036 Muellheim
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der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle
des Bundes
Aktenzeichen: 60uu2011-05/159
Datum: 25.02.2013
Ereignisart: Zugentgleisung
Datum: 20.05.2011
Zeit: 13:06 Uhr
Bahnhof: Mllheim (Baden)
Gleis: 12/2
Kilometer: 237,000
Untersuchungsbericht
Verffentlicht durch:
Robert-Schuman-Platz 1
53175 Bonn
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Untersuchungsbericht
Inhaltsverzeichnis:
Seite
1 Zusammenfassung .............................................................................................. 7
1.1 Hergang ................................................................................................................. 7
1.2 Folgen.................................................................................................................... 7
2 Vorbemerkungen ................................................................................................. 9
2.1 Organisatorischer Hinweis..................................................................................... 9
2.3 Mitwirkende.......................................................................................................... 10
3 Ereignis............................................................................................................... 10
3.1 Ereignishergang................................................................................................... 10
4 Untersuchungsprotokoll ................................................................................... 13
4.1 Zusammenfassung von Aussagen ...................................................................... 13
4.2 Notfallmanagement.............................................................................................. 13
4.6.1 Sichtprfung......................................................................................................... 20
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4.6.3 Radverschiebungen............................................................................................. 26
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Untersuchungsbericht
Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1: Aufnahmen von der Unfallstelle ...................................................................................8
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Abkrzungsverzeichnis
BPol Bundespolizei
DAG Datenaufzeichnungsgert
B Bahnbergang
EBA Eisenbahn-Bundesamt
EBL Eisenbahnbetriebsleiter
EIU Eisenbahninfrastrukturunternehmen
ESO Eisenbahnsignalordnung
EUV Eisenbahn-Unfalluntersuchungsverordnung
EVU Eisenbahnverkehrsunternehmen
Gbf Gterbahnhof
HOA Heiluferortungsanlage
LZB Linienzugbeeinflussung
NE Nichtbundeseigene Eisenbahn
Nmg Notfallmanager
Ril Richtlinie
SB Sicherheitsbehrde
SMS Sicherheitsmanagementsystem
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1 Zusammenfassung
1.1 Hergang
TEC 43777 (Kln Eifeltor Gallerate) entgleist bei der Fahrt durch Gleis 12/2 in km 237,000
im Bf Mllheim (Baden) mit sieben Wagen. Das fhrende Triebfahrzeug sowie die ersten 16
Wagen kommen nach dem Ereignis in km 237,824 im Gleis 12 zum Stehen. Der Wagen 17
entgleist mit beiden Drehgestellen in Hhe der Weiche 10 in km 237,000 und liegt quer ber
beide Hauptgleise und auf dem Mittelbahnsteig in km 237,193. Der Wagen 18 verkeilt sich in
den Wagen 17 und bleibt in Seitenlage einschlielich der Wechselaufbauten auf dem Nord-
teil des Mittelbahnsteiges liegen. Die Wagen 18 bis 21 entgleisen mit allen Radstzen und
bleiben teilweise in Schrglage hinter den vorgenannten Wagen liegen. Die Wagen 22 und
23 entgleisen mit je einem Radsatz. Die im Zugverband am Schluss laufenden Wagen 24
und 25 entgleisen nicht.
1.2 Folgen
Der 17. und 18. Wagen einschlielich der Wechselaufbauten werden total zerstrt. Die nach-
folgenden Wagen 19 bis 23 werden erheblich beschdigt. Aus dem zerstrten Tankcontainer
des Wagens 17 tritt eine geringfgige Menge Harzlsung (Gefahrgut; entzndbar; UN-Nr.
