Ausspracheschulung im DaF-Unterricht in Ungarn
Zu den Wechselbeziehungen von L1 und L2 auf der phonetischen Ebene
Veronika Szabó (Pécs/Fünfkirchen)
0.
Einführung
Die Phonetik- und Ausspracheschulung des Deutschen stellt auch heute noch ein
Problem der ungarischen Deutsch-als-Fremdsprache-Didaktik dar. Obwohl es immer mehr
Lehrwerke gibt, die einige phonetische Übungen enthalten, ist die Anzahl dieser Aufgaben
noch immer sehr gering, die Übungen bauen nicht immer aufeinander auf, und die
sprachlichen Interferenzen werden nicht berücksichtigt. In dieser Arbeit wird dafür
argumentiert, dass es wichtig wäre, die Ausspracheschulung auf phonetische Kenntnisse
aufzubauen. Sowohl die Lehrkräfte als auch die Schüler sollten die Artikulationsbasis ihrer
Muttersprache mit der der Fremdsprache vergleichen (Storch 1999).
Nach einer allgemeinen Zusammenfassung zur Ausspracheschulung werden im ersten
Teil dieser Abhandlung das deutsche und das ungarische phonetische System kurz dargestellt.
Im zweiten Teil werden die Ergebnisse einer Attitüdenforschung erläutert. Die Hypothese
dabei war, dass die ungarischen Sprachlernenden die Aussprache nicht wichtig finden und an
ihrem fremdsprachlichen Akzent kleben.
Die Ergebnisse bestätigten die Hypothese: Fast die Hälfte der befragten Jugendlichen
meinten, dass der ungarische Akzent schöner ist als ein akzentfreies Sprechen. Mit bewussten
Übungen und mit einer kontrastiven Betrachtungsweise kann man diese negativen
Einstellungen verändern.
1.
Phonetik und Aussprache in verschiedenen Unterrichtsmethoden
Laut Bárdos (2000) spielte die Ausspracheschulung in der Fremdsprachendidaktik
früher keine wichtige Rolle. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war die GrammatikÜbersetzungsmethode die herrschende Richtung. Sie legte Wert auf die sprachlichen
Strukturen, aber nicht darauf, dass sich die Sprachlerner mit authentischen Texten
beschäftigen. So entwickelte sich das Sprachbewusstsein der Schüler im Bereich der Syntax
und Morphologie, nicht aber im Bereich der Phonetik und Phonologie. Mit der Aussprache
waren sie nur dann konfrontiert, wenn sie ihre Sätze vorlesen mussten.
Die direkte Methode war dann das Gegenteil hierzu, indem sie die Mündlichkeit in den
Mittelpunkt stellte. Im Phonetikunterricht wurde die phonetische Transkription eingeführt.
Die darauf folgende audiolinguale Methode nutzte die sich immer schneller entwickelnde
Technik aus. Die Lernenden konnten sich viele Texte von verschiedenen Sprechern aus
unterschiedlichen Sprachlandschaften anhören, und neben der Entwicklung der Perzeption
wurde auch die Aussprachekompetenz im Auge behalten. Die suprasegmentale Ebene blieb
aber eher an der Peripherie, und die Übungen waren vor allem reproduktiv.
Die audiovisuelle Methode baute auch die Umgangssprache in den Lehrstoff ein und
bevorzugte statt der analytischen die globale Betrachtung: Die suprasegmentalen Merkmale
wurden wichtiger, und zahlreiche visuelle Elemente halfen den Schülern beim Lernen.
Danach wurde die Ausspracheschulung wieder in den Hintergrund gerückt, bis sie von
der kommunikativen Methode wieder entdeckt wurde. Im DaF-Unterricht erschienen Anfang
der 90-er Jahre Lehrwerke, die Aufgaben sowohl zu den Phonemen, als auch zur Prosodie
enthielten.
Das Verhältnis der beiden Ebenen zueinander hängt auch von der Muttersprache der
Sprachlerner ab. Mit der Kenntnis der deutschen und ungarischen phonetischen Systeme kann
man feststellen, dass man in Ungarn auf die Prosodie größeren Wert legen müsste.
Eine andere Frage ist die der Bewusstmachung: In der Fachliteratur gibt es keinen
Konsens darüber, ob man auf den intuitiven, instinktiven Beobachtungen der Lernenden
aufbauen soll oder ob die explizite Erklärungen wichtiger sind. Nach Bárdos kann man die
Unterschiede der Betrachtungsweisen folgendermaßen zusammenfassen:
Betrachtungsweisen: intuitiv
Tätigkeiten
Die Situation
Beobachtungen
analytisch
Nachahmung,
Logopädische
praktische
Wiederholung
Übungen
Phonetik
Fremdsprache
Aneignung der Fremdsprache
ist anwesend
Fremdsprache
ist
Ziel
Fremdsprache
ist ein aktives wird Ziel der
der Erlebnis
Analyse
Stunden
Tabelle 1: Die Betrachtungsweisen der Aussprache
M.E. sind beide Betrachtungsweisen wichtig, die gewählte Methode hängt u.a. auch
davon ab, wie groß die Unterschiede zwischen L1 und L2 sind und wie dies die
Verständlichkeit beeinflusst. Nach Bárdos (2000) ist nämlich die Verständlichkeit das
wichtigste Kriterium der guten Aussprache.
