Academia.eduAcademia.edu

Lernstrategien im Fach Englisch

2008, Desi Konsortium Hrsg Unterricht Und Kompetenzerwerb in Deutsch Und Englisch Ergebnisse Der Desi Studie Weinheim U a Beltz 2008 S 270 282

Schrader, Friedrich-Wilhelm; Helmke, Andreas; Wagner, Wolfgang; Nold, Günter; Schröder, Konrad Lernstrategien im Fach Englisch DESI-Konsortium [Hrsg.]: Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch. Ergebnisse der DESI-Studie. Weinheim u.a. : Beltz 2008, S. 270-282 urn:nbn:de:0111-opus-35250 in Kooperation mit / in cooperation with: http://www.beltz.de Nutzungsbedingungen / conditions of use Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Die Nutzung stellt keine Übertragung des Eigentumsrechts an diesem Dokument dar und gilt vorbehaltlich der folgenden Einschränkungen: Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. We grant a non-exclusive, non-transferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, non-commercial use. Use of this document does not include any transfer of property rights and it is conditional to the following limitations: All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use. Kontakt / Contact: peDOCS Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft Informationszentrum (IZ) Bildung Schloßstr. 29, D-60486 Frankfurt am Main E-Mail: [email protected] Internet: www.pedocs.de DESI-Konsortium (Hrsg.) Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch Ergebnisse der DESI-Studie Beltz Verlag · Weinheim und Basel Diese Studie wurde im Auftrag der Kultusministerkonferenz erstellt. Für die Richtigkeit der Ergebnisse der Studie tragen die Herausgeber die Verantwortung. Herausgeber: Eckhard Klieme (Sprecher des DESI-Konsortiums), Wolfgang Eichler, Andreas Helmke, Rainer H. Lehmann, Günter Nold, Hans-Günter Rolff, Konrad Schröder, Günther Thomé und Heiner Willenberg. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. © 2008 Beltz Verlag · Weinheim und Basel www.beltz.de Herstellung: Klaus Kaltenberg Satz: Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung Druck: Druck Partner Rübelmann, Hemsbach Printed in Germany ISBN 978-3-407-25491-7 Inhalt V Systemmonitoring für den Sprachunterricht................................ 1 Inhaltsverzeichnis Konzeption der Studie Eckhard Klieme 1 Bärbel Beck / Svenja Bundt / Jens Gomolka 2 Ziele und Anlage der DESI-Studie .............................................. 11 Thamar Dubberke / Birgit Harks 2.5 Zur curricularen Validität der DESI-Aufgaben: Ergebnisse eines Expertenratings ....................................... 26 Johannes Hartig / Nina Jude / Wolfgang Wagner 3 Methodische Grundlagen der Messung und Erklärung sprachlicher Kompetenzen ......................................................... 34 Hans-Günter Rolff / Jan von der Gathen 4 Rückmeldungen an Lehrkräfte und Rezeption............................ 55 Leistungsverteilungen im Deutschen und Englischen Steffen Gailberger / Heiner Willenberg 5 Leseverstehen Deutsch .............................................................. 60 Heiner Willenberg 6 Wortschatz Deutsch .................................................................... 72 Michael Krelle / Heiner Willenberg 7 Argumentation Deutsch .............................................................. 8 Schreiben Deutsch...................................................................... 81 Astrid Neumann / Rainer H. Lehmann 89 Günther Thomé / Wolfgang Eichler 9 Rechtschreiben Deutsch ............................................................. 104 Wolfgang Eichler 10 Sprachbewusstheit Deutsch ....................................................... 112 Günter Nold / Henning Rossa 11 Hörverstehen Englisch ................................................................ 120 Günter Nold / Henning Rossa / Kyriaki Chatzivassiliadou 12 Leseverstehen Englisch .............................................................. 130 VI Inhalt Claudia Harsch / Konrad Schröder / Astrid Neumann 13 Schreiben Englisch ..................................................................... 139 Claudia Harsch / Konrad Schröder 14 Textrekonstruktion Englisch ........................................................ 149 Günter Nold / Henning Rossa 15 Sprachbewusstheit Englisch ....................................................... 157 Günter Nold / Henning Rossa 16 Sprechen Englisch ...................................................................... 170 Hermann-Günter Hesse / Kerstin Göbel / Nina Jude 17 Interkulturelle Kompetenz ........................................................... 180 Individuelle und familiale Bedingungsfaktoren sprachlicher Kompetenzen Nina Jude / Eckhard Klieme / Wolfgang Eichler / Rainer H. Lehmann / Günter Nold / Konrad Schröder / Günther Thomé / Heiner Willenberg 18 Strukturen sprachlicher Kompetenzen ........................................ 191 Johannes Hartig / Nina Jude 19 Sprachkompetenzen von Mädchen und Jungen......................... 