Dariks Memoiren: Seelensammler
Von Lucian Caligo
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Buchvorschau
Dariks Memoiren - Lucian Caligo
Bisher verdingte sich Darik als Tagelöhner und Söldner. Außerdem besitzt er ein Faible für das Übernatürliche, da er selbst nicht ganz normal ist. Neben allen Fragen, die sein Leben aufwirft, ist die nach seiner Existenz, das größte Rätsel.
Über den Autor:
Lucian Caligo ist 1985 in München geboren. Seit er schreiben kann, verfasst er fantastische Geschichten. Während der Arbeit als Krankenpfleger studierte er das Leben. 2015 beschloss er, seiner Leidenschaft mehr Raum einzuräumen und seine Werke zu veröffentlichen. Seither jagt ein Buchprojekt das nächste, sehr zur Freude seiner wachsenden Leserschaft.
Mehr über Werke und Autor unter:
www.lucian-caligo.de
Für Rudy,
danke für das Cover,
es ist eine Freude mit dir zu arbeiten
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Die Nacht im Wald
Die Nacht der Wölfe
Die Nacht im Grab
Die Nacht in der Hölle
Epilog
Prolog
Allein durch unsere Erinnerungen werden wir zu dem, was wir sind ... Ich spüre, wie das Vergessen nach mir greift, wie mein Wesen erlischt. Bitte hilf mir ...«
»Ich bin hier, Darik«, versicherte sie. »Erzähl mir deine Geschichte.«
Wo beginnt man, wenn man davon berichtet, wer man ist? Vielleicht bei seiner Kindheit, dort wo alles begann? Bei dem Versuch mich daran zu erinnern, blickte ich bereits in leeren Raum. Es blieb mir nicht viel Zeit.
Wenn ich auch nichts sehen konnte, so spürte ich doch das Mitgefühl und die Geduld der Frau, die an meinem Lager wachte, in dem ich sterben sollte. Sie hielt meine Hand. Sie würde mich nicht alleine lassen, bis es endgültig vorbei war.
»Vagabund, Taugenichts und Tunichtgut, so wurde ich genannt. Auch wenn ich nicht offen widersprach, so habe ich mich immer als ein Abenteurer verstanden«, begann ich. »Einer, der den Bedürftigen hilft, wenig für sich nimmt ... Aber wir alle halten uns für gute und rechtschaffene Menschen. Das war ich wohl nicht, also ein Mensch.
Hier begann es, das größte Abenteuer dieses verlöschenden Lebens ...«
Die Nacht im Wald
Ich hing kopfüber in einem Pferdetrog. Nicht weil es mir gefallen würde, es hatte sich vielmehr so ergeben. Ich hatte ein paar zwielichtige Gesellen um ihr Geld gebracht. Nun hatten sie mich eingeholt und wollten mir den Zaster abpressen. Die Schwierigkeit bestand darin, dass ich nicht eine Münze besaß, nie besessen hatte.
Um die Zeit totzuschlagen, bis sie die Lust daran verloren mich zu quälen, las ich einen Aushang, der gegenüber an die Stallwand angeschlagen war:
›... ergeht der fürstliche Beschluss: Wer dem schauerlichen Treiben der marodierenden Bande Einhalt gebietet, soll mit einhundert Silberlingen belohnt werden.‹
Ein verlockendes Angebot. Vielleicht etwas zu verlockend, dachte ich noch so bei mir, als mir der Kopf erneut nach unten gedrückt wurde. Das Wasser war abgestanden, deshalb jedoch nicht minder wohltuend. Ich spürte, wie meine Haut sich die Substanzen herauszog, die ich zum Leben benötigte. Für viele Menschen wäre diese Behandlung eine Tortur gewesen. Und natürlich tat ich meinen alten Freunden den Gefallen und mimte ihnen den Ertrinkenden. In Wirklichkeit war es für mich eine willkommene Abwechslung zur Mittagshitze, von der ich mittlerweile ziemlich ausgedörrt war.
