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Zwischen Elend und Elite

2018, Receptions of Paul in Early Christianity, edd. J. Schröter/S. Butticaz/A. Dettwiler, BZNW 234, Berlin/Boston 2018, 249-286

https://doi.org/10.1515/9783110533781-011

The article deals with different reconstructions of the economic situation in the Roman Empire in early imperial times, specifically with the quest for a “middling group” between the economic elite and the destitute and poor. On this background it reflects first on the economic situation of members in voluntary associations and secondly in Pauline communities. The article shows that the poor were hardly members in these groups and that Paul never considers provisions for those in an economic calamity. Finally the developments in Post-Pauline times are dealt with.

Markus Öhler Zwischen Elend und Elite Paulinische Gemeinden in ökonomischer Perspektive Abstract: The article deals with different reconstructions of the economic situation in the Roman Empire in early imperial times, specifically with the quest for a “middling group” between the economic elite and the destitute and poor. On this background it reflects first on the economic situation of members in voluntary associations and secondly in Pauline communities. The article shows that the poor were hardly members in these groups and that Paul never considers provisions for those in an economic calamity. Finally the developments in Post-Pauline times are dealt with. Keywords: Ancient Economy, Greco-Roman Associations, Paul, Charity, Poverty, Collection. Die ökonomische Situation der Mitglieder der paulinischen Gemeinden und deren Einsatz für die Armen sind seit den Arbeiten von Adolf Deissmann und Adolf von Harnack ein beständig wiederkehrendes Thema in Untersuchungen zur Geschichte des frühen Christentums.¹ Mit dem Aufkommen der sozialgeschichtlichen Forschung in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden diese Fragestellungen erneut aufgenommen, wobei v. a. die Arbeiten von Edwin A. Judge, Abraham J. Malherbe, Wayne A. Meeks und Gerd Theißen wegbereitend waren.² In den vergangenen Jahren lässt sich allerdings ein erneutes Aufleben dieser Fragestellungen feststellen.³ Vor allem die angloamerikanische Forschung  Adolf Deissmann, Paulus. Eine kultur- und religionsgeschichtliche Skizze (Tü bingen: J.C.B. Mohr, 1925), 35 – 37.186 – 188; Adolf Deissmann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt (Tübingen: J.C.B. Mohr, 41923), 6 f.247; Adolf von Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten (Leipzig: Hinrichs’sche Buchh., 41924), 170 – 220.  Edwin A. Judge, Christliche Gruppen in nichtchristlicher Gesellschaft. Die Sozialstruktur christlicher Gruppen im ersten Jahrhundert (Wuppertal: R. Brockhaus, 1964); Abraham J. Malherbe, Social Aspects of Early Christianity (Philadelphia: Fortress Press, 21983); Wayne A. Meeks, Urchristentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der paulinischen Gemeinden (Gü tersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1993); Gerd Theißen, Studien zur Soziologie der Jesusbewegung, WUNT 19 (Tübingen: J.C.B. Mohr, 31989).  Steven J. Friesen, „Poverty in Pauline Studies. Beyond the So-called New Consensus,“ JSNT 26 (2004): 323 – 361; Peter Oakes, Reading Romans in Pompeii. Paul’s Letter at Ground Level (Min2 https://doi.org/10.1515/9783110533781-011 Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 250 Markus Öhler hat grundlegende Arbeiten vorgelegt, die weit über die ntl. Perspektive hinausgehen und mit einer Intensivierung der Erforschung der antiken Wirtschaftsgeschichte zusammenfallen.⁴ Der folgende Beitrag stellt verschiedene Modelle der ökonomischen Situation im Imperium Romanum der frühen Kaiserzeit vor, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, den neueren Rekonstruktionen einer „Mittelschicht“ nachzugehen. Davon ausgehend werden die Paulusbriefe daraufhin durchgesehen, ob sich in diesen Texten Spuren verschiedener ökonomischer Schichten finden und wie die Mitglieder der paulinischen Gemeinden innerhalb des ökonomischen Spektrums zu verorten sind. Den Abschluss bilden schließlich Ausführungen zu den Entwicklungen in nachpaulinischer Zeit. 1 Die ökonomische Lage in der frühen Kaiserzeit 1.1 Forschungstraditionen und Grundannahmen In der gegenwärtigen Diskussionslage innerhalb der Erforschung der Wirtschaftsgeschichte des Römischen Reiches besteht, grob gesprochen, weiterhin ein Hiatus zwischen zwei Ansätzen⁵: Waren die ökonomischen Verhältnisse im Imperium vergleichbar mit denen der Moderne oder waren sie kategorial verschieden? Gab es ein stetiges Wirtschaftswachstum oder blieb die römische Wirtschaft über die Jahrhunderte stabil? Handelte es sich um eine Wirtschaftsform, die ähnlich dem modernen Kapitalismus durch Marktmechanismen gesteuert war, oder um eine kulturell völlig anders geprägte Wirtschaft, die eigenen Regeln folgte? Schon die Kontroverse zwischen den Historikern Eduard Meyer und Karl Bücher ab den 1890er Jahren zeigt die Spannung zwischen den beiden Polen auf: Während Bücher die Wirtschaft der Antike als „geschlossene Hauswirtschaft“ neapolis [u. a.]: Fortress Press, 2009); Bruce W. Longenecker, Remember the Poor. Paul, Poverty, and the Greco-Roman World (Grand Rapids, Mich. [u. a.]: Eerdmans, 2010); Stefan Alkier, Rainer Kessler und Michael Rydryck, Wirtschaft und Geld, Lebenswelten der Bibel (Gü tersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2016).  Vgl. u. a. Walter Scheidel, The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World (Cambridge: Cambridge University Press, 2013); Walter Scheidel und Steven J. Friesen, „The Size of the Economy and the Distribution of Income in the Roman Empire,“ JRS 99 (2009): 61– 91; Peter Temin, The Roman Market Economy, The Princeton Economic History of the Western World (Princeton: Princeton University Press, 2012).  Vgl. Sitta von Reden, Antike Wirtschaft, Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike 10 (Berlin, Boston: de Gruyter, 2015), 89 – 98. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 251 betrachtete,⁶ ging Meyer von einer mit modernen Formen vergleichbaren wirtschaftlichen Struktur aus.⁷ Diese Auseinandersetzung ging als Debatte zwischen Primitivisten und Modernisten in die Forschungsgeschichte ein. Ihre Nachwirkungen sind bis heute zu erkennen.⁸ Die zweite Hälfte des 20. Jhd.s war in der Debatte um die Wirtschaft der Antike davon geprägt, dass Karl Polanyi die These entwickelte, wonach „in vorkapitalistischen Gesellschaften wirtschaftliches Verhalten in soziale und politische Institutionen eingebettet“ war.⁹ Mit dem Ausdruck „eingebettet“ („embedded“) ist gemeint, dass alle wirtschaftlichen Ziele und Mechanismen politischen und verwandtschaftlichen Interessen untergeordnet waren. Es sei um das soziale Überleben der Gemeinschaft gegangen. Dabei hätten die Prinzipien der Haushaltung, der Reziprozität und der Redistribution leitend gewirkt.¹⁰ Weitergeführt wurde diese Position von Moses I. Finley.¹¹ Finleys Rekonstruktion der antiken Wirtschaft lief darauf hinaus, sie als eine Subsistenzwirtschaft zu beschreiben, die auf das Haus konzentriert war. Handel spielte darin nur eine geringe Rolle, da es an einer entsprechenden Infrastruktur, den technischen Möglichkeiten und auch an über den engeren sozialen Kontext hinausgehenden Interessen mangelte. Lediglich die zahlenmäßig sehr kleinen Eliten hätten von den Erträgen wirtschaftlichen  Karl Bü cher, Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträ ge (Tü bingen: K. Laupp, 1893), 15.  Eduard Meyer, „Die wirtschaftliche Entwicklung des Altertums,“ in Kleine Schriften zur Geschichtstheorie und zur wirtschaftlichen und politischen Geschichte des Altertums, Hg. Ders. (Halle: M. Niemeyer, 1910), 79 – 168.  Vgl. Helmuth Schneider, „Die Bücher-Meyer-Kontroverse,“ in Eduard Meyer. Leben und Leistung eines Universalhistorikers, Hg. W.M. Calder und A. Demandt, Mnemosyne, Supplementum 112 (Leiden, Kö ln [u. a.]: Brill, 1990), 417– 445; Kai Ruffing, Hans-Joachim Drexhage und Heinrich Konen, Die Wirtschaft des Rö mischen Reiches (1.–3. Jahrhundert). Eine Einfü hrung, Studienbü cher Geschichte und Kultur der Alten Welt (Berlin: Akademie Verl., 2002), 19–21; Kai Ruffing, Wirtschaft in der griechisch-rö mischen Antike, Geschichte kompakt (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2012), 8 – 14; Michael Sommer, Wirtschaftsgeschichte der Antike, Beck’sche Reihe 2788 (Mü nchen: C.H. Beck, 2013), 15 – 19; von Reden, Antike Wirtschaft (s. Anm. 5), 89 – 98. Sommer, Wirtschaftsgeschichte (s. Anm. 8), 114, meint, dass diese Debatte durch eine Definition von Kapital im Sinne Bourdieus überwindbar wäre; vgl. auch Alkier, Kessler und Rydryck, Wirtschaft (s. Anm. 3), 135 – 138.  So von Reden, Antike Wirtschaft (s. Anm. 5), 94; vgl. Karl Polanyi, The Great Transformation (New York: Rinehart, 1944). Zur Vita des österreichisch-ungarischen Wirtschaftswissenschaftlers, der 1933 emigrierte, vgl. jetzt Gareth Dale und Karl Polanyi, A Life on the Left (New York: Columbia University Press, 2016).  Vgl. auch George N. Gotsis und Gerasimos Merianos, „Early Christian Representations of the Economy. Evidence from New Testament Texts,“ History and Anthropology 23/4 (2012): 467– 505, hier: 471– 476.  Vgl. u. a. Moses I. Finley, Die Antike Wirtschaft (München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1977), passim. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 252 Markus Öhler Handelns profitiert, wobei deren Ausgaben dem Status- und Machterhalt gedient hätten.¹² Den Gegenpol zur Position von Polanyi und Finley bildeten die Arbeiten von M. Keith Hopkins.¹³ Er konstatierte für die Zeit der römischen Herrschaft ab dem 2. Jhd. v.Chr. ein substantielles Wirtschaftswachstum im griechisch-römischen Raum und verwies dazu auf eine Reihe von Ursachen. Dazu gehören die deutlich angestiegene agrarische Produktion, das Bevölkerungswachstum, der höhere Anteil nicht auf dem Land arbeitender Menschen, der Anstieg der Produktivität sowie die Umverteilung von Steuererträgen in schlechter entwickelte Teile des Imperiums. Die weitere Entwicklung der Wirtschaftsgeschichte der griech.-röm. Antike wurde durch die verstärkte Einbeziehung archäologischer Ergebnisse, bioanthropologischer Untersuchungen sowie der Ökologie des Mittelmeerraums beschleunigt.¹⁴ Die Landschaften rund um das Mittelmeer und die Levante bildeten zwar keinen einheitlichen Wirtschaftsraum, die einzelnen Gebiete waren aber, und das gilt ganz besonders seit Augustus und der Etablierung der Pax Romana, miteinander vernetzt, oft direkt, manchmal indirekt. Der Warenaustausch war in lokaler Hinsicht sicherlich am stärksten ausgeprägt, doch der regionale Handel wie der Fernhandel waren nicht ausschließlich wenigen Eliten vorbehalten, sondern wurden von weiten Teilen der Bevölkerung genutzt. Mittels biochemischer Untersuchungen von menschlichen Knochen konnten Rückschlüsse über das Ernährungsverhalten gewonnen werden. Dabei zeigte sich, dass Fleischkonsum unter der italischen Bevölkerung der späten Republik und der Kaiserzeit deutlich häufiger war als zunächst angenommen.¹⁵ Auch im Blick auf die Ausgaben – man denke nur an die Bauprogramme und Militärausgaben der frühen Kaiserzeit – lässt sich begründet annehmen, dass dafür die Ressourcen zur Verfügung gestanden haben mussten. So scheint sich in der gegenwärtigen wirtschaftsgeschichtlichen Forschung die Waage jener Position zuzuneigen, die einen ökonomischen Aufschwung innerhalb eines marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems konstatiert.  Vgl. von Reden, Antike Wirtschaft (s. Anm. 5), 95 – 97.  Vgl. u. a. K. Hopkins, „Economic Growth and Towns in Classical Antiquity,“ in Towns in Societies. Essays in Economic History and Historical Sociology, Hg. R. Abrams und E.A. Wrigley (Cambridge: Cambridge University Presse, 1978), 35 – 79.  von Reden, Antike Wirtschaft (s. Anm. 5), 99 – 105.  von Reden, Antike Wirtschaft (s. Anm. 5), 145.Vgl. allerdings William V. Harris, Rome’s Imperial Economy. Twelve Essays (Oxford [u. a.]: Oxford University Press, 2011), 49 f., der dies mit Verweis auf die Forschungsdiskussion anders einschätzt. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 253 1.2 Die ökonomische Stratifizierung im Imperium Romanum Auf eine gemeinsame Arbeit von Walter Scheidel und Steven J. Friesen aus dem Jahr 2009 geht die Etablierung einer Einkommensskala („income scale“) für das römische Reich zurück.¹⁶ In ihrer Studie berechnen sie die Größe der römischen Wirtschaft und bestimmen die Verteilung des Einkommens innerhalb der Gesellschaft. Dabei spielen sowohl antike Befunde wie Vergleichsgrößen aus dem Spätmittelalter bzw. der frühen Neuzeit eine wichtige Rolle. Im Einzelnen wird das jährliche Bruttoinlandsprodukt des Römischen Reiches für die Mitte des 2.Jhd. n.Chr. auf 14 bis 23 Milliarden Sesterzen (HS) geschätzt, wobei der Weizenpreis die bestimmende Rolle spielt. Scheidel und Friesen rechnen eher mit einem Mittelmaß von etwa 17– 19 Milliarden HS. Bei einer angenommenen Bevölkerungszahl von 70 Millionen ergibt das ein Prokopfeinkommen von etwa 260 HS, bei einem mittleren Weizenpreis von 2,5 HS per Modius sind das 104 Modii pro Jahr/Kopf (680 kg).