Dokumente zur modernen Schweizer Architektur
KARL MOSER
Herausgegeben von
Werner Oechslin und Sonja Hildebrand
KARL
MOSER
Architektur
für eine neue Zeit
1880 bis 1936
1
gta Verlag
BAND 1
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
DANK
9
Vorwort
Für die finanzielle Förderung, für Unterstützung und Rat danken wir
Departement Architektur
Institut für Geschichte und Theorie der Architektur
Ruth de Guttry-Moser (†)
Lorenz Moser (†)
Claudia Styczynski-Moser, Zürich
Werner Oechslin
14
Karl Moser, vor und nach der (und gegen die) Epochenschwelle
Departement Architektur, ETH Zürich
Kantonale Denkmalpflege Zürich
Herausgeber
Werner Oechslin, Sonja Hildebrand
Projektleitung
Sonja Hildebrand
Projektteam
Sylvia Claus, Thomas Gnägi, Nicole Caminada,
Raya Hauri, Petra Röthlisberger
Projektleitung Verlag und Lektorat
Ulrike Steiner
Gestaltung und Satz
Philippe Mouthon, Angelika Wey-Bomhard
Bildbearbeitung, Druck und Endfertigung
Offsetdruckerei Karl Grammlich GmbH, Pliezhausen
Schrift
Univers
Papier
Clarobulk 135 g/m2
Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen
im Buch aus dem Archiv des Instituts für Geschichte und Theorie
der Architektur (gta Archiv).
© 2010
gta Verlag, ETH Zürich, 8093 Zürich
www.verlag.gta.arch.ethz.ch
© Texte: bei den Autor(inn)en
Abbildungen: bei den Bildautor(inn)en oder
deren Rechtsnachfolgern
Le Corbusier: © 2010, FLC/ProLitteris, Zürich
Autor(inn)en, Herausgeber(inn)en und Verlag haben sich bemüht,
alle Inhaber von Urheberrechten ausfindig zu machen. Sollten dabei
Fehler oder Auslassungen unterlaufen sein, werden diese in den
folgenden Ausgaben korrigiert.
ISBN 978-3-85676-250-6
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Philipp Abegg, Ballyana-Archiv, Schönenwerd
Elvira Angstmann, Männedorf
Angelika Barth, Stadtarchiv Tettnang
Heike Bazak, Konzernarchiv Georg Fischer AG, Schaffhausen
Andrea Bott, Stadtarchiv Oberursel (Taunus)
Martin Cordes, Stadtarchiv Schaffhausen
Johanna Diethelm-Grauer, St. Gallen
Beat Eberschweiler, Kantonale Denkmalpflege Zürich
Irmgard Engel, Förderverein für die Petrus-Kirche Kiel-Wik e.V.
Moritz Ernst, Badenweiler
Otto Fiechter, Zürich
Moritz Flury, Kantonale Denkmalpflege St. Gallen
Sandro Frefel, Stadtarchiv Luzern
Conrad Frey, Frey & Jud Rechtsanwälte, Zürich
Franziska Geisser, ETH-Bibliothek, ETH Zürich
Cristina Gutbrod, Zürich
Annia Haselbach-Moser, Lully
Rolf Herget, Historisches Archiv der Deutschen Bundesbank,
Frankfurt a. M.
Renée Hürlimann-Haefeli, Herrliberg
Pierina Hunziker, ETH-Bibliothek, ETH Zürich
Michael Huyer, Landesdenkmalpflege Rheinland-Pfalz, Mainz
Yvonne Inden, ETH-Bibliothek, ETH Zürich
Maximilian Jaeger, Universität Zürich
Markus Joachim, Baubibliothek, ETH Zürich
Gerhard Kabierske, Südwestdeutsches Archiv für Architektur und
Ingenieurbau, Karlsruher Institut für Technologie
Kantonale Denkmalpflege Aargau
Clemens Kieser, Regierungspräsidium Karlsruhe,
Referat Denkmalpflege
Ursula Klein, Bauordnungsamt Karlsruhe
Christian Klemm, Kunsthaus Zürich
Britta Leise, Konzernarchiv Georg Fischer AG, Schaffhausen
Dorothee Le Maire, Stadtarchiv Ettlingen
Martin Lüdi, Staatsarchiv Aargau
Pietro Maggi, Stadtarchiv Uster
Elias Moser, New York
Paul Moser, Zürich
Thomas Müller, Kantonale Denkmalpflege Zürich
Gitta Reinhardt-Fehrenbach, Regierungspräsidium Freiburg i. Br.,
Referat Denkmalpflege
Robert Rosenberg, Einsiedeln
Angelika Sauer, Stadtarchiv Karlsruhe
Matthias Schirren, Technische Universität Kaiserslautern
Armin Schulz, Bauordnungsamt/Stadtkonservator Karlsruhe
Hans-Peter Widmann, Stadtarchiv Freiburg
Bauen aus der Notwendigkeit
Hans Kollhoff
58
Curjel & Moser – ein Rundgang in Karlsruhe
Ernst Strebel
80
Das Architekturbüro Curjel & Moser
Aspekte des Entwurfs-, Planungs- und Baubetriebs
Gerhard Kabierske
92
Curjel & Moser und Hermann Billing
Wechselwirkungen in der «Jung-Karlsruher Architekturschule» 1890 bis 1915
Sylvia Claus
112
«Ohne Wurzel keinen Stamm …»
Zur Aktualität Karl Mosers um 1900
Ulrich Maximilian Schumann
128
Karl Moser und die bildenden Künste
Ulrike Jehle-Schulte Strathaus
146
Das Kunsthaus und Karl Mosers Bilderstrategien
Laurent Stalder
164
Der Puls des Lebens im «Garten der neuen Kunst»
Vier Villen um 1900
Thomas Gnägi
178
«das Einzelne als Teil des Ganzen zu betrachten»
Kirchenbau als städtebauliche Aufgabe
Uta Hassler und Lukas Zurfluh
198
Pragmatische Materialwahl und das Ideal des Monolithischen
Karl Moser und die Baukonstruktion
Hubertus Adam
218
In Holland
Karl Mosers sukzessive Annäherungen an das Neue Bauen
BAND 2
Daniel Kurz
240
Karl Moser und das neue Zürich
Stanislaus von Moos
256
Sonja Hildebrand
294
7
Einführung
Kraft und Integration. Karl Moser und «die Moderne»
11
Ausgewählte Bauten und Projekte
«Es gibt kein Alter!»
Nicole Caminada, Sylvia Claus, Melchior Fischli, Thomas Gnägi, Cristina Gutbrod,
Karl Moser und die «kommende Generation»
Isabel Haupt, Raya Hauri, Sonja Hildebrand, Daniel Kurz, Matthias Schirren,
Ulrich Maximilian Schumann, Martino Stierli, Ernst Strebel, Matthias Walter
323
Anthologie
Pfarrkirche «St. Michael» in Zug
337
Verzeichnis des Gesamtwerks
Arbeiterkolonie der Eisen- & Stahlwerke vormals Georg Fischer Schaffhausen
Ernst Strebel, Nicole Caminada, Sylvia Claus, Melchior Fischli, Thomas Gnägi,
Das Zürcher Kunsthaus
Cristina Gutbrod, Isabel Haupt, Raya Hauri, Sonja Hildebrand, Daniel Kurz
Das neue Universitätsgebäude
A propos de l’éducation du jeune architecte
406
Biografie Karl Moser
411
Bibliografie der publizierten Schriften Karl Mosers
412
Ausgewählte Sekundärliteratur
415
Abkürzungen
416
Register
Neue holländische Architektur. Bauten von W. M. Dudok, Hilversum
Tradition und Entwicklung
Hochschule und neues Bauen
Karl Widmer, Neuere Bauten von Curjel & Moser, Architekten in Karlsruhe
Sigfried Giedion, Karl Moser 1860–1936 (Nachruf)
Le Corbusier, Karl Moser (Nachruf)
359
Register
Vorwort
Es ist zweifelsohne ein Anlass zu Freude und Befriedigung, dass nunmehr das Werk
zu Karl Moser zweibändig vorliegt. Damit ist ein langjähriges und schwieriges Unternehmen zum Abschluss gekommen. Die Welt hat zuweilen vergessen, wie anspruchsvoll – und wie wichtig – monografische, Vollständigkeit erstrebende Darstellungen sind.