»Und, wie ist das?«, höhnte Grämond, mein ehemaliger Wegbegleiter. Ein feister, unfreundlicher Geselle, für den es nichts Wichtigeres als Geld zu geben schien. Aber irgendwoher musste seine Leibesfülle schließlich stammen. So ein fetter Ranzen unterhielt sich nicht von allein.
»Hilfe«, spie ich das Wasser aus. Es fiel mir schwer so etwas wie Angst, vor dem Ersticken oder Ertrinken vorzutäuschen, denn solch eine Gefahr kannte ich nicht.
»Vielleicht bist du jetzt redseliger«, grinste Grämond.
Ich blinzelte das Wasser aus meinen Augen. Dabei ließ ich mich tief in die Arme seiner beiden Spießgesellen sinken. Diese bekamen sogleich Mühe, mich auf den Beinen zu halten. »Ich habs ausgegeben«, erklärte ich ihm verzweifelt.
»Das glaube ich dir nicht«, erwiderte er. »Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du immer was auf die Seite legst.«
Tatsächlich log ich. Aber aus anderen Gründen. Die Bauernfamilie war nicht in der Lage, uns für die geleisteten Dienste zu bezahlen. Deshalb verzichtete ich darauf, Geld zu nehmen. Da ich alleine dem fiesen Gnom in ihren Feldern nicht Herr wurde, war ich gezwungen mir Hilfe zu suchen. Da kam mein alter Freund und seine beiden Kumpanen gerade recht. Dem Bauern hatte ich aufgetragen, den dreien, falls sie bei ihm auftauchten, zu sagen, ich hätte mich mit dem Geld auf und davon gemacht. Eine solch großherzige Geste traute Grämond einem Vagabunden wie mir nicht zu. Womit er nicht ganz unrecht hatte. Ich hatte es mir nicht nehmen lassen, die hübsche Bauerstochter zu verführen. Wobei »verführen« das falsche Wort war. Sie hatte mich regelrecht in ihr Bett gezerrt. Es überraschte mich nicht, dass dieser Wildfang keine Jungfrau mehr war. Ihre ungeheuerlichen Fertigkeiten beim Liebesspiel trafen mich dennoch unvorbereitet. Lange war ich nicht mehr so entlohnt worden. Schon daran zu denken, zwang mir das dümmliche Grinsen eines Lustmolchs ins Gesicht. Aber wer kann, der kann. So hieß es zumindest, oder?
»Was grinst du so bescheuert?«, fragte Grämond grimmig. »Ich will jetzt wissen, wo mein ... ich meine, unser Anteil ist.« Allmählich schien ihm der ohnehin schon dünne Geduldsfaden zu reißen.
»Gut ich habs verloren«, versuchte ich ein weiteres falsches Geständnis.
Wütend zog er sein Messer. »Jetzt reicht es!«, brauste er auf. »Dann werde ich dich eben so lange mit meinem Messerchen kitzeln, bis du redest.«
Da ich jegliche Körperspannung fallen gelassen hatte, fiel es seinen beiden Kumpanen besonders schwer, mich vom Wassertrog wegzuschleifen.
Grämond kam auf mich zu gewatschelt. Seine grauen Augen funkelten böse.
Ich entschied, dass es nun an der Zeit war, die schlecht sitzende Maske des halb Ertrunkenen fallen zu lassen. Ich zog meine Beine an und sprang auf. Zur völligen Überraschung der beiden Kerle, die bisher vergeblich versucht hatten, mich einigermaßen in einer aufrechten Position zu halten. Dem Rechten schlug meine Schulter heftig ins Gesicht. Er vermochte sich nur kurz der Ohnmacht zu erwehren, bevor er niedersank. Den Linken traf ich am Kinn. Er taumelte nach hinten. Mit einem Tritt in den Magen unterband ich dessen halbherzigen Versuch, das Schwert zu ziehen.