202 Hermann-Günter Hesse / Kerstin Göbel / Johannes Hartig 20 Sprachliche Kompetenzen von mehrsprachigen Jugendlichen und Jugendlichen nicht-deutscher Erstsprache ................................................................................. 208 Wolfgang Wagner / Andreas Helmke / Friedrich-Wilhelm Schrader / Wolfgang Eichler / Günther Thomé / Heiner Willenberg 21 Selbstkonzept und Motivation im Fach Deutsch ......................... 231 Andreas Helmke / Friedrich-Wilhelm Schrader / Wolfgang Wagner / Günter Nold / Konrad Schröder 22 Selbstkonzept, Motivation und Englischleistung ......................... 244 Friedrich-Wilhelm Schrader / Andreas Helmke / Wolfgang Wagner / Wolfgang Eichler / Günther Thomé / Heiner Willenberg 23 Lernstrategien im Fach Deutsch ................................................. 258 Friedrich-Wilhelm Schrader / Andreas Helmke / Wolfgang Wagner / Günter Nold / Konrad Schröder 24 Lernstrategien im Fach Englisch................................................. 270 Hans-Günter Rolff / Michael Leucht / Ernst Rösner 25 Sozialer und familialer Hintergrund ............................................. 283 Inhalt VII Unterricht und Lehrerkompetenzen Andreas Helmke / Eckhard Klieme 26 Unterricht und Entwicklung sprachlicher Kompetenzen.............. 301 Holger Ehlers / Nina Jude / Eckhard Klieme / Andreas Helmke / Wolfgang Eichler / Heiner Willenberg 27 Soziodemogra¿sche und fachdidaktisch relevante Merkmale von Deutsch-Lehrpersonen......................................................... 313 Eckhard Klieme / Nina Jude / Dominique Rauch / Holger Ehlers / Andreas Helmke / Wolfgang Eichler / Günther Thomé / Heiner Willenberg 28 Alltagspraxis, Qualität und Wirksamkeit des Deutschunterrichts ...................................................................... 319 Tuyet Helmke / Andreas Helmke / Friedrich-Wilhelm Schrader / Wolfgang Wagner / Günter Nold / Konrad Schröder 29 Die Videostudie des Englischunterrichts ..................................... 345 Andreas Helmke / Tuyet Helmke / Friedrich-Wilhelm Schrader / Wolfgang Wagner / Günter Nold / Konrad Schröder 30 Soziodemogra¿sche und fachdidaktisch relevante Merkmale von Englischlehrpersonen........................................................... 364 Andreas Helmke / Tuyet Helmke / Friedrich-Wilhelm Schrader / Wolfgang Wagner / Günter Nold / Konrad Schröder 31 Alltagspraxis des Englischunterrichts ......................................... 371 Andreas Helmke / Tuyet Helmke / Friedrich-Wilhelm Schrader / Wolfgang Wagner / Eckhard Klieme / Günter Nold / Konrad Schröder 32 Wirksamkeit des Englischunterrichts .......................................... 382 Kerstin Göbel / Hermann-Günter Hesse 33 Vermittlung interkultureller Kompetenzen im Englischunterricht ....................................................................... 398 Institutionelle Bedingungsfaktoren sprachlicher Kompetenzen Brigitte Steinert / Johannes Hartig / Eckhard Klieme 34 Institutionelle Bedingungen der Sprachkompetenzen................. 411 Günter Nold / Johannes Hartig / Silke Hinz / Henning Rossa 35 Klassen mit bilingualem Sachfachunterricht: Englisch als Arbeitssprache ............................................................................ 451 Die Autorinnen und Autoren............................................................... 458 270 F.-W. Schrader / A. Helmke / W. Wagner / G. Nold / K. Schröder Friedrich-Wilhelm Schrader / Andreas Helmke / Wolfgang Wagner / Günter Nold / Konrad Schröder 24 Lernstrategien im Fach Englisch Lernstrategien sind geistige Aktivitäten, die mit dem Ziel des Lernens, Verstehens und Wissenserwerbs mehr oder weniger bewusst eingesetzt werden. Neben allgemeinen Lernstrategien, die grundlegende kognitive, metakognitive und ressourcenbezogene Aktivitäten umfassen (zum allgemeinen Hintergrund vgl. Kapitel 23), spielen bereichsspezifische Lernstrategien eine wichtige Rolle. Dies gilt in besonderem Maße für das Lernen von Fremdsprachen, das in den letzten Jahren zum Gegenstand der Lernstrategie-Forschung geworden ist (Bimmel 2006; Finkbeiner 1995; Haudeck 1998; Nold 1992, 2000, 2003; Nold/Haudeck/Schnaitmann 1997; Nold/Schnaitmann 1995; Raupach 2006; Wolff 1998; Zimmermann/Plessner 1998). Für das Fremdsprachenlernen sinnvolle Strategien umfassen unter anderem gezielte Bemühungen, die Fremdsprache möglichst oft und systematisch einzusetzen, mit fehlenden Informationen (z.B. nicht bekannten Bedeutungen) umzugehen oder Lerngelegenheiten zu nutzen. Diese Strategien sind Gegenstand des Strategy Inventory for Language Learning (SILL) (Oxford/Burry-Stock 1995), einem der bekanntesten Fragebogeninstrumente in diesem Bereich. Mit Lernstrategien verbindet man gewöhnlich die Erwartung, dass sie die Qualität des Lernens und der Leistung beeinflussen. Es gibt allerdings noch zu wenig empirisch gesichertes Wissen dazu, ob und in welchem Umfang allgemeine und spezifische Lernstrategien zur Vorhersage und