Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $9.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Goethes tatkräftige Helfer: Vulpius - Riemer - Eckermann
Goethes tatkräftige Helfer: Vulpius - Riemer - Eckermann
Goethes tatkräftige Helfer: Vulpius - Riemer - Eckermann
eBook334 Seiten3 Stunden

Goethes tatkräftige Helfer: Vulpius - Riemer - Eckermann

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Von drei Männern ist hier, im "Nachtrag" zum "Klatschnest Weimar", die Rede, die in engster Beziehung zu Goethe standen, Männer, die unterschiedlicher kaum sein konnten: der vorwiegend bibliothekarisch tätige Schriftsteller Christian August Vulpius, der Philologe Friedrich Wilhelm Riemer und der Freiberufler Johann Peter Eckermann. In ihrem Wirken mit und für Goethe spiegelt sich neben ihren Arbeiten für den verehrten Meister auch das Alltägliche, das zutiefst Menschliche, die Not der Zeit wider. Das zu zeigen ist Anliegen dieses Bändchens, das sich auf die Quellen stützt und so einen eigenen Zugang zur Geschichte der klassischen Zeit zu geben bemüht ist.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. Nov. 2020
ISBN9783347195660
Goethes tatkräftige Helfer: Vulpius - Riemer - Eckermann

Mehr von Konrad Kratzsch lesen

Ähnlich wie Goethes tatkräftige Helfer

Ähnliche E-Books

Biografie & Memoiren für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Goethes tatkräftige Helfer

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Goethes tatkräftige Helfer - Konrad Kratzsch

    Vorwort

    Am Anfang stand eine Einladung der Universität von New South Wales in Sidney, bei einem Kolloquium zu Goethes 250. Geburtstag über das Weimar zur Goethezeit zu sprechen, um so einen Blick auf das Leben in der kleinen thüringischen Residenzstadt zu werfen; von deren Repräsentanten zwar viel geschrieben und gesprochen wird, deren Alltag, der doch schließlich das Leben und die Arbeitswelt bestimmte, aber kaum Beachtung findet. Gero von Wilpert, durch sein Goethe-Wörterbuch ¹ bekannt und legitimiert, gab die thematischen und methodischen Hinweise. Der Vortrag wurde gehalten, wurde wohl auch den Erwartungen gerecht, denn die deutschen Teilnehmer an der Veranstaltung, wie auch Herr von Wilpert rieten zu einer erweiterten Darstellung und halfen einen Verlag zu finden, der den Text ohne finanziellen Zuschuß herauszubringen bereit war, und nicht nur das, das Buch wurde als Longseller in das Verlagsprogramm von Königshausen & Neumann aufgenommen und erlebte 3 Auflagen, ² die die Gelegenheit boten, Erweiterungen einzufügen. Ziel des Ganzen war, ein leicht lesbares, auf soliden Quellen aufgebautes Buch zu schaffen, das ohne literaturwissenschaftliche und geistesgeschichtliche Exkurse die Vertreter des klassischen Weimar dem Interessierten menschlich näherbringen und verständlich machen sollte. Dabei wurde aber deutlich, daß die Quellenlage oft sehr schwierig ist. Der Zugang zu den Quellen ist zum Teil recht kompliziert und behindert eine weitere Beschäftigung mit den Dingen. Das bedeutete jedoch aber auch, daß auf manche weitere Darstellung verzichtet werden mußte, weil damit der Rahmen des ursprünglichen Vorhabens gesprengt worden wäre. So entstanden die Beiträge zu Riemer und Eckermann, die vor allem deren persönliches Verhältnis zu Goethe darstellen sollten, gesondert. Durch die verdienstvolle Edition der Briefe von Christian August Vulpius ³ ist es möglich geworden, Vulpius auch unter einem anderen Aspekt als dem des Unterhaltungsschriftstellers zu sehen. Wegen des schwierigen Zugangs zu den Quellen wurden die Originaltexte so ausführlich wiedergegeben. Damit sollte ein unmittelbarer Zugang zu den Lebens- und Denkweisen ermöglicht, manches erklärt, aber auch Vorurteile beseitigt werden.

