ASIA MINOR STUDIEN BAND 78
Forschungsstelle Asia Minor im Seminar für Alte Geschichte
der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
ASIA MINOR STUDIEN
Band 78
Assos
Neue Forschungsergebnisse zur Baugeschichte
und Archäologie der südlichen Troas
2016
DR. RUDOLF HABELT GMBH ∙ BONN
Forschungsstelle Asia Minor im Seminar für Alte Geschichte
der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Assos
Neue Forschungsergebnisse zur Baugeschichte
und Archäologie der südlichen Troas
herausgegeben von
Nurettin Arslan – Eva-Maria Mohr – Klaus Rheidt
2016
DR. RUDOLF HABELT GMBH ∙ BONN
Gedruckt mit Unterstützung der »Deutschen Forschungsgemeinschaft«
.
Abbildung Umschlag: Assos. Blick von der unteren Akropolisterrasse über die Westflanke
der Stadtmauer und die Westnekropole auf die Insel Lesbos 2015
(Roland Wieczorek, Lehstuhl Baugeschichte der BTU Cottbus-Senftenberg)
Beiträge und Anfragen sind zu richten an:
Forschungsstelle ASIA MINOR im Seminar für Alte Geschichte der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Georgskommende 25
D–48143 Münster
Redaktion: Nadine Marcinczik und Lisa Güllüce
ISBN 978-3-7749-3951-6
Ein Titeldatensatz ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.
(http://www.ddb.de)
Copyright 2014 by Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
H. Türk
Bemerkungen zu den Befestigungsanlagen von Assos
VII
1
B. A. Polat-Becks
Höhensiedlungen der archaischen und klassischen Zeit bei Assos
13
B. D. Wescoat
Architectural Expectations and the Temple of Athena at Assos
33
K. Müller
Untersuchungen auf der Akropolis von Assos
53
N. Arslan
Neue Forschungen zur Agora von Assos
85
C. Bakan
Hellenistic Pottery from Assos: Deposits and
Chronological Issues for Future Studies
107
Early Layers within the Living Quarter in the Southwest City of Assos
121
E.-M. Mohr – K. Rheidt
Der Assossurvey 2010–2012. Forschungen zu Stadtstruktur
und Entwicklung von den Anfängen bis in römische Zeit
129
New Evidences for a 2nd–3rd Century AD Phase of the Roman Baths at Assos
159
D. S. Lenger
A new Commodus Medallion from Assos
163
R. Stupperich
Die Grabungen in der Westnekropole in den Jahren 1989–1994 unter
Berücksichtigung der neuen stadtentwicklungsgeschichtlichen Fragestellungen
169
A. Külzer
Von Assos nach Pergamon und Ephesos: Betrachtungen zu den Straßen
Westkleinasiens in römischer und byzantinischer Zeit
185
B. Böhlendorf-Arslan
Die Ayazmakirche in Assos. Lokales Pilgerheiligtum und Grabkirche
205
U. Wittke
Die Westkirche in Assos
221
Farbtafeln 1–16
Faltplan
VORWORT
Mit dem Band ›Assos. Neue Forschungsergebnisse zur Baugeschichte und Archäologie der
südlichen Troas‹ knüpft das Assos-Projekt an die langjährige erfolgreiche türkisch-deutsche
Zusammenarbeit in Assos und die bewährte Publikation ihrer Ergebnisse in den Asia Minor
Studien an. Grundlegend ›neu‹ an der Konzeption der Untersuchungen der letzten Jahre ist vor
allem der stadtentwicklungsgeschichtliche Blickwinkel, der den Forschungen zugrunde liegt
und durch welchen die bauliche Entwicklung der Stadt Assos in ihren wesentlichen historischen
Umbruchphasen insgesamt in den Fokus genommen wird. Der diachrone Blick auf die Gesamtstadt ist es, der Assos als bislang weitgehend unbeachtetes bzw. unbekanntes Fallbeispiel in
die wissenschaftliche Diskussion um die urbanistische Entwicklung im westlichen Kleinasien
einbringt.
Neben den Forschungen zum archaischen Tempel auf der Akropolis, die Ende des 19. Jhs. im
Zuge der amerikanischen Assos-Expedition1 ihren Anfang nahmen, trugen vor Beginn der neuen
Forschungen lediglich die Ergebnisse der Untersuchungen in der Westnekropole zur Bereicherung des Bildes der Stadt und ihrer Entwicklung in den frühen Siedlungsphasen bei. Die von
Reinhard Stupperich im Rahmen der Assos-Grabung zwischen 1989–1994 untersuchten hoch
Siedlung seit archaischer Zeit hin, deren Ausdehnung und Gestalt in den wesentlichen Epochen
der Stadtgeschichte jedoch ebenso ungeklärt bleiben mussten, wie die Transformationsprozesse,
die Stadtbild und Siedlungsstruktur veränderten und prägten.
Auch die Sondagen, die nach Abschluss der amerikanischen Grabungen im Jahre 1883 erstmals
!"#$ % &&' &&(#$ ) den, lieferten keine neuen Erkenntnisse zur Entwicklung der griechisch-römischen Stadt. Bis
1996 konzentrierten sich diese Grabungen vor allem auf ein Quartier südlich des Gymnasions in
der Weststadt und erbrachten insbesondere Hinweise auf Aussehen und Struktur der Besiedlung
in den spätrömisch-frühbyzantinischen Phasen.2 Insgesamt lag der Schwerpunkt der Arbeiten
in Assos nach Abschluss der Nekropolengrabung auf der Restaurierung des Tempels und des
Theaters sowie auf der Herrichtung der Ruinen für den Tourismus.
Die Stadt selbst und die zahlreichen offenen Fragen zu ihrem Aussehen in den wesentlichen
Epochen ihrer langen Entwicklungsgeschichte gerieten erst seit 2006 unter der Direktion von
Nurettin Arslan erneut ins Blickfeld der Forschungen und führten zu Nachuntersuchungen an
älteren Grabungsschnitten im Bereich der Nordhalle der Agora und des Bouleuterions sowie in
der Westnekropole. Zudem wurden Untersuchungen zu den Inschriften im Theater und an der
Agora sowie Grabungen im Bereich der 2002 entdeckten Kirche auf dem Ayazma Tepe in der
Fortsetzung der Westnekropole durchgeführt.3 Seit 2007 werden im Stadtgebiet, auf der Akropolis und an den Befestigungsanlagen erneut systematische archäologische und bauforscherische
Untersuchungen durchgeführt, welche das Desiderat einer Einordnung der Ergebnisse in übergeordnete städtebauliche Zusammenhänge immer deutlicher hervortreten ließen. Im Jahr 2008
Clarke et al. 1902/1921.
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3
Ausführlich zu Forschungsgeschichte, neuen Forschungszielen und methodischen Grundlagen s. Arslan – Rheidt
2013, 195–200; außerdem zum DFG-geförderten Teilprojekt der BTU Cottbus s. https://www.b-tu.de/fg-baugeschichte/forschung/projekte/aktuelle-projekte/assos.