Erklärung von fremdsprachlichen Leistungen beitragen. Für Deutschland liegen aus den Pilotierungsuntersuchungen zu DESI erste Ergebnisse zu den mit dem SILL erfassten Lernstrategien vor (Schrader u.a. 2003). Dabei konnten Zusammenhänge mit der Englischnote belegt werden. Neben Lernstrategien sind auch nicht-strategische, d.h. meist nicht mit gezielter Lernabsicht eingesetzte Lernaktivitäten wie etwa das Lesen und die Mediennutzung in der Fremdsprache wichtig. Der häufige Einsatz solcher Aktivitäten sollte längerfristig zu einer Verbesserung fremdsprachlicher Leistungen führen. Diese quantitative Sicht auf das Lernverhalten kommt noch stärker zum Tragen, wenn Lernzeitmaße, also die für bestimmte Aktivitäten aufgewendete Zeit, berücksichtigt werden. Insbesondere Untersuchungen zur Hausaufgabenzeit haben hier eine eigenständige Forschungstradition begründet (vgl. etwa Trautwein u.a. 2002). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Quantität und Qualität des Lernens sowohl von motivationalen Faktoren als auch von kognitiven Fähigkeiten abhängen. Im vorliegenden Beitrag soll deshalb untersucht werden, welche Bedeutung allgemeine und sprachspezifische Lernstrategien für das Lernen und die Leistung haben und welche Bedingungen dabei eine Rolle spielen. Es soll ferner geprüft werden, welche Bedeutung motivationale Merkmale über Hintergrundmerkmale wie Bildungsgang, Lernstrategien im Fach Englisch 271 kognitive Grundfähigkeit, Sozialstatus, Erstsprache und Geschlecht hinaus für das Lernen und die Leistung haben. 24.1 Deskriptive Ergebnisse Angaben über statistische Kennwerte für die verwendeten Variablen sind Tabelle 24.1 zu entnehmen. Nicht aufgeführt sind allgemeine Hintergrundmerkmale (Sozialstatus, Geschlecht, Erstsprache, kognitive Grundfähigkeit). Tabelle 24.1: Kennwerte der im Englischen verwendeten Skalen und Items für die untersuchte Stichprobe (ungewichtete Angaben). Konstrukt Lernstrategien Elaborationsstrategien Kontrollstrategien MetakognitionB Sprachnutzung Umgang mit fehlender Information Aufsuchen von Lerngelegenheiten Lernaktivitäten Hausaufgabenzeit (Min.) Leseaktivitäten Mediennutzung Motivationale Bedingungen Lerninteresse Fähigkeitsselbstkonzept Wertschätzung des Fachs Messzeitpunkt Jahrgangsstufe 9 Stabilität M SD α IKKA Range Beginn Ende Beginn Ende 2.30 2.25 2.80 2.61 0.63 0.63 0.64 0.64 .74 .76 .77 .76 .02 .03 .05 .04 Ende 52.04 9.45 .77C .27 Beginn Ende Beginn Ende Beginn Ende 1.94 1.98 2.24 2.28 2.40 2.34 0.70 0.72 0.59 0.61 0.68 0.66 .85 .86 .64 .65 .76 .75 .04 .05 .09 .10 .05 .03 1-4 1-4 1-4 1-4 -3.2184.82 1-4 1-4 1-4 1-4 1-4 1-4 Ende 58.03 53.66 -- .04 0-300 Beginn Ende Beginn 1.95 1.97 1.85 0.57 0.61 0.74 .78 .82 .75 .09 .06 .05 1-4 1-4 1-4 Beginn 2.58 0.65 .77 .09 1-4 -- Beginn 2.98 0.62 .92 .06 1-4 -- Ende 3.27 0.72 .87 .14 1-4 -- .42 .43 -.61 .42 .46 -.59 -- Anmerkungen: AIntraklassenkorrelation; BNach dem Messmodell von Rasch skalierte Werte (WLE-Schätzer); CReliabilitätsschätzung aus der Raschskalierung. Die beiden allgemeinen Lernstrategien Elaboration und Kontrolle wurden mit zwei aus PISA 2000 übernommenen Skalen erfasst, metakognitive Strategien mit dem von Schneider/Schlagmüller (2002) entwickelten Instrument (für Einzelheiten 272 F.-W. Schrader / A. Helmke / W. Wagner / G. Nold / K. Schröder vgl. Kapitel 23). Für die Messung bereichsspezifischer Lernstrategien wurden drei Skalen des SILL (Oxford/Burry-Stock 1995) in einer etwas gekürzten Fassung eingesetzt: Sprachnutzung (sechs Items: Beispiel: „Ich versuche, wie ein englischer Muttersprachler zu sprechen“); Umgang mit fehlender Information (fünf Items; Beispiel: „Ich finde die Bedeutung eines englischen Wortes dadurch, dass ich es in Teile zergliedere, die ich verstehe“); Aufsuchen von Lerngelegenheiten (vier Items; Beispiel: „Ich achte darauf, welche Fehler ich in Englisch mache, und nutze diese Information, um mich zu verbessern“). Antwortmöglichkeiten (für die Fragebogenskalen): nie oder fast nie, manchmal, oft, fast immer. Lernaktivitäten. Zusätzlich zu den Lernstrategien wurden folgende lernbezogene Aktivitäten erfasst: Hausaufgabenzeit („Wie viel Zeit verbringst du außerhalb des regulären Unterrichts im Durchschnitt täglich mit Hausaufgaben für Englisch? Von Montag bis Freitag – am Wochenende: Gar keine, bis zu 15 Minuten... mehr als zwei Stunden“); beide Zeitangaben wurden zu einem Gesamtwert zusammengefasst. Mit jeweils einer Skala erfasst wurden: Leseaktivitäten in englischer Sprache („Wie oft liest du zu deinem Vergnügen?“; neun Items, Beispiele: „Tageszeitungen [in englischer Sprache] ... Romane, Erzählungen, Geschichten [in englischer Sprache]“), Mediennutzung in englischer Sprache (vier Items; Beispiel: „Wie oft siehst du englischsprachige TV-Nachrichten (z.B. CNN)?