    So möge denn der geneigte Leser die hier vorliegende ergänzende Fortsetzung zum „Klatschnest Weimar wohlwollend aufnehmen und Gewinn daraus schöpfen, wenn es gelingen sollte, den Blick auf die „gute alte Zeit zu schärfen und zu revidieren.

    Weimar, im Herbst 2020                            Konrad Kratzsch

    ¹ Wilpert, Gero von. Goethe-Lexikon. – Stuttgart: Kröner 1998. 1227 S. = Kröners Taschenausgabe. Bd. 407.

    ² Kratzsch, Konrad. Klatschnest Weimar. Ernstes und Heiteres, Menschlich-Allzumenschliches aus dem Alltag der Klassiker. 3., wesentl. erw. Aufl. –

    Würzburg: Königshausen & Neumann 2009. 210 S.

    ³ Vulpius, Christian August. Eine Korrespondenz zur Kulturgeschichte der Goethezeit. Hrsg. von Andreas Meier. Bd. 1-2. – New York: de Gruyter 2003. = Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte. 28/1-2.

    Christian August Vulpius

    23. Januar 1762 - 26. Juni 1827

    Christian August Vulpius, ein besonderer Helfer Goethes

    Die Familie Fuchs, die sich später Vulpius nennen sollte, war in den thüringischen Landen weit verstreut. Die verwandtschaftlichen Zusammengehörigkeiten vermögen die Familienforscher nicht mit letzter Sicherheit zu belegen, aber da war der um 1570 in Wasungen bei Meiningen geborene Melchior Fuchs, ein Komponist, der zunächst Lehrer, dann Kantor in Schleusingen gewesen war, bis er 1596 zum Stadtkantor von Weimar berufen wurde, wo er 1615 verstarb. Dieser bedeutende evangelische Kirchenmusiker latinisierte seinen bürgerlichen Namen dem damaligen Brauch entsprechend. Das geht aus dem Taufregister von 1597 hervor. ¹ So wurde aus Fuchs Vulpius und dabei sollte es auch künftig bleiben. 1752 verstarb in Weimar der 1695 geborene Advokat ohne Gehalt in herzoglichen Diensten Johann Friedrich Vulpius. Er besaß ein Freigut, wie auch seine Frau, Sophie Dorothea geb. Hecker, eine Pfarrerstochter, die nicht unerheblichen Grundbesitz in Weimar in die Ehe eingebracht hatte.

    Die Familie lebte von der Substanz, mußte aber die Immobilien nacheinander verkaufen, um leben zu können. Das war die Situation der Familie, als Johann Friedrich Vulpius 1725 als zweites Kind von sechs geboren wurde. Vor ihm war bereits eine Tochter geboren worden, der noch vier weitere folgen sollten. 1739 mußte zum ersten Male Familiengut veräußert werden, dennoch nahm Johann Friedrich in Jena ein Jura-Studium auf, ohne fremde Unterstützung, allein vom Vater finanziert. Aber nachdem auch der mütterliche Besitz verkauft worden war, brach Johann Friedrich Vulpius 1748 sein Studium in Jena aus wirtschaftlichen Gründen ab und kehrte nach Weimar zurück, wo er sich jahrelang erfolglos um eine Anstellung bei Hofe bemühte. Als 1752 der Vater stirbt, hat der Sohn immer noch keine Anstellung gefunden. Erst 1759, nach zehn Jahren des Bittens, erhält Vulpius eine Stelle als Copist mit einem festen Jahresgehalt von 50 Reichstalern beim Fürstlichen Amt in Weimar. Ein Jahr darauf heiratet er, nunmehr 35 Jahre alt, die 18jährige Christine Margarete Riehl. Da die Braut aus einer wohlhabenden Familie stammt, ist Dank einer beachtlichen Mitgift und einer ständigen Unterstützung durch den Brautvater die Familie zunächst abgesichert. Doch das endet mit dem Tode von Johann Philipp Riehl im Jahre 1769.

