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Arts, Research, Innovation and Society

2015

Book Review Arts, research, innovation and society Gerald Bast, Elias G. Carayannis, David F. J. Campbell (Hg.) New York 2015: Springer, 308 Seiten. Stefan Marx Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien, Austria E-Mail: [email protected] Dieser Sammelband, hervorgegangen aus einer Kooperation zwischen Akademikern aus den Bereichen der Kunst und den Sozialwissenschaften, präsentiert ein neues Konzept der wissenschaftlichen Wissensproduktion. ARIS (Arts-Innovation-Research-Society) ist ein Versuch, die Kreativität als Arbeitsweise auf ein sozialwissenschaftliches Fundament zu stellen. Dies basierend auf der Beobachtung, dass Kreativität, besonders in der Kunst, Antrieb für kulturelle, ökonomische, politische, wissenschaftliche und soziale Innovation und Entwicklung (1) sein kann. Daher soll der Kampf gegen das kreative Analphabetentum (5) aufgenommen werden, wie Bast ausführt. Die Wissensgesellschaft macht einen neuen Umgang mit dem wachsenden Wissen notwendig, das Erziehungssystem und das soziale Leben in der Gesellschaft soll infiltriert und mit Kunst durchdrungen werden. Eine Welt voller Unsicherheiten (12) soll dadurch in eine Welt der kreativen Zuversicht verwandelt werden, dass interdisziplinäre an der Zusammenführung von Theorie und Praxis Projekte, Synergien und Interaktionen zu einer Verbesserung der Kommunikation zwischen den Akteuren und zur Auseinandersetzung mit einer breiten Öffentlichkeit anleiten. Dabei erscheinen die Künste als „bulwark against the aggression of the banal in our increasingly meaningless desert of hectic economism“ (27). Deshalb versuchen Carayannis und Campbell nachzuweisen, dass kunstbasierte Innovation mehr ist als nur Effizienzsteigerung im Sinne der Ökonomie. Vielmehr soll ARIS ein Beitrag zur Entwicklung neuer Modelle von wirtschaftlichem Wachstum sein (30). Es geht also doch nicht nur um ein Bollwerk gegen Zwänge, sondern auch um die Suche nach einem Hebel zur Gestaltung der Zwänge und dabei einem Zugang zur Kunst als Manifestation von Wissen (36). Caraynnis, Poescu und Pirzadeh schlagen deshalb einen Zugang vor, der die Massenkultur, die aus der Kommerzialisierung von Information entsteht, dadurch bannen will, dass Information und Bedeutung wieder gleichberechtigt nebeneinander gestellt werden. Diese Informationskultur („the collective programming of the mind“, 56) würde erlernt und sei daher durch Reflexion wieder fruchtbar zu machen. Wie Wang herausarbeitet, zielt dieser Zugang darauf ab, die Entwicklungen des Internets und Big Data für die Sichtbarmachung von Konnexen zwischen Kunst und Wissenschaft wirksam zu machen. Dabei geht es auch darum, die Eigenschaft von Kunst zu nutzen, unmittelbare Erfahrungen bei BetrachterInnen auszulösen und „Wahrheit“ sichtbar zu machen. Dabei entstehen Netze von philosophischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Effekten, die wiederum die „categorical illusions“ hervortreten lassen, die uns am Verständnis der Kunst hindern (79), was wiederum durch Big Data messbar werden könnte (96). Konsequent wird der Künstler von Jochun als Forscher im Kontext einer spezialisierten und komplexen Arbeit an der Informations- und Netzwerksgesellschaft dargestellt (101). Dieser Künstler wird zum Theoretiker seiner Arbeit und der Theoretiker wird als Kritiker wiederum auf die Praxis verwiesen (119). Diese Praxis wird durch Mateus-Berr in einem Beispiel praktischer Anwendung designbasierter Forschung innerhalb von studentischen Projektgruppen dokumentiert, die Kunst und Design als „social fabric“, also als die Verbundstruktur der sozialen, kulturellen September 12, 2016 I innsbruck university press, Innsbruck OZP – Austrian Journal of Political Science I ISSN 2313-5433 I http://oezp.at/ Vol. 45, issue 1 I DOI 10.15203/ozp.1331.vol45iss2I ORCID: 0000-000x-xxxx-xxxx OPEN ACCESS 62 und ökonomischen Komposition der Gesellschaft, nutzt. Design wird so zur Sozialtechnologie und Kreativität zum voraussetzungsvollen Motor der Entwicklung. Das Buch ist ein interessanter und sehr gut graphisch dokumentierter Ausflug in die Welt der interdisziplinären Arbeit zwischen Kunst und Sozialwissenschaft und sicherlich eine gute Anregung, die gewohnten akademischen Arbeitsroutinen einer Revision zu unterziehen. Es gibt allerdings auch ein paar Schwächen, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Joachim und Aiolova setzen das Diktum „Designers never copy“ (137), ohne es nachvollziehbar erklären zu können, denn die Natur ist stets Vorbild für mannigfache Designs gewesen und sehr viele Designs werden direkt von Vorbildern aus der Natur entnommen, von der Geschichte der Kunst gar nicht zu reden. Es scheint, als handle es sich dabei um den Versuch den idealisierten Begriff der Kunst mit einem Gestus zu retten, der den Bahnen seiner Herkunft, der Kunstphilosophie der Deutschen Romantik, rationalistisch zu entkommen vermag. Diese rationalistische Flucht vor dem Triebleben der Kunst und vor der Betonung des subjektiven Gefühls führt zur Gegenstellung: dem Diktum der originären Produktivität. Die Kunst objektiviert sich in dieser Vorstellung durch ihre Nützlichkeit für die Herstellung des designgetriebenen neuen Kreativitätsclusters, das zugleich verspricht, eine Antwort auf das graue Leben der akademischen Wissenschaft zu sein. Und doch bleibt diese begriffliche Unschärfe zwischen Kunst und Kreativität, die alle Aufsätze durchzieht, die sich etwa daran bemerkbar macht, dass der Begriff Kreativität, der am Anfang eingeführt wird, zunehmend in den Begriffen Information und Design aufgeht. Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass sich der Begriff nur schwer mit der Rigidität der wissenschaftlichen Disziplinen, an die er herangetragen wird, verträgt. Das mag auch an der Präsentationsform des Buches sichtbar werden, das die Texte streng an der Form akademischer („peer review“) Wissensproduktion von Abstract, Keywords, ständiger Aufzählung und Nummerierung aller Argumente ausrichtet ohne Konzessionen an den, so empathisch präsentierten, Inhalt zu machen. Vielleicht wird hieran die Paradoxie des Versuchs sichtbar, eine allgemein kommunizierbare, messbare Kraft aus der Kunst abzuleiten, die hilft, der Wissenschaft einen neuen Impuls zu geben, ohne diese noch wirksam verändern zu können. S. Marx: Book Review I OZP Vol. 45, Issue 2