Kardinal Siri und die heutige Kirchenkrise
Die Konzilspäpste als Urheber der Kirchenkrise
Die Konzilspäpste im Urteil des Erzbischofs
Der Fall Siri eignet sich bestens dazu, einen bei den Oberen der Piusbruderschaft in Verruf zu bringen, den längst zu den Akten gelegten Sedesvakantismus zu vertreten. In der Tat gibt es kaum ein anderes Problem, welches das traditionalistische Lager in einem solchen Ausmass zu spalten vermochte, als die Frage nach der Rechtmässigkeit derjenigen Person, welche seit dem Tode Pius XII den Stuhl des heiligen Petrus besetzt hält. Man erlebt sogar, dass Traditionalisten sich von Rom einspannen lassen, um im Namen dieser Frage gegen andere Traditionalisten vorzugehen. Wer jedoch an dieser Frage vorbeisieht, verschliesst seine Augen vor der geschichtlichen Wirklichkeit, denn die angeblich verhinderte Wahl des Erzbischofs von Genua könnte insofern mit der heutigen Kirchenkrise zusammenhängen, als ihm der Patriarch von Venedig deshalb vorgezogen wurde, weil er die besten Voraussetzungen mit sich brachte, um jene, von gewissen kirchlichen Kreisen gewünschte Neuorientierung vorzunehmen, aus der die heutige Krise hervorgegangen ist. Somit drängt sich die Frage auf, ob nicht der falsche Mann auf dem Stuhle Petri sitzt.
Der Erzbischof selber hat keineswegs, wie man vermuten könnte, die genannte Möglichkeit ausgeschlossen.
1. Am 4. August 1976 gab er gegenüber dem Vertreter der Zeitung „Le Figaro“ folgende Erklärung ab: „Das Konzil hat der Tradition den Rücken gekehrt und sich von der Vergangenheit der Kirche abgewendet und ist deshalb schismatisch. Wenn es uns als gewiss erscheint, dass der während zwanzig Jahrhunderten von der Kirche gelehrte Glaube keine Irrtümer enthält. Sind wir weniger gewiss dass der gegenwärtige Papst ein wahrer Papst ist. Die Irrlehre, das Schisma, und dementsprechend die Exkommunikation, die Ungültigkeit einer Wahl können gegebenenfalls zur Folge haben, dass der Papst niemals Papst war oder nicht mehr ist.
Bernard Tissier de Mallerais: Marcel Lefebvre, une vie, 514“
2. In seiner Untersuchung „Ich klage das Konzil an“ greift der Erzbischof auf die vorhergehenden Gedanken zurück und erklärt: „Nach und nach öffnen sich einem die Augen angesichts einer bestürzenden Verschwörung, von langer Hand vorbereitet. Diese Entdeckung dient dazu, sich zu fragen: Welche Rolle spielte der Papst bei diesem ganzen Unternehmen? Wie weit geht seine Verantwortung? Sie erscheint wahrhaft erdrückend, trotz des Wunsches, ihn an diesem entsetzlichen Verrat an der Kirche für unschuldig zu erklären“
Ich klage das Konzil an, 12
3. In einem 1977 in Rom gehaltenen Vortrag hat er auf ein vom Patriarchen Roncalli vor dem Konklave von 1958 an den Bischof von Bergamo gerichtetes Schreiben hingewiesen, welches die Erklärung enthält: „Der neugewählte Papst sei er Bergamaske oder nicht wird in der Kirche Vieles ändern müssen. Es braucht ein neues Pfingsten.“
Il cardinale Roncalli, patriarca di Venezia, quando parti per il conclave, e non era ancora eletto, scriveva già al vescovo di Bergamo : <<Il Papa che sarà eletto, bergamasco o no, dovra cambiare molto nella Chiesa. Dovra esserci una nuova Pentecoste>> La Chiesa dopo il Concilio in : Il Colpo di Maestro di Satana, 10 Das ganze Schreiben, so der Erzbischof, lasse den unmissverständlichen Willen erkennen, die Kirche umzustrukturieren.
4. Auch in einem, kurz nach dem Ableben Pauls VI an vier Kardinäle gerichteten Schreibens erklärt der Erzbischof: „Darum flehe ich Sie an, Eminenz, alles zu tun, damit das Aergernis der Kompromisse derer, die die entscheidenden Aemter in der Kirche bekleiden, mit den Feinden der Kirche beseitigt wird, alles zu tun, damit wir einen Papst bekommen, einen wahren Papst, einen Nachfolger Petri, einen Fortsetzer der Reihe seiner Vorgänger, einen standhaften und wachsamen Hüter des Glaubensgutes.“
Damit die Kirche fortbestehe, 275
5. Als der Erzbischof sich mit dem Gedanken befasste, Bischöfe zu weihen und sich dabei die Frage stellte, ob damit nicht der Juridiktionsprimat des Papstes angegriffen werde, kam er zur folgenden Schlussfolgerung: „Die Lage der Gläubigen und die gegenwärtige Lage des Papsttums machen die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Jurisdiktion, dem Ungehorsam und der Apostolizität hinfällig, denn alle diese Grundsätze setzen einen in seinem Bekenntnis und seiner Regierungsausübung katholischen Papst voraus.“
Bernard Tissier de Mallerais op. cit. 569
6. Anlässlich des bevorstehenden Treffens von Assisi erklärte er in einem an mehrere Kardinäle gerichteten Schreiben: Die Reden und Taten Johannes Pauls II. in Togo, in Marokko, in Indien und in der Synagoge von Rom entfachen in unseren Herzen eine heilige Empörung, um dann fortzufahren der erste Artikel des Credo und das erste Gebot des Dekalogs werden öffentlich von dem verhöhnt, der auf dem Stuhle Petri sitzt. Das Ärgernis in den Seelen der Katholiken ist nicht zu fassen. Die Kirche wird dadurch in ihren Fundamenten erschüttert
Damit die Kirche fortbestehe.
7. Vermutlich unter dem Eindruck des Besuches Johannes Paul II in der Synagoge in Rom und des von ihm veranstalteten Jammerspiels von Assisi schrieb er: Denn wer kann die Kirche „selbst zerstören“ ausser dem, der die Sendung hat, sie auf dem Felsen aufrechtzuerhalten?......Und was könnte eine wirksamere Säure sein zur Auflösung dieses Felsens als der liberale Geist, wenn er den Nachfolger Petri selbst durchdringt.“
Sie haben ihn entthront, 148
Den vorhergehenden Aeusserungen kann entnommen werden, dass der Erzbischof die Möglichkeit, dass der Stuhl Petri nicht vom Papst sondern von einem Eindringling besetzt gehalten wird, niemals ausgeschlossen hat. Sie war jedoch für ihn eine vertretbare Hypothese und nicht eine Gewissheit. Damit gemeint ist, dass gewisse Verhaltensweisen und Erklärung derjenigen Person, die gegenwärtig den Stuhl Petri besetzt hält, durchaus die Vermutung zulassen, dass sie als historisches Subjekt gar nicht der Träger jener Stiftung göttlichen Rechts sein könnte, den zu sein sie vorgibt.
Ontologisch gesprochen handelt es sich bei dieser Vermutung um einen durch bestimmte Wahrnehmungen ausgelösten Bewusstseinsvorgang in dessen Verlauf eine bis dahin geltende Gewissheit aufgehoben wird. Sie ist keine objektive Wahrheit, denn es gilt für solche Wahrnehmungen der Grundsatz der klassischen Philosophie, es ist nicht erlaubt, aus der Erkenntnis, dass etwas möglich ist, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass diese Möglichkeit in einem konkreten Gegenstand auch verwirklicht ist.
Auch der Erzbischof bediente sich dieses Grundsatzes als er die Frage aufwarf: Machen die Entfernung der über 80 Jahre alten Kardinäle und die geheimen Absprachen, die die beiden letzten Konklaven vorbereitet haben, nicht die Wahl dieser Päpste ungültig? Darauf gibt er folgende Antwort: Ungültig wäre zuviel behauptet, aber eventuell zweifelhaft. Es waren ekklesiologische Ueberlegungen, die den Erzbischof davon abhielten den Stuhl Petri für unrechtmässig besetzt zu erklären.
Das Urteil des Erzbischofs und ihr ekklesiologischer Hintergrund
Zum ekklesiologischen Hintergrund der erzbischöflichen Haltung gilt es folgendes zu berücksichtigen. Hätte der Erzbischof den Stuhl Petri für unrechtmässig besetzt erklärt, so hätte er mit dieser Erklärung und kraft seiner Zugehörigkeit zur lehrenden Kirche eine Rechtshandlung mit schwerwiegenden Folgen vollbracht. Er hätte nämlich unter Berufung auf Pauls IV „Cum ex apostolatus officio“ erklären müssen, dass die Wahl Roncalli, Montini und Woytilas, obschon rechtmässig vollzogen deswegen ungültig sei, weil alle drei vor ihrer Berufung zum Kardinal oder zum Papst vom katholischen Glauben abgewichen seien und Häresien vertreten hätten.
si ullo umquam tempore apparuerit aliquem Episcopum, etiam pro Archiepiscopo, seu Patriarcha, vel Primate se gerentem, aut praedictae Romanae Ecclesiae Cardinalem, etiam ut praefertur, Legatum, seu etiam Romanum Pontificem ante eius promotionem, vel in Cardinalem, seu Romanum Pontificem assumptionem a fide Catholica deviasse, aut in aliquam haeresim incidisse, promotio, seu assumptio de eo etiam in concordia, et de unanimi omnium Cardinalium assensu facta, nulla, irrita, et inanis existat, nec per susceptionem muneris, consecrationis, aut subsecutam regiminis, et administrationis possessionem, Paul IV, Cum ex apostolatus officio
Roncalli, Montini und Woytila waren, obschon als Modernisten bekannt, waren keine eigentlichen Häretiker, denn ein Abfall vom Glauben kann ihnen nicht nachgewiesen werden. Vielmehr zeichneten sich durch eine Haltung aus, die man deswegen als verwegen bezeichnen kann, weil sie gemäss Melchior Canos
Temeritas porro non uno et simplici modo intelligitur. Temere enim ea quandoque fieri dicimus, quae non consilio, sed fortuito geruntur Locis theologicis 12.c.10 nicht abgewogenen Überlegungen, sondern der menschlichen Willkür entspringt. Als solche kann sie zwar eine Abschwächung des Glaubens, jedoch nicht dessen Vernichtung bewirken.
Quaedam enim sunt catholicae veritates, quae ita ad finem pertinent, ut his sublatis, fides quoque tollatur. Quas nos usu frequenti, non solum catholicas, sed fidei veritates appellavimus. Aliae veritates sunt etiam ipsa catholicae et universals, nempe quas universa Ecclesia tenet, quibus licet eversis fides quatitur, sed non evertitur. Op. cit. Wir wollen es am Beispiel der von Paul VI beschlossenen Liturgiereform verdeutlichen .
Die Abschaffung des Lateins als Kirchensprache versuchte des Frevlers Montini
Zitiert in: Marcel Lefebvre: Sie haben ihn entthront, 228 mit den Worten zu rechtfertigen. „Die Antwort scheint banal und prosaisch, doch sie ist gut weil menschlich und apostolisch. Das Verstehen des Gebetes ist wertvoller als die altertümlichen Seidenkleider, mit denen es sich königlich geschmückt hatte. Wertvoller ist die Teilnahme des Volkes, dieses Volkes von heute, das will, dass man deutlich zu ihm spricht, auf eine verständliche Art, die es in seine profane Sprache übersetzen kann. Wenn die edle lateinische Sprache uns abgeschnitten hat von den Kindern, von der Jugend, von der Welt der Arbeit und des Geschäfts, wenn sie ein undurchlässiger Schirm war, statt transparenter Kristall zu sein, stellen wir dann als Seelenfischer die richtige Rechnung an, wenn wir ihm weiter die Alleinherrschaft in der Sprache des Gebets und der Religion beließen?“
Andrea Tornielli: Paolo VI, l’audacia di un Papa, Oscar Mondadori 2009, 533 ff. Wie alle aus der liturgischen Bewegung hervorgegangenen Würdenträger war auch der Frevler Montini von der Wahnvorstellung geradezu besessen, Liturgie sei vor allem ein Tun der in der Kirche versammelten Gläubigen. Daher betrachtete er die Verwendung der Volkssprache in der Liturgie als das geeignete Mittel zur richtigen Erziehung des Kirchenvolkes und damit zur Wiederbelebung des Gottesdienstes. „se escludiamo la lingua volgare dalla liturgia, perdiamo indubbiamente un’ottima occasione per educare rettamente il popolo e restaurare il culto divino. » Zitiert von Andrea Tornielli (FN 25 ) Man kann an dieser Erklärung einen die Konzilskirche prägenden Leitgedanken erkennen. Er lautet: ist unser apostolisches Wirken noch zeitgemäss? Jeder Modernist glaubt, dass die Schwierigkeiten nicht der Sache selbst entspringen, sondern von der Art und Weise wie selbige vermittelt wird. Er ist daher von der Vorstellung besessen, mit Neuerungen könne der Glaube jenen Menschen nahe gebracht werden, die sich ansonsten von ihm abwenden würden. Diesem Leitgedanken ist insofern auch die Liturgie zum Opfer gefallen, als sie nicht mehr als heilige Handlung sondern zum Mittel zur Stiftung von Gemeinschaft erniedrigt wurde. Es war verwegen, sich anzumassen, eine an den Zeitgeist angepasste neue Kirche stiften, die in der Lage wäre, den Menschen von heute anzusprechen.