2.
Anmerkungen zur Frage der Unterrichtssprache
In Ungarn sind die Unterschiede zwischen den regionalen Varietäten nicht so groß, dass
diese das gegenseitige Verständnis erschwären würden. In den deutschsprachigen Ländern
gibt es hingegen erhebliche Unterschiede sogar zwischen den als Standard akzeptierten
Varietäten. In Ungarn – wie auch in anderen Ländern – wird das klassische Binnendeutsch als
Unterrichtssprache verwendet, dessen Aussprachenormen erst im Jahre 1898 von Theodor
Siebs aufgestellt worden sind. Die Sprache in seinem präskriptiven Werk existierte aber
eigentlich nie, einerseits, da Siebs eine lautgrammatisch eher süddeutsche Variante
bevorzugte, andererseits, weil seine Ausspracheregeln sich eher auf das nördliche
Bühnendeutsch und nicht auf die Alltagssprache bezogen. Seine Maximen wurden mehrmals
kritisiert. Das heute meist verwendete Werk zur deutschen Aussprache ist das Band der
Dudenredaktion Deutsche Aussprache. 1
Für den Fremdsprachenunterricht bleibt die Frage, ob es wichtig wäre, auch die
verschiedenen Varietäten in den Deutschstunden zu thematisieren (Dieling 1992). Das hängt
natürlich auch vom Alter und von der Sprachkompetenz der Sprachlerner ab. M.E. müssten
die Lernenden so früh wie möglich die Vielfältigkeit des Deutschen kennen lernen, nur so
kann man über das Deutsche ein realistisches Bild gewinnen. Im Bereich der Produktion
braucht man aber ein festes Sprachwissen (mindestens Stufe B2), um auch die phonetischen
Varianten zu üben.
In Ungarn könnte man auch darüber nachdenken, ob man die österreichische Variante
des Deutschen als Unterrichtssprache verwenden soll. Die geographische Nähe von
Österreich, die wirtschaftlichen Beziehungen, die gemeinsame Geschichte und die zahlreichen
kulturellen
Gemeinsamkeiten
knüpfen
dieses Land an Ungarn. Auch zahlreiche
ungardeutschen Dialekte stammen aus dem Süddeutschen und aus bairisch-österreichischen
Gebieten. Die Phonetik des Österreichischen steht dem phonetischen System des Ungarischen
näher, trotzdem wird dieses Problem in den Lehrwerken nicht thematisiert, die österreichische
Varietät ― wie auch die schweizerische ― spielt nur eine sehr geringe Rolle.
Die Unterrichtssprache ist also das Hochdeutsche, dessen Schreibweise ― dem
Ungarischen ähnlich ― mehr oder weniger der Aussprache entspricht. Die Unterschiede
zwischen der Schrift- und Lautform werden in den nächsten Kapiteln ausführlicher erläutert.
3. Das deutsche und das ungarische phonetische System
3.1. Die Vokale
1
Bibliographisches Institut, Mannheim; 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage, 2006
Wenn die deutschen und ungarischen Vokale im System der Kardinalvokale verglichen
werden, kann man feststellen, dass es zwischen den beiden keine großen Unterschiede gibt.
Tabelle 2: Die deutschen und die ungarischen Vokale im System der Kardinalvokale 2
Die Vokale [y] und [ø], die bei den meisten Ausländern Probleme bereiten, sind für die
Ungarn nicht fremd. Auch die deutschen Diphthonge sind nicht unaussprechbar für sie. Obwohl diese in der ungarischen Standardvarietät keine Phoneme sind, spielen sie eine wichtige
Rolle in den Dialekten (Kiss 2001) und kommen als Vokalkombinationen auch in der Standardsprache mehrmals vor. Diese Vokalkombinationen werden in der gesprochenen Sprache
oft als Diphthonge produziert (Siptár 2005).
Vergebens sucht man unter den ungarischen Vokalen den für das Deutsche
charakteristischen Schwa-Vokal [ə]. Gósys (2007) lautstatistische Untersuchungen zeigen
zwar, dass die Anzahl der Schwa-Laute in der ungarischen gesprochenen Sprache sogar 3040% beträgt, der Prozess der Neutralisierung ist jedoch an keiner phonetischen Stelle
obligatorisch. Die ungarischen Schwa-Vokale sind keine Phoneme und werden anders
gebildet als der deutsche Schwa-Vokal (Gósy 2007). Deshalb ist sowohl die Produktion, als
auch die Perzeption solcher Laute ein großes Problem für ungarische Muttersprachler. In einer
ungarischen Grammatikstunde kann das Phänomen der Neutralisierung erwähnt und mit
Beispielen demonstriert werden. Auch andere Sprachen, wie z.B. das Englische, können
einbezogen werden. In den Deutschstunden muss man zuerst das Erkennen des Schwa-Vokals
gezielt üben: Die Lernenden müssten entscheiden, ob sie einen neutralen Vokal gehört haben.