Weder Borrominis noch Palladios seit Jahrzehnten angekündigten kritischen Zeichnungskataloge sind je erschienen, und wie sollte man erst das meist noch sehr viel
umfangreichere Quellenmaterial «jüngerer», besser dokumentierter Architekten veröffentlichen.
Jener modus entspricht heute einschlägigen akademischen Zielsetzungen nicht
mehr, so sehr solche Desiderate aus Sicht der Forschung weiter bestehen und so sehr
deren Einlösung am besten den omnipräsenten Wunsch nach Nachhaltigkeit erfüllen
würde. Allein, im Zeichen kurzgreifender Forschungseffizienz ist das kaum mehr möglich. Der «eilige Leser» verlangt nach schneller Kost, und wer sich als Forscher diesem
Format nicht unterzieht, riskiert den Eilzug zielstrebiger Karriereplanung zu verpassen.
Will man annähernd zu vollständigen oder wenigstens umfassenden Monografien gelangen, muss man Zugeständnisse machen und Kompromisse eingehen. Man behilft
sich mit Ausstellungskatalogen oder Sammelbänden, um wenigstens teilweise jene
über blosse Datensammlungen oder essayistische Annäherungen hinausreichende
kritische Beurteilung zu erreichen. Darauf kommt es immer noch an! Wenigstens dies,
die Einordnung, der Blick aufs Ganze müsste doch ein einzulösendes Anliegen sein.
Mit seinem bedeutenden Archiv hat das Institut für Geschichte und Theorie der
Architektur (gta) der ETH Zürich zweifelsohne auch eine Verpflichtung, solche Aufgaben
anzunehmen und zu erfüllen. In den letzten 25 Jahren sind in dieser Absicht eine ganze
Reihe monografischer Arbeiten erschienen. Insbesondere die Schweizer Architektur
der Moderne – einem Kernbereich des gta Archivs entsprechend – hat dabei Berücksichtigung gefunden. Aber die Schwierigkeiten zusammenfassender Synthesen bleiben. Während es heute gang und gäbe ist, dass prominente Architekten in lockerer
Folge ihre Werkkataloge publizieren lassen, warten bedeutende Figuren der älteren
und jüngeren Geschichte oft vergebens auf eine adäquate, umfassende Darstellung.
Es sind häufig genug die durch äussere Bedingungen gesetzten Grenzen, die dies
verunmöglichen und die dem Aussenstehenden kaum bekannt sind. Gottfried Semper,
dessen schriftlicher Nachlass zusammen mit weiteren Archivalien im gta Archiv ruht,
konnte nur durch eine Zusammenarbeit mit dem Architekturmuseum der TU München
eine solch aufwendige Bearbeitung gewidmet werden. Und gerade an diesem Beispiel
liesse sich zeigen, wie viel Arbeit immer noch ansteht – vor allem dann, wenn man
sich an die noch nicht edierten Teile, an die vorbereitenden Manuskripte und die Briefwechsel heranmachen wollte.
Der Fall Karl Moser muss vor diesem Hintergrund gelesen werden. Der umfangreiche Dokumentenbestand im gta Archiv, die Projektpläne und Entwurfszeichnungen
genauso wie die Tagebücher und Arbeitstagebücher, die Skizzenbücher, Notizen, Schriften aller Art mussten zunächst erfasst und geordnet werden.
9
Diese aufwendige Arbeit, man muss das anerkennend und dankend deutlich her-
Für die, die Karl Moser erlebt haben, darin sind sich alle Stimmen einig, war er ein
vorheben, wurde seit 1985 mit Unterbrüchen bis in die 1990er Jahre hinein von Ernst
ungewöhnlich generöser und aufgeschlossener Mensch. Diese Grosszügigkeit und
Strebel im Alleingang vorangetrieben und später in einer für die vertiefte Auswertung
Offenheit ist über die Generationen weitergetragen worden: Die Nachkommen von
weitestgehend verbindlichen Grundlage zu einem ersten Abschluss gebracht. Nach
Karl Moser haben nicht nur dem gta Archiv den umfänglichen Nachlass anvertraut; mit
verschiedenen Anläufen ist es erst in den letzten Jahren möglich geworden, das Projekt
einer hochdotierten Schenkung haben sie darüber hinaus eine komfortable Grundlage
wieder aufzunehmen, um nun in den beiden vorliegenden Bänden im Sinne einer ver-
für dessen Erforschung gelegt. Ruth de Guttry-Moser, Lorenz Moser und Claudia
suchten Synthese präsentiert zu werden.
Styczynski-Moser sowie deren Kindern fühlen wir uns zu grösstem Dank verpflichtet,
Zu Beginn der Arbeiten war es der «Vater der modernen Schweizer Architektur»,
der auch ihrer stets interessierten und fördernden Anteilnahme an unserer Arbeit gilt.
der «papa», um es mit Le Corbusier zu sagen, der das vordringliche Interesse be-
Weitere finanzielle Unterstützung erhielten wir vom Departement Architektur der
stimmte. Das entsprach einer nur mühsam über die sogenannte Avantgarde hinaus
ETH Zürich, wofür ebenfalls herzlich gedankt sei.
zurückschauenden Betrachtung einer Geschichte, die mit dem Brutalismus-Manifest
Im gta Archiv hat in den 1980er Jahren zunächst Ernst Strebel die Titanenarbeit
Reyner Banhams 1955 ausdrücklich auf eine «inner history of the Modern Movement
einer Ordnung der Hinterlassenschaft von Mosers langem und ungemein fleissigen
itself», somit eine der Moderne zudienende Argumentation ausgerichtet war. So hatten
Leben geleistet. Das gta Archiv führt die Pflege des Nachlasses bis heute in vorbild-
es die modernen Ideologen und Historiografen zurechtgelegt, Walter Gropius etwa,
licher Weise fort. Dazu gehört auch die Kooperation mit der Denkmalpflege des Kantons
als er 1934 in London in einem ersten Rückblick jene «Väter», die Berlage und Otto
Zürich, dank dessen finanzieller Unterstützung ein grösserer Teil der Pläne digitalisiert
Wagner, bezeichnete, denen das Schicksal beschieden sein sollte, anderen, Nach-
werden konnte. In der Phase der Wiederaufnahme des Projekts seit 2007 haben das
folgenden den Boden bereitet zu haben. Daraus hatte sich der zwiespältige, häufig
gta Archiv, dessen Leiter Bruno Maurer und die Mitarbeiter Gregor Harbusch, Daniel
gehandelte Begriff der «Vormoderne» entwickelt, der diese «teleologische» Zuordnung
Weiss und Alex Winiger die Voraussetzungen für bestmögliche Arbeitsbedingungen
bei allem neu erwachten Interesse für das Werk der forerunners zementierte. Doch
geschaffen und vielfache fachliche und logistische Unterstützung gewährt.
gerade Karl Moser hat sich entgegen allen Geschichtskonstruktionen souverän zu
Karl Mosers immenses und weit verstreutes Werk bringt es mit sich, dass neben
einem – immerwährenden – Gegenwartsbezug bekannt, ja vom «Gegenwartsdienst»
dem gta Archiv eine erhebliche Zahl weiterer öffentlicher und privater Archive und
der Architektur gesprochen.