1
2
VIII
Vorwort
wurde mit vorbereitenden Maßnahmen, insbesondere der Schaffung geodätischer Grundlagen für
eine Untersuchung der Gesamtstadt begonnen. Seit 2010 wird das Projekt zur Erforschung der
Entwicklungsgeschichte der Stadt Assos von ihren prähistorischen Anfängen bis in die römische
Zeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, dem sich dann 2013 ein weiteres
Projekt zur Untersuchung des spätantiken und byzantinischen Assos anschloss.4
Die neuen türkisch-deutschen Forschungen in Assos verfolgen die gemeinsamen Ziele, die offenen
stratigraphischen Fragen zur zeitlichen Einordnung der Großbauten, die durch die amerikanischen
Ausgrabungen bekannt gemacht wurden, zu klären, den zugehörigen städtebaulichen Kontext
zu rekonstruieren und das so gewonnene Bild der Stadt in ihren wesentlichen Epochen in die
entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhänge innerhalb der Region einzuordnen. Der vorliegende Band der Asia Minor Studien geht auf ein internationales Kolloquium zurück, das vom
15.–17. November 2012 mit dem Ziel durchgeführt wurde, erste Ergebnisse und Hypothesen zur
Stadtentwicklungsgeschichte von Assos vorzustellen und in einem interdisziplinären Rahmen
zu diskutieren. Neben der unverzichtbaren siedlungstopographischen und infrastrukturellen Einbindung der Siedlung in die südliche Troas,5 wurde in diesem Zusammenhang deutlich, welch
hohen Erkenntnisgewinn hinsichtlich Stadttopographie, Anlageprinzipien sowie Entwicklung,
Infrastruktur und architektonischem Erscheinungsbild die Forschungen der letzten Jahre bereits
erbringen konnten und welche Fragen dringend in zukünftigen Forschungen fokussiert werden
müssen.
Die Stadt Assos ist mit ihrem eindrucksvollen spätarchaischen Tempel6 sowie gut erhaltenen
Befestigungsmauern und zentralen Bauwerken aus archaischer, spätklassischer und hellenistischer Zeit als paradigmatisches Beispiel für zahlreiche Fragen antiker Stadtgeschichte in die
Handbücher eingegangen. Sämtliche Theorien zur Stadtentwicklung und zu den städtischen
Bauten beruhen bisher jedoch auf den Zeichnungen und Berichten der amerikanischen Expedition aus den Jahren 1881–1883. Durch das Kooperationsprojekt der BTU Cottbus und der
Onsekiz Mart Üniversitesi Çanakkale wurde nun erstmals ein neuer, verlässlicher Stadtplan
erstellt und das gesamte Stadtgebiet in einem Intensivsurvey detailliert erforscht.7 Grabungen,
Reinigungsarbeiten und Bauaufnahmen auf der Akropolis erbrachten wertvolle Hinweise auf
bislang unbekannte antike Bauten in der Umgebung des archaischen Tempels und lassen es
außerdem zu, die byzantinische und osmanische Burganlage in groben Zügen rekonstruieren.8
Die vollständige Dokumentation der hoch aufragenden Befestigungsanlagen sowie Detailuntersuchungen an einzelnen aussagekräftigen Abschnitten ermöglichen es nicht nur, deren relative
Chronologie überzeugend zu klären, sondern auch einzelne Abschnitte der Ummauerung, die
mit 3,5 km Länge ein 50 ha großes Stadtgebiet einfasst, bis hin zu Treppen, Wehrgang und
Zinnen detailliert zeichnerisch zu rekonstruieren.9 Zudem liefern gezielte Sondagen an der Agora
und südlich des Westgymnasions sowie in einem Wohnviertel in der Weststadt und im Bereich
der Ayazmakirche westlich der Stadt – wie auch Nachuntersuchungen in der Westnekropole
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305–308; Türk 2012; Türk 2014.
5
s. die Beiträge von A. Polat-Becks und A. Külzer in diesem Band.
6
s. den Beitrag von B. D. Wescoat in diesem Band.
7
s. den Beitrag von E.-M. Mohr – K. Rheidt in diesem Band.
8
s. den Beitrag von K. Müller in diesem Band.
9
s. den Beitrag von H. Türk in diesem Band.
4
Vorwort
IX
und an der sog. Westkirche – umfassende Erkenntnisse zur Geschichte der Bauten selbst, aber
auch zu ihrer wechselnden Bedeutung im Stadtorganismus.10 Auf der Grundlage dieser neuen
und teilweise überraschenden Ergebnisse und Befunde wurden während des Kolloquiums vor
allem Fragen zur Chronologie der Bauten, ihrer überregionalen Bedeutung und Einordnung
sowie möglicher Akkulturations- und Transformationsprozesse, die sich in den beobachteten
Entwicklungen widerspiegeln, diskutiert.
Wir freuen uns sehr, dass nahezu alle Teilnehmer des Kolloquiums ihre Beiträge für die vorliegende Publikation bearbeitet, teilweise erheblich erweitert und um wertvolle Erkenntnisse
bereichert haben, die durch die anschließenden intensiven Diskussionen gewonnen wurden.
Besonders erfreulich ist, dass die Mitarbeiter des Assos-Projektes, die an der Teilnahme am
Kolloquium verhindert waren, ihre Beiträge dennoch eingereicht haben11 und so das Spektrum der
vorgestellten Forschungen vervollständigen. Insbesondere der Austausch zwischen den ›älteren‹
Protagonisten der Assos- bzw. Troasforschung und den Mitgliedern unseres Forschungsteams
führte zu wesentlichen neuen Erkenntnissen, welche das enorme Potenzial des Ortes für
weitere archäologische Arbeiten und für die Lösung städtebaulich-historischer Fragen deutlich
machen. Allen, die zum Gelingen und zu den fruchtbaren Diskussionen im Rahmen des Kolloquiums beigetragen haben, danken wir herzlich. Eva-Maria Mohr hat die Beiträge für den
Druck vorbereitet. Ihr und der Redaktion der Asia Minor Studien ist die zügige Bearbeitung
zu verdanken. Darüber hinaus danken wir der BTU Cottbus für die tatkräftige Unterstützung
des Forschungsprojektes und des Kolloquiums. An den hier präsentierten Forschungen waren
neben den Autorinnen und Autoren zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie
Studentinnen und Studenten deutscher und türkischer Universitäten beteiligt. Ohne sie und die
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möglich gewesen. Ihnen allen sei für ihren engagierten Einsatz herzlich gedankt.
Dezember 2014
Nurettin Arslan, Eva-Maria Mohr und Klaus Rheidt
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s. die Beiträge von D. S. Lenger und U. Wittke in diesem Band. Leider war es A. Matthaei nicht möglich, seinen
Beitrag zu Atarneus für die Kolloquiumsakten fertig zu machen. Dieser wird an anderer Stelle erscheinen.
10
11
X
Vorwort
Verzeichnis der Abkürzungen
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Arslan et al. 2010
N. Arslan – H. Türk – M. Kiderlen – K. Müller – B. Böhlendorf-Arslan –
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2010, 225–240
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KST 3, 2011, 235–250
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2012, 41–64
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Arslan – Eren 2012
N. Arslan – K. Eren, L’agora d’Assos: le plan, la construction et les
différentes phases de son utilisation, in: L. Cavalier – R. Descat – J.
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Arslan – Rheidt 2013
N. Arslan – K. Rheidt, Assos. Bericht über die Ausgrabungen und Forschungen zur Stadtentwicklungsgeschichte 2006 bis 2011, AA 2013/1,
195–246
Clarke et al. 1902/1921
J. T. Clarke – F. H. Bacon – R. Koldewey, Investigations at Assos.
Expedition of the Archaeological Institute of America. Drawings and
Photographs of the Buildings and Objects Discovered During the Exca!
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Rheidt 2015
K. Rheidt, Polis und Stadtbild im 4. und 3. Jh. v. Chr., in: A. Matthaei,
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Türk 2012
H. Türk, Ein neues Gesicht für die Stadt. Die Befestigungsanlagen von
Assos in der Troas, in: Bericht über die 46. Tagung für Ausgrabungswis > '_ '@ &] '
Türk 2014
H. Türk, Entlang – entgegen – hindurch. Die Bedeutung der Befestigungsanlagen für die Erschließung der Stadt Assos, in: D. Kurapkat – P. I.