Wenn wir diesen Text im Einzelnen durchgehen, so werden wir feststellen, dass er vom rechtlichen Standpunkt aus betrachtet, einige Irrtümer enthält. Ein Irrtum ist eine der Wirklichkeit nicht entsprechende Vorstellung.
Von Thur/Peter: Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationsrechts, Bd.1, 179 Das Nichtentsprechen bezieht sich auf den Zweck der liturgischen Handlung. Das Ziel der Liturgie ist nicht die Erziehung des Menschen zur Gemeinschaft, sondern die Anbetung und Verherrlichung Gottes im unblutigen Sühneopfers unseres Erlösers. Auch einfache Menschen können es erkennen, sofern sie reinen Herzens das Geschehen am Altar wahrnehmen. Unvergesslich bleibt mir die Erinnerung an eine Totenmesse im Herzen Afrikas, wo die Arbeiter einer Pflanzung das „libera me“ in lateinischer Sprache sangen. Wenn der Frevler Montini diesen Menschen, das Volk von heute gegenüberstellt, das will, dass man deutlich zu ihm spricht, auf eine verständliche Art, die es in seine profane Sprache übersetzen kann, so setzt er damit einerseits eigenwillig das Wertempfinden einer bestimmten Volksschicht über dasjenige der übrigen Volksschichten. Anderseits lässt er sich auf ein Wagnis ein, ohne die daraus entspringenden möglichen Nachteile in Erwägung zu ziehen. Schliesslich missbrauchte er auf diese Weise das von den Gläubigen seinem Amt entgegengebrachte Vertrauen dadurch, dass er von ihnen eine Leistung abforderte, für die es keine Rechtfertigung gibt.
Mit der Abschaffung des Lateins als Kultsprache ist die Kirche in keiner Weise ihrem apostolischen Auftrag gerecht geworden. Im Gegenteil, durch die Verwendung der Alltagssprache wurde die Liturgie zum sozialen Ereignis erniedrigt mit der Folge, dass vielen Gläubigen der Sinn für das Heilige abhanden gekommen ist. Von einer Häresie oder einem Glaubensabfall kann dennoch nicht die Rede sein. Dazu bemerkt der Erzbischof: „Ohne dass die Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes ins Spiel gebracht wurde, vielleicht sogar ohne dass jemals eine Häresie im eigentlichen Sinn vertreten wurde, wohnen wir der systematischen Selbstzerstörung bei.“
Sie haben ihn entthront, 148
Die Abschaffung des Lateins zu Gunsten der Alltagssprache ist eine der vielen Untaten der Konzilspäpste. Diese Untaten reichen aber nicht aus, um die Rechtmässigkeit ihrer Wahl zu bestreiten und sie zu nichtrechtmässigen Besetzer des Stuhles Petri zu erklären. Bei jeder Papstwahl entäussert sich die Kirche vertreten durch die im Konklave anwesenden Kardinäle ihrer Vollmacht zu Gunsten von einem der anwesenden Kardinäle. Auf diese Weise geben die Kardinäle dem Gewählten ihre Zustimmung, die Kirche in dem Ausmass zu prägen, als er Schwerpunkte setzen wird. Vom soziologischen Standpunkt aus gesehen kann angenommen werden, dass es Gewinner und Unterlegene gibt, wodurch die Wahl jedoch nicht ungültig wird. Roncalli, Montini und Woytila gelten deshalb als gültig gewählt, weil sie die grösste Anzahl Stimmen auf sich vereinigen konnten und keiner der an der Wahl beteiligten Kardinäle die Wahl dadurch angefochten hat, dass er sie – obschon sie es in der Tat war - als manipuliert bezeichnet hätte. Wäre es geschehen, so hätte man daraus auf ein potentielles Schisma schliessen können.
Wer also behauptet, derjenige welcher den Stuhl Petri besetzt hält, sei nicht der wahre Papst, sondern ein Eindringling vertritt entweder eine schismatische Haltung oder er trägt die Beweislast nachzuweisen, dass der Ausgang des Konklaves das Ergebnis einer Manipulation war. Sollte ein solcher Nachweis gelingen, müsste angenommen werden, dass das Kollegium der Kardinäle, die im Konklave die Kirche zu vertreten hatten, als Ganzes versagt hat. Der Erzbischof selbst, hat diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen, doch er meinte, dass es dazu einer Erklärung seitens eines vom Modernismus befreiten Lehramtes bedürfe. Bis zu diesem Zeitpunkt, so meinte er, sei es ein geringeres Übel die Rechtmässigkeit desjenigen anzuerkennen, der den Stuhl Petri besetzt halte. In diesem Sinne erklärte er abschliessend: „Vielleicht werden in dreißig oder vierzig Jahren eine Anzahl vom Papst zusammengerufene Kardinäle das Pontifikat Pauls VI einer Prüfung unterziehen und erklären, gewisse gegen die Tradition gerichtete Anordnungen dieses Papstes hätten seinen Zeitgenossen ins Auge springen müssen. Bis es so weit kommt, ziehe ich es jedoch vor, jenen als den rechtmäßigen Papst anzuerkennen, der auf dem Stuhle Petri sitzt und sollte man eines Tages zur Gewissheit gelangen, dass er kein Papst war, so werde ich dennoch meine Pflicht getan haben“.
Tissier de Mallerais: op.cit. 532, Diese Möglichkeit schliesst Don Francesco Ricossa nicht aus, vgl. hierzu: Il Papa del Concilio in Sodalitium: Anno X, Sem. I, Aprile 1993, 21 ff. vgl. auch eine sorgfältige Lektüre von Roberto de Mattei: Il Concilio Vaticano II, Una storia mai scritta, 2010 Lindau S.r..l. Torino, 109 ff. lässt es ebenfalls vermuten
Mit unseren Ausführungen wollten wir die enge Verbindung zwischen Kirchenkrise und Konzilspapst aufzeigen. Ungeachtet dessen ob Benedikt XVI der rechtmässige Papst ist oder nicht bedeutet diese Krise, dass es für den Rechtgläubigen heute keine persönliche Instanz mehr gibt, deren Urteil in Glauben und Sittenfragen unwiderruflich ist und an der er sich orientieren könnte. Ein solcher Zustand ist aber kein natürlicher Zustand, denn letztlich ist ein Papst, für den man zwar betet, dessen Anweisungen jedoch im besten Falle nicht beachtet werden, so gut wie inexistent. Mit anderen Worten, der Sitz Petri wird in lehrmässiger Hinsicht faktisch für vakant gehalten. Ein solcher Zustand stellt eine Lücke dar, die es zu schliessen gilt und der Fall Siri könnte dazu der notwendige Schlüssel sein.
Der nichtgewählte Papst
Ist der Verdacht berechtigt?
Angesichts der zurzeit stattfindenden Rom Gespräche und der daraus hervorgegangenen Unklarheit erachte ich eine Behandlung des Falles deshalb für unumgänglich, weil es zu vermeiden gilt, dass sich gewisse Irrtümer aus der Vergangenheit wie beispielsweise die zwischen dem Erzbischof und Kardinal Ratzinger unterzeichnete Einigungserklärung in Zukunft wiederholen. Solche Irrtümer, sind nicht etwa die Frucht einer böswilligen Gesinnung, sondern der Mangel an Einsicht in geschichtlichen Notwendigkeiten. Daher gilt es aus der Sicht einer Kulturphilosophie die ihrerseits Teil der Geschichtsphilosophie ist, jene Zusammenhänge aufzuweisen, deren Verständnis eine sachbezogene Bewertung des Verhältnisses zwischen modernistischem Rom und Rechtgläubigkeit möglich machen können. Ich möchte aber zugleich unterstreichen, dass ich über keinen kirchlichen Auftrag verfüge, um greifbare Schlüsse aus meinen Ausführungen ziehen zu können. Da sie können keine Lösungen von mir erwarten dürfen, werden sie sich mit Feststellungen begnügen müssen.
Ausschlaggebend für die Geschichtsphilosophie sind zwei Einsichten. Der Mensch ist einerseits jenes Subjekt, das die Folgen eigenen und fremden Tun zu tragen hat. Anderseits existieren Menschen keineswegs als allein stehende Subjekte, sondern stehen in einem kommunikativen Verhältnis zueinander. Daher ist der einzelne Mensch einem auf ihn einwirkenden Gesamtzusammenhang - Welt genannt – ausgesetzt. Von da bezieht er Eindrücke, die er weiterverarbeitet und an den gleichen Gesamtzusammenhang zurückgibt. Diese Einsichten sind ebenfalls auf das Papsttum als historisches Subjekt und nicht als Stiftung göttlichen Rechts anwendbar. Als Träger einer Einrichtung göttlichen Rechts verfügt der Papst über die Gestaltungsfreiheit, Bestimmungen zu erlassen und sie mit geeigneten Mitteln durchzusetzen. Er hat dafür auch die Folgen zu tragen. Als historisches Subjekt hat er jedoch die Kirche so zu regieren, dass sie als Körperschaft nicht auseinander fällt, was nur möglich ist, wenn er sie mit und nicht gegen die Bischöfe regiert. Mit anderen Worten, er hat auf die Bischöfe zu hören und deren Anliegen, soweit sie nicht den Glauben antasten, zu berücksichtigen. Für Kardinal Siri ist ein solches Nebeneinander von göttlicher Stiftung und geschichtlicher Subjektivität ein Merkmal kirchlicher Verantwortung
Ogni uomo, che nella chiesa ha avuto responsabilità ed insieme chiara valutazione di se stesso e delle cose, ha sempre saputo che la sua competenza personale dovuta alle doti poteva essere molto più ristretta della sua competenza giuridica. Il Concilio ecumenico significato teologico e funzione storica, in : La giovinezza della chiesa, Testimonianze, documenti et studi sur Concilio Vaticano II, 38.
Ich habe damit den Standort festgelegt, von wo aus ich das Thema angehen möchte. Es soll aufgezeigt werden, welche Rolle die in Frage kommenden Notwendigkeiten im Falle Siri gespielt haben. Den Ansatz unserer Untersuchung bildet die Frage, ob es ein glaubhaftes Zeugnis dafür gibt, dass er entweder gewählt wurde oder hätte gewählt werden können.
Das Vermächtnis als Zeugnis
Mit Zeugnis wird die Funktion eines Gegenstandes bezeichnet. Sie besteht darin, hinsichtlich eines Sachverhaltes, den man vermutet, Gewissheit zu vermitteln. In unserem Falle vermuten wir, dass die Kardinäle, welche die Konzilspäpste gewählt haben, entweder nicht die richtige Wahl getroffen haben, oder dazu genötigt wurden, eine falsche Wahl zu treffen. Nachdem festgestellt wurde, dass die den Konzilspäpsten angerechneten Untaten nicht ausreichen, um sie nicht als die rechtmässigen Inhaber des Stuhles anzusehen, gilt es die Teilnehmer selbst zu befragen. Da sie nicht mehr unter den Lebenden weilen, gilt es jene Zeugnisse herbeizuziehen, dessen Urheberschaft ihnen unmissverständlich zugerechnet werden kann. Dazu gehören die Tonbandaufzeichnung Kardinal Siris.