Sammlungen konsultiert werden musste. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ha-
Noch vor Jahren fand sich Karl Mosers Werk geteilt, befördert durch die deutliche
ben uns grosszügig mit Informationen und Bildmaterial unterstützt.
Zäsur in seinem Leben zwischen Karlsruhe (im Rahmen des Unternehmens Curjel &
Im Frühjahr 2009 bereiteten uns die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek
Moser) und der Zürcher Zeit nach seiner Berufung an die ETH 1915. Das stützte die
Werner Oechslin in Einsiedeln den gastfreundlichen Rahmen für eine Tagung zu Karl
zweigeteilte Sicht, oder besser: Es behinderte die Sicht aufs Ganze. Dabei lässt allein
Moser. Bei dieser Gelegenheit berichtete Ernst Strebel von der besonderen Heraus-
schon ein Blick auf Karl Mosers intensive Gutachtertätigkeit erkennen, dass seine
forderung, die das Arbeiten in einem Ein-Mann-Projekt bedeutet. Dass wir uns dieser
Anwesenheit in der Schweiz eigentlich zu keinem Zeitpunkt abbrach oder unterbrochen
Klippe nicht mehr stellen mussten, ist das Verdienst des engagierten Teams des Karl-
war. Mag sein, dass der «moderne Blick» gelegentlich auch den in der Schweiz stets
Moser-Projekts am Institut gta sowie der Autorinnen und Autoren, die den erweiterten
präsenten Kirchenbauer Moser eher beiseite liess: mit Ausnahme der – späten – Bas-
Projektkreis bilden.
Dass der Verlag in der Regel am Schluss steht, hängt mit seiner Rolle im Endspurt
ler Antoniuskirche, die in ihrer Anlehnung an Perret und dessen Bauweise und Materialwahl natürlich auch den Modernisten zufriedenstellte.
einer solchen Produktion zusammen. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass
Heute will es scheinen, dass die Bedeutung Karl Mosers als Architekt noch mehr
wir bei unserem Buchprojekt, das Veronika Darius im Programm des gta Verlags will-
in der früheren Zeit in Karlsruhe bis zum Ersten Weltkrieg als in seinen späten Werken
kommen hiess, von Anfang an eine in jeder Beziehung intensive, umsichtige und kluge
zu erkennen ist. Überstrahlt wird dies durch die Zürcher Universität und weitere Bauten
Begleitung erfahren haben. Ulrike Steiner hat als Projektleiterin im Verlag den schwe-
jener fruchtbaren Phase. Die nachfolgende Zäsur ist wie in so vielen Fällen von Wien
ren Wagen stets am Rollen gehalten und schliesslich über die Ziellinie gezogen. Philippe
bis Berlin und die Niederlande in erster Linie der radikalen historischen Wende und
Mouthon und Angelika Wey-Bomhard haben ihre ganze Sorgfalt, ihr ganzes Können
einem allseits notwendig gewordenen Neuanfang geschuldet.
und viel Zeit in die Gestaltung der zwei Bände gesteckt. Ursula Bein liess uns vielerlei
Die Aufsätze im ersten Teil der zweibändigen Monografie versuchen den unter-
Unterstützung und Sondereinsätze im Verlagsbüro zukommen.
schiedlichen Aspekten im Œuvre Karl Mosers, das im zweiten Teil in einem Auswahl-
All diesen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, ohne die ein solches Projekt nicht zu
katalog und einem Gesamtverzeichnis ausführlich dokumentiert ist, aus verschiedenen
bewerkstelligen wäre, gilt unser allerherzlichster Dank. Wir freuen uns, dass wir dieses
Blickwinkeln gerecht zu werden und möchten insbesondere die Vielfalt im architekto-
Buch am Institut gta verwirklichen konnten und wünschen uns, dass die vielen Schätze
nischen Schaffen Mosers betonen, ohne dass die Einheit und Zielstrebigkeit seiner
des gta Archivs auch weiterhin gehoben werden können.
Auffassung in irgendeiner Weise in Frage gestellt würde. Karl Moser war Architekt
durch und durch, genauso wie er Lehrer war, durch und durch, eine zweifelsohne
überragende Persönlichkeit seiner Zeit und seines Metiers.
Werner Oechslin Sonja Hildebrand
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Sonja Hildebrand
«Es gibt kein Alter!» – Karl Moser und die «kommende Generation»
Wie in einem Brennspiegel bündelt sich in Karl Moser das Problem des «eigenen Gegenwartsbezugs».1 Es war kein grundsätzlich neues Problem, aber eines, das in der
Moderne durch die «beschleunigten Umwälzerscheinungen der unmittelbaren Gegenwart» an Triftigkeit gewann und für Karl Mannheim die «praktische Bedeutung» einer
soziologischen Erforschung des Generationenproblems begründete.2 Karl Mosers Sohn
Werner brachte es im «Arbeitsbericht» der Architekturabteilung der ETH Zürich 1971
auf die griffige Formel: «Geschichtlicher Ablauf muss als Prozess ständiger Wandlung
verstanden werden», um dann in diesen kontinuierlichen Transformationsprozess seinen Vater hineinzustellen: «Karl Moser, ausgestattet mit der Erfahrung der ständig sich
überwerfenden Situationen seiner Generation und mit dem ahnungsvollen Wissen über
die Möglichkeiten einer neuen Zeit, liess seine Lehre nicht zur Doktrin erstarren, der
eigene Gegenwartsbezug war massgebend.»3 Das ahnungsvolle Wissen befähigte Karl
Moser demnach auf eine Art dazu, an der Autopoiesis der «sich selbst entwerfenden
Epoche» mitzuwirken, die Udo Di Fabio (in ganz anderem Zusammenhang) als Merkmal
des neuzeitlichen Selbstverständnisses benannt hat.4
Reflektierende Teilhabe an einer in die Zukunft gerichteten Gegenwart, ein Widerspiegeln gegenwärtiger Zustände bei gleichzeitiger Selbstverortung an der Spitze des
die geschichtliche Entwicklung durchmessenden Zeitpfeils respektive der Zeitspirale
ist ein Wesenszug historischen Denkens. So hatte es, neben vielen anderen, auch
Gottfried Semper, Mosers Vorvorgänger an der Bauschule des Zürcher Polytechnikums,
praktiziert. «Eine rein antiquarische, gelehrte Abhandlung zu liefern», könne, so Semper
beispielsweise schon im Vorwort zu seiner Erstlingsschrift von 1834, nicht in «seiner
Absicht liegen», sondern er wünsche «seinem Berufe als Architekt durch Hinweisung
auf das Praktische getreu zu bleiben.»5 Dieses «Praktische» ist das Entwerfen und
Bauen, das nach vorn schauende und das Kommende schöpferisch mitgestaltende
Tun. Aus umgekehrter Warte formuliert Semper es in seiner letzten Veröffentlichung
Ueber Baustyle: Der «freie Wille des schöpferischen Menschengeistes» sei «wichtigster Faktor bei der Frage des Entstehens der Baustile», er müsse freilich «bei seinem
Schaffen sich innerhalb gewisser höherer Gesetze des Ueberlieferten, des Erforderlichen und der Notwendigkeit bewegen».6
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschoben sich die Gewichte in der Argumentation in Richtung Zeitgenossenschaft. Die historischen Stilformen, die bereits Gottfried
Semper vor allem in Bezug auf die ihnen zugrundeliegenden Stilprinzipien interessiert
hatten, lässt Otto Wagner als Referenzen für prinzipielle Lösungsmöglichkeiten zu.