¹⁷ Für das Leben eines erwachsenen Mannes – Frauen kamen mit etwas weniger aus – wird das Mindestmaß (barebones-level) von Scheidel und Friesen aufgrund ägyptischer Zeugnisse mit 390 kg Weizen/Jahr berechnet (60 Modii), wofür ein Einkommen von 150 HS notwendig wäre.Von diesem in Weizen umgerechneten Einkommen mussten neben Nahrung auch Kleidung und eine einfache Unterkunft bezahlt werden. Für eine ordentliche Versorgung (respectibility level), die noch nicht luxuriös war, wäre mehr als das Dreifache nötig, nämlich 940 kg/Jahr (144 Modii; 361 HS). Betrachtet man nun allerdings die Verteilung des Einkommens, wendet sich das Bild, wobei im Folgenden die mittleren Werte angenommen werden. Zunächst zur Elite: Aus den Angaben über die Zahl von Senatoren (600), jene der Ritter (um die 20.000) und der Decurionen (um die 65.000), die zusammen die Elite des Römischen Reiches ausmachten, schließen Scheidel und Friesen auf 1,2 – 1,7 % der Bevölkerung. Unter Einschluss von weiteren Gruppierungen, wie vor allem der Priesterkollegien der Augustalen, besaß die wirtschaftliche Elite 3 – 5 Milliarden HS, was etwa 15 – 30 % des Gesamteinkommens ausmacht.¹⁸  Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), passim.  Die Berechnung legt 6,5 kg/Modius für getrockneten Weizen fest, es könnte auch etwas mehr sein; vgl. Travis B.Williams, Good Works in 1 Peter. Negotiating Social Conflict and Christian Identity in the Greco-Roman World, WUNT 337 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2014), 282 (Anm. 9). Ein Modius umfasst 8,6185 l.  Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 75 – 82. Auch innerhalb dieser Gruppierungen gab es selbstverständlich noch riesige Einkommensunterschiede. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 254 Markus Öhler Diesem Einkommen der Elite stehen die Einkünfte der Nicht-Elite gegenüber, die etwa 97 % der Bevölkerung ausmachte.¹⁹ Für diese blieben abzüglich der Staatsausgaben von etwa 1 Milliarde zwischen 11 und 15 Milliarden HS übrig. Das würde einer Pro-Kopf-Weizenmenge von 425 – 572 kg pro Jahr entsprechen (161– 220 HS). Doch auch innerhalb der Nicht-Elite gab es gewichtige ökonomische Unterschiede, auch wenn sich dies nach Scheidel und Friesen nur mittels „guesswork“ und als „conjectures“ bestimmen lässt.²⁰ Als Grundannahme halten sie fest, dass der Anteil von Menschen, die unterhalb des Existenzminimums lebten, ausgesprochen groß gewesen sein muss. Dabei wird das Existenzminimum mit 491 kg Weizen bestimmt, also der bare-bones-level zuzüglich aller Kosten und Steuern.²¹ Bei einem durchschnittlichen Preis von 2,5 HS pro Modius, der selbstverständlich lokal und zeitlich unterschiedlich sein konnte, ergibt das ein nötiges Jahreseinkommen pro Person von etwa 188 HS. Ein Tageslohn betrug zwischen 3 und 4 HS.²² Sollte davon eine Familie erhalten werden, waren etwa 500 HS/Jahr nötig. Für eine gegen Krisen abgesicherte Existenz bedurfte es allerdings deutlich höherer Einkünfte. In der folgenden Übersicht zu den verschiedenen Levels ist nun bedeutsam, dass Level 0 – 5 die Nicht-Elite darstellen (97 % der Bevölkerung) und erst ab Level 6 die Eliten (1,5 %) beschrieben werden. Scheidel und Friesen verstehen die Gesellschaft also zunächst einmal zweigeteilt. Im Überblick sieht das dann so aus:²³ Level Anteil an der Bevölkerung in % (pessimistische Einschätzung des Einkommens der Nicht-Eliten) Anteil an der Bevölkerung in % (optimistische Einschätzung des Einkommens der Nicht-Eliten) +  –   –   –   –   –   –   –   , , , , , , , , , , , , , , , , , ,  Das Militärpersonal einschließlich ihrer Familien machte etwa 1,5 % der Bevölkerung aus und wird im Folgenden von der Berechnung ausgenommen.  Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 82.  Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 83.  Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 70; vgl. etwa Mt 20,2: Der dort genannte Tageslohn von einem Denar entspricht vier Sesterzen.  Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 85 s. auch Anm. 19. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 255 Fortsetzung Level Anteil an der Bevölkerung in % (pessimistische Einschätzung des Einkommens der Nicht-Eliten) Anteil an der Bevölkerung in % (optimistische Einschätzung des Einkommens der Nicht-Eliten)     , – , , – , , – , ,  , , (einschließlich Militär)    , , , , (einschließlich Militär)    Level 1 stellt ein Einkommen zwischen 655 und 1310 kg Weizen dar (251– 503 HS) dar und begründet einen nachhaltig gesicherten Lebensunterhalt, mit dem der Aufwand für Nahrung, Kleidung, Wohnung, Arbeitsmittel, Tiere und Steuern abgedeckt ist. Die höheren Levels sind dann jeweils ein Vielfaches des Einkommens auf Level 1. Nach der Einschätzung von Scheidel und Friesen lebten mehr als 22 % bzw. 10 % der Bevölkerung deutlich unter dem, was für die Lebenserhaltung nötig war, dem bare-bones-level (bei ca. 0,6) von 390 kg (150 HS). 60 bzw. 55 % existierten am Existenzminimum (Level 0,5 – 0,74) oder knapp darüber, 8 bzw. 19 % hatten einen relativ gesicherten Unterhalt (Level 0,75 – 0,99). Die Differenzen zwischen pessimistischer und optimistischer Schätzung sind gerade in diesem Bereich recht deutlich. Der Bevölkerungsanteil jener Personen von Level 1 bis Level 5, deren Einkommen bereits deutlich über dem Existenzminimum lag, wird zwischen 8,3 und 14,8 % angesetzt. Als „middling groups“ („Mittelschicht“) definieren Scheidel und Friesen jene, die ab dem ordentlichen Einkommen von 360 HS (940 kg Weizen) liegen, also ab etwa Level 1,44 bis Level 5. Deren Bevölkerungsanteil wird dementsprechend für das gesamte Imperium Romanum mit 6 bis 12 % berechnet (inkl. Militär). Aus grundsätzlichen Erwägungen, u. a. erhoben durch den Vergleich mit frühneuzeitlichen Wirtschaftssystemen, kann der Anteil der Mittellosen nicht zu groß gewesen sein, da die Gesellschaft sonst kollabiert wäre.²⁴ Die Zahl der Vermögenden war außerdem sehr klein, um der großen Masse genügend Kapital für das Überleben zu belassen. So liegt der Anteil der Mittelschicht, die weder arm noch reich war, bei ca. 10 %. Diese hatten einen hohen Anteil am Handelsvolumen, je nach Szenario zwischen 10 und 20 %. Die hohe  Vgl. Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 88. Unterhalb des Levels 0,25 starben Menschen an Hunger, zwischen 0,25 und 0,49 war ihre Lebenserwartung aufgrund der schlechten Versorgung niedrig. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 256 Markus Öhler Zahl von Personen in dieser „middling group“ sowie jene 8 – 19 % knapp darunter waren es, die für die Güterproduktion und -nachfrage sorgten. Sie erzeugten, verkauften und kauften den größten Anteil an Fleisch,Wein, Öl, Metallwaren, Glas und Textilien. Gerade für diese mittlere Gruppe ist auch zu beachten, dass sie in Städten konzentriert war, was noch viel mehr für den Osten des Reiches galt.²⁵ Der Bevölkerungsanteil dieser mittleren Gruppe in einer Stadt war also sicherlich um einiges höher als im Gesamtdurchschnitt des Imperium Romanum. Scheidel und Friesen gehen von bis zu 25 % aus, allerdings nicht höher,²⁶ da sonst der Anteil der völlig Verarmten (0.25 – 0.49) zu groß wäre. Insgesamt ist das Modell also so gestrickt, dass weder die Zahl der Reichen noch jene der völlig Verarmten zu hoch gewesen sein kann, vielmehr muss es einen sehr hohen Anteil an Menschen am Existenzminimum gegeben haben sowie eine relativ große mittlere Einkommensgruppe. Die Existenz dieser ökonomischen „Mittelschicht“ hat sich in den letzten Jahren auch in anderen Entwürfen durchgesetzt.²⁷ Die aus literarischen Zeugnissen abgeleitete Trennung lediglich in Ober- und Unterschichten²⁸ lässt sich angesichts dieses Befundes also nicht mehr halten. Steven J. Friesen hatte sich bereits 2004 mit Armut im Imperium Romanum und ihrer Bedeutung im frühen Christentum beschäftigt.²⁹ Seine missverständlich als „Poverty Scale“ (PS) bezeichnete Skala ökonomischer Schichten hat sieben Stufen.³⁰ Entscheidend für Friesen war bereits hier, dass der Anteil an Armen bei etwa 68 % lag (PS 6 und 7). Weniger deutlich lässt sich die mittlere Einkom-  S.E. Aulock, „The Eastern Mediterranean,“ in The Cambridge Economic History of the GraecoRoman World, Hg. W. Scheidel, I. Morris und R.P. Saller (Cambridge: Cambridge University Press, 2007), 671– 697, hier: 677.  Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 90. Vgl. auch Walter Scheidel, „Stratification, deprivation and quality of life,“ in Poverty in the Roman World, Hg. E.M. Atkins und R. Osborne (Cambridge: Cambridge University Press, 2006), 40 – 59, hier: 51– 54.  Vgl. z. B. Ruffing, Drexhage und Konen, Wirtschaft (s. Anm. 8), 172; Ruffing, Wirtschaft (s. Anm. 8), 103; L.L. Welborn, „The Polis and the Poor. Reconstructing Social Relations from Different Genres of Evidence,“ in The First Urban Churches 1. Methodological Foundations, Hg. J.R. Harrison und L.L. Welborn, Writings from the Greco-Roman world. Supplement series 7 (Atlanta: SBL Press, 2015), 189 – 243, hier: 196 f.  Géza Alfö ldy, Rö mische Sozialgeschichte (Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 42011), 204 f.; vgl. auch Ekkehard W. Stegemann und Wolfgang Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt (Stuttgart [u. a.]: W. Kohlhammer, 21997), 70 – 94; Justin J. Meggitt, Paul, Poverty and Survival, SNTW (Edinburgh: T&T Clark, 1998).  Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 323 – 361. Friesen nahm damit die Untersuchung von Meggitt, Paul (s. Anm. 28) auf.  Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 341.347. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 257 mensgruppe bestimmen: Wenigstens 7 % (PS 4) gehörten dazu, möglicherweise auch Teile aus PS 5 (insgesamt 22 %), sodass maximal 29 % die „Mittelschicht“ bilden würden. Sie bestand nach Friesen v. a. aus Händlern und Handwerkern, während die Armen Arbeiter und Tagelöhner, kleine Händler und Tavernenbesitzer, Witwen, Waise, Bettler und Behinderte waren. Bruce W. Longenecker legte zunächst eine Revision der Poverty Scale von Friesen vor,³¹ die er noch einmal aufgrund der Untersuchung von Scheidel und Friesen überarbeitete.³² Longenecker bezeichnet seine ebenfalls siebenteilige Skala als „Economy Scale“ (ES) und passte die Überlegungen von Scheidel und Friesen an ein städtisches Milieu an.³³ Die Zahlen Longeneckers weichen v. a. im Blick auf die mittleren Gruppierungen von jenen von Scheidel und Friesen ab, was u. a. daran liegt, dass er die Augustalen nicht zu den Eliten zählt. Nach Longenecker wären daher 55 % der Bevölkerung als strukturell Arme zu bezeichnen. Die Orientierung am Existenzminimum war auch für jene, die in einer relativ gesicherten ökonomischen Lage waren (27 %), weiterhin von Bedeutung, wobei konjunkturelle Schwankungen zu bedenken sind. Abgesehen von den Eliten waren im städtischen Kontext lediglich 15 % in einer gesicherten ökonomischen Situation und verfügten über ausreichende Mittel, sich mehr als das Nötige leisten zu können. Im Zusammenhang seiner Auslegung des Römerbriefs geht Peter Oakes von einem anderen Ansatz aus: Er greift auf Statistiken zur Haushaltsgröße und -verteilung in Pompeji zurück³⁴ und schließt daraus auf die ökonomische Situation in einer durchschnittlichen Stadt im Imperium Romanum der frühen Kaiserzeit.³⁵ Dabei zeigt sich, dass 34 % der Haushalte Wohnmöglichkeiten weniger als 100 m2 zur Verfügung hatten, 22 % zwischen 100 und 200 m2 und nur eine kleine Minderheit von etwa 5 % mehr als 1000 m2. Legt man allerdings die Zahl der Bewohner und Bewohnerinnen der Wohnräume – Familien mit insgesamt vier Personen – auf die ungefähre Bevölkerungszahl Pompejis um, zeigt sich, dass  Bruce W. Longenecker, „Exposing the Economic Middle. A Revised Economy Scale for the Study of Early Urban Christianity,“ JSNT 31/3 (2009): 243 – 278.  Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 36 – 59.  Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 337– 347 hatte dies ebenfalls schon versucht, Longenecker geht allerdings von einem größeren Anteil der „Mittelschicht“ in den Städten aus; vgl. Longenecker, „Exposing“ (s. Anm. 31), 251– 262.  V. a. auf Andrew Wallace-Hadrill, Houses and Society in Pompeii and Herculaneum (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1994).  Oakes, Reading Romans (s. Anm. 3), 46 – 68. Vgl. auch Peter Oakes, „Methodological Issues in Using Economic Evidence in Interpretation of Early Christian Texts,“ in Engaging Economics. New Testament Scenarios and Early Christian Reception, Hg. B.W. Longenecker und K.D. Liebengood (Grand Rapids, MI, Cambridge: Eerdmans, 2009), 9 – 34. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 258 Markus Öhler etwa 50 % der Einwohner und Einwohnerinnen der Stadt lediglich Mitbewohner in Haushalten waren, v. a. Sklaven und Sklavinnen, aber auch andere abhängige Personen (Verwandte, Freigelassene). Der Anteil der Obdachlosen lässt sich nicht genauer bestimmen. Nach seiner Rechnung lebten etwa 67 % der Bevölkerung in Unterkünften unter 100 m2, während 2,5 % mehr als 1000 m2 zur Verfügung hatten. Ausgehend von diesen Überlegungen kommt Oakes zu einer ökonomischen Gliederung der Gesellschaft Pompejis, die er auch für die meisten anderen Städte des Imperiums veranschlagt (außer für Rom).³⁶ Das Ergebnis entspricht im Blick auf den Anteil der Armen jenem aus Scheidels und Friesens Rekonstruktion, die von einem Bevölkerungsanteil von 68 % ausgehen, der knapp am oder unter dem Existenzminimum lebte. Oakes schätzt jene Haushalte, die zwischen 100 und 1000 m2 hatten, als jene ein, die zwar nicht zur Elite gehören, aber – auf sehr unterschiedlichen Niveaus – die „Mittelschicht“ darstellen.