Vom Kardinal selbst besitzen wir zwei Aufzeichnungen zum Konzil, wovon die eine für die Öffentlichkeit bestimmt war, die andere jedoch erst nach seinem Tode von einem mit den Verhältnissen im Vatikan bestens vertrauten Publizisten mit Namen Benny Lai unter dem Titel „Der nicht gewählte Papst – Giuseppe Siri, Kardinal der heiligen römischen Kirche“ veröffentlicht wurde. Sie stützt sich Tonbandaufzeichnungen die ihm vom Kardinal übergeben wurden und Erklärungen, die der Kardinal ihm gegenüber gemacht hat. Die Echtheit der Tobandaufzeichnungen ist bis heute nicht bestritten, sondern im Gegenteil anerkannt worden. Zuletzt von Monsignore Agostino Marchetto
Das II. Vatikanische Konzil: Hermeneutische Tendenzen von 1990 bis heute“, in: Theologisches Jhrg.35 Nr.12, 754 ff. der sie sowohl in seinem in „Theologisches“ erschienen Artikel über die Auslegung des Konzils als auch in seiner kritischen Studie über die verschiedenen Auslegungen des Konzils als Bekenntnisse des Kardinals identifiziert hat
Agostino Marchetto: Il Concilio Ecumenico Vaticano II, Contrapunto per la sua Storia. Man kann durch das ganze Werk hindurch unterscheiden zwischen den Aufzeichnungen des Verfassers nach Berichten des Kardinals und was der Kardinal selbst berichtet. Letztere sind unter den Fussnoten mit Angaben des Datums aufgeführt. Daneben verfasste der Kardinal eine Menge Anweisungen grundsätzlicher Art an den Klerus seiner Diozöse. Schliesslich gibt es noch eine theologische Abhandlung mit dem Titel Gethsemani von ihm, wo der Kardinal zu den neuzeitlichen Strömungen in der Theologie Stellung nimmt.
Man kann die Aufzeichnungen des Kardinals als Zeugnisse eines Willens bezeichnen, welchem sowohl ein subjektives als auch ein objektives Moment anhaftet. Objektiv sind die, das Leben der Kirche betreffende, Fakten. Subjektiv hingegen ist der Wille diese Fakten festzuhalten und sie davor zu bewahren, der Vergessenheit anheimzufallen. Die gleichen Fakten können aber auch Gegenstand mehrer Aufzeichnungen sein und in einem solchen Falle entsteht zwischen den verschiedenen Aufzeichnungen eine Beziehung die man Konkurrenz nennt. Sie spielt nicht nur im Rechtswesen, sondern auch in der Geschichtsphilosophie eine entscheidende Rolle.
Zur Konkurrenz in der Rechtswissenschaft, vgl: Klaus-Wilhelm Canaris: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 87 ff. Lassen sich aus den verschiedenen Aufzeichnungen die gleichen Schlussfolgerungen ziehen, so ist ihre Konkurrenz problemlos. Gewinnt man aus den verschiedenen Aufzeichnungen unterschiedliche Schlussfolgerungen, so stellt sich die Frage, ob sich die verschiedenen Schlussfolgerungen einander ausschliessen oder ergänzen.
Der letzte Punkt scheint mir deshalb wichtig, weil man sich bei der Lektüre der Schriften des Kardinals sehr leicht der Gefahr aussetzt, dort Widersprüche zu vermuten, wo es in Wirklichkeit gilt, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen der eigenen Gesinnung und der Zugehörigkeit zur Kirche als das die eigene Subjektivität umgreifende Ganze. Aus diesem Spannungsverhältnis ist eine Zweigleisigkeit hervorgegangen zwischen jenen Aufzeichnungen, die der Kardinal für die Öffentlichkeit gemacht und jenen wo er mit sich selber im Gespräch ist und erst nach seinem Tode veröffentlicht wurden. Man kann hinter dieser Zweigleisigkeit ein Ereignis vermuten, das ihn äusserst betroffen haben muss, nämlich die Papstwahl von 1963 aus welcher Montini am dritten Tag erfolgreich hervorging.
Malachi Martin hat gegenüber zwei Vertretern der französischen Rechten eine schriftliche Erklärung über den Verlauf dieses Konklaves abgegeben..
Das Zeugnis von Malachi Martin
Malachi Martin, der ehemalige Sekretär von Kardinal Bea, soll über die beiden Konklaven an denen er teilgenommen hat und wo es um die Wahl Kardinal Siris ging, anlässlich mehrerer Zusammenkünfte zwischen ihm und Vertretern der französischen Rechten, laut deren Zeugnis folgende schriftlichen Erklärungen abgegeben haben:
1. Zwei Mal wurde der Kardinal an Stelle von Paul VI und Johannes Paul II zum Papst gewählt. Beide Male war er auf Grund gegen seine Familie erhobener Drohungen genötigt, nicht anzunehmen. Diese Drohungen hat ein anderer Kardinal gegen ihn vorgebracht.
2. Nachdem der Kardinal seine Wahl vernommen und vom Inhalt des Schreibens, das ihm von einem anderen Kardinal überreicht wurde, Kenntnis genommen hatte, soll einer der drei Kardinäle, die dem Konklave bevorstanden, sich ihm genähert und ihn gefragt haben, ob er die Wahl annehme. Darauf habe der Kardinal sich aufgerichtet und in einem unpersönlichen Ton seine Weigerung in lateinischer Sprache vorgetragen haben. Als Grund soll er die Furcht "propter metum" angegeben haben.
3. Wegen der Art, wie der Kardinal geantwortet habe, könne man das Konklave für ungültig erklären
Gemäss der Konstitution „Commissum nobis“ des heiligen Pius X, ziehen Kardinäle, welche – wie im Falle Rampollas – bei einer Papstwahl den Anweisungen einer weltlichen Macht Folge leisten, die Strafe der Exkommunikation auf sich. Auf diese Schrift dürfte sich Artikel 166 des Codex iuris canonicum von 1917 gemäss welchem eine die Wahl in ein kirchliches Amt dann für ungültig zu halten sei, wenn sie auf eine Einmischung von Laien zurückgehe. Außerdem erklärt Artikel 169 des gleichen Codex, eine Wahl sei dann ungültig, wenn sie mit Hilfe von Drohungen und List bewerkstelligt wurde. Da laut Malachi Martin beide Mittel in den genannten Konklaven angewendet wurden, drängt sich einem die Frage auf, ob Paul VI und Johannes Paul II, obschon sie so tun, als wären sie Päpste, es in Wirklichkeit nicht sind.
Die These Malachi Martin’s besitzt insofern Glaubwürdigkeit als Kardinal Siri als der Kronprinz Pius XII galt und somit die besten Voraussetzungen mit sich brachte, um die Kirche auf dem von Pius XII eingeschlagenen Kurs weiterzuführen. Für die Möglichkeit, dass er sich gegenüber Montini erfolgreich durchsetzen könnte sprach:
dass er über eine grössere seelsorgerische Erfahrung verfügte als der Erzbischof von Mailand, war er doch seit fast zwei Jahrzehnte der hochgeschätzte Oberhirte einer der grössten Diozösen Italien,
den unverfälschten katholischen Glauben mit soliden theologischen Argumenten zu vertreten verstand,
Ein Hindernis für seine Wahl war hingegen, dass er für die Modernisten der rheinischen Allianz ein rotes Tuch war, hatte er doch mehrmals die auf politischer Rhetorik beruhende Seelsorge Montini’s aufs schärfste angegriffen. Ohne seinen Namen zu nennen hatte er in einem Hirtenschreiben, wo er den Primat der Wahrheit betonte, jene angegriffen, die dem literarischen Instinkt den Vorrang gegenüber der theologischen Wahrheit einräumen
Esiste infatti una produzione nella quale è chiaro che la Teologia fa le spese dell’estro letterario, Il Primato della Verità, Lettere pastorali sull’ortodossia, 3 . Seine Ablehnung begründet er damit, dass Leute mit einer Vorliebe für die Literatur dazu neigten, die Dinge zu dramatisieren. Damit würde man die Seelen dazu treiben, sich mit Fragen abzugeben, die es deswegen nicht der Mühe wert seien, weil die Antworten bereits vorliegen würden. Dazu rechnet er die Versöhnung von Humanismus und Gnade oder die Vereinbarung von weltlicher und göttlicher Liebe. Eine klare Anspielung auf Jacques Maritains „Humanisme intégral“ ein Werk, das die politische Rhetorik Montinis massgebend beeinflusst hatte
All’istinto letterario vien bene, ad esempio, fare del dramma. Nel campo delle idee i drammi si fanno coi problemi accascianti, coi dubbi mortali, colle questioni tragiche, cogli stati d’animo arrossati e frementi. Ecco allora creare prospettive, creare scorci intellettuali coi quali gettare le anime in un ansimante ricerca di cose che non vale la pena di cercare, per il fatto che sono già trovate. Ecco che ci si chiede allora, e ad esempio, come si fa a conciliare umanesimo e grazie, ossia amore del mondo e amore di Dio. ibd. 3/4. Auch hatte er die anfangs der sechziger Jahre in Italien unter der Führung des später ermordeten linken Christdemokraten Aldo Moro – einem engen Freunde Montinis – angestrebte und später zustandegekommene rot-schwarze Allianz als unvereinbar mit dem katholischen Glauben erklärt
Esistono in Italia pubblicazioni facenti capo a correnti politiche, le quali per scopi siti evidentemente al livello puramente politico comportano stati d’animo ed affermazioni difficili a conciliarsi con l’ortodossia cattolica. Ibd..
Ausserdem hatte der Kardinal eine der Lieblingsthesen der Modernisten verworfen, dass sich mit Hilfe der einzelnen Personen geschenkten Gnade und ohne Mitwirkung der Kirche eine rein innerweltliche Ordnung bewerkstelligen liesse. Eine solche Gesinnung kann nach Auffassung des Kardinals nur jemand vertreten, der sich entschlossen hat, auf die Freundschaft Jesu Christi zu verzichten.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass Drohungen gegen Siri vorgebracht wurden, was jedoch nicht bedeutet, dass man sie auch wahr gemacht hätte. Es hätte sich nämlich ebenso gut um Versuche handeln können, um das traditionalistische Lager einzuschüchtern. Auch steht keineswegs fest, dass der Kardinal ohne diese Drohungen die Wahl angenommen hätte. Es ist demzufolge eine allzu grobe Vereinfachung, wenn man aus den Ausführungen Pater Malachis die Folgerung zieht, Kardinal Siri sei das einsame Opfer einer modernistischen Verschwörung gewesen. Manchmal können Verschwörungstheorien auch ein Mittel sein, um das Versagen des eigenen Lagers zu verbergen. Gegen die Verschwörungstheorie spricht:
1. Die Wahl des Kardinals zeigt, dass er genügend Rückgrat im konservativen Lager besaß,
2. Es ist unwahrscheinlich, dass der Kardinal nicht die Mittel besaß, um den gegen seine Familie vorgebrachten Drohungen entgegenzuwirken,
3. Man kann den Fall Siri nicht als Einzelfall ansehen, denn laut Reinhard Raffalt
Reinhard Raffalt: Wohin steuert der Vatikan, 22, einem vorzüglichen Kenner der Vatikanszene, soll die Wahl Montinis deshalb bereits am zweiten Tag deswegen zustandegekommen sein, weil der Wortführer der Traditionalisten, Kardinal Ottaviani, am zweiten Tag des Konklaves in einem beachtenswerten Akt der Selbstüberwindung seine Partei zum Einlenken aufgefordert haben, indem er eine herzliche Rede auf Montini hielt und zur Einigkeit mahnte.“
Die soeben aufgezeichneten Tatbestände möchte ich einer geschichtsphilosophischen Untersuchung unterziehen.
Die Folgen einer unglücklichen Entscheidung
Ein massgebendes Tatbestandselement der Tragödie liegt darin, dass die Folgen einer Fehlentscheidung erst erkannt werden, nachdem der Schaden bereits angerichtet wurde. Als Möglichkeit bleibt dann nur noch die Einsicht in das eigene Verschulden übrig. Platon spricht darüber am Ende seines siebenten Briefes, wo er über den Tod seines Freundes Dion, der dem Tyrannen von Syracus ins Netz lief und dafür mit seinem Leben bezahlen musste, folgendes sagt: Der für alles heilige Recht lebende Mann bestialischen Menschen gegenüber, wenn er Besonnenheit und Verstand übt, täuscht sich sich zwar im ganzen niemals über die Seelenverfassung solcher Leute; aber dabei hat es nichts Auffällendes, wenn ihm dabei vielleicht passiert, was manchmal dem tüchtigen Steuermann begegnet, dem zwar das Kommen des Sturmes nicht unbekannt ist, wohl aber die ungewöhnliche und unerwartete Grösse der Stürme, und den daher der Sturm nur zugrunde richten konnte durch seine aller menschlichen Berechnung überlegene Gewalt.