«[…] wir können wohl alle uns vererbten Formen, ob sie nun stützend, ragend, krönend
sind, oder ob sie uns zeigen, wie eine Fläche zu lösen ist, mit Geschick und Geschmack
Exkursion der Klasse Karl Moser nach
Ravenna, um 1920
Karl Moser beim Zeichnen am Strand
Flora Crawford, Max Ernst Haefeli (Mitte)
und unbekannter Student
Fotos: Album Max Ernst Haefeli
(Privatbesitz)
verwerthen», gibt er im Oktober 1894 in seiner Antrittsvorlesung an der Wiener Akademie der bildenden Künste vor, nicht ohne unmissverständlich seine Position zu formulieren: «der Ausgangspunkt jedes künstlerischen Schaffens müssen aber das Bedürfniss, das Können, die Mittel und die Errungenschaften unserer Zeit sein.» – «Kunst
und Künstler sollen und müssen ihre Zeit repräsentieren.»7
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Das war der Rahmen, in dem weitgehend auch Karl Moser arbeitete. Je länger je
mehr wirkte sich dabei allerdings die Geschichtskritik der «strebenden Jugend» aus,
die «gern von sich selbst eine neue, ja wohl gar eine Urwelt-Epoche beginnen möchte».8
Nimmt man Wilhelm Pinder dazu, der Generationszugehörigkeit als biologisch determiniert betrachtete, der eine lebensbestimmende Prägung in jungen Jahren annahm
– die Grundlage seiner These vom «Ungleichzeitigen des Gleichzeitigen» – und der
Geschichte als «ein biologisches Geschehen sichtbar machen» wollte,9 so ist die
Schwierigkeit eines unbedingten Gegenwartsbezugs in ihren groben Umrissen erkennbar. In der allgemeinen Wahrnehmung war dies die Folie, vor der Mosers Lebensleistung, auch in seinem scheinbaren Überspringen von «Generationengrenzen», und
sein Wirken als Lehrer beurteilt wurden – und die Bedeutung aller anderen «Väter der
Moderne», der «erste[n] Führergeneration in dem Kampfe um die Erneuerung der
Baukunst.»10
Offener ist das soziologisch-kulturgeschichtliche Generationsmodell von Karl Mannheim. In seinem grundlegenden Aufsatz zum «Problem der Generationen» von 1928
stuft er zwar Pinders «Gedanken der ‘Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen’» – als
«Gedanke der Entelechien» aufgefasst – als «geradezu genial» ein.11 Doch sei das
«soziologische Phänomen des Generationszusammenhanges» lediglich «fundiert
durch das Faktum des biologischen Rhythmus der Geburten und des Todes. Durch
etwas fundiert sein, bedeutet aber noch nicht, aus ihm ableitbar, in ihm enthalten
sein.»12 Wie Pinder nimmt auch Mannheim eine entscheidende generationelle Prägephase in der Jugend an, doch lässt seine Auffassung der Generation als einer gefühlten
Zugehörigkeit Spielraum. «Alt ist man primär dadurch, daß man in einem spezifischen,
selbsterworbenen, präformierenden Erfahrungszusammenhang lebt».13 Wenn das
«Architektur-Chamäleon»14 Karl Moser in seiner architektonischen Praxis ständige
«Wandelbarkeit» demonstrierte, «naturgemäss mitgerissen im Strom der Zeit, aber
stets zielsicher in der Kopfgruppe schwimmend»,15 erscheint das wie ein vorweggenommenes Bestreben, Mannheims «utopischen Menschen» nahezukommen, die
«alles Erlebbare erleben, alles Wißbare wissen […] und immer wieder die Elastizität
besäßen, von neuem ansetzen zu können».16 Im Kontrast zu solch einer Utopie beschreibt Mannheim die gesellschaftliche Wirklichkeit. Sie sei durch «das stete Neueinsetzen neuer Kulturträger»17 charakterisiert, durch die Generationenfolgen induziert
würden. So gesehen bot Karl Mosers späte Professur an der ETH Zürich die institutionelle Grundlage für eine formal perpetuierte Kulturträgerschaft – wenn auch keine
Garantie für deren Verwirklichung.
Es gibt nur ein Leben
«Am 24.V.14 hatte ich mit Gull in Zürich eine Besprechung betr. Nachfolge Bluntschli.
Ich erhielt die Empfindung dass Gull nicht mit der richtigen Liebe meine Candidatur
unterstütze ebensowenig wie er mit Liebe & Feuer bei der Universität für mich einPfingstexkursion mit Karl Moser nach
Oberitalien, 1925
Karl Moser mit seinem Assistenten
Hermann Platz und Studenten
im Zeichnungssaal der ETH, um 1920
getreten ist. Gull hätte gleich zu Anfang Prof. Gnehm sagen können, dass ich mich für
den Fall interessire, dass ich Professor werden wolle. Er hat aber das nicht und nur
unbestimmt getan. Er hat das Alter gelten lassen. Was heisst denn das! Es gibt kein
Alter! Es gibt nur ein Leben. Entweder hat man das für immer oder man hat es nicht
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und man mumifizirt sich. Welch eigentlich gemeiner Einwand einem das Leben abzusprechen.»18
Das «Leben», das Moser für sich in Anspruch nahm und gegen ein biologisches
Alter nach Jahren ins Feld führte, war jenes Leben, das seit dem 19. Jahrhundert für
ein kontinuierliches Fortschreiten alles Organischen in die Zukunft stand. Dabei bildet
der eigene enge Bezug zur Gegenwart die Grundlage für ein Mithalten, ein schöpferisches Mitgestalten eines allgemeinen und unaufhaltsamen Fortschritts der Zeit. «Die
Cultur […] befindet sich in steter Bewegung wie das Leben selbst»,19 es gebe «keine
andere schöpferische Arbeit als diejenige der Gegenwart […] kein Rückwärts-, sondern
nur ein Vorwärtsschauen».20
In späteren Lebensjahren band Moser lebendige Zeitgenossenschaft, Forderungen
des Neuen Bauens aufnehmend, vor allem an die Teilhabe an den «Veränderungen,
die sich in sozialen, hygienischen, wirtschaftlichen Anschauungen vollziehen und vollzogen haben, entsprechend dem überraschenden Anwachsen des Verkehrs und den
Fortschritten der Technik.»21 Ohne solche inhaltlichen Bestimmungen kam er – bei
grundsätzlich gleichgerichteter Argumentation – in den 1910er und frühen 1920er Jahren aus. An der neueren holländischen Architektur führte er deren sprühende «Lebendigkeit» darauf zurück, dass die junge Generation «nicht nur die Formeln, sondern die
Prinzipien von Berlages Werk hochhielt».22 Das war im Sinne der Moderne zeitgemäss,
allerdings auch nicht allzu weit von Semper entfernt, der die «Bestandtheile der Form
Kandidat in die Diskussion gebrachte, aus Basel stammende und in Stuttgart lehrende
die nicht selbst Form sind, sondern Idee, Kraft, Stoff und Mittel» bestimmen und «aus
Architekt Ernst Fiechter schied der «Kriegszeit wegen und da Herr Fiechter deutscher
dem Gefundenen allgemeine Prinzipien» ableiten wollte.
