Italien vor der Wahl. So könnte die politische Lage seit den Regionalwahlen im April 2005 zusammengefasst werden. Nach dem Schock der Niederlage -die regierende Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte in zwölf...
moreItalien vor der Wahl. So könnte die politische Lage seit den Regionalwahlen im April 2005 zusammengefasst werden. Nach dem Schock der Niederlage -die regierende Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte in zwölf von 14 Regionen ihre Regierungsmehrheit eingebüßt und die direkt gewählten Präsidenten der Regionen verloren -trat Italien in einen mehrmonatigen Vorwahlkampf ein, der seit Ende des Jahres immer härter geführt wurde. Das allgemeine, von Konfrontation bestimmte politische Klima, das Näherrücken der Parlamentswahlen und die damit verbundene Ungewissheit hatten erhebliche, meist negative Auswirkungen auf die Beziehungen von Staat und Regionen. Die politischen Auseinandersetzungen konzentrierten sich auf die zentralstaatliche Ebene; die Regierung versuchte mit allen Mitteln, Initiativen der nun von der Opposition dominierten Regionen zu verhindern; die Reformen wurden weiter schleppend umgesetzt. Das Gesamtbild der Beziehungen zwischen Staat und Regionen veränderte sich im Berichtszeitraum daher nur wenig. Die Wahlen zum italienischen Parlament am 9. und 10. April 2006 gewann das Mitte-Links-Bündnis von Romano Prodi nur äußerst knapp. Die Koalition von Ministerpräsident Silvio Berlusconi unterlag bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer mit lediglich 24.000 Stimmen; aufgrund einer "Mehrheitsprämie" von mindestens 66 Sitzen für das siegreiche Wahlbündnis erhielt Prodis Mitte-Links-Bündnis jedoch 348 der insgesamt 630 Sitze, gegenüber 281 Sitzen für Mitte-Rechts. Im Senat beträgt die Mehrheit für Romano Prodi jedoch nur wenige Sitze (158 gegenüber 156, bei insgesamt 322 Sitzen; den Ausschlag geben damit die sieben Senatoren auf Lebenszeit). Das äußerst knappe Wahlergebnis wird als Ausdruck einer tief greifenden Spaltung des Landes angesehen; wieder waren vor allem die Lombardei und Venetien Hochburgen von Mitte-Rechts. Die meisten Beobachter wurden von dem knappen Ergebnis überrascht, da das Mitte-Links-Bündnis in den meisten Umfragen seit Monaten deutlich geführt hatte. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass das Mitte-Links-Bündnis seinen großen Erfolg der Regionalwahlen im April 2005 nicht wiederholen konnte. Eine extreme Zuspitzung auf den Kandidaten Silvio Berlusconi, der vor allem im Fernsehen nahezu ständig präsent war, führte zusammen mit Wahlversprechen wie Steuererleichterungen zu einer starken Mobilisierung der Anhänger von Mitte-Rechts, die in einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung zum Ausdruck kam. Das lediglich vier Monate vor den Wahlen von der Mitte-Rechts-Mehrheit verabschiedete neue Wahlgesetz wurde heftig kritisiert, 1 da es als reines Verhältniswahlrecht zumindest teilweise im Wider-* Im Rahmen der gemeinsamen Konzeption wurden die Teile 1-3 von Jens Woelk, die Teile 4-6 von Francesco Palermo verfasst. 1 Gesetz vom 21.12.2005, Nr. 270.