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Ergebnisse der Grabung des Jahres 2017 am Gipfel des Hemmabergs

2017, Rudolfinum

RUDOLFINUM J A H R B U C H DES LANDESMUSEUMS FÜR KÄRNTEN 2017 S O N D E R D R U C K KLAGENFURT 2018 Eigentümer, Verleger und Herausgeber: Landesmuseum Kärnten Stv. wiss. Geschäftsführer: Dr. Christian Wieser Museumgasse 2 A-9021 Klagenfurt am Wörthersee Tel.: +43.(0)50.536-30599 E-Mail: [email protected] www.landesmuseum.ktn.gv.at Redaktion: Ute Brinckmann-Blaha, Christian Wieser Lektorat: Ute Brinckmann-Blaha FÜR FORM UND INHALT DER BEITRÄGE SIND DIE VERFASSER VERANTWORTLICH. Druck: PROPRINT.AT Druck- und Vermittlungs GmbH, Prof. Franz Spath-Ring 59/2, A-8042 Graz Layout & Satz: denk:werk, Hans Repnig, A-9071 Köttmannsdorf ISBN: 978-3-900575-68-7 Ergebnisse der Grabung des Jahres 2017 am Gipfel des Hemmabergs Im Rahmen des am Landesmuseum Kärnten beheimateten FWF-Forschungsprojekts Cult Continuity at the summit of Hemmaberg (P29452-G25) gehört die Nutzung des Gipfelplateaus und eines damit verbundenen postulierten römischen Heiligtums zu den zentralen Forschungsfragen. Der Schwerpunkt liegt dabei im Bereich der Auswertung des Fundmaterials und der Aufarbeitung der Dokumentation der Grabungen der Jahre 2009–2013, bei denen Flächen nördlich und östlich der Kirche St. Hemma und St. Dorothea untersucht wurden. Zum besseren Verständnis der Gesamtsituation im Bereich des Gipfels wurde eine ergänzende Grabung an der Südseite des Gotteshauses durchgeführt. Damit sollten nicht nur offene Forschungsfragen beantwortet, sondern auch Befunde und Fundmaterial in einen unmittelbar vergleichbaren Kontext gesetzt werden. Die Arbeiten erfolgten in Kooperation mit dem Landesmuseum Kärnten und dem archäologischen Institut der Universität zu Köln, von dem 2 Studentinnen und 4 Studenten im Rahmen eines Praktikums tatkräftig teilnahmen. Die Leitung hatte Mag. Dr. Josef Eitler inne. Um einen möglichst breiten Aufschluss über die Befunde und eventuelle Transformationsprozesse südlich der Kirche St. Hemma und St. Abb. 3: Endsituation der Grabung 2017 von Westen. Aufn. FWF-Projekt 29452, J. Eitler Abb. 4: Endsituation nach der Grabung, Planerstellung: FWF-Projekt 29452. Aufn. J. Eitler PROVINZIALRÖMISCHE ARCHÄOLOGIE UND ANTIKE NUMISMATIK 55 Abb. 5: Grube SE 76 im anstehenden Felsen SE 26. Aufn. FWF-Projekt 29452, J. Wertz Anschluss an im Jahr 1990 untersuchte Bereiche, war für die Wahl eine 2015 durchgeführte Prospektion ausschlaggebend, die auf zuvor archäologisch noch nicht untersuchte Gebäude hoffen ließ. Entsprechend der tatsächlich festgestellten Befunde konnte der 25 m lange und 2 m breite Schnitt nach Norden beziehungsweise Süden jeweils um 1 m erweitert werden, sodass eine Fläche von insgesamt 76 m2 untersucht wurde (Abb. 3 und 4). Da von Anfang an mit einer teilweise nur sehr geringen Überschüttung des Felsens zu rechnen war, wurde auf den Einsatz von Maschinen verzichtet, um oberflächennahe Befunde nicht zu gefährden. Zudem wurde es durch das händische Abheben der Grasnarbe und einer zugehörigen dünnen Humusschicht (SE 1) ermöglicht, das gesamte Fundspektrum einschließlich rezenter Objekte zu erfassen. Abb. 6: Rollierung SE 77 im Bereich der Kuppe mit anstehendem Felsen SE 26 im Vordergrund. Aufn. FWF-Projekt 29452, J. Eitler Dorothea zu bekommen, wurde für die Untersuchung ein im Abstand von 25 m parallel dazu verlaufender Schnitt gewählt. Neben der topographischen Lage an der nach Süden auslaufenden Kuppe des Gipfelplateaus und dem 56 LANDESMUSEUM KÄRNTEN | RUDOLFINUM 2017 Im östlichen Teil des Schnitts folgte auf den Humus zumeist unmittelbar der anstehende Felsen (SE 26).3 Daher war eine Grube (SE 76), bei der es sich im Kern eventuell um ein Pfostenloch handelt, auch erst auf diesem Niveau zu fassen (Abb. 5). Direkt daran anschließend waren keine weiteren Befunde erhalten geblieben. Etwa 3,5 m vom östlichen Ende des Schnitts lagen direkt unter der Grasnarbe noch Teile einer Rollierung (SE 77), die unmittelbar an die höchste natürliche Felskuppe nach Süden hin anschloss (Abb. 6). Für diese als Unterbau eines Bodens aufgebrachte Steinlage wurde neben Abb. 7: Grube SE 72 im humosen Erdmaterial SE 74. Aufn. FWF-Projekt 29452, A. Hoeger lokalem Kalkstein, der dem anstehenden Felsen entspricht, auch eindeutig zugebrachtes Steinmaterial verwendet. Die ursprüngliche Ausdehnung ließ sich nicht mehr feststellen, da kein eindeutiger Randbereich mehr vorhanden war. Aufgrund von weiteren Steinen, die sich südlich der Sondage in der Grasnarbe abzeichnen, ist allerdings auf eine Fläche von zumindest 3,5 x 3,5 m zu schließen. Einen terminus post quem für die Errichtung des Gebäudes gibt eine unter den Steinen zutage getretene Münze des Victors aus den Jahren 387-388, die unter diesem nur kurz regierenden Kaiser in Aquileia geprägt worden war. Somit ist der Befund mit Sicherheit in die spätantike Bebauungsphase des Areals einzuordnen, wenn er allem Anschein nach auch von Abb. 8: An den bereits 1990 freigelegeten Bereich (SE 73) nach Norden anschließende Schuttschicht SE 75, dahinter Mauer SE 75. Aufn. FWF-Projekt 29452, N. Gehrmann PROVINZIALRÖMISCHE ARCHÄOLOGIE UND ANTIKE NUMISMATIK 57 Abb. 9: Nordwestlicher Abschnitt der Mauer SE 75 mit kopfgerecht verschossenem Verputz. Aufn. FWF-Projekt 29452, J. Eitler der Orientierung der Kirchen des 5./6. Jahrhunderts nach Christus abweicht und eher jenen im Bereich des zentralen Gipfelplateaus zu entsprechen scheint, deren Ausrichtung vielleicht auf ältere Strukturen zurückgeht. Insgesamt zeigte sich bei der Freilegung ein deutlich von der Prospektion des Jahres 2015 abweichender Befund. Dieser zufolge wären mehrere kleine Gebäude zu erwarten gewesen. Von solchen fanden sich allerdings selbst bei der sorgfältigen Reinigung des anstehenden Felsens (SE 26) keinerlei Hinweise, weshalb die Vermutung nahe liegt, dass Verwerfungen im Gestein zu jener Interpretation geführt hatten. Dem natürlichen nach Westen fallenden Geländeverlauf folgend nahm die Überschüttung kontinuierlich leicht zu. So lag nun zwischen dem rezenten Humus (SE 1) und dem Felsen (SE 26) eine humos durchmischte Erdschicht (SE 74). In diese schnitt eine Grube (SE 72) ein (Abb. 7), die sich durch eine etwas dunklere Farbe und eine geringere Dichte der Verfüllung vom umgebenden Material abhob. Die darin befindlichen 58 LANDESMUSEUM KÄRNTEN | RUDOLFINUM 2017 Tierknochen lassen an eine Abfallgrube denken. Der relativen Schichtabfolge nach handelt es sich allerdings um keinen antiken Befund. Im Westen kam der Schnitt wie geplant im Bereich einer bei den Grabungen des Jahres 1990 nur teilweise freigelegten Ecksituation zu liegen (Abb. 8) und schloss an die damals freigelegten Flächen an. Dabei erwies sich das Ausnehmen der einstigen Grabungsverfüllung (SE 73) besonders östlich der bereits bekannten Mauer (SE 75) schwieriger als gedacht, da sich das Material in Farbe und Zusammensetzung kaum vom durchmischten Erdmaterial (SE 74) unterschied. Dem gegenüber war der wiederverfüllte Bereich der Altgrabung (SE 73) westlich der Mauer (SE 75) deutlich zu erkennen, wenngleich er ebenfalls an die inhomogene Erdschicht (SE 74) angrenzte. Eine unter dem durchmischt humosen Material (SE 74) folgende Schuttschicht (SE 78) war nur im Westen nachweisbar. Dabei war zu beobachten, dass die Stärke des sandigen mit Mörtelgrieß durchsetzten Stratums mit der Entfernung von der Mauer (SE 75) kontinuierlich abnahm, wie es für verstürztes Material üblich ist. Zu liegen kam der Schutt auf Abb. 10: Mauer SE 75 mit Resten des angrenzenden Bodens SE 80 und dem