Staatsbürger und als solcher bereits garnisonsdienstpflichtig erklärt ist» bald wieder
23
Den nachgeordneten Rang der konkreten Form, die nur Verweisfunktion auf ihr
aus.28 Nach Ausweis des Protokolls der entscheidenden Sitzung vom 24. Juni 1915
zugrundeliegende Prinzipien und eine sich in ihr ausdrückende künstlerische Haltung
stand am Ende den «wiederum von verschiedenen Seiten erhobenen ernsten Beden-
haben kann, hatte Moser schon früher betont. Nicht lange vor Beginn der Verhandlun-
ken gegen die Kandidatur Moser (Alter, Kunstrichtung, Privatpraxis u. a. m.) […] die
gen mit dem Schweizerischen Schulrat über eine Berufung an die ETH Zürich schrieb
Tatsache gegenüber, dass Prof. Moser nach Zahl und Art seiner Werke, unter denen
er an offizieller Stelle, in der Festschrift zur Einweihung des neuen Hauptgebäudes der
sich hervorragende Monumentalbauten befinden, nach seiner umfassenden gründ-
Universität Zürich – eben jenes Baus, bei dessen Planung und Realisierung er sich von
lichen Bildung und seiner Erfahrung ausnahmslos alle andern Kandidaten, die in Frage
Gustav Gull nicht ausreichend unterstützt wähnte und der sich im Laufe der Planung
kommen können, weit überragt.» Das Alter schlug als «Erfahrung» nun positiv zu
immer mehr zum Gegenbau von Gulls Erweiterungsprojekt für Sempers Polytechnikum
Buche. In dieser Situation gaben Mosers Zusage, die Firma Curjel & Moser aufzulösen
entwickelt hatte: «Der Wert eines Baues hängt nicht von einzelnen Bauformen ab […].
und das Büro mit den deutschen Aufträgen einem langjährigen Mitarbeiter zu überge-
Ein Bauwerk ist […] ein gewachsener Organismus, ein aus der Gegenwart geborener
ben, sowie ein Bericht Mosers über «die jetzigen Verhältnisse an der Architektenschule,
und in der Gegenwart lebender beseelter Körper. Er lebt und besteht nicht […] durch
über deren Reorganisation» – ein Bedürfnis, das die Schulleitung gleich zu Beginn des
das Detail, sondern durch die Gesinnung, aus der heraus er entstanden ist.» Mosers
Verfahrens formuliert hatte – und über seine Aufgaben als Professor den Ausschlag
ceterum censeo galt einem schöpferischen, «durchgeistigten» Bilden in die Zukunft,
für seine Berufung an die ETH.29
24
dem Gegenteil eines «oberflächlich[en] und nur materiell[en]» oder wissenschaftlichtheoretischen Umgangs mit historischen Formen.
Ironimus (Gustav Peichl), Alter ist Zufall,
Karikatur für Ernst Gisel zum 70. Geburtstag, 1992 (Bruno Maurer/Werner Oechslin,
Ernst Gisel Architekt, 1993)
Karl Moser in Genf, vermutlich 1933
links Max Ernst Haefeli
Dass es einmal zu einem solchen Ruf kommen würde, glaubte Karl Moser schon
länger. Eine gewisse Berechtigung dazu konnte er aus einem frühen Anwerbeversuch
25
Jenseits gefühlter jugendlicher Lebendigkeit und schöpferischen Gegenwarts-
im Jahr 1899 ziehen. Diese erste Möglichkeit hatte er ausgeschlagen, nicht ohne sei-
diensts, auf der Seite biologisch-administrativer Erwägungen, war Mosers Alter im
nen Freund Gustav Gull zu lancieren, der die Professur 1900 antrat.30 Eine Übersiedlung
Rahmen der Berufung durchaus ein Thema. In den Schulratsprotokollen ist festgehal-
aus Karlsruhe in die Schweiz wurde mit den Diskussionen um die Verantwortlichkeiten
ten, dass Mosers 54 Jahre Anlass für Diskussionen waren. Es ist die Rede von der
beim Bau der Universität Zürich erneut und nun ernsthaft ein Thema,31 mit dem für
«Pflicht […], weiter Umschau nach jüngeren geeigneten Fachmännern zu halten».
Moser wie selbstverständlich auch die Frage einer Professur verknüpft war. «Mit Gull
Wegen der Kriegssituation unterliess es der Präsident allerdings, dahingehend «irgend-
ist die Uebersiedlung nach der Schweiz besprochen worden», notierte er 1910 in sein
welche Nachforschungen zu unternehmen». Es blieb bei der Bewerberliste von Juli
Tagebuch. «Ebenso die Professur in Zürich, die sicher kommen wird.» In diesem Zu-
1914, auf der als prominenteste Kandidaten Robert Rittmeyer, Alexander von Senger,
sammenhang überlegte Moser auch, wie mit dem Karlsruher Büro zu verfahren sei.
Hans Bernoulli und Peter Birkenholz figurierten.
An eine komplette Trennung dachte er in den damals noch prosperierenden Verhält-
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Der im Mai 1915 als zusätzlicher
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nissen nicht. In Karlsruhe sah er eine Aufteilung vierzig zu sechzig Prozent zugunsten
von Robert Curjel, hinzu käme eine vollständig auf ihn laufende «Firma Moser» in Zürich.32 Als Moser dann 1914 den Wettbewerb für die Kirche Fluntern gewann und
gleichzeitig von der bevorstehenden Emeritierung Alfred Friedrich Bluntschlis erfuhr,
war das für ihn ein Glückstag: «Nun ist es wie wenn ein Strahl dieses Segens schon
gekommen wäre, denn einmal wurde unser Projekt für die Kirche in Zürich ausgezeichnet und ausserdem vernahm ich dort die Nachricht vom Rücktritt Bluntschlis.» Ganz
so klar und sicher wie 1910 schien Moser der Weg in der konkreten Situation allerdings
nicht mehr vorgezeichnet. Seine Einschätzung der Lage enthält nun auch Fragezeichen,
Konjunktive und Beschwörungsformeln : «Nun werde ich wohl sein Nachfolger werden? Es liegt in der Luft dass ich es werden sollte. Es werden alle guten Kräfte dafür
wirken […]. Es wird so kommen! Die Gegner sind im Irrthum & was sie vorbringen ist
weder sachlich noch richtig. Die Berufung wird mein Leben bereichern. Sie wird aber
auch dasjenige anderer bereichern.»33
Wie Gull fiel auch Bluntschli als positive Kraft für Moser aus. Der Lehrer, dem Moser an der Spitze der Schüler 1912 noch die Feier zum siebzigsten Geburtstag ausgerichtet hatte34 – nicht ohne dies im Tagebuch mit einem Eintrag über die Versäumnisse
eines ganz als «theoretisches academisches Unternehmen» praktizierten Unterrichts
in Renaissancearchitektur zu quittieren35 –, wies eine Kontaktaufnahme im Juni 1914
schroff zurück: «Sie werden es aber gewiss begreiflich finden», liess Bluntschli Moser
wissen, «und bitte ich Sie auf alle Fälle es mir nicht übelzunehmen, wenn ich nicht
näher auf den Inhalt Ihrer geschätzten Zeilen eingehe. Unsere architektonischen Wege
sind zuweit auseinander gegangen, als dass eine Verständigung od. ein Verstehen auf
diesem Gebiet möglich wäre. Ihre Wünsche in Bezug auf die technische Hochschule
kann ich begreifen, Sie können aber mit meinen Wünschen, nach Lage der Sache,
unmöglich übereinstimmen.»36 Ähnlich stand es um Mosers Beziehung zu Gull, der,
so Moser, «jetzt zugeben» müsse, «dass er alles verabsaeumt hätte, der Schule neues
Leben zuzuführen.»