2
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/61/Hungarian_vowel_chart.svg/800pxHungarian_vowel_chart.svg.png. (den 10. Januar 2010)
http://www.coli.uni-saarland.de/elaut/Languages_Sites/sampaDeutsch.htm (den 10. Januar 2010)
Dann müsste man ihnen mit Hilfe von Lautpaaren zeigen, dass das Schwa in einigen Fällen
bedeutungsunterscheidend ist (z.B. Freunden — Freundin; Szűcs 1999). Nach der
Wiederholung solcher Minimalpaare könnten die Lernenden erkennen, dass das unbetonte /e/
als [ə]und das /er/ am Wortende als [ɐ ] realisiert werden, und dann können sie auf ihre eigene
Aussprache besser achten.
Die Aussprache des mit dem Buchstaben ä markierten Lautes ist unter den deutschen
Phonologen oft eine Streitfrage. Während dieser Laut in süddeutschen Gebieten als [ɛ:]
realisiert wird, ist er in der Standardsprache ein [e:]. Da im Ungarischen die beiden Laute
Phoneme sind, muss man die Lernenden nur auf die Schreibweise aufmerksam machen.
Tronka (2006) zählt in seiner Tabelle der deutschen und ungarischen Phoneme auch
andere Vokale auf. Die Nasale, die in französischen Lehnwörtern vorkommen, werden hier
nicht detaillierter analysiert, weil sie auch im Deutschen nur einige Wörter betreffen. Die
Tabelle kann man auch in den Deutschstunden erfolgreich benutzen. Man kann die Lernenden
bitten, eigene Beispiele für die gezeigten Phoneme zu finden oder eine lückenhafte Tabelle
mit ihren Anmerkungen zu ergänzen.
Es gibt auch Unterschiede, mit denen man sich in den Deutschstunden nicht unbedingt
beschäftigen muss. Der Unterschied zwischen dem ungarischen und deutschen [o] ist nicht so
ausschlaggebend, sodass man den leichten Akzent in diesem Fall akzeptieren kann. (Während
[o] im Deutschen offener ist, ist [o:] geschlossener als die ungarischen Entsprechungen).
Da die Länge der Vokale sowohl im Ungarischen, als auch im Deutschen ein
distinktives Merkmal ist, lohnt es sich im Fremdsprachenunterricht eher auf die Orthographie
der langen Laute näher einzugehen. Selbst die Lernenden können entdecken, wie im
Deutschen die Länge der Vokale markiert wird, wenn sie sie in Minimalpaaren üben können
(Beet -Bett). Je jünger der Sprachlerner ist, desto weniger sind ihm die Spezifika seiner
eigenen Muttersprache bekannt, deshalb ist es bei Kindern besonders wichtig, für das
Phänomen zuerst ungarische Beispiele aufzuzählen. Das ist Aufgabe der ungarischen
Grammatikstunden. Im Falle der langen Vokale müsste man z. B. die ungarischen Paare korkór, kör-kQr, irat-írat…zeigen, die Regeln erklären, erst dann sollte man die deutschen
Lautreihen betrachten. Mit der Zusammenarbeit des ungarischen Grammatikunterrichts und
des Fremdsprachenunterrichts könnte man nämlich erreichen, dass die Lernenden die
Metasprache beherrschen, die ihnen beim Sprachlernen helfen kann.
3.2. Die Konsonanten
Im Vergleich zu den Vokalen sind die Unterschiede zwischen den ungarischen und
deutschen Konsonanten größer. Sehen wir uns die folgenden Tabellen genauer an!
Tabelle 3: System der deutschen Konsonanten (Tronka 2006)
Tabelle 4: System der ungarischen Konsonanten (nach Kassai 1998 und Siptár 1999)
Außer
den
unterschiedlichen
phonologischen
Positionen
ist
für
den
Fremdsprachenunterricht der Fall der mit den Buchstaben h und ch markierten Laute
erwähnenswert. Das h im Wortanlaut stimmt mit der ungarischen Variante überein (Haus –
ház), während die sogenannten ach-Laute und ich-Laute keinen Phonemwert im Ungarischen
haben. Sie kommen aber auch in der ungarischen Sprache vor: Wenn man den Lernenden
bewusst macht, dass der ach-Laut in ungarischen Wörtern potroh, Allah, sah zu finden ist,
und der ich-Laut [ç], der stimmlosen palatalen Variante von [j] in kapj, döfj entspricht,
würden die Ausdrücke wie z.B. München, Technik nicht mit [k] ausgesprochen, wie jetzt noch
oft der Fall ist.
Die stimmlose Variante [ɦ] findet man sowohl im Deutschen, als auch im Ungarischen
zwischen zwei Vokalen (lehet – Ahorn Szűcs 1999).
Eine von den ungarischen Sprachlernenden mehrmals erwähnte Erscheinung ist, dass
die Deutschen immer „ratschen“, d. h. sie können nur das Zäpfchen-R bilden3 . Dass es eher
ein Mythos ist, zeigt, dass vor allem in Süddeutschland das Zungenspitzen-R herrscht. Das
Vorkommen des uvularen und des Zungenspitzen-R ist nicht geregelt, sie sind eigentlich freie
Allophone. Obwohl im ungarischen System die uvulare Variante nicht zu finden ist, müssen
die Schüler das Zäpfchen-R nicht erlernen, um ihre Aussprache den deutschen Normen
anzunähern. 4 Worauf man jedoch achten muss, ist das Vokalisieren des /r/ im Wortauslaut.
