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Reparationen - Inwieweit ist die Vergangenheit reparierbar?

2023, Archiv des Völkerrechts

https://doi.org/10.1628/avr-2023-0003

The Polish reparation claims against Germany need some clarification. At the Potsdam Conference (1945), the amount and extent of German reparations have not been precisely determined. In chapter VI of the Transition Treaty (1952/1954), the reparation question was deferred until the moment of a peace settlement with Germany as a whole. At the beginning of the 1950s, the issue of reparations focused on individual compensation payments, particularly for Nazi victims in twelve Western European countries. Similar payments to NS-victims from Eastern Europe was made (ex gratia) only at the beginning of the 1990s. With the entry into force of the 2 plus 4 Treaty, the problem of reparations was legally closed. The official Polish demands for reparations (1.3 trillion euros) are currently being made public, primarily for domestic purposes, in order to provoke anti-German resentment. In reaction, emotional opinions also appear in Germany. Unfortunately, in the case of both countries we are approaching a Stammtisch formula. From a political and historical point of view, the problem can hardly be limited to the succinct statement that Poland received nothing from Germany or that Poland received more than other states. This picture is too good to be true. As long as the victims of National Socialism are still alive, innovative and pragmatic solutions for some payments cannot be ruled out. However, this always requires two sides, a favourable climate for discussion and professional diplomacy.

Preprint - der Text wird im Archiv des Völkerrechts erscheinen Jerzy Kranz Reparationen: Inwieweit ist die Vergangenheit reparierbar? 1. Die von der polnischen Regierung formulierten Reparationsforderungen bedürfen einiger Klarstellungen, um das entstandene politische und rechtliche Chaos zumindest teilweise zu entschärfen. Vieles deutet darauf hin, dass das Reparationsproblem in Polen vor allem zu innenpolitischen Zwecken gezielt in die Öffentlichkeit getragen wird. Das Regierungslager beabsichtigt, den bisherigen Tonfall diesbezüglicher Verlautbarungen auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.1 Die zunehmenden medialen Angriffe polnischer Politiker auf Deutschland und die Europäische Union nehmen allmählich die Form eines kontrollierten Amoklaufs an. Sie sind Teil einer bewussten Strategie, antideutsche Ressentiments zu provozieren, um die öffentliche Aufmerksamkeit von anderen Problemen abzulenken und weiter an der Macht zu bleiben. Dabei soll auch die Bindung Polens an die Europäische Union geschwächt werden. Zunächst ist festzuhalten, dass die Frage der deutschen Kriegsreparationen für Polen und der individuellen Entschädigung für die nationalsozialistische Verfolgung juristisch abgeschlossen ist.2 In politisch-historischer Hinsicht lässt sich das Problem jedoch kaum auf die lapidare Aussage beschränken, dass Polen nichts von Deutschland erhalten hat bzw. dass Polen mehr als andere Staaten erhalten hat. Dieses Bild ist zu schön, um wahr zu sein. 2. Ein Staat ist verantwortlich für völkerrechtswidrige Akte, die ihm zuzurechnen sind. Er ist dann zur reparation (engl.) des Schadens verpflichtet. Der Begriff der Kriegsreparationen zielt auf eine Entschädigung, Restitution oder auf eine Form der Genugtuung (satisfaction) ab. Entschädigungen erfolgen sowohl in finanzieller Form als auch durch Naturalien (Übernahme des Vermögens, Lieferung von Waren und Dienstleistungen).3 Ein qualitativ neues Element bildeten die nach dem Zweiten Weltkrieg auftauchenden individuellen Entschädigungsansprüche aufgrund systematisch verübter völkerrechtlicher Massenverbrechen sowie der unterschiedlichen Formen von individueller Verfolgung. 1 A. Mularczyk, Reparacje upodmiotowią Polskę, Rzeczpospolita, 04.09.2019 [„Die Frage der Kriegsreparationen ist sowohl rechtlich als auch politisch immer noch offen. (...) Der Prozess der Geltendmachung von Reparationsleistungen muss zeitlich versetzt erfolgen. Ein wichtiges Element dieses Prozesses ist die Gewinnung gesellschaftlicher Unterstützung für unsere Rechte und Ansprüche, sowohl im eigenen Land als auch im Ausland”]. 2 Vgl. näherhin J. Kranz, Kriegsbedingte Reparationen und individuelle Entschädigungsansprüche im Kontext der deutsch-polnischen Beziehungen, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Bd. 80 (2020), S. 325-378 – ibidem mit weiterführender Literatur. 