GeoForum MV 2023: Geoinformation – Gefragter denn je!
Von Ralf Bill, Marco L. Zehner und Grit Zacharias
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Über dieses E-Book
Das GeoForum MV 2023 wird in Rostock-Warnemünde als Kongress mit Ausstellung sowie Vorträgen zu Best-Practice-Lösungen und technisch-wissenschaftlichen Ergebnissen durchgeführt. Das GeoForum bietet aber auch viele Gelegenheiten zum persönlichen Erfahrungsaustausch und zur Vernetzung und erfreut sich daher einer sehr treuen Teilnehmerschaft.
Der vorliegende Tagungsband versammelt die Beiträge in technologieorientierten und anwendungsorientierten Themenblöcken und stellt diese als Open Access zur Verfügung.
Ralf Bill
Prof. Dr.-Ing. Ralf Bill studierte Geodäsie an der FH Mainz (1972–1975) und den Universitäten Berlin (1975–1976) und Karlsruhe (1976–1979) und war anschließend Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Karlsruhe (1979–1985, Promotion 1982). 1985–1989 arbeitete er als GIS-Entwicklungsingenieur bei Wild (Heerbrugg/Schweiz). 1989–1994 baute er als Senior Scientist am Institut für Photogrammetrie der Universität Stuttgart die Lehre und Forschung in der Geoinformationsverarbeitung im Studiengang Vermessungswesen auf. Seit 1994 ist er Universitätsprofessor für Geodäsie und Geoinformatik an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock. Seit 1999 leitet er zudem das Steinbeis-Transferzentrum für Geoinformatik Rostock, in dem GIS-Entwicklungen für Wirtschaft und Verwaltung stattfinden.
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Buchvorschau
GeoForum MV 2023 - Ralf Bill
Keynote
Geoinformation – Fels in der Brandung oder Spielball der Wellen digitaler Zwillinge und Datenräume?
Gerd Buziek
Esri Deutschland GmbH, Kranzberg
Die digitale Transformation Europas, und damit auch die Deutschlands, läuft unaufhaltsam und wirkt sich in vielfacher Hinsicht auf Geoinformationen aus. Beispiele dafür sind die Entwicklung und der Betrieb von Plattformen zur Bereitstellung von Erdbeobachtungsdaten aus dem europäischen Copernicus-Programm, konzeptionelle und prototypische Entwicklungen der souveränen Cloud-Infrastruktur Gaia-X, der Aufbau und Betrieb von Datenräumen für Mobilitätsfragestellungen oder die Entwicklung der Forschungsdateninfrastruktur NFDI4Earth, um nur einige zu nennen.
Zugleich müssen wir feststellen, dass auf europäischer Ebene eine Reihe von regulatorischen Maßnahmen getroffen werden, die sich auch auf die Nutzung von Geodaten auswirken dürften. Zu nennen ist hier an erster Stelle das Datengesetz der EU, kurz Data Act. Dieses Gesetz ist Teil der Implementierung der europäischen Datenstrategie von 2020 und legt fest, wer aus Daten Wert schöpfen kann. Das Gesetz ist abgestimmt auf das Data-Governance-Gesetz, mit dem die sektorübergreifende Weitergabe von Daten, aber auch die zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, geregelt wird.
Diese regulativen Maßnahmen manifestieren sich entlang der Datenstrategie von 2020 in 10 sogenannten Datenräumen und ausgewählten „High Value Data Sets", mit denen die europäische Datenwirtschaft und damit eine datengesteuerte Gesellschaft initiiert werden soll.
Auf nationaler Ebene findet die europäische Datenstrategie eine projektgetriebene Umsetzung. So sind beispielsweise Copernicus-Daten auf dem nationalen Knoten „Code-DE verfügbar, und mobilitätsrelevante Daten werden auf der Plattform „Mobilithek
des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zusammengeführt. Darüber hinaus existiert mit dem „Mobility Data Space", mit Sitz in der Akademie der Technikwissenschaften, Acatech, München, ein erster Datenraum, der die Mobilitätsindustrie auch mit Geodaten versorgt. Weitere Datenräume werden folgen.
Auf der kommunalen Ebene wird an digitalen Zwillingen für Städte und Kommunen gearbeitet. Zu diesem Zweck haben sich beispielsweise die Städte Hamburg, Leipzig und München zum Projekt „Connected Urban Twins, kurz CUT-Projekt, zusammengeschlossen. Ergebnisse dieses Projektes finden ihren Niederschlag auch in der gerade entstehenden DIN-Spezifikation 91607 „Digitale Zwillinge für Städte und Kommunen
, in der Verwaltung, Wissenschaft und Industrie gemeinsam dieses Thema bearbeiten.
Bei allen hier nur facettenartig aufgezeigten neuen Entwicklungen ist zu beobachten, dass offenbar kaum Rückwirkungen einer sich etablierenden Datenwirtschaft auf etablierte Fachinformationssysteme, Geobasisdaten oder Geodateninfrastrukturen gegeben sind. Es stellt sich daher die im Vortrag zu beleuchtende Frage, ob die exemplarisch genannten Eckpfeiler unseres Geoinformationswesens in der aufgezeigten Entwicklung einer europäischen datengesteuerten Gesellschaft „Fels in der Brandung oder „Spielball der Wellen
sind.