“) und Wertschätzung des Fachs Englisch in der Familie (drei Items; Beispiel: „Meine Eltern meinen, dass ich Englischkenntnisse später gut gebrauchen kann“). In Tabelle 24.2 sind die auf Schulklassen- und Individualebene berechneten Interkorrelationen dieser Merkmale dargestellt. Die mit einem Fragebogen erfassten Lernstrategien hängen auf Individualebene deutlich zusammen, während die Korrelationen mit der Metakognition (möglicherweise aufgrund der andersartigen Erfassung) recht niedrig sind. Die Lernstrategien hängen mäßig bis mittelhoch mit den nicht-strategischen Lernaktivitäten (Ausnahme: Metakognition) und den motivationalen Merkmalen zusammen. Die Zusammenhänge auf Schulklassenebene fallen teilweise recht hoch aus, was auch damit zu tun haben dürfte, dass der Bildungsgang hier nicht kontrolliert wurde. Lernstrategien im Fach Englisch 273 Elaboration Kognitive Grundfähigkeit Geschlecht (weiblich) Erstsprache (Deutsch) Sozialstatus Englischtestleistung EnglischnoteA Fähigkeitsselbstkonzept Wertschätzung des Fachs Lerninteresse Mediennutzung .40 .34 .38 .40 .05 .16 .16 .14 .16 .09 .12 .10 .11 .06 Kontrolle .66 Sprachnutzung Umgang mit fehlender Information Lerngelegenheiten Metakognition Hausaufgabenzeit Leseaktivitäten Mediennutzung .88 .36 .04 .06 .27 .28 .46 .16 .19 .10 .06 .24 .17 .22 .14 .12 .48 .58 .85 .80 .79 .37 .08 .20 .25 .21 .34 .21 .20 .16 .15 .05 .67 .37 .06 .17 .10 .20 .34 .40 .26 .07 .07 .08 -.06 .80 .41 .64 .86 .70 .70 .84 .46 .55 .84 .81 .56 .61 .43 .49 .46 .17 .15 .19 .03 .07 .64 .36 .22 .09 .12 .14 .08 .92 .33 .19 .06 .09 .13 .07 -.04 -.08 .81 .69 .60 .17 .36 .35 .04 .58 .57 .84 .20 -.27 .17 .11 .17 .06 .03 .16 .40 .57 .46 .09 .11 .05 .26 .14 .75 .46 .51 .83 .43 .76 .73 .58 .56 .53 .77 .32 .92 .64 .47 .34 .72 .35 .87 .72 .64 .55 .44 .82 .22 .88 .86 .21 .39 .24 .23 -.18 .18 -.26 .44 -.26 .07 .15 .51 .50 .05 .76 .60 .54 .87 .59 .83 .21 .82 .69 .62 .51 .83 .22 .32 .09 -.04 -.06 .74 .79 .29 .75 .61 .89 .32 .65 .59 .52 .34 .27 .04 .44 .08 .09 .20 .19 .19 .14 .11 .16 .22 .05 .07 .04 .95 .99 .90 .89 .51 .53 .17 .15 .40 .39 .43 .29 .12 .22 .24 .08 Lerninteresse .67 .34 .71 .61 .64 .55 Fähigkeitsselbstkonzept Wertschätzung des Fachs EnglischnoteA Englischtestleistung Sozialstatus Kognitive Grundfähigkeit Geschlecht (weiblich) Erstsprache (Deutsch) Leseaktivitäten Metakognition Hausaufgabenzeit Umgang mir fehlender Inf. Lerngelegenheiten Sprachnutzung Kontrolle Elaboration Tabelle 24.2: Interkorrelationen der verwendeten Merkmale (oberhalb der Hauptdiagonale: innerhalb von Klassen; unterhalb der Hauptdiagonale: zwischen Klassen). Nicht signifikante Korrelationen (p > .05) sind nicht dargestellt. .24 .37 -.06 .15 .05 .31 .23 .26 .29 .14 .38 .56 .52 .19 Anmerkungen: Berechnungen mit Mplus (Muthén/Muthén 2004). AEnglischnote wurde umgepolt. 24.2 Lernen und schulische Leistungen In Tabelle 24.3 sind die Zusammenhänge der Lernaktivitäten sowie der motivationalen Merkmale mit der Leistung dargestellt, wobei zentrale Hintergrundvariablen 274 F.-W. Schrader / A. Helmke / W. Wagner / G. Nold / K. Schröder kontrolliert sind. Hier sind vor allem die innerhalb der Klassen bestehenden Zusammenhänge interessant. Tabelle 24.3: Partialkorrelationen zwischen Lernstrategien, ausgewählten Bedingungsfaktoren und der Schulleistung am Ende der neunten Jahrgangsstufe. Kontrolliert wurden Sozialstatus, kognitive Grundfähigkeit, Geschlecht, Erstsprache (Deutsch vs. andere Sprache), Bildungsgang (Gymnasium vs. andere, Realschule vs. andere) auf beiden Ebenen. Nicht signifikante Korrelationen (p > .05) sind nicht dargestellt. Konstrukt Elaborationsstrategien Kontrollstrategien Sprachnutzung Umgang mit fehlender Information Lerngelegenheiten Metakognition Hausaufgabenzeit Leseaktivitäten Mediennutzung Lerninteresse Fähigkeitsselbstkonzept Wertschätzung des Fachs Englischtestleistung klassen- innerzwiüberhalb von schen greifend Klassen Klassen .05 .09 .08 .10 .14 .24 .10 Englischnote klassen- innerzwiüberhalb von schen greifend Klassen Klassen .08 .11 .10 .13 .19 .22 .14 .20 .13 .15 .10 .11 .13 .05 -.06 .10 .08 .33 .49 .16 .07 .11 .10 .19 .25 .14 .13 -.06 .16 .15 .35 .51 .12 .10 .35 .51 .17 .35 .10 .15 .06 .10 -.11 .05 -.24 Anmerkungen: Berechnungen mit Mplus (Muthén/Muthén 2004) auf der Grundlage von fünf plausible values für die Nachtestleistung. Im Folgenden werden über diese einfachen Zusammenhänge hinaus komplexe Beziehungen mit Hilfe von Strukturgleichungsmodellen analysiert. Angesichts der hohen Stabilität der Testleistungen wird für die Analysen ausschließlich der Posttest verwendet, ohne den Vortest einzubeziehen. Als allgemeine Bedingungsfaktoren werden jeweils kognitive Grundfähigkeit, Lerninteresse, Sozialstatus und Erstsprache berücksichtigt. Die Analysen erfolgen stets simultan auf Schulklassen- und auf Individualebene unter Kontrolle des Bildungsgangs. Zunächst werden die Beziehungen zwischen metakognitiven Strategien und der Leistung analysiert1. Das in Abbildung 24.1 dargestellte Modell zeigt, dass Schülerinnen und Schüler mit höherer Ausprägung metakognitiver Strategien auch bessere Leistungen im Englischtest erzielen. Stärker noch als von