Es gehört eher zur Rechtschreibung, dass man im Deutschen mit dem Buchstaben s im
Anlaut ein [z] (sehen), als ss ein [s] (muss) 5 , und vor [p], [t] [k] ein [t] bezeichnet. Die Regeln
sind logisch und eindeutig, und diese Laute sind auch im Ungarischen Phoneme, so ist die
Produktion problemlos.
Was aber wirklich Schwierigkeiten bereitet, ist die Aussprache von aspirierten
Konsonanten, deren intensive Übung unerlässlich wäre. Die Lernenden könnten Federchen
oder ein Blatt Papier oder eine Kerze abblasen, während sie diese Laute aussprechen, und mit
Hilfe eines Softwareprogrammes können sie auch die Bildung der Laute beobachten.6 Es
lohnt sich, und kann sogar ein Aha-Erlebnis auslösen, wenn man ungarische und deutsche
Lautreihen vergleicht, und die Unterschiede analysiert: dt. Thag – ung. tág, dt. Khabel –kábel.
Auch den Knacklaut kann man zuerst mit ungarischen Beispielen darstellen. Tronka
(2006) zeigt, dass dieser Laut manchmal auch im Ungarischen vorkommt: In Wortpaaren wie
azúr – az úr, und beim affektiven Sprechen, wie zum Beispiel: PIsti, az Anyád
3
„Ratschen” ist für Ungar eine phonetische Störung, statt dieses Wort benutzt man in der ungarischen Logopädie
den Begriff Rotazismus.
4
Es ist sogar viel störender, wenn man nicht konsequent ist.
5
Im Ungarischen ist die kurz-lang Opposition auch bei den Konsonanten relevant, so denken die Lernenden,
dass as auch im Deutschen existiert. Eine einfache Erklärung könnte diesen Fehler beheben.
6
Es gibt Internetseiten, wo man die Bildung der Laute mit Hilfe von Videofilme demonstriert wird, zum
Beispiel: http://www.uiowa.edu/~acadtech/phonetics/german/frameset.html (den 07. Januar 2011)
MINdenségit!!!! Wenn man beim Knacklaut ein Pfeifensignal einfügt, kann der Lernende
merken, wo man ihn aussprechen muss. Nachher kann er Vermutungen formulieren und
erkennen, dass der Knacklaut im Deutschen zur Gliederung der gesprochenen Sprache dient.
Für das Ungarische ist eher die sog. Liaison charakteristisch. Auch die treffenden Vergleiche
können nützlich sein, die die Ausspracheweise beschreiben (z. B. stramm, gespannt.) Mit
kleineren Kindern kann man sogar schauspielern, und die Tongebung mit Bewegungen
begleiten (z. B: Sprechen wir diesen Satz so aus, als ob wir Soldaten wären/eine Katze
streicheln würden: Ich esse einen Apfel. Was ist der Unterschied?)
3.3. Assimilationsprozesse
Die Bemerkungen über den Knacklaut hängen auch mit den Assimilationsprozessen
zusammen. Hier werden die Phonemkombinationen erläutert, die viele Probleme für die
ungarischen Sprachlerner bereiten. Während die koartikulatorischen Prozesse im Ungarischen
sehr häufig sind, sind sie im Deutschen eher selten. Es gibt im Deutschen partielle Assimilationen, wie z.B. die Labialisierung der Nasale im Wortanlaut vor einem labialen Konsonanten
oder die Velarisierung des [n] wegen benachbarten velarer Konsonanten. Diese sind auch für
Ungarn leicht erlernbar. Die Auslautverhärtung (d. h. dass die stimmhaften Obstruenten im
Wortanlaut stimmlos und gespannt werden) ist aber im Ungarischen unbekannt, so darf man
sie in den Deutschstunden nicht vernachlässigen. Nach dem Trainieren der Perzeption kann
man auch hier Wortpaare verwenden, um den Unterschied besser zu demonstrieren. Die
Lernenden können auch die Wortbildung und Flexionsmorphologie üben, wenn sie Wörter
deklinieren oder konjugieren müssen, in denen am Wortende ein [g], [d] oder ein [b] steht.
Im Deutschen ist aber keine Sonorisierung, keine totale Assimilation und keine
Palatalisierung zu finden. Es ist also falsch, wenn man z.B. das Wort aussagen nach den
ungarischen
Normen als [aussagɛn] ausspricht, oder in Wörtern wie Mädchen, Adjektive,
konjugieren die [d] und [n] Laute palatalisiert (Kékesi 2008). So wäre es besonders wichtig,
diese Phänomene sowohl in den ungarischen Grammatikstunden, als auch in den
Deutschstunden zu analysieren, bzw. diese mit deutsch-ungarischen Wortpaaren, und mit
Hilfe von Hörbeispielen die richtigen Formen einzuprägen. Eine ausführliche Tabelle der
deutschen und ungarischen Assimilationsprozesse findet man bei Kékesi (2008), siehe
Anhang.