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DIE AYAZMAKIRCHE IN ASSOS:
LOKALES PILGERHEILIGTUM UND GRABKIRCHE
(Taf. 78–84; Farbtaf. 14)
Die Ayazmakirche liegt an der in archaischer Zeit angelegten Gräberstraße, die vom Westtor
aus kommend in einer sanften Schleife nach Westen abbiegt und bis weit vor die Tore der Stadt
Assos führt (Taf. 78, 1). Namensgebend für die Kirche ist der Vermerk auf einem alten Katasterplan, nach dem das Gebiet nordwestlich der Stadt als Flur ›Ayazma‹ und der sanfte Hügel,
auf dem die Kirche steht, als ›Ayazmatepe‹ bezeichnet wird. Es gibt keine Hinweise auf ein
#}!# # * #
jedoch mindestens zwei Quellen. Der Platz ist damit für Assos ungewöhnlich reich mit Wasser
ausgestattet, was auch der Anlass für die Namensgebung gewesen sein könnte. Ob dieser Name
von der byzantinischen Zeit bis heute tradiert wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Nach der
Eroberung durch die Osmanen siedelten sich Türken auf der Rückseite des Stadtberges in einem
Dorf an, welches Behramkale genannt wurde und heute noch bewohnt ist. Dass die Bezeichnung
›Ayazma‹ auf eine griechische Bevölkerung zurückzuführen ist, kann daher ausgeschlossen
werden.1
Die antike Nekropole dehnt sich um mindestens weitere 600 m nordwestlich der freigelegten
### \
Bestattungsareal neben der modernen Fahrstraße annehmen lässt. Dies belegen u. a. mehrere in
Fundamenten erhaltene Grabhäuser und zwei Rundbauten sowie zahlreiche Sarkophage, die hier
verstreut liegen. Die Ayazmakirche wurde über zwei solcher antiker Grabterrassen errichtet und
überdeckt des Weiteren einige hellenistische und römische Einzelgräber (Taf. 78, 1. 2; 79, 1).
Dieser traditionsreiche Bestattungsplatz wurde in frühchristlicher Zeit erneut prominent belegt.
Durch Eintiefen in den gewachsenen Felsen schuf man eine unregelmäßige Grube von etwa
1 x 2,50 m, deren Seitenwände der rohe, nicht geglättete Felsen bildet. Die Eintiefung wurde als
Grab genutzt, da sie mit einem großen giebelförmigen Sarkophagdeckel, offenbar hier in zweiter
Verwendung, abgedeckt ist (Taf. 79, 2). Die Grabgrube war an einigen Stellen breiter als der Deckel, daher wurden am Rand noch zusätzliche Platten eingepasst, um die Grube zu verschließen.
Von diesen Platten ist noch eine in situ erhalten. Beim nachträglichen Öffnen des Grabes wurde
der vordere Teil des Deckels abgebrochen, er liegt nun neben dem Grab. In den rückwärtigen
Teil des Sarkophags führt ein mit Platten gedeckter Kanal, der leicht gebogen bis an die Nordwand reicht (Abb. 1 ; Taf. 79, 2). Mit dem nur knapp 30 cm breiten Kanal wurden offensichtlich
Flüssigkeiten wie Wasser oder Öl in den Sarkophag geleitet, die dann an den Füßen beginnend
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Das Projekt „Die Stadtentwicklung von Assos (Türkei) in spätantiker und byzantinischer Zeit“, aus dem dieser
Beitrag generiert wurde, wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Autorin dankt
dem Fördergeber und vor allem auch dem Ausgrabungsdirektor, der das Arbeiten in Assos überhaupt ermöglicht
hat, sowie dem Ausgrabungsteam herzlich.
1
Die Mauern der Kirche lagen im 19. Jh. so weit frei, dass sie im Übersichtsplan der ersten Publikation der Ausgrabungen eingezeichnet wurden. Hier ist auch der Verlauf der Straße südlich der Kirche vermerkt (Clarke et al.
1902/1921, 13).
206
Beate Böhlendorf-Arslan
mosaik
N
0
1
m
5
Abb. 1: Grundriss der frühbyzantinischen Kirche
konnten.2 Bei dem Sarkophag handelt es sich damit um die Grablege eines oder einer Heiligen;
die Knochen wurden als Reliquien verehrt. Durch den Kontakt der eingeleiteten Flüssigkeit
entstand eine Sekundärreliquie, die dann abgefüllt der weiteren Verwendung zur Verfügung
stand. Die Zeitstellung ähnlicher Anlagen an anderen Orten lässt vermuten, dass das Grab wohl
im 5. Jh. errichtet wurde.3
Offenbar war dieses Grab für die Bevölkerung so wichtig, dass es in der ersten Hälfte des 6. Jhs.
in einen Kirchenbau integriert wurde. Das nördliche Seitenschiff einer kleinen Basilika wurde
sorgfältig um die Grablege herumgebaut. Von dieser frühesten Kirche haben sich nur wenige
Reste erhalten, die größtenteils in den mittelbyzantinischen Umbau eingegliedert wurden.4 Zu
dem frühbyzantinischen Bau gehören die Apsis, der östliche Querabschluss und die nördliche
Längswand. Wahrscheinlich stammt auch der Narthex aus dieser frühen Phase. In der untersten
Steinlage der Nordwand stecken in regelmäßigen Abständen sechs Quader; ein weiterer, der
genau dazwischen platziert gewesen sein müsste, wurde wohl bei den mittelbyzantinischen
Umbauarbeiten entfernt. Diese Blöcke wurden ursprünglich als Basen für Säulen oder Pfeiler
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rekonstruiert werden (Abb. 1). Der Naos des frühbyzantinischen Baues war mit einem Fußbodenmosaik ausgestattet, das sich nur noch mit einem schmalen Streifen am Nordrand des Raumes
nachweisen lässt. Beim Einbau des mittelbyzantinischen Plattenfußbodens wurde das Mosaik
vollständig abgetragen. Einige Reste haben sich durch den Einbau einer an die Wand angelehnten
Bank erhalten. Das größte erhaltene Mosaikfragment besteht aus roten, orangebraunen, blauen,
+ + # ^ #
2
In der Kaynak Kilise in Patara wurden einige Sarkophage mit einer Libationsöffnung im Bereich des Kopfes versehen, über die Flüssigkeiten in den Sarkophag gelangten, die dann aber nicht mehr abgeschöpft werden konnten.
s. hierzu Peschlow 2015, 465.
3
Engemann 1995, 31–34; Donceel-Voûte 1995, 188–200; Bangert 2010, 298 Anm. 22; 317; Comte 2012, 116–118.
4
s. a. Böhlendorf-Arslan 2013, 232–234.
Die Ayazmakirche in Assos: Lokales Pilgerheiligtum und Grabkirche
207
spitzen Winkeln, die durch je ein Viereck geteilt werden (Farbtaf. 14, 1).5 In den Quadraten sind
symmetrisch jeweils vier lilienartige Gebilde gruppiert.
An das westliche Seitenschiff der frühbyzantinischen Basilika wurde ein Baptisterium angebaut,
das mit einer kleinen, nach Osten gerichteten Apsis abschließt (Abb. 1; Taf. 78, 2).6 Nahe der
Apsis liegt, etwas aus der Mittelachse geschoben, ein aus zahlreichen zerschlagenen Spolien
und Mörtel gefertigtes, kreuzförmiges Becken, welches in die hellenistische Vorgängerbebauung
eingebaut wurde. Dabei wurde es nicht bis zur Oberkante in den Boden eingetieft, der obere
Teil war von außen noch sichtbar, wie aus den Marmorverkleidungsplatten, die noch in situ an
den Wänden anhaften, zu erkennen ist. Der Zugang in das Becken erfolgte offensichtlich von
Norden; hier war die Umgebung des Beckenrandes mit quadratischen Ziegelplatten ausgelegt.
Die Kirche hatte damit in frühbyzantinischer Zeit mehrere Funktionen; sie schützte und beherbergte das lokale Pilgerheiligtum, zudem wurden hier liturgische Feiern und Taufen durchgeführt.