³⁷ Im Blick auf mittlere Einkommensgruppen im städtischen Umfeld ergibt sich aus den genannten Untersuchungen folgende Übersicht: Anteil an der Bevölkerung Friesen ()³⁸ Scheidel/Friesen Scheidel/Friesen Longenecker Oakes () ()⁴¹ ()³⁹ () pessimistisch⁴⁰ optimistisch mind.  % , %  %  %  % Deutlich ist, dass die Schätzung, wie groß die städtische Mittelschicht ist, von unterschiedlichen Faktoren abhängt. Dazu gehören die Berücksichtigung des sozialen Status, der Anteil der städtischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung des Imperium Romanum, sowie die Definition, ab welchem Einkommen man von einer „Mittelschicht“ sprechen kann. Im städtischen Umfeld kann man m. E. mit etwa 15 – 20 % Angehörigen der Mittelschicht rechnen, zu denen Händler und selbständige Handwerker, Mitglieder der Verwaltung und des Kaiserhauses,  Oakes, Reading Romans (s. Anm. 3), 61.  Die Untergruppen sind Haushalte in Wohnräumen zwischen 100 und 199 m2 (11 %), 200 und 299 m2 (7 %), 300 und 399 m2 (4 %), 400 und 499 m2 (4 %) sowie 500 und 599 m2 (2,5 %).  Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 346. Friesen gibt allerdings zu bedenken, dass dieser Anteil höher sein könnte, wenn Mitglieder aus dem Level PS 5 (stabil am Existenzminimum, 22 %) hinzugerechnet werden.  Oakes, Reading Romans (s. Anm. 3), 66, wobei dies Haushalte in Wohnräumen zwischen 100 und 1000 m2 umfasst.  Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 90. Für das gesamte Imperium Romanum rechnen Scheidel und Friesen mit einem Anteil der „Mittelschicht“ zwischen 6 und 12 %.  Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 52.55. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 259 die Augustalen und einige Sklaven gehörten. Gerade in Provinzhauptstädten wie Korinth oder Thessalonich mit viel Verwaltungspersonal, in Handelsstädten und Kolonien ist mit einem entsprechend höheren Prozentsatz zu rechnen. Einig sind sich alle Entwürfe darin, dass die große Mehrheit der Bevölkerung einer Stadt zu den Armen gehörte, die am oder unterhalb des Existenzminimums lebten und deren Bestreitung der Lebenshaltungskosten (Essen, Kleidung, Wohnung, Steuern) stets gefährdet war. Krankheit, die Geburt von Kindern,⁴² der Tod von arbeitenden Angehörigen, Phasen von Nahrungsmittelknappheit oder Naturkatastrophen stellten diese Bevölkerungsgruppe vor große Herausforderungen. Sie war nicht in der Lage, ausreichend vorzusorgen bzw. Mittel für zusätzliche Ausgaben aufzubringen.⁴³ Zwischen 55 und 65 % der Bevölkerung fielen in diese Kategorie, wobei ca. 25 % in keiner Weise abgesichert waren. Sie waren abhängig von der Versorgung durch Angehörige, durch seltene und auf Bürger beschränkte Stiftungen von Nahrungsmitteln und Almosen der Bevölkerung. Arbeitsfähige Personen konnten als Tagelöhner beschäftigt werden, verbunden mit einer dementsprechend unsicheren Situation. Bei alledem ist allerdings zu berücksichtigen, dass der soziale Status nicht notwendig mit der ökonomischen Situation verbunden war. Zwar waren die gesellschaftlichen Eliten zum überwiegenden Teil auch jene Gruppen, die über teils gewaltige finanzielle Mittel verfügten, doch finden sich auch unter ihnen bereits Freigelassene, vor allem jene aus dem Haushalt des Kaisers.⁴⁴ Nicht alle alleinstehenden Frauen oder Zugewanderten ohne Bürgerrecht waren arm und umgekehrt schützte der Status als Freier nicht vor Armut.  Vgl. zur Aussetzung von Kindern als Hinweis auf drückende Armut Harris, Economy (s. Anm. 15), 50.  Vgl. zur Armut in Imperium Romanum u. a. Harris, Economy (s. Anm. 15), 27– 54; Ruffing, Drexhage und Konen, Wirtschaft (s. Anm. 8), 172– 176; Welborn, „Polis“ (s. Anm. 27), passim. Der Befund, wenigstens aus Ägypten, wird anders interpretiert von Dominic Rathbone, „Poverty and Population in Roman Egypt,“ in Poverty in the Roman World, Hg. E.M. Atkins und R. Osborne (Cambridge: Cambridge University Press, 2006), 100 – 114.  Als Beispiel sei hier Narcissus angeführt, ein Freigelassener des Caligula oder Claudius, dessen Macht und Reichtum unter Claudius legendär war. Er soll laut Cass. Dio 61,34,4 ein Vermögen von 400 Millionen HS besessen haben. Erwogen wird manchmal, dass es sich dabei um jenen Narcissus handelt, zu dessen Haushalt Christusgläubige der römischen Gemeinde gehörten (Röm 16,11). Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 260 Markus Öhler 2 Griechisch-römische Vereinigungen unter einer ökonomischen Perspektive Zur besseren Einordnung der paulinischen Gemeinden in das ökonomische Spektrum werden im Folgenden Beispiele aus der vielfältigen Welt der griechischrömischen Vereinigungen herangezogen, die die ökonomische Bandbreite dieser Gemeinschaften illustrieren.⁴⁵ Dabei wird deutlich werden, dass zwischen den Vereinigungen große Unterschiede hinsichtlich der ökonomischen Situation ihrer Mitglieder bestanden. Das lässt sich aus den Beiträgen für Sammlungen, Mähler und andere Aktivitäten gut erkennen. 2.1 Eine Sammlung für ein Heiligtum In dem ersten Beispiel handelt es sich um eine Mysterienvereinigung von der Westküste Kleinasiens (IKyme 37 = GRA II 105, 1. Jhd. v./n.Chr.). Kyme war in der frühen Kaiserzeit eine durchaus wohlhabende Stadt, Belege für vier Vereinigungen sind erhalten (IKyme 17, 37, 39; IJO II 36). Die Inschrift besteht aus einem Bericht über den Ankauf eines Heiligtums und seiner Nebengebäude sowie einer Liste von Spendern und Spenderinnen. Die Mysten organisierten die Finanzierung dieses Kaufs so, dass jedes Mitglied einen entsprechenden Betrag leistete.⁴⁶ Dieser wurde festgesetzt mit 103 Denaren (412 HS) und von eigens bestimmten Personen gesammelt. Für Angehörige der unteren Einkommensgruppen war dies nicht zu finanzieren, zumal ja auch noch monatliche Mitgliedsbeiträge, deren Höhe uns nicht bekannt ist, anfielen. Die Mitglieder waren also zum größten Teil Angehörige der ‚Mittelschicht‘, die über ein Einkommen von deutlich mehr als 90 Denare (360 HS) verfügten. Hinsichtlich der zahlenden Mitglieder ist auffällig, dass die angefügte Liste von mindestens 39  Zu finanziellen Praktiken innerhalb von Vereinigungen vgl. Philip A. Harland, „Associations and the Economics of Group Life. A Preliminar Case study of Asia Minor and the Aegean Islands,“ SEÅ 80 (2015): 1– 37; John S. Kloppenborg, „Epigraphy, Papyrology and the Interpretation of the New Testament. Member Contributions to the Eucharist,“ in Epigraphik und Neues Testament, Hg. T. Corsten, M. Öhler und J. Verheyden, WUNT 365 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2016), 129 – 153, hier: 135– 150; Richard Last und Sarah E. Rollens, „Accounting Practices in P.Tebt. III-2 894 and Pauline Groups,“ EC 5 (2014): 441– 474.  Zu Sammlungen von Vereinigungen für bestimmte vereinsinterne Zwecke, sg. ἐπιδόσεις, vgl. Harland, „Associations“ (s. Anm. 45), 16 – 19; John S. Kloppenborg, „Fiscal Aspects of Paul’s Collection for Jerusalem,“ EC 8 (2017): 153– 198, hier: 180 – 187. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 261 Spendern 27 Frauen nennt. Alle Personen waren wahrscheinlich keine römischen Bürger, da nur ihre Vornamen genannt werden. Einer der Sammler namens Eukarpos wird als δημόσιος bezeichnet, war also offenbar ein Verwaltungsbeamter. Der Name Ergastikos, „Arbeitsamer“, klingt nach einem (früheren) Sklaven. 2.2 Aufwendungen der Funktionäre Im Zusammenhang des Kaiserkults waren sicherlich eher Angehörige der Eliten tätig, wie auch eine Inschrift über die finanziellen Anforderungen einer Vereinigung von Hymnoden aus Pergamon zeigt (IPergamon 374 = GRA II 111; 129 – 138 n.Chr.).⁴⁷ In dieser Inschrift werden Vorgaben gemacht, wie viel für die Festivitäten an den verschiedenen Festtagen durch Funktionäre einzubringen ist. Während für Kleinigkeiten wie Räucherwerk und anderes 15 Drachmen (ca. 12 Denare) festgesetzt wurden, waren die Aufwendungen für die gemeinsamen Feiern bzw. die zu zahlenden Beiträge von neuen Mitgliedern oder Funktionsträgern deutlich höher: So war anlässlich der zahlreichen Feiertage durch den Eukosmos mehrmals im Jahr eine Mina zu spenden. Rechnet man eine Mina mit 100 Drachmen (ca. 75 Denare/300 HS),⁴⁸ sind bei 4– 5 Festen pro Jahr 400 – 500 Drachmen aufzuwenden, zuzüglich weiterer Aufwendungen für Brot und Wein. Für die Opfer an den Kaiser und Roma soll der dafür bestimmte Sänger 100 Denare stiften (400 HS), zudem jedem Mitglied 15 Denare (60 HS) geben und deren Söhne eine halbe Mina (150 HS). Daraus wird erkennbar, dass die Hymnoden zu den ökonomisch gut gestellten Gruppen der Stadt gehörten. Das wird auch durch die Mitgliederliste wahrscheinlich gemacht, die zumeist dreigliedrige Namen sowie einige Angehörige prominenter Familien nennt. Aber auch die Personen mit einfachen Namen mussten sich die entsprechenden Beträge erst leisten können.⁴⁹ Diese Vereinigung war selbst für Mitglieder der „Mittelschicht“ finanziell aufreibend, zumindest für die leitenden Funktionäre. Um in dieser Vereinigung eine Funktion zu übernehmen, musste man zur ökonomischen Elite gehören.  Aus Pergamon sind etwa 20 Vereinigungen belegt; vgl. Philip A. Harland, Greco-Roman Associations. Texts. Translations and Commentary. North Coast of the Black Sea, Asia Minor, BZWN 204 (Berlin: de Gruyter, 2014), 120. Zur gesellschaftlichen Stellung der Hymnoden vgl. Eckhard Stephan, Honoratioren, Griechen, Polisbürger. Kollektive Identitäten innerhalb der Oberschicht des kaiserzeitlichen Kleinasiens, Hypomnemata 143 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2002), 229 f.  Es gibt zum Umfang einer Mina unterschiedliche Angaben; vgl. K. Hitzl, Art. Mina, DNP 8 (2000): 208.  Für eine ausführliche Diskussion der Inschrift vgl. Harland, GRA II (s. Anm. 47), 128 – 140. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 262 Markus Öhler 2.3 Kleine und große Spenden Eine Sammlung für die Finanzierung eines Zollhauses für Fischfang und -handel in Ephesus belegt ganz unterschiedliche Spendenhöhen (IEph 20 = GRA II 127; 54– 59 n.Chr.). Es handelt sich dabei um eine Liste von ca. 100 Menschen, die den Bau des Gebäudes, das auch als Handelsplatz dienen sollte, finanziell bzw. durch Stiftung von Bauteilen unterstützten. Die Geldbeträge reichen von 5 – 50 Denaren (20 – 200 HS), mehr war für die Finanzierung von Bauteilen aufzuwenden. Etwa die Hälfte der Genannten waren römische Bürger, max. ein Zehntel Sklaven. Eine Beteiligung in der Höhe von 5 Denaren scheint nun in der Tat nicht außergewöhnlich hoch und war wohl auch einfachen Fischern und Fischhändlern möglich, die nicht zur „Mittelschicht“ gehörten. Zudem ist anzunehmen, dass es aufgrund der Bedeutung des Zollhauses für den lokalen Fischmarkt wohl auch so etwas wie einen Zwang gab, bei diesem Unternehmen mitzumachen. Möglicherweise gehörten auch nicht alle Beitragenden überhaupt zu der Berufsvereinigung.⁵⁰ 2.4 Erbschaften Eine Vereinigung von Dionysiasten aus Magnesia am Mäander hielt im frühen 2. Jhd. n.Chr. in einer Inschrift fest, welche Beträge verstorbene Mitglieder ihnen hinterlassen hatten (IMagnMai 117 = IDionysosJ 147).⁵¹ Die genannten Summen waren allerdings nicht besonders hoch: Der Leiter der Vereinigung hinterließ 18 Denare (52 HS), die Priesterin 25 (100 HS), der Hierophant 18 (52 HS) usw. In Relation zu den Ausgaben der oben erwähnten Hymnoden aus Pergamon sind das niedrige Summen, die m. E. einen Hinweis darauf zulassen, dass es sich um eine Vereinigung von Personen der niedrigeren „Mittelschicht“ handelte. Offenbar waren die jeweiligen Hinterlassenschaften nicht besonders groß, sodass die in den Testamenten festgesetzten Stiftungen demensprechend gering ausfielen. Dennoch wurden sie in einer Inschrift festgehalten, die u. a. auch darauf abzielte, lebende Mitglieder dazu anzuregen, in ihren Testamenten ebenfalls entsprechende Summen festzusetzen. Diese relativ geringen Summen waren aber offenbar schon groß genug, um vermerkt zu werden. Unter den Mitgliedern und Erblassern waren übrigens einige Frauen. Eine davon war römische Bürgerin, alle anderen Mitglieder hatten kein römisches Bürgerrecht.  Diskussion und Literatur bei Harland, GRA II (s. Anm. 47), 249 – 260; Kloppenborg, „Aspects“ (s. Anm. 46), 169.  Vgl. auch Harland, GRA II (s. Anm. 47), 349. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 263 2.5 Strafzahlungen Ebenfalls eine Dionysos-Vereinigung des 2. Jhd. n.Chr., diesmal aus Physkos in Zentralgriechenland (IG IX/12 670 = GRA I 61), erwähnt in einer Inschrift Mitgliedsbeiträge mit 14 Obolen, wobei allerdings die Frequenz unklar bleibt. Es handelt sich an sich schon um einen ausgesprochen niedrigen Betrag, denn 6 Obolen ergeben eine Drachme (3 HS), und dennoch wird hinzugesetzt: μὴ ἔλασον „nicht weniger“ (l.6). Die Finanzierung dieser geringen Summen war auch Angehörigen niedriger Einkommensschichten nicht unmöglich. Die Strafen für Streitigkeiten sowie für das Fernbleiben von Versammlungen und Kultfeiern waren ebenfalls nicht sehr hoch: 4 bzw. 5 Drachmen (12– 15 HS) fallen dafür an. Allerdings zeigt ein Vergleich, dass auch in einer elitären Vereinigung niedrige Strafen vorkamen: Die Athener Iobakchen (GRA I 51; 164/65 n.Chr.) erhoben Strafen in der Höhe von 25 – 30 leichten Drachmen (Obolen; 12– 15 HS) für geringere Vergehen, allerdings bis zu 25 Denare für Prügeleien (100 HS).⁵² Die Höhe der Strafen gibt also keinen Einblick in die finanziellen Verhältnisse der Mitglieder einer Vereinigung. 