersuchung wurde den Rdern A 1, 2 und B 1 entspre-
chende Makroschliffe entnommen und diese einer tzung nach Adler unterzogen. Alle
Schliffe lieen sich im Bereich der Laufflche bis zu einer Tiefe von ca. 5-8 mm schwer an-
tzen. In diesem Bereich fand also eine thermische Gefgeumwandlung statt. Diese ist
durch Klotzbremseinwirkung entstanden, da die jeweilige Breite des vernderten Gefgebe-
reiches in etwa der Breite von Bremsklotzsohlen entspricht. Auffallend ist hierbei jedoch
auch, dass der Abstand des vernderten Gefgebereiches bei dem Rad A 2 ca. 10 mm, bei
den Rdern A1 und B 1 ca. 25 mm zum Spurkranz betrt. Hieraus ergibt sich, dass bei den
Rdern A1 und B 2 die Bremsklotzsohlen im Laufe des Betriebseinsatzes unmittelbar bis an
die Fase bzw. knapp darber hinaus angeordnet gewesen sein mssen.

Zur mikroskopischen Untersuchung wurden den Rdern A 1, A 2 und B 1 ebenfalls Mikro-


lngsschliffe entnommen. In den Laufflchen der Rder wurde perlitisch-ferritisches Gefge
vorgefunden, wie es fr die Radstahlgte zu erwarten war. Weiterhin wurden in den Lauffl-
chen in Messkreisebene und auch im Fasenbereich Krtenhautrisse mit einer Tiefe bis zu
0,2 mm nachgewiesen. Neben der Krtenhaut lagen in Messkreisebene rtlich auch Roll-
kontaktermdungsrisse mit gleicher Tiefe vor. Auch wurden hierbei vereinzelt bis zu 3 mm
tiefe, insbesondere senkrecht verlaufende Anrisse festgestellt. Nach Nitaltzung zeigten
sich die Klotzbremsbewirkten Gefgeumwandlungen in Messkreisebene bei den Rdern A 1
,2 und B1 und unmittelbar an der Fase bei den Rdern A 1 und B 1.

Die Hrteprfungen an den Rdern A 1 und 2 waren ohne Befund, die gem DIN EN
13262 geforderten Sollwerte wurden erreicht.

Die im Rahmen von Zugversuchen ermittelten Werte fr Streckgrenze, Zugfestigkeit und


Bruchdehnung an den Rder A 1 und A 2 entsprachen ebenfalls den Anforderungen an DIN
EN 13262, wobei die Festigkeitswerte beim versagten Rad A 1 an der unteren Toleranz-
grenze fr die verwendete Stahlgte lagen.

Die chemische Zusammensetzung der Rder A 1 und A 2 entspricht den Vorgaben der DIN
EN 13262.
Der am Rad A 1 durchgefhrte Kerbschlagbiegeversuch war ebenfalls ohne Befund, die
Vorgaben von DIN EN 132262 wurden eingehalten.

Abb. 10: Zusammenstellung der durchgefhrten fahrzeugtechnischen Untersuchungen

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4.6.3 Radverschiebungen
Aus den vorgelegten Aufpressprotokollen, konnten fr die jeweiligen Radscheiben zunchst
folgende Aufpresskrfte entnommen werden. Hierbei sind die Radbezeichnungen und Auf-
presskrfte der verschobenen Radscheiben grau hinterlegt und der gebrochenen unterstri-
chen:

Radsatz Radscheiben

Nr. / Aufpresskraft [kN] Nr. / Aufpresskraft [kN]

4: 654963 32333-067 / 631 32333-157 / 550

3: 650030 21561-004 / 923 21561-082 / 970

2: 973278 32333-140 / 661 32333-047 / 702

1: 654912 32333-059 / 828 32333-166 / 789

Abb. 11: Aufpresskrfte gem Aufpressprotokollen

Auf den vorgelegten Aufpressprotokollen befand sich unterhalb des tatschlich aufgebrach-
ten Aufpressdruckes ein Toleranzfeld, das als minimale Kraft 300 kN und als maximale Kraft
900 kN vorgab. Als Schmiermittel wurde Molykote angegeben. Nach vorliegenden Informati-
onen seien die Radstze Bauart Db 004 in der Werkstatt in Bellinzona nach einer Zeichnung
hergestellt worden, die ein Toleranzfeld von 500 900 kN aufgewiesen habe.

Aus der vorliegenden Radsatzzeichnung fr die Bauart Db 004, RAFIL 208.549.27,


15.03.2006 geht hervor, dass bei der Verwendung des Schmiermittels MoS2 eine Aufpress-
kraft von 700 1100 kN vorzusehen ist. Diese Vorgabe korreliert mit UIC-Kodex 813, 2. Aus-
gabe, Dezember 2003.

Anhand dieser Informationen ist grundstzlich festzustellen, dass die gem Radsatzzeich-
nung fr die Bauart Db 004 geforderten Aufpresskrfte am Radsatz 4 an beiden Radschei-
ben und am Radsatz 2 an einer Radscheibe formal nicht eingehalten waren. Weiterhin ist
festzustellen, dass es beim Radsatz 3 trotz offensichtlicher Einhaltung der Aufpresskrfte zu
einer Verschiebung gekommen ist, wohingegen sich die Radscheibe mit der geringsten Auf-
presskraft beim Radsatz 4 nicht verschoben hat.