Werke, Band III, 351 C-352A
Das von Platon entworfene Bild lässt sich auch auf das Konzil übertragen, denn so wie der Sturm ist im modernen Zeitalter auch ein Konzil ein Gefahrenpotentital für die Kirche. Am Aufkommen eines derartigen Gefahrenpotentials waren der Tradition verpflichteten Kardinäle deswegen nicht ganz unschuldig, weil sie mit ihrem Mangel an Weitsicht eindeutig das Gebot der Klugheit verletzt hatten.
Ausschlaggebend für die Wahl Johannes XXIII waren die Stimmen Ottavianis und Ruffinis, also zweier der Tradition angehörenden Kardinäle. Dabei hatten sie sich hinsichtlich dessen, wozu Kardinal Roncalli fähig war, schwer getäuscht. Als Gegenleistung für ihre Zustimmung hatten sie dem Kardinal das Versprechen abgerungen, die Einberufung eines Konzils zu erwägen und Montini von Rom fernzuhalten. Damit hatten sie nicht nur die von Kardinal Billot ausgesprochene Warnung missachtet, sondern ebenso eine völlige Unkenntnis der geistigen Situation des Katholizismus ausserhalb Einflussbereichs Roms bewiesen.
Auf diesen Punkt möchte ich deswegen näher eingehen, weil der nichtrömische Katholizismus war, welcher sich am Konzil durchsetzte, eindeutig von einer antirömischen Gesinnung geprägt war. Im Namen dieser Gesinnung hat Hans Urs von Balthasar dem römischen Katholizismus vorgeworfen, mit seiner antimodernistischen Haltung, eine Menschheit, die ihrer Einheit auf diesem Erdball und der Pflicht ihrer Selbstverwaltung erstmalig bewusst wird, nicht ernst genommen zu haben.
Hans Urs van Balthasar: Schleifung der Bastionen, 7. Die Kirche könne aber„nicht anders als mit der Menschheit zusammen dieser kosmischen Lage und Aufgabe sich vergewissern und versehen.“ Ein weiterer gegen die Kirche erhobener Vorwurf hat der gleich Hans Urs von Balthasar so formuliert: „Vielleicht hat sie nach der Reformation allzu lang in ihrer Gegenreformation die alten gedanklichen Rahmen des Mittelalters weitertradiert; wir erkennen es an der geringen Hilfe, die wir erhalten, wenn wir in unserer Not uns an die Barocktheologie wenden: ihre Verwandtschaft mit ihrer eigenen Vergangenheit springt in die Augen, ihre Verwandschaft mit ihrer Zukunft nicht.
Ebd. 7/8 Sein abschliessendes Werturteil: Dies „Abseitsstehen, Mit-sich-selber-beschäftigt-sein hat bei den Jungen, die sich jedenfalls auf Wandlungen – Katastrophen – gefasst machen und sie mitvollziehen gewillt sind, ein Gefühl des Unbehagens, ja der Unwirklichkeit gegenüber der alten und soviel Altersweisheit dozierenden und fordernden Kirche geweckt.“ Dass eine solche Gesinnung einen Flächenbrand auslösen würde, hätte man sich leicht vorstellen können.
Man darf nicht den Irrtum verfallen, und den Modernisten als Mann ohne Grundsätze ansehen. Im Gegenteil der Modernist ist jemand, der um jeden Preis wirken zu müssen glaubt. Im Namen dieser Ueberzeugung bemüht er sich Regeln zu finden, die ihm den Erfolg gewährleisten. Als Triebfeder seiner Handlungen ist ihm der Glaube willkommen, doch duldet er keinen Misserfolg. Die neuere Theologie ist ein Kind dieses Willens zum Erfolg und wo nach dem zweiten Weltkrieg und unter ihrem Einfluss eine solche Gesinnung hervorging, war zugleich auch der geeignete Nährboden für den Oekumenismus vorhanden. Mit einem Modernisten wie Johannes XXIII an der Spitze der Kirche war damit für den Oekumenismus eine günstige Ausgangslage geschaffen, um auf höchster Ebene erfolgreich zu sein. Von einem geschichtsphilosophischen Gesichtspunkt aus betrachtet, ist demnach die Entscheidung der Kardinäle Ottaviani und Ruffini als Irrtum mit verhängnisvollen Folgen zu bezeichnen.
Sie sollten sich dessen bald bewusst werden, denn der vom neuen Oberhaupt ausgehende Gesinnungswandel ließ nicht lange auf sich warten. Mit der Ankündigung des Konzils machte sich ein Widerstand gegen den römischen Herrschaftsstil bemerkbar. Zur gleichen Zeit erschien die Schrift von Hans Küng mit dem Titel „Konzil und Wiedervereinigung“, wozu die Kardinäle König und Liénart das Vorwort schrieben. Auch gab Johannes XXIII dem Vorschlag Kardinal Beas zur Errichtung des Sekretariates für die Einheit der Christen statt. Yves Congar, ein unter Pius XII verurteilter von Johannes XXIII als Experte zugelassener Theologe sieht in dieser Errichtung einen allmählich sich abzeichnenden Gesinnungswandel unter dem weitaus menschlicheren und christlicheren Pontifikates Johannes XXIII. Von Rom dazu ermutigt, sollte es fortan möglich sein ökumenische Standpunkte zu vertreten.
Bien des evêques, sans doute, qui y avaient été fermés jusque-là s’ouvriraient à quelque idée œcuménique, puisque Rome y était favorable. Mon Journal du Concile, I/4. Dieses Sekretariat – im wahrsten Sinne ein troianisches Pferd in der Stadt Gottes - entwickelte sich unter Johannes XXIII zu einem Parallelorgan zur Kurie und wurde kurz vor dem Konzil in den Rang einer Konzilskommission erhoben. Mit dem unheilvollen Wirken dieser Einrichtung sollten Ottaviani und die übrigen Traditionalisten am Konzil eine traurige Erfahrung machen.
Somit war das Konklave von 1963 zwar massgebend von den von Johannes XXIII während seines Pontifikates getroffenen Entscheidungen geprägt, wofür jedoch auch die der Tradition verpflichteten Kardinäle insofern verantwortlich waren, weil sie ihn 1958 gewählt hatten. Rechtlich gesehen beruhte ihre Zustimmung auf einem Eventualvorsatz, denn Kardinal Roncalli war als Modernist bekannt. Sie mussten demzufolge mit einem vom Modernismus geprägten Pontifikat rechnen.
Während seines Pontifikates hatte aber Johannes XXIII Präjudizien geschaffen, die es zu beseitigen galt. Ein Präjudiz ist eine von der zuständigen Instanz getroffene Entscheidung die als Vorgabe für ähnliche Fälle dienen wird. Mit anderen Worten, es handelt sich um die normierte Anwendung einer Norm auf eine konkrete Sachlage. Diese Norm lautete: so oekumenisch wie möglich, so katholisch wie nötig. Solche Anweisungen standen eindeutig im Widerspruch zu den herkömmlichen Glaubensregeln. Zwar erntete Johannes XXIII damit den Beifall der Modernisten machte aber gleichzeitig damit sein Pontifikat zu einer Belastung für jeden Rechtgläubigen. Auf diese Weise spaltete sich das Lehramt der Kirche als rechtliche Körperschaft in zwei Lager, einem der römisch-traditionalistischen und einem anderen der neueren Theologie verpflichteten Lager. Dadurch war bei seinem Tode Johannes XXIII die Gefahr eines Schismas in greifbare Nähe gerückt.
Johannes XXIII hatte das Konzil einberufen, um der von ihm beschlossenen Neuorientierung Geltung zu verschaffen. Ein unverdächtiger Zeuge bestätigt es. Beim Tode Pius XII erklärte Dom Lambert Beaudouin, ein mit Roncalli befreundeter belgischer Benediktiner und Vorkämpfer des Oekumenismus: "Fällt die Wahl auf Roincalli, so ist alles gerettet, denn er wäre in der Lage in Konzil einzuberufen und den Oekumenismus zur Norm zu erheben. Ich bin vertrauensvoll, denn unsere Stunde scheint gekommen zu sein. Die meisten Kardinäle wissen nicht was sie tun sollen und sind in der Lage Roncalli ihre Stimme zu geben." Dank der Komplizenschaft Johannes XXIII war es den Modernisten gelungen, die Oberhand über diese Versammlung zu gewinnen. Sollte der unversehrte Glaube der Kirche bewahrt bleiben, so galt es das Konzil umgehend zu vertagen und die von Johannes XXIII beschlossene Neuorientierung für nichtig zu erklären. Mit einem solchen Schritt hätte man gleichzeitig Johannes XXIII beschuldigt, seine Aufgabe überhaupt nicht oder nur schlecht wahrgenommen zu haben.
Der Fall Rahner war einer der vielen unheilvollen Beschlüsse die der angeblich gute Papst im Lichte der von ihm nach dem Grundsatz "so ökumenisch als möglich, so katholisch als nötig" eingeleiteten Neuorientierung der Kirche getroffen hatte. Das Vorgehen des heiligen Offiziums gegen Karl Rahner stand durchaus im Einklang mit der katholischen Glaubenspraxis, denn dieser hatte mehrmals zu dogmatischen Fragen Erklärungen abgegeben, die sich durchaus als häresieverdächtig bezeichnen lassen. Ausserdem zeichnete sich Karl Rahner durch Verhalten aus, das von mangelndem Respekt gegenüber der rechtmässigen Autorität geprägt war
Vgl. hierzu: David Berger: Karl Rahner: Kirchenlehrer im 20. Jahrhundert? In: Karl Rahner: Kritische Annäherungen, 14 ff.. Dementsprechend wäre die Verurteilung seiner Thesen und der damit verbundene Entzug der Lehrerlaubnis eine zur Bewahrung des unverfälschten Glaubens durchaus angemessene Maßnahme gewesen.
Auf die Fürsprache Kardinal Königs hatte Johannes XXIII das gegen Karl Rahner vom heiligen Offizium eingeleitete Verfahren willkürlich beendet und die Zulassung Rahners als Konzilsexperte gebilligt
Ausführliches zu dieser Frage in. L’influsso die Teologi Tedeschi sul Concilio Vaticano II, in
Si Si No No, Anno XIV, No: 7. Der Beschluss Johannes XXIII, die Einstellung des Verfahrens anzuordnen war keineswegs ein bedauernswerter Betriebsunfall, sondern dafür konkludent, dass seine Gesinnung nicht mehr katholisch, sondern ökumenisch war.
Das Vorgehen des heiligen Offiziums gegen Karl Rahner stand durchaus im Einklang mit der katholischen Glaubenspraxis, denn dieser hatte mehrmals zu dogmatischen Fragen Erklärungen abgegeben, die sich durchaus als häresieverdächtig bezeichnen lassen. Ausserdem zeichnete sich Karl Rahner durch Verhalten aus, das von mangelndem Respekt gegenüber der rechtmässigen Autorität geprägt war
Vgl. hierzu: David Berger: Karl Rahner: Kirchenlehrer im 20. Jahrhundert? In: Karl Rahner: Kritische Annäherungen, 14 ff.. Dementsprechend wäre die Verurteilung seiner Thesen und der damit verbundene Entzug der Lehrerlaubnis eine zur Bewahrung des unverfälschten Glaubens durchaus angemessene Maßnahme gewesen.
Die im Konklave versammelten Kardinäle dürften vor der Alternative gestanden haben, entweder das Pontifikat Johannes XXIII mit seinen Schwerpunkten, Oekumenismus, Verzicht auf Definitionen und Verurteilungen fortzusetzen oder es zu verwerfen. Eine solche Verwerfung wäre erfolgt, wenn Kardinal Siri die Wahl angenommen hätte und die vom heiligen Pius X festgelegte Garantenpflicht lautend: „Das Amt, welches Uns von Gott übertragen worden, die Herde des Herrn zu weiden, hat vor allem als Aufgabe von Christus zugewiesen erhalten, den Schatz des überlieferten heiligen Glaubens aufs sorgfältigste zu hüten und profane Neuerungen und Einwendungen der sogenannten Wissenschaft zurückzuweisen. Zu jeder Zeit ist diese Sorge des obersten Hirten dem katholischen Volke notwendig gewesen“ erneut bekräftigt worden wäre. Für die erste Möglichkeit eignete sich Kardinal Montini mit seiner liberalen Gesinnung zweifelsohne besser als Kardinal Siri, welcher für die Verteidigung des unversehrten Glaubens die bestens Voraussetzungen mit sich brachte.