2.6 Der Aufwand für Mähler In seiner ausführlichen Untersuchung zur ökonomischen Situation der korinthischen Gemeinde geht Richard Last auf zwei Vereinigungen aus Ägypten ein.⁵³ Sie sind in zwei Papyri aus dem Fayum dokumentiert, einer aus Philadelphia (SB III 7182; nach 173 v.Chr.) und einer aus Tebtunis (P.Tebt. III/2 894; um 114 v.Chr.). Die beiden Texte beschäftigen sich in erster Linie mit Mitgliedsbeiträgen, Ausgaben für Essen, Versammlungsorten und Belohnungen für Funktionsträger. Für ein Treffen der Vereinigung in Philadelphia, die im Übrigen aus Sklaven bestand, fallen z. B. Kosten in der Höhe von 1590 Drachmen an. Es handelt sich allerdings um Kupferdrachmen, deren Gesamtwert in etwa 3 Silberdrachmen entsprach (8  Vgl. dazu Eva Ebel, Die Attraktivität früher christlicher Gemeinden. Die Gemeinde von Korinth im Spiegel griechisch-römischer Vereine, WUNT 2/178 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2004), 115 f. Die Höhe des Mitgliedsbeitrags bei den Iobakchen ist allerdings unbekannt, der Eintrittsbeitrag lag bei 50 Denaren (200 HS). Die Heraklesvereinigung von Liopesi (GRA I 50; ca. 90 – 110 n.Chr.) verlangte für Prügelei 10 Drachmen (30 HS); weitere Beispiele bei Harland, „Associations“ (s. Anm. 45), 10 – 16.  Richard Last, The Pauline Church and the Corinthian Ekklesia. Greco-Roman Associations in Comparative Context, SNTS.MS 164 (Cambridge: Cambridge University Press, 2016), 96 – 112. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 264 Markus Öhler HS).⁵⁴ Die Beiträge der Gemeinschaft in Tebtunis summierten sich auf 2200 Kupferdrachmen, also etwa 5 Drachmen bei 23 Personen (15 HS).⁵⁵ Setzt man diese Beiträge in den gesamtwirtschaftlichen Kontext Ägyptens, wird allerdings deutlich: Selbst diese an sich geringen Beiträge machten schon etwa 10 % des monatlichen Einkommens eines einfachen Arbeiters aus.⁵⁶ Dass es sich bei diesen beiden Vereinigungen um jene aus schwachen Einkommensgruppen handelt, wird u. a. aus dem Speiseplan der Bankette deutlich: Unfermentierter Wein, Kohl, Bohnen und Bier waren deutlich günstiger als richtiger Wein oder Fleisch. Auch die Versammlungsorte – ein Lagerhaus, ein Stall, der Nebenraum eines Tempels (Philadelphia) bzw. auch private Unterkünfte (Tebtunis) – entsprechen diesem ökonomischen Level. Die Wechsel der Örtlichkeiten zeigen an, dass die ökonomische Situation der Vereinigung eine dauerhafte Anmietung oder gar ein eigenes Gebäude nicht zuließen. Auch die Ehrungen innerhalb dieser Gruppen waren dementsprechend billig: Kränze anstelle von Ehreninschriften waren das Mittel der Wahl. Diese beiden Vereinigungen sind daher als Beispiele dafür anzusehen, dass es auch unterhalb der ökonomisch Abgesicherten Vereinigungen gab, die auf einfachere und günstigere Weise ein Vereinsleben entwickelten. Man wird hier mit Gruppen rechnen dürfen, die auf einem stabilen Niveau ihre wirtschaftliche Existenz gerade so am Existenzminimum halten konnten, möglicherweise auch ökonomisch schwächere Personen. Die Überlieferungslage gerade für solche Gruppierungen ist allerdings schwierig, da sie mangels Aufstellungsort keine Inschriften hinterließen und so nur einige papyrologische Zeugnisse aus Ägypten erhalten sind. Ein Zwischenergebnis Die unterschiedlichen Rekonstruktionen der ökonomischen Verhältnisse im Imperium Romanum der frühen Kaiserzeit lassen sich doch so weit auf einen Nenner bringen, dass von einem sehr großen Anteil von Menschen am bzw. unterhalb des Existenzminimums, einer gewichtigen Gruppe mit einer gesicherten Existenz, einer ebenso großen Gruppe von Menschen, die man einer „Mittelschicht“ zuordnen würde, sowie einer sehr kleinen Minderheit mit großem bzw. sehr großem Vermögen auszugehen ist. Die Übergänge waren dabei selbstverständlich flie-  Vgl. Kloppenborg, „Epigraphy“ (s. Anm. 45), 149 f.; Last, Pauline Church (s. Anm. 53), 97 f.  Funktionäre zahlten teilweise mehr als normale Mitglieder, manchmal auch weniger.  Vgl. Last, Pauline Church (s. Anm. 53), 100 f. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 265 ßend, sodass die Zahlen abhängig von lokalen und zeitlichen Bedingungen schwankten. Die Verteilung der entsprechenden Bevölkerungsanteile in den Städten lässt sich ungefähr so abschätzen, dass man von etwa 15 % Angehörigen der mittleren ökonomischen Gruppe ausgehen kann, von ca. 27 %, deren Existenz gut abgesichert war, von 30 %, die den notwendigen Lebensunterhalt gerade so finanzieren konnten, von 25 %, deren Lebenserwartung aufgrund von Armut stark gefährdet war, während 3 % über große finanzielle Mittel verfügten.⁵⁷ Eine Zuordnung dieser ökonomischen Schichten zu einzelnen Berufsgruppen bzw. Rängen innerhalb der Gesellschaft ist nur eingeschränkt möglich, ist aber zugleich auch ein Hilfsmittel, gerade im Blick auf die vermögenden Schichten. Mitgliedschaft in einer Vereinigung war eine mehr oder weniger finanziell aufwendige Angelegenheit, die allen ökonomischen Gruppen offenstand, außer jenen, die nicht einmal ihren Lebensunterhalt finanzieren konnten. Weder Eintrittsgelder noch Mitgliedsbeiträge, geschweige denn die finanziellen Anforderungen an Funktionsträger waren dieser unteren ökonomischen Schicht möglich. Zu rechnen ist allerdings mit Vereinigungen, in denen ausschließlich oder wenigstens teilweise Personen Mitglieder waren, die am Existenzminimum lebten, wobei deren Beiträge gering bleiben mussten. Die überwiegende Anzahl der Vereinigungen waren nach den Quellen aber Gruppen, die aus Mitgliedern der ökonomischen Eliten, der „Mittelschicht“ oder der Personengruppe mit einer abgesicherten Existenz bestanden. Die folgende Diskussion der ökonomischen Situation der paulinischen Gemeinden geht zunächst einmal davon aus, dass die Verhältnisse in den Versammlungen von Christusgläubigen nicht kategorial verschieden von denen in anderen Gemeinschaften waren. An den in den Paulusbriefen bzw. der Apostelgeschichte relativ spärlich enthaltenen Informationen über die wirtschaftliche Lage der jeweiligen Gemeinden bzw. ihrer Mitglieder muss sich diese Annahme im Folgenden bewähren.  Diese prozentuelle Aufteilung entspricht Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 53. Die Gefahr des Schemas von sieben Stufen ist allerdings, dass die Grenzen zu scharf verstanden werden. Das ist der Vorteil der Tabelle von Scheidel und Friesen, „Size“ (s. Anm. 4), 85. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 266 Markus Öhler 3 Die wirtschaftliche Lage in den paulinischen Gemeinden Es hat sich in der Forschung bewährt, die paulinischen Gemeinden nicht als eine Einheit zu fassen, sondern in ihrem je individuellen Profil zu betrachten, was auch im Blick auf deren ökonomische Situation sinnvoll ist. 3.1 Antiochien Antiochien ist zwar keine paulinische Gründung, aber die dortige Ekklesia war möglicherweise das prägende Vorbild für das, was sich Paulus unter einer Gemeinschaft von Christusgläubigen vorstellte. Einige wenige Hinweise lassen erkennen, dass die ökonomische Situation dieser „Versammlung“ nicht schlecht gewesen sein dürfte. So findet sich in der Gruppe der fünf Leitfiguren (Apg 13,1) neben Barnabas und Paulus mit Manaën, dem σύντροφος des Herodes Antipas, ein Klient des Herodianischen Hauses, der möglicherweise sogar zur ökonomischen Elite gehörte. Die wirtschaftliche Lage der aus Jerusalem geflohenen Diasporajuden ist weniger eindeutig (Apg 11,19 f.). In Jerusalem hatten sie sehr wahrscheinlich eine gesicherte wirtschaftliche Existenz gehabt und gehörten zur Mittelschicht.⁵⁸ Wie weit sie ihre ökonomischen Ressourcen nach Antiochien bringen und sich dort wieder wirtschaftlich etablieren konnten, muss offenbleiben. Es ließ sich allerdings über Mittelsmänner wohl auch nach der Flucht noch manches transferieren. Insofern waren auch die aus Jerusalem geflüchteten Hellenisten wahrscheinlich nicht mittellos. Dafür spricht auch der Bericht über Barnabas, der in Jerusalem den Ertrag eines Grundstückverkaufs gespendet hatte (Apg 4,36 f.) und während seiner Verkündigungstätigkeit nicht auf Versorgung durch die Gemeinden angewiesen war (1 Kor 9,6).⁵⁹ Auf eine Unterstützung durch die antiochenische Gemeinde könnte die Aussendung der Verkündiger Barnabas und Paulus hinweisen (Apg 13,2 f.), was zugleich aber auch eine wirtschaftliche Potenz der Christusgläubigen erkennen lässt.  Vgl. insgesamt zu griechischsprachigen Judäern in Palästina Michael Zugmann, „Hellenisten“ in der Apostelgeschichte. Historische und exegetische Untersuchungen zu Apg 6,1; 9,29; 11,20,WUNT 2/264 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2009), 205 – 294.  Vgl. Markus Öhler, Barnabas. Die historische Person und ihre Rezeption in der Apostelgeschichte, WUNT 156 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2003), 15 – 24.173 – 186. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 267 Nach Apg 11,27– 30; 12,25 veranstalteten die Mitglieder der antiochenischen Gemeinde eine Sammlung für die von einer Hungersnot bedrohten Jerusalemer Christusgläubigen. Die Höhe dieser Unterstützung muss so substantiell gewesen sein, dass sie Teil der kollektiven Erinnerung blieb. Zudem war sie Vorbild für die spätere Kollekte, die beim Jerusalemer Apostelkonvent vereinbart wurde (Gal 2,10). Die Mitglieder der antiochenischen Gemeinde waren offenbar zur Finanzierung einer solchen Unterstützung fähig. Der Streit über Speisevorschriften der Tora (Gal 2,11– 14) rückt hingegen die gemeinsamen Mahlzeiten in den Mittelpunkt. Dies wird auch im Aposteldekret thematisiert (Apg 15,20.29; 21,25), wenn dieses tatsächlich eine Reaktion auf den Antiochenischen Zwischenfall darstellte.⁶⁰ Die Auseinandersetzung setzt voraus, dass die Mahlzeiten u. a. Fleisch enthielten, das im Kontext von Speisevorschriften besonders relevant war. Fleisch gehörte allerdings nicht zum Speiseplan ärmerer Vereinigungen (s.o.). Gab es Arme und Bedürftige in der Gemeinde von Antiochien?⁶¹ Sie werden an keiner Stelle in der Apostelgeschichte im Zusammenhang mit Antiochien erwähnt, vielmehr zeigen die angesprochenen Belege, dass von einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz der Gemeindeglieder auszugehen ist. Nichts deutet auf einzelne Vermögende hin, denen eine verarmte Mehrheit gegenübergestanden wäre. 3.2 Galatien Der Galaterbrief gibt uns kaum Einblicke in die ökonomische Situation der Gemeinden.⁶² Paulus erwähnt immerhin die Kollekte für die Jerusalemer (Gal 2,10), auch wenn die Adressaten nicht direkt aufgefordert werden, sich daran zu betei-  Vgl. die Beiträge in Aposteldekret und antikes Vereinswesen. Gemeinschaft und ihre Ordnung, Hg. Markus Öhler, WUNT 280 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2011). Zu erwägen wäre auch, ob die Benennung als Christianoi durch die römischen Behörden, so sie tatsächlich in Antiochien das erste Mal erfolgte (Apg 11,26), auf einen höheren gesellschaftlichen Status der Gemeinschaft verweist.  Zu den sprachlichen Formen zur Beschreibung von Armut vgl. zuletzt D.J. Armitage, Theories of Poverty in the World of the New Testament, WUNT 2/423 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2016), 37– 47. Der Vf. des lukanischen Doppelwerks verwendet πτωχός κτλ. ausschließlich im Evangelium (Lk 4,18 u.ö.), während er in der Apostelgeschichte ἐνδεής gebraucht (Apg 4,34) bzw. von „Not“ (χρεία) schreibt (2,45; 4,35); vgl. zu diesem Wechsel Öhler, Barnabas (s. Anm. 59), 99 – 103.  Die Frage, ob die galatischen Gemeinden im Süden oder Norden der Provinz Galatien lagen, kann hier offenbleiben. Auch der Bericht in Apg 13 f. gibt keine eindeutigen Hinweise auf die wirtschaftliche Situation der Christusgläubigen. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 268 Markus Öhler ligen. Im Brief selbst vermeidet der Apostel dies, da es seinem Argumentationsziel, die Galater von der Beschneidung und der Unterwerfung unter die Tora abzuhalten, eher geschadet als genützt hätte, Geld von ihnen zu fordern. Seine Bemerkung in 1 Kor 16,1 macht aber deutlich, dass die Kollekte selbstverständlich auch in den galatischen Gemeinden organisiert werden sollte: „… wie ich den Versammlungen Galatiens angeordnet habe …“ (ὥσπερ διέταξα ταῖς ἐκκλησίαις τῆς Γαλατίας). Mit dieser für Paulus so wichtigen Kollekte für Jerusalem haben wir einen analogen Fall zu den oben erwähnten Sammlungen von Vereinigungen vor uns, allerdings mit der Differenz, dass das Geld an einen anderen Ort und eine andere Ekklesia geht.⁶³ Im Blick auf die wirtschaftliche Situation der Gemeinden ist eindeutig, dass die Finanzierung einer Kollekte eine ökonomische Situation am oder über dem Existenzminimum verlangte. Menschen, die ihren eigenen Lebensunterhalt nicht finanzieren konnten, waren nicht dazu in der Lage, wöchentlich Geldbeträge beiseite zu legen (1 Kor 16,2). Paulus nennt zwar keine Summen, sondern überließ es den Einzelnen, den Betrag für sich selbst zu bestimmen, setzt aber voraus, dass sich jeder Haushalt bzw. jede Einzelperson daran beteiligte. Gab es denn überhaupt Arme und Bedürftige in den galatischen Gemeinden? Paulus lässt davon nichts erkennen. Bruce Longenecker hat nun allerdings – ausgehend von der frühpatristischen Exegese – die Ansicht stark gemacht, dass Paulus in Gal 2,10 bei den πτωχοί nicht an die Jerusalemer Armen denken würde, sondern grundsätzlich an die Armen, die von allen Gemeinden versorgt werden sollten.⁶⁴ Die Kollekte für Jerusalem sei eine von Paulus erst 53 n.Chr., also nach Abfassung des Galaterbriefs, aufgebrachte Idee gewesen.