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Der Burgstall „Burg“ im Steinhuder Meer – Nachtrag

2016

On a map of the Steinhuder Meer, made by Jean Philippe d’Etienne, who was in the service of Count Wilhelm of Schaumburg-Lippe, a small island with a summer house is marked. As the fortress Wilhelmstein is missing on this map, it was drawn by Etienne in 1761 when he was planning the construction of the artificial island. The island, which was demolished to gain material for the building of the Wilhelmstein, had been part of a promontory, but it was reduced to an island by shore erosion in the 18th century or even earlier. Thus it is a proof for the change of the shore line by the action of waves and ice in a relatively short time. It also supports the assumption about the origin of the shoal “Burg”, a former castle, off the village of Wunstorf-Steinhude, Region Hannover.

Ko n r a d T h e i s s Ve r l a g D a r m s t a d t N a c h r i c hte n a u s N i e d e r s a c h s e n s U rg e s c h i c hte 8 5 , 2 0 1 6 , 1 93 –2 0 0 193 Der Burgstall „Burg“ im Steinhuder Meer – Nachtrag Timm Weski Zusammenfassung Auf einer Karte des Steinhuder Meers, die Jean Philippe d’Etienne im Auftrag von Graf Wilhelm von Schaumburg-Lippe zeichnete, ist vor dem Nordufer eine kleine Insel mit einem Lusthaus verzeichnet. Da auf dieser Karte die Inselfestung Wilhelmstein noch nicht eingetragen ist, fertigte d’Etienne den Plan 1761 im Rahmen der Vorarbeiten zur Errichtung der künstlichen Insel an. Die Insel, die zum Aufschütten des Wilhelmsteins abgetragen wurde, war ursprünglich Teil einer Landzunge, wurde aber durch Ufererosion im 18. Jahrhundert oder vielleicht auch schon früher, zur Insel reduziert. Damit liefert sie einen Beweis für die beträchtliche Verschiebung der Uferlinie durch die Einwirkung von Wellen und Eis. Gleichzeitig wird dadurch auch die These über die Entstehung der Untiefe „Burg“, einem ehemaligen Burgstall, vor Wunstorf-Steinhude, Region Hannover, unterstützt. Schlüsselwörter Steinhuder Meer, 18. Jahrhundert, historische Karte, Ufererosion The former Castle „Burg“ in the Steinhuder Meer – Supplement Abstract On a map of the Steinhuder Meer, made by Jean Philippe d’Etienne, who was in the service of Count Wilhelm of Schaumburg-Lippe, a small island with a summer house is marked. As the fortress Wilhelmstein is missing on this map, it was drawn by Etienne in 1761 when he was planning the construction of the artificial island. The island, which was demolished to gain material for the building of the Wilhelmstein, had been part of a promontory, but it was reduced to an island by shore erosion in the 18th century or even earlier. Thus it is a proof for the change of the shore line by the action of waves and ice in a relatively short time. It also supports the assumption about the origin of the shoal “Burg”, a former castle, off the village of Wunstorf-Steinhude, Region Hannover. Keywords Steinhuder Meer, 18th century, historic map, shore erosion Einleitung Bei der Diskussion über die Ufererosion, die dazu führte, dass der Burgstall „Burg“ heute etwa 200 m vor dem Dorf Steinhude unter Wasser liegt, wurde auch auf vergleichbare Prozesse am Nordufer verwiesen. Dabei liefert eine heute nicht mehr erhaltene Kiesinsel vor Mardorf das eindrücklichste Beispiel (Heine / Weski 2014, 168). In einer nicht näher datierten, aber jedenfalls vor 1688 entstandenen Urkunde heißt es: „… der Steinberg so an dem mardorffischen Lande gelegen von dem Meer abgewaschen und lege das wenige so von den Stein- berg überblieben, iezo fast eines halben morgens lang in dem meer“ (Ochwadt 1967, 50). Obwohl die neuentstandene Insel