3 Siehe International Law Commission (ILC). Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with commentaries (2001). Diese spezifische Kategorie unterscheidet sich von Reparationen im engeren Sinne, die sich auf die durch den Krieg erlittenen Verluste eines Staates konzentrieren. In der Praxis können Reparationen die durch einen Krieg angerichteten Schäden kaum ausgleichen. Dies gilt umso mehr im Falle eines totalen Krieges und der dabei verübten Verbrechen, für die der Gerechtigkeit stets nur unzureichend Genüge geleistet werden kann (imperfect justice). 3. Die Siegermächte übernahmen (1945) in Deutschland die „oberste Gewalt“ (supreme authority) und behielten sich das Recht vor, über die weiteren Geschicke des Landes, darunter auch die Grenzfrage oder Kriegsreparationen, selbständig zu bestimmen. Auf der Potsdamer Konferenz wurden jedoch die Höhe und der Wert deutscher Reparationen nicht festgelegt. Diese bestanden ausschließlich aus Sachleistungen (Entnahmen der industriellen Ausrüstung, Lieferungen aus der laufenden Produktion, Konfiszierung von Auslandsguthaben). Das Problem der individuellen Entschädigung aufgrund von NS-Verfolgung wurde im Potsdamer Abkommen nicht geregelt. Erst im sog. Überleitungsvertrag (1952/1954) zwischen der Bundesrepublik und den drei Westmächten taucht diese Kategorie auf. Denn in Kap. IV dieses Vertrags wurde Bonn ausdrücklich zu nicht aufschiebbaren Entschädigungen (compensation) für die Opfer der NS-Verfolgung verpflichtet. Dagegen wurden die in Kap. VI geregelten Reparationen (reparation) bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung eines Friedensvertrags mit Deutschland als Ganzes zurückgestellt. Anfang der 1950er Jahre kam es zu einer Kehrtwende. Denn in der Folgezeit konzentrierte sich die Reparationsfrage ausschließlich auf individuelle Entschädigungszahlungen (insbesondere nichtdeutscher NS-Opfer). Ende der 1950er und Anfang 1960er Jahre schloss die Bundesrepublik mit zwölf westeuropäischen Staaten sog. Globalabkommen, in denen sie sich zu pauschalen Entschädigungen für deren Bürger verpflichtete (Gesamtsumme 1 Mrd. DM). Erst nach der Vereinigung leistete die Bundesrepublik zu Beginn der 1990er Jahre individuelle (ex gratia gewährte) Entschädigungszahlungen an NS-Opfer aus dem östlichen Europa mittels eigens gegründeter Stiftungen in Polen, Russland, Belarus und der Ukraine. Die Gesamtsumme der Zahlungen betrug 1,5 Mrd. DM, wobei allein 500 Mio. DM an die Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhnung” flossen. Weitere Zahlungen wurden nach dem am 17. Juli 2000 in Berlin erfolgten Abschluss multilateraler Verhandlungen veranlasst (10 Mrd. DM). Dabei gewährte man den damals in Polen lebenden NS-Opfern insgesamt 1,812 Mrd. DM. 4. Die Kontroversen über Umfang und Formen der deutschen Reparationen resultierten aus den spezifischen Verhältnissen im Kalten Krieg, und insbesondere aus der fehlenden friedensvertraglichen Regelung mit Deutschland als Ganzes. Dies führte zu einer recht untypischen Situation, da vor dem Hintergrund der auf einen späteren Zeitpunkt verschobenen Reparationsfrage ein ehemaliger Aggressor-Staat den Entschädigungsbegriff und die Höhe der Leistungen an die Opfer der NS-Vefolgung selbst definierte. Als das Moratorium im Zuge der Vereinigung Deutschlands erlöschen sollte, bestand die Bundesrepublik darauf, die Reparationsfrage endgültig ad acta zu legen. Dieser Standpunkt wurde von den vier Siegermächten geteilt, für die eine weitgehende Rekonstruktion Europas damals primäre Bedeutung hatte. Die Belastung der Zwei-plus2 Vier-Verhandlungen mit der Reparationsfrage würde zu deren erheblicher Ausweitung führen, was wiederum gefährliche Folgen für die europäische Sicherheit nach sich ziehen könnte. Der Verzicht auf Reparationen sollte grundsätzlich in einem Rechtsakt explizit zur Sprache kommen. Das diesbezügliche Schweigen der Siegermächte sowie der ausbleibende Protest anderer interessierter Staaten im Zwei-plus-Vier-Vertrag (acquiescence) hatte jedoch erhebliche völkerrechtliche Bedeutung, da dies im Kontext eines Vertrages erfolgte, der diese Frage hätte regeln können. Diese stillschweigende Zustimmung bildet ein juristisches Hindernis (estoppel), das ein Wiederaufgreifen der Reparationszahlungen (im Sinne des Potsdamer Abkommens) heute rechtlich gegenstandslos macht. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag kam zwar unter der Mitwirkung zweier deutscher Staaten zustande, aber nicht ohne die Einwilligung der vier Siegermächte, was gleichsam der Fortsetzung der 1945 vorgesehenen Verantwortlichkeit der Siegermächte in Bezug auf Deutschland als Ganzes (einschließlich der Reparationsfrage) gleichkam. Aufgrund der im Zwei-plus-Vier-Vertrag erfolgten bewussten Auslassung dieser Frage finden die Prinzipien pacta tertiis bzw. res inter alios acta also keine Anwendung. Im Vorfeld der Vereinigung herrschte weithin die Überzeugung, dass sich die Frage der Entschädigung der NS-Opfer auf eine pragmatische Lösung in Form von bilateralen Vereinbarungen konzentrieren müsse. Der internationale politische Druck auf Deutschland erwies sich hier als überaus wirksam. 5. Das Potsdamer Abkommen gestand Polen bestimmte Reparationsleistungen aus dem der Sowjetunion zufallenden Anteil und unter deren Vermittlung zu. Diese Entscheidung ist im Blick auf den Charakter der damaligen Beziehungen zwischen Warschau und Moskau kritisch zu betrachten, nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Belastung Polens durch die zu Dumping-Preisen erfolgten polnischen Kohlelieferungen an die UdSSR. Da Umfang und Höhe der deutschen Reparationszahlungen an die Sowjetunion niemals präzise festgelegt wurden, hing auch der genaue Anteil Polens an diesen Zahlungen ausschließlich vom „guten Willen“ der UdSSR ab. Am 23. August 1953 gab die polnische Regierung eine einseitige offizielle Erklärung ab, in der sie auf Reparationen seitens Deutschlands ausdrücklich verzichtete4. Nach 1990 wurde diese Verlautbarung durch demokratisch legitimierte polnische Regierungen wiederholt bestätigt.5 Der Reparationsverzicht behält daher seine Rechtsgültigkeit, auch wenn sich sein Inhalt als strittig erwiesen hat. Es fällt allerdings auf, dass Polen im Gegensatz zu den Beschlüssen anderer vergleichbarer Reparationsabkommen der Nachkriegszeit dabei keineswegs zugleich im Namen seiner Bürger und auch nicht auf sämtliche kriegsbedingte Entschädigungsansprüche verzichtet hat. Auffallend ist für den polnischen 4 Siehe Oświadczenie Rządu Polskiej Rzeczypospolitej Ludowej w sprawie decyzji Rządu ZSRR dotyczącej Niemiec, Warszawa, 23 sierpnia 1953 r. Zbiór Dokumentów [Erklärung der Regierung der Volksrepublik Polen zum Beschluss der Regierung der UdSSR in Bezug auf Deutschland, 23. August 1953. Dokumentensammlung], Nr. 9 (1953), S. 1830-1832 (polnischer Originaltext mit offizieller deutscher Übersetzung). 5 Vgl. Sejm RP – Antworten der Regierung auf die parlamentarischen Anfragen Nr. 3812 (08.08.2017), Nr. 5933 (02.07.2012), Nr. 33816 (13.08.2015) u. Nr. 4836 (28.11.2006). Siehe auch Regierungserklärung vom 15.09.2004; Interview mit dem polnischen Außenminister Włodzimierz Cimoszewicz, in: FAZ v. 02.11.2004, S. 6 - https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/polen-der-sejm-hateinen-fehler-gemacht-1189662.html 3 Reparationsverzicht ferner, dass dabei ausdrücklich nicht – wie in anderen Verträgen – von einem Verzicht „gegenüber Deutschland und dessen juristischen oder natürlichen Personen“ die Rede ist. 6. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass Deutschland besser wusste, was Polen 1953 aufgab, auch wenn Bundeskanzler Kohl in den Jahren 1989-1990 die Ansicht vertrat, dass der polnische Verzicht von 1953 alle aus dem Krieg resultierenden Ansprüche gegen Deutschland erfasst habe. Polen hat seit Jahren individuelle Entschädigungen für seine durch das NS-Regime geschädigten Bürger gefordert. Zweifellos wurden diese individuellen Entschädigungsansprüche durch die im Potsdamer Abkommen formulierte Reparationsformel nicht abgedeckt. Daher ist kaum anzunehmen, dass auf Seiten der Bundesrepublik tatsächlich bona fide der Eindruck entstand, dass Polen auf die Geltendmachung aller individuellen Ansprüche verzichtet hatte. Im deutsch-polnischen Notenaustausch von 1991 bezüglich der „humanitären Geste“ der Bundesregierung in Form einer einmaligen Zahlung von 500 Mio. DM an die in Polen gegründete Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhnung“, findet sich folgende Klarstellung: „Die Regierung der Republik Polen bestätigt, daß sie die Fragen, die Gegenstand dieser Vereinbarung sind, für endgültig geregelt hält. Die Regierung der Republik Polen wird keine weiteren Ansprüche polnischer Bürger mehr geltend machen, die sich aus einem Zusammenhang mit nationalsozialistischer Verfolgung ergeben könnten. Beide Regierungen sind sich darin einig, daß dies keine Einschränkung der Rechte von Bürgern beider Staaten bedeuten soll”. Die polnische Regierung verzichtete damit auf die Gewährung diplomatischen Schutzes im Bereich individueller Entschädigungen.6 Dies stellte jedoch kein Hindernis dar, die polnischen NS-Opfer bei den am 17. Juli 2000 in Berlin abgeschlossenen multilateralen Verhandlungen wirksam zu unterstützen. 