⁶⁵ Gegen Longeneckers Versuch, in Gal 2,10 eine allgemeine Praxis der Armenfürsorge in den paulinischen Gemeinden zu sehen, spricht zum einen Röm 15,26, und zwar unabhängig davon, ob die Jerusalemer Gemeinde als Ganze als „die Armen“ eingeschätzt wird oder nur eine Gruppe.⁶⁶ Paulus beschreibt die Sammlung  Vgl. zuletzt dazu Kloppenborg, „Aspects“ (s. Anm. 46), passim, der einen Überblick zu den bisherigen Forschungsansätzen bietet und selbst ausführlicher die Verbindung zu den Sammlungen von Vereinigungen aufzeigt.  Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 157– 183. Vgl. auch Bruce W. Longenecker, „The Poor in Galatians 2:10: The Interpretive Paradigm of the First Centuries,“ in Engaging Economics. New Testament Scenarios and Early Christian Reception, Hg. B.W. Longenecker und K.D. Liebengood (Grand Rapids, MI, Cambridge: Eerdmans, 2009), 205 – 221; aufgenommen u. a. von Armitage, Poverty (s. Anm. 61), 232– 234.  Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 338 – 344.  Letzteres scheint mit wahrscheinlicher zu sein; vgl. u. a. Ulrich Wilckens, Der Brief an die Römer (Röm 12 – 16), EKK VI (Neukirchen-Vluyn: Neukrichnener; Einsiedeln: Benziger, 31993), 125; anders etwa Heinrich Schlier, Der Römerbrief, HThK 6 (Freiburg im Breisgau,Wien: Herder, 31987), 436. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 269 (κοινωνία) in Röm 15,26 ausdrücklich als eine für die „Armen der Heiligen, die in Jerusalem (sind)“ (εἰς τοὺς πτωχοὺς τῶν ἁγίων τῶν ἐν Ἰερουσαλήμ). Es ist nicht plausibel, dass er im Galaterbrief im Kontext des Berichts über seine Verhandlungen mit den Jerusalemern (2,1– 9) andere πτωχοί meinen würde.⁶⁷ Weiters ist die Erwähnung der Kollekte in 1 Kor 16,1– 4, wo Galatien explizit genannt wird (16,1), Hinweis genug, um zu verstehen, dass die Sammlung für die Heiligen (ἡ λογεία ἡ εἰς τοὺς ἁγίους) bzw. die Gabe (ἡ χάρις) nichts anderes war als das, was beim Konvent mit den Jerusalemern vereinbart worden war.⁶⁸ Dass die patristische Exegese Gal 2,10 zum Teil als eine generelle Maxime verstand, hat mit der großen Bedeutung von Armenfürsorge in den Gemeinden seit der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts zu tun, in der ein solcher Satz durch den Apostel Paulus besonderes Gewicht hatte.⁶⁹ Einzig Gal 6,9 f. könnte auf eine Armenfürsorge verweisen.⁷⁰ Allerdings sind die dort formulierten Aufforderungen „Lasst uns das Rechte tun“ (τὸ δὲ καλὸν ποιοῦντες) und „Lasst uns das Gute tun gegenüber allen“ (ἐργαζώμεθα τὸ ἀγαθὸν πρὸς πάντας) zu allgemein. Liest man sie als Aufforderungen auch zu ökonomischer Hilfe, sagen sie zugleich aus, dass die Adressaten diese wirtschaftlichen Möglichkeiten hatten, nicht aber, dass es unter ihnen welche gab, die selbst bedürftig waren. Mit πρὸς πάντας wird vielmehr der Blick nach außen gerichtet. 3.3 Thessalonich Die Gemeinde von Thessalonich war zwar in einer gesellschaftlichen Drucksituation (1 Thess 2,14; 3,3 f.), deren wirtschaftlichen Auswirkungen widmet sich Paulus allerdings nicht ausführlich. Zugleich fällt auf, dass der Apostel auf das  Anders Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 184– 189. Der Umstand, dass Galatien in Röm 15,26 nicht genannt wird, könnte als Hinweis dafür gewertet werden, dass Paulus zur Zeit der Abfassung nicht sicher war, ob sich die galatischen Gemeinden überhaupt noch an der Sammlung beteiligen würden.  Auch die Verwendung des Aorist ἐσπούδασα in Gal 2,10 lässt nicht daran denken, dass Paulus den Galatern im Zusammenhang der Verkündigung des Evangeliums die Armenfürsorge plausibel gemacht hätte, sondern dass dahinter der Beginn des Bemühens stand, die Vereinbarung in Jerusalem zu erfüllen. Im Gegenteil verweist dies darauf, dass die Galater um die paulinische Bemühung wissen, da er auch bei ihnen bereits dafür geworben hatte.  Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 161– 170, nennt Tertullian (Adv. Marc. 5.3), Origenes (Comm. in Matt. 16.6.165 – 180), Athanasius (Hist. Arian. 61.1.3) sowie Aphrahat (Dem. 20). Die Belege sind alle kombiniert mit allgemeinen Erörterungen zur Armenfürsorge. M. E. deuten diese Zeugnisse darauf hin, dass eine spezifische Aussage generalisiert wurde.  Vgl. Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 141 f. mit einigen Literaturhinweisen. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 270 Markus Öhler Thema Arbeit wiederholt zu sprechen kommt. Seine eigene Tätigkeit sei Zeichen dafür, dass er die Mitglieder der Ekklesia nicht ausgenutzt habe und ihnen nicht zur Last gefallen sei (1 Thess 2,7.9). Das kann in zwei Richtungen verstanden werden: Entweder die Thessalonicher hatten gar nicht die Möglichkeit, Paulus zu unterstützen.⁷¹ Worin wäre dann aber das Besondere des apostolischen Verzichts gelegen? Laut Phil 4,16 unterstützten die Philipper Paulus während eines Aufenthaltes in Thessalonich wenigstens zweimal. Das sollte m. E. allerdings nicht vorschnell auf die allgemeine ökonomische Situation der Thessalonicher zurückgeführt werden, da Paulus ausschließlich von den Philippern Geld annahm (Phil 4,15).⁷² Wahrscheinlicher war, dass Paulus die Möglichkeit einer Unterstützung durch die Thessalonicher nicht nützte, um sich so von kynischen oder anderen Wanderlehrern zu unterscheiden.⁷³ Die Mitglieder der Gemeinde von Thessalonich hätten also durchaus die finanzielle Potenz gehabt, Paulus und seinen Begleitern Silvanus und Timotheus Gastfreundschaft und finanzielle Förderung zu gewähren, diese verzichteten aber darauf, um die Verkündigung nicht zu gefährden. Auf die ökonomische Lage der Mitglieder der Gemeinde in Thessalonich deutet die Anweisung hin, einen Bruder nicht in geschäftlichen Angelegenheiten zu übervorteilen (1 Thess 4,6a). Art und Umfang der genannten πράγματα werden zwar nicht spezifiziert, es ist aber auffallend, dass unter den Mitgliedern der Ekklesia offenbar Geschäfte gemacht wurden.⁷⁴ Da die Mehrzahl der Händler und Handwerker zu jener ökonomischen Gruppe gehörte, die am oder knapp über dem Existenzminimum lebte, und in 1 Thess 4,11 auf Handarbeit Bezug genommen wird (ἐργάζεσθαι ταῖς χερσὶν ὑμῶν), gehörten die Mitglieder der Gemeinde von  So etwa Richard S. Ascough, Paul’s Macedonian Associations. The Social Context of Philippians and 1 Thessalonians, WUNT 2/161 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2003), 166.  Anders etwa Ascough, Associations (s. Anm. 71), 166 f. Allerdings verwendet Paulus in 2 Kor 11,8 f. den Plural „andere Gemeinden“, um dann zu explizieren, dass Brüder aus Makedonien ihm aushalfen. Diese können aus Philippi (s.u.), aber auch aus Thessalonich oder Beröa gekommen sein.  Christoph vom Brocke, Thessaloniki, Stadt des Kassander und Gemeinde des Paulus. Eine frühe christliche Gemeinde in ihrer heidnischen Umwelt, WUNT 2/125 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2001), 151; Christine Gerber, Paulus und seine „Kinder“. Studien zur Beziehungsmetaphorik der paulinischen Briefe, BZNW 136 (Berlin [u. a.]: de Gruyter, 2005), 279 – 282.  1 Thess 4,6 wird übrigens weitgehend ignoriert in der Frage nach der wirtschaftlichen Situation der Gemeinde, da es auf sexuelle Handlungen hin interpretiert wird; vgl. Ascough, Associations (s. Anm. 71), 67; zutreffend hingegen Stefan Schreiber, Der erste Brief an die Thessalonicher, ÖTK 13/1 (Gü tersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2014), 220 f. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 271 Thessalonich sehr wahrscheinlich zu dieser Schicht.⁷⁵ Wenig wahrscheinlich erscheint mir eine Deutung der θλίψις der Thessalonicher auf „Armut“ (1 Thess 1,6; 3,3.7), wenngleich die Bedrängnis durch die Umgebungsgesellschaft sehr wahrscheinlich auch ökonomische Folgen hatte.⁷⁶ Dies gilt umso mehr als Paulus trotz der zahlreichen Mahnungen in seinem Schreiben an die Thessalonicher (v. a. 1 Thess, 5,12– 22) keine finanziellen Unterstützungen für arme Mitglieder oder generell alle Armen anspricht. Für eine ökonomisch günstige Lage wenigstens eines Mitglieds der Gemeinde in Thessalonich spricht hingegen Apg 17,5 – 9: Die Bürgschaft, die Jason als Gewährleistung für das Wohlverhalten bzw. die Abreise von Paulus und Silvanus hinterlegte, kann nicht gering gewesen sein, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollte. Gab es Arme und Bedürftige in der Gemeinde von Thessalonich? Ein positiver Nachweis lässt sich dafür m. E. nicht finden. Man mag vielleicht überlegenswert finden, ob die Schwachen (ἀσθενοῖ 1 Thess 5,14) wirtschaftlich Schwache im Sinne von Menschen unterhalb des Existenzminimums waren, doch der Kontext der Ermahnung widerrät dieser Interpretation: Neben den Schwachen werden nämlich die Unordentlichen und Kleinmütigen genannt.⁷⁷ All dem gegenüber steht die Aussage in 2 Kor 8,2 f.: Paulus formuliert dort im Zusammenhang der Kollektenaufforderung, dass die makedonischen Gemeinden – d. h. zumindest Thessalonich, Philippi und wohl auch Beröa – aus ihrer tiefsten Armut heraus (κατὰ βάθους πτωχεία αὐτῶν) über ihr Vermögen (παρὰ δύναμιν) zur Kollekte für Jerusalem beigetragen hätten. Für die Rekonstruktion der wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Gemeinden ist nun aber wichtig, den rhetorischen Charakter der Formulierungen zu berücksichtigen. Der tiefsten Armut wird nämlich das Übermaß ihrer Gnade (ἡ περισσεία τῆς χαρᾶς αὐτῶν) gegenübergestellt. Paulus präsentiert die Beteiligung der Gemeinden Makedoniens so, als würde er nur wider Willen ihre Gaben annehmen, um damit die Korinther zu einer intensiveren Teilnahme an der Sammlung zu motivieren.⁷⁸ Auch der folgende Verweis auf die „Freiwilligkeit“ (αὐθαίρετοι) ist angesichts des massiven Drängens in 2 Kor 8 f. und der Angabe, Paulus habe die Kollekte in Galatien an-  Vgl. zuletzt Schreiber, 1Thess (s. Anm. 74), 55 f. Nicht plausibel erscheint mir, aus diesem Text einen ökonomischen Level von „ES5 (or so)“ zu rekonstruieren (Longenecker, Remember [s. Anm. 3], 257), da Handwerker auch dem Level ES6 angehörten. Paulus selbst beschreibt sich als Handarbeiter in 1 Kor 4,12 (vgl. Apg 20,34; Eph 4,28).  So aber Ascough, Associations (s. Anm. 71), 167 f.; Schreiber, 1Thess (s. Anm. 74), 56.  Anders etwa Armitage, Poverty (s. Anm. 61), 230 f. Mit ἀσθενής bezeichnet Paulus Krankheit (Phil 2,26 f.; Gal 4,13), die irdische Existenz (2 Kor 13,3 f.) und geistliche Schwäche (Röm 14,1), aber auch niedrigen sozialen Status (1 Kor 1,25.27).  Mit παρὰ δύναμιν überspitzt Paulus das zuvor verwendete κατὰ δὐναμιν. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 272 Markus Öhler geordnet (1 Kor 16,1) als rhetorische Überspitzung zu erkennen. All dies soll dazu beitragen, die Korinther für die Kollekte zu begeistern, indem er die Sache als einen Wettstreit zwischen Makedonien und Korinth gestaltet. Die Versammlungen von Christusgläubigen in Makedonien waren also wohl nicht in tiefster Armut,⁷⁹ wenngleich ebenso gilt: Sie waren ärmer als jene von Korinth. Umso lobenswerter ist ihr Beitrag und umso größer muss jener der Korinther ausfallen.⁸⁰ 3.4 Philippi Schon der Bericht über die Entstehung der Gemeinde in Philippi hinterlässt den Eindruck, dass es sich wenigstens bei Lydia und ihrem Haushalt um einen ökonomisch besser gestellten Kern der dortigen Ekklesia handelte (Apg 16,13 – 15.25 – 34).⁸¹ Die Purpurhändlerin Lydia gehörte sehr wahrscheinlich zur gehobenen Mittelschicht,⁸² der namenlose Gefängnisaufseher hatte einen städtischen Beruf mit gesichertem Einkommen. Vor allem die Paulusbriefe sind ein deutlicher Hinweis auf eine gesicherte wirtschaftliche Situation der philippischen Gemeinde: Paulus empfing mehrfach finanzielle Unterstützung von den Philippern, zweimal während eines Aufenthalts in Thessalonich (Phil 4,16) und dann auch am Ort der Abfassung des Philipperbriefes (4,10 – 20). „Andere Gemeinden habe ich beraubt“, schreibt er in 2 Kor 8,8, und meint möglicherweise eine weitere Versorgungsleistung der Philipper, die ihn in Korinth erreichte (2 Kor 8,9). Während sich Paulus als bedürftig und hungernd stilisiert (Phil 4,12), bezeichnet er die Gabe der Philipper, mit der sie seine Evangeliumsverkündigung erwidern, übertreibend als „Überfluss“ (Phil 4,18).⁸³ Dazu kommt, dass der Philipperbrief Reisen zwischen Philippi und dem  Vgl. Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 257: „Another instance of Paul constructing an economic location of ES7“.  Thomas Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther. 2Kor 7,5 – 13,13, EKK VIII/2 (NeukirchenVluyn: Neukirchener Theologie, 2015), 46 f.  Vgl. Jean-Pierre Sterck-Degueldre, Eine Frau namens Lydia. Zu Geschichte und Komposition in Apostelgeschichte 16,11 – 15.40, WUNT 2/176 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2004), 235 – 243; Eva Ebel, Lydia und Berenike. Zwei selbständige Frauen bei Lukas, BG 20 (Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 22012), 21– 76.  Vgl. u. a. Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 251.  Nach der Deutung von Julien M. Ogereau, Paul’s Koinonia with the Philippians. A Socio-Historical Investigation of a Pauline Economic Partnership, WUNT 2/377 (Tü bingen: Mohr Siebeck, 2014) handelt es sich bei dem Verhältnis zwischen Paulus und den Philippern um eine dauerhafte Partnerschaft, in der Paulus die Verkündigung des Evangeliums betrieb und von den Philippern dabei unterstützt wurde. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 273 Abfassungsort erkennen lässt, die durch die Gemeinde bzw. vermögende Mitglieder finanziert worden sein müssen, wenn nicht Epaphras selbst die Reisekosten aufbrachte.⁸⁴ Entgegen der Aussage in 2 Kor 8,2 f. lässt sich zumindest für Philippi eindeutig festmachen, dass diese Gemeinschaft keinesfalls arm im Sinne von mittellos war. Dazu passt, dass der Philipperbrief keinen Hinweis darauf enthält, dass es in der Gemeinde Menschen gab, deren wirtschaftliche Existenz nachhaltig gefährdet war und die auf Unterstützung durch Mitglieder der Gemeinschaft angewiesen waren. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass sie zur Mittelschicht der Stadt gehörten. 3.5 Ephesus Die Informationen zur paulinischen Tätigkeit in Ephesus sind ausgesprochen dünn. Die Anmietung eines Lehrsaals (Apg 19,9) weist auf gewisse finanzielle Mittel der Gemeinschaft um Paulus hin.⁸⁵ Ob sich Ephesus an der Kollekte beteiligte, wird aus den Paulusbriefen nicht deutlich, ist aber aufgrund der Anwesenheit des Ephesers Trophimus bei der Kollektenreise durchaus wahrscheinlich (Apg 20,4). Die einzige Passage der Apostelgeschichte, in der Paulus als Wohltäter erscheint, findet sich in der Abschiedsrede an die Ältesten von Ephesus (Apg 20,33 – 35): Paulus habe die Bedürfnisse (χρείαι) seiner Mitarbeiter mittels seiner handwerklichen Tätigkeit erfüllt und damit gezeigt, dass man sich der Schwachen annehmen müsse (δεῖ ἀντιλαμβάνεσθαι τῶν ἀσθενούντων).⁸⁶ Die deutlich lukanische Prägung der Rede sollte uns aber von einer Rückprojektion dieser Aussagen in das Wirken des ‚historischen‘ Paulus abhalten.⁸⁷  Die Mahnung in Röm 12,13, sich der Nöte der Heiligen anzunehmen und Gastfreundschaft zu gewähren, bekommt vor dem Hintergrund der paulinischen Reisepläne eine ökonomische Dimension, obwohl die Nöte wahrscheinlich darüber hinausgehen. Last, Pauline Church (s. Anm. 53), 135 f., bietet Parallelen für den Ersatz von Reisekosten in Vereinszeugnissen.  Zu Priska und Aquila und ihrer Hausgemeinde s.u.  Andreas Lindemann, „Paulus und die Rede in Milet (Apg 20,17– 38),“ in Reception of Paulinism in Acts, Hg. D. Marguerat, BEThL 229 (Leuven: Peeters, 2009), 175 – 205, hier: 198, verweist auf Bezüge zu 1 Kor 4,12, und bezeichnet die Ausführungen als „typischen idealisierten Topos in nachpaulinischer Zeit.“  Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 152, versteht die Rede als Porträt des Paulus, das mit den Angaben der Briefe und nachpln. Traditionen vollkommen übereinstimmt; vgl. dagegen Lindemann, „Paulus“ (s. Anm. 86), 203; Manfred Lang, Die Kunst des christlichen Lebens. Rezeptionsästhetische Studien zum lukanischen Paulusbild, ABG 29 (Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2008), 328 – 335. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 274 Markus Öhler 3.6 Korinth Die Gemeinde von Korinth ist jene, zu deren ökonomischer Situation wir die meisten Nachrichten aus der paulinischen Korrespondenz haben. Sie steht daher seit jeher im Fokus entsprechender Erörterungen. Im Folgenden werden zunächst einzelne Texte auf ihre ökonomische Dimension hin betrachtet, bevor wir uns der Kollekte noch einmal ausführlicher zuwenden und schließlich auf einzelne Personen aus der korinthischen Gemeinde eingehen. 3.6.1 Einzelne Abschnitte aus den Korintherbriefen Ein für die Argumentation im Blick auf die Versorgung von Bedürftigen in der Gemeinschaft zentrale Passage findet sich in den Ausführungen zu den von Paulus kritisierten Vorkommnissen beim Herrenmahl (1 Kor 11,21– 22b):⁸⁸ „Denn jeder nimmt sein eigenes Mahl (vorweg)⁸⁹ beim Essen, und der eine hungert, der andere ist betrunken. Habt ihr denn etwa nicht Häuser um zu essen und zu trinken? Oder verachtet ihr die Versammlung Gottes und beschämt die, die nicht haben?“⁹⁰ Bruce Longenecker geht in seiner Monographie, die zum Ziel hat, die Versorgung Bedürftiger als wichtiges Element der Evangeliumsverkündigung sowie der Praxis der Gemeinden darzustellen, auf 1 Kor 11,22 leider nur sehr knapp ein: „I interpret τοὺς μὴ ἔχοντας in 1Cor 11:22 in absolute terms as ‘those who have nothing‘.“⁹¹ Nun sind allerdings im Zusammenhang der pln. Erörterungen der Mahlkontext  Einen knappen Überblick zur sozialgeschichtlichen Deutung dieses Abschnittes bietet jetzt Paul Duff, „Alone Together. Celebrating the Lord’s Supper in Corinth (1Cor 11:17– 34),“ in The Eucharist. Its Orgins and Contexts, Hg. D. Hellholm und D. Sänger, WUNT 376 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2017), 555 – 578, hier: 557– 563.  Die Diskussion, ob προλαμβάνειν hier „vorwegnehmen“ oder „einnehmen“ meint, muss hier übergangen werden; vgl. dazu etwa Matthias Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern, TANZ 13 (Tübingen: Francke Verlag, 1996), 281– 291; Dieter Zeller, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2010), 367; Duff, „Alone“ (s. Anm. 88), 565 f.  1 Kor 11,21– 22b: ἕκαστος γὰρ τὸ ἴδιον δεῖπνον προλαμβάνει ἐν τῷ φαγεῖν, καὶ ὃς μὲν πεινᾷ ὃς δὲ μεθύει. μὴ γὰρ οἰκίας οὐκ ἔχετε εἰς τὸ ἐσθίειν καὶ πίνειν; ἢ τῆς ἐκκλησίας τοῦ θεοῦ καταφρονεῖτε, καὶ καταισχύνετε τοὺς μὴ ἔχοντας.  Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 232 (Anm. 41); vgl. schon Gerd Theißen, „Soziale Schichtung in der korinthischen Gemeinde,“ in Studien zur Soziologie des Urchristentums, Hg. Ders.,WUNT 19 (Tübingen: J.C.B. Mohr, 1989), 231– 271, hier: 257; Meeks, Urchristentum (s. Anm. 2), 146; Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 349. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 275 und die zugespitzte Gestalt zu berücksichtigen. So ist deutlich, dass es Paulus um eine Polarisierung von Hunger oder Trunkenheit geht, nicht um grundsätzliche Aussagen über Reiche und Arme.⁹² Paulus rückt Extreme in den Blick. Der genannte Hunger betrifft auch nur das Gemeinschaftsmahl, nicht die grundsätzliche wirtschaftliche Situation einzelner Mitglieder. Es sind ja auch die Betrunkenen nicht immer betrunken, sondern nur beim Bankett in der Ekklesia. Das schließt auch die ein, die wörtlich „nicht haben“⁹³: Sie haben nur beim Gemeinschaftsmahl nichts, und das liegt nicht daran, dass sie grundsätzlich nichts haben, sondern dass ihnen nur noch wenig übriggelassen wird.⁹⁴ Aber bringt denn nicht jeder etwas mit beim Mahl, sodass „die, die nicht haben“ doch völlig mittellos waren, weil sie selbst nichts zur Verfügung stellen konnten? Das würde freilich voraussetzen, dass die Gemeinschaftsmähler nach einem Eranos-Prinzip funktionierten, das sich allerdings in den ntl. Texten nicht nachweisen lässt.⁹⁵ Viel eher ist doch anzunehmen, dass wie in allen anderen religiösen Gemeinschaften der frühen Kaiserzeit die Bankette aus einer gemeinsamen Kasse bzw. durch die Unterstützung einiger weniger Wohltäter und Funktionäre finanziert wurden. Schließlich ist auch die Formulierung des Paulus, wonach „die, die nicht haben“, beschämt werden, m. E. so zu interpretieren, dass die Satten und Be-  Andreas Lindemann, Der erste Korintherbrief, HNT 9/I (Tübingen: Mohr Siebeck, 2000), 251 f. verweist zu Recht darauf, dass Paulus Individuen und deren Verhalten im Blick hat, nicht Gruppen; ähnlich auch Duff, „Alone“ (s. Anm. 88), 565.  Das Objekt muss hier ergänzt werden, was zu den verschiedensten Deutungen entscheidend beiträgt. Relativ neutral übersetzt Zeller, 1Kor (s. Anm. 89), 364: „die (so etwas) nicht haben“, noch besser Lindemann, 1Kor (s. Anm. 92), 247: „die Nicht-Habenden“. Die Absolutsetzung von μή im Sinne von μηδέν beruht darauf, dass 2 Kor 6,10 in den Text eingetragen wird, wo sich Paulus selbst als einer, der nichts hat und arm ist (πρωχός), bezeichnet. Paulus hätte also, wenn er tatsächlich „nichts“ gemeint hätte, μηδέν geschrieben.  Vgl. zuletzt auch wieder Last, Pauline Church (s. Anm. 53), 205: „‘Those with nothing’ (οἱ μὴ ἔχοντες) were members who had nothing at the Corinthian Christ group’s recent banquet rather than those who had nothing to their name in their whole life.“ So auch schon Meggitt, Paul (s. Anm. 28), 120. David J. Downs, „Is God Paul’s Patron? The Economy of Patronage in Pauline Theology,“ in Engaging Economics. New Testament Scenarios and Early Christian Reception (Patron), Hg. B.W. Longenecker und K.D. Liebengood (Grand Rapids, MI, Cambridge: Eerdmans, 2009), 129 – 156, verweist darauf, dass die von Paulus kritisierte Praxis auf die Behandlung von Klienten durch ihre Patrone zurückgeht (151).  Der Ansatz geht zurück auf Peter Lampe, „Das korinthische Herrenmahl im Schnittpunkt hellenistisch-römischer Mahlpraxis und paulinischer Theologia Crucis (1Kor 11,17– 34),“ ZNW 82 (1991): 183 – 213, hier: 192– 198, und wird u. a. vorausgesetzt bei Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 349; Duff, „Alone“ (s. Anm. 88), 562. Vgl. dagegen die kritischen Bemerkungen bei Kloppenborg, „Epigraphy“ (s. Anm. 45), 152 f., der dies angesichts fehlender Parallelen in der griech.-röm. Antike für wenig wahrscheinlich hält. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 276 Markus Öhler trunkenen den Zu-Spät-Gekommenen (vgl. 1 Kor 11,33) die Schuld dafür geben, dass sie „hungrig“ bleiben. Es geht nicht um einen generellen Spott über deren wirtschaftliche Situation und es ist auch nicht zulässig, die Gründe für das ZuSpät-Kommen allein in der sozialen Situation zu vermuten.⁹⁶ Zwar wird es für Sklaven bzw. Sklavinnen und Frauen nicht immer einfach gewesen sein, rechtzeitig am Abend wegzugehen, das kann aber auch völlig andere Gründe gehabt haben. Umgekehrt ist anzunehmen, dass die völlig Mittellosen, die nicht einmal Arbeit hatten, davon ja nicht betroffen gewesen wären. So schließt Paulus diese Erörterung ja auch allgemeingültig ab: „Wenn jemand Hunger hat, soll er zu Hause essen.“ (1 Kor 11,34). Das ist nicht nur auf wenige „Reiche“ hin gesprochen, sondern auf alle, die das Gemeinschaftsmahl nur dazu verwenden wollten, ohne Rücksicht auf andere zu feiern.⁹⁷ Paulus deutet nicht an, dass das immer dieselben Personen waren, noch, dass dahinter sozial-ökonomische Spannungen lagen. Neben 1 Kor 11,17– 34 könnten sich auch weitere Passagen der Korintherbriefe auf die ökonomische Situation der Christusgläubigen beziehen: – 1 Kor 1,26 – „nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Wohlgeborene“ – gibt Auskunft darüber, dass die Zahl der Angehörigen der Eliten gering war. Am Beispiel des Erastus werden wir das noch zu klären haben (s.u.). 1 Kor 1,28 – „das Niedriggeborene, das Verachtete hat Gott erwählt“ – rückt die Nicht-Eliten in den Blick, wobei die absolute Formulierung den Gegensatz von Gottes Heilshandeln und dem sozialen Stand der Korinther betont. Eine ökonomische Auswertung ist nur sehr begrenzt sinnvoll, da die Gegenüberstellung von Elite und Nicht-Elite wenig über die wirtschaftlichen Verhältnisse aussagt.⁹⁸ Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass einige der Mitglieder der korinthischen Gemeinde vermögend waren, damit erhöht. Ob unter den Nicht-Eliten Personen unterhalb des Existenzminimums waren, ist damit nicht gesagt. – 1 Kor 6,1– 8: Rechtsstreitigkeiten zwischen Gemeindegliedern verweisen darauf, dass es offenbar kein Problem damit gab, sich einen Prozess leisten zu können.⁹⁹ Auch die Formulierung, wonach einer den anderen durch die Prozesse beraube (ἀποστερεῖν 6,7 f.; vgl. Lev 19,13), lässt darauf schließen,  So allerdings etwa Wolfgang Schrage, Der erste Brief an die Korinther. 1Kor 11,17 – 14,40, EKK VII/2 (Zürich [u. a.]: Benziger [u. a.], 1999), 24.  Das ist im Übrigen auch ein Problem, mit dem zahlreiche Vereinigungen zu kämpfen hatten: vgl. dazu u. a. Last, Pauline Church (s. Anm. 53), 206 – 208.  Anders Welborn, „Polis“ (s. Anm. 27), 227, der bedauerlicherweise soziale und ökonomische Aussagen gleichsetzt.  So etwa auch Theißen, „Schichtung“ (s. Anm. 91), 258. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite – – – – 277 dass es um finanzielle Entschädigungen ginge. Die Situation könnte daher ähnlich jener in Thessalonich sein (s.o.).¹⁰⁰ 1 Kor 6,9b–10: Der Lasterkatalog erwähnt Habsüchtige, Diebe und Räuber. Unbarmherzigkeit, mangelnde Hilfsbereitschaft usw. werden nicht erwähnt, allerdings handelt es sich in der Liste auch um Handlungsvergehen, nicht um „Unterlassungssünden“.¹⁰¹ 1 Kor 6,16 – 18; vgl. 1 Kor 10,8: Handelt es sich bei der „Unzucht“, die hier jeweils genannt wird, um eine Metapher für die Verehrung paganer Gottheiten? Falls wenigstens 1 Kor 6,18 auch den realen Umgang mit Prostituierten im Blick hat, was wahrscheinlich ist, wären hier auch ökonomische Überlegungen am Platz.¹⁰² 1 Kor 7,21 f.: Die Erwähnung von Sklaven ist an sich keine Aussage über den ökonomischen Status der betreffenden Personen. Zum einen waren Sklaven nicht automatisch verarmt, vielmehr konnten auch sie (wenn auch selten) bis in hohe Einkommens- und Einflusssphären kommen (s.o.). Zum anderen partizipierten Sklaven und Sklavinnen an den Einkommensverhältnissen ihrer Besitzer, da sie als schützenswertes Eigentum auch entsprechend versorgt werden sollten. Schließlich lässt sich aus der paulinischen Formulierung erkennen, dass der Apostel an Sklaven und Sklavinnen denkt, die sich durch Ansparen kleiner Beträge selbst die Möglichkeit geschaffen hatten, sich frei zu kaufen.¹⁰³ Sie konnten sich daher auch an der Kollektensammlung beteiligen. 1 Kor 8; 10,25 – 31: Die Ausführungen zum Götzenopferfleisch bzw. zum Einkauf im Makellon setzten gewisse ökonomische Möglichkeiten voraus.