1866) aus. Infolge der Zugtrennung werden die Zug- und Stoeinrichtung sowie die
Schlauchverbindung des Wagens 15 beschdigt. Die Gleisanlagen sowie Fahrleitungs- und
Signalanlagen im nrdlichen Abschnitt des Bf Mllheim werden erheblich beschdigt bzw.
total zerstrt. Im Weiteren werden zwischen den Betriebsstellen Bad Krotzingen und Mll-
heim (Baden) mehrere Betonschwellen zerstrt bzw. beschdigt vorgefunden. Im km
224,963 zwischen Bad Krotzingen und Heitersheim wird darber hinaus noch ein Linienlei-
terkabel durchtrennt.
1.3 Ursachen
Auf Grundlage der durchgefhrten Untersuchungen ist davon auszugehen, dass die Entglei-
sung letztlich die Folge eines Radscheibenbruches am Radsatz 650030 des Wagens 3385
4556 820-0 darstellt. Der Radscheibenbruch erfolgte bereits ca. 12 km vor der spteren Ent-
gleisungsstelle und ist auf einen Ermdungsriss zurckzufhren, der sich an Fase der Rad-
scheibe entwickelte. Im Ergebnis der durchgefhrten werkstofftechnischen Untersuchungen
konnte die Rissentstehung auf eine thermische berbeanspruchung zurck gefhrt werden,
die offenbar durch eine berschleifende Bremsklotzsohle verursacht wurde.
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Quelle: BPol
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2 Vorbemerkungen
2.1 Organisatorischer Hinweis
Mit der Richtlinie 2004/49/EG zur Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft (Eisenbahnsi-
cherheitsrichtlinie) wurden die Mitgliedstaaten der europischen Union verpflichtet, unab-
hngige Untersuchungsstellen fr die Untersuchung bestimmter gefhrlicher Ereignisse ein-
zurichten.
Diese Richtlinie wurde mit dem 5. Gesetz zur nderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften
vom 16. April 2007 umgesetzt und die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes
(EUB) eingerichtet. Die weitere Umsetzung der Sicherheitsrichtlinie erfolgte durch die Eisen-
bahn-Unfalluntersuchungsverordnung (EUV) vom 05.07.2007.
Die Leitung der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (EUB) liegt beim Bundes-
ministerium fr Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Zur Durchfhrung der Unter-
suchungen greift die Leitung der EUB auf die Untersuchungszentrale beim Eisenbahn-
Bundesamt - die fachlich ausschlielich und unmittelbar dem Leiter der EUB untersteht -
zurck.
Die Untersuchung umfasst die Sammlung und Auswertung von Informationen, die Erarbei-
tung von Schlussfolgerungen einschlielich der Feststellung der Ursachen und gegebenen-
falls die Abgabe von Sicherheitsempfehlungen. Die Vorschlge der Untersuchungsstelle zur
Vermeidung von Unfllen und Verbesserung der Sicherheit im Eisenbahnverkehr werden der
Sicherheitsbehrde und, soweit erforderlich, anderen Stellen und Behrden oder anderen
Mitgliedstaaten der EU in Form von Sicherheitsempfehlungen mitgeteilt.
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2.3 Mitwirkende
Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung und Ursachenerforschung wurden folgende externe
Stellen einbezogen:
3 Ereignis
3.1 Ereignishergang
Zwischen den Betriebsstellen Bad Krotzingen und Heitersheim - ca. in km 224,900 - bricht
bei dem Wagen (Sgns 3385 4556 820-0) eine Radscheibe des nachlaufenden Radsatzes
650030 im vorauslaufenden Drehgestell. Ein Bruchstck des Rades wurde westlich des Glei-
ses (in Fahrtrichtung Mllheim rechts) aufgefunden.
Quelle: BPol
Nach Einfahrt auf Hauptsignal in den Bf Mllheim (Baden) kollidieren Teile dieses Wagens
mit der Flgelschiene der Weiche 10 und es kommt zur Entgleisung des Zuges.
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Quelle: DB Netz AG
Quelle: BPol
In Folge der Entgleisung des 17. Wagens trennt sich der Zugverband. Der vordere Zugteil
mit den an 1. bis 16. Stelle laufenden Wagen kommt nach der zugtrennungsbedingten
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Zwangsbremsung in km 237,824 zum Stillstand. Der 16. Wagen des vorderen Zugteils
kommt in km 237,430 zum Stillstand.