Flächenmanagement und -analysen
WebGIS für das Flächenmanagementkataster Schleswig-Holstein (FMK-SH)
Inis Jansen, Peter Korduan
Innenministerium Schleswig-Holstein, GDI-Service Rostock
[email protected], [email protected]
Abstract. Der Beitrag beleuchtet den Aufbau des Flächenmanagementkatasters in Schleswig-Holstein. Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung setzt auch für Schleswig-Holstein das Ziel, den Flächenverbrauch für zusätzliche Siedlungs- und Verkehrsflächen zu begrenzen. Die tägliche Flächenneuinanspruchnahme in Schleswig-Holstein soll bis 2030 auf unter 1,3 Hektar pro Tag abgesenkt werden. Damit will das Land das flächenpolitische Ziel der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie umsetzen. Langfristiges Ziel ist eine Flächenkreislaufwirtschaft. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an das Flächenmanagement. Eine Voraussetzung für ein effektives Flächenmanagement ist die Kenntnis über potenzielle Flächen, die für Bau-, Nachverdichtungs- oder Umnutzungsvorhaben verwendet werden können. Im Beitrag werden die Hintergründe und die Ziele des Projektes vorgestellt und es wird auf die technische Umsetzung eingegangen. Zum Einsatz kommt das Open-Source-WebGIS kvwmap. Es wurde eine Lösung eingerichtet, mit der die Kommunen ihre Flächen erfassen und pflegen können. Das Eingabeformular wurde in Abstimmung mit ausgewählten Testkommunen erstellt. Der Geometrieeditor ermöglicht eine einfache Datenerfassung. Weitere Funktionen für Im- und Export, ein Ticketsystem sowie Dienste wurden eingerichtet.
1 Einleitung
In der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wird das Ziel ausgegeben, bis 2030 nicht mehr als 30 ha pro Tag zusätzliche Siedlungs- und Verkehrsflächen neu in Anspruch zu nehmen. Derzeit sind es deutschlandweit ca. 55 ha. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an das Flächenmanagement der Länder und Kommunen.
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat mit Kabinettsbeschluss vom 12. Januar 2021 das Projekt Nachhaltiges Flächenmanagement auf den Weg gebracht. Insgesamt 30 Millionen Euro und sieben Planstellen stehen bis Ende 2026 auf der Landesebene für das Projekt zur Verfügung. Ergänzt werden diese durch einen „Baulandfonds" mit einem Kreditvolumen von bis zu 100 Millionen Euro bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein. Ein Ziel des Projekts ist, ein landesweit einheitliches Flächenmanagementkataster in Form einer InternetPlattform aufzubauen, die allen Kommunen und kommunalen Körperschaften zur Verfügung stehen soll. In dem Kataster sollen bereits bestehende Ansätze zur Erfassung von Innenentwicklungspotenzialen, Brachflächen und Baulandreserven zusammengeführt und dort zukünftig in einheitlicher Art und Weise vervollständigt werden. Das FMK SH dient außerdem als Grundlage für die Arbeit der Flächenmanager, die Gemeinden beraten sollen, wie sie am besten Flächenpotenziale aktivieren und entwickeln können und welche Fördermöglichkeiten es dafür gibt. Darüber hinaus soll das FMK SH die Einführung eines landesweiten Flächenmonitorings unterstützen und Informationen für die Flächenberichterstattung an den Landtag liefern.
Der Beitrag beleuchtet sowohl die Hintergründe, Ziele und Methodik der Datenerfassung als auch die technischen Aspekte der Umsetzung durch GDI-Service. Da die Daten dezentral durch die Gemeinden, kreisfreien Städte, Ämter und/oder Landkreise erfasst werden sollen, bietet sich die Umsetzung mit einem internetgestützten System an. Aufgrund der raumbezogenen Daten wurde ein Geo-Informationssystem gefordert. Mit diesen Anforderungen und der Zielsetzung, mehr Open-Source-Anwendungen in der Verwaltung von SH einzusetzen, fiel die Wahl nach Ausschreibung und Teilnahmewettbewerb auf das Open-Source-WebGIS kvwmap.
Im ersten Teil gehen wir zunächst auf die Architektur ein, die der FMK-Anwendung zugrunde liegt. Die Basis bildet ein Server mit Linux-Betriebssystem und einer Umgebung für Docker-Container, die die jeweiligen Open-Source-Komponenten beinhalten. Im nächsten Abschnitt gehen wir auf das Datenmodell ein. Dieses wurde zusammen mit dem Auftraggeber entwickelt und mit den Nutzern im Vorfeld abgestimmt. Auf der Basis des Datenmodells konnte dann die Eingabemaske entwickelt werden. Der Auftraggeber hat hier die Möglichkeit, selbstständig ohne Programmierkenntnisse Anpassungen nach seinen Anforderungen vorzunehmen. Der Zugang zum System ist nur mit Authentifizierung möglich. Im Abschnitt Nutzermanagement gehen wir auf das Rollenkonzept im WebGIS ein, bevor im letzten Abschnitt noch weitere Funktionen wie das Drucken, der Imund Export sowie Dienste beschrieben werden.