den metakognitiven Strategien wird die Englischleistung allerdings durch die kognitive Grundfähigkeit und das Lerninteresse vorhergesagt. Mädchen erzielen deutlich bessere Leistungen 1 Wenn im Folgenden von Einflüssen oder Effekten gesprochen wird, so geschieht dies aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung. Ein wirklicher Nachweis von Kausalzusammenhängen ist aufgrund der Untersuchungsanlage nicht möglich. Lernstrategien im Fach Englisch 275 als Jungen. Der Sozialstatus hat ebenfalls einen Einfluss auf die Leistung, nicht dagegen die Erstsprache. Mädchen zeichnen sich durch eine höhere Ausprägung metakognitiver Strategien aus als Jungen. Darüber hinaus zeigt nur noch die kognitive Grundfähigkeit einen Effekt auf die Metakognition. .24*** Lerninteresse .37*** n.s . Kognitive Grundfähigkeit Metakognitive Strategien .16*** n.s. Sozialstatus .12*** Englischtestleistung .04* n.s. s. n. *** Erstsprache (Deutsch) * * 9* .11 .1 Geschlecht (weiblich) Abbildung 24.1: Pfadmodell für den Einfluss von metakognitiven Strategien auf die Englischtestleistung (Individualebene) unter Berücksichtigung von Hintergrundmerkmalen.2 Auf Klassenebene (ohne Abbildung) spielen neben dem Niveau der Metakognition und der Höhe des Sozialstatus (je höher beide sind, umso besser die Leistung) auch der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache (je niedriger dieser Anteil, umso höher die Leistung) und der Mädchenanteil (je höher dieser ist, umso höher die Leistung) eine Rolle. Für die Vorhersage des Klassenniveaus bei den metakognitiven Strategien erweisen sich hier lediglich das Niveau der kognitiven Grundfähigkeit und der Mädchenanteil als relevant (je höher beide sind, umso günstiger für die Metakognition). Bildungsgangsunterschiede in der Englischtestleistung sind nicht mehr nachweisbar, wenn man Sozialstatus, Erstsprache, Geschlecht, kognitive Grundfähigkeit und Lerninteresse als Hintergrund- bzw. Erklärungsmerkmale verwendet. Während metakognitive Strategien die Qualität des Lernens betreffen, charakterisiert die Hausaufgabenzeit das Lernen aus quantitativer Sicht. Wie Abbildung 24.2 zeigt, hat sie auf Individualebene einen negativen Zusammenhang mit der Englischleistung: Je größer die vom einzelnen Schüler aufgewendete Hausaufgabenzeit, umso niedriger die Leistung. Dies deutet darauf hin, dass leistungs2 Da ein vollständiges Modell mit manifesten Variablen analysiert wurde, liegt ein perfekter Fit vor. Erklärte Varianz auf Individualebene: R2 = .24 für Leistung, R2 = .07 für metakognitive Strategien; auf Klassenebene: R2 = .94 für Leistung, R2 = .73 für metakognitive Strategien. 276 F.-W. Schrader / A. Helmke / W. Wagner / G. Nold / K. Schröder schwache Schüler mehr Zeit für die Hausaufgaben benötigen. Die individuell aufgewendete Hausaufgabenzeit hängt nicht mit der kognitiven Grundfähigkeit, wohl aber positiv mit dem Lerninteresse und der Erstsprache zusammen. Lerninteresse, kognitive Grundfähigkeit und Sozialstatus haben auch hier wieder einen positiven Effekt auf die Leistung. Mädchen wenden mehr Zeit für Hausaufgaben auf und erzielen auch bessere Leistungen als Jungen. .26*** Lerninteresse .08 .38*** *** Kognitive Grundfähigkeit Hausaufgabenzeit n.s. n.s. Sozialstatus 5* .0 -.10*** Englischtestleistung .04* n.s. *** Erstsprache (Deutsch) * 05 .13 . Geschlecht (weiblich) Abbildung 24.2: Pfadmodell für den Einfluss der Hausaufgabenzeit auf die Englischtestleistung (Individualebene) unter Berücksichtigung von Hintergrundmerkmalen.3 Auf Zusammenhänge auf Klassenebene soll hier nicht eingegangen werden, da diese wegen der niedrigen Intraklassenkorrelation der Hausaufgabenzeit nicht aussagekräftig sind. Als drittes Merkmal sollen sprachspezifische Lernstrategien betrachtet werden. Wie aus Tabelle 24.3 hervorgeht, weisen innerhalb der Klassen Sprachnutzung und Umgang mit fehlender Information die höchsten Zusammenhänge mit der Testleistung auf. Da das zuletzt genannte Merkmal wegen der höheren Intraklassenkorrelation für Analysen ergiebiger erscheint, sind in Abbildung 24.3 Ergebnisse zu diesem Merkmal dargestellt. Auch hier zeigt sich ein ähnliches Beziehungsmuster wie bei den beiden vorangegangenen Modellen. Ein Unterschied ist, dass in diesem Modell sowohl Lerninteresse als auch kognitive Grundfähigkeit das Lernverhalten beeinflussen und dieses nun auch vom Sozialstatus abhängt, nicht hingegen von der Erstsprache und dem Geschlecht. 