37
Den schon von Semper immer wieder hervorgehobenen Wert der Anschauung
betont Moser mehrfach. Anschauung, Lebendigkeit und Gegenwartsbezug gehören
Diese Aufgabe betrachtete Moser nun als in seiner Verantwor-
dabei für ihn unmittelbar zusammen. Anschauung in die Lehre einbeziehen heisst «mit
tung liegend.
der Wirklichkeit, der Gegenwart» rechnen. Sie biete die Möglichkeit, dass die «Studenten […] lebendig gepackt werden».41 Ein damals an der ETH schon traditionelles Mittel
dazu waren Exkursionen, die auch Moser unternehmen wollte: häufig «in Zürich und
Verlebendigung des Unterrichts
die Umgebung, in der Schweiz und jährlich eine grössere Exkursion ins Ausland.»42
Mosers Bericht an den Schulratspräsidenten Robert Gnehm, der mit den Ausschlag
Dass die direkte Anschauung «nicht im Plan» der Ecole des Beaux-Arts lag, erkennt
für seine Berufung gab, ist erhalten. Er ist auf den 8. Juni 1915, drei Tage nach der
Moser als Hauptgrund für die Stagnation der Pariser Schule auf dem Gebiet der archi-
letzten Besprechung mit Gnehm, datiert. Vergleicht man die Quellen und Zeugnisse
tektonischen Gestaltung, die deswegen nicht die zu erwartende «Verlebendigung und
zu Mosers Lehre an der ETH, so wird deutlich, in welch hohem Mass die Ausführungen
durchgeistigte Entwicklung erfahren» habe.43
38
In «lebendigem Kontakt» sollen die Studierenden nicht nur mit der Gegenwart,
von 1915 grundlegend für sein Lehrprogramm wurden.
Das grosse didaktische Vorbild war noch immer die Ecole des Beaux-Arts, deren
sondern auch mit «Werken von Meistern alter und neuer Zeit» stehen. In seinem Lehr-
Unterricht Moser am ausführlichsten unter seinen Beispielen «einheitlich geführter
pensum sieht Moser folglich Vorträge «historischer Art» als auch solche «mit Bezug
Schulen der Vergangenheit» schildert.39 Die dort praktizierte Zusammenfassung der
Studierenden aller Altersklassen in Meisterateliers und die Bearbeitung der Projekte
in Form von Wettbewerben war ein erprobtes Modell, dessen Rezeptionsgeschichte
von den privaten Pariser Architekturschulen des frühen 19. Jahrhunderts über Gottfried
Sempers Unterricht in Dresden und Zürich bis zu Hans Poelzigs Entwurfsseminaren in
Breslau, Dresden und Berlin reicht.40
300
Exkursion der Klasse Karl Moser nach
Vicenza und Venedig, Mai 1920
Student auf einer ausfahrbaren Leiter am
Palazzo della Ragione in Vicenza
Karl Moser vor dem Dom in Florenz
Sommer 1922
Fotos: Album Max Ernst Haefeli
(Privatbesitz)
auf die heutige Baukunst» vor.44 Als lebendige Diskussionsforen wünscht er sich die
Vorlesungen, die «weniger ermüdend als laufende Vorträge, sondern seminaristisch
zu behandeln» seien, «wobei die Studierenden fortwährend in Anspruch genommen
werden, denken, kritisieren, sich ausdrücken und zeichnen lernen sollen» – ein Modell,
das er selbst dann erst im Laufe der Zeit umzusetzen vermochte.45 Leben und organisches Wachstum charakterisiert für Moser die «Baukunst», die «kein Zusammensetz-
301
spiel» sei, «sondern ein organisches Gewächs» und dementsprechend «niemals nur
Das Problem Gull
vom rein formalen sondern […] vom geistig schöpferischen Standpunkt aus gelehrt
werden» müsse.46
Die Geschichte der Beziehung von Karl Moser und Gustav Gull trägt tragische Züge:
Wie so viele im Anschluss an August Schmarsow ging auch Moser davon aus, dass
«Das Problem Gull hat in meinem Leben eine Rolle gespielt, anfangs eine positiv an-
«Architektur durchaus eine Raumkunst ist». Diese Qualität sei im Unterricht deutlich
regende, seit 20 Jahren eine negative fast zerstörende».58 Am Anfang stand eine enge
zu machen, wozu die Studierenden zuerst im räumlich-plastischen Sehen geschult
Freundschaft. Sie ging auf die Jahre 1880/81 zurück, als der zwei Jahre ältere Gull im
werden müssten – auch dies ein Versuch, Lebensferne durch unmittelbare Anschauung
Badener Büro von Karl Mosers Vater Robert arbeitete. Eine im Winter 1881 entstan-
zu überwinden: «Unsere Kunst hat durch die flächenmässige Darstellung auf dem
dene Fotografie, von der sich Abzüge in beiden Nachlässen erhalten haben, zeigt Gull
Reissbrett am meisten gelitten und muss sich davon & von den Folgen eines solchen
auf einem Maskenball als «Madl» verkleidet am Arm von Karl. 1887 machten Lydia und
Verfahrens wieder frei machen.»
Gustav Gull Karl Moser zum Patenonkel ihres ersten Sohns Karl Gustav.59
47
48
Lebendigkeit bedingt schliesslich auch, im Erfahrungshorizont der Studierenden zu
Glaubt man Mosers Angabe der «20 Jahre», nahm das Verhältnis in der Zeit der
bleiben. «Von Zürich ausgehen», hatte Moser 1914, bei der Vorbereitung seines Lehr-
Planungs- und Bauarbeiten für die Universität Zürich ernsthaft Schaden. Aus dem «ge-
konzepts, über das Programm für ein Architektur-Kolleg geschrieben.