3.4. Die suprasegmentale Ebene
Im Bereich der Prosodie machen die Ungarn die meisten Fehler. Es wäre nützlich, die
phonetischen Übungen mit dieser Ebene zu beginnen, natürlich nach einer intensiven
Hörphase, in der die Sprachlerner die kontinuierliche Wahrnehmung geübt haben. Die
prosodische Korrektheit beeinflusst die Einschätzung des Sprechers: Cohrs (2007)
Untersuchungen zeigen, dass die Probanden eine Sprecherin sympathischer gefunden haben,
die mit einer besseren Intonation gesprochen hat.
Eine der größten Probleme ist die Betonung für Ungarn. Einerseits, weil im
Ungarischen immer die erste Silbe betont wird, andererseits, weil die Stammsilbenbetonung
im Deutschen für Lehnwörter nicht gilt, und es ist nicht immer leicht, die Herkunft eines
Wortes zu erkennen. Außerdem kann man beobachten, dass die Akzente in gebildeten
Wörtern verschoben werden können (Musik – Musiker; Szűcs 1998). Dabei können kleine
Geschichten und Dialoge helfen, in denen die phonologischen Unterschiede auch
bedeutungsunterscheidend sind. Solche Aufgaben enthält z.B. das Arbeitsbuch Phonotek.
(Stock 1996). Nach einigen Hörübungen können auch die Lernenden selbst solche
Geschichten schreiben und vorlesen.
Beim Memorieren sind auch Karten, Abbildungen, Bilder hilfreich. Kleinere Kinder
genießen es, wenn sie beim Wortakzent klatschen oder klopfen können. Die Äußerungen
können „gesummt“ oder „gebrummt“ werden, sinnlose Silben können mit unterschiedlicher
Akzentuierung wiederholt werden (Frey 1995). Das Lesen kann man erleichtern, wenn man
die betonten Silben mit typographischen Methoden hervorhebt.
Ungarn müssen auch darauf achten, die Nebenakzente nicht so stark zu betonen. Im
Deutschen gibt es nämlich einen größeren Unterschied zwischen dem Hauptakzent und den
Nebenakzenten als im Ungarischen (Dieling 1992). Dieses Phänomen hängt auch mit der
Satzmelodie zusammen: Eben deshalb scheint das Ungarische für Ausländer monoton zu sein.
(Cohrs 2007). Die rhythmischen Übungen und Gedichte sind besonders dafür geeignet, die
betonten und unbetonten Silben zu erkennen. Auch Rap-Texte können die Motivation der
Sprachlerner wecken (Fischer 2007). Mit spielerischen Übungen, die Gestik und Bewegung
verbinden, kann der Rhythmus der deutschen Sprache unauffällig angeeignet werden.
Für Ungarn kann es eine Überraschung bedeuten, dass ein Wort im deutschen Satz auch
dann betont sein kann, wenn es nicht am Anfang des Satzes steht. Die Fokussierung wird ja
nicht durch syntaktische, sondern durch prosodische Mittel durchgeführt, und das Rhema ist
oft am Satzende. In einem Satz, wie Heute habe ich meiner Mutter ein schönes Buch gekauft
lässt sich sowohl das Wort heute, als auch die Ausdrücke ich, meiner Mutter, und ein schönes
Buch betonen. Es ist auch erwähnenswert, dass das Deutsche ― im Gegensatz zum
Ungarischen ― in einer attribuierten Phase immer das Nomen und nicht das Attribut betont.
Aus den sechs Intonationsmustern des Deutschen können die Ungarn vor allem die
Melodie der Entscheidungsfragen nicht richtig produzieren. Während für das Ungarische eine
steigend-fallende Intonationskurve charakteristisch ist, ist im Deutschen die steigende
Intonation gewöhnlich. Da aber die steigende Variante auch im Ungarischen vorkommt (bei
einsilbigen Wörtern, wie z.B. Pk? Te? Fa?), sollte man den Lernenden zuerst solche
ungarische Sätze zeigen, damit sie die Erscheinung verstehen. Der Unterschied zwischen
ungarischen und deutschen Fragesätzen kann auch mit Hilfe von manipulierten Sätzen
dargestellt werden. Wenn man die Sätze nur murmeln darf, passt man nur auf die Melodie,
nicht aber auf den Sinn des Gesagten auf. Dann können die Sprachlerner das Gelernte in
alltäglichen Situationen verwenden. Stock und seine Mitarbeiter betonen (1996), dass man die
Phonetik in realen Kontexten üben müsste. So werden die kommunikativen und pragmatischen Kompetenzen der Sprachlerner entwickelt, und diese Spiele fördern auch die sozialen
Fähigkeiten (Chudoba 2007).
Bei Ergänzungsfragen kann man beobachten, dass die Ungarn statt des Verbs oder einer
Nominalgruppe das Fragewort betonen. In Aufrufesätzen neigen sie das erste Wort zu
betonen, unabhängig davon, was für eine Rolle das Wort im Satz spielt.
Um die gute Melodie zu erlernen, kann man verschiedene Abbildungen benutzen. Auch
die phonetischen Softwares können hier die Arbeit erleichtern, weil sie die Intonationskurven
zeigen können. Wenn der Lernende seine eigene Produktion mit dem Muster auch visuell
vergleichen kann, kann er seine Fehler schneller korrigieren.