3 Perfekter Modell-Fit. Erklärte Varianz auf Individualebene: R2 = .24 für Leistung, R2 = .01 für Hausaufgabenzeit; auf Klassenebene: R2 = .92 für Leistung, R2 = .70 für Hausaufgabenzeit. Lernstrategien im Fach Englisch 277 .25*** Lerninteresse .35*** .18 *** Kognitive Grundfähigkeit Umgang mit fehlender Information .08*** .05* Sozialstatus s. n. .14*** Englischtestleistung .04* n.s. *** Erstsprache (Deutsch) . .s .13 n Geschlecht (weiblich) Abbildung 24.3: Pfadmodell für den Einfluss des Umgangs mit fehlender Information (SILL) auf die Englischtestleistung (Individualebene) unter Berücksichtigung von Hintergrundmerkmalen.4 Auf Klassenebene (ohne Abbildung) ist lediglich der Einfluss von kognitiver Grundfähigkeit, Sozialstatus und Mädchenanteil auf die Leistung signifikant. Das Klassenniveau des Lernverhaltens hängt dagegen nur mit der Sprachzusammensetzung der Klasse zusammen: Je niedriger der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit deutscher Sprachherkunft, umso höher der Einsatz von Strategien zum Umgang mit fehlender Information. Der Einfluss des motivationalen Merkmals ist in diesen Fällen jeweils noch etwas größer, während der von kognitiver Grundfähigkeit und Lernstrategie etwas geringer ist. Für Leseaktivitäten und Mediennutzung ergaben sich keine schätzbaren Modelle. Auch theoretisch nahe liegende Modelle mit Wechselwirkungen zwischen Merkmalen der Quantität und der Qualität des Lernverhaltens erwiesen sich als nicht schätzbar. Im nächsten Schritt wird nun dargelegt, welche Rolle die mittels der Englischnote erfasste Eingangsleistung für das Lernen und die Leistung spielt. Die Note ist trotz der bekannten Schwächen dieses Maßes ein brauchbarer Grobindikator für den schulischen Leistungsstand; als vorteilhaft erweist sich dabei auch, dass aufgrund der moderaten Korrelation zwischen Note und Posttestleistung noch genügend Spielraum für andere Einflussgrößen bleibt. 4 Perfekter Modell-Fit. Erklärte Varianz auf Individualebene: R2 = .24 für Leistung, R2 = .04 für Umgang mit fehlender Information; auf Klassenebene: R2 = .93 für Leistung, R2 = .80 für Umgang mit fehlender Information. 278 F.-W. Schrader / A. Helmke / W. Wagner / G. Nold / K. Schröder .22*** Kognitive Grundfähigkeit n.s. .0 7* n.s. .39*** ** Sozialstatus Eingangsleistung (Note) .04** Umgang mit fehlender Information .10* .15*** Englischtestleistung ** 0* .1 Geschlecht (weiblich) n.s. n.s. .10*** Abbildung 24.4: Pfadmodell für den Einfluss des Umgangs mit fehlender Information (SILL), Eingangsleistung (Note, umgepolt) auf die Englischtestleistung (Individualebene) unter Berücksichtigung von Hintergrundmerkmalen.5 Das Zusammenhangsmuster ist – wieder für den Umgang mit fehlender Information – in Abbildung 24.4 dargestellt. Es zeigt sich, dass die Eingangsleistung sowohl die Testleistung am Ende als auch die Lernstrategien beeinflusst. Der Einfluss von kognitiver Grundfähigkeit, Sozialstatus und Geschlecht auf die Lernstrategien verschwindet, wenn man die Eingangsleistung kontrolliert. Ob und in welchem Umfang diese Lernstrategien eingesetzt werden, hängt also weniger von der kognitiven Fähigkeit als vom Vorwissen ab. 24.3 Lernstrategien und andere lern- und leistungsrelevante Merkmale Weitere Aufschlüsse zur Bedeutung der Lernstrategien lassen sich gewinnen, wenn man von einer variablen- zu einer personenorientierten Betrachtungsweise übergeht und unterschiedlich kompetente Lerner vergleicht. Zu diesem Zweck wurden die Schülerinnen und Schüler, getrennt nach Bildungsgang, für jedes der sechs Lernstrategiemerkmale (die drei allgemeinen Lern- und metakognitiven Strategien und die drei spezifischen Lernstrategien) in zwei Gruppen (über- und unterdurchschnittliche Ausprägung) eingeteilt. Die Schülerinnen und Schüler werden in drei unterschiedliche Lernkompetenzniveaus eingeteilt. Diejenigen, die bei allen sechs Strategien zur oberen Gruppe gehören, werden zusammengefasst, analog wird mit der unteren Gruppe verfahren; diese beiden Gruppen werden den verbleibenden Schülerinnen und Schülern gegenübergestellt. Diese drei Gruppen werden dann im Hinblick auf verschiedene lern- und leistungsrelevante Merkmale verglichen. Die für die vier Bildungsgänge resultierenden Profile sind in Abbildung 24.5 dargestellt. 5 Perfekter Modell-Fit. Erklärte Varianz auf Individualebene: R2 = .28 für Testleistung, R2 = .02 für Umgang mit fehlender Information, R2 = .02 für Eingangsnote; auf Klasseneben: R2 = .93 für Leistung, R2 = .75 für Umgang mit fehlender Information, R2 = .25 für die Eingangsnote. 279 Lernstrategien im Fach Englisch Hauptschule Lernkompetenz niedrig IGS mittel hoch Lernkompetenz Englischtestleistung Englischtestleistung Englischnote (U) Englischnote (U) Sozialstatus Sozialstatus Kognitive Grundfähigkeit Kognitive Grundfähigkeit Lerninteresse Lerninteresse Fähigkeitsselbstkonzept Fähigkeitsselbstkonzept Wertschätzung des Fachs Wertschätzung des Fachs Hausaufgabenzeit Hausaufgabenzeit Leseaktivitäten Leseaktivitäten Mediennutzung Mediennutzung -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 -1.0 -0.5 Realschule Lernkompetenz niedrig mittel hoch Lernkompetenz Englischtestleistung Englischnote (U) Englischnote (U) Sozialstatus Sozialstatus Kognitive Grundfähigkeit Kognitive Grundfähigkeit Lerninteresse Lerninteresse Fähigkeitsselbstkonzept Fähigkeitsselbstkonzept Wertschätzung des Fachs Wertschätzung des Fachs Hausaufgabenzeit Hausaufgabenzeit Leseaktivitäten Leseaktivitäten Mediennutzung Mediennutzung -0.5 0.0 0.0 mittel 0.5 hoch 1.0 1.5 Gymnasium Englischtestleistung -1.0 niedrig 0.5 1.0 -1.0 -0.5 niedrig 0.0 mittel 0.5 hoch 1.0 Abbildung 24.5: Merkmalsprofile für Schüler mit niedriger, mittlerer und hoher Lernkompetenz, separat nach Bildungsgang (Profilmerkmale klassenweise standardisiert). Für alle vier Bildungsgänge zeigt sich, dass kompetente Lerner bei fast allen Merkmalen günstigere Ausprägungen aufweisen als Schüler mit mittlerer und niedriger Lernkompetenz. Aus Abbildung 24.5 ist auch ersichtlich, dass sich Schüler mit unterschiedlichen Lernstrategien in ihren Leseaktivitäten unterscheiden. Dies wirft die Frage nach möglichen Kausalbeziehungen zwischen diesen beiden Merkmalen auf. Da sowohl Lernstrategien und Leseaktivitäten jeweils zu Beginn und zu Ende der neunten Jahrgangsstufe erfasst wurden, kann dieser Frage durch die Analyse zeitverzögerter Effekte in einem cross-lagged-panel-design ansatzweise nachgegangen werden. Abbildung 24.6 verdeutlicht, dass die Lernkompetenz (hier: der Umgang mit fehlender Information, im Wesentlichen das Erschließen und Umschreiben unbekannter englischer Wörter) im Laufe der neunten Jahrgangsstufe mäßig und die Leseaktivität (die Häufigkeit, mit der verschiedene englische Texte zum Vergnügen gelesen werden) relativ stabil bleibt. Dass sich für den Zusammenhang zwischen Lernkompetenz und Leseaktivität am Ende ein geringerer Wert ergibt als zu Beginn, liegt daran, dass es sich zum zweiten Zeitpunkt um eine partielle Korrelation handelt; die einfachen Korrelationen sind zu beiden Zeitpunkten etwa gleich hoch. Das wesentliche Ergebnis ist aber, dass die Leseaktivität zu Beginn der neunten Jahrgangsstufe einen deutlichen Einfluss auf die Lernstrategien ausübt, während die umgekehrte Einflussrichtung klar schwächer ist. Mit anderen Worten: Wer viel in der englischen Sprache liest, verbessert im Laufe der neunten Jahrgangsstufe seine Fähigkeit, unbekannte englische Wörter zu erschließen und zu umschreiben. Ist diese Fähigkeit 280 F.-W. Schrader / A. Helmke / W. Wagner / G. Nold / K. Schröder bereits zu Beginn der neunten Jahrgangsstufe günstig ausgeprägt, hat das allerdings kaum einen Einfluss auf die Leseaktivität am Ende der neunten Jahrgangsstufe. Beginn der 9. Jahrgangsstufe Umgang mit fehlender Information Ende der 9. Jahrgangsstufe Umgang mit fehlender Information .35*** *** .15 .33*** .18*** .06 ** Leseaktivität .54*** Leseaktivität Abbildung 24.6: Beziehungen zwischen Lernkompetenz (hier: Umgang mit fehlender Information) und Leseaktivität zu Beginn und am Ende der neunten Jahrgangsstufe im Englischen. 24.4 Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass im Fach Englisch spezifische Lernstrategien sowie metakognitive Strategien substantiell zur Erklärung von Leistungsunterschieden beitragen. Der Erklärungsbeitrag der allgemeinen Lernstrategien (Elaboration, Kontrolle) ist demgegenüber deutlich schwächer. Ob andere Erhebungsmethoden (z.B. die Erfassung des Lernverhaltens in der Lernsituation mittels lauten Denkens, vgl. etwa Zimmermann/Plessner 1998) zu anderen Ergebnissen führen, muss an dieser Stelle offen bleiben. Unklar ist auch, ob nicht überhaupt andere Lernstrategien als die hier berücksichtigten für die Leistung wichtiger sind. Dafür sprechen Untersuchungen mittels qualitativer Forschungsansätze (Haudeck 2007, in Vorb.). Die in den Strukturgleichungsmodellen gefundenen direkten Pfade auf die Leistung belegen, dass Lernstrategien ein eigenständiges Erklärungsgewicht haben. Sie vermitteln darüber hinaus den Einfluss von allgemeinen Personenmerkmalen auf die Leistung. Der Effekt der Lernstrategien auf die Leistung ist allerdings geringer als der von kognitiver Grundfähigkeit und Lerninteresse, die beide gewichtige Leistungsprädiktoren darstellen. Die direkten Pfade dieser beiden Personenmerkmale machen deutlich, dass es noch andere, mittels der zugrunde liegenden Daten nicht aufklärbare Vermittlungsmechanismen gibt. Die genauere Aufhellung derartiger Prozesse muss weiterführenden Untersuchungen vorbehalten bleiben. Die dargestellten Modelle zeigen ferner, dass kognitive Grundfähigkeit und Lerninteresse unterschiedliche Effekte auf die Anwendung von Lernstrategien haben. Beim Umgang mit fehlender Information kommen beide Merkmale zum Tragen. Für die Hausaufgabenzeit spielt nur das Lerninteresse eine Rolle, für die metakognitiven Lernstrategien im Fach Englisch 281 Strategien nur die kognitive Grundfähigkeit. Motivation ist nicht nur für den Umfang des Lernverhaltens – die investierte Lernzeit –, sondern auch für dessen Qualität – die strategische Bewältigung von Lernanforderungen – relevant. Mit dem Einsatz von Lernstrategien ist eine erhöhte mentale Anstrengung verbunden, wofür ein ausreichendes Maß an Lerninteresse erforderlich ist. Dass effektives Lernen von kognitiven Fähigkeiten abhängt, scheinen die Ergebnisse der Analysen nahezulegen. Eine detailliertere Aufschlüsselung deutet aber darauf