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5 Auswertung und Schlussfolgerungen


Die Zugentgleisung des Zuges TEC 43777 im Bf Mllheim (Baden) ist mit groer Wahr-
scheinlichkeit als Folge eines Radscheibenbruches am Containertragwagen Sgns 3385 4556
820-0 zu sehen, der sich ca. 12 km vor der Entgleisungsstelle ereignete. Gesicherte Hinwei-
se, die auf eine Verschiebung der Radscheiben whrend der Zugfahrt vor dem Radschei-
benbruch hindeuten, liegen nicht vor.

Anhand der fahrzeugtechnischen Untersuchungen konnte der Bruch der Radscheibe auf
einen Ermdungsbruch zurckgefhrt werden. Auf der folgenden Abbildung sind der Aus-
gangspunkt des Ermdungsrisses sowie die weitere Rissentwicklung dargestellt.

Abb. 12: Ausgangspunkt des Ermdungsrisses und Fortentwicklung

Quelle: Untersuchungsbericht DB Systemtechnik, 11-16093-T.TVI53-BE-1620V1, bearbeitet durch EUB

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Die Initialschdigung hatte sich an der Fase des Radkranzes infolge thermischer berbean-
spruchung eingestellt, die durch berschleifende Bremsklotzsohlen verursacht wurde. Der
folgenden Abbildung sind die Wrmeeinflusszonen der Rder A 1 und A 2 dargestellt. Die
Breite der Wrmeeinflusszonen korreliert mit den Bremsklotzabmessungen. Auch ist zu er-
kennen, dass beim Rad A 1 der Bremsklotz bis mindestens an die Fase heranreichte.

Abb. 13: Wrmeeinflusszonen

Quelle: Untersuchungsbericht DB Systemtechnik, 11-16093-T.TVI53-BE-1620V1

Beim Bremsen wurde durch den berschleifenden Bremsklotz insbesondere im ueren


Bereich verhltnismig viel Reibungswrme konzentriert eingebracht. Die Wrmeableitung
ist in diesem Bereich des Rades deutlich ungnstiger als im Bereich der Messkreisebene
ber dem Radsteg. Infolge des Wrmeintrages kam es zur Umwandlung des Gefges in
Martensit und durch die bremsungsbedingten Erwrmungen und Abkhlungen zum Aufbau
von Zugeigenspannungen. Hinzu kommt, dass entstandene Wrmeanrisse aufgrund keiner
bzw. nur geringer berrollung keinem Materialverschlei unterliegen und sich bei weiteren

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Beanspruchungen ungestrt weiterentwickeln knnen. Darber hinaus ist davon auszuge-


hen, dass die am unteren Toleranzrand liegenden Werkstofffestigkeiten schadensbegnsti-
gend gewirkt haben.

Auch ist anzufgen, dass die lokale thermische berbelastung visuell nicht durch entspre-
chenden Farbabbrand sichtbar war. Da die Farbbesichtung den Anforderungen an die Ther-
mosensibilitt nicht entsprach, ist diese zum Erkennen von thermischen berbelastungen
nur bedingt geeignet, da es ab 400 Grad Celsius nicht zur Blasenbildung und Abbltterung
der Farbbeschichtung kommt. Aufgrund des geschilderten Wrmeeintrages, ist dieser durch
streckenseitige HOA grundstzlich nicht detektierbar.

Im Zuge der Untersuchungen konnte weder der Zeitpunkt noch Zeitraum nher bestimmt
werden, ab bzw. indem der entsprechende Wrmeeintrag erfolgte.

Nachdem letztlich das Versagen der Radscheibe auf eine berschleifende Bremsklotzsohle
zurckzufhren war, ist es von besonderer Bedeutung diese im Rahmen des wagentechni-
schen Behandlungsdienstes zu erkennen. Daher ist auf das richtige anlegen der Bremssoh-
len besonders zu achten. Zur Erkennung von entsprechenden thermischen Belastungen
mssen auch insbesondere normgerechte Farbanstriche zur Anwendung kommen.

6 Bisher getroffene Manahmen der Beteiligten


Die Erkenntnisse ber die vorgefundenen gelsten Radscheiben wurden unmittelbar an die
nationale Sicherheitsbehrde weitergegeben, die ihrerseits in den Informationsaustausch mit
dem Bundesamt fr Verkehr (BAV) eingetreten ist. Daneben sind diese Informationen auch
an die beteiligten Eisenbahnen, Halter weitergeben worden.

Dies fhrte dazu, dass potentiell betroffene Fahrzeuge nach deren Entladung zu weiteren
Radsatzuntersuchungen Werksttten zugefhrt wurden.

Die Schweizerische Bundesbahn (SBB), die das Werk in Bellinzona betreibt, hatte den Sach-
verhalt dem BAV gemeldet und einen Manahmenplan Laufradstze erstellt.

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