¹⁰⁴ Bei Einladungen oder bei Banketten in Tempeln (im Rahmen von Vereinigungen) dabei zu sein, schließt ein, dass die Christusgläubigen in Korinth eine gute  Wenig ergibt sich über die ökonomische Situation aus der paulinischen Nennung des Kaufens bzw. der Nutzung der Welt (1 Kor 7,30 f.).  Unbarmherzige (ἀνελεημόναι) werden übrigens in Röm 1,31 genannt.  Vgl. zu Kosten für Prostitution u. a. Philodem v. Gadara, Anthol. Pal. 5,126; Lukian, Hetärendialoge. Die Preise schwanken zwischen wenigen Drachmen und sehr großen Summen.  An Freikauf durch die Gemeinde, wie es für das beginnende 2. Jhd. belegt ist (vgl. 1 Clem 55,2), ist hier nicht zu denken, da die Formulierung auf individuelle Überlegungen verweist, nicht auf Aktionen der Gemeinde. Eine Interpretation, wonach Sklaven und Sklavinnen das Angebot ihrer Herren ausschlagen sollten, frei gelassen zu werden, ist unrealistisch. M. E. rät Paulus in 1 Kor 7,21, die Möglichkeit der Freiheit zu ergreifen; vgl. James Albert Harrill, The Manumission of Slaves in Early Christianity, HUT 32 (Tübingen: J.C.B. Mohr, 1995), 68 – 128.  Gerd Theißen, „Die Starken und die Schwachen in Korinth,“ in Studien zur Soziologie des Urchristentums, Hg. Ders., WUNT 19 (Tübingen: J.C.B. Mohr, 31989), 272– 289, hier: 277. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 278 – – – Markus Öhler Verankerung in der Umgebungsgesellschaft hatten.¹⁰⁵ Völlig Mittellose wurden zu solchen Feiern mit einiger Gewissheit nicht geladen bzw. konnten sie nicht mitfinanzieren.¹⁰⁶ In seinen Erörterungen zum Götzenopferfleisch bedenkt Paulus allerdings nur religiöse Gründe, keine ökonomischen. Eine Gruppe von Personen, die zu arm waren, um Fleisch kaufen zu können, ist nicht im Blick. 1 Kor 9,3 – 18: Die Ausführungen über das Recht zur Versorgung durch die Gemeinden, das Paulus auch für sich und Barnabas reklamiert, aber nicht in Anspruch nimmt, lässt erkennen: Die Christusgläubigen in Korinth hätten das Potential gehabt, den Lebensunterhalt des Paulus zu finanzieren (vgl. auch 2 Kor 8,9; 12,14– 18). Sie taten es möglicherweise für andere, wie Apollos oder später die Gegner des Paulus. Im Blick auf die zahlreichen Schriftzitate in den Korintherbriefen lässt sich m. E. begründet vermuten, dass zumindest einige Schriftrollen – Tora, Jesaja und Psalmen – in der Gemeinde vorhanden waren.¹⁰⁷ Dies setzt nicht nur einiges ökonomisches Potential voraus, sondern auch eine gemeinsame Kasse, aus der dies finanziert wurde, bzw. entsprechende Sponsoren.¹⁰⁸ Erwägungen, wonach der ehemalige Archisynagogos Krispus diese eingebracht hätte, würden wenigstens ihn selbst einer höheren Einkommensgruppe zuordnen. 1 Kor 12: Unter den Funktionen innerhalb der korinthischen Gemeinde, die Paulus anführt, ist keine, die eine soziale Dimension erkennen ließe. Das hap.leg. ἀντίλημψις (1 Kor 12,28) meint sehr allgemein Hilfestellung und hat keinen spezifisch sozialen Hintergrund, wenngleich dies selbstverständlich  Vgl. John M.G. Barclay, „Thessalonica and Corinth. Social Contrasts in Pauline Christianity,“ JSNT 47 (1992): 49 – 74, hier: 57– 60.  Fleisch vom Markt war nicht billig: Nach dem Preisedikt des Diocletian war der Preis von Schweine- oder Lammfleisch mit höchstens 12 HS für eine Libra (327,45 Gramm) festgesetzt, für Rindfleisch mit 8 HS. Auch wenn es sich hier um Höchstpreise aus dem Jahr 301 n.Chr. handelt und zudem lokale Unterschiede veranschlagt werden müssen, ist damit zu rechnen, dass sich Menschen aus den unteren Einkommensschichten Fleisch kaum leisten konnten.  Zur Schriftverwendung in den Korintherbriefen und dessen historischem Hintergrund vgl. Florian Wilk, „Bezüge auf „die Schriften“, in den Korintherbriefen,“ in Paulinische Schriftrezeption. Grundlagen – Ausprägungen – Wirkungen – Wertungen, Hg. F.Wilk und M. Öhler, FRLANT 268 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2017), 149 – 173.  Vgl. dazu Brian J. Abasciano, „Diamonds in the Rough: A Reply to Christopher Stanley Concerning the Reader Competency of Paul’s Original Audiences,“ NT 49/2 (2007): 153– 183, hier: 156 – 161. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite – – – 279 nicht auszuschließen ist.¹⁰⁹ Allerdings ist damit nicht gesagt, dass an die Unterstützung für Menschen unterhalb des Existenzminimums gedacht wäre, da gegenseitige Hilfestellungen auch unter ökonomisch Gleichgestellten Inbegriff des sozialen Zusammenhalts waren.¹¹⁰ 1 Kor 13,3: „Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe“ übersetzte Luther κἂν ψωμίσω πάντα τὰ ὑπάρχοντά μου, obwohl von Armen gar keine Rede ist.¹¹¹ Im Zusammenhang der Erörterungen des 1. Korintherbriefs, die sich mit den Abläufen in der Gemeinde beschäftigen, ist darin eher eine Anspielung auf die Kultfeiern zu erkennen, sodass zu paraphrasieren ist: „Wenn ich meinen gesamten Besitz verfüttern würde, und wenn ich meinen Leib gäbe, damit ich gerühmt werde,¹¹² und täte es nicht aus Liebe, würde es zu nichts nütze sein.“¹¹³ Damit wird neben dem Reden in Engelszungen (1 Kor 13,1), der Prophetie und der Erkenntnis (1 Kor 13,2) mit dem Gemeinschaftsmahl ein weiterer wichtiger Aspekt der Feier genannt und festgehalten, dass auch die völlige Gabe des gesamten Besitzes nicht gelten würde, wenn sie nicht aus der Agape, sondern aus dem Streben nach Ehre kommen würde. Die folgende Beschreibung der Agape nennt dementsprechend keinerlei Elemente, die an Armenfürsorge oder sozialen Ausgleich erinnern. 1 Kor 15: Die Warnung, sich nicht auf den Genuss von Essen und Trinken zu beschränken (vv.32b–34; vgl. Jes 22,13), sondern nüchtern zu sein, lässt sich auch als Warnung vor Luxusgenuss verstehen. Immerhin ist es Paulus wert, die Adressaten und Adressatinnen davor zu warnen, woraus sich möglicherweise ergibt, dass dies eine reale Gefahr darstellte. 1 Kor 16,10 f.: Die Empfehlung des Timotheus ist – unausgesprochen – die Bitte, ihn als Gast aufzunehmen; dasselbe lässt sich über Titus sagen (2 Kor 7,14; 8,6.14). Beides ist Hinweis darauf, dass die Möglichkeit bestand, Gastfreundschaft zu gewähren.  Vgl. Apg 20,35. Die Bedeutung „Hilfe“ findet sich u. a. in Sir 11,12; 51,7, dort in der Tat verbunden mit πτωχεία (Sir 11,12; 13,22).  Zahlreiche Vereinigungen vergaben Kredite an Vereinsmitglieder; vgl. z. B. SEG 31,122 (= GRA I 50; Liopesi, um 100 n.Chr.); PGrenf I 31 (Pathyris, 101/100 v.Chr.) Plinius, epist. X 93; vgl. dazu auch Harland, „Associations“ (s. Anm. 45), 26 – 31.  Auch die neueste Version der Lutherübersetzung hat diese Formulierung unkommentiert beibehalten. Der einzige weitere Beleg bei Paulus für ψωμίζω in Röm 12,20 findet sich in einem Zitat aus Prov 25,21.  Zu den beiden Varianten καυθήσομαι bzw. καυχήσομαι vgl. den Exkurs bei Lindemann, 1Kor (s. Anm. 92), 285 f.  Eine Verbindung zu Mt 19,21 („Verkauf deinen Besitz und gib ihn den Armen!“) hält auch Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 137, zu Recht für unplausibel. Er sieht in 1 Kor 13,3 eine Polemik gegen antike Wohltäterschaft (Longenecker, Remember [s. Anm. 3], 95 [Anm. 102].) Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 280 – – Markus Öhler 1 Kor 16,15.17: Der Dienst der Haushaltsangehörigen des Stephanas ist unbestimmt und keinesfalls auf Fürsorge o. ä. zu interpretieren.¹¹⁴ Dass Stephanas sowie Fortunatus und Achaikus zu Paulus nach Ephesus reisen konnten, ist aber zumindest Ausweis ihrer finanziellen Möglichkeiten.¹¹⁵ Dasselbe gilt auch für die „Leute der Chloe“ (1 Kor 1,11). 2 Kor 2,17 (vgl. 11,13): Es mag sich um eine polemische Unterstellung handeln, aber die Formulierung, wonach es Leute gäbe, die mit dem Wort Gottes Geschäfte machen (καπελεύοντες), birgt zumindest die Möglichkeit in sich, dass bei den Korinthern etwas zu holen war. Der Überblick über Zeugnisse zur ökonomischen Lage der Mitglieder der Gemeinde von Korinth macht wahrscheinlich, dass zu ihr keine Personen gehörten, die unter dem Existenzminimum lebten und von der Versorgung durch vermögende Gemeindeglieder abhängig waren. Zwar lassen sich Hinweise auf gegenseitige Unterstützung finden, diese berechtigen aber nicht dazu, die Versorgung von Armen in- und außerhalb der Gemeinde als spezifische christliche Grundhaltung anzusehen. Im Gegenteil: Paulus betont selbst, dass er im Vergleich zu den Adressaten seiner Briefe an die Korinther der Arme und Bedürftige war.¹¹⁶ Dieser Befund lässt sich durch die paulinischen Ausführungen zur Kollekte für Jerusalem noch ergänzen. 3.6.2 Die Kollekte Sowohl die Anweisungen in 1 Kor 16 wie die zahlreichen Bemerkungen dazu im 2. Korintherbrief (1,16; 8 f.) und im Römerbrief (15,25 – 28) sind Hinweise darauf, dass Paulus fest davon ausging, dass sich die Gemeinde von Korinth mit einer substantiellen Gabe an der Kollekte beteiligte.¹¹⁷ Auch die Funktion des Titus war  Vgl. Anni Hentschel, Diakonia im Neuen Testament. Studien zur Semantik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Frauen, WUNT 2/226 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2007), 163 – 167, die den konkreten Dienst in der Finanzierung der Reisekosten für Stephanas, Achaikus und Fortunatus sieht.  Nach Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 245, gehörte Stephanas zumindest zu ES 5 (stabil an der Grenze des Existenzminimums).  Vgl. Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 254. Dabei ist wichtig, dass Paulus dies als Selbsterniedrigung versteht, sich also eigentlich – wohl von seiner Herkunft und seinem sozialen Status her – für etwas Besseres hält (vgl. 2 Kor 11,7).  Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 351 interpretiert die Ausführungen völlig anders: Die Kollekte war eine zusätzliche finanzielle Belastung für ohnehin arme Leute, das Ergebnis dementspre- Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 281 darauf ausgerichtet, die Geldspenden einzumahnen (2 Kor 8,6.17 f; vgl. 9,3). Die Größe der Sammlung lässt sich m. E. daran erkennen, dass die Begleitgruppe (2 Kor 8,23) ziemlich groß war, laut Apg 20,4 sieben Männer, doch fehlen in dieser Liste Personen aus Philippi, Thessalonich und Korinth völlig. Mit seinen (2 Kor 9) Anweisungen, wie das Geld gesammelt werden sollte (1 Kor 16,1 f.), wollte Paulus ebenfalls sicherstellen, dass der Betrag, den er den Jerusalemern übergeben wollte, dementsprechend groß war und den nötigen Effekt hatte.¹¹⁸ Wichtig scheint mir in dem Zusammenhang auch, dass Paulus nicht darauf eingeht, dass es in den Gemeinden, auch nicht in Korinth, Arme gab, die die Gaben doch genauso brauchen würden. Dieser Einspruch hätte ja durchaus nahe gelegen, doch Paulus muss lediglich begründen, dass die Sammlung an eine andere Gemeinde geht. Das ist m. E. als Hinweis darauf zu lesen, dass die finanziellen Mittel der Gemeinden nicht gesammelt wurden, um eigene Notleidende zu unterstützen. Auch 2 Kor 9,13 spricht nicht gegen diese Ansicht: Paulus formuliert dort erstens, dass die Jerusalemer Gott wegen des Dienstes, den die Korinther ihnen durch die Kollekte leisten, loben werden (διὰ τῆς δοκιμῆς τῆς διακονίας ταύτης δοξάζοντες τὸν θεὸν).¹¹⁹ Zweitens verweist Paulus darauf, dass die Korinther damit ihren Gehorsam des Bekenntnisses zum Evangelium demonstrieren (ἐπὶ τῇ ὑποταγῇ τῆς ὁμολογίας ὑμῶν εἰς τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ). Und drittens rückt Paulus die Einstellung der Korinther in den Vordergrund: καὶ ἁπλότητι τῆς κοινωνίας εἰς αὐτοὺς καὶ εἰς πάντας. Mit ἁπλότης könnte auch hier erneut die Freigebigkeit gemeint sein (vgl. 2 Kor 8,2; 9,11), sodass damit ausgedrückt würde, dass die Korinther nicht nur gegenüber den Jerusalemern, sondern weit darüber hinaus (εἰς πάντας) freigebig waren.¹²⁰ Allerdings rückt die Zusammenstellung von ἁπλότης mit ὑποταγή in 9,13 den Begriff mehr in die Richtung einer inneren Einstellung, die als „Schlichtheit“ oder „Einfalt“ zu übersetzen wäre (2 Kor 1,12; Röm 12,8).¹²¹ Auch meint εἰς πάντας nicht alle Menschen, sondern alle Mitchristen. Paulus will zum Ausdruck bringen, dass die durch die Kollekte demonstrierte Gemeinschaft der Korinther mit den Jerusalemern exemplarisch dafür steht, dass chend gering. 2 Kor 8,2 wird von ihm trotz Beachtung des rhetorischen Charakters als „accurate portraits of financial means“ eingeschätzt.  Vgl. Kloppenborg, „Aspects“ (s. Anm. 46), 193 – 197.  Kloppenborg, „Aspects“ (s. Anm. 46), 175, erwägt, dass Paulus möglicherweise eine Liste der Spender und Spenderinnen nach Jerusalem mitbrachte, sodass auch sie – ebenso wie der Vermittler Paulus – geehrt würden.  So deutet es u. a. Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 141.  So zuletzt wieder Schmeller, 2Kor II (s. Anm. 80), 101 f. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 282 Markus Öhler alle Christusgläubigen aus den Völkern im Glaubensgehorsam und in der Einfalt mit den Glaubenden in Jerusalem verbunden sind. 3.6.3 Erastus, Gaius, Phoebe und Hausbesitzer Ein weiterer wichtiger Punkt im Blick auf die ökonomische Situation der Gemeinde ist die soziale Stellung von Einzelpersonen, denen im Folgenden allerdings nur eine knappe Erörterung gewidmet werden kann.¹²² – Erastus (Röm 16,23): Alexander Weiß hat zuletzt Argumente dafür vorgebracht, dass Erastus ein Ädil der Polis Korinth war.¹²³ Trifft dies zu, haben wir hier einen Angehörigen aus dem Stand der Decurionen vor uns, also tatsächlich jemanden aus der Elite Korinths und des Römischen Reiches, dessen wirtschaftliche Situation ausgesprochen gut war. Kaum wahrscheinlich ist, dass Erastus nicht zu den Christusgläubigen in Korinth gehörte, da er ihn sonst nicht unter den Grüßenden nennen würde.