    Am 23. Januar 1762 war Christian August Vulpius geboren worden. Als seine Mutter 1771 stirbt, ist er neun Jahre alt und besucht das Gymnasium in Weimar. 1774 heiratet der Vater erneut. Musäus, Herder, Wieland und Jagemann, die Lehrer und Nachbarn in der Luthergasse, wo die Familie ein kleines Haus bewohnte, hatten den jungen Gymnasiasten beeinflußt, seine literarischen Interessen angeregt und seine schriftstellerischen Anlagen befördert.

    Bereits 1777 war das erste erhaltene literarische Zeugnis des jungen Christian August Vulpius entstanden, ein Bilderbuch: „Geschichte der auf der Insul Brolingshbrog errichteten Kolonie, das er zusammen mit Schulfreunden geschrieben und gezeichnet hatte. Als er 1781 das Gymnasium verläßt, gehört er zu den ausgezeichneten Schülern, die eine Abschiedsrede halten dürfen: „Lob, Leben und Thaten Bernhard des Großen, Herzogs von Weimar. Mit Erreichen des zwanzigsten Lebensjahres - Voraussetzung, um ein Jurastudium aufnehmen zu können - geht er an die Landesuniversität in Jena und studiert dort, mit landesherrlicher Unterstützung in Höhe von 12 Talern jährlich, zunächst Jura, wendet sich aber bald den Geschichtswissenschaften zu. Zur gleichen Zeit beginnt er sich auch schriftstellerisch zu betätigen. 1783 erscheint beim Hofbuchhändler Hoffmann in Weimar sein erster Text: „Oberon und Titania oder Jubelfeier der Wiederversöhnung, ein Vorspiel bey der Höchsterfreulichen Geburt des Durchlauchtigsten Erbprinzen zu Sachsen-Weimar und Eisenach etc. Es folgen im Jahr darauf kleinere Arbeiten, die keine hundert Seiten umfaßten: „Geschichte eines Rosenkranzes, „Abentheuer des Ritters Palmendos". Sie entsprachen so ganz jener Literatur, die die Lektüre des jungen aufblühenden Bürgertums bestimmte und eine günstige Marktsituation vorfand. Allerdings gehören die schriftstellerischen und herausgeberischen Erzeugnisse seiner Frühzeit nicht der hohen Literatur an. Er schrieb, um Geld zu verdienen und bediente so den Buchmarkt mit gängigen Texten.

    In diesen Jahren war Vulpius auf einen alten Codex gestoßen, den er zusammen mit Jagemann begutachtet. Sie fanden den Band so interessant, daß an eine Veröffentlichung gedacht wurde. Doch zunächst wurde nur ein Auszug daraus in Reichards „Taschenbuch für die Schaubühne auf das Jahr 1785. - Gotha: Ettinger 1784 abgedruckt: „Theatralische Nachrichten aus Italien. (Aus einer Handschrift des vorigen Jahrhunderts.) Hier berichtet er im Begleittext über den Codex: „Ich besitze als ein Familienstück eine Reisebeschreibung nach Italien eines meiner Anverwandten, welche er 1689, 1690 und 1691 gethan hat. Es ist ein starker Quartband voll der merkwürdigsten Nachrichten, welche sich aus den damaligen Jahren nur denken lassen."²