Sich auf der
liebten Freund»60 wurde «ein Tyrann», der «ausser der eigenen keine andere Entwick-
Linie von Otto Wagner bewegend, dessen Lehrprogramm im ersten Jahreskurs das
lung» kenne, hielt Moser 1910 «im Hinblick auf die Stellungnahme Gulls in der Zürcher
«Zinshaus» als Entwurfsaufgabe vorsah,
hatte Moser schon 1910 in sein Tagebuch
Universitätsbaufrage» in seinem Tagebuch fest.61 Hatte Gull Moser damals in der Frage
notiert: «Wenn ich einmal an einer Hochschule Lehrer werden müsste oder wollte, so
einer Übersiedlung nach Zürich noch mit Ratschlägen unterstützt, vertiefte sich der
würde ich beim Arbeiterhaus anfangen lassen. Eigentlich ist es eine Gemeinheit, wie
Bruch in den folgenden Jahren.62 Den von ihm als mangelhaft empfundenen Rückhalt
man heute die Architektenkinder auf den Hochschulen erzieht. Man verlangt von ihnen
in der Phase von Berufung und Ortswechsel quittierte Moser mit teils giftigen Einträgen
in der Regel die höchsten Aufgaben für die ein Mann von 50–60 Jahren gerade genug
im Tagebuch.63
50
49
Erfahrung besitzen würde. […] Dass dabei alles schlecht heraus kommt und dass man
Als Moser im Oktober 1915 seine Professur an der ETH antrat, war die Beziehung
bei Beurteilung der Arbeit nicht die Qualität derselben sondern die Jugend des Verfas-
offenbar weitgehend zerrüttet. Ein Versuch des gemeinschaftlichen Entwurfsunter-
sers in Rücksicht zieht ist klar! Mit Mauer Dach Fenster und Thüre aber kann ein Arbeiterhaus gemacht werden und mit diesen Elementen kann jeder Anfänger vertraut
werden.»51 Die in den Arbeitsberichten der Architekturabteilung der ETH 1971 dokumentierten Entwurfsaufgaben des ersten Jahreskurses stehen dafür, dass Moser in
den Jahren bis 1924, als Friedrich Hess den Unterricht der Anfänger übernahm, seinen
Vorsatz im zunächst gemeinsam mit Gustav Gull erteilten Unterricht einlöste: Die Studierenden mussten ein Handwerkerhaus, Landhäuser, ein Wohnhaus an der Susenbergstrasse in Zürich (wo Moser in den zwanziger Jahren selbst plante und baute),
Tramwartehäuser und einen Gartenpavillon entwerfen und zumindest teilweise auch
konstruieren.52
Bei aller Dynamik und bei allem Mitgehen mit der «stetige[n] Bewegung»53 der
Gegenwart, das Karl Moser von sich und anderen erwartete, war sein Blick auf den
Status quo und die Ziele der Architektenausbildung bemerkenswert konstant. Der
Beitrag über «Hochschule und neues Bauen», den er im November 1927 – seinen
Rücktritt bereits vor Augen54 – in einer den Aufgaben der Architektur gewidmeten
Beilage des Bund Seite an Seite mit Sigfried Giedion, Cornelis van Eesteren, Walter
Gropius und seinem ehemaligen Schüler Hans Schmidt veröffentlichte, beruht im Wesentlichen auf den bereits 1915 formulierten Diagnosen und Zielen.55 Einiges ist nach
den Erfahrungen der Lehre konkretisiert oder inhaltlich erweitert, etwa die vorgeschlagenen Besuche von Fabriken der Bauindustrie oder das Praxisjahr, das die Studierenden
bei der Anmeldung zum Schlussdiplom vorweisen sollen. Doch während Giedion sich
einmal mehr die Zukunft aufs Panier schreibt – «Nicht nach rückwärts oder bestenfalls
auf den opportunistischen Augenblick der Gegenwart darf unsere Einstellung gerichtet
sein, sondern zuerst auf die Zukunft» –,56 bleibt für Moser der Bezug zur Gegenwart
massgebend: «Für alle […] das gleiche Ziel: Fortschritt und Gegenwartsdienst.»57
302
Gustav Gull und Karl Moser auf einem
Maskenball in Baden, 1881
303
Seminar geantwortet. Erklärtes Ziel der Lehrveranstaltung war es, Erkenntnisse «über
den Wert der Semperschen Schöpfungen als Erzeugnisse ihrer Zeit und über ihre
Bedeutung für die heutige Entwicklung der Architektur» zu gewinnen.67 Im Programm
sah Moser unter anderem Untersuchungen zum Verhältnis von Terrainausnutzung und
architektonischer Gestaltung vor und damit einen Aspekt, der in seiner Konzeption des
Universitätsgebäudes ebenso wichtig gewesen war wie die «wachsende Raumempfindung», die er in einem Seminarvortrag als «Hauptmoment» von Sempers Polytechnikum herausstellte und die als anschauliche Qualität wirklichkeitsnaher Architekturerfahrung einen Aspekt in seinem Lehrkonzept bildete.68
Den von Anfang an geforderten Praxisbezug löste Moser am sichtbarsten bei der
Formulierung der Diplomaufgaben ein. Auf diesem Feld wurde seine Distanz zu Gull
in der Fachöffentlichkeit am deutlichsten wahrgenommen. Vielleicht lag es auch an
seiner insgesamt kürzeren Amtszeit, dass Moser – im Guten wie im Schlechten – bis
zuletzt als Neuerer gesehen wurde. Als solcher war anfangs auch Gull gefeiert worden.69 Aber 1920, als die Diplomarbeiten der ETH nach Jahren erstmals wieder öffentlich ausgestellt und in der Schweizerischen Bauzeitung besprochen wurden,70 war der
Glanz der Neuheit längst verblasst. Die in diesem Jahr von Gull ausgegebene Aufgabe
«Casino im Stadtpark» gewann ihr prägnantestes Profil als Folie für das im folgenden
Jahr von Moser vorbereitete Diplomthema: eine Markthalle an einer Strassenkreuzung
in Zürich-Wiedikon, deren verkehrstechnische und architektonische Gestaltung Teil des
Entwurfs war. Prompt fand sich der Zürcher Stadtbaumeister Hermann Herter zu einem
Gastkommentar bereit, in dem er die «aus der Praxis gewählt[e], […] mehr reale»
Gustav Gull, 1920
richts, der Mosers in den Berufungsverhandlungen formulierten Zielsetzung einer Ver-
Karl Moser, 1920
einheitlichung der Lehre durch Zusammenschluss der Lehrkräfte in einer reorganisierten Architekturabteilung Rechnung trug,
Aufgabe lobte.71
Die Tendenz in der Themenstellung und deren öffentlicher Beurteilung setzte sich
scheiterte bereits nach zwei Jahren. Zum
1922 fort, als Gull und Moser erstmals zwei unterschiedliche Diplomaufgaben formu-
Wintersemester 1917/18 übernahm Moser den Entwurfsunterricht im ersten Jahres-
lierten. Gull liess wiederum ein klassisches Entwurfsthema («Rathaus mit Verwaltungs-
kurs, Gull folgte im zweiten, im dritten und vierten Studienjahr konnten die Studieren-
gebäude für eine grosse Stadt am Fluss») bearbeiten, Moser verlangte einen Bebau-
den zwischen den beiden Hauptprofessoren wählen. «Wortlaut, den ich nach einigen
ungsplan für ein Planungsgebiet am Zürichsee vor den Toren der Stadt «auf einem von
Rücksprachen mit Studirenden zurecht gelegt habe», protokollierte Moser im Zuge der
der städtischen Bauverwaltung gelieferten Kurvenplan»; der rein architektonische Ent-
erneuten Umstellung, wohl auch mit Blick auf Gulls Klage über eine ungleiche Vertei-
wurf war auch diesmal nur ein Teil der Aufgabe und sollte einem der im Plan vorgese-
lung der Seminarteilnehmer, von der der beliebtere Kollege profitiere: «Ich habe […]
henen Bauten gelten. Wie die «Beurteilung des Geistes, in dem unsere jungen Archi-
Mitteilung von einigen Neuerungen innerhalb unserer Abteilung gemacht & anschlies-
tekten an der E.T.H. ausgebildet und erzogen werden», seitens der Redaktion ausfiel,
send daran möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, das Sie sich stets im Besitz
macht die Ausführlichkeit der Besprechung der unter Moser entstandenen Arbeiten
Ihrer akademischen Freiheit befinden auch mit Bezug auf einen Wechsel des Lehrers
deutlich, während die Gull’schen Beispiele weitgehend unkommentiert blieben.72 Ge-
für architekton[isches] und dekoratives Entwerfen. Es soll und darf kein Zwang beste-
wissermassen den Schlussstrich der Schweizerischen Bauzeitung unter die Frage Gull
hen.»