Wahrscheinlich in der Mitte des 7. Jhs. erfuhr die Stadt eine weitreichende Zäsur in der Besiedlungsgeschichte.7 Mit dem Ende der frühbyzantinischen Stadt innerhalb der antiken Befestigungsmauern8 wurde wohl auch die Ayazmakirche aufgegeben, zumindest aber nicht mehr regelmäßig
genutzt. Für mindestens 150 Jahre sind keine Aktivitäten in der Kirche durch Funde oder Umbauten belegt. Selbst unter Berücksichtigung einer möglicherweise unzureichenden Grabungsdokumentation des alt gegrabenen Kernbaues auf der einen Seite9 sowie des Umstandes, dass die
++ #?}
hätten die Ausgrabungen der Anbauten und unmittelbaren Umgebung zumindest Anhaltspunkte
für eine Kontinuität der liturgischen Feiern in der Kirche geben müssen. Möglicherweise
war die Kirche mit der Bestattung der verehrten Person noch im kollektiven Gedächtnis der
Menschen verankert;10 vielleicht war der Sarkophag sichtbar und wurde vereinzelt aufgesucht.
Das mag auch der Grund gewesen sein, wieso man ab dem 9. Jh. begann, östlich der Kirche
Gräber anzulegen.11
In der ersten Hälfte des 11. Jhs. wurde die Kirche architektonisch umgestaltet. Spätestens zu
dieser Zeit wurden die Pfeiler- oder Säulenstellungen im Naos entfernt und durch geschlosse +}$+ # >*
78, 2; Taf. 79, 2 und Abb. 2).12 Der Fußboden wurde bis auf den hellenistischen Laufhorizont
Eine ähnliche Komposition zeigt auch der Randrapport des Mosaiks in der Gymnasionskirche sowie die Umgrenzung des Mittelmotivs des Bemamosaiks in der Westkirche: Clarke et al. 1902/1921, 186 f.; Arslan – Böhlendorf-Arslan 2010, 142–147; Arslan – Bakan 2012, 6–8 sowie den Beitrag von U. Wittke in diesem Band, Farbtaf.
16, 1.
6
Ohne Apsis, dafür aber mit der Ansprache als Grab, ist es schon im Übersichtsplan der ersten Grabungen eingetragen: Clarke et al. 1902/1921, 13.
7
Die Entwicklungsgeschichte von Assos in der Spätantike und byzantinischen Zeit ist Gegenstand eines seit 2013
laufenden Forschungsprojekts der Verf., das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt wird.
8
Arslan – Böhlendorf-Arslan 2010, 140 f.
9
Der Kernbau der Kirche wurde im Sommer 2002 und 2003 von einem studentischen Team unter der Grabungs!"#$ Ê `##! *
Kirche und seiner Anbauten fanden von 2007 bis 2011 durch die Verf. statt; begleitende Bauaufnahmen werden
von Martin Dennert, unterstützt durch die Architekten Bilge Bal und Christof Hendrichs, durchgeführt. Zur Grabungsgeschichte s. a. Böhlendorf-Arslan 2013, 230.
10
Assmann 1992, 52–56.
11
Möglicherweise wurden gleichzeitig auch in anderen Teilen der Kirche Bestattungen angelegt, was sich aufgrund
der Forschungsgeschichte nicht mehr nachweisen lässt, da der Kernbau vor unserer Aufarbeitung ausgegraben wurde.
12
Zu diesem Typus s. Buchwald 2010 sowie den Beitrag von U. Wittke in diesem Band. Auch die Kirche unter5
208
Beate Böhlendorf-Arslan
abgetragen,13 wobei das frühbyzantinische Bodenmosaik herausgerissen wurde. Für die Neuverlegung des Fußbodens verwendete man eine bis zu 15 cm starke Lage Sand als Ausgleichsschicht. Auf diese Bettung wurden dann zu Platten gesägte Sarkophage gelegt, die damit ein
# *14 In der Sandausgleichsschicht wurde unter einer großen Platte
eine Münze gefunden, nach der diese Maßnahme frühestens in der Mitte des 11. Jhs. erfolgt sein
kann.15 An einige Stellen wurden Fehlstellen des Plattenbodens mit unregelmäßigen Mosaik )*Y ###\#}
ebenfalls aus Sarkophagplatten und wiederverwendeten Bauteilen besteht. Das Bema, ehemals
durch ein Templon vom Naos getrennt,16 erhielt einen Belag aus unregelmäßig geschnittenen
Marmorplatten, von denen noch einige Reste in der Nordostecke erhalten sind. Die Lage und
Größe der übrigen Platten war an Abdrücken in der dünnen Estrichschicht darunter zu erkennen.
Die Stelle des Altars lässt sich an einer rechteckigen, leicht zur Apsis hin verschobenen Aussparung im Fußbodenbelag ablesen. Von dieser führt ein schmaler, mit Ziegeln belegter Laufgang zum Ambon (Taf. 80, 1). Ob das Synthronon aus dieser Bauphase stammt oder schon in
der frühbyzantinischen Kirche eingebaut war, kann nicht mehr beantwortet werden. Ein kleiner,
südöstlich außen an die Apsis der Kirche angesetzter Anbau mit apsidialem Mauerabschluss im
Osten, der die noch gut erhaltene Mauer des frühbyzantinischen Baptisteriums nutzte, wurde
wohl auch in dieser Phase errichtet. Der Zugang in die Kapelle erfolgte von Süden her. Hierfür
wurde auf die zwischenzeitlich mit Erde angefüllte Piscina eine 3 bis 10 cm dicke Lage Estrich
gestrichen, die als Bettung für die Tonziegel des Fußbodenbelages im Eingangsbereich diente
(Abb. 2 und Taf. 82, 2). Die Datierung dieses fast im gesamten östlichen Teil des aufgelassenen
Baptisteriums nachgewiesenen Belags bildet einen terminus post quem für die frühen Bestattungen in diesem Bereich.
In einer zweiten Umbauphase, die nicht später als im frühen bis ersten Drittel des 12. Jhs.
erfolgte, wurden die Seitenräume und der Nordteil des Narthex zu Grabkammern umgebaut,
einige Türen in den Naos zugemauert, Bänke an die Wände gesetzt und die Nischen in der
nördlichen Innenwand zugesetzt. Auch der Anbau der Kammern im Westen und der Einbau
einer Privatkapelle auf der Südostecke gehören in diese Zeit. Die Kapelle wurde in Form einer
kleinen Kreuzkuppelkirche konstruiert und hatte wohl die Funktion eines Parekklesions (Taf.
78, 2 und Abb. 2).17
Der Hauptzugang in die Kirche erfolgte von Süden. Hier führte wohl schon seit mindestens
hellenistischer Zeit die antike Gräberstraße vorbei, über die dann die Kirche wahrscheinlich
durch zwei separate Treppen – eine in der Höhe des Narthex, die andere zwischen Parekklesion
und daneben liegender Grabkammer – betreten werden konnte. Ein anderer Zugang lag im
}#) #
halb der Agora und die sog. Theaterkirche gehört zu diesem Bautyp: Arslan – Böhlendorf-Arslan 2010, 148 f.;
Böhlendorf-Arslan 2013, 229 f.
13
Zumindest im Osten des Naos kam dabei ein regelmäßiger Ziegelplattenbelag zu Tage, der offenbar zu einem
hellenistischen Grabbau gehörte (Böhlendorf-Arslan 2013, 234).
14
Auf einigen der Platten sind Inschriften von in frühbyzantinischer Zeit verstorbenen Personen eingeritzt. Die
spätantiken und frühbyzantinischen Inschriften von Assos werden von Tolga Özhan zur Publikation vorbereitet.
15
Grierson 1993, 665 A2.36.2 Taf. 53.
16
Böhlendorf-Arslan 2013, 232 Abb. 39.