7. Die aktuelle Rückkehr zur Reparationsfrage hat alte Argumente wiederbelebt, darunter die Frage der Grenzänderung Polens7 und der Wiedergutmachung des vielen Deutschen bei Kriegsende angetanen Unrechts. Diese Argumentation verwechselt oftmals Ursache und Wirkung.8 Im Potsdamer Abkommen sind die Fragen der polnischen Grenzen, des Transfers der deutschen Bevölkerung und der Reparationen klar voneinander getrennt. 6 Vgl. näherhin J. Barcz, The 1989–1991 Watershed in Polish-German Relations and the Issue of Compensation for Victims of Nazi Crimes Living in Poland (The Agreement of 16 October 1991), Journal of the Institute for Western Affairs. Special Issue (2019) S. 183-207. 7 Vgl. J. Kranz, La frontière polono-allemande après 1945 – un contentieux historique dans une perspective contemporaine, in: Droit des frontières internationales, Paris 2016, S. 103-126. 8 Hans Frank's words during his final address to the International Military Tribunal (Nuremberg): „In the witness stand I said that a thousand years would not be enough to erase the guilt of our nation because of Hitler's behaviour in this war. [However,] not only the behaviour of our wartime enemies against our people and our soldiers, which has been carefully kept out of these proceedings, but also the enormous mass crimes of the most terrible kind against Germans, which I have only now learned about, especially in East Prussia, Silesia, Pomerania and in the Sudetenland, which have been and are still being carried out by Russians, Poles and Czechs, have now already completely cancelled out any possible guilt of our people. Who will ever judge these crimes against the German people?”, IMT („blue series”), Vol. 22, S. 385 – http://www.ihr.org/jhr/v12/v12p167_Weberb.html /German text quoted in: R. Pemsel, Hitler, Tübingen 1986, S. 129. 4 Im Jahre 1996 gab Außenminister Klaus Kinkel die öffentliche Erklärung ab, dass die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz bezüglich der Aussiedlung der deutschen Bevölkerung unrechtmäßig gewesen seien9. Daraufhin erhielt er von der amerikanischen und britischen Regierung zur Antwort, dass diese Beschlüsse in Einklang mit dem Völkerrecht gestanden hätten („were soundly based in international law”)10. Bundeskanzler Kohl begründete in den Jahren 1989-1991 die Oder-Neiße-Grenze als Preis für die Vereinigung Deutschlands und nicht als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges. Damals wurden in der Bundesrepublik Stimmen laut, dass Polen angesichts der „Annexion” der ehemaligen deutschen Ostgebiete von sich aus Entschädigungszahlungen für seine NS-Opfer veranlassen solle11. Gemäß anderen Auffassungen war das Reparationsproblem infolge der weitgehenden territorialen Zugeständnisse Deutschlands im Zwei-plus-Vier-Vertrag bereits endgültig ad acta gelegt worden12. Die Verbindung der Reparationsfrage mit der Grenzveräderung wurde auch von Versuchen begleitet, die Reparationsansprüche von Drittstaaten mit alliierten Verbrechen gegenüber Deutschland bzw. an deutschen Bürgern aufzurechnen. Während Grenz- und Gebietsänderungen nicht als Reparationen gewertet werden können, war die Beschlagnahme deutschen Privateigentums nach den Beschlüssen von Potsdam eine außerordentliche Maßnahme und kann daher als Teil der Reparationen betrachtet werden. Anerkannt wurde diese Sichtweise u.a. auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der 2008 die Beschwerde deutscher Staatsbürger zurückwies.13 9 Vgl. dazu näherhin J. Kranz, Wollt ihr den totalen Krieg? Political, Moral and Legal Aspects of the Resettlement of German Population After World War II – https://www.academia.edu/42224936/Wollt_ihr_den_totalen_Krieg_Political_Moral_and_Legal_Aspects_o f_the_Resettlement_of_German_Population_After_World_War_II 10 Vgl. Wortlaut der offiziellen Erklärungen der amerikanischen und der britischen Botschaft vom 14. Februar 1996 sowie der französischen Botschaft in Prag vom 16. Februar 1996, in: Die Friedens-Warte, Nr. 73 (1997) S. 107–108. 