4. Studie
4.1. Einführung
Im ersten Teil wurde das deutsche und das ungarische phonetische System kurz
dargestellt, um zu zeigen, welche sprachliche Phänomene zum fremdsprachlichen Akzent
führen können. Neben den linguistischen Gründen darf aber auch die emotionale Ebene des
Aussprachelernens nicht vernachlässigt werden (Mordellet-Roggenbuck 2006). Man muss
also auch damit rechnen, dass die Übernahme fremdsprachlicher phonetischer Muster eine Art
Identitätsverlust ist (Giora 1996). Man soll also sich selbst überwinden, um akzentfrei
sprechen zu können. Die negativen Einstellungen zu der besonderen, vom eigenen
Sprachgebrauch abweichenden Aussprache sind also teils natürlich, in dem Unterricht müsste
man sie jedoch abbauen und nicht konservieren.
Die folgende Pilotstudie bestätigt, dass man sich im Bereich der Ausspracheschulung
mehr Mühe geben sollte, damit die Sprachlerner die deutsche Aussprache mögen und besser
beherrschen können.
4.2. Methode
4.2.1. Die Befragten
25 ungarische Schüler und Schülerinnen wurden am 11. März 2010 in einer
Deutschstunde befragt. Die 13 Mädchen und zwölf Jungen besuchten die 8. Klasse der
Innerstädtischen Grundschule mit deutschem Nationalitäten-Klassenzug in Pécs/Fünfkirchen,
Ungarn. Sie waren also 13-14 Jahre alt, und lernten Deutsch seit dem ersten Schuljahr. In den
ersten vier Klassen hatten sie drei Deutschstunden pro Woche, ab der 5. Klasse lernen sie die
Sprache in fünf Stunden pro Woche.
4.2.2. Der Fragebogen
Die Probanden mussten einen Fragebogen auf Ungarisch ausfüllen, der aus vier Teilen
bestand. Der erste Teil enthielt allgemeine Fragen über das Deutschlernen. Im zweiten Teil
wurden Fragen gestellt, die sich auf die verschiedenen Bestandteile des Sprachkönnens
beziehen. Während im ersten Teil vorwiegend offene Fragen zu finden waren, wurden im
zweiten Teil fünfpolige Skalen verwendet. Im dritten Teil sollten die Gefragten offene Fragen
über den Klang des Deutschen beantworten, im vierten Teil bekamen sie Fragen zu sechs
Hörtexten.
Die Ergebnisse
Die Schule organisiert mindestens einmal im Jahr eine mehrtägige Reise, vor allem
nach Österreich, die Schüler haben also auch Erfahrungen mit Muttersprachlern.. Die
folgende Tabelle zeigt, wie die Kinder auf die Frage Wie oft warst du in deutschsprachigen
Ländern? 7 antworteten. Die meisten von ihnen haben also über das österreichische Deutsch
ein sprachliches Erlebnis, mit dem Schweizerdeutschen konnte sich nur ein Schüler bekannt
machen.
7
Die Fragen sind auf Ungarisch gestellt worden, so wurde vermieden, dass die Kinder die Fragen missverstehen.
Deutschland
Österreich
Schweiz
12
2
1
1-2 Mal
5
17
0
4-6 Mal
0
1
0
Jedes Jahr
Tabelle 5: Antworten auf die Frage: Wie oft warst du in deutschsprachigen Ländern?
Außerhalb der Schule sprechen 14 Kinder Deutsch: sechs sprechen mit ihren
Privatlehrern, drei Schülerinnen benutzen die Sprache auch in der Familie (mit den Eltern,
Geschwistern), fünf Kinder sprechen mit ihren Verwandten im Sommer.
Sie wurden auch nach ihrem Medienverbrauch gefragt. Man kann feststellen, dass die
deutschsprachigen Medien in dieser Klasse nicht populär sind, fast kein Kind sieht sich
deutsche Sendungen an.
4.3. Ergebnisse
Die Frage 7 bezieht sich darauf, wie wichtig die Kinder die verschiedenen Bestandteile
des Sprachkönnens finden. In einer 5-stufigen Skala mussten sie die aufgezählten Elemente
bewerten.
Wie wichtig findest du die folgenden?
24
22
20
18
sehr wichtig
wichtig
nicht so wichtig
nicht wichtig
gar nicht wichtig
16
14
12
10
8
6
4
2
K
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tu
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ha
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0
Tabelle 6: Meinungen der Schüler über die Bestandteile des Sprachkönnnens
Die Aussprache wird nicht hoch geschätzt, obwohl die Kinder die mündliche
Ausdrucksfähigkeit am wichtigsten gefunden haben. Übrigens kann man beobachten, dass sie
der Mündlichkeit eine größere Bedeutung beimessen als der Schriftlichkeit.8 Das
Übergewicht der Mündlichkeit zeigen auch die folgenden Tabellen. Die Tabelle fasst die
Meinungen der Schüler über die verschiedenen Tätigkeiten in den Deutschstunden zusammen.
Ganz eindeutig ist, dass die Befragten das Sprechen, das Vorlesen und die Hörübungen lieber
mögen als die schriftlichen Aufgaben.