Die Wahl Siris hätte die Glaubwürdigkeit des Kardinalkollegs als Wahlkörper in den Augen der Welt entscheidend verringert, denn wie konnte es einen Papst wählen, dessen Beschlüsse im Namen der Rechtgläubigkeit zu widerrufen waren. Vom juristischen Standpunkt aus gesehen lag im Augenblick der Wahl des Nachfolgers Johannes XXIII eine Unmöglichkeit vor. Sie war die Folge einer Anspruchskonkurrenz zwischen der Glaubwürdigkeit einerseits und der Zweckmässigkeit andererseits.
Ausserdem kann man kann man sich gut vorstellen, dass die zur rheinischen Allianz zusammengeschlossenen Modernisten ein gegen sie gerichtetes Pontifikat hingenommen hätten. Auch Kardinal Siri muss sich dessen bewusst gewesen sein, denn 1982 erklärte er anlässlich des zwanzigsten Jahrestages nach der Eröffnung des Konzils: „Wer im Konzil den Anfang gefährlicher Auseinandersetzungen sehe, verfälsche die Geschichte, wenn er nicht zugleich auch dem Konzil den Verdienst anrechne, diese Gefahr eingedämmt zu haben
Chi vede il Concilio come un principio di dispute dannose e non si accorge che queste hanno avuto un contenimento proprio da esso capovolge la Storia. La giovinezza della Chiesa, 205. Wenn also Siri sich geweigert hat, die Wahl anzunehmen, so spricht vieles dafür, dass er nicht bereit war, die Verantwortung für ein mögliches Schisma zu übernehmen und es vorzog ein Pontifikat unter einem Manne wie Montini mit all seinen Folgen für die Rechtgläubigkeit in Kauf zu nehmen. Mit dieser Entscheidung war das letzte Hindernis für die Wahl Montinis beseitigt. Damit ist auch gesagt, dass die Nichtwahl Siris in weitaus größerem Masse die Ratlosigkeit unter den Traditionalisten wiederspiegelt als eine seitens der modernistisch gesinnten Kardinäle inszenierte Verschwörung. Diese Ratlosigkeit war die Folge ihrer fünf Jahre zurückliegenden Entscheidung ihre Stimmen Roncalli zu geben. Sie hatten mit anderen Worten die Folgen ihres Tuns zu tragen.
Ein nichtbewältigtes Pontifikat
Die vorkonziliaren Traditionalisten waren keineswegs Opportunisten ohne Grundsätze, doch waren sie unfähig einzusehen, welche Skrupellosigkeit geltungssüchtige Machtpolitiker an den Tag legen können, wenn es darum geht, ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Man muss diese Unfähigkeit als einen Mangel bezeichnen und bekanntlich wirkt sich nach der Lehre des heiligen Thomas ein Mangel in den Voraussetzungen in den daraus entspringenden Folgen aus
Defectus in effectu et actione consequitur aliquem defectum in principiis actionis, ScG : III/Iv, 1891. Die Arbeiten Pater Simoulins
Michel Simoulin: Jean XXIII et l’oecuménisme, IIIe Congrès Théologique d’Albano Laziale, 1998 La <<bonté>> du pape avait donc un but bien précis: ces gestes, qui ont tellement frappés les imaginations qu’on en parle encore aujourd’hui, n’ont pas été de simples expressions d’un sentiment naturel, ou des mouvements spontannés et improvisés, ils ont été des manifestations d’une volonté délibérée du pape Jean d’imposer à l’église une nouvelle orientation, de changer quelque chose dans l’attitude, dans le language, et surtout dans la pensée des catholiques. M. Simoulin: Dossier sur Jean XXIII, Le Sel, de la terre, (36), 81 und Don Luigi Villas
Luigi Villa: Anche Giovanni XXIII beato? haben ein völlig anderes Bild vom angeblich guten Papst Johannes XXIII ans Licht gebracht, als dasjenige das die Progressisten an den Mann zu bringen versuchen. Johannes XXIII war sich hinsichtlich seiner Charakterschwächen durchaus bewusst, denn in seinem Tagebuch lässt sich folgende Eintragung lesen: Der Herr möge mich von meiner Eigenliebe reinigen, die wie P.Segneri sagt, drei Angriffspunkte hat: meinen Willen, der unstet auf seine Art wirken will; meinen Ruf, der keine Verachtung duldet; meine Bequemlichkeit, die Leiden haßt und Zeitvertreib liebt.
Geistliches Tagebuch 296 Diese drei Angriffspunkte kamen in der Eröffnungsrede Johannes XXIII zum Konzil ganz deutlich zum Vorschein.
Einem Manne von der Intelligenz Kardinal Siris muss diese Rede mit ihren hämischen Bemerkungen über die Rechtgläubigen und den darin enthaltenen Wunschvorstellungen die Augen geöffnet und ihm klargemacht haben, dass hier keine katholische Gesinnung mehr am Werk war und dass es jetzt galt mit allen Kräften einer Tendenz entgegenzuwirken, die die Kirche maßgeblich zu schwächen drohte. Auch muss es in ihm das Bewusstsein wachgerufen haben, dass er früher oder später in die Situation geraten könnte, wo man ihn dazu auffordern würde, als der Nachfolger Johannes XXIII auf dem Throne Petri diese Aufgabe zu übernehmen. Um das mögliche Schisma abzuwenden, muss es der Kardinal es jedoch vorgezogen haben, das Feld den Modernisten zu überlassen und sich in ein geistiges Exil zurückzuziehen.
Das Opfer, auch dann zu schweigen, wenn die vom Inhaber des Stuhles Petri getroffenen Beschlüsse und Verhaltensweisen Ratlosigkeit bei ihm hervorrief
Zur Niederlage der römischen Partei : vgl. Claude Barthe: La défaite du parti romain, in catholica no: 8, verrät uns eine Eintragung Siris vom 11.10.1962, wo er erklärt, er habe wenig von der Eröffnungsrede Johannes XXIII verstanden und das Wenige das er verständen habe, hätte von ihm einen Akt großen geistigen Gehorsams abgefordert
Ho capito poco del discorso del Papa: in quel poco ho subito avuto modo di fare un grande atto di obedienza mentale. A.a.O. 357.
Der Gehorsam war in der Tat für den Kardinal die einzige Alternative, um nicht die Führung der Opposition gegen den Verlauf des Konzils übernehmen zu müssen, die ihm zweifelsohne die Notwendigkeit vor die Augen geführt hätte, sich als Nachfolger Johannes XXIII wählen zu lassen, um in der Folge dessen Pontifikat zu verwerfen. Dies zeigt uns eine weitere Eintragung von ihm. Am 13. Oktober inszenierte die rheinischen Allianz angeführt von den Kardinälen Frings und Liénart und mit der Komplizität des Kardinaldekans Tissérant einen Staatstreich durch indem sie die von der theologischen Kommission ausgearbeitete Liste der Kandidaten verwarf. Ihr Ziel war es, die Kurie zu entmachten, um die Geschicke der Kirche während des Konzils in die Hände des vornehmlich modernistisch gesinnten weltlichen Episkopates zu legen. In seiner Eintragung spricht der Kardinal sein Unbehagen darüber aus, weist jedoch die Idee von sich, eine Gegenallianz ins Leben zu rufen. Obwohl er darin die Abneigung des Nordens gegen Rom erkennt, meint er man müsse mit Friedfertigkeit und Nächstenliebe darauf antworten
mi rendo conto di quanto equilibrtio occorra per non secondare né blocchi, né antiblocchi, dovendo pure fare fronte ad una situazione di intese, le quali in fondo procedono dal complesso eterno di inferiorità, che i nordici hanno verso Roma. Ma è meglio la carità e la pace! Op.cit. 361 .
Der Entscheid des Kardinals hatte deshalb schwerwiegende Folgen, weil er die Auflösung der unzertrennbaren Beziehung zwischen Gehorsam und Wahrheit bewirkte. Zwar vertrat der Kardinal keine Glaubensirrtümer, musste aber überall dort Zurückhaltung zeigen, wo die Gefahr bestand mit der offiziellen Kirche in Konflikt zu geraten. Bezeichnend dafür war seine Haltung gegenüber dem Erzbischofs in der Frage der Liturgiereform. Sie sei erfolgt weil die Kirche im Konzil das Bewusstsein von ihrer Universalität erlangt habe. Das Missale des heiligen Pius V habe zwar jahrhundertelang die kirchliche Frömmigkeit geprägt, doch sei es unvernünftig sich den von der Kirche beschlossenen Reformen zu widersetzen, denen man lediglich Gehorsam schuldig sei
Tali riforme sono venute perché il Concilio Vaticano II della universalità in qualche modo raggiunta dalla Chiesa. In particolare si insiste sul Missale di san Pio V. Esso ha accompagnato la pietà per secoli, ma è irragionevole la opposizione alle riforme operate dalla Chiesa, alla quale si deve prestare solamente obbedienza. Il dovere dell’ortodossia, 257.
Siris zweifache Eintragungen zum Konzil
Die von Johannes XXIII eingeleitete Neuorientierung der Kirche hatte Kardinal Siri wie auch die übrigen Traditionalisten in gespaltene Persönlichkeiten verwandelt. Als Kardinal mit der Kirche als soziale Körperschaft solidarisch, als Privatperson wusste er sich in der römischen Tradition verankert, welche für ihn mit der katholischen Tradition schlechthin war. In der gespaltenen Persönlichkeit der Traditionalisten muss der Grund für die heutige Kirchenkrise gesehen werden. Die Furcht vor einer Spaltung hat sie dazu geführt, dort nicht einzugreifen wo sie es hätten tun sollen und im Dialog das einzige Mittel zur Überwindung der Gegensätze zu erkennen
Il a existé partout une diversité de tendances, et un même attachement catholique a uni tous les acteurs de Vatican II. Yves Congar : Le Concile de Vatican II, son Eglise, peuple de Dieu et corps du Christ 9. Am Bemühen des Kardinals, den Kritikern des Konzils den Wind aus den Segeln zu nehmen, wird diese Gespaltenheit ganz besonders deutlich.
In seiner für die Öffentlichkeiten verfassten Bilanz der ersten Konzilsperiode kann man den Willen erkennen, das Konzil zu verteidigen ohne Glaubensirrtümer vertreten zu müssen. Als erstes ging es ihm darum, den Beschluss Johannes XXIII in ein richtiges Licht zu bringen, dass die Kirche fortan nicht mehr verurteilen müsse. Dazu begibt er sich daher auf einen neutralen Boden indem er das Thema von der Begegnung der verschiedenen Kulturen am Konzil anschneidet.
Uno die fatti più universali e più sorprendenti di questo Concilio è stato che tutte le culture e tutte le civiltà mondiali le abbiamo viste rimbalzare sulla sua superficie. op.cit. 72 Er begründet seinen Schritt damit, dass wenn der Glaubensakt am Anfang des Heilsweges stehe, die Sorge um das Seelenheil stets geprägt sei von der Denkweise des Seelsorgers und somit von der jeweiligen Kultur mit der er sich auseinanderzusetzen habe.
Im Verständnis des Kardinals hat das Wort Kultur eine zweifache Bedeutung. Als objektiver Tatbestand ist sie für ihn das Produkt menschlichen Schaffens
La cultura in senso oggettivo è formata da tutto il patrimonio di pensiero, di scienza e di arte, di mezzi espressivi, sia fissato nei documenti emonumenti di qualunque genere, sia vivente nelle istituzioni, nei costumi,negli usi etc. Il primato della verità, 38 als subjektiver Tatbestand ist sie hingegen die diesen Tatbestand prägende Denkweise der verschiedenen Seelenhirten
Di fronte a questa area culturale si vedeva benissimo come reagiva la coscienza dei pastori. Ibd. 78.
Die deutsche Denkweise sei eine Bildungskultur
La cultura germanica ha una caratteristica che nessuno le può negare : è une cultura erudizionistica. Op. cit. 73. Ihre Schwerpunkte seien die Textkritik und die damit zusammenhängen vergleichenden Studien, die Philologie etc. Sie alle hätten sich bemerkbar gemacht, manchmal sogar auf eine alles überbordende Art und Weise.