11 H. Rumpf, Die deutsche Frage und die Reparationen, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1973, S. 364: „Daraus ergibt sich die rechtspolitische Maxime: keine Reparationen ohne Wiedervereinigung. Erst eine gesamtdeutsche Regierung könnte in eine Prüfung solcher Forderungen eintreten. Erst sie könnte auch die aus Landverlust und Vertreibungsschäden erwachsenen deutschen Gegenforderungen geltend machen. Ob eine solche Aufrechnung nach so langer Zeit und angesichts der politischen Entwicklung noch sinnvoll und wünschenswert wäre, ist eine andere Frage. Die Bundesrepublik aber steht auf gutem Rechtsgrund, wenn sie Reparationen bis zur Wiedergutmachung des Unrechts der deutschen Teilung ablehnt“. 12 Siehe z.B. M. Fischer, Der Zwei-plus-Vier-Vertrag und die reparationsberechtigten Drittstaaten, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 78 (2018), S. 1036-1038; Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern für erlittenes Unrecht durch Verbrechen von Betrieben der deutschen Wirtschaft im NS-Regime – Antwort der Bundesregierung vom 13. Oktober 1999 (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/1786); Affidavit of Prof. Dr. Burkhard Hess – United States District Court, District of New Jersey, Civil Action No. 98-4252 (DRD) and Civil Action No. 98-4468 (DRD), June 24, 1999, S. 9; Reparationen: Der Völkerrechtler Karl Doehring weist amerikanische Forderungen zurück. „Kein Grund für neue Zahlungen“, Junge Freiheit, 24. März 2000; G. Ress, Kommentar zu Art.107 UN-Charta, in: B. Simma (ed.), The Charter of the United Nations. A Commentary, München 1994, S. 1162; H. Rumpf, Die Regelung der deutschen Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts, 1985, 23. Bd., Heft 1/2, S. 101. 13 Siehe European Court of Human Rights (ECHR). Decision as to the Admissibility of Application no. 47550/06 by Preussische Treuhand GmbH & CO. KG A. A. against Poland, 7 October 2008: „Poland enacted a series of laws designed to take over German state and private property on the territories east of the Oder-Neisse line. (…). These laws were enacted following the Yalta Conference, the Potsdam Agreement and the Three Powers’ undertakings in respect of war reparations for Poland, which, in 5 In der jüngsten deutschen Publizistik tauchte z.B. die Ansicht auf, dass etwa zwölf Millionen Deutsche teilweise auf „völkermordartige Weise“ umgebracht und aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Das war ein Verbrechen, das einen Anspruch Deutschlands auf Schadensersatz begründet hat, also auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands beziehungsweise auf Entschädigung, was sich aber (genau wie die alliierten Forderungen) mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 endgültig erledigt hat. Dies sollte auch für den Verzicht auf deutsche Schadensersatzansprüche gegen die USA und Großbritannien aufgrund der im Zweiten Weltkrieg erfolgten amerikanischen und britischen Bombenangriffe auf deutsche Städte gelten.14 Es wird auch daran erinnert15, dass die dem polnischen Staat infolge des Potsdamer Abkommens (zunächst) „vorläufig zugefallenen“ deutschen Ostgebiete bereits einen erheblichen Teil der Reparationen darstellten – Polen habe also mehr als andere vom NSRegime geschädigte Staaten erhalten. Man sollte sich allerdings fragen, wie der polnische Staat nach 1945 diese Gebiete als Entschädigungsmasse hätte nutzen können, insofern die zuerkannten West- und Nordgebiete „nur“ unter provisorischer polnischer Verwaltung standen - bis zum unbekannten Zeitpunkt eines peace settlement mit einem vereinigten Deutschland. 8. Derartige Kommentare haben eher Stammtischcharakter. Denn man muss sich fragen, ob solche Ansprüche juristisch tatsächlich jemals Bestand hatten,16 wer ihren (materiellen) Wert geschätzt hat und wann eine deutsche Regierung diese geltend gemacht hat (bevor sie mit der Vereinigung Deutschlands erloschen). Was die Gebietsverluste Polens im Osten betrifft, wird man oft an Moskau verwiesen. Dies ist eine „elegante“ Art zu vergessen, mit wessen Hilfe Stalin bereits Mitte September 1939 sein Territorium vergrößerte und dabei bestimmte Bevölkerungsgruppen „Heim ins Reich“ schickte17. accordance with the relevant international instruments, were satisfied from the previously German-owned assets located on Polish territory, including the regions east of the Oder-Neisse line” (§ 59); „There can be no doubt that the former German territories on which the individual applicants