direkt vor dem zum Kurfürstentum Hannover gehörenden Nordufer lag, ließ Graf Wilhelm von Schaumburg-Lippe 1752 ein kleines Lusthaus darauf errichten. Zuvor hatte sich ein Entenfang darauf befunden. Ein Jahr später beschwerten sich die Mardorfer über diesen Bau, da die Insel jetzt eingezäunt wäre und sie ihr Vieh dort nicht mehr weiden lassen könnten (Ochwadt 1967, 84 – 86). Schon 1762 musste die Insel mit Kies auf- 194 geschüttet werden, um Schäden, die durch Wasser und Eis verursacht waren, zu beseitigen (Ochwadt 1967, 94). Im September 1764 berichtete der Kammerrat J. H. Lüchtemeyer, dass Bauern Steine aus dem verfallenen Lusthaus gestohlen hätten: „Daß Waagenspuhr ging zweymahl um die Insell herum. Von der Insell ab habe dies Waagenspuhr bis vor das Hannöversche Dorf Mardorp verfolget, alwo der Steinwaage in den ordinären Weg, so ins Dorf gehet, Weiter ins Dorf gefahren war“ (Ochwadt 1967, 91– 92). 1766 wurde die Insel vollständig abgetragen, um Material zum Aufschütten des Wilhelmsteins zu gewinnen (Ochwadt 1967, 84; 94). Da die Bauern im 18. Jahrhundert ihr Vieh auf der Insel weiden ließen und zum Steinraub ein Ochsenkarren die Insel erreichen konnte, muss sich zwischen der Insel und dem Ufer fester Sandgrund befunden haben. Offensichtlich war es für das uferweidegewöhnte Vieh kein Problem, durch das Wasser bis zur Insel zu gelangen. Die Lage dieser Insel war nicht mehr zu ermitteln, da sie zu einem Zeitpunkt abgetragen wurde, bevor genaue Karten vom Steinhuder Meer angefertigt wurden. Erst nach der Veröffentlichung über den Burgstall „Burg“ wurde eine Karte bekannt, auf der die Kiesinsel mit dem Lusthaus eingezeichnet ist (Abb. 1) und die es ermöglicht, bessere Aussagen über den Umfang der Ufererosion zu gewinnen1. Diese undatierte und unsignierte Karte soll laut Findbuch des Niedersächsischen Landesarchivs, Standort Bückeburg, 1769 bzw. vor 1770 von Jean Philippe d’Etienne gezeichnet worden sein. Die Autorenschaft Etiennes trifft mit großer Wahrscheinlichkeit zu, wie der Vergleich der Handschrift auf anderen Karten von ihm zeigt, die sich deutlich von der Praetoris‘ unterscheidet 2. Die beiden Offiziere waren zum damaligen Zeitpunkt die einzigen in schaumburg-lippischen Diensten, die über die notwendigen kartographischen Kenntnisse verfügten3. 1 Den Hinweis auf diese Karte und auf die Manöverkarte von 1771 verdanke ich Inge Bührmann (Hagenburg), die sie im Zuge ihrer Recherchen zum Bau des Wilhelmsteins im Niedersächsischen Landesarchiv – Standort Bückeburg entdeckt hatte. 2 Freundl. Mitt. Dr. Stefan Brüdermann (NLA, Standort Bückeburg; E-Mail 24. März 2016). 3 Freundl. Mitt. Inge Bührmann (Hagenburg; E-Mail 23. März 2016). Der Burgstall „Burg“ im Steinhuder Meer – Nachtrag Jean Philippe d’Etienne und die Karte vom Steinhuder Meer Jean Philippe d’Etienne (1725 –1798) trat mit 17 Jahren in die französische Armee ein und hatte im Siebenjährigen Krieg den Dienstgrad eines Leutnants erreicht. Nach einer Verwundung am 25. Juli 1757 traf er in Braunschweig Graf Wilhelm von Schaumburg-Lippe, der ihm anbot, in seine Streitkräfte überzutreten (Bonorden 1992, 2). Bei dieser Aufforderung muss man bedenken, dass Graf Wilhelm als kurhannoverscher Generalfeldzeugmeister und Kommandeur der gesamten Artillerie des preußischen, braunschweigischen, hannoverschen / britischem Heeres diente (Ochwadt 1967, 473), das sich zu der Zeit mit Frankreich, Österreich und Russland im Krieg befand. Die weitere Überlieferung ist in der Literatur widersprüchlich (Bührmann / Sommer 2008, 107). Jedenfalls soll d’Etienne noch bis zum 16. März 1761 dem französischen Heer angehört haben (Bührmann / Sommer 2008, 105). Das