Nutzungsniveau SE 81. Aufn. FWF-Projekt 29452, J. Eitler einer Fläche (SE 81) in der der anstehende Felsen (SE 26) geglättet und mit Lehm ausgeglichen worden war. Eine kleine spätantike Amphora, die heute im Museum in Globasnitz ausgestellt ist, war bereits im Jahr 1990 auf diesem Niveau gefunden worden. Zum besseren Verständnis des im Westen gelegenen Gebäudes trug vor allem die flächigere Öffnung der bereits bekannten Ecksituation des Mauerzugs (SE 75) bei. Dabei zeigte sich, dass der nach Nordwesten verlaufende Abschnitt mit jenem im Südwesten im Verband errichtet wurde. Im freigelegten Bereich wies die Innenseite zudem noch kopfgerecht verschossenen Verputz auf, der üblicherweise an Außenwänden angebracht wurde (Abb. 9). Somit dürfte es sich bei dem nach Westen anschließenden Bereich um eine Art Hof gehandelt haben (Abb. 10). Im Gegensatz zu dem sehr einheitlichen Mauerwerk von 50–55 cm Stärke in der Ecke ist der durch eine Baufuge abgesetzte weitere Verlauf nach Nordosten deutlich unregelmäßiger ausgeführt. Wegen des natürlichen Geländeanstiegs handelt es sich hierbei allerdings um einen zumeist 60– 65 cm breiten Fundamentbereich. Bei der ersten Freilegung war in diesem Abschnitt ein Stein mit dem Abdruck einer hölzernen Schwelle noch in situ vorgefunden worden, der bei der erneuten Öffnung des Bereichs aus der Verfüllung der damaligen Grabung (SE 73) geborgen werden konnte. Aufgrund des deutlichen Niveausprungs verbunden mit der Eingangssituation bleibt allerdings unklar ob die Mauer erst später angesetzt wurde, oder ob die Fuge bautechnisch bedingt war. Der im Nordwesten gelegene Bereich ließ sich anhand seines Bodens als Innenraum identifizieren. Zwar waren auf dem geglätteten Felsen (SE 26) nur noch geringe Mörtelreste und kleine Steine vorhanden, doch belegen sie eindeutig einen einst vorhandenen Estrichboden (Abb. 10). Wenn sich seine ursprüngliche Stärke auch nicht mehr bestimmen lässt, so lag der Bereich doch zumindest 60 cm über dem südlich davon dokumentierten Nutzungsniveau (SE 81). Von einem weiteren nach Osten hin angesetzten Mauerteil waren bei der Grabung 1990 nur vier Steine im Plan verzeichnet worden. Bei der neuerlichen Untersuchung zeigte sich, dass es sich PROVINZIALRÖMISCHE ARCHÄOLOGIE UND ANTIKE NUMISMATIK 59 dabei um die letzten Reste einer Mauer handelte, deren ursprünglicher Verlauf sich als Abarbeitung am anstehenden Felsen (SE 26) noch erkennen ließ. Ein einzelner bei der Grabung freigelegter Tuffstein dürfte zudem im Bereich einer weiteren Ecke gelegen haben, woraus sich eine Raumausdehnung von knapp 4 m ergibt. Südlich des Mauerverlaufs wiesen Glättungen am Felsen zudem auf ein weiteres Nutzungsniveau (SE 79) hin, das im freigelegten Bereich allerdings nicht weiter zu fassen war. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ergebnisse der Grabung von jenen der Prospek- tion zwar grundlegend abwichen, das Wissen über die Bebauung am Hemmaberg aber deutlich erweiterten. So war es möglich ein auf der südlichen Kuppe gelegenes Gebäude zu lokalisieren und für den bereits aus den Grabungen des Jahres 1990 bekannten Befund eine deutlich komplexere Raumstruktur als bislang angenommen zu dokumentieren. Anschrift des Verfassers: Mag. Dr. Josef Eitler Mühlsangergasse 17 1110 Wien [email protected] ANMERKUNGEN 1 2 3 60 zuletzt: J. Eitler, Spätantike Gebäude am Gipfelplateau Hemma und St. Dorothea wurde die 2009 begonnene des Hemmabergs, Rudolfinum 2013, 81–91. Zählung der stratigrafischen Einheiten aufgegriffen und F. Glaser – S. Schretter, Die Ausgrabung Hemmaberg fortgeführt, um bei der Auswertung nahtlos an die 1990, Carinthia 181, 1991, 49–51. Flächen im Norden und Osten anschließen zu können. Für die Grabung des Jahres 2017 südlich der Kirche St. LANDESMUSEUM KÄRNTEN | RUDOLFINUM 2017