Der entgleiste Wagen 17 (Sgns 3385 4556 820-0) des hinteren Zugteils verliert seinen
Wechselaufbau und bleibt quer ber beide Hauptgleise und dem nrdlichen Teil des Mittel-
bahnsteiges in km 237,193 liegen. Dabei werden alle vier Radstze beider Drehgestelle ab-
gerissen. Der Wechselaufbau prallt gegen einen Oberleitungsmast. Hierbei wird der Mast
abgeknickt und der Tankcontainer beschdigt und es kommt zum Gefahrgutaustritt (Harzl-
sung, UN-Nr. 1866). Wagen 18 (Sgns 3368 4575 435-5) verkeilt sich in den davor laufenden
Wagen 17 und kippt um. Wagen und Wechselaufbau bleiben in Seitenlage stark beschdigt
auf dem Mittelbahnsteig liegen. Die Radstze werden abgerissen. In Folge kommt es zum
Austritt der in den Containern befindlichen Ladung. Die Wagen 19 (Sggn 3385 4576 599-6)
und 20 (Sdkm 8385 4754 782-1) entgleisen mit allen Achsen und verkeilen sich hinter Wa-
gen 18. Beide Wagen bleiben in Schrglage liegen. Der Wagen 21 (Sdgn 33 85 4506 579-3)
entgleist mit allen Radstzen. Der Wagen 22 (Sgns 3385 4575 297-8) entgleist mit dem vor-
deren Drehgestell. Wagen 23 (Sggn 3385 4576 573-1) entgleist mit einem Radsatz des vor-
deren Drehgestells. Die am Schluss laufenden Wagen 24 und 25 entgleisen nicht.
3.3 Wetterbedingungen
Zum Ereigniszeitpunkt waren die Sichtverhltnisse nicht eingeschrnkt.
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4 Untersuchungsprotokoll
4.1 Zusammenfassung von Aussagen
Aussage des Triebfahrzeugfhrers TEC 43777
Er habe in Offenburg Gbf den Auftrag erhalten den Zug 43777 mit der Zuglok 145 070-9
nach Basel SBB zu befrdern. In Offenburg Gbf, Gleis A6 sei von ihm die vereinfachte
Bremsprobe durchgefhrt worden. Der Zug sei seit 5:45 Uhr abgestellt gewesen und das
Triebfahrzeug mit Federspeicherbremse gesichert gewesen. Bei der Durchfahrt in Mllheim
habe er einen Ruck versprt und die schwankende Oberleitung wahrgenommen. Er habe
eine Schnellbremsung vorgenommen, den Stromabnehmer gesenkt und den Notruf abge-
setzt.
Er habe die Ein- und Ausfahrt fr Zug 43777 gestellt. Bei der Vorbeifahrt des Zuges am Stell-
werk, habe Zug 43777 eine Notbremsung bekommen und auf dem Stelltisch sei alles rot
gewesen. Beim Blick aus dem Fenster in Richtung Norden habe er und seine Kollegen eine
groe Staubwolke gesehen. Nachdem diese sich legte, habe er und seine Kollegen festge-
stellt, dass sich einige Wagen vom Zug gelst hatten und entgleist waren. Er habe den
Selbststellbetrieb (SB) zurckgenommen und die Notfallleitstelle informiert. Weitere Zge
seien in seinem Stellbereich nicht unterwegs gewesen.
4.2 Notfallmanagement
Nach 4 Abs. 3 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) - in der zum Ereigniszeitpunkt gltigen
Fassung - haben die Eisenbahnen die Verpflichtung, an Manahmen des Brandschutzes
und der technischen Hilfeleistung mitzuwirken. In einer Vereinbarung zwischen den Innenmi-
nisterien der Lnder und der DB AG hat man sich auf eine Verfahrensweise verstndigt. Fr
die DB Netz AG gelten die entsprechenden Brand- und Katastrophenschutzgesetze der Ln-
der. Das Notfallmanagement der DB AG ist in der Richtlinie (Ril) 123 nher beschrieben und
geregelt.