Patent als schaumburg-lippischer Ingenieur-Leutnant datiert auf den 1. April 1761 (Bonorden 1992, 2). Am 11. November des gleichen Jahres erhielt er die Order, im Steinhuder Meer eine künstliche Insel mit einer Festung, den Wilhelmstein bzw. die Wilhelms Inseln, zu bauen (Bührmann / Sommer 2008, 105). d’Etienne folgte Ende Mai 1762 Graf Wilhelm nach Portugal, wo er das portugiesische Heer reorganisierte und maßgeblich am Bau des „Fort(e) de (la) Lippe“ (Nossa Senhora da Graça) bei Elvas, gegenüber der spanischen Festung Badajoz beteiligt war (Ochwadt 1967, 144; Bonorden 1992, 6; Bührmann / Sommer 2008, 105; Steinwascher 2008, 279). Nach seiner Rückkehr nach Bückeburg erhielt er 1764 den Auftrag, die Arbeiten am Wilhemstein, dessen Aufschüttung seit 1761 bereits im Gang war, abzuschließen (Bonorden 1992, 6). Es ist fraglich, ob die Karte vom Steinhuder Meer tatsächlich erst 1769 gezeichnet wurde, denn auf ihr fehlt der bereits 1767 fertig gestellte Wilhelmstein. Stattdessen ist aber die 1766 abgetragene Kiesinsel mit dem Sommerhaus verzeichnet. Die Karte weist einige Fehler und Auslassungen auf, auch ist sie nicht genordet. Vergleicht man den Verlauf des Nord- und Südufers mit der genordeten Karte von 1770 (Praetorius 1770), so ergibt sich, dass die Karte etwa 25° gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden muss, damit sie nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet ist. Allerdings zeigt auch die Praetorius-Karte trotz vieler Details in einigen Punkten Ungenau- Timm We ski Abb. 1 Steinhuder Meer. Die Kiesinsel mit dem Lusthaus befindet sich vor dem Nordufer, südlich von Mardorf (Karte: d’EtiEnnE o. J.). 195 196 Abb. 2 Steinhuder Meer. Peillinien von der Kiesinsel zu den Kirchen von Mardorf, Rehburg und Steinhude sowie zum Schloss Hagenburg (Karte: d’EtiEnnE o. J.). igkeiten. So soll es sich bei den schwachen Strichen, die meist rechtwinklig zum Nordufer verlaufen, um Reusenreihen handeln (Ochwadt 1967, 389). Diese Linien sind aber nur dort eingezeichnet und fehlen im restlichen Uferbereich, obwohl sich auch dort Fanganlagen befunden haben, wie aus der Karte der Fischerpachtbezirke hervorgeht (Diersche / Rohrssen 1993, 51). Auf der Karte sind keine Schilffelder eingetragen, so dass Ochwadt auf weitgehend schilffreie Ufer schloss (Ochwadt 1967, 363). Auf einer nur zwei Jahre älteren Karte (Praetorius 1768) sind aber ausgedehnte Schilffelder vor Steinhude und Großenheidorn zu sehen (Heine / Weski 2014, 147 Abb. 3). Auf der Etienne-Karte (Abb. 1) sind verschiedene Kirchtürme und Windmühlen gezeichnet worden, die vermutlich als Peilmarken zur Positionsbestimmung auf dem See dienten. Diese Landmarken sind auch auf der Panoramaansicht des südlichen und westlichen Seeufers eingetragen, die von Kleinheidorn bis nach Rehburg reicht und zur Manöverkarte aus dem Jahr 1771 gehört. Jedoch stimmt auf der Etienne-Karte weder die Entfernung der Kirche von Bergkirchen zu den beiden nordwestlich gelegenen Mühlen noch deren Verhältnis zueinander mit der Karte von 1770 oder der Panoramaansicht von 1771 überein (Praetorius 1770; 1771). Von der Einmündung des Hagenburger Kanals in das Steinhu- Der Burgstall „Burg“ im Steinhuder Meer – Nachtrag der Meer peilt Schloss Hagenburg etwa in 175°. Auf der Etienne-Karte beträgt, unter Berücksichtigung der Orientierung der Karte, diese Richtung eher 210°. Zusätzlich ist der Verlauf des Kanals sehr viel geschwungener dargestellt, als er auf der Praetorius-Karte von 1770 verläuft. Auch endet der Kanal nicht unmittelbar vor dem heutigen Schloss Hagenburg, sondern deutlich westlich davon. Über den Zeitpunkt des Baus des heutigen Hagenburger Kanals werden in