24
22
20
sehr
ja
nicht so sehr
nicht
gar nicht
18
16
14
12
10
8
6
4
2
G
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m
m
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Sp
ie
le
0
Tabelle 7: Meinungen der Schüler über die Tätigkeiten in den Deutschstunden
Auf die Frage Wer kann gut Deutsch? konnten die Probanden ihre Meinung selbst
formulieren und die für sie wichtigsten Kriterien aufzählen.
8
Dass sie die kulturellen Inhalte für nicht wichtig finden, ist bedenklich. Diesem Problem müsste man in einer
anderen Studie detaillierter nachgehen.
Wer spricht gut Deutsch? Zähle die 3 wichtigsten Kriterien
auf!
diese Kriterien sind für
mich wichtig
14
diese Kriterien können
für einen Deutschen
wichtig sein
12
10
8
6
4
2
ul
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K
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Tabelle 8: Kriterien des Sprachwissens
Die Kinder haben sich wieder auf die Mündlichkeit konzentriert. Viele haben das
Tempo und die fließende Aussprache erwähnt. 14 von ihnen meinten, dass ein deutscher
Muttersprachler das Sprachwissen eines Ausländers danach beurteilt, wie akzentfrei er
spricht. Diese Antworten widersprechen denen auf die Frage 7.: Als ob die Kinder wüssten,
dass die Aussprache ein entscheidender Faktor ist, sie würden aber diese nicht auf sich selbst
beziehen.
Die nächste Frage lautete: Wer kann besser Deutsch? a) der eine gute Aussprache hat,
die grammatischen Regeln aber nicht richtig verwendet, b) der keine gute Aussprache hat, die
grammatischen Regeln aber richtig verwendet. Nur drei Jugendliche haben die erste Antwort
gewählt.
Fast die Hälfte der Schüler möchte nicht so sprechen wie ein Deutscher. Einige von den
Gegenargumenten: ich mag die Deutsche Sprache nicht (drei SchülerInnen), die deutsche
Aussprache gefällt mir nicht (vier SchülerInnen), ich finde die Aussprache fremd, man kann
sie nicht verstehen (zwei Leute), ich finde die Aussprache überflüssig (zwei Leute). Es gibt
reife Argumente für die gute Aussprache: Ich möchte mich verständigen (sieben Personen),
die gute Aussprache führt zur Selbstsicherheit (1), so könnte ich die Sprache richtig
beherrschen (1), wenn ich unter Deutschen leben würde, möchte ich fühlen, dass ich zu ihnen
gehöre (1), das Deutsche ist sehr wichtig in der EU (1).
Auf die offene Frage, wie sie den Klang des Deutschen charakterisieren könnten, haben
die Befragten folgende Ausdrücke aufgezählt: stramm, gespannt, hart, fremd, kalt, rauh,
komisch, stark. Drei Schüler haben erwähnt, dass die Deutschen die Wortenden verschlucken.
Sieben von ihnen halten das Deutsche für eine glatte, melodische Sprache. Fast alle haben die
Schnelligkeit vorgebracht, obwohl die normale Sprechgeschwindigkeit im Deutschen und im
Ungarischen etwa übereinstimmt (im Deutschen bedeutet 10-15 Laute/S, Pompino-Marschall
2009; im Ungarischen 12,5-13 Laute/S, Bóna 2005). Dies kann dadurch erklärt werden, dass
die SchülerInnen noch Schwierigkeiten mit dem Verstehen haben, so scheint ihnen das
Sprechtempo schneller.
Der letzte Teil des Fragebogens war mit einer Hörübung zusammengebunden. Die
Probanden haben sechs kleine Texte gehört, deren Aussprache sie bewerten und
charakterisieren sollten. Der erste Text wurde mit einem amerikanischen Akzent vorgelesen,
der zweite war klassisches Hochdeutsch, der dritte schweizerisch gefärbtes Standarddeutsch,
der vierte Text war mit ungarischem Akzent vorgelesen, der fünfte war bairisch gefärbtes
Deutsch und der letzte österreichisches Deutsch. Der erste und der vierte Text stammt von
professionell ausgebildeten Sprechern, die ihre Stimme in der Internetseite www.bodalgo.com
propagieren. 9 Die Texte 2, 3, und 5 wurden von den Hörübungen des Buches Auf die Plätze,
fertig, hör! 10 ausgewählt, der 6. Text ist ein Teil einer ÖSD-Sprachprüfung. 11 Alle Sprecher
waren Männer, damit das Geschlecht der Sprecher die Schüler nicht beeinflussen kann. Die
unterschiedlichen Tonlagen und die Unterschiede in der Tonqualität der Aufnahmen konnte
man aber leider nicht hundertprozentig beseitigen. Deshalb habe ich mehrmals betont, dass
die Kinder sich nur auf die Aussprache konzentrieren sollen.
9
Der englische Sprecher heißt Tom Harris http://www.bodalgo.com/de/voices/tom-harris, der ungarische Albert
von Hegymegi-Kiss http://www.bodalgo.com/de/voices/albert-von-hegymegi-kiss. (den 07. Januar 2011)
10
Antal, Mária (1997): Auf die Plätze, fertig, hör! Német beszédértési gyakorlatok kazettával. Nemzeti
Tankönyvkiadó, Budapest
11
Antal, Zsuzsanna – Mohácsi, János (2007): Mittelstufe Deutsch B2 Test- und Übungsbuch. Nemzeti
Tankönyvkiadó, Budapest
Von den sechs Texten war Text 4 der populärste, an der zweiten Stelle steht das
Österreichische Deutsch, an der dritten die amerikanische Variante. Das bairisch gefärbte und
das schweizerische Deutsch haben den Kindern gar nicht gefallen.