    Im September 1785 fragt Vulpius bei dem Berliner Verleger Friedrich Gottlob Unger an, ob Unger wohl an einer Herausgabe dieses Werkes interessiert sei: „Weimar den 19. Sept. 1785. Wohlgeborener Hochzuverehrender Herr. Ich besitze als Familienstück eine Reisebeschreibung nach Italien, vom Jahre 1690 - 1691. Welche noch nie gedruckt u vielleicht die erste ist welche ein Teutscher beschrieben hat. Die Dedikation zeigt an, daß sie hat gedrukt werden sollen, es ist aber nie geschehen. Was ich im 85. Theaterkalender draus habe einrüken laßen, ist alles was draus gedrukt ist. Erst wollte ich die ganze Reise ediren, u Berichtigungen dazu druken laßen. Als ich aber die Sache mit Herrn. Jagemann überlegte sahen wir daß der Abstand der Zeiten zu groß war. Aber als Auszug wär es überaus interessant. … Könnten Sie den Auszug, den ich draus machen werde in Ihrer Sammlung von Reisen brauchen, so hoffe ich, werden wir bald einig werden. Ich würde mich außerordentlich freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen."³ Eine solche Verbindung kam jedoch nicht zustande.

    1782 war der Vater wegen eines Amtsvergehens zunächst suspensiert, dann entlassen worden. Es handelte sich dabei um einen heute nicht mehr aufklärbaren Rechtsfall, weil die Akten ein Opfer des 2. Weltkrieges geworden sind: Der Jenaer Bürgermeister und Kaufherr Johann Christian Jakob Paulsen hatte gegen den Amtsarchivarius Johann Christian Vulpius und den Amtsdiener Georg Caspar Graf wegen eines „durch Fertigung eines falschen Konsenses zu Schulden gebrachten Falsums" geklagt. Das führte zu Amtsenthebung und kurzzeitiger Haft. Das Verfahren wurde wohl wegen Geringfügigkeit niedergeschlagen. Vulpius erhielt einen Gnadensold von 12 Reichstalern und 12 Scheffeln Korn mit der Verpflichtung, sich für Arbeiten beim Wegebau zur Verfügung zu halten, und wurde auch gelegentlich zu Hilfsarbeiten in der herzoglichen Verwaltung herangezogen.

    Im Jahre 1786 starb der Archivar Johann Friedrich Vulpius. Bereits 1784 hatten Christian August und seine Schwester Christiane das Bürgerrecht in Weimar erworben. Mit dem Tod des Vaters änderte sich alles. Christian August mußte nun für die Schwestern sorgen. Er beendete sein Studium, kehrte nach Weimar zurück und versuchte seine literarische Karriere auszubauen, mit der er bereits als Student begonnen hatte.

    Goethe, im November 1775 nach Weimar gekommen, weiß Anfang 1776 schon von seiner Einbindung in die Hof- und Regierungsgeschäfte zu berichten⁴. „… Ich bin nun ganz in alle Hof- und politische Händel verwickelt und werde fast nicht wieder weg kommen. Meine Lage ist vortheilhaft genug, und die Herzogthümer Weimar und Eisenach immer ein Schauplatz, um zu versuchen, wie einem die Weltrolle zu Gesicht stünde. Ich übereile mich drum nicht, und Freiheit und Genüge werden die Hauptconditionen der neuen Einrichtung seyn, ob ich gleich mehr als jemals am Platz bin, das durchaus Scheisige dieser zeitlichen Herrlichkeit zu erkennen. Eben drum Adieu! …"

    Goethe war im Juni des gleichen Jahres zum Geheimen Legationsrat ernannt und in das Beraterkollegium des Herzogs, das Geheime Consilium berufen worden. Im Januar 1779 übertrug Carl August Goethe die Direktion des Landstraßenbaus und die des Stadtpflasterbauwesens, die Wegebaudirektion, und am 11. Juni 1782, nachdem er den Kammerpräsidenten von Kalb entlassen hatte, auch die Leitung der „Kammer", der obersten Finanzbehörde des Herzogtums, allerdings ohne ihm den Präsidententitel zu verleihen. Durch diese amtlichen Stellungen war Goethe sicher über die Causa Vulpius informiert.

    Christian August Vulpius ist gezwungen, eine Anstellung zu finden, die es ihm ermöglicht, seine Familie zu versorgen. Seine literarischen Produktionen reichten dafür nicht aus. Goethe unterstützt ihn, wohl mehr von Amtswegen als aus persönlichem Interesse, wie er später in einem Brief an Jacobi schreibt, als er diesem Vulpius als Sekretär und Erzieher seiner Kinder empfiehlt.