der Literatur keine Daten genannt. Meist wird vermutet, das Kanalbett wäre im Zusammenhang mit der Errichtung der Inselfestung angelegt worden (Witte / Witte 2009, 67). Es existierte aber schon vorher ein Graben zwischen Hagenburg und dem Meer, der von den Steinhuder Fischern im Rahmen ihrer Dienstpflicht gereinigt werden musste (Ochwadt 1967, 64). Die Lage dieses Grabens ist nicht überliefert. Möglicherweise war er schiffbar, denn 1750 wird von einem „überaus artigen Lust-Schiff“ berichtet, mit dem Graf Wilhelm das Steinhuder Meer befuhr (Ernsting 1750, 53). Zusätzlich hat Graf Wilhelm erstmals 1757(?) Überlegungen über eine Festung im Steinhuder angestellt (Ochwadt 1967, 88; 1977, 463). Deshalb ist es möglich, dass der Hagenburger Kanal als erster Schritt dazu schon vor 1761 ausgehoben wurde. Weiterhin fehlt auf der Etienne-Karte der Ort Winzlar, und die Kirche von Rehburg ist auf dem linken Ufer des Meerbaches eingetragen, obwohl die Anlage auf dem rechten liegt. Auch verläuft der Meerbach nicht mehr oder weniger gradlinig mit Meandern zwischen seinem Beginn am See bis nach Rehburg, sondern macht etwa auf der Hälfte einen deutlichen Knick. Auf der Etienne-Karte sind, mit Ausnahme des nördlichen, an das Kurfürstentum Hannover grenzenden Teil des Sees, an verschiedenen Stellen Zahlen, vermutlich Tiefenangaben, angegeben, die auf anderen, fast zeitgleichen Karten fehlen (d’Etienne o. J. b; 1766). Allerdings sind weder die Höhe des Wasserstands zur Zeit der Messung, noch die verwendete Maßeinheit – Schaumburgischer Fuß à 0,29 m, Calenbergischer Fuß à 0,291 m oder Pariser Fuß à 0,325 m (Ochwadt 1967, 400) – bekannt, so dass die Angaben nur bedingt mit modernen Karten verglichen werden können (Hübotter / Ochwadt 1967; Freizeitkarte 1979)4. Die Zahlenreihe in der 4 Die derzeit im Handel erhältliche „Meerkarte – Steinhuder Meer“ ist für wissenschaftliche Fragen nicht geeignet, da die Tiefenzone von 0,5–1,00 m mit dem Raster für die maximale Wassertiefe dargestellt ist. Timm We ski 197 Abb. 3 Steinhuder Meer. Ausschnitt aus der Karte von 1770. Der Fleck vor dem Nordufer markiert wohl die ehemalige Kiesinsel (Karte: ochwadt 1967, Beil.). Mitte deckt sich nur teilweise mit einem Streifen tieferen Wassers, den sogenannten „Deipen“, in dem Tiefen von bis zu 2,75 m erreicht werden können, während sonst der See durchschnittlich 1,5 m tief ist. Ungewöhnlich ist aber, dass am Südwestufer, vor dem Hagenburger Kanal, Werte von 9 –12 Fuß vorhanden sein sollen. In diesem Bereich lagert sich die Treibmudde ab, so dass heute dort die Tiefe bei etwa 1 m liegt. Vom Südwestufer liegen keine modernen Beobachtungen vor.5 Eine Bohrung westlich des Wilhelmsteins ergab Sandboden in 2,10 m Tiefe, über dem sich eine 1 m starke Muddeablagerung befand (LBEG 1976, GE 118). Ähnliche Werte ergab eine Bohrsäule nordwestlich von Steinhude (LBEG 1976, GE 38). Es wurde im 18. Jahrhundert also möglicherweise nicht die Wassertiefe, sondern die Tiefe des anstehenden, tragfähigen Sandgrundes gemessen, der für die Gründung des Wilhelmsteins von größter Bedeutung ist. So ist nicht auszuschließen, dass die Karte für die Planung des Wilhelmsteins gezeichnet wurde. Da Graf Wilhelm die Order zum Bau der Festung im November 1761 gab, musste schon vorher die Lage der geplanten Festung bestimmt worden sein. Daher ist die Karte wahrscheinlich zwischen dem Eintritt Etiennes in das schaumburg-lippische Heer und der Anordnung zum Bau des Wilhelmsteins entstanden. 5 Die farbige Karte mit Wasser und Schlammtiefen von 1847 (NLA BU, S 1, B 10255) ist aus konservatorischen Gründen zur Zeit nicht zugänglich. Die s.