¹²⁴ – Gaius (Röm 16,23): Falls Gaius tatsächlich als Gastgeber (ξένος) der Ekklesia von Korinth und des Paulus fungierte, könnte dies auf eine bessere ökonomische Situation hinweisen. Vorausgesetzt wird dafür, dass es sich bei ihm um den Besitzer eines Hauses handelte, das groß genug war, um die ganze Gemeinde (ὅλης τῆς ἐκκλησίας) aufzunehmen.¹²⁵ Nun hat allerdings der  Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 352– 358 rückt diesen Aspekt ebenfalls in seiner Untersuchung in den Vordergrund und kommt zu dem Ergebnis, dass nur für wenige Personen überhaupt eine abgesicherte wirtschaftliche Existenz in Frage kommt: Gaius, Chloe (?), Priska und Aquila, Erastus, Phoebe und Philemon.  Alexander Weiß, Soziale Elite und Christentum. Studien zu ordo-Angehörigen unter den frühen Christen, Millenium-Studien 52 (Berlin, Boston: de Gruyter, 2015), 106 – 145; vgl. zur Diskussion in den vergangenen Jahren auch Steven J. Friesen, „The Wrong Erastus. Ideology, Archaeology, and Exegesis,“ in Corinth in Context. Comparative Studies on Religion and Society, Hg. S.J. Friesen, D.N. Schowalter und J.C. Walters (Leiden, Boston: Brill, 2010), 231– 256; John K. Goodrich, „Erastus of Corinth (Romans 16.23). Responding to Recent Proposals on his Rank, Status, and Faith,“ NTS 57/4 (2011): 583 – 593; Timothy A. Brookins, Corinthian Wisdom, Stoic Philosophy, and the Ancient Economy, SNTS.MS 159 (Cambridge: Cambridge University Press, 2014), 109 – 118. Für eine hohe Bedeutung der Funktion eines οἰκονόμος spricht, dass Paulus dies als Identitätsmarker des Erastus nennt, der ihn von anderen Personen signifikant unterscheidet. Die Verbindung des Apostels mit einem Amtsträger der niedrigeren Elite diente zudem dem Interesse der Grußliste, das Ansehen des Paulus bei wichtigen Christusgläubigen zu demonstrieren.  So allerdings Friesen, „Erastus“ (s. Anm. 123), 249 – 255; vgl. hingegen Goodrich, „Erastus“ (s. Anm. 123), 587 f., der zu Recht darauf verweist, dass Paulus selbstverständlich nicht verpflichtet ist, alle Christusgläubigen als solche zu kennzeichnen.  Vgl. z. B. Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 239. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite – – 283 Terminus ξένος viel eher die Bedeutung „Gast“. Darauf hat schon Johannes Chrysostomos hingewiesen,¹²⁶ und zuletzt zeigte Richard Last dies mit zahlreichen papyrologischen Belegen.¹²⁷ Gaius war also nicht Gastgeber, sondern Gast der ganzen Gemeinde von Korinth und des Paulus. Das passt sehr gut dazu, dass laut Apg 20,4 ein Gaius aus Derbe Begleiter des Paulus während der Kollektenreise nach Jerusalem war.¹²⁸ Phöbe (Röm 16,1 f.): Die wirtschaftliche Einordnung von Phöbe, die sich in Kenchreä als Diakonin der Ekklesia und als προστάτις von Paulus und anderen verdient gemacht hatte, hängt u. a. davon ab, wie man προστάτις versteht: War sie „bloß“ Beistand¹²⁹ oder eine Patronin, die auch über gesellschaftliche Stellung und finanzielle Möglichkeiten verfügte?¹³⁰ Wenigstens wirtschaftlich war Phöbe möglicherweise nicht so gut gestellt, meint doch Paulus, um ihre gastfreundliche Aufnahme in Rom bitten zu müssen.¹³¹ Allerdings war Gastfreundschaft auch unter Eliten wichtig. So lässt sich die ökonomische Situation dieser für Paulus offenbar wichtigen Frau nur mit großer Unsicherheit in den Bereich der oberen oder unteren „Mittelschicht“ einordnen. Hausbesitzer: Aquila und Priska stellten in Ephesus (1 Kor 16,19) und Rom (Röm 16,5) und wahrscheinlich auch in Korinth (Apg 18,3) einer Gruppe von Christusgläubigen ihr Haus bzw. ihre Wohnung oder Werkstatt zur Verfügung. Die ökonomische Situation des Paares lässt sich zwar nicht genau bestimmen, allerdings macht ihre zunächst erzwungene bzw. dann auch freiwillige Mobilität wahrscheinlich, dass sie über Mittel verfügten, die ihnen ermöglichten, an den jeweiligen Orten rasch eine neue Existenz aufzubauen. Unterhalb des Existenzminimums war das sicherlich nicht möglich, eher wird  Johannes Chrysostomos, Hom. Rom. 32 (ΜPG 60, 677): τὸν γὰρ ξένον ἐνταῦθα τὸν ξενοδόχον φησίν. Die Deutung des Gajus als Gastgeber findet sich zuerst bei Origenes, Comm. Rom. (zu Röm 16,23), allerdings in lateinischer Übersetzung.  Vgl. Last, Pauline Church (s. Anm. 53), 62– 71; Markus Öhler und Verena Fugger, „Häusliche Religion in Ephesos. Christliche und nicht-christliche Befunde vom 1. bis zum 6. Jahrhundert n.Chr.,“ EC 7 (2016): 313 – 345, hier: 317 f.  Das setzt voraus, dass der in Röm 16,23 genannte Gaius nicht identisch mit jenem aus 1 Kor 1,14 ist.  Vgl. Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 355.  Vgl. etwa Meeks, Urchristentum (s. Anm. 2), 130 f.; Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 241– 244.  Vgl. Friesen, „Poverty“ (s. Anm. 3), 355, der sie auf seiner „poverty scale“ Stufe 5 zuordnet, allerdings ohne Begründung. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 284 Markus Öhler man sie als Handwerker zur ‚Mittelschicht‘ zählen müssen.¹³² Die anderen ‚Hausbesitzer‘ sind bei näherem Hinsehen ökonomisch nicht näher einzuordnen: das Haus des Stephanas (1 Kor 1,16; 16,15) und des Krispus (1 Kor 1,14; vgl. Apg 18,8) sind keine Häuser, sondern Haushalte.Von vier Personen bis zu einem Elitenhaushalt mit mehreren Dutzend, wobei der Großteil Sklaven und Sklavinnen gewesen wären, ist die Bandbreite daher unbestimmbar groß. Ob diese Personen Häuser im eigentlichen Sinn besaßen,¹³³ in denen sich die Gemeinde oder ein Teil davon versammelte, ist nicht zu bestimmen. Es scheint mir deutlich plausibler, dass die Versammlungsorte der Christusgläubigen nicht in erster Linie private Unterkünfte waren, was auch in der Welt der Vereinigungen relativ selten der Fall gewesen zu sein scheint,¹³⁴ sondern gemietete Räume in Tavernen, Säle, die an Tempel angeschlossen waren, Schuppen oder auch Gärten. Wenn wir also oben festgestellt haben, dass die Menschen unterhalb des Existenzminimums nicht Teil der Gemeinde von Korinth waren, ist hier deutlich festzuhalten: Mit der möglichen Ausnahme des Erastus ist die Beleglage für Vermögende ebenfalls schlecht. So bleibt festzuhalten, dass die Christusgläubigen in Korinth ausreichend wirtschaftliche Mittel hatten, um neben Gemeinschaftsaktivitäten und möglicherweise sogar Mitgliedsbeiträgen¹³⁵ auch noch die  So auch Longenecker, Remember (s. Anm. 3), 248 f. P. Oakes bezeichnet das Ehepaar als „craftworking house-church hosts“ (Oakes, Reading Romans [s. Anm. 3], 45) und vergleicht ihre Situation mit jener der Bewohner der Casa del Fabbro in Pompeji (I.10.7; Oakes, Reading Romans [s. Anm. 3], 15 – 33). Diese Anlage hatte ca. 310 m2, sodass der Besitzer bzw. Mieter zur „Mittelschicht“ Pompejis gehörte.  Vgl. zu diesen Überlegungen Jerome Murphy-O’Connor, St. Paul‘s Corinth. Texts and Archaeology (Collegeville: Liturgical Press, 32002); David Horrell, „Domestic Space and Christian Meetings at Corinth. Imagining New Contexts and the Buildings East of the Theatre,“ NTS 50 (2004): 349 – 369; Robert Jewett, „Tenement Churches and Communal Meals in the Early Church. The Implications of a Form-Critical Analysis of 2 Thessalonians 3:10,“ BR 38 (1993): 23 – 43; Bradly S. Billings, „From House Church to Tenement Church. Domestic Space and the Development of Early Urban Christianity: The Example of Ephesus,“ JThS 62 (2011): 541– 569; Edward Adams, The Earliest Christian Meeting Places. Almost Exclusively Houses? LNTS 450 (London: Bloomsbury, 2 2016).  Markus Öhler, „Meeting at Home. Greco-Roman Associations and Pauline Communities,“ in Scribal Practices and Social Structures Among Jesus Adherents. Essays in Honour of John. S. Kloppenborg, Hg. W.E. Arnal, R.S. Ascough, R.A. Derrenbacker und P.A. Harland, BEThL 285 (Leuven: Peeters, 2016), 517– 545.  Das hat Last, Pauline Church (s. Anm. 53), 137– 147, versucht nachzuweisen; anders etwa Ebel, Attraktivität (s. Anm. 52), 217, die das Fehlen von Beitritts- und Mitgliedsgebühren als Element der Attraktivität der paulinischen Gemeinden im Vergleich mit Vereinigungen betont. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 Zwischen Elend und Elite 285 Kollekte für Jerusalem zu finanzieren.¹³⁶ Das macht m. E. sehr wahrscheinlich, dass es sich überwiegend um Personen handelte, die zu jenen Einkommensgruppen gehörten, die gesichert über dem Existenzminimum lebten oder sogar besser gestellt waren, also zur Mittelschicht. 4 Rückblick und Ausblick Zwischen Elend und Elite lag die Mittelschicht und meiner Ansicht nach gehörten auch die Christusgläubigen in den von Paulus mitgeprägten bzw. gegründeten Gemeinden zu dieser etwa 15 – 20 % der Stadtbevölkerung umfassenden ökonomischen Gruppe. Sie hatten gewisse finanzielle Ressourcen für die Gemeinschaftsaktivitäten, für die Förderung der Verkündigung des Evangeliums und für die Sammlung von Unterstützung für die Armen der Jerusalemer Gemeinde.¹³⁷ Diese wirtschaftlich abgesicherte Situation aller Christusgläubigen in den paulinischen Gemeinden erklärt auch, warum die Unterstützung von Armen bzw. Almosentätigkeit in der uns erhaltenen paulinischen Korrespondenz keine Rolle spielt. Die weitere Verbreitung des christlichen Glaubens führte in der Folge zu einem Ansteigen des Anteils vermögender Mitglieder in den Gemeinden (vgl. 1 Tim 2,9; 1 Petr 3,3; Hebr 10,34), zugleich wurden nun aber auch Bedürftige bewusst in den Blick genommen. Aus den mehrfachen Mahnungen, freigebig zu sein (1 Tim 6,18; vgl. Mt 6,2– 4; Lk 12,33), lässt sich erkennen, dass sich die soziale Schichtung so weit verändert hatte, dass sich nun auch jene, die unterhalb des Existenzminimums lebten, den christlichen Gemeinden anschlossen.¹³⁸ Das nicht unrealistische Beispiel in Jak 2,1– 3 zeigt, welche Probleme damit verbunden waren: Vermögende waren in den Gemeinden angesehen, da sie Sozialprestige und ökonomische Unterstützung für die Gemeinschaft einbrachten, Arme hingegen standen am Rand, da sie nichts beitragen konnten. Aber nur wer tatsächlich helfend eingreift, so Jak 2,15 – 17, könne von sich behaupten, wirklich zu glauben. Dementsprechend finden sich in jenen Texten, die auf die zweite und dritte Ge-  Last, Pauline Church (s. Anm. 53), 137, führt eine Liste von – teilweise spekulativen – Ausgaben der korinthischen Ekklesia an.  Die Armut von Teilen der Jerusalemer Gemeindeglieder liegt wahrscheinlich darin begründet, dass jene, die sich aus einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz heraus der Nachfolgebewegung Jesu angeschlossen und alles verlassen hatten, in Jerusalem keine Arbeitsmöglichkeiten, Betriebsmittel oder familiären Netzwerke hatten.  Für den 1. Petrusbrief vgl. dazu David G. Horrell, Becoming Christian. Essays on 1 Peter and the Making of Christian Identity, LNTS 394 (London [u. a.]: Bloomsbury, 2015), 130 f. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34 286 Markus Öhler neration zurückgehen, zahlreiche Mahnungen an vermögende Mitglieder (vgl. 1 Tim 6,3 – 19).¹³⁹ Diese werden mitunter auch scharfer Kritik unterzogen (z. B. Jak 4,13 – 5,6).¹⁴⁰ Neben dem Jakobusbrief findet sich dieses Anliegen verstärkt im lukanischen Doppelwerk, aus dem etwa die deuteropaulinische Maxime „Geben ist seliger als Nehmen“ stammt (Apg 20,35) und in dem sich die Erzählung vom Reichen und Lazarus findet (Lk 16,19 – 31). Die Endzeitrede im Matthäusevangelium rückt die Werke der Barmherzigkeit in den Vordergrund, durch die elementare Nöte behoben werden sollen (Mt 25,31– 46). Die aus demselben Kontext stammende Didache verwirft Unbarmherzigkeit gegenüber den Armen (Did 5,2) und weist an, aus den Spenden Arme zu versorgen (Did 13,4).¹⁴¹ In 1 Tim 5,3 – 16 widmet sich der Verfasser einer Gruppe, deren ökonomische Situation besonders gefährdet sein konnte: Ältere Witwen, die nicht für sich selbst sorgen können, sollen in eine Liste eingetragen werden, um durch die Gemeinde versorgt zu werden (vgl. auch Apg 6,1). Dies alles zeigt, dass anders als in den Anfängen das Christentum der zweiten und dritten Generation nun auch Gruppen umfasste, die auf ökonomische Unterstützung angewiesen waren. Was bei Paulus mit der Kollekte begonnen hatte, hatte sich im 2. Jahrhundert, wohl im Anschluss an das jüdische Erbe und die Jesustradition, zu einem allgemeinen Spezifikum des Christentums entwickelt.  Vgl. Reggie M. Kidd, Wealth and Beneficence in the Pastoral Epistles. A „Bourgeois“ Form of Early Christianity?, SBL.DS 122 (Atlanta, Ga.: Scholars Press, 1990), 195 – 197, der die Adressaten der Pastoralbriefe als „middle class“ versteht, denen der Verfasser die Fürsorge für die Armen vor Augen führt; vgl. auch Peter Dschulnigg, „Warnung vor Reichtum und Ermahnung der Reichen. 1Tim 6,6 – 10.17– 19 im Rahmen des Schlußteils 6,3 – 21,“ BZ 37 (1993): 60 – 77.  Matthias Konradt, Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption, StUNT 22 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1998), 123 – 161.  Verantwortlich für die Verwaltung dieses sozialen Ausgleichs waren zumindest in Rom die Diakone (Hermas, sim. 9,26,2). Zur Entwicklung im 2. Jhd. vgl. auch Denise Kimber Buell, „‚Be Not One Who Stretches Out Hands To Receive But Shuts Them When It Comes To Giving‘. Envisioning Christian Charity when Both Donors and Recipients Are Poor,“ in Wealth and Poverty in Early Church and Society, Hg. S.R. Holman, Holy Cross Studies (Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2008), 37– 47. Angemeldet | [email protected] Autorenexemplar Heruntergeladen am | 06.11.18 08:34