Questa erudizione, che porta ad un vero culto delle note, delle bibliographie, degli studi comparati, della filologia, del lessico, la si sentiva presente, in modo potente e, sto per dire, qualche volta in modo straripante. Ibd. Diese Kultur sei geprägt von der deutschen Philosophie mit ihren unterschiedlichen Bezügen zum Protestantismus
Questa cultura è naturalmente percorsa da quelle luci che sono le filosofie caretterstiche sviluppate nel area tedesca. Esse sono, più o meno, tutte in antitesi o in dipendenza o in relazione al fatto protestantico, ibd. . Der Einfluss des Protestantismus auf die deutschen Konzilsväter sei dadurch deutlich geworden, dass sie stets so gesprochen hätten, als seien sie im Begriffe, einen Dialog mit einem Protestanten zu führen
Quest’area, nella bocca die suoi Pastori, rivelava la preoccupazione della presenza protestante, cioè la psichologia di chi si trova su un argine che ha per dirimpettai die protestanti. .
Die französische Kultur dagegen bezeichnet er als literarisch
La cultura francese…..rivela una prevalenza letteraria op. cit. 76. Sie zeichne sich durch Unabhängigkeit und Vorliebe für kühne Experimente aus
Questa prevalenza letteraria…….rivela una indipendenza e una attrattività per le esperienze ardite. Ibd.. Auch sei ein Hang zur Aesthetik auf Kosten des Inhaltes feststellbar. Dies mache sie durchlässig für fragwürdige Gedankenströmungen mit ihren nachteiligen Seiten
Questa finezza, questa squisitezza culturale della Francia dovuta a tutta questa storia e alla elaborazione della medesima, ha certamente acuito molto il senso estetico. Voi comprenderete che un certo abbuono, forse talvolta esagerato, fatto al senso estetico, va a danno del contenuto. E allora può succedere che si aprano facilmente le porte ad importazioni o a correnti di pensiero che possono essere più che largamente discusse e che possono avere anche dei lati negativi. op.cit.78.
Der Kardinal zieht aus der Wahrnehmung der Verschiedenheit der durch die Kultur geprägten Denkweisen die Schlussfolgerung, man habe ihnen mit Respekt und nicht mit Anathemen und Verurteilungen zu begegnen. Auch habe man diesen Herausforderungen die eigenen Massstäbe entgegenzustellen. Die unterschiedlichen Denkweisen, so lautete das abschliessend Urteil des Kardinals, würden in keiner Weise die Glaubensgewissheiten antasten.
Io non ho mai sentito diversità di opinioni nella verità certa. Ho sentito diversità di preoccupazioni di fronte a contingenze profondamente diverse. Ibd. 79
Mit seiner Darlegung hatte der Kardinal zwar in keiner Weise seine Worte entkräftet, mit denen er das Nachgeben im kulturellen Bereich getadelt hatte
E infatti nel campo della cultura che, sia dal punto di vista intellettuale, sia dal punto di vista pratico, appaiono cedimenti. Rispetto a questi cedimenti noi abbiamo il dovere di mettere in guardia i nostri confratelli. Il primato della verità 37. Bewusst wird jedoch verschwiegen, dass es für ihn eine Kultur ohne Bezug zur Wahrheit nicht geben kann
E dunque grave errore parlare della <<cultura>> come di un entità a sé stante, esente da colpa originale de da deformazione. ebd. 38 .Für ihn gilt es nämlich zu erkennen, dass die Kultur der Ort ist, wo sich die menschliche Freiheit entfaltet und, sofern sie es auf ungeordnete Weise tut, sie mit ihrem Schattenspiel, mit dem Gewicht ihrer Leidenschaften, mit ihren verschuldeten Abwechslungen zu einer Quelle des Irrtums werden kann
E importante notare come nella cultura in senso tanto soggetivo come oggettivo entra la libertà umana, anche scapigliata colle sue mutevolezze, col gioco delle suo ombre illusioni errori, col peso delle sue passioni, colla vicenda delle sue colpe. ebd. 38.
Auf die vorhergehenden Überlegungen greift der Kardinal in seinen intimen Aufzeichnungen über das Konzil zurück. Die Ankündigung eines bevorstehenden habe bei ihm Bedenken ausgelöst, weil er befürchtete, gewisse, in Deutschland entstandene, neuere Strömungen in der Theologie könnten sich des Konzils bemächtigen. Zwar habe die unmissverständliche Verurteilung des neuen Glaubensverständnisses durch Pius XII in Humani generis habe die Vertreter der genannten Richtung zu grösserer Vorsicht ermahnt ohne sie jedoch von ihrem Vorhaben abzubringen
Le perplessità nascevano dal timore che le tendenze teologiche innovatrici, sorte nell’area francese e tedesca dopo la guerra, insieme con i fermenti in campo biblico, potessero svilupparsi sfruttando l’evento conciliare. A.a.0. 179. Auch befürchtet der Kardinal, es könne sich am Konzil eine Haltung durchsetzen, die geprägt sei von mangelndem Denken und der noch geringeren Bereitschaft zu Lernen und dem Willen die grossen Probleme um die Wahrheit und Rechtgläubigkeit in Grauzonen zu verbannen. Diese mit Pastoralismus umschriebene Haltung räume der Sorge um den Menschen den Vorrang ein, sei aber in Wirklichkeit ein Gesinnungsirrtum
a.a.O. 356. Als weitere Belastung für das Konzil bezeichnet er in seinem Eintrag 10.10 die Deutschen und Französischen Prälaten mit ihren Helfeshelfern, die sich bis heute weder dem Protestantismus noch dem Gallikanismus zu entziehen vermochten.
Waren für das bis zum Konzil geltende Kirchenverständnis Vollendung und Rangordnung dessen massgebenden Elemente gewesen, so hatte Montini bereits vor seiner Wahl zum Oberhaupt der Kirche die Auffassung vertreten, die Kirche sei auf Grund der geheimnisvollen Gegenwart Christi und seines stetigen Wirkens in ihr, das Instrument des Heiles und werde als solches von ihm beschenkt mit der zum Heile erforderlichen Lehre, zur Heiligung erforderlichen Sakramente sowie mit einer auf dem Geiste des guten Hirten beruhende Seelsorge .
Deinde maiore cum vi doctrina proferenda est, quae agit de relationibus quae inter Ecclesiam et Christum habentur. Dici debet omnibusque magis innotescere Ecclesiam prorsus scire se nihil posse ex se, sed omnia accipere a Jesu Christo et operari eo quod Jesus Christus in eadem sit presens et agens. Ecclesia non est solum societas seu communitas a Christo condita, sed est instrumentum in quo ipse arcane praesens est praesens est ut salutem humani generis procuret doctrina, sanctificatione sacramentali, cura pastorali, quae alatur spiritu eius, qui est pastor bonus animarum. Zitiert von Congar, op.cit. 14
Den Gedanken der Kirche als Heilsinstrument greift der Kardinal auf, um den Kritikern des Konzils den Wind aus den Segeln zu nehmen und die von Johannes XXIII eingeleitete Neuorientierung zu verteidigen. Die Kirche ist ein Heilsinstrument göttlichen Ursprungs das von Menschen gehandhabt wird. Daher muss in ihr das göttliche Element vom menschlichen Element unterschieden werden
La Chiesa è fondazione divina, ha costituzione divinamente data, garanzie divinamente attribuite (idefettibilità ed infallibilità), ha divini strumenti, divina energia nella grazia e nell’essere corpo mistico di Gesù Christo. Tuttavia è anche essenzialmente umana fatta di uomini ai quali viene lasciata la piena libertà ed ai quali d’ordinario non vengono portati via d’imperio debolezze e difetti.La cosa strana ed unica è che l’elemento umano non distrugge mai quello divino e l’elemento divino non opprime mai quello umano. Op.cit. 93. Das Verlangen nach einer Kirche ohne menschliches Antlitz bezeichnet er als eine neue Gnosis
Oggi la nuovi gnosi si scandalizza in modo analogo: che la chiesa abbia la sua umanità. Ebd.. Es sei daher nicht statthaft, daran Anstoss zu nehmen, dass Konzilsväter, denen die Freiheit eingeräumt wird, ihren Standpunkt zu vertreten, Irrtümer verkündigten, an denen die Spuren ihrer kulturellen Herkunft erkennbar sind
Pertanto si scandalizza se Vescovi chiamati ad esprimere liberamente il loro pensiero possono andar soggetti a difetti di prospettiva, di valutazioni di misura, se portano con se le tracce delle rispettive culture, die rispettivi problemi e magari la unilateralità propria del loro ambiente nel i problemi e nel risolverli, se debbono fare una certa fatica a distaccarsi da fatti pregressi della loro particolare storia. Ebd.. Die Grösse des Konzils bestehe gerade darin, dass es sich um eine Vereinigung von Menschen handelt, die am Ende ihres Weges auf den göttlichen Beistand zählen dürfen ohne dass Gott den Menschen deswegen daran hindere, Fehler zu haben
La grandezza del Concilio sta proprio nel fatto che è un’assemblea umana garantita al suo ultimo traguardo da un’assistenza divina e mai privata dalla prerogativa lasciata da Dio ad ogni singolo uomo di avere dei difetti . ebd. 94 .
Auch hier sprechen die intimen Aufzeichnungen des Kardinals eine andere Sprache. Das Konzil habe gezeigt, so meint er, dass sich ein äusserst unklares Verständnis hinsichtlich der Führung der Kirche abzeichne. Es werde von der deutschen Gruppe vertreten und sei in einer gewissen Weise geplant. Man erkenne ausserdem eine Abneigung gegen die Einsicht, die Theologie und das Recht. Das Ziel des Kerygmatismus, die Tradition abzuschaffen, sei feststellbar. Es geschehe zwar mehr unbewusst als bewusst, doch werde diese Neigung vom Mangel an Einsicht jener unterstützt, welche um jeden Preis eine Anpassung an die Protestanten und Orthodoxen suchten
Benny Lai. Op. cit. 383.
Lange Zeit hat der Kardinal diese Haltung vertreten. Erst in den achtziger Jahren wird bei ihm eine Läuterung auftreten als er im Rückblick auf seine Tätigkeit als Erzbischof von Genua den Schritt wagen wird, seinen Mangel an Einsicht und die daraus entspringenden katastrophalen Folgen für die Kirche, zu bekennen.
Die exemplarische Bedeutung von Gethsemani
Jeder Ort gewinnt seine Bedeutung von den Ereignissen, die sich dort abgespielt haben. Über die Ereignisse von Gethsemani wird im Matthäeus-Evangelium des Palmsonntages folgendes berichtet: „da kam Jesus zu einem Landgut, Gethsemane mit Namen, und er sprach zu seinen Jüngern: „Setzet euch hier, während ich dorthin gehe und bete“. Nur Petrus und die zwei Söhne des Zebedäeus nahm Er mit Sich. Dann fing er an zu trauern und zu bangen. Er sprach zu ihnen: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod bleibet hier und wachet mit mir.“Dann ging Er ein wenig weiter, fiel auf Sein Angesicht, betete und sprach: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie Ich will, sondern wie Du willst.“ Dann kam Er zu Seinen Jüngern, fand sie schlafend und sprach zu Petrus: „Nicht einmal eine Stunde konntet ihr mit mir wachen? Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Der Geist ist zwar willig aber das Fleisch ist schwach“ Wiederum ging Er zum zweiten Male hin und betete: „Mein Vater, wenn es nicht möglich ist, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass Ich ihn trinke, so geschehe Dein Wille“. Dann kam Er abermals zurück und fand sie schlafend; denn ihre Augen waren ihnen schwer geworden. Da verliess Er sie, ging noch einmal hin und betete zum dritten Male, mit den nämlichen Worten. Dann kehrte er zu seinen Jüngern zurück und sprach zu ihnen: „Schlafet nur und ruhet. Seht, die Stunde ist gekommen, da der Menschensohn in die Hände der Sünder überliefert wird. Steht auf, lasst uns gehen! Seht, Mein Verräter naht!“
Ausserdem lesen wir im Lukas-Evangelium, welches die Kirche am Dienstag der Karwoche verkündet, dass der Herr, kurz vor dem Eintreffen in Gethsemani, seinen Jüngern eröffnet hat: Ihr alle werdet in dieser Nacht an mir irre werden; denn es steht geschrieben: Ich will den Hirten schlagen, und die Schafe werden sich zerstreuen. Nach meiner Auferstehung aber werde Ich euch nach Galiläa vorausgehen.“
In den beiden genannten Texten werden zwei unterschiedliche Handlungen genannt, jene unseres Herrn Jesus Christus und jene seiner Jünger. Bei der Handlung unseres Herrn haben wir es in beiden Fällen mit der Wahrnehmung einer göttlichen Anweisung zu tun. Ein erstes Mal spricht der Herr die Worte aus, die ein Mensch in seiner Lage aussprechen würde während er das zweite Mal das ausspricht, was zu geschehen hat, nämlich der Wille des Vaters. Dieses unbedingte Ja zum Willen des Vaters ist das entscheidende Moment von Gethsemani und Kardinal Siri bemerkt dazu: Doch war der Mann des nächtlichen Todeskampfes auf dem Ölberg das Sein einer anderen Ökonomie. Er entsprach einer anderen Notwendigkeit, einer anderen Erwartung der Schöpfung. Und deshalb betrifft nicht nur diese Agonie jeden Menschen, sondern ist ontologisch mit jedem Menschen verbunden. Der Mensch ist nicht nur durch die Vorstellung und das Mitleid gegenüber einem ungerechterweise Leidenden mit der Todesangst Christi verbunden. Der Mensch ist an sie gebunden, weil er die Ursache des einsamen Opfers im Garten von Gethsemani gewesen ist, eines Opfers, das nicht ein sittlicher Akt, sondern eine Seinstat war.
