Die Brüder Schellenberg

Deutschland 1925/1926 Spielfilm

Die Brüder Schellenberg


–r, Film-Kurier, Nr. 70, 23.3.1926


Ideal der Autoren W. Haas und K. Grune: eindeutiges Kinogeschäft, totsicherer Publikumsfilm mit Reminiszenzen an Herrn Kellermanns Ullsteinroman (und an ihr eigenes Können und Wollen). Die herzhafte Art von Haas, den Film für business zu schaffen und mit Fraktur für Wirkung auf alle Augen, die zu sehen willens sind praktisch einzutreten berührt so sympathisch, daß die zu deutliche Absicht nicht einmal verstimmen kann. Man will heute handfesten Kientopp sehen. So ist’s. (Denkt Haas.) Die Kinokassen werden aufatmen, die Filmhungrigen können gefüttert werden.

"Die Brüder Schellenberg" von einem Darsteller gespielt – schon ein Vorzug, gegen den der Roman nicht aufkommt, schon ein Schau-Spiel so recht für die Schauenden. (...)

Veidt übertrumpft alles. Man beachte die Großaufnahmen. Blicken die gleichen Augen …? Ein seelenbesorgter Menschheitsbeglücker und ein harter, brutaler Lebensgenießer. Bis in die zartesten Verästelungen scheinen die Brüder wesensfeind und doch verwandt. In den Trickszenen, in die sich die Verfasser selbst zu sehr verguckt zu haben scheinen, ist Conny Veidt als Wenzel schwächer, er gibt sich zu konventionell überlegen. Der Trick ist ach, ein Schauspiel nur. Haas und Grune waren an der entscheidenden Stelle zu bescheiden. Die Brüder brennen sich eine Zigarette an – das ist der Angelpunkt des Schellenbergfilms, der offenbar in den Begegnungsszenen schlecht geschnitten ist, denn er läßt ein paar Zwischenaufnahmen der Annäherung vermissen. (...)

Zum Ganzen sagt man gern und freudig ja. Auch dieser Film ist ein Wurf auf dem Weltmarkt, ein treffsicheres Geschoß. Mit wieviel edleren Mitteln arbeitet dieser "Publikumsfilm" als etwa eine Laemmleproduktion ("Phantom der Oper"). Wie anregend in ihrer Einfallsüberfülle die technische Beweglichkeit, die Unsumme der absolut neuen Aufnahmeneinstellung, die Verwendung des Schüftanverfahrens, von dem ich nicht weiß, ob sie dem Regisseur, dem Autor oder dem Kameramann zuzuschreiben sind. Kein amerikanischer Film hat die deutsche Bereitwilligkeit der Erfindung gezeigt wie etwa nur ein Akt dieses Films. Originell in kleinsten Kleinigkeiten. Eine paar Mädchenbeine, die Treppe herunterflitzend. Ein verteufelt konstruiertes Auto (ein technisches Aufnahmewunder!) – um nur ein Beispiel zu nennen, was in den geschmähten Tempelhofer Betrieben der Ufa geleistet wurde, wer macht es nach in der Welt? (...)

Ein paar Worte noch über die Darsteller. Neben Veidt hält sich niemand. Lil Dagover enttäuscht. Sie naht wie eine Gottheit ... in den ersten Szenen hinreißend. Aber sie ist keine Kokotte. Ihre Kühle wirkt keusch – nie raffiniert. Sie ist halt keine Teufelin. So gut ihr auch die Struwelpeterfrisur steht – sie findet keine nervösen Übergänge, sie rast plötzlich und ebenso plötzlich erstarrt sie zu nachdenklichem Ernst.

Dagegen gibt Liane Haid ihre kleine Schauspielerin mit herzlicher Frische, unproblematisch, schlicht.

Henry de Vries hat den Römerkopf Raucheisens, wie er im Buche steht.

Eine wertvolle Erscheinung: Werner Fuetterer, der eine Atmosphäre gesunder Jugend verbreitet.

Hasselmanns Photographie gibt Dinge, auf die es ankommt, mit gediegener Beherrschung des Materials. In Kleinigkeiten ist er nicht immer ausgeglichen.

Veidt ist herrlich photographiert.

Für die Bauten zeichnet Karl Görge.

Der Film verdient ein Millionenpublikum, das er finden wird.

(Durch den Zuschnitt des Films hat Grune sich geschadet. Die Art der Schneiderei wird allmählich eine ernsthafte Gefahr! Ist es ein Zufall, daß in einer Uraufführungskopie noch ein Satzfehler ist?)

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