had their property were lawfully entrusted to the Polish State under the provisions of the Potsdam Agreement” (§ 61). Siehe dazu J. Barcz, Long Shadow of History: On the Decision of the European Court of Human Rights of 7 October 2008, The Polish Quarterly of International Affairs, 2009, Vol. 18, No. 1, S. 43-60; vgl. auch M. Gniazdowski, The Problem of War Reparations – the Perspective of the Czech Republic, The Polish Foreign Affairs Digest 2004, Nr. 4 (13), S. 163-205. Vgl. auch Gutachten zu Ansprüchen aus Deutschland gegen Polen in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg erstattet im Auftrag der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen von Prof. Dr. Jan Barcz und Prof. Dr. Jochen A. Frowein (2. November 2004), Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 65, Nr. 3 (2005), S. 625-650. 14 Vgl. z.B. R. Müller, Deutschland, der ewige Schuldner?, in: FAZ v. 19.09.2022. 15 Vgl. z.B. Ch. Tomuschat, in: FAZ v.08.09.2022 (Leserbrief); siehe auch das Interview von Professor https://www.msn.com/pl-pl/wiadomosci/other/reparacje-wojenne-niemieccy-eksperciTomuschat – podzieleni/ar-AA12JD1y?ocid=msedgntp&cvid=34982261e38443fe8892408717ce86f1 16 Siehe Gutachten zu Ansprüchen aus Deutschland gegen Polen in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg erstattet im Auftrag der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen von Prof. Dr. Jan Barcz und Prof. Dr. Jochen A. Frowein (2. November 2004), in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 65, Nr. 3 (2005), S. 625-650: „Individualansprüche deutscher Staatsangehöriger wegen der Enteignungen in den polnischen West- und Nordgebieten bestehen weder nach Völkerrecht noch nach deutschem oder polnischem Recht“. 17 Zur Erinnerung: Deutschland verlor seine Ostgebiete infolge seiner Politik und aufgrund seiner völkerrechtlichen Verantwortlichkeit. Darüber haben die Siegermächte nach der Übernahme der obersten Gewalt in Deutschland entschieden. Ihre Rechte und Verantwortlichkeiten erloschen erst mit dem 6 Angesichts derartiger Kommentare sei Folgendes angemerkt: Erstens handelt es sich dabei um den Versuch, den Umfang der Reparationen einseitig und dilettantisch zu bestimmen, ohne präzise Festlegung des Wertes des beschlagnahmten Privateigentums. Zweitens wird der deutsche Gebietsverlust nach 1945 im Allgemeinen mit dem Territorium verglichen, das Polen an die Sowjetunion verlor. Die Höhe der polnischen Verluste infolge von Krieg und Besatzungsherrschaft wird jedoch weitgehend ignoriert. Auf ähnliche Stammtisch-Methoden griff man in dem am 1. September 2022 veröffentlichten Gutachten zurück, das eine Kommission im Auftrag des polnischen Parlaments erstellt hat (1,3 Billionen Euro Reparationsforderungen). Umgekehrt ist die in der deutschen Publizistik auftauchende These unseriös, dass die polnischen Reparationsforderungen die gesamte Nachkriegsordnung Europas – und damit auch die deutsch-polnische Grenze – auf den Kopf stellen könnten18. Die Autoren dieser Meinung lassen sich in eine von polnischen Regierungskreisen gestellte Falle locken. Es ist wohl nichts Neues, dass die Versuche einer Infragestellung von Staatsgrenzen (insbesondere der polnischen) für Deutschland nicht besonders günstig ausgegangen sind. Woran denken die Verfasser der genannten These?19 9. In derartigen Kausalitätskonstrukten werden die Leiden der Deutschen mit den Leiden anderer Völker in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg aufgerechnet, wobei die Leidensbilanz aus deutscher Sicht stillschweigend als ausgeglichen gilt. Dahinter verbirgt sich die These: „Wir haben zwar Unrecht begangen – Ihr aber auch!“20 Dabei wird die vom ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki einst gestellte „Gretchenfrage“ übergangen: „Was war die Ursache und was war die Folge des Krieges?