Die Feuerwehr Mllheim (Baden) wurde um 13:02 Uhr ber die Leitstelle mit dem Zusatz
Gefahrgutunfall informiert. Um 13:13 Uhr traf der Gefahrgutzug an der Ereignisstelle ein. Im
Anschluss wurde seitens des Einsatzleiters der Feuerwehr ein Absperrbereich von 50 m ein-
gerichtet und eine Evakuierung im Umkreis von 100 m veranlasst. Nach Angaben des Land-
ratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald; Fachbereich Brand -und Katastrophenschutz traf der
Notfallmanager der DB Netz AG um 13:40 Uhr an der Unfallstelle ein. Die Meldung ber die
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Freischaltung der Speiseleitung erfolgte um 14:39 Uhr. Die Erdung der Oberleitung erfolgte
um 14:10 Uhr durch den Notfallmanager. Unter Einhaltung entsprechender Vorgaben wie der
DIN VDE 0132 Brandbekmpfung und Technische Hilfeleistung im Bereich elektrischer An-
lagen sind erste Hilfsmanahmen auch mglich, wenn Leitungen unter Spannung stehen.
Bezglich der Bahnerdung von Oberleitungen steht der Notfallmanager als Fachberater nach
den Vorgaben der Ril 123 den Rettungskrften zur Verfgung. Dementsprechend ist der Not-
fallmanager als Erdungsberechtigter materiell ausgerstet. Fr die Erdung der Speiseleitun-
gen sind spezielle Erdungsvorrichtungen erforderlich. Diese Erdungen erfolgen an entspre-
chend ausgersteten Oberleitungsmasten. Eine Speiseleitungserdung erfolgt daher aus-
schlielich durch eine elektrotechnische Fachkraft. Zeitliche Vorgaben analog den Bestim-
mungen der Ril 123 fr das Notfallmanagement sind nicht hinterlegt und existieren nicht.
Bei den beginnend mit den Anschlagspuren auf der Flgelschiene der Weiche 10 festgestell-
ten Schden an der Infrastruktur im Bf Mllheim handelt es sich gesamthaft um entglei-
sungsbedingte Folgeschden, die als nicht entgleisungsurschlich einzustufen sind.
Zwischen den Betriebstellen Bad Krotzingen und Heitersheim im Bereich von ca. km 224,225
-225,000 wurden Bruchstcke eines Bremsklotzes und einer Radscheibe sowie mehrere
beschdigte Betonschwellen und Beschdigungen des Linienleiterkabels aufgefunden.
Die augenscheinliche berprfung aller zwischen Bad Krotzingen und Mllheim (Baden)
befahrenen Weichen war unauffllig und es wurden keine Anfahrschden festgestellt. Auch
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*:CIR Elke = besondere Form der LZB auf dem Streckenabschnitt Offenburg - Basel
Auf weitergehende Untersuchungen kann verzichtet werden, da keine Indizien auf eine ent-
gleisungsurschliche Fehlfunktion in der Stellwerkslogik hindeuten.
4.4.2 Heiluferortungsanlagen
Die im Laufweg der Zugfahrt liegenden HOA wurden ausgelesen und lieferten keine Hinwei-
se auf einen sich entwickelnden Heilufer, auch wenn die Datenstze der HOA Forchheim
nicht auslesbar waren. Nach Durchfahrung der letzten HOA in Orschweier legte der Zug bis
zum Bruch der Radscheibe noch ca. 52 km zurck.
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Quelle: BPol
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218,903 und 237,824 permanent an. Die Angaben der EFR korrelieren mit der Auswertung
der LZB-Datenbertragung.