17
Böhlendorf-Arslan 2013, 234 f.
Die Ayazmakirche in Assos: Lokales Pilgerheiligtum und Grabkirche
209
kleinen Raum gelangte, der mit einer Türe verschlossen war.18 Über diesen erreichte man eine
weitere rückwärtige Kammer im Westen oder eine vom Narthex abgetrennte, kleine quadratische Kammer, die in dieser Phase den einzigen Zugang zum ›Heiligengrab‹ bot. Weiterhin
#) ^# Y## #! $ !
der Narthexwand gelangen, von dem aus ein schmaler Korridor zum Narthex führte (Abb. 2. 4,
Taf. 78, 2 und Taf. 82, 1).
N
0
1
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5
Abb. 2: Grundriss der mittelbyzantinischen Kirche
In den Kammern vor dem Narthex sowie dem Seitenraum, in den der prominente Sarkophag
eingebaut war, im Bemabereich und östlich der Kirche wurden große Mengen an fragmentiertem
Fensterglas gefunden. Die Kammern, Seitenräume und der Naos der mittelbyzantinischen Kirche
# + ? # *
Zusätzlich erhellten viele Glaslampen die Innenräume, von denen wir zahlreiche Glasscherben,
Dochthalter aus Blei und Kettengehänge fanden.
\ ) ? +++*?)
ersten Bestattungen nach Aufgabe der Kirche wurde wohl im 9. Jh. das damals noch sichtbare
Taufbecken als Grablege verwendet. In den westlichen Kreuzarm stellte man sechs Steinplatten
senkrecht ein, sodass diese eine leicht trapezoide Kiste bildeten, die dann mit drei Platten bedeckt wurde. In diesem Grab lag mit dem Kopf nach Westen ein etwa zwei Jahre altes Kind,19
dessen Arme über der Brust gekreuzt waren (Taf. 80, 2). Ein einzelner Ohrring lag im Bereich
des Kopfes. In den Ring war eine ovale Bronzeperle aufgefädelt, die beidseits durch gewickelte
Die runden Vertiefungen der Angeln und die Leiste des Anschlags sind noch in der Türschwelle zu erkennen.
## !")%}! { } ) *neren Kindern ist die Geschlechtszuweisung ohne DNA-Analyse nicht möglich.
18
19
210
Beate Böhlendorf-Arslan
Abb. 3: Wiederverwendete Ostothek
Drähte gehalten wurde.20 In der zu dieser Zeit offensichtlich bereits stark zerstörten Apsis des
Baptisteriums wurde ein weiteres Grab angelegt. Für dieses hub man eine leicht schräg nach
Nordwest – Südost gerichtete Grube aus und setzte eine Ostothek hinein. In den Spalt zwischen
Grubenwand und Kiste wurden senkrechte Marmorplatten und Ziegel gesteckt und dann erst
mit Erde aufgefüllt. Die Ostothek ist römischen Ursprungs, die Girlandenverzierung an den
Längswänden wurde für die Zweitverwendung grob abgeschlagen. Der Deckel ist in Form eines
Tempeldaches mit Giebel und Akroteren gestaltet (Taf. 81, 1 und Abb. 3). In der Grabkiste wurde
20
Ähnlich ein Exemplar aus Korinth: Davidson 1952, 251 Nr. 2016, Taf. 107.
Die Ayazmakirche in Assos: Lokales Pilgerheiligtum und Grabkirche
211
ein Neugeborenes bestattet, dem ein Spiegel aus Bronze beigegeben wurde. Ähnliche Spiegel
sind aus römischer und frühbyzantinischer Zeit bekannt,21 offensichtlich hat man dem Kind ein
Objekt mit ins Grab gelegt, das schon damals als Antiquität gelten konnte.
Abb. 4: Rekonstruktion der Grabkirche
Spätestens im 11. Jh. wurde das gesamte Kirchenareal – mit Ausnahme des Naos, der für die
liturgischen Feiern vorgesehen war – für die Anlage von Gräbern genutzt (Abb. 4). Der Nachweis
von Bestattungen in den Seitenräumen ist nur noch unter Vorbehalt möglich, da der Großteil
des Areals bereits vor unseren Nachforschungen ausgegraben wurde.22 In der Kammer mit dem
frühbyzantinischen Heiligengrab steht in der Nordwestecke ein leerer Sarkophag mit Deckel, der
hier in zweiter Verwendung genutzt wurde. Dieser Raum wurde von den früheren Ausgräbern
nicht systematisch untersucht. Nachgrabungen erbrachten, dass an den Seitenwänden zwischen
Sarkophag und Heiligengrab zwei weitere Verstorbene begraben waren. Unter einer Nische der
Außenwand lag auf einer Erdpackung das Skelett eines Mannes mit dem Kopf nach Westen,
die Beine nach Osten ausgestreckt (Taf. 81, 2). Offensichtlich war der Tote ursprünglich mit
Platten an der Seite und Oberseite geschützt worden, von denen jedoch lediglich zwei in Höhe
des Beckens erhalten waren. Von der Bestattung an der gegenüberliegenden Wand konnten nur
noch einige Knochen geborgen werden. Im Vorraum zu dieser Grabkammer nimmt ein großer,
sorgfältig rechteckig zugehauener Stein mehr als ein Drittel der nur 3,1 x 3,1 m messenden,
quadratischen Kammer ein. Dieser bildete ein Podest und diente wohl ebenfalls als Grablege
oder vielleicht auch als Ablage von Lampen und anderen Gegenständen, die bei den Totenfeiern
gebraucht wurden.
Waldbaum 1983, 108 f. Taf. 42; Riha 1986, 11–16.
Im Depot des Grabungshauses werden von den Altgrabungen zwei Skelette von erwachsenen Männern aufbewahrt, die nach Aufschrift aus der Ayazmakirche stammen.
21
22
212
Beate Böhlendorf-Arslan
# ^#} # ! }
Boden erhaltener Sarkophag. Auch von den anderen Sarkophagen in den Vorräumen vor dem
Narthex oder im nördlichen Eingangsbereich sind lediglich die Unterteile erhalten. Die Sarkophagböden vor der Narthexaußenwand liegen etwa in 70 cm Höhe, der Sarkophag in der Kammer
in der Nordostecke in ca. 40 cm Höhe auf großen Blocksteinen auf (Abb. 4 und Taf. 82, 1).23 Die
beiden Grabkammern im Westen waren durch einen regelhaften, bis 20 cm starken Versturz aus
horizontal liegenden Dachziegeln versiegelt. Durch diese Ziegelschicht wäre eine nachträgliche
Zerstörung oder Fragmentierung der darunter begrabenen Sarkophage nicht möglich gewesen.
Es ist daher wahrscheinlich, dass an dieser Stelle bewusst nur die abgeschlagenen Böden der
Sarkophage aufgestellt wurden. Möglicherweise dienten sie lediglich der Aufbahrung von Verstorbenen in der Kirche während der Trauerfeierlichkeiten bis zur eigentlichen Beisetzung.24 Eine
solche zur Schaustellung in der Kirche ist zumindest für Angehörige des Klerus belegt.25 Wenn
allerdings in den Sarkophagen doch Verstorbene bestattet gewesen waren, wären sie schon vor
sehr langer Zeit, vor dem Zusammensturz des Dachstuhls der Räume entfernt worden.
Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden mit Ausnahme des Naos alle Räume, nicht nur der
nördliche Seitenraum mit dem prominenten Grab und die Umgebung der Kirche, für Bestattungen genutzt. In den westlichen Vorräumen wurden die Reste zweier Gräber dokumentiert,26
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der Südseite der Kirche sind für eine Funktionsbestimmung weniger gut erhalten. Im Raum
südöstlich des Eingangs in den Narthex weisen ein Sarkophag mit verrutschtem Deckel und
verstreute menschliche adulte Knochen ebenfalls auf die Nutzung als Grablege hin. Auch der
Narthex wurde für Bestattungen genutzt. Direkt am Durchgang zum Naos wurde eine Kiste in
den anstehenden Felsen gehauen (Abb. 4). In dieses mit drei Decksteinen verschlossene Grab
war ein Säugling mit Blick nach Osten gebettet.27 Rechts und links des Schädels lagen einfache
Drahtohrringe aus Silber.28 Eine weitere rechteckige Felseintiefung im nördlichen Bereich des
Narthex wurde bei den früheren Ausgrabungen geöffnet.29
Eine dicht gedrängte Belegung mit Gräbern ist besonders im Bereich östlich der Apsis und östlich
der wohl als Parekklesion genutzten Kapelle nachzuweisen (Abb. 4 und Taf. 82, 2). In diesem
schon früh, ab dem 9. Jh., genutzten Areal wurden allerdings ausschließlich Kinder bestattet,
Zwei der Sarkophagböden haben wir zur Kontrolle angehoben und nach Ausgrabung wieder an Ort und Stelle
gelegt. Wie sich zeigte, wurden die Böden auf drei bis vier sorgfältig ausgerichteten Blocksteinen niedergelegt
(Böhlendorf-Arslan 2009, 232–234). Die sandige Erde zwischen den Steinen wurde sekundär eingeschwemmt.
Diese enthielt nur kleine Keramik- und Glasscherben.
24
Kyriakakis 1974. – Möglicherweise dienten in anderen Orten, in denen antike Sarkophage zur Wiederverwendung
nicht wie in Assos so leicht zur Verfügung standen, auch Holzbahren für diesen Zweck. Solche Holzbahren sind
beispielsweise in Amorium nachgewiesen, s. Ivison 2010, 336 (mit weiteren Anmerkungen).
25
Karpozilos 1991, 806 f.; Velkovska 2001, 37.
26
Böhlendorf-Arslan 2013, 235. In den nordwestlichen Kammern wurden zudem noch weitere, in mehr oder weniger
regelhafter Lage verzeichnete Überreste von vier Männern gefunden. – Zwei Urnengräber aus dem Raum westlich
des Narthex stammen dagegen aus vorchristlicher Zeit.
27
Dennert 2008, 112; Böhlendorf-Arslan 2013, 236.
28
Einfache Drahtohrringe sind ab frühbyzantinischer Zeit in dieser Form bekannt und besonders in der mittelbyzantinischen Zeit weit verbreitet: z. B. Davidson 1952, 251 Nr. 2007 Taf. 108; Gill 1986, 267 Nr. 601 Taf. 415;
Papanikola-Bakirtzi 2002, Nr. 546. 547; Bosselmann-Ruickbie 2011, 99. 220 f. Kat.Nr. 4–8; Berti 2012, 192;
Böhlendorf-Arslan 2012, 364 f. Abb. 13, 13.
29
Dennert 2008, 112. Offensichtlich stammen die Knochen eines Neugeborenen, die wir im Depot mit der Aufschrift
»Ayazma, Narthex Mezar [Grab] 1« gefunden haben, aus diesem Grab.
23
Die Ayazmakirche in Assos: Lokales Pilgerheiligtum und Grabkirche
213
adulte Verstorbene sind hier nicht anzutreffen. Nach den noch nicht endgültig abgeschlossenen
anthropologischen Untersuchungen handelt es sich bei den hier Bestatteten in der Mehrzahl um
Föten, Totgeburten oder Neugeborene, die in den ersten Lebensstunden oder -tagen verstorben
waren.30 Nur zehn der insgesamt 52 der in oder bei der Kirche beerdigten Kinder wurden älter
als sechs Monate. Ähnlich jung verstorbene Säuglinge wurden auch im mittelbyzantinischen
Amorium nahe dem aufgelassenen Baptisterium bestattet.31 Wahrscheinlich erfuhren die so
früh Verstorbenen keine Lebendtaufe mehr oder kamen ungetauft unter die Erde. Dies könnte
ein wichtiger Grund für die separate Lage der Kinderfriedhöfe in Assos wie auch in Amorium
gewesen sein.
Grundsätzlich aber bestattete man die Kinder ebenso sorgfältig und gewissenhaft wie die Erwachsenen. Neben der eigens errichteten Grabkapelle, in der zehn Säuglinge ihre letzte Ruhe
fanden – einer von ihnen wurde wohl schon vor dem Bau des Annexes an dieser Stelle begraben
– erstrecken sich die Gräber vor allem im Bereich des ehemaligen Baptisteriums und unmittelbar östlich der Apsis der Kirche. Bei der Mehrzahl handelt es sich um Steinkistengräber, deren
Böden aus Stein- seltener auch aus Tonplatten gebildet wurden. Die Seitenwände bestehen aus
jeweils zwei bis drei längs gestellten Platten, wodurch die Gräber eine nicht ganz rechteckige
Form erhielten (Taf. 82, 2). Die Abdeckung bestand aus weiteren Steinplatten. Neben einem
sorgfältig gebauten Grab in der Apsis der Grabkapelle lag ein Tongefäß mit den schlecht
erhaltenen Resten eines Fötus. Die Bestattung in Töpfen ist in Assos in byzantinischer Zeit
sonst nicht nachzuweisen.32 Wenige Gräber sind einfache Erdbestattungen; bei einem ist diese
durch je einen Stein an Kopf und Fuß eingegrenzt. Die Art der Grablege scheint kein Indiz für
die soziale Stellung der Eltern des verstorbenen Kindes zu sein. Manche der Erdbestattungen
fanden ihren Platz in der Grabkapelle, in anderen legte man Geschenke nieder.
In Assos war es nicht unüblich, den Kindern Objekte mit ins Grab zu geben oder persönliche
Dinge bei ihnen zu belassen (Farbtaf. 14, 2). In den Gräbern der adult Verstobenen wurden
dagegen keine Beigaben gefunden.33[|'! ''stände im Grab. Münzen waren eine beliebte Beigabe und lagen in zehn Gräbern im Bereich des
Kopfes oder des Oberkörpers. Es handelt sich dabei ausschließlich um Münzen frühbyzantinischer Emissionen, die alle etwas abgegriffen und offenbar länger im Umlauf waren. Sie wurden
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diesen als Altfunde beigegeben. Kupfermünzen in Gräbern byzantinischer Zeit sind an verschiedenen Orten in Griechenland und der Türkei nachgewiesen.34 Sie hatten wohl eine apotropäische
Funktion und gaben den Toten Schutz vor bösen Geistern. Möglicherweise standen sie auch
antiker Tradition und dienten, ähnlich dem Fährgeld des Charon, zur Bezahlung der Dämonen
an der Mautstelle des Paradieses oder sie sollten Charos, den Totenboten Gottes, besänftigen.35
Bei einigen der sehr kleinen Kinder misst der Schädel nur wenig mehr als 12 cm im Durchmesser, bei anderen
hat das Skelett nur knapp 40 cm Gesamtlänge. Trotz der geringen Größe und der damit verbundenen Fragilität ist
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den nächsten Jahren durch DNA-Analysen ergänzt werden.
31
Ivison 2010, 336–338.
32
In Athen begrub man im 11. Jh. einen Fötus in einem Kochtopf unter dem Fußboden eines Gebäudes (Camp 2007).
33
Zur Interpretation von Beigaben in frühbyzantinischer Zeit: Bollók 2013.
34
Harrison 1986, 27; Ivison 2010, 337; Poulou-Papadimitriou 2012, 407; Berti 2012, 194; Böhlendorf-Arslan im
Druck, Nr. 75.
35
Im Typos Polites werden Münzen als sinnbildliche Gabe für das Leben nach dem Tod erwähnt (Beck 1979, 19).