Jetzt da mir Grämond Auge in Auge gegenüber stand, wich das Rot seiner prallen Wangen einer Leichenblässe. Scheinbar gelang es dem Zorn, den Mangel an Tapferkeit auszugleichen, denn er stürzte sich überraschenderweise auf mich. Ein guter Kämpfer zu sein, dessen war er sicher nicht schuldig, aber er bewegte seine Körpermasse überraschend schnell. Mit meinem linken Unterarm wehrte ich sein Messer ab. Für gewöhnlich trug ich Armschienen aus Leder, die mich vor solch schwachen Angriffen schützten, heute war es jedoch zu heiß dafür. Die Klinge schnitt durch das Hemd und glitt über meine Haut. Noch bevor ich den Schmerz spürte, schlug ich Grämond mit der Faust gegen die Schläfe. Er taumelte an mir vorbei und ging wie ein Mehlsack zu Boden.
»Ach verdammt«, fluchte ich, als ich den zerschnittenen Ärmel beurteilte. Ein guter Schneider war teuer. Die Wunde an meinem Arm beachtete ich kaum. Mein zähflüssiges Blut schloss diese bereits. Es bedurfte keiner Behandlung. Dennoch krempelte ich den Ärmel nach oben, damit der Lebenssaft nicht noch weiter in den Stoff eindrang. An meinem eigentümlichen Blut scheiterte selbst die beste Waschfrau.
»Was bist du?«, keuchte der Kerl, den ich mit einem Tritt zu Boden geschickt hatte, als er die Schnittwunde sah.
»Anders«, antwortete ich, während ich meinen Schwertgurt anlegte, den mir die drei abgenommen hatten. Ich überprüfte den Sitz der Waffen. Ein stumpfes Kurzschwert, welches ich mit Links führte. Es diente, lediglich der Parade von Angriffen. Von dem Langdolch ging die eigentliche Gefahr aus. Mit der geschwungenen Klinge fand ich jedweden Schwachpunkt eines Panzers. Den Inhalt meines Rucksacks hatte Grämond, auf der Suche nach dem Geld, achtlos auf den Boden geleert. Ich sammelte meine Habe zusammen. Diese bestand unter anderem aus den Lederarmschienen, einem Amulett, einem Buch mit dem Titel »Märchen, Mythen und Legenden« und einem unscheinbaren Messer. Der schon sehr mitgenommene Wälzer war ein treuer Begleiter geworden. Besonders ab dem Zeitpunkt, als ich feststellen musste, dass die meisten Geschichten darin nicht die Spinnerei eines Fantasten waren, sondern schlicht die Wahrheit. Das Buch hatte mir häufig gute Dienste geleistet. Ebenso wie das Messer, welches ich von einer wunderlichen Alchemistin erhalten hatte. Die Klinge bestand aus einer Silberlegierung und war außerdem geweiht worden. Eine nützliche Waffe gegen alles Unheilige.
Mein Interesse galt weiterhin dem Aushang, den ich zuvor nur durch einen Wasserschleier wahrgenommen hatte. Ein unsinniges Unterfangen, ein Plakat mit so viel Text aufzuhängen, denn schließlich konnten die meisten Menschen nicht lesen. Allerdings verhieß die Botschaft nichts Gutes. Weshalb man diesen Anschlag vermutlich absichtlich hinter der Gaststätte, bei den Ställen verbarg. So wurden noch weniger Reisende darauf aufmerksam.
Um den Hain bei Königsberg geschehen grausame Morde. Die Gesetzlosen haben Reisende und die Landbevölkerung zum Ziel. Es wird geraten, sich nach Einbruch der Nacht von dort fernzuhalten. Jeder, der einen brauchbaren Hinweis über den Aufenthalt der Mörder erbringt, kann mit einer Belohnung rechnen. Da die Angriffe mittlerweile auch Staatsbeamten gelten, ergeht der fürstliche Beschluss: Wer dem schauerlichen Treiben der marodierenden Bande Einhalt gebietet, soll mit einhundert Silberlingen belohnt werden.
»Einen brauchbaren Hinweis«, ich fasste mir unwillkürlich an den Hals. Einmal hatte ich den Fehler begangen, der Staatsgewalt detaillierte Hinweise über eine Diebesbande zu bringen. Ich hatte sie so gründlich ausgekundschaftet, dass man mich für einen der Halunken hielt und mich zum Dank dafür aufknüpfte. Ich verbrachte eine verdammte Nacht am Strang. Am nächsten Morgen erklärte mich ein Medikus für tot. Ich wurde zusammen mit dem Lumpenpack, derer man durch meine Hinweise habhaft geworden war, in ein Massengrab geworfen. Dies war mir eine Lehre. Seither war ich dazu übergegangen, gleich Resultate zu liefern.
Dieser Aushang klang vielversprechend.
Wahrscheinlich handelte es sich um eine Mörderbande, die sich daran aufgeilten, anderen Gewalt anzutun. Vielleicht war es aber auch ein Kult, der irgendeinem der alten Herrscher, den Farudähen, opferte. Es konnte auch eine tollwütige Bestie sein. In jedem Fall war ein Wald ein gutes Versteck.
Weil ich völlig abgebrannt war, hatte ich entschlossen, mich der Sache anzunehmen. Nicht ahnend auf was ich mich einließ.
»Hör zu«, sprach ich beiläufig zu dem einen von Grämonds Männern, der noch bei Bewusstsein war. Er hatte es nicht gewagt aufzustehen. »Ich habe heute besonders gute Laune, deshalb lasse ich dich am Leben.« Ich setzte ein diabolisches Grinsen auf, welches ihm verheißen sollte, dass ich nicht vor einem Mord zurückschreckte, wenn dieser dazu diente, meine Stimmung zu heben. »Ich empfehle dir, dich von Grämond fernzuhalten und einem ehrlichen Handwerk nachzugehen. Wenn mir zu Ohren kommt, dass ihr die arme Bauernfamilie nicht in Ruhe lasst, dann finde ich euch. Und mit Sicherheit bin ich dann sehr schlecht gelaunt, verstanden?«
Er nickte erschrocken.
»So ist´s brav.« Im Vorbeigehen tätschelte ich seinen Kopf wie den eines Hundes, der folgsam Männchen machte. Ihn zu töten wäre vielleicht die bessere Wahl gewesen. Denn schließlich musste er ahnen, dass ich anders als die Menschen war. Dies genügte für gewöhnlich, um mich der Hexerei anzuklagen. Allerdings pflasterten bereits zu viele Leichen meinen Weg. Deshalb verzichtete ich, wo es möglich war darauf, meine Gegner umzubringen. Nenn es den widersprüchlichen Ehrencodex eines Vagabunden. Im Grunde wusste ich nicht, was mich daran hinderte, meine Gegner endgültig zur Strecke zu bringen. Selbst nachdem ich bereits neununddreißig Menschen in das Kerbholz meines Gewissens geschlagen hatte, zögerte ich noch immer dabei, jemandem den Todesstoß zu versetzen. Jeder Soldat, den ich danach fragte, hatte mir versichert, dass das Töten immer leichter werden würde. Manch einer empfand dabei mittlerweile Vergnügen oder gar Lust. Solche Gefühle wollten sich bei mir nicht einstellen. Die Zahl der von mir Getöteten lastete wie eine Schuld auf mir, die irgendwann abgegolten werden musste. An der Macht über Leben und Tod, an der sich so manch ein Krieger berauschte, lag mir nichts. Mich reizte das Mysteriöse, den Schleier des Unbekannten zu lüften. Mein eigenes Leben war dabei das größte Geheimnis, das es zu enträtseln galt.
***
Ich bereute es sogleich, Königsberg betreten zu haben. Wie in allen Städten überlagerte der Gestank nach Pisse und Fäkalien alles. Welchem widersinnigen Gedanken ich auch entsprungen war, insgeheim dankte ich meinem Erschaffer dafür, dass ich nicht darauf angewiesen war, über die Nase atmen zu müssen. Ein vorsichtiges Schnuppern genügte mir um festzustellen, dass diese Stadt wie alle anderen war. Hohe Häuser, verdreckte Straßen, auf denen sich Auscheidungen und Essensreste zu einem widerwärtigen Brei vermischten. Schlechtgelaunte Menschen, deren Nähe man nicht nur wegen ihres Schweißgeruchs mied. Diese Stadt besaß so gar nichts Königliches. Freilich, die Fachwerkhäuser ragten hoch hinauf. Auch wenn sie teilweise so schief gebaut waren, dass sie nur stehen blieben, weil dicke Holzstreben sie zu den Nachbarbauten hin abstützten. Auch die Stadtmauer machte vermutlich Eindruck auf viele Menschen, für mich hingegen erschien sie wie ein Gefängnis. Was trieb jemanden nur dazu hier wohnen zu wollen? Es gab kaum einen lebensfeindlicheren Ort als eine Stadt. Für gewöhnlich war ich am liebsten barfuß unterwegs, doch hier erschienen mir die Sohlen meiner Stiefel viel zu dünn.
In den Straßen herrschte ein Gedränge, das mir nicht erlaubte, den sich hier versammelnden Menschen aus dem Weg zu gehen.
Was wollte ich nur hier? Ach ja richtig, ich erhoffte mir ein Bild davon zu machen, was im Umland vor sich ging. Dass man in Königsberg Angst vor marodierenden Banden hatte, wollte ich nicht glauben. Gerade war ich mit offen zur Schau gestellten Waffen an der Stadtwache vorbeigelaufen, ohne dass sie mich eines zweiten Blickes gewürdigt hätten.
Erst als ich mein Missfallen dieser Stadt gegenüber beiseite geräumt hatte, stellte ich fest, dass ich nicht der einzige Waffenträger war. Es wimmelte hier geradezu von Jägern, Abenteurern und Söldnern. Zwielichtige Gesellen, von denen man besser Abstand hielt. Was den Stadtbewohnern sicherlich schwerfiel, denn sie wurden von deren Aufmarsch fast gänzlich verdrängt. Die Vernünftigen zogen sich in die Häuser zurück und verhielten sich still. Jene, die sich hinauswagten, trugen unfreiwillig zum Amüsement der Söldner bei.
Offenbar war das Gesindel von der Aussicht auf leichtes Geld angelockt worden wie Schmeißfliegen von einem Haufen Scheiße. Beim Anblick dieser Konkurrenz verblasste meine Hoffnung auf die Belohnung. Allerdings hatte ich einen zu weiten Weg auf mich genommen, um gleich aufzugeben. Vielleicht war es mir möglich, diese Gesellen für meine Absichten zu ... gewinnen. Natürlich ohne dass sie es wussten. Mit Grämond hatte dies ebenfalls vortrefflich geklappt, zumindest bis er mich bei meiner Flucht erwischt hatte, nachdem er mir auf die Schliche gekommen war.
Das Pack, in den Straßen von Königsberg - zu dem ich mich selbstverständlich dazuzählte - drängte zum Hauptplatz. Ich wurde von ihnen mitgerissen wie von der Strömung eines reißenden Flusses. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich meinem Schicksal zu ergeben und mich mittragen zu lassen. Alsbald kam der Strom zum Erliegen. Ich fand mich auf dem Hauptplatz vor einem Holzpodest wieder, zu dem wie aller Orts ein Galgen gehörte. Ich fragte mich jedes Mal, wenn ich so ein Mordwerkzeug erblickte, ob es abschreckend wirken sollte? Oder stand die Todesschlinge für einen Grad an Zivilisation, den ich nicht verstand? Wie dem auch sein mochte, auf dem Podest schritt ein adrett gekleideter, junger Mann, mit einer auffälligen Feder am Hut, herum. In einer Schänke hätte ich ihn für einen Barden gehalten. Da er aber die Farben des Fürstentums trug, handelte es sich wohl eher um einen Herold, auch wenn ihm die bewaffnete Eskorte fehlte. Die starke Stimme des Mannes hallte über den Marktplatz. Weder schrie er, noch schien er sich dabei besonders anstrengen zu müssen.