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Bei der berprfung des Arbeitsplatzes wurde eine Abweichung von Zhlwerkstand und den
im Nachweis der Zhlwerke zu dokumentierenden Hilfshandlungen festgestellt. Hierbei han-
delte es sich um
Nach Durchfahrt des 43777 im Bereich der Kurzschleife in km 224,649 offenbart der Proto-
kollausdruck beim Fahrdienstleiter eine Strung am Linienleiterfernspeisegert bzw. am Li-
nienleiterkanal. Diese Fehleroffenbarung am Linienleiterfernspeisegert bzw. am Linienlei-
terkanal (FSG Ausfall 671/679) wird durch Bettigung eines Abfragebefehls (Fg 0+) durch
den Fahrdienstleiter besttigt. Diese Besttigung erfolgte nach der Fehleroffenbarung nicht.
Gem Ril 482.9025 L 72 CE sind jedoch keine konkreten betrieblichen Manahmen bezg-
lich der Meldung (MSG Ausfall 671/679) vorgesehen. Die Fehler- bzw. Strungsbeseitigung
wird im Rahmen des Instandhaltungsmanagements durch den Fachdienst vorgenommen.
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4.6.1 Sichtprfung
Bei dem Wagen handelt es sich um den Containertragwagen Sgns 3385 4556 820-0 des
Halters Hupac SA. Bei erfolgten Sichtberprfungen am Wagen konnten ber die gebroche-
ne Radscheibe sowie die losen Radscheiben keine weiteren ggf. entgleisungsurschlichen
Feststellungen getroffen werden. Dies trifft insbesondere auch auf die Bremsanlage der Bau-
art Oerlikon mit den Bremsstellungen G und P zu. An beiden Drehgestellen waren alle
Bremsklotzhngeeisen vorhanden, wobei am nach laufenden Drehgestell drei infolge der
Entgleisung abgerissen wurden. Da in allen Bremsschuhen noch die Sicherungsmittel zur
Fixierung der Bremssohlen (Graugusssohlen) vorhanden waren, ist davon auszugehen, dass
die Bremssohlen in Folge des Ereignisses herausgeschlagen wurden. An den vorgefunde-
nen Bremssohlen und den Bremsschuhen selbst waren keine Anzeichen einer thermischen
Belastung durch eine feste Bremse erkennbar.
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Unter den Drehgestellten der Bauart Y25 waren Radstze mit Vollrdern der Bauart Db 004
verbaut. Hierbei handelt es sich um thermisch stabile Rder nach UIC 510-5, die gem
Zeichnung Vollrad KP-0016-03S aus dem Werkstoff R7T nach UIC 812-3 und ER7 nach
EN 13262 bestehen.
Radsatz 4: 654963
Feststellung verschoben o. B.
Radsatz 3: 650030
Abb. 8: Schadenszuordnung
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Die dunkelgrau beschichteten Rder sowie das Bruchstck zu Rad A1 wiesen keinen Farb-
abbrand auf und lieferten somit keinen Hinweis auf eine thermische Belastung.
Die letzte Instandhaltung der Stufe IS 3 erfolgte fr Radsatz 4 im Mrz 2009 und fr Radsatz
3 im April 2009 in der Werkstatt Bellinzona. Im Mai 2009 wurden die beiden Radstze im
Drehgestell verbaut und liefen bis zu dem Ereignis ca. 246.000 km.
worden seien.
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Die geforderten Mindestschichtdicken wurden knapp erreicht. Die gem UIC 510-5 gefor-
derte Thermosensibilitt wurde jedoch nicht erfllt, da sich die Farbe zwar ab einer Tempe-
ratur von 400 Grad Celsius zersetzte es jedoch nicht zur geforderten Blasenbildung und
Abbltterung der Farbe kam.
Vermessung von Rad A 1 und A 2:
Die ermittelten Werte zu Spurkranzhhe und dicke sowie dem qR-Ma entsprachen den
Soll-Vorgaben gem dem Allgemeinen Vertrag fr die Verwendung von Gterwagen
(AVV).