“ Dieser Krieg war der Anfang vom Ende einer Epoche im östlichen Europa – und zugleich ein Ereignis mit irreversiblen Folgen, auch für die Täter21. Deutschland brachte durch den Krieg nicht nur andere Völker, sondern letztlich auch sich selbst in eine tragische und prekäre Lage, und schuf, damit eine ganze Reihe von weitreichenden Folgen, die unumkehrbar waren. Wenn der Krieg total sein sollte und war (wie es ein deutscher Politiker 1943 proklamierte), sollte dann die Niederlage weniger total ausfallen? Die in den Jahren 1939-1945 vom NS-Regime in ganz Europa und vor allem auch in Polen begangenen Verbrechen dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Aber man muss dabei zwischen Schuld und Verantwortung sowie dabei zwischen rechtlicher, moralischer Inkrafttreten (und nicht schon bei der Unterzeichnung) des Zwei-plus-Vier-Vertrags. Die Neufestlegung der Ostgrenze Deutschlands im Jahre 1945 bildete eine Konsequenz der im September 1939 von Hitler und Stalin durchgeführten Grenzverschiebungen, auch im Osten Polens, was leider leicht vergessen wird. 18 Siehe z.B. S.F. Kellerhoff, Warum in Polen jetzt 850 Milliarden von Deutschland gefordert werden, Die Welt, 20.08.2019; G. Schöllgen, Gefährliche Diskussion, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10.09.2017. 19 Stanisław Jerzy Lec (Aphorismen): Bedenke, bevor du denkst... 20 Der verstorbene (2011) Erzbischof von Lublin, Józef Życiński, brachte dieses Problem in einem Presseinterview in Anklang an eine alttestamentliche Erzählung auf den Punkt: „Im Bewusstsein seines eigenen Dramas ist Kain nicht auf die Idee gekommen, eine materielle Entschädigung für den Schaden zu verlangen, der für ihn durch Abels Tod letztlich entstanden ist” (zit. nach: Tygodnik Powszechny v. 4.04.2004). 21 Folgende Metapher aus dem Buch Hosea im Alten Testament spiegelt die Situation Deutschlands bei Kriegsende treffend wider: „Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten. Ihre Saat soll nicht aufgehen; was dennoch aufwächst, bringt kein Mehl; und wenn es etwas bringen würde, sollen Fremde es verschlingen“ (Hos 8, 7). 7 und politischer (auch historischer) Verantwortung unterscheiden22. Schuld und Verantwortung sind nicht identisch. Je nach Situation geht es entweder um die Schuld und strafrechtliche Verantwortlichkeit von Individuen, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Staates oder um die historisch-politische Verantwortung einer Nation. Die juristische Verantwortlichkeit des Staates überträgt sich auf das Schicksal des gesamten Staatsvolkes, sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten. Nach einem verlorenen Krieg muss die Bevölkerung des Aggressorstaates die Leistungen erbringen, die sowohl schuldige als auch unschuldige Bürger erarbeiten. Hier gilt die „Gnade der späten Geburt“ nicht. Dies ist aber nicht gleichbedeutend mit einer kollektiven Schuld oder Strafe23. 10. Im Kontext der Aufarbeitung der Rechtsfolgen von Angriffskriegen begegnet man oftmals der Auffassung, dass das von der Bundesrepublik geschaffene System der individuellen Entschädigungsleistungen Vorbildcharakter hat24. Diese Einschätzung erscheint etwas übertrieben. Dennoch verdient die deutsche Praxis vor dem Hintergrund anderer Staaten (z.B. UdSSR oder Japan) Anerkennung. Charakteristisch für die Entschädigungszahlungen waren dennoch bestimmte von der Politik und juristischen Doktrin gedeckte Manipulationen, wobei seitens der Gesetzgebung und Rechtsprechung zahlreiche Vorbehalte und Einschränkungen geltend gemacht wurden. Die einzelnen Transferleistungen erfolgten selektiv und dabei fast immer erst unter internationalem Druck. Die Gerechtigkeit hing dabei oftmals vom Wohnort der NSOpfer ab. Dies wirkte sich vor allem auf die in den Ostblockländern lebenden Bürger negativ aus. Beispielsweise zahlten weder die Bundesrepublik noch die Jewish Claims Conference jahrelang keine individuellen Entschädigungen an jüdische NS-Opfer, die in diesen Ländern lebten. Wenn von der Bundesrepublik in dieser Hinsicht alles vollständig und gerecht geregelt worden war, warum wurden die individuellen Entschädigungszahlungen erst 1990 und dann in einem weiteren Schritt erst nach 2000 veranlasst? Die multilaterale Vereinbarung von 2000 resultierte nicht in erster Linie aus der späten Absicht deutscher Unternehmen, den bislang vergessenen NS-Zwangsarbeitern bestimmte Entschädigungsleistungen zukommen zu lassen, sondern vor allem aus der Furcht vor gerichtlichen Klageverfahren in den USA. Aber inwieweit ist die Bundesrepublik ihrer umfassenden Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg tatsächlich gerecht geworden? Darauf gibt es keine einheitliche 22 Siehe J. Kranz (Anm. 9). Der polnische Soziologe Stanisław Ossowski schätzte die Lage nach Kriegsende wie folgt ein: „Der Verlust der Ostprovinzen des Reiches, aus denen die Macht Preußen einst erwachsen ist, wird vielleicht der preußischen Vorherrschaft im Leben Deutschlands ein Ende bereiten – und auf diese Weise die innere Umgestaltung dieses Landes erleichtern. In Polen hingegen werden – wie man wohl zu Recht annimmt – die territorialen Veränderungen verbunden mit dem Verlust der früheren Zentren der polnischen Kultur im Osten – das große Kapitel der Geschichte der polnischen Adelsrepublik abschließen und dem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel den Weg ebnen sowie neue Möglichkeiten des Zusammenlebens mit den Nachbarn eröffnen“ (S. Ossowski, „Kuźnica”, Nr. 38 (56), 1946 - abgedruckt in: Gazeta Wyborcza v. 4 Juli 1996, S. 11-13). 