versus Moser zog 1925 Peter Meyer: «Da wir die Art der bei Herrn Prof. Dr. Gull aus-
64
65
66
Tatsächlich hatten sich Gustav Gull und Karl Moser in ihrer architektonischen Praxis
gearbeiteten Entwürfe als bekannt voraussetzen dürfen, kann sich diese Auswahl auf
weit auseinanderentwickelt. Paradigmatisch dafür stehen die Hauptgebäude der beiden
Arbeiten der wandlungsfähigeren Klasse Moser beschränken, bei denen jedenfalls
Zürcher Hochschulen: Gulls Erweiterung von Sempers Polytechnikum, seit 1909 ge-
auch als methodisches Plus gebucht werden kann, dass sie jeweils eine wirkliche
plant und erst 1925 fertiggestellt, und Mosers Hauptgebäude der Universität: dort
Situation als Unterlage wählen».73
Weiterbauen in den Formen Sempers, hier freie Interpretation barocker Plastizität; bei
Nach der medialen Beerdigung Gulls durch Peter Meyer zog Moser 1928 anlässlich
Gull ein symmetrischer Ehrenhof mit überkuppelter Mittelrotunde, bei Moser ein an
des siebzigsten Geburtstags des Kollegen sein persönliches Resümee. Im eigenen
der Topografie orientiertes Ausponderieren der durch einen gelenkhaften Turm verbun-
Vergleich der Positionen kam er zum Befund einer extremen Form des «Ungleichzei-
denen Volumen; im ETH-Hauptgebäude eine säulengefasste Mittelhalle, in der Univer-
tigen des Gleichzeitigen»: «Gull ist für mich eine historische Persönlichkeit. […] Wenn
sität ein von einem Glasdach überfangener Lichthof. Auf Gulls Projekt und das Fort-
ich mich nicht habe entschliessen können an den Festlichkeiten teilzunehmen, so ist
schreiten der Umbauarbeiten an Sempers Bau hatte Moser 1918/19 mit einem Semper-
das eben deshalb, weil Gull – für mich – historische Persönlichkeit ist. […] Wenn die
304
305
Ziele und die Stellung zum Leben so verschieden sind, wie bei uns, so würde meine
Anwesenheit bei der Feier ein Anachronismus sein». Einmal mehr führt Moser auch
hier «den aus den Steinen sprechende[n] schöpferische[n] Geist» ins Feld, Ergebnis
lebendigen, aus sich selbst heraus schöpfenden Künstlertums. «Es ist gut, wenn diese
Rasse, die sich ‘Künstler’ im Sinne der Renaissance nennt, auf dem Aussterbeetat
steht, weil sie in vitalen Naturen die heutige Entwicklung störend beeinflusst. – Aber
die Entwicklung lässt sich auf Dauer nicht eindämmen. Sie gibt dem Leben neuen
Wert, dem Dasein neue Möglichkeiten, dem Menschen göttliche Funken! – Immer
vorwärts; allezeit aufwärts!»74
«kein monarchisches sondern communistisches Princip»
Moser setzte einige Hoffnung in die institutionelle Zusammenführung der Generationen: «Der Contakt mit der Jugend wird mir guttun, wird mich ebenfalls jugendlich
machen und erhalten.»75 Der erhoffte persönliche Gewinn konnte sich aber nur einstellen, wenn sich das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler als ein wechselseitiges
gestalten liess. Der Weg dorthin führte bei Moser über die persönliche Ansprache und
über einen Unterricht, der den Erfahrungshorizont der Studierenden ernst nahm.
Teil der sozialen Gruppe der Studierenden werden, dieses Ziel verfolgte Moser vom
ersten Tag seiner Lehrtätigkeit an. Von dem Versuch berichten die vielen den Unterricht
vorbereitenden Notizen, vom Gelingen Zeugnisse und Briefe von Schülern,76 die Wahrnehmung der Zeitgenossen oder auch die Vertraulichkeit mancher Fotos, die die Studenten vom Lehrer auf Exkursionen machten. «Meine lieben jungen Freunde» begrüsste Moser die Architekturstudenten gleich zu Beginn seines ersten Semesters an
der ETH, um ihnen sodann ein gemeinschaftliches Arbeiten in Aussicht zu stellen:
«Auch die Schönheit ist keine willkürliche Erscheinung sondern ist auf Gesetze gegründet, die wir später zusammen zu erforschen gedenken».77 Keine Doktrinen, keine
«Aufstellung eines festen unverrückbaren Programmes» sei von ihm zu erwarten,
heisst es in einem undatierten Vortragsmanuskript, «sondern Vorschläge, die auf langjährigen Beobachtungen ruhen, und Grundlage für weitere Entwicklung und Fortschritte
in sich schliessen.»78 Die Erfahrung der Jahre steht wie die Jugend im Fluss der Zeit.
Dieser Dynamik ist für Moser jeder ausgesetzt, kein Programm oder Vorbild, keine
Schule kann ihr entgegensteuern. Dementsprechend hoch siedelte er die Selbstverantwortung auch seiner Studierenden an: «[…] der Weg liegt nicht bei Wright und nicht
bei Lutyens, nicht bei Bonatz […] weder bei Palladio noch bei irgendeinem grossen
Meister der frühern oder der Jetztzeit […] der Weg liegt nicht ausserhalb sondern er
liegt in uns.»79 Das wichtigste Rüstzeug für diesen Weg aus der Gegenwart in die
Zukunft kann den Studierenden durch die «Förderung der schöpferischen Kräfte» mitgegeben werden,80 die für jede fruchtbare Praxis unabdingbar waren und die es lebendig zu halten galt. Und so trennen Lehrer und Schüler zwar Erfahrungen, aber nicht die
grundsätzliche Aufgabe. Wie die «Uebungen der Pfadfinder» sah Moser seine Lehre:
«Keine Ansammlung von Wissenschaft sondern praktische Vorbereitung fürs Leben,
kein Recipiren sondern Produciren. Keine Ehrfurcht erziehen, sondern Freundschaft
erziehen, kein monarchisches sondern communistisches Princip im besten Sinne des
Wortes […] kein Aufoktruiren eigener Meinungen sondern teilhaftig werden lassen,
306
Exkursion der Klasse Karl Moser nach
Vicenza und Venedig, Mai/Juni 1920
Villa Rotonda und Umgebung
«Idylle» vor der Villa Rotonda
Karl Moser mit Studierenden auf den
Stufen der Villa, Mai 1920
Fotos: Album Max Ernst Haefeli
(Privatbesitz)
der eigenen Erfahrungen / kein Podium für den Lehrer sondern den Saalboden für
alle / keine Eitelkeit sondern Bescheidenheit / kein Stagniren sondern Entwicklung!»81
Mosers Botschaft kam an. Davon darf man ausgehen, auch wenn die meisten
schriftlichen Zeugnisse dem Kontext ehrender Würdigungen entstammen. Der Tenor
ist überall der gleiche: «Kameradschaftliches Verständnis» habe man von Moser erfahren,82 nie habe er «trotz seinen anerkannten leistungen und dem hohen ansehen das
er genoss, auch nur eine spur von einem nimbus um sich verbreitet.»83 Als «ewig
jungen Architekten» betitelte sein ehemaliger Schüler Max Tüller ihn im Nachruf;84
freundschaftlicher klingt es bei Rudolf Steiger, der bei Mosers Bestattung von der
«ungeheuren vitalität» sprach, von einer «person, die ein geistiges altern nicht anerkannte». 85 Die Rede von «‘papa’ moser» sei nie auf den generationsunterschied gemünzt gewesen, sondern «klang wie ein vertraulicher kameradschaftlicher übername.»
Georg Schmidt hat Moser «nie anders als jung mit den Jungen gekannt».86 Und Hermann Kienzle, Mosers erster Biograf, beschrieb ihn als Menschen mit einer «unbefangenen und suchenden Natur»; dementsprechend habe er sich «nicht über seine Schüler, sondern unter sie [gestellt], er lernte und entwickelte sich mit ihnen und sicher
auch an ihnen.»87
An seinen Schülern lernen – das war die Diktion der Avantgarde, die Moser auf ihre
Diplomarbeit bei Karl Moser, 1923
Bahnhof Enge, Zürich
Projekte von Max Ernst Haefeli, Rudolf
Steiger und Flora Crawford, Modellfotