Annies Entscheidung
Von Allison Leigh
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Über dieses E-Book
Lange hat Annie gebraucht, um damit fertig zu werden, dass sie ihr Baby weggeben musste. Viele Jahre sind seitdem vergangen - niemand hat ihr Geheimnis preisgegeben. Doch als ihre Tochter Riley eines Tages unerwartet vor ihr steht, weiß Annie, das die Schatten der Vergangenheit sie eingeholt haben...
Allison Leigh
<p>Allison Leigh war schon immer eine begeisterte Leserin und wollte bereits als kleines Mädchen Autorin werden. Sie verfasste ein Halloween-Stück, das ihre Abschlussklasse aufführte. Seitdem hat sich zwar ihr Geschmack etwas verändert, aber die Leidenschaft zum Schreiben verlor sie nie. Als ihr erster Roman von Silhouette Books veröffentlicht wurde, wurde für Allison ein Lebenstraum wahr; sie konnte es kaum glauben, als in ihrer Heimatstadt die Buchläden voll waren mit ihrem Werk! Beim angesehenen RITA© Award wurde sie Finalistin, erhielt Auszeichnungen wie die Goldene Feder und erscheint regelmäßig auf Bestsellerlisten. In Südkalifornien geboren, lebte Allison in vielen verschiedenen Städten und unterschiedlichen Staaten der USA. Sie arbeitete als Kosmetikerin, Programmiererin, Pfarramtssekretärin und Datenbank-Administratorin. Letztendlich ließ sie sich mit ihrer Familie in Arizona nieder. Ihrer Familie, die sie immer unterstützt, verdankt sie viele romantische und liebevolle Gedanken und Inspiration für ihre Romane. Sie können Allison Leigh eine E-Mail schreiben: [email protected]</p>
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Buchvorschau
Annies Entscheidung - Allison Leigh
IMPRESSUM
Annies Entscheidung erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2003 by Allison Lee Davidson
Originaltitel: „Hard Choices"
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA
Band 1425 - 2004 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Detlef Murphy
Umschlagsmotive: ThinkstockPhotos_andrej_k
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733776695
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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1. KAPITEL
Das Geräusch war unverkennbar. Splitterndes Glas.
Annie schloss die Augen und befahl sich, tief durchzuatmen.
Sie hätte den Weg nach hinten auch mit geschlossenen Augen gefunden, aber sie öffnete sie trotzdem wieder. Zwar kannte sie jeden Winkel des Ladens, aber seit zwei Tagen war sie so nervös, dass es sie nicht wundern würde, wenn sie selbst gegen eins der Regale aus Chrom und Glas stieß.
Sie betrat den hinteren Raum von Island Botanica und sah mit einem Blick, was geschehen war.
An dem an der Decke befestigten Holzgitter hingen Büschel von Lavendel, Rosmarin und Goldmohn zum Trocknen. Unter der duftenden Farbenpracht stand ein junges Mädchen inmitten dunkelgrüner Scherben. „Hast du dir wehgetan?", fragte Annie.
Verlegen starrte ihre Nichte zu Boden. „Das ist jetzt schon die dritte Flasche, die ich zerbrochen habe." Rileys Stimme klang belegt. Sie schien den Tränen nah zu sein.
Nirgendwo war Blut zu sehen, und Annies Herzklopfen legte sich ein wenig. Achselzuckend nahm sie den Handbesen vom Wandhaken und begann die Scherben zusammenzufegen. „So etwas passiert", sagte sie so gelassen wie möglich. Sie merkte, dass ihre Hände zitterten, und packte den Besen noch fester.
Das Dutzend Armbänder an Rileys schmalem Handgelenk klirrte, als sie sich das wellige blonde Haar hinter die Ohren schob. Hastig ging sie zur Seite. „Dad wird alles bezahlen."
Annies Herz schlug wieder schneller. Seit Riley vor zwei Tagen unangemeldet vor ihrer Tür gestanden hatte, hatte das Mädchen seine Eltern mit keinem Wort erwähnt. Es war Annie gewesen, die darauf bestanden hatte, Will und Noelle anzurufen und ihnen zu sagen, dass ihrer Tochter nichts zugestoßen war.
Sie hörte auf zu fegen und streckte den Arm nach Riley aus, ließ ihn jedoch wieder sinken. Anstatt ihre Nichte zu berühren, fegte sie die Scherben auf das Kehrblech.
„Sei nicht albern. Niemand muss etwas bezahlen."
„Außer dir und Sara, denn jetzt könnt ihr das nicht mehr verkaufen. Das Mädchen zeigte mit dem Kinn auf die grünen Glassplitter, die glitzerten, als Annie sie in den Abfalleimer kippte. „Dad hat erzählt, dass euch das Wasser bis zum Hals steht.
„Nun ja, eine zerbrochene Flasche mehr oder weniger wird uns schon nicht ruinieren, erwiderte Annie trocken. „Es ist schon gut, Riley. Wirklich. Ich schlage vor, du packst die restlichen Flaschen aus, dann machen wir Mittagspause.
Rileys Blick zuckte zur Wanduhr. „So früh?"
Annie hängte Handbesen und Kehrblech wieder an ihren Platz. „Mir gehört der Laden. Ich kann Mittag machen, wann ich will. Wir gehen zu Maisy’s. Dort schmeckt es immer großartig, und wenn es nicht regnet, können wir uns nach draußen setzen. Sie rang sich ein Lächeln ab. Riley den ganzen Vormittag hindurch zu beschäftigen war schwieriger gewesen, als sie erwartet hatte. Aber selbst an einem stürmischen Tag wie diesem musste sie sich um den Laden kümmern, und sie hatte ihre Nichte nicht allein lassen wollen. „Sag mir Bescheid, wenn du mit der Kiste fertig bist.
Riley nickte und schob die Hände wieder in die Schaumstoffflocken, zwischen denen die Flaschen in der Kiste lagen. Nach einem Moment zwang Annie sich, wieder nach vorn zu gehen. Dass man ihr über die Schulter schaute, war das Letzte, was ihre Nichte jetzt brauchte.
Es war ein ruhiger Tag, wie meistens in der Wochenmitte. Die Touristen kamen erst am Wochenende auf die Insel und in den kleinen Kräuterladen, den Annie zusammen mit ihrer Freundin Sara Drake betrieb.
Zum Glück haben wir auch noch den Versandhandel, dachte sie. Der florierte, und ohne ihn hätten sie den Laden längst schließen müssen. Das war für sie eine unerträgliche Vorstellung.
Sie nahm das Staubtuch und ging zu den Vitrinen, die am Schaufenster standen. Der Laden war klein, aber in ihm herrschte eine luftige und natürliche Atmosphäre, die Annie noch immer so sehr liebte wie vor fünf Jahren, als Sara und sie ihn eröffnet hatten.
In den Glasregalen standen die Flaschen, Gläser und Röhrchen aus dem grünen Glas, das Island Botanicas Markenzeichen war. Im Laden bekam man fast alles, von Kräftigungsmitteln bis zu Parfüms, die sämtlich hier auf Turnabout Island hergestellt wurden. Annie drehte eine Flasche so, dass die silberne Schrift auf dem elfenbeinfarbenen Etikett von draußen zu erkennen war, und wischte mit dem Tuch über einen Fingerabdruck, den jemand auf der Vitrine hinterlassen hatte.
Vor dem Schaufenster war der Bürgersteig noch trocken, aber am Horizont hingen dunkle Wolken und schreckten mögliche Kunden vom Festland ab. Keine Frage, bald würde das Gewitter die Insel erreicht haben.
Auf Turnabout Island nieselte es oft, das ideale Klima für die Felder, auf denen das wuchs, was Island Botanica verarbeitete. Aber so finster wie seit einigen Tagen war der Himmel schon lange nicht mehr gewesen.
Die ersten schwarzen Wolken waren zusammen mit Riley aufgetaucht. Seitdem wurde Annie von einer Mischung aus Angst, Nervosität und Erleichterung beherrscht. Ihre Nichte war von zu Hause weggelaufen, aber anstatt zu verschwinden, war sie zu ihrer Tante gekommen.
Und Annie wusste noch immer nicht, warum das Mädchen hier war.
Sie drehte das Staubtuch, als würde sie es auswringen wollen, und wandte sich zur Tür, als die leise, helle Glocke einen Kunden ankündigte. Kaum hatte ihr Blick die hohe Gestalt mit dem schimmernden braunen Haar erfasst, da kam Riley nach vorn.
„Tante Annie, ich habe die Kiste …" Das Mädchen verstummte abrupt.
Annie sah über die Schulter. „Toll, Riley. Danke. Warte einen Augenblick, bis ich mich um … Auch sie unterbrach sich, als sie sah, um wen es sich handelte. Instinktiv wich sie einen Schritt zurück und stieß gegen eine Vitrine. Flaschen klirrten, aber Annie stand wie gelähmt da. „Logan?
„Ich habe sie gewarnt, sagte ihre Nichte. „Ich habe sie davor gewarnt, mir nachzukommen. Also hat er Sie geschickt. Ich bin nicht dumm. Ich kenne Sie. Von den Hochzeitsfotos von Mom und Dad.
Der Mann zog die Brauen zusammen. „Wie bitte?"
Rileys Miene blieb rebellisch.
Mit offenem Mund starrte Annie den Besucher an. „Logan?, wiederholte sie. „Logan Drake?
Es war Jahre her, dass sie ihn zuletzt leibhaftig gesehen hatte. Sie hatte angenommen, dass er den Kontakt mit Will abgebrochen hatte, nachdem Will Noelle geheiratet hatte. Und obwohl Sara ihn von Zeit zu Zeit erwähnte, war sein Anblick wie eine Blitzreise in die Vergangenheit. In ein anderes Leben.
In das einer anderen Annie.
Endlich schaute der Mann von Riley zu ihr. „Hallo, Annie." Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, und links und rechts der unglaublich blauen Augen mit den dichten Wimpern bildeten sich unzählige Fältchen.
Ein mulmiges Gefühl stieg in Annie auf. Sie war nicht sicher, wer sie nervöser machte. Riley oder Logan, der offensichtlich nicht überrascht war, sie hier zu treffen. „Es ist lange her", erwiderte sie leise.
„Sie sind ein Freund meines Dads", meinte Riley in vorwurfsvollem Ton.
„Wer ist dein Dad?"
Das Mädchen verschränkte die Arme und schob das Kinn vor.
Annie wollte sich das Haar aus dem Gesicht streichen, doch dann wurde ihr bewusst, dass sie das Staubtuch noch in den Händen hielt. Sie legte es neben die Kasse. „Logan … Allein schon seinen Namen auszusprechen fühlte sich eigenartig an. „Dies ist meine Nichte Riley.
„Wills Tochter? Logan musterte den Teenager. „Im Ernst? Ist er auch auf der Insel?
Riley verdrehte die Augen.
„Nein. Rasch machte Annie einen Schritt auf ihre Nichte zu, denn Riley war ein Fluchtversuch durchaus zuzutrauen. Natürlich gab es hier keinen Überlandbus, mit dem sie einfach verschwinden konnte. Um aufs Festland zu gelangen, würde sie auf die Fähre warten müssen. Trotzdem wollte Annie kein Risiko eingehen. Sie wollte, dass Riley nach Hause zurückkehrte. „Er und Noelle leben noch in Washington State.
Dann sah sie Riley an. „Das ist Logan Drake. Er mag ein alter Freund deines Dads sein, aber er ist auch Saras Bruder. Ich … bin sicher, er ist hier, um sie und Dr. Hugo zu besuchen. Er stammt von Turnabout. Das ist doch richtig, Logan?"
Sein Lächeln verblasste kein bisschen. „Ich bin hier aufgewachsen", bestätigte er.
„Wette, Sie konnten es kaum abwarten, von hier wegzukommen. Hier ist absolut nichts los. Man glaubt kaum, dass die Insel zu Kalifornien gehört. Ich meine, es gibt nur fünf Autos. Man stirbt vor Langeweile."
„Riley!" Entschuldigend lächelte Annie Logan zu. Es stimmte, Turnabout war keine große Insel. Weit vor der kalifornischen Küste gelegen, war sie kaum elf Meilen lang und weniger als eine halbe breit, mit einer einzigen Straße, die sie der Länge nach in zwei fast gleich große Hälften teilte. Annie besaß keinen Wagen. Die meisten Bewohner gingen entweder zu Fuß, fuhren Rad oder sausten in Elektromobilen umher.
„Sara verbringt diese Woche in San Diego, fürchte ich, fuhr Annie fort. „Sie … hat mir nicht erzählt, dass du nach Hause kommst.
Die Wahrheit war, dass Sara so gut wie nie von Logan sprach. Und wenn sie es tat, fragte sie sich, woher das Geld stammte, von dem er offenbar eine Menge hatte. Jedenfalls ließen die großzügigen Schecks, die er ihr hin und wieder schickte, vermuten, dass er kein armer Mann war.
Er lächelte auch jetzt noch. „Sie wusste nicht, dass ich zu Besuch komme."
Annie verstand. Er kam nicht nach Hause, sondern zu Besuch. Er hatte nicht vor, hier zu bleiben. Aber warum erzählte er ihr das? Schließlich war er nicht auf der Insel, um sie zu sehen. Sie wusste nur zu gut, was er früher von ihr gehalten hatte.
Bevor sie sich daran hindern konnte, strich sie nervös über ihr Haar. „Nun ja, wie gesagt, Sara ist nicht hier. Riley und ich wollten gerade im Maisy’s etwas essen. Du kannst dich gern anschließen."
Er betrachtete sie nachdenklich, und sie schluckte. Was fiel ihr ein? Sie lud keine Männer zum Mittagessen ein. Und auch zu sonst nichts. Nicht mehr. Nicht einmal den, in den sie einst hoffnungslos verliebt gewesen war. Nicht einmal den, der der beste Freund ihres Bruders war.
„Oh. Mit einiger Verzögerung lieferte ihr Verstand ihr eine Erklärung dafür, warum er sie so ansah. „Natürlich. Du willst sicher deinen Dad besuchen. Ich bin Dr. Hugo heute Morgen begegnet, als ich ins Geschäft kam. Seine Praxis … Na ja, du weißt natürlich, wo seine Praxis ist.
Sie kam sich plötzlich albern vor.
„Mittagessen klingt gut."
Einen Augenblick lang schien ihr Herz still zu stehen. So war es in Logans Nähe immer gewesen. Selbst damals, als sie erst siebzehn und er dreiundzwanzig gewesen war. „Okay", erwiderte sie matt.
Riley gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen einem Schnauben und einem Aufstöhnen lag. Annie ignorierte es. Sie war nur Rileys Tante, und sich das Recht herauszunehmen, ihr unmögliches Benehmen zu kritisieren, wäre …
Sie brach den Gedanken ab, als sie daran dachte, was Lucia ihr so oft vorgeworfen hatte.
Riley ist ein gutes Mädchen, sagte Annie sich streng. Ein Teenager, verstört genug, um zu einer Tante zu flüchten, die sie kaum kannte. Alles, was sie für Riley tun konnte, war, sie davon zu überzeugen, dass sie zu ihren Eltern zurückkehren musste. Freiwillig. So schnell wie möglich. Riley hatte selbst gesagt, dass es auf der Insel langweilig war, also …
Erst jetzt bemerkte