2 Architektur
Für das FMK SH wird ein dezidierter Server von Hetzner bereitgestellt. Darauf wurden Debian-Linux, Festplatten im RAID1 sowie Docker und Docker-Compose installiert. Die benötigten Komponenten des WebGIS laufen in verschiedenen Docker-Containern, siehe Abbildung 1.
Abbildung 1: Architektur mit Docker-Containern für das FMK-SH
Für die Speicherung der Anwendungsdaten wird ein MariaDB- und phpMyAdmin-Container verwendet. Darin werden die Daten der Nutzer, Gruppen, Karteneinstellungen sowie Berechtigungen für den Umgang mit den Geodaten hinterlegt. In einem Postgres-Container mit PostGIS-Erweiterung werden die Geodaten gespeichert. Darin stehen umfangreiche Funktionen zur räumlichen Verarbeitung der Daten zur Verfügung. Die Verwaltung der Geodaten wird mit dem Datenbank-Client pgAdmin4 durchgeführt, welcher ebenfalls in einem Docker-Container eingerichtet ist. Ein GDAL-Container dient dem Import- und Export von Daten in verschiedenen GIS-Formaten. Der Web-Container schließlich beinhaltet den MapServer, der die Karten rendert, sowie die PHP-Web-Anwendung, die HTML mit JavaScript und SVG zum Browser ausliefert. Diese Container sind in einem Sub-Netzwerk auf dem Host-Server verbunden. Weitere Netzwerke mit ebensolchen Containern lassen sich z. B. für ein Test- oder Entwicklungssystem leicht einrichten. Über ein nginx-WebServer, der als Proxy fungiert und ebenfalls in einem Docker-Container läuft, werden die Verbindungen in die einzelnen Container der internen Netzwerke hergestellt, die nach außen sichtbar sein sollen. Das WebGIS kvwmap selbst ist eine Client-Server-Anwendung, die serverseitig auf PHP-MapScript aufsetzt und ihre interaktive Kartenanwendung mit HTML und JavaScript an den Browser ausliefert.
3 Datenmodell
Das Datenmodell, welches in Postgres umgesetzt wurde, sieht im Wesentlichen nur eine Entität vor, die Potenzialfläche. In der Realität werden aber viele weitere Tabellen benötigt. Zum einen werden im Projekt zahlreiche externe Daten eingebunden, die als Hintergrundinformationen und für die Erfassung der Daten erforderlich sind. Daten, die als WMS-Dienst verfügbar sind und auch als Hintergrundlayer ausreichen, wurden auch nur als Rasterlayer eingebunden. Dazu gehören die topographische Karte Basemap-DE, Luftbilder sowie der Landesentwicklungsplan und die Landschaftsrahmen- und Regionalpläne. Ausgewählte Daten wurden zum Teil zusätzlich von externer Quelle als WFS eingebunden und können auch für die Geometrieerfassung verwendet werden, z. B. die Flächennutzungs- und Bebauungspläne. Ausgewählte Vektordaten wurden auch in lokale PostGIS-Tabellen importiert, um diese mit anderen Daten verschneiden zu können. Dazu zählen die Verwaltungsgrenzen oder Flächennutzungsplan- und Grünflächen. So eingebundene Daten werden mit den Potenzialflächen automatisch verknüpft und sind somit Bestandteil des Datenmodells. Für Attribute der Potenzialflächen, die keine Freitexte beinhalten, sondern sich aus Auswahllisten befüllen lassen sollen, werden Codelisten-Tabellen angelegt, siehe Abbildung 2. Das hat den Vorteil, dass die Auswahlwerte bei Bedarf geändert und vor allem fortgeführt werden können. Zum Teil wird auch den Erfassern die Möglichkeit gegeben, selbstständig zusätzliche Werte in den Codelistentabellen zu erfassen. In zwei 1:n-Tabellen können Fotos und Dokumente zu den Potenzialflächen zugeordnet werden. Zur Sicherstellung der Datenintegrität wurden Primär- und Fremdschlüssel definiert und für eine bessere Performance B-Tree und GIST-Indexe.
Trigger füllen Attribute über die räumliche Verknüpfung zu Verwaltungsgrenzen automatisch und können auch für Validierungen verwendet werden.
Abbildung 2: Datenmodell FMK SH
4 Erstellung der Eingabemaske
Die Eingabemaske des Potenzialflächenlayers wird durch den Administrator über den Attributeditor definiert. Die Basis ist ein SELECT-Statement, welches definiert, welche Attribute dargestellt werden sollen. Den so definierten Attributen können Einstellungen für die Darstellungsweise und Rechte zugewiesen