Joseph Kardinal Siri: Gethsemani, Ueberlegungen zur theologischen Bewegung unserer Zeit, 378 Die ontologische Verbundenheit eines jeden Menschen mit der vom Menschensohn in Gethsemani ausgestandenen Todesangst besteht darin, dass der Menschensohn hier eine Leistung vollbracht hat, die nur er, weil ohne Schuld, vollbringen konnte und damit für den Menschen eine Möglichkeit des Heils gestiftet hat. Ungeachtet der Folgen wurde in radikaler Selbstverleugnung die Bereitschaft bekundet, Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. Dank diesem Opfer, konnte der Mensch von der Bürde der Sünde losgekauft werden, was nicht bedeutet, dass der Mensch schon gerettet ist, sondern nur dass er gerettet werden kann. Der in die Knechtschaft der Sünde hineingeratene Mensch ist die Materialursache des Sühneopfers unseres Erlösers und dessen eingedenk betet die Kirche in der Sequenz zur Totenmesse:
Milder Jesus, wollst erwägen, Dass Du kamest meineswegen, Schleudre mir nicht Fluch entgegen.
In einer Vorbemerkung zu „Die Wahrheit in Bedrängnis bemerkt Bernhard Lakebrink zum Werk des Kardinals: „der Name Gethsemani deutet an, dass es dem Kardinal nicht bloss um eine abstrakt-wissenschaftliche Theologie geht, sondern um jene <<sacra doctrina>>, um die heilige Weisheit, um die heilige Weisheit, in der Jesu Leben und Lehren von einer gläubigen Vernunft angenommen und bedacht sein wollen“.
Op.cit. 5Damit weist er uns darauf hin, dass die Rezeption der Offenbarung keine der Beliebigkeit des Menschen ausgesetzte Sache sein kann, sondern seitens des erkennenden Menschen die Bereitschaft voraussetzt die uns von Gott geoffenbarte Wahrheit in der Weise anzunehmen, wie sie uns der Herr in Gethsemani vorgelebt hat.
Rahner und Gethsemani
Offensichtlich nahm es Karl Rahner mit Gethsemani nicht besonders ernst, denn bereits in den fünfziger Jahren war ihm hinsichtlich gewisser Thesen vom heiligen Offizium ein Schreibverbot auferlegt worden
Vgl. hierzu: David Berger: Karl Rahner, Kirchenlehrer des 20. Jahrhunderts, in Karl Rahner: Kritische Annäherungen, (Hrsg. David Berger) 255ff.. Eine dieser These betraf die Jungfräulichkeit Mariens wozu er erklärte: „Darum bedeutet auch dieses Dogma (der Unbefleckten Empfängnis) in keiner Weise, dass das Werden eines Menschen… irgend etwas Befleckendes an sich hätte und darum in dieser Hinsicht, um dies zu vermeiden, Maria einen Vorzug hätte haben müssen…. Die Unbefleckte Empfängnis der heiligen Jungfrau besteht also einfach in dem Besitz des göttlichen Gnadenlebens von Beginn ihres Daseins an,….das ihr gegeben“.
Karl Rahner, Maria Mutter des Herrn, Theologische Betrachtungen 40-41Mit anderen Worten, Karl Rahner will den besonderen Rang, den Maria im Heilsgeschehen nicht einnimmt, nicht anerkennen. Für den Kardinal ist die Haltung Rahners die Folge „einer allzu verwegenen Haltung in geistigen Dingen
Gethsemani 93.
Zur Mariologie Rahners meint Kardinal Scheffczyik
Mariologie und Anthropologie – Zur Marienlehre Karl Rahners, in: Rahner: Kritische Annäherungen, 305: „dass ihre Wahrheiten, um den Menschen wirklich zu betreffen, nicht nur auf den Menschen bezogen und ausgerichtet werden müssen, sondern auch dass sie vom Menschen her entwickelt werden müssen und an seinem Menschsein maßstäblich zu normieren sind. Die Mariologie muss im theologischen Selbstverständnis des Menschen angelegt sein, um nicht als mythologischer Ueberbau missverstanden zu werden“. Der Wille, alles vom Menschen her zu entwickeln und alles Übrige als mythologischen Ueberbau von sich zu weisen, hat das letzte Konzil geprägt. Dadurch hat es die vom Geiste von Gethsemani her geforderte Selbstverleugnung übergangen.
Die Teilnehmer am Geschehen von Gethsemani sind auch die Jünger, denen der Herr voraussagt: Ihr alle werdet in dieser Nacht an mir irre werden; denn es steht geschrieben: Ich will den Hirten schlagen, und die Schafe werden sich zerstreuen. Nach meiner Auferstehung aber werde Ich euch nach Galiläa vorausgehen.“ Aus einer solchen Perspektive wird für uns verständlich, weshalb der Kardinal mit Blick auf den Anruf unseres Herrn „wenn’s möglich“ die Frage anknüpft: „ hatte er da plötzlich den Gedanken, und sei es auch nur einen Augenblick lang, sich lieber von seiner Sendung zu lösen, um dann gemäss der jedem anderen Menschen gesetzten Bestimmung zu leben, älter zu werden und eines Tages zu vergehen?“
Op.cit. 379
Vergleicht man diese Frage mit seinem aufgezeichneten Rückblick auf seine langjährige Tätigkeit als Kardinal-Erzbischof von Genua, wird einem gewahr, dass er diese Frage an sich selber richtet. Zwar geht er im Buche selbst nicht weiter auf die Frage ein, doch dürfte hier die Vermutung aufgetaucht sein, dass er jener sein könnte, der nicht wahrhaben wollte, dass seine Stunde gekommen war. Ich möchte es ihnen an einigen von ihm in diesem Zusammenhang gemachten Erklärungen verdeutlichen.
Der Kardinal und Gethsemani
Von den über seine Tätigkeit als Kardinal-Erzbischof von Genua gemachten Aufzeichnungen möchte ich jene hervorheben, die uns über die beim Kardinal eingetretene Gesinnungsänderung erhellen. Zunächst erfahren wir, dass Pius XII gerne in seiner Nähe gehabt hätte, der Kardinal es jedoch vorzog, in seiner Diozöse zu bleiben. Ausserdem erfahren wir, dass beim Tode Pius XII der Kardinal von gewissen Kreisen gebeten wurde, sich als Kandidat aufstellen zu lassen, er selber davon nichts wissen wollte. Von den übrigen Aufzeichnungen sind folgende vier für unseren Fall erheblich:
Eine erste Aufzeichnung befasst sich mit der von Pius XII ausgesprochenen Befürchtung, welcher Papst uns beschert würde, wenn es einem schlechten Kandidaten im Konklave gelingen würde, durch Manipulation der anwesenden Kardinäle eine Mehrheit zu erzielen. Kardinale Siri fügt dann hinzu, am Pontifikat lässt sich die Wahl der Kardinäle bewerten
„Mi diceva Pio XII: ´La creazione die cardinali è per me una questione di coscienza. Sono veramente tormentato quando debbo indire il consistorio. Penso che un solo cardinale puo intralciare il corso di un conclave. Se tra gli elettori ve n’è uno pessimo, anche solo uno, e costui riesce a mettere assieme una maggioranza, chissà quale Papa viene fuori.´ Benni Lai: op.cit. 96 Rn 6.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Papst eine solche Befürchtung ausspricht. Die Schreckensvision, „ein im Glauben verdächtiger könne einmal den Stuhl Petri besteigen“ waren für Papst Paul IV Anlass, seine Bulle „cum ex apostolatus officio“ zu verfassen
Vgl. hierzu die wenig überzeugende Stellungnahme der sonst hervorragenden Studien von Pater Gérard Mura: Bischofsweihen durch Erzbischof Lefebvre, Theologische Untersuchung der Rechtmässigkeit, 154/155. Was damals dem Nachfolger Petri als Schreckensvision vorschwebte wurde in allen Konklaven, in an denen Kardinal Siri teilnahm und unterlag, harte Wirklichkeit. Dafür gibt uns der Kardinal eine Erklärung, die uns erkennen lässt, dass auch das Pontifikat Pius XII Grauzonen aufweist, deren Entzifferung kaum möglich ist.
Auf der einen Seite war Pius XII der Papst, der mit seiner Erhebung der Himmelfahrt Mariens, seinen grossen Enyzkliken, sowie der Heiligsprechung seines grossen Vorgängers die Tradition zu festigen verstand. Gleichzeitig hat er einen Mann wie Kardinal Bea zum Beichtvater, der mit seinem Sekretariat für die Einheit der Christen ein troianisches Pferd in die Stadt Gottes einführte. Monsignor Montini war lange Zeit seine rechte Hand. Erst als er durch einen lutherischen Bischof aus Schweden auf dessen Kontakte zum kommunistischen Russland aufmerksam gemacht wurde, entfernte er ihn aus dem Vatikan entferne ohne jedoch die geeigneten Massnahmen gegen ihn zu ergreifen. Ganz im Gegenteil Pius XII traute ihm das Erzbistum Mailands ohne ihm allerdings den Kardinalshut zu verliehen. Dazu äussert sich der Kardinal wie folgt: „Montini wurde nach Mailand versetzt infolge eines für ihn nachteiligen Urteils das eine geheime Kommission über sein Verhalten gefällt hatte. Diese Kommission war von Papst Pius XII, der sein in Montini gesetztes Vertrauen enttäuscht sah, eingesetzt worden
Montini fu inviato a Milano in seguito al giudizio negativo di una commissione segreta istuituita da Pio XII che aveva preso in esame il suo comportamento. Ad istituirla era stato Pio XII, che aveva perduto la grande fiducia posta in Montini. Benny Lai: op.cit. 100 Rn 18.“ Kardinal Siri bewertet diesen Schritt als Fehlentscheidung mit der Begründung, dank dieser Versetzung sei es Montini möglich gewesen, die letzte Hürde zur Papstwahl zu nehmen. Man kann den Worten des Kardinals entnehmen, dass er den Ehrgeiz Erzbischofs Montini kannte,
Seine Absicht aber war, nicht etwa >>der Papst der modernen Welt<< zu sein, sondern der modernen Welt einen Papst anzubieten, der für sie akzeptabel war. Reinhard Raffalt: Wohin steuert der Vatikan? 19 eines Tages als jener Papst in die Geschichte einzugehen, der die Versöhnung zwischen Kirche und Modernität zustande bringt. Zwar spricht es Siri nicht aus, doch erkennt man an seinen Aeusserungen, dass er Montini einen für die Kirche nicht tragbaren Kandidat hielt. In einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1986 wirft er ihm vor, im entscheidenden Augenblick keine unmissverständlichen Anweisungen gemacht und auf diese Weise ein Machtvakuum geschaffen zu haben
Ciò che non potevo dire, ed è la cosa più grave, è che al momento opportuno sono mancate le indicazioni. Si c’è stato un vuoto di potere sotto il pontificato di Montini. Benny Lai : op. cit. 291 Rn 21.