24 Siehe UN Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights. Study Concerning the Right to Restitution, Compensation and Rehabilitation for Victims of Gross Violations of Human Rights and Fundamental Freedoms: Final Report, submitted by Mr. Theo van Boven, Special Rapporteur, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1993/8, 2 July 1993: para. 107: „the most comprehensive and systematic precedent of reparation by a Government to groups of victims for the redress of wrongs suffered is provided by the Federal Republic of Germany to the victims of Nazi persecution”. 23 8 Antwort, ebenso wenig wie auf die Frage nach der zu bemessenden Höhe der Entschädigung für einen einjährigen Aufenthalt im KL Auschwitz-Birkenau. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass die von der Bundesrepublik an ehemalige NS-Opfer gezahlten individuellen Leistungen zeitlich und materiell begrenzt und in den meisten Fällen symbolischer Natur waren. 11. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Frage der zwischenstaatlichen Reparationsansprüche im Sinne des Potsdamer Abkommens juristisch abgeschlossen. Es gibt weder eine konkrete Rechtsgrundlage noch einen gerichtlichen Weg auf nationaler oder internationaler Ebene, auf dem man derzeit gegenüber der Bundesrepublik im Sinne des Potsdamer Abkommens Reparationen oder individuelle Entschädigungsleistungen geltend machen könnte. Individuelle Entschädigungen über die Stiftung „DeutschPolnische Aussöhnung“ sind bereits erfolgt und die Leistungsberechtigten haben mit Erhalt der ausgezahlten Summen auf weitere Ansprüche verzichtet25. Umfang und Höhe eventueller neuer Leistungen hängen von den Vereinbarungen zwischen einzelnen Staaten oder Organisationen und der Bundesrepublik ab. Solange noch NS-Opfer leben, sind innovative bzw. pragmatische Lösungen in diesem Bereich nicht ausgeschlossen (historisch-politische Verantwortung). Dazu sind jedoch stets mindestens zwei Seiten, ein günstiges Gesprächsklima und eine professionelle Diplomatie erforderlich. Die Politik der derzeitigen Regierung in Warschau erleichtert solche Lösungen jedoch nicht. Die politisch instrumentalisierte Rückkehr zur tragischen und in weiten Teilen der polnischen Bevölkerung immer noch schmerzhaft empfundenen Geschichte des Zweiten Weltkrieges fast 80 Jahre später ist heute kaum noch nachvollziehbar – und schon gar nicht in Form der von regierungsfreundlichen Medien in Polen seit einiger Zeit inszenierten antideutschen Kampagne. Denn eine solche Rückkehr lässt nur alte Ressentiments in Polen und in Deutschland wieder aufleben. Der Vorschlag, die Frage der Reparationen dem Internationalen Gerichtshof (IGH) vorzulegen26, offenbart mangelnden Realismus, allein schon aufgrund der Tatsache, dass eine IGH-Jurisdiktion zum Reparationsproblem durch Polen und Deutschland in einseitigen Erklärungen bereits ausgeschlossen wurde. Aber sogar dann, wenn der IGH über die Reparationsfrage möglicherweise entscheiden könnte, würde eine solche Perspektive nur zu einer politischen Verschleppung des Problems führen. Dies würde die deutsch-polnischen Beziehungen nur zusätzlich belasten und die nationalistischen Kreise stärken. Eine schlechtere Lösung ist kaum vorstellbar. Prof. Jerzy Kranz, Botschafter a.D. Warschau, den 13. Oktober 2022 25 Die von polnischen Regierungspolitikern derzeit als weiterhin völlig offen betrachtete Reparationsfrage in den deutsch-polnischen Beziehungen ist kaum nachvollziehbar, wenn man sich die in den Jahren 2004-2006 vom gleichen politischen Lager und dem damaligen Ministerpräsidenten Jarosław Kaczyński postulierte „Null-Lösung“ vor Augen führt – also die endgültige Lösung des Reparationsproblems durch den gegenseitigen Verzicht Polens und der Bundesrepublik auf kriegsbedingte Reparationen. 26 Dafür plädiert A. Buser, 1.3 Billionen Euro Kriegsreparationen an Polen: Warum nicht den IGH entscheiden lassen? In: VerfBlog v. 07.10.2022 - https://verfassungsblog.de/1-3-billionen-eurokriegsreparationen-an-polen/ 9