    Im April 1786 versuchte Vulpius erneut, für den bereits im Vorjahr dem Verleger Unger in Berlin angebotenen Text einen Verlag zu finden. Obwohl sich Goethe in seinem Brief vom 26. Januar 1786 an Charlotte von Stein kritisch über den Schriftsteller Vulpius geäußert hatte: „Der Theaterkalender, den ich gelesen hat mich fast zur Verzweiflung gebracht … niemals ist er mir und sein Gegenstand so leer, schaal, abgeschmackt und abscheulich vorgekommen. … Mit den Exkrementen der Weimarischen Armuth würzt Herr Reichardt seine oder vielmehr die deutsche Theater Miserie…"⁵, unterstützt er ihn doch bei dem Versuch, Göschen als Verleger zu gewinnen. Vulpius wendet sich am 11. April 1786 mit einem Schreiben an Göschen: „Hochedelgeborener Herr! Ohne alle Umschweife, denen ich herzlich feind bin, sage ich Ihnen daß ich ein Büchlein schreiben will genannt: Theatral. Reisen. Zur Probe sende ich Ihnen den Bogen derselben mit u biete Ihnen den Verlag dieses Werkchens an. Wenn Sie glauben, daß es Ihrer Spekulation zuträglich ist u dem Ungefähr, oder sonst anderen Umständen auch etwas zutrauen, so können wir denn den Handel bald abschliesen.

    Zugleich sende ich Ihnen den Bogen eines Schauspiels mit, welcher am leserlichsten geschrieben ist. Dieses Schauspiel ist auf einigen Bühnen im Mspt. gut aufgenommen worden Es könnte sich aber leicht zutragen daß einer das Stück drucken lies, ohne daß ich selbst die lezte Hand ans Werk legen könnte. Wenn Sie dies Schauspiel verlegen wollen, gebe ichs Ihnen unter folgenden äußerst billigen Bedingungen.

    1) Daselbe ist 10. geschr. Bogen stark u davor verlange ich nicht mehr als 1. Karlin Honorar, welchen ich zu einem gewissen Gebrauche bestimmt habe. Diesen Karlin aber, erhielt ich gleich nach Übersendung des Mspts. 2.) Nach Abdruck desselben, 12 postfreie Exempl. auf Schreibpapier."

    Vulpius ist in arger Bedrängnis, da mit dem Tod des Vaters die Familie in Weimar keine herzogliche Unterstützung mehr erfährt, von der Familie auch keine weiteren Zuwendungen erfolgen und der schriftstellerische Erfolg keineswegs gewinnbringend genug ist. Vor einer solchen Situation hatte bereits Herder die jungen Gymnasiasten gewarnt. 1778 hatte er in einer seiner Schulreden gesagt: „Zu viele wollen Buchstabenmänner werden. O werdet Geschäftsmänner, liebe Jünglinge, Männer in vielerlei Geschäften. Die Buchstabenmänner sind die unglücklichsten von allen; ihre Achtung nimmt ab, die der anderen nimmt zu. Jene werden bald verhungern müssen. Nehmet den Meßkatalog. Die Mehrzahl der Bücher hat der Hunger diktiert. Zaubereien, Streitschriften, Revolutionsschriften lehrt der Hunger bellen. …"⁷ Vulpius verläßt Weimar, um in Süddeutschland eine irgendwie geartete Anstellung zu finden, gleichzeitig sucht er immer weiter nach Kontakten zu Verlegern.