30
214
Beate Böhlendorf-Arslan
Leuchten in Gräbern sind in Form von fragmentierten Glashenkelgefäßen, Dochthaltern und
Lampenketten belegt. Möglicherweise hatten auch die Lampen in den Gräbern einen apotropäischen Hintergrund. Sie sollten wohl den Kindern den Weg ins Jenseits leuchten.36 In drei
Gräbern lagen Bruchstücke von Keramik- und Glasgefäßen, die zu kleinen Flaschen, Unguentarien,
gehörten. Salbgefäße und andere Kleinkeramik wurden beispielsweise in Gräbern in Iasos und
Istanbul gefunden.37[ # !) *$
wurden vermutlich als Spielzeug in den Gräbern deponiert. Zu den persönlichen Gegenständen
gehören Gewandverzierungen und Schmuck. Kleine Bronzeplättchen wie auch Perlen können
sowohl auf Kleidung aufgenäht als auch auf einer Schnur als Kette aufgefädelt gewesen sein.
Zwei der Kinder trugen Ohrringe, die aus einfachem Draht gefertigt waren. Glasarmringe lagen
in zwei weiteren Gräbern.38
Nägel in Gräbern können sowohl auf einen zwischenzeitlich verrotteten Holzsarg deuten als
auch auf weitere Gegenstände aus Holz wie kleine Kistchen oder auch Spielzeug. Andere Objekte kommen nur mit jeweils einem Exemplar vor. Hierzu gehört beispielsweise der römische
Bronzespiegel oder der Griff eines Metallgefäßes. Diese Gegenstände sind vor allem in besser
+* !
In einer etwa 1,40 m langen und 65 cm breiten Steinkiste unmittelbar nördlich der Grabkapellenwand bestattete man ein Kleinkind, von dessen Skelett nur noch einige der Milchzähne und
wenige Knochenreste erhalten waren. Die menschlichen Überreste und Beigaben waren nicht
regelhaft angeordnet, Knochen und Gegenstände lagen ohne erkennbaren Bezug durcheinander. Aus der Erdverfüllung der Grabkiste wurden eine fast unkenntliche frühbyzantinische
Münze,39 ein dicker u-förmiger Draht mit rundem Querschnitt, zwei graubläuliche Glasperlen,
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quadratischem Querschnitt geborgen (Taf. 83, 1).
Bei einem anderen Grab unmittelbar neben der Südwand in der Grabkapelle formt eine unregelmäßige Steinsetzung die nicht deutlich angelegte Kiste. Im Grab lagen außer den Knochen
eines neugeborenen Kindes drei Beigaben und ein langer Eisennagel, der vielleicht zu einer
Holzkiste gehört haben könnte. Zu den Geschenken gehören eine frühbyzantinische Münze,40
ein Spindelhaken, wie sie in römischen und byzantinischen Haushalten zum Spinnen von Wolle
verwendet wurden,41 sowie der kleine Terrakottakopf eines Vögelchens (Taf. 83, 2). Das Baby
hatte damit eine Münze zum Schutz, ein Spielzeug und ein Werkzeug zur Vorbereitung auf
+) *42
Unterhalb des Ausläufers der Estrichschicht im aufgelassenen Baptisterium wurde im Bereich
östlich der Apsis des Parekklesions eine Erdbestattung angelegt, die sich an eine Steinreihe
anlehnt. Das Grab war mit Ziegeln abgedeckt, wies aber sonst keine seitliche Steinbegrenzung
Bouras – Parani 2008, 22 f.
Harrison 1986, 27; Berti 2012.
38
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336–338 Abb. 31. 32; Böhlendorf-Arslan 2012, 364; Böhlendorf-Arslan im Druck.
39
Zu erkennen ist noch der Wert N auf der Rückseite.
40
Die stark abgeriebene Münze zeigt auf der Rückseite eine stehende Figur mit Kreuzlabarum.
41
Robinson 1941, 376 f.; byzantinisch bei Davidson 1952, 176 Nr. 1223–1228 und Papanikola-Bakitzi 2002, 365.
42
Besonders für dieses Grab wäre es interessant zu wissen, ob hier Geschlecht und die durch die Beigaben vorgegebene weibliche Zuweisung übereinstimmen.
36
37
Die Ayazmakirche in Assos: Lokales Pilgerheiligtum und Grabkirche
215
oder -boden auf. Im Inneren fanden sich das kleine, sehr fragile Skelett eines Neugeborenen und
mehrere Beigaben. Die Objekte lagen auf und um das Kind drapiert. Insgesamt wurden zehn
Gegenstände gefunden, drei davon sind einfache Eisennägel, die vielleicht von einem hölzernen
Sarg stammen könnten. Neben den in Assos üblichen Beigaben wie einer frühbyzantinischen
Münze, einer ebenfalls frühbyzantinischen fragmentierten Tonlampe und einem Dochthalter aus
Blei sowie einer Terrakotta, von der noch ein Teil des Gewands erhalten war, wurden außerdem
+ >* } @\#$}
anthropomorph geformtes Objekt aus Bronze, vielleicht der Griff eines Spiegels, und ein kleiner
bronzener Ziernagel mit ausgebrochenem Befestigungsloch. Solche Stücke wurden in byzantinischer Zeit als Heftnägel für Bücher genutzt.43 Es erscheint befremdlich, dass eine zu dieser
Zeit sicher kostbare Handschrift auf einem Grab niedergelegt wurde. Vielleicht handelt es sich
hier nicht um eine Handschrift, sondern eine mit dem Heftnagel zusammengeheftete Sammlung
von Moirologien, von Sterbegebeten, wie sie üblicherweise von Klagefrauen am Grabe rezitiert
wurden.44 Zusammen mit dem übrigen Inventar, das fast die ganze Bandbreite der damals in
Assos üblichen Beigaben umfasst, scheint es sich um eine besonders aufwändige Bestattung zu
handeln. Hier wurde ein höchst geliebtes Kind verabschiedet und ins Jenseits geleitet und/oder
in besonderer Weise der Reichtum der Hinterbliebenen demonstriert.
Es gibt einige Indizien für die Durchführung religiöser Bestattungsbräuche in der Kirche. Wie
es scheint, wurden die Kammern westlich des Narthex immer wieder aufgesucht und nicht
nur als Durchgang zu den liturgischen Feiern im Hauptraum benutzt. In diesen Kammern
wurden zahlreiche Objekte, Keramik- und Glasgefäße, Schmuck und Kreuze sowie andere
Dinge gefunden, von denen einige sicher zu Bestattungen in diesem Gebiet gehörten. Viele der
Gegenstände sprechen aber für einen regen Publikumsverkehr, vielleicht bei Totenfeiern, die
in regelmäßigen Abständen stattfanden.45 Auch die eigenartige Konstruktion der nur teilweise
## $) #{
stehen. Wenn die heute noch anstehenden hellenistischen Fundamente als mittelbyzantinischer
Laufhorizont genutzt wurden, entstünde ein von der Außentreppe zugänglicher Korridor, über
den auch die Grabkammer im Westen zugänglich gewesen wäre. Von dem Fußboden sind dann
auch die leicht erhöhten Nischen erreichbar, in denen beispielsweise bei Feiern Kränze für die
Toten oder Speisen deponiert werden konnten (Taf. 84, 2).
Die im Osten für die Bestattungen von Kindern errichtete Kapelle wurde offensichtlich auch
nach den Bestattungsfeierlichkeiten zum Gedenken der Toten wieder aufgesucht. Der Raum
wurde durch zwei Kreuze unter Schutz gestellt, ein 10 cm breites Schaftkreuz stand ehemals
innen neben dem Eingang, ein Enkolpion hing offensichtlich einst an einem Nagel in der Apsis.46
Nahe der Nordwand lag umgestürzt ein wieder verwendeter hellenistisch-römischer Tischfuß,
davor konnte ein kreisrunder, mit Holzkohlestücken durchsetzter Fleck in der Erde freipräpariert
werden, der offensichtlich von einer hölzernen Tischplatte stammt.47 Auf diesem Tisch wurden
möglicherweise die Speisen des Totenmahls angerichtet.