An den beiden verschobenen Rdern A 2 und B 1 wurde der Durchmesser der Radsitze
mittels Messschieber ermittelt. Aufgrund Kratzern und Riefen lieferte eine durchgefhrte
Bgelmessschraubenmessung keine auswertbaren Ergebnisse. Es wurden jeweils 5 Mes-
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Die Radnabe B 1 wies ebenfalls Kratzer und Riefen auf. An der Radnabenauenseite, -mitte
und -innenseite wurden mittel Innenbgelmessschraube ebenfalls fnf Einzelmessungen
vorgenommen. Die Werte der Auenseite variierten zwischen 201,0 202,1 mm (Mittelwert
201,64 mm), an Mitte zwischen 200,2 200,8 mm (Mittelwert 200,56 mm) und Innenseite
zwischen 200,8 201,9 mm (Mittelwert 201,28 mm). Offensichtlich ist es in Folge der Ent-
gleisung zur trichterfrmigen Aufweitung an Auen- und Innenseite gekommen. Aufgrund
beschdigungsbedingter Messungenauigkeiten war ein Vergleich der Messwerte mit den
Sollvorgaben an die Lngspressmae nicht mglich.
Zerstrungsfreie Prfungen:
Die folgenden Untersuchungen konnten jeweils nur an geeigneten Bereichen der Rder A1,
A2, B1 und B2 durchgefhrt werden.
Durch die Ultraschallprfung konnten die durch die Magnetpulverprfung detektierten Risse
besttigt werden.
Mittels Laufflchentzung konnte im Bruchstck des Rades A 1 in der Laufflche Reibmar-
tensitbildung festgestellt werden.
Werkstofftechnische Untersuchungen:
Durch die Bruchflchenuntersuchung des Rades A 1 konnte das Radversagen auf einen
Ermdungsbruch zurck gefhrt werden. Ein Rissausgangspunkt wurde im Bereich der Fa-
se des Radkranzes der Radkranzauenseite detektiert. Von hier aus entwickelte sich der
Riss zunchst radial bis in den Radsteg und knickte dann in tangentiale Richtung ab. Der
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Riss wuchs ber ca. des Radumfangs und knickte dann radial in Richtung Radkranz ab,
wo es dann zum Restgewaltbruch kam. Die Lnge des Ermdungsrisses betrgt ca. 760
mm.
In Zuge der makroskopischen Untersuchung wurde den Rdern A 1, 2 und B 1 entspre-
chende Makroschliffe entnommen und diese einer tzung nach Adler unterzogen. Alle
Schliffe lieen sich im Bereich der Laufflche bis zu einer Tiefe von ca. 5-8 mm schwer an-
tzen. In diesem Bereich fand also eine thermische Gefgeumwandlung statt. Diese ist
durch Klotzbremseinwirkung entstanden, da die jeweilige Breite des vernderten Gefgebe-
reiches in etwa der Breite von Bremsklotzsohlen entspricht. Auffallend ist hierbei jedoch
auch, dass der Abstand des vernderten Gefgebereiches bei dem Rad A 2 ca. 10 mm, bei
den Rdern A1 und B 1 ca. 25 mm zum Spurkranz betrt. Hieraus ergibt sich, dass bei den
Rdern A1 und B 2 die Bremsklotzsohlen im Laufe des Betriebseinsatzes unmittelbar bis an
die Fase bzw. knapp darber hinaus angeordnet gewesen sein mssen.
Die Hrteprfungen an den Rdern A 1 und 2 waren ohne Befund, die gem DIN EN
13262 geforderten Sollwerte wurden erreicht.
Die chemische Zusammensetzung der Rder A 1 und A 2 entspricht den Vorgaben der DIN
EN 13262.
Der am Rad A 1 durchgefhrte Kerbschlagbiegeversuch war ebenfalls ohne Befund, die
Vorgaben von DIN EN 132262 wurden eingehalten.