    Weimar im Jahr 1824

    Melchior Fuchs: Geistliche Lieder. Erfurt 1610

    Geburtshaus von Christian August und Christiane Vulpius, Weimar, Luthergasse

    So nimmt er zunächst in Nürnberg die Stelle eines Sekretärs bei Julius von Soden an, der hier seit 1781 in Ansbachischen Diensten als Gesandter des Fränkischen Kreises⁸ akkreditiert war. Gegen eine schmale Entlohnung war er hier tätig, wurde jedoch alsbald gegen einen für noch geringes Gehalt arbeitenden Angestellten ausgetauscht. Die Charakterisierung des Herrn von Soden, die der verzweifelnde Vulpius aus Erlangen an Sophie von La Roche am 7. Oktober 1788 schreibt, spricht für sich: „Hr. v. S. ist der gefälligste Mann auf Gottes Erdboden, wenn’s nicht sein Interesse, nicht sein Geld betrift … - Seine Betriebsamkeit, ist unermüdlich, aber sein Geiz, geht bis zur äussersten Niedrigkeit. Seine Briefe scheinen Evangelia zu seyn, seine Versprechungen sind himmlisch - seine Erfüllungen - teuflisch. Mich kostet dieser Mann, Freunde, beinahe Vaterland, all mein Geld, Gesundheit u. Ruf. Des wegen halte ich mich nicht mehr zu Nürnberg auf, gieng auf Herders Rath, u Göthens Befehl fort - bis sich ein ander Unterkommen für mich zeigt. Ich werde aber wohl dazu verdammt seyn, unglücklich bleiben zu müssen. Dies ist das Geständniß meines unglücklichen Herzens - ob ich gleich den Hrn. v. S. wenn er es erführ, zu fürchten habe, denn er ist mächtig genug. - Wenden Sie diese Nachricht, liebste Freundin, nicht zu meinem Nachtheil an. Er hat Geld und Güther genug - aber sein Herz ist keiner edlen Empfindung fähig, er kann keine edle That thun, wenn er nur 30 Kr. ins Spiel gebracht sieht.- Ach! Gott! - Ich weis am besten, was der Mann mir vor Unglück zubereitet hat!"⁹

    In dieser Zeit wurde Vulpius mit zwei bedeutenden Wissenschaftlern in Nürnberg bekannt, die sich auch in sein Stammbuch eintrugen: den Polyhistor Christoph Gottlieb Murr¹⁰ und den Erlangener Historiker, Lexikograph und Bibliograph Johann Georg Meusel¹¹.

    Inzwischen war Goethe aus Italien zurückgekehrt und hatte am 12. Juli 1788 den Bittbrief von Christiane Vulpius entgegengenommen, in dem um Unterstützung für den Bruder und die gesamte Familie gebeten wurde. Christian August Vulpius hielt sich zu dieser Zeit in Erlangen und Nürnberg auf. Am 19. August 1788 schreibt Johann Gottfried Herder, der sich als Begleiter von Herzogin Anna Amalia auf deren Italienreise in Nürnberg aufhält, an seine Frau Caroline: „Ich kam nach Hause und fand den armen Vulpius auf mich warten. Erinnere doch Goethe an ihn; aus dem Menschen wird hier nichts, und er geht hier verloren. Er hat mir Goethes Brief an ihn gewiesen und hat alle Hoffnung auf ihn gerichtet, ob ich gleich auch nicht sehe, wo man in Weimar mit ihm hin will. …"¹²

    Man scheint in Weimar durchaus Anteil am Schicksal der Familie Vulpius genommen zu haben, auch wenn Goethe in seinem Brief vom 26. Januar 1786, in dem er hart mit der Weimarer Literaturszene ins Gericht geht, Vulpius nicht gerade begeistert erwähnt.