hin, dass es möglicherweise eher das Vorwissen ist als die kognitive Fähigkeit im engeren Sinne. Im Vergleich dazu ist der Einfluss des Sozialstatus auf Individualebene – und nur diese steht hier im Blickpunkt – von untergeordneter Bedeutung. Geschlechtsunterschiede spielen dagegen eine deutlich erkennbare Rolle. Sie wirken in der erwarteten Richtung: Mädchen erzielen nicht nur bessere Englischleistungen, sondern zeichnen sich (zumindest in zwei der drei Analysen) auch durch günstigeres Lernverhalten aus. Hausaufgabenzeiten haben wie andere Lernzeitmaße einen Doppelcharakter: Da sie von Fähigkeit und Lerninteresse in gegenläufiger Weise beeinflusst werden (je größer die Fähigkeit, umso weniger Lernzeit ist nötig, und je stärker die Motivation, umso mehr Lernzeit wird investiert), sind einfache Zusammenhänge mit der Leistung nur schwer zu interpretieren. Hier sind komplexere Modelle unabdingbar, um zu einem klareren Verständnis der Zusammenhänge zu gelangen. In den vorliegenden Analysen zeigt sich, dass die investierte Hausaufgabenzeit zwar von der Einstellung zum Fach, nicht aber von der kognitiven Fähigkeit abhängt. In weiteren Analysen wurde versucht, den kompetenten Lerner, der durch eine überdurchschnittliche Ausprägung aller Lernkompetenzmerkmale gekennzeichnet ist, näher zu charakterisieren. Die Ergebnisse zeigen, dass sich kompetente Lerner in allen vier Bildungsgängen deutlich von weniger kompetenten unterscheiden. Deutliche Unterschiede zeigen sich vor allem bei Lerninteresse und Leseaktivitäten. Detaillierte Analysen zum Zusammenhangsgefüge dieser Merkmale müssen späteren Arbeiten vorbehalten bleiben. Literatur Bimmel, P. (42006): Lernstrategien: Pläne (mentalen Handelns). In: Jung, U.O.H. (Hrsg.): Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer. Frankfurt/Main: Peter Lang, S. 362-369. Finkbeiner, C. (1995): Zur Erhebung von textverstehensrelevanten Lernstrategien und Interessen im Fremdsprachenunterricht. Entwicklung zweier Fragebögen. In: Empirische Pädagogik 8, H. 2, S. 193-219. Haudeck, H. (1998): Lernstrategien und Lerntechniken für Schüler. In: Timm, J.-P. (Hrsg.): Englisch lernen und lehren. Didaktik des Englischunterrichts. Berlin: Cornelsen Verlag, S. 342-352. Haudeck, H. (2007, in Vorb.): Vokabellernstrategien in der häuslichen Wortschatzarbeit im Englischen. Dissertation: Universität Dortmund. Muthén, L.K./Muthén, B.O. (32004). Mplus User´s Guide. Statistical Analysis With Latent Variables. Los Angeles, CA: Muthén & Muthén. Nold, G. (1992): Lernbedingungen und Lernstrategien. Tübingen: Gunther Narr Verlag. 282 F.-W. Schrader / A. Helmke / W. Wagner / G. Nold / K. Schröder Nold, G. (2000): Kognitive, affektive und soziale Variablen beim schulischen Fremdsprachenlernen. In: Duit, R./von Rhöneck, C. (Hrsg.): Ergebnisse fachdidaktischer und psychologischer LehrLern-Forschung, Kiel: IPN 169, S. 157-190. Nold, G. (2003): The impact of the learning culture on achievement in the English as a foreign language classroom – a view from Germany. In: Rymarczyk, J./Haudeck, H. (Hrsg.): In Search of the Active Learner. Frankfurt: Peter Lang, S. 163-184. Nold, G./Haudeck, H./Schnaitmann G.W. (1997): Die Rolle von Lernstrategien im Fremdsprachenunterricht. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 8, H. 1, S. 27-50. Nold, G./Schnaitmann, G.W. (1995): Lernbedingungen und Lernstrategien in verschiedenen Tätigkeitsbereichen des Fremdsprachenunterrichts. In: Empirische Pädagogik 9, H. 2, S. 239-261. Oxford, R./Burry-Stock, J. (1995): Assessing the use of language learning strategies worldwide using the Strategy Inventory for Language Learning (SILL). In: System 2, S. 1-23. Raupach, M. (42006): Müssen Schüler das Lernen lernen? In: Jung, U.O.H. (Hrsg.): Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer. Frankfurt/Main: Peter Lang, S. 356-362. Schneider, W./Schlagmüller, M. (2002): Metakognitives Wissen über Textverarbeitung. Lehrstuhl für Psychologie IV, Universität Würzburg. Schrader, F.-W./Helmke, A./Hosenfeld, I./Wagner, W. (2003, März): Allgemeine oder bereichsspezifische Lernstrategien? Untersuchungen zur Validität des Strategy Inventory for Language Learning (SILL). Forschungsreferat bei der Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft für empirische pädagogische Forschung (AEPF) in Frankfurt/Main. Trautwein, U./Köller, O./Schmitz, B./Baumert, J. (2002): Do homework assignments enhance achievement? A Multilevel analysis in 7th-grade mathematics. In: Contemporary Educational Psychology 27, S. 26-50. Wolff, D. (1998): Lernerstrategien beim Fremdsprachenlernen. In: Timm, J.-P. (Hrsg.): Englisch lernen und lehren. Didaktik des Englischunterrichts. Berlin: Cornelsen Verlag, S. 70-77. Zimmermann, G./Plessner, H. (1998): Zum Zusammenhang von Lernstrategien, Wissensrepräsentationen und Leistungen beim Lernen mit Instruktionstexten im Fremdsprachenunterricht. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 9, H. 2, S. 265-290.