Der Kardinal hatte richtig gesehen. Mehrere Fakten sind dafür konkludent, dass sich Montini in Mailand sicher wusste. Von Pater de Lubac
Mémoire sur l’occasion de mes écrits, 77, Namur 1989wird uns berichtet, Montini habe gleich nach seiner Ankunft in Mailand begonnen, gegen den römischen Integrismus anzukämpfen. Auch veröffentlichte er 1958 einen Hirtenbrief zum Fastenopfer, wo er die 11 Jahre später erfolgte Liturgiereform vorwegnahm. Diese rief den Unwillen Pius XII hervor. Dazu Wiegand Siebel: „Dass der Hirtenbrief Montinis als massgebliches Signal verstanden wurde, zeigt sich beispielsweise daran, dass dieser noch im gleichen Jahr im deutschen Liturgischen Jahrbuch zu lesen war. Deshalb griff Pius XII zu dem stärksten Mittel, das ihm als Papst zur Verfügung stand, um die Ansichten Montinis und der mit ihm verbundenen reformfreudigen Kreisen zurückzuweisen: Er gebrauchte gegen diese seine höchstpersönliche Autorität, indem er ein diesbezügliches Dekret der Ritenkongregation zu seiner eigenen Entscheidung machte.
Katholisch oder konziliar, Die Krise der Kirche heute 237
Schliesslich berichtet uns Pater Bertrand de la Margerie SJ, dessen Vater beim Tode Pius XII der französische Botschafter beim heiligen Stuhl war, sein Vater habe damals ein Telegramm an das französische Aussenministerium aufgegeben, wo er den Wunsch aussprach, der neue Papst möge keiner politischen Richtung angehören, sich der Rolle Frankreich in Kirche und Welt bewusst sei, keine Konflikte zwischen Staat und Kirche heraufbeschwören wolle, den Bedürfnissen der Republik Rechnung trage, wissend dass die in Frankreich vorherrschende Auffassung in Sachen Lehre und Autorität keinen Konflikt zwischen Papsttum und öffentlicher Meinung begünstige.
« Nous devons souhaiter un Pape <<qui ne soit politiquement inféodé à personne, pleinement conscient du rôle joué par la France, soucieux d’éviter tout conflit entre Eglise et Etat, qui comprenne donc les besoins de ce dernier, comme les problèmes de l’Eglise en France et dont les conception en matière de doctrine et d’autorité ne favorisent pas un conflit entre Papauté et opinion Française.>> »Bertrand de la Margerie SJ: Rôle possible du général de Gaulle et de son Ambassadeur dans l’éléction du bx. Jean XXII, in Archivium Historiae Pontificae No : 40/2002, 323/324 Da der damalige Erzbischof von Mailand, Monsignore Montini ohne Kardinalshut war, sah der Botschafter im langjährigen Gesandten in Paris Kardinal Roncalli den geeigneten Kandidaten.
Am 11. Oktober 1958 habe Präsident de Gaulle den Botschafter mit seinem persönlichen Flugzeug in Rom abholen lassen, um ihm Anweisungen im Hinblick auf das bevorstehende Konklave zu erteilen. Der General soll wörtlich erklärt haben, dass er keinen Papst wolle, der von seiner Autorität allzu sehr Gebrauch mache. Erforderlich sei Papst, dessen Herrschaft nicht allzu lange andaure und der in der Lage sei, die Wahl von Erzbischof Montini vorzubereiten, der ein grosser Papst werden könne. Ein redlich gesinnter älterer Mann (honnête vieillard) eigne sich dazu bestens und daher sei die Wahl Roncallis zu befürworten. Der General, für den es undenkbar war, dass die Wahl eines Papstes vonstatten gehe, ohne dass Frankreich dazu sein Wort spreche, ermächtigte den Botschafter in diesem Sinne auf die Kardinäle und ausländischen Botschafter einzuwirken. Eine derartige Unterstützung hätte Montini niemals bekommen, wenn er nicht Erzbischof von Mailand gewesen wäre.
Abermals stellt sich für uns und möglicherweise musste auch der Kardinal sie gestellt haben, ob letztlich die Wahlen nach dem Tode Pius XII nicht manipuliert waren.
Ein manipuliertes Konklave?
In seiner 1994 unter dem Titel Nichita Roncalli veröffentlichten Schnrift berichtet Franco Belligrandi
Franco Bellegrandi : Nichitaroncalli, Controvita di un Papa, 62, ein ex Kämmerer des heiligen Stuhles und Mitarbeiter beim Osservatore Romano" über eine ihm im September 1958, also kurz vor dem Konklave, aus dem Vatikan zugespielte Mitteilung. In dieser Mitteilung wird folgendes berichtet: Ich sass in einem Wagen zusammen mit einer Persönlichkeit, die einen hohen Rang innerhalb der Freimaurerloge bekleidete und mit dem Vatikan in Berührung stand. Sie berichtete mir: "Der nächste Papst wird nicht Siri sein, wie man in gewissen römischen Kreisen munkelt, denn er ist viel zu autoritär. Ein versöhnlicher Papst wird gewählt werden. Die Wahl ist auf den Patriarchen Roncalli aus Venedig gefallen". Ich fragte erstaunt: "Von wem gewählt?" "Durch unsere am Konklave beteiligten Freimaurer" antwortete sie mir mit der grössten Seelenruhe." "Beteiligen sich Freimaurer am Konklave" fragte ich sie. Ich erhielt folgende Antwort: "Gewiss, denn die Kirche ist in unseren Händen" Ich fragte erneut: ""Wer eigentlich regiert die Kirche?" Nach einer kurzen Pause antwortete mein Gegegenüber: "Niemand weiss wo der Kopf sich befindet. Er bleibt verborgen." Am darauffolgenden Tag hat Graf Sella aus einer bekannten italienischen Familie den Namen, Vornamen dieser Person sowie deren eigenartige Erklärung in einem offiziellen Dokument festgehalten Das Dokument befindet sich heute im Sicherheitsschrank eines römischen Notars.
Die Aussagen Bellegrandi ergänzen in erheblichem Ausmass jene des Jesuitenpaters de la Margérie und lassen es als wahrscheinlich erscheinen, dass Frankreich bei der Nichtwahl Siris die Hände im Spiel gehabt haben könnte, um so zu erreichen, dass ein künftiger Papst nicht mehr ein der katholischen Tradition verpflichteter, sondern ein Papst aus Frankreichs Gnaden sein wird. Beide Erklärungen wiederspiegeln die Trägödie des Katholizismus in seiner Auseinandersetzung mit der weltlichen Macht. Es ist nicht die erste Tragödie dieser Art, den bereits sieben Jahrhunderte früher, hat sich eine ähnliche Tragödie abgespielt als Bonifaz VIII und der französische König Philipp der Schöne aufeinanderstiessen und der französische König nicht zögerte, mit Hilfe eines Abkömmlings der Albigenser mit Namen Nogaret und der Komplizenschaft einer römischen Adelsfamilie, den Colonna, gegen den Papst tätlich vorzugehen. Die Auseinandersetzung endete insofern mit der Niederlage des Papsttums, als der französische König erreichen konnte, dass ein französischer Papst seinen Sitz nach Avignon verlegte und so dem Zugriff des französischen Königs ausgesetzt blieb.
Der gleiche König hat unter dem Namen "Souverenität" eine politische Kultur geschaffen, die er als der katholischen Kultur ebenbürtig erklärte. Seither ist Frankreich nicht mehr die älteste Tochter, sondern das älteste Sorgenkind der Kirche. Im Namen des Ruhmes Frankreich zögerte der französische König Franz I nicht, sich mit dem türkischen Sultan Soliman der Wunderbare gegen den deutschen Kaiser zu verbünden. Die Folge war eine Schwächung der Habsburger in ihrem Kampf gegen Luther. Aehnlich verhielt sich Kardinal Richelieu im dreissigjährigen Krieg. Er unterstützte die protestantischen Fürsten in Deutschland und die Schweden gegen den Kaiser und verhinderte auf diese Weise eine Rekatholisierung Europas
Vgl. hierzu: Jean-Pierre Brancourt: L’absoloutisme au siècle de Louis XIV vers un discours Laïc ? , in : Christianisme et Laïcité, Institut Universitaire Saint-Pie X 73 ff.. Im westfälische Frieden von Münster und Osnabrück wurde die Niederlage der katholischen Fürsten besiegelt und das französische Königshaus ging als der grosse Sieger hervor. Es ist aber auch die Geburtsstunde des Laizismus dem etwas mehr als hundert Jahre später das franzöische Königshaus zum Opfer fallen sollte.
Obgleich der Kardinal nicht darüber spricht, dürften ihm diese Vorfälle nicht entgangen sein und möglicherweise ihn zur Einsicht in seine Schuld bewogen haben. Am 25. November 1987, also rund 18 Monate vor seinem Tode, gab der Kardinal folgende Erklärung ab: "Wissen Sie, welche Worte ein Kardinal aussprach, als er mit einem drammatischen Appel an mich gelangte:"entweder Sie bewerben sich oder es geschieht ein Unheil." Das zweite Worte wage ich kaum auszusprechen, denn dazwischen liegt ein Pontifikat. Ich habe es niemandem gesagt, aber es war ein Fehler.
Benny Lai: op.cit. 201, Rn 5 Der andere Kardinal war der Libanese Tappouni. Er zeigte sich sehr besorgt über eine mögliche Wahl Montinis, denn sie liess Schlimmes befürchten. Seinen Entschluss dennoch nicht gegen Montini anzutreten begründet der Kardinal mit dem Hinweis, dass Montini mit ziemlicher Sicherheit auf seine Kandidatur nicht verzichtet hätte und man demnach nicht habe voraussehen können, welches die daraus entspringenden Folgen gewesen wären.
Ein Jahr später kommt der Kardinal nochmals auf seine Weigerung zu sprechen und spricht bei dieser Gelegenheit folgendes Schuldbekenntnis aus: "Ohne ein Wunder - und Gott schafft keine unnötigen Wunder - was soll schon ein neu gewählter Papst von den ihm obligenden Aufgaben verstehen. Dazu benötigt er eine Einführung. Für ein Pontifikat ausschlaggebend ist die Wahl des Staatssekretärs, denn ihm fällt die Aufgabe zu, den Papst zu erziehen.
Nicht alle Päpste zeigen sich ihrer Aufgabe gewachsen, nachdem sie die dazu erforderliche Schule besucht haben. Diese Schule durchläuft man, ohne es zu wollen, bevor man Papst wird, indem man die richtigen Posten schafft und sie mit der dazugehörigen Eignung und Treue zu kombinieren versteht.
Dies sage ich, weil ich von schweren Gewissensbissen geplagt werde. Im Vertrauen, dass Gott mir verzeihen wird, kann ich meine Ruhe bewahren. In den ersten beiden Konklaven, an denen ich teilgenommen habe, hat mir ein massgebender Kardinal die Kandidatur angetragen. Hinter ihm sollen die französischen Kardinäle gestanden haben, denen die meisten übrigen Kardinäle hörig waren. Die Deutschen stand ausserhalb und schlossen sich gelegentlich zusammen. Meine Antwort lautete: Nein und wenn ihr mich wählt, werde ich erneut nein sagen. Ich habe schlecht gehandelt und heute bin ich mir dessen bewusst. Heute?. Seit einige Jahren. Ich habe schlecht gehandelt, denn gewisse Handlungen wären unterblieben und ich zögere es zu sagen, es waren Fehler. Ich habe somit eine schwere Schuld auf mich geladen und Gott gebeten, mir zu verzeihen im Vertrauen, dass er es tun wird.
Auch in den letzten beiden Konklaven wurde ich vorschlagen, doch habe ich mich nicht mehr gegen eine mögliche Wahl gesträubt. Ich habe zu mir gesagt: es geschehe, was geschehen muss. Ich bin heil davongekommen, aber stellen Sie sich vor, beim letzten Konklave suchte Kardinal Wyszinski meinen Sekretär auf und sagte zu ihm: es ist geschehen, sie sind der neue Sekretär des Papstes.
In Todesangst begab ich mich ins Konklave. Gott hat mich bewahrt. Ein Kardinal hat mir erzählt, was vorgefallen ist. Ich bin zum Schweigen verpflichtet. Glauben Sie mir, ich habe die Entwicklung genauestens verfolgt auch wenn ich Brillen getragen habe. Jetzt möchte ich von dannen gehen. Die anderen mögen das tun, was sie nach ihrem Gewissen für richtig halten, aber etwas weniger lügen.
op. Cit. 297. Diese letzte Erklärung hat der Kardinal am 18. September 1988 abgegeben.
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