»Fürst Pirmin der Achte von Gabur entbietet den tapferen Recken seinen Gruß und Dank, da sie sich hier eingefunden haben, um die Bande im Wald zur Strecke zu bringen!«, rief er über die versammelte Menge hinweg. Ich an seiner Stelle wäre eher misstrauisch, oder zumindest vorsichtig, wenn sich in meiner Stadt so viele zwielichtige Gesellen unter Waffen aufhielten. Der Wächter am Stadttor hatte auf mich wie ein Ehrengardist gewirkt. Vermutlich unterhielt der Fürst von Gabur keine eigene Streitmacht. Dies war nicht unüblich für ein Fürstentum, das erst kürzlich an den Kaiser gefallen war. Ein Grund mehr warum es Pirmin nach so vielen Söldnern verlangte, die seine Probleme lösten.
»Er lässt jeden der tapferen Recken bitten, sich so schnell als möglich zu dem Wald aufzumachen, damit sein Volk wieder ruhig schlafen kann.«
»Erst lädt er uns ein, und schon gehen wir ihm auf den Sack«, spottete ein breitschultriger Kerl vor mir. Die Worte galten seinen Kumpanen, die ebenso verwegen aussahen. Sie kleideten sich wie Jäger. Allerdings waren sie entweder so flink, dass sie ihrer Beute zu Fuß nachstellten, oder sie hatten ihre Gewandung, aufrechten Jägersmännern abgenommen. Denn sie besaßen weder eine Armbrust noch einen einzigen Bogen. Dafür trugen sie Schwerter, die sie offen zur Schau stellten. Schon die Griffe zeugten von exzellenten Klingen. Diese Waffen waren wohl ebenfalls über zweifelhafte Wege in ihre Hände gefallen.
»Fürst Pirmin der Achte von Gabur zahlt jedem, der dazu beiträgt diese Bande zur Strecke zu bringen, zweihundert Silberlinge!«, rief der Herold. »Wie ihr seht, kennt seine Großzügigkeit kaum Grenzen.«
Die versammelte Menge jubelte. Ich hingegen wurde misstrauisch. Etwas stimmte hier nicht. Anstatt das Angebot zu begrenzen, angesichts der vielen Söldner, erhöhte er es sogar. Es sollte ihm doch klar sein, dass nach Abschluss der Arbeit jeder hier behaupten würde, seinen Teil dazu beigetragen zu haben. Nach der Auszahlung musste unter den Söldnern blutiger Streit ausbrechen. Denn diese Gestalten würden zwangsläufig der Versuchung erliegen, den eigenen Lohn um zweihundert Silberlinge zu erweitern.
»Glück auf, liebe Freunde!« Unter dem Jubel der Umstehenden verließ der Herold das Podest. Gänzlich unbehelligt verschwand er in einer Gasse. Niemand ging davon aus, dass er das Geld bei sich hatte, sonst hätte er keine fünf Schritt überlebt. Der Einzige, der die Verfolgung aufnahm, war ich. Nur ein Lügner erkennt einen anderen Lügner. Die Söldner auf dem Platz, verstanden sich ohne Frage auf Mord und Totschlag, auf ihre Weise waren sie aber ehrliche Männer. Allein ich ahnte, dass der Herold etwas verschwieg.
Bei meinen Bestreben, ihm zu folgen, kämpfte ich mit der Menschenmenge wie ein Ertrinkender gegen die Wellen. Außerdem wollte ich den schwitzenden Leibern, der Männer nicht zu nahe kommen. Endlich gelang es mir, das Meer stinkender Kerle hinter mich zu bringen. Es schüttelte mich bei dem Gedanken, was sich durch den Kontakt mit ihnen alles in mein Leinenhemd eingenistet haben musste.
Wenn er nicht wie ein Pfau durch die Straßen stolziert wäre, so hätte ich den Herold bereits verloren. Der Versuch, in solch einem Dreckloch Würde auszustrahlen, war lächerlich.
Ich passte ihn an einer schmalen Gasse ab. Widerstandslos ließ er sich in den Schatten bugsieren. Es ging so schnell, dass uns kaum einer bemerkte.
Der Herold sah mich abgeklärt an, als wüsste er genau, was ich von ihm wollte.
»Ich habe kein Geld bei mir«,