Wie gefällt dir die Aussprache?
100%
80%
60%
40%
20%
sc
h)
(Ö
ste
rr e
ich
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h)
sehr
gefällt
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6
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la
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2
Te
xt
1
(A
m
er
ik
an
isc
h)
0%
nicht so sehr
nicht
gar nicht
Tabelle 9: Meinungen der Schüler zur Aussprache der Texte
Die Aussprache des ersten Sprechers haben sie mit den Attributen melodisch,
interessant, ritterlich, munter, verständlich, schön und kompliziert charakterisiert. Die zweite
Aussprache haben sie unverständlich, schnell, stark gefunden, und mehrere haben erwähnt,
dass der Sprecher die Wortenden verschluckt. Die 3. Aussprache haben sie fremd, hässlich,
interessant, störend; die 4. Aussprache schön, melodisch, artikuliert, verständlich und klar
gefunden. Während sie von der 5. Aussprache eine negative Meinung hatten (unverständlich,
die Wörter verschmelzen ineinander, fremd), hat ihnen die 6. Aussprache besser gefallen
(stramm, glatt, verständlich, melodisch, stimmungsvoll).
Die Kinder haben sich auch bei der nächsten Frage (Welche Aussprache möchtest du
nachahmen?) für den Text entschieden, der mit einem ungarischen Akzent vorgelesen wurde.
An der zweiten Stelle steht wieder das österreichische Deutsch. Dies kann man damit
begründen, dass die Schüler mit dieser Varietät einen stärkeren Kontakt haben.
Text 4 (Ungarisch)
Text 6 (Österreichisch)
Keine von diesen
Text 1 (Amerikanisch)
Text 3 (Sweizerisch)
Text 5 (Bairisch)
Text 2 (Klassisches Hochdeutsch)
0
2
4
6
8
10
12
Tabelle 10: Antworten auf die Frage Welche Aussprache möchtest du nachahmen?
Die Antworten auf die nächsten Fragen zeigen eindeutig, dass die Schüler Bescheid
gewusst haben, dass der 4. Text nicht von einem Muttersprachler vorgelesen wurde. Elf
Kinder haben sogar bemerkt, dass eben dieser der ungarische Akzent war. Sie haben
geschrieben, dass diese Aussprache sehr verständlich, artikuliert und schön geklungen hat,
und der Sprecher hat nicht hastig gesprochen. Zwei Kinder haben hinzugefügt, dass sie den
ungarischen Akzent besser finden als das Hochdeutsch. Bei der Beurteilung der anderen
Aussprachen waren sich die Schüler weniger sicher. Weil sie die Besonderheiten des
Schweizerischen Deutsch nicht gekannt haben, haben sie es für fremd gehalten.
Text 4 (Ungarisch)
Nein
Text 3 (Sweizerisch)
Text 2 (Klassisches Hochdeutsch)
Text 5 (Bairisch)
Text 6 (Österreichisch)
Text 1 (Amerikanisch)
0
2
4
6
8
10
12
Tabelle 11: Antworten auf die Frage: Gibt es Texte, die von einem Ungarn vorgelesen
wurden?
5. Zusammenfassung
Die Ergebnisse der Pilotstudie zeigen, dass die befragten Schüler und Schülerinnen
stolz auf den ungarischen Akzent sind, und die Hälfte von ihnen möchte ihn nicht loswerden.
M. E. ist diese Haltung typisch für ungarische Sprachlernende, und dies hängt auch damit
zusammen, dass man sich im ungarischen DaF-Unterricht nicht viel mit der Aussprache
beschäftigt. Es fehlen Lehrwerke, die sprachpaarspezifische Übungen enthalten, und es wird
nicht betont, dass die gute Aussprache ein entscheidender Faktor der Sprachkompetenz ist.
Die Lehrkräfte müssten von Anfang an phonetische Aufgaben üben lassen. Man müsste zuerst
die kontinuierliche Wahrnehmung der Lernenden herausbilden. In Ungarn müsste man sich
mehr mit den suprasegmentalen Elementen befassen, und bei der Bewusstmachung sollte man
die kontrastiven Merkmale berücksichtigen. Es könnte erfolgbringend sein, wenn die
Deutschlehrer mit den ungarischen Grammatiklehrern zusammenarbeiten könnten. Die
Varietäten des Deutschen sollten eine größere Rolle spielen. In Ungarn ist außerdem eine
relevante Frage, ob man einige Charakterzüge des österreichischen Deutsch verarbeiten soll.
Die phonetischen Übungen sollen nicht nur aus linguistischer Sicht korrekt sein, sondern sie
müssen auch die Ansprüche der Lernenden befriedigen: In alltäglichen Situationen üben, das
Lernen mit Spielen, Witze, Bewegungen und mit modernen Hörübungen (Rapp, Popmusik,
Filme) unterstützen.
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Anhang
Konsonantische Assimilationen (Kékesi 2008)