-w. Reproduktion reicht für eine detaillierte Beurteilung leider nicht aus. Rekonstruktion der Lage der Kiesinsel Die Position der Kiesinsel lässt sich wegen der genannten Fehler nur bedingt bestimmen. Hinzu kommen noch die anderen bei alten Karten üblichen Faktoren wie Papierschrumpfung oder Schwierigkeiten Längenmaße genau zu nehmen. Aber die Kirchtürme und Windmühlen bieten die Möglichkeit, die Lage der Kiesinsel von der Etienne-Karte auf andere zu übertragen. Allerdings ergeben sich aus der Größe der Zeichnungen der Peilmarken Unterschiede bei den Winkelmessungen. Daher können die Winkel immer nur als Näherungswerte verstanden werden. Von der Kiesinsel aus beträgt der Winkel zwischen der Kirche von Mardorf und der von Rehburg etwa 70°. Der gleiche Winkel ergibt sich zwischen der Kirche von Rehburg und der von Bergkirchen. Von letzterer und dem Schloss Hagenburg liegt ein Wert von 25° vor. Zwischen diesem Gebäude und der Kirche von Steinhude sind 40° zu messen (Abb. 2). Überträgt man diese Winkel auf die Praetorius-Karte von 1770, so befindet sich in der Nähe ein runder Fleck, Bei diesem könnte es sich allerdings auch um eine Verschmutzung handeln (Abb. 3), da die Insel nur auf den Aufnahmen zur Karte genannt wird (Ochwadt 1967, 51). Wiederholt man die Winkelmessungen von diesem Fleck zu den gleichen Landmarken, so ergeben sich relativ ähnliche Werte (65°, 65°, 35° und 40°; Abb. 4). Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Fleck tatsächlich die Position der 198 Der Burgstall „Burg“ im Steinhuder Meer – Nachtrag Abb. 4 Steinhuder Meer. Peillinien von der vermuteten Lage der ehemaligen Kiesinsel zu den Kirchen von Mardorf, Rehburg und Steinhude sowie zum Schloss Hagenburg (Karte: ochwadt 1967, Beil.). ehemaligen Kiesinsel angeben soll. Damit bestätigt sich die an anderer Stelle gemachte Vermutung von Ochwadt, dass die ehemalige Kiesinsel doch auf der Karte von 1770 eingetragen sei (Ochwadt 1967, 389). Auch die Kompasspeilung von 330° von der Kiesinsel zur Kirche von Mardorf, die auf beiden Karten gleich ist, unterstützt diese These. Auf der Karte mit der letzten Vermessung der Wassertiefen des Steinhuder Meeres springt in diesem Bereich die 1 m Tiefenline vor (Freizeitkarte 1979), während sich nordöstlich davon eine Zone tieferen Wassers befindet. Daher kann die ehemalige Kiesinsel dort vermutet werden. Der Abstand der Lotlinien, auf denen diese Karte beruht, betrug 100 bis 150 m und die Tiefenlinien gehen auf Interpolationen zwischen diesen Messungen zurück (Heine / Weski 2014, 155). Deshalb zeichnen sich, genauso wie der Burgstall „Burg“ vor Steinhude (Heine / Weski 2014, 172 Abb. 28), kleinere Abweichungen nicht ab. Da in diesem Teil des Sees seit vielen Jahren das Befahren des Uferbereich aus Naturschutzgründen untersagt ist, liegen auch keine Berichte von Seglern über einen Flachwasserbereich vor. Deshalb muss offen bleiben, ob die ehemalige Insel noch als Untie- fe vorhanden ist, oder ob sie bei der Materialentnahme – vielleicht mit Bohrspaten für das Graben unter Wasser (Ochwadt, o. J., 13) – soweit wie möglich abgegraben bzw. zusätzlich durch Strömungen und Eisgang vollständig abgetragen wurde. Schluss Die Insel, vermutlich ein ehemaliger Moränenhügel, findet ihre Fortsetzung am Nordufer im „Steinberg“ (vgl. Abb. 3). Allerdings kann es sich beim „Steinberg“ nur um eine schwache Erhebung gehandelt haben, die heute im Gelände nicht mehr als markante Landmarke auszumachen ist. Die Kiesinsel liegt an einer Stelle im See, an der die westliche Verlandungszone der Meerbachniederung in das sandige Nordufer übergeht. Obwohl auch das Nordufer der Erosion ausgesetzt ist (Heine / Weski 2014, 168), könnte sich zwischen der Insel und dem Festland Niedermoor befunden haben, dass sehr viel leichter durch die Einwirkungen von Wellen und Eis zerstört werden kann. Der Abstand von etwa 100 m zum heutigen Ufer ist zwar nur etwa halb so 199 Timm We ski Praetorius 1771 J. C. Praetorius, Plan vorstellend den südlichen Horizont der Vestung, worauf die Marschroute des supponierten feindlichen Convoj verzeichnet ist. Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Bückeburg, F 1 XXXVA 18 Nr. 197. LITERATURVERZEICHNIS Bonorden 1992 W. Bonorden, Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe (1724 –1777) und sein erster Festungskommandant auf dem Wilhelmstein im Steinhuder Meer, der Major Jean de Etienne (1725–1798). Familiengeschichte in Norddeutschland 41, 1992, 2 – 21. Bührmann / Sommer 2008 I. Bührmann / R. Sommer, Etienne, Jean Philip d‘. In: Abb. 5 Steinhuder Meer. Ungefähre Position der ehemaligen Kiesinsel auf der topographischen Karte, M. 1:10 000 (FrEizEitkartE 1979). H. Höning (Hrsg.), Schaumburger Profile. Ein historisch-biographisches Handbuch 1. Schaumburger Studien 66 (Bielefeld 2008) 105 –107. Diersche / Rohrssen 1993 R. Diersche / J. Rohrssen, Steinhude am Meer und ein bißchen Umgebung. Historie und Histörchen in Wort groß wie der der „Burg“ vor Steinhude, jedoch zeigt er deutlich, dass Ufererosion selbst an einer Seite, die nicht den Hauptwindrichtungen ausgesetzt ist, in großem Umfang möglich ist und auch in relativ kurzer Zeit erfolgen kann. und Bild. Teil 2 der Sammlung (Steinhude 1993). Ernsting 1750 A. C. Ernsting, Beschreibung derer natürlichen Merkwürdigkeiten, so in der Grafschaft Schaumburg anzutreffen. In: C. Ochwadt, Vom „Dreyfachen Reich der Natur im Schaumburgischen Lande.“ Arthur Conrads Ernstings Beitrag zu C. A. Dolles Schaumburgisches Geschichtswerken. Schaumburg-Lippische Mitteilungen 21, 1971, 45 – 58. QUELLENVERZEICHNIS Heine / Weski 2014 H.-W. Heine (†) / T. Weski, Der Burgstall „Burg“ im d’Etienne o.J. J.-P. d’Etienne, Plan du Lac de Steinhude avec un peu Steinhuder Meer. Forschungsgeschichte, Quellenlage du paysage des Environs. Niedersächsisches Landesar- und geophysikalische Untersuchungen. Nachr. Nieder- chiv, Standort Bückeburg, S 1 B 10254. sachs. Urgesch. 83, 2014, 143 – 184. Hübotter / Ochwadt 1967 Freizeitkarte 1979 Freizeitkarte Steinhuder Meer, Maßstab 1 : 10 000. Hrsg. P. Hübotter / C. Ochwadt, Das Steinhuder Meer. Karte v. Landkreis Hannover u. Niedersächsisches Landesver- der Flur- und Fischernamen (Hannover 1967). waltungsamt, Landesvermessung (Hannover 1979). J. C. Praetorius, Plan der Gegend um Steinhude und Großen Heydorn. Ochwadt 1967 C. Ochwadt (Hrsg.), Das Steinhuder Meer. Eine Samm- Praetorius 1768 Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Bückeburg, STABU S 1 B Nr. 2567. Praetorius 1770 lung von Nachrichten und Beschreibungen bis 1900 (Hannover 1967). Ochwadt 1977 C. Ochwadt, Wilhelm Graf zu Schaumburg-Lippe. J. C. Praetorius, Das Steinhuder Meer mit denen umlie- Philosophische und politische Schriften. Veröff. Leib- genden Gegenden zur Kenntnis der wahren Lage der Ves- nitz-Archiv 6 (Frankfurt a. Main 1977). tung die Wilhelms Insuln. Zitiert nach: Ochwadt 1967, Beil. 200 Steinwascher 2008 G. Steinwascher, Schaumburg-Lippe, Wilhelm Friedrich Ernst, Graf zu. In: H. Höning (Hrsg.), Schaumburger Profile. Ein historisch-biographisches Handbuch 1. Schaumburger Studien 66 (Bielefeld 2008) 276 – 280. Witte / Witte 2009 A. Witte / H. J. Witte, Die Insel „Festung Wilhelmstein“. In: Schaumburg-Lippischer Heimatverein e.V., Ortsgruppe Seeprovinz (Hrsg.), Steinhude. Flecken zwischen Meer und Moor (Hannover 2009) 67–77. Der Burgstall „Burg“ im Steinhuder Meer – Nachtrag