    So lange Goethe in Italien weilt, kümmert er sich verständlicherweise nicht um den jungen Modeschriftsteller. Doch zurückgekehrt, nach der Entgegennahme der Bittschrift und sicher auch durch die nun einsetzende Beziehung zu Christiane, unternimmt Goethe einiges, um Vulpius zu helfen. So überweist Goethe am 26. November 1788 Geld nach Nürnberg an Willhelm Friedrich Hufnagel¹³. Er bedauert, Hufnagel in Weimar nicht getroffen zu haben, um ihm einen jungen Mann empfehlen zu können „der sich gegenwärtig in Erlangen aufhält. Er heißt Vulpius und ich nehme mir die Freyheit einen Brief an denselben, mit einigem Gelde beschwert, hier bey zu schließen. Er hat Fähigkeiten, ist fleißig gewesen, und nur ein Zusammenfluß von Umständen hat verursacht daß er weder in seinem Vaterland noch auswärts bisher hat sein Glück finden können. Ew. Wohlgeb. mir bekannte menschenfreundliche Gesinnungen flößen mir das Vertrauen ein Ihnen diesen jungen Menschen zu empfehlen. Er ist bescheiden genug um nicht überlästig zu seyn, könnten Sie aber bey Ihren mannigfaltigen Connexionen irgend etwas für ihn würcken, das ihm auf eine Zeitlang oder gar auf sein ganzes künftiges Leben Vortheil brächte; so würden Sie gewiß keinen Undanckbaren verbinden und mich zu angenehmen Gegendiensten dadurch auffordern. Gönnen Sie ihm indessen einigen Zutritt, stehen Sie ihm indessen mit gutem Rath bey und lassen mich von seiner Aufführung einige Nachricht hören. …"¹⁴ Der Begleitbrief ist nicht erhalten.

    Im Herbst 1788 hatte Goethe seinen Verleger Göschen auf den jungen Theaterdichter Vulpius hingewiesen, der „ein Paar Bändchen Operetten" geschrieben habe.¹⁵ – „Der Schleier. - Elisinde. - Operetten. Erstes Bändchen. I. Der Schleier. II. Bella und Fernando oder die Satire. III. Elisinde." Alle erschienen bei Johann Andreas Lübecks Erben in Bayreuth und Leipzig.

    Bereits im September 1788 hatte Goethe seinem Freund Friedrich Heinrich Jacobi¹⁶ Vulpius als Sekretär empfohlen: „… Du verlangst einen jungen Mann zum Sekretair und zum Unterricht deiner Kinder, und ich habe eben einen, den ich gar gerne unterbringen möchte, ich wünschte nur daß er auch dir recht wäre. Sonderbar ists daß ich neulich ihn dir empfehlen wollte, auch etwa der Fürstinn¹⁷, weil euch doch manches vorkommt und daß eben mit deinem Brief einer von ihm ankommt, worinn er mir seine Noth klagt und meine Intercession [Fürbitte] anruft. Er hat von Jugend auf Disposition zu den Wissenschaften gezeigt und hat früh aus Neigung und Noth geschrieben und drucken laßen. Er heißt Vulpius, du hast seinen Nahmen irgendwo gelesen. Das ist nun nicht eben die beste Rekommandation [Empfehlung]. Wir erschröcken über unsre eigne Sünden, wenn wir sie an andern erblicken. Es ward ihm sauer genug auf eine solche Weise sich und seinen Geschwister zu unterhalten, er kam nicht zeitig genug hier in eine gewiße Carriere, sehnte sich nach einem Posten und ward Sekretair bey einem Kreisgesandten von Soden in Nürnberg, der ihn als einen ächter Geizhals behandelte und ihm nun den Abschied giebt, weil ein andrer für weniger Geld noch mehr Arbeit im Hause übernehmen will. Er schreibt eine Hand, die nicht schön aber gemüthlich ist. Von seinem französisch kann ich nicht sagen wie weit es geht, er versteht es, soviel weiß ich daß er artig Italiänisch kann. Er hat eine gute Bildung und aus seinen Handlungen und Äusserungen schließe ich ein gutes Gemüth. Ich habe mich seiner schon vor einigen Jahren angenommen, in meiner Abwesenheit verlohr er jede Unterstützung und ging wie schon gesagt nach Nürnberg. Freylich kann ich nicht sagen, daß ich ihn genau kenne. Ich habe mich für ihn interessirt ohne ihn zu beobachten, ich habe ihm einige Unterstützung verschafft, ohne ihn zu prüfen. Seit mehr

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1