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4.6.3 Radverschiebungen
Aus den vorgelegten Aufpressprotokollen, konnten fr die jeweiligen Radscheiben zunchst
folgende Aufpresskrfte entnommen werden. Hierbei sind die Radbezeichnungen und Auf-
presskrfte der verschobenen Radscheiben grau hinterlegt und der gebrochenen unterstri-
chen:
Radsatz Radscheiben
Auf den vorgelegten Aufpressprotokollen befand sich unterhalb des tatschlich aufgebrach-
ten Aufpressdruckes ein Toleranzfeld, das als minimale Kraft 300 kN und als maximale Kraft
900 kN vorgab. Als Schmiermittel wurde Molykote angegeben. Nach vorliegenden Informati-
onen seien die Radstze Bauart Db 004 in der Werkstatt in Bellinzona nach einer Zeichnung
hergestellt worden, die ein Toleranzfeld von 500 900 kN aufgewiesen habe.
Anhand dieser Informationen ist grundstzlich festzustellen, dass die gem Radsatzzeich-
nung fr die Bauart Db 004 geforderten Aufpresskrfte am Radsatz 4 an beiden Radschei-
ben und am Radsatz 2 an einer Radscheibe formal nicht eingehalten waren. Weiterhin ist
festzustellen, dass es beim Radsatz 3 trotz offensichtlicher Einhaltung der Aufpresskrfte zu
einer Verschiebung gekommen ist, wohingegen sich die Radscheibe mit der geringsten Auf-
presskraft beim Radsatz 4 nicht verschoben hat.
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Anhand der fahrzeugtechnischen Untersuchungen konnte der Bruch der Radscheibe auf
einen Ermdungsbruch zurckgefhrt werden. Auf der folgenden Abbildung sind der Aus-
gangspunkt des Ermdungsrisses sowie die weitere Rissentwicklung dargestellt.
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Die Initialschdigung hatte sich an der Fase des Radkranzes infolge thermischer berbean-
spruchung eingestellt, die durch berschleifende Bremsklotzsohlen verursacht wurde. Der
folgenden Abbildung sind die Wrmeeinflusszonen der Rder A 1 und A 2 dargestellt. Die
Breite der Wrmeeinflusszonen korreliert mit den Bremsklotzabmessungen. Auch ist zu er-
kennen, dass beim Rad A 1 der Bremsklotz bis mindestens an die Fase heranreichte.
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Auch ist anzufgen, dass die lokale thermische berbelastung visuell nicht durch entspre-
chenden Farbabbrand sichtbar war. Da die Farbbesichtung den Anforderungen an die Ther-
mosensibilitt nicht entsprach, ist diese zum Erkennen von thermischen berbelastungen
nur bedingt geeignet, da es ab 400 Grad Celsius nicht zur Blasenbildung und Abbltterung
der Farbbeschichtung kommt. Aufgrund des geschilderten Wrmeeintrages, ist dieser durch
streckenseitige HOA grundstzlich nicht detektierbar.
Im Zuge der Untersuchungen konnte weder der Zeitpunkt noch Zeitraum nher bestimmt
werden, ab bzw. indem der entsprechende Wrmeeintrag erfolgte.
Nachdem letztlich das Versagen der Radscheibe auf eine berschleifende Bremsklotzsohle
zurckzufhren war, ist es von besonderer Bedeutung diese im Rahmen des wagentechni-
schen Behandlungsdienstes zu erkennen. Daher ist auf das richtige anlegen der Bremssoh-
len besonders zu achten. Zur Erkennung von entsprechenden thermischen Belastungen
mssen auch insbesondere normgerechte Farbanstriche zur Anwendung kommen.
Dies fhrte dazu, dass potentiell betroffene Fahrzeuge nach deren Entladung zu weiteren
Radsatzuntersuchungen Werksttten zugefhrt wurden.
Die Schweizerische Bundesbahn (SBB), die das Werk in Bellinzona betreibt, hatte den Sach-
verhalt dem BAV gemeldet und einen Manahmenplan Laufradstze erstellt.
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