Szirmai 1999, 81–83; des Courtils 1999, 372 Abb. 4; Böhlendorf-Arslan 2012, 357–359 Abb. 7, 6. 7; Arthur
2012, 23 f. Abb. 9.
44
Beck 1979, 20–24.
45
Velkovska 2001, 39–42.
46
Böhlendorf-Arslan 2013, 237 f. Abb. 46.
47
Böhlendorf-Arslan 2011, 239 f.; Böhlendorf-Arslan 2013, 237.
43
216
Beate Böhlendorf-Arslan
Augenscheinlich spielte die Taufe für die Platzierung von Kindergräbern in Friedhöfen eine große
Rolle.48 Allerdings steht das im Widerspruch zur Anlage von Grabkapellen, die natürlich auch
einen ›gesegneten‹ Bereich bildeten. Somit ist der in Assos vorliegende Befund unvereinbar mit
dem quellengeschichtlich bekannten Ausschluss von liturgischen Handlungen bei ungetauften
Personen, zu denen auch die Begräbnisfeierlichkeiten gehörten.49
Die Ayazmakirche spielte für die Commemoratio der damaligen Bevölkerung eine wesentliche
Rolle. Die Kirche wurde nicht nur als Pilgerheiligtum aufgesucht und geehrt, sondern man
begann seit mittelbyzantinischer Zeit auch mehr und mehr, Gräber im Bereich der Kirche anzulegen. Diese Gräber wurden offensichtlich immer wieder zum Gedenken und zur Ehrung der
Verstorbenen aufgesucht. Während dieser Feiern wurde nicht nur der Hauptraum betreten und
für liturgische Handlungen genutzt. Man durchlief ebenso die anderen Bereiche der Kirche und
hielt damit wohl die persönliche Erinnerung an die Toten wach. Wieso dieser augenscheinlich
für die Bewohner von Assos so wichtige Ort im entwickelten 12. Jh. nicht mehr genutzt wurde,
muss Gegenstand weiterer Forschungen bleiben.
Verzeichnis der Abkürzungen
Neben den Abkürzungen gemäß den Richtlinien des Deutschen Archäologischen Instituts von 2006 (AA
2005/2, 314–399) werden folgende verwendet:
Arslan –
Böhlendorf-Arslan 2010
N. Arslan – B. Böhlendorf-Arslan, Assos. Living in the Rocks (Istanbul
2010)
\ ]'_ '
*\ ]*}\+ }%! =¡
Mosaic Research 5, 2012, 1–11
Arthur 2012
P. Arthur, Mapping Byzantine Trade and Culture: An Introduction to the
Artefacts of Salento, Southern Italy, in: B. Böhlendorf-Arslan – A. Ricci
(Hrsg.), Byzantine Small Finds in Archaeological Contexts, BYZAS 15
(Istanbul 2012) 17–26
Assmann 1992
J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische
Identität in frühen Hochkulturen (München 1992)
Bangert 2010
S. Bangert, The Archaeology of Pilgrimage: Abu Mina and Beyond, in: D.
M. Gwynn – S. Bangert (Hrsg.), Religious Diversity and Late Antiquity,
Late Antique Archaeology 6 (Leiden/Boston 2010)
Beck 1979
H.-G. Beck, Die Byzantiner und ihr Jenseits. Zur Entstehungsgeschichte
einer Mentalität, SBMünchen 6 (München 1979)
Berti 2012
F. Berti, Grave Goods from the Necropolis in the Agora of Iasos, in: B.
Böhlendorf-Arslan – A. Ricci (Hrsg.), Byzantine Small Finds in Archaeological Contexts, BYZAS 15 (Istanbul 2012) 187–211
48
49
Tritsaroli – Valentin 2008, 96.
Tritsaroli – Valentin 2008, 96.
Die Ayazmakirche in Assos: Lokales Pilgerheiligtum und Grabkirche
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Böhlendorf-Arslan 2009
B. Böhlendorf-Arslan, Ausgrabungen vor dem Narthex der Ayazma
Kirche. Kampagne 2008, in: N. Arslan – H. Türk – M. Kiderlen – K.
) ] * \ ] * +}\ '__ + !
^ =# }$((}(>\ '__&@'(']'(*'(&*
\ '_
* \ }\=+#! '__&+ \ bungen in der Umgebung der Ayazma-Kirche, 2009, in: N. Arslan u. a.,
\ '__& + !^ =# }('*+ $<
(>\ '_ @'( ]'_
Böhlendorf-Arslan 2012
B. Böhlendorf-Arslan, Das bewegliche Inventar eines mittelbyzan %+=} * \
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}$*> *@} * )
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Waldbaum 1983
J. C. Waldbaum, Metalwork from Sardis, Archaeological Exploration of
Sardis 8 (Harvard 1983)
Verzeichnis der Abbildungen und Tafeln
Alle Abbildungen und Tafeln sind Eigentum der Assos-Grabung.
Abb. 1
Grundriss der frühbyzantinischen Kirche
Abb. 2
Grundriss der mittelbyzantinischen Kirche
Abb. 3
Wiederverwendete Ostothek
Abb. 4
Rekonstruktion der Grabkirche
Taf. 78, 1
Die Lage der Ayazmakirche in Verlängerung der antiken Gräberstraße
Taf. 78, 2
Luftbild der Ayazmakirche (2013)
Taf. 79, 1
Planzeichnung der hellenistischen Grabbauten mit Eintrag der antiken Bestattungen
unter der Ayazmakirche
Taf. 79, 2
Nördliche Seitenräume mit dem ›Heiligengrab‹. In der Nordwestecke des oberen Raumes ist die Abdeckung des Kanals zu sehen
Taf. 80, 1
Bema mit Abdruck des Altars und Laufgang zum Ambon
Taf. 80, 2
Piscina mit mittelbyzantinischem Grab
Taf. 81, 1
Deckel der Ostothek in der Apsis des aufgelassenen Baptisteriums. Im Hintergrund
Estrich des mittelbyzantinischen Fußbodens
Taf. 81, 2
Bestattung westlich des ›Heiligengrabes‹
Taf. 82, 1
Anbauten im Westen. Aufstellung der Sarkophage vor dem Narthex
Taf. 82, 2
Grabkapelle mit Bestattungen. Außen vor dem Eingangsbereich Estrichgrundierung
des Fußbodens
Taf. 83, 1
Mit Grabplatten verschlossenes Grab und die daraus stammenden Beigaben. Darüber
liegt ein weiteres Grab (hier bereits geöffnet)
Taf. 83, 2
Grab in der Kapelle mit Grabbeigaben
Taf. 84, 1
Grab mit Skelett eines Neugeborenen und Beigaben aus dem Bereich des ehemaligen
Baptisteriums
Taf. 84, 2
Südliche Seitenkammern mit höher gelegten Nischen
220
Beate Böhlendorf-Arslan
Farbtaf. 14, 1 Frühbyzantinische Mosaikreste aus dem Naos
Farbtaf. 14, 2 Verteilung der Grabbeigaben
Dr. habil. Beate Böhlendorf-Arslan¸Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Leibniz- Forschungsinstitut für Archäologie, Ernst-Ludwig-Platz 2, D-55116 Mainz;
[email protected]
TAFEL 78
1
2
TAFEL 79
1
2
TAFEL 80
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TAFEL 81
1
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TAFEL 82
1
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TAFEL 83
1
2
TAFEL 84
1
2
FARBTAFEL 14
1
7
10
7
2
1
7
7
4
2
Münze
Tongefäß
Glasgefäß
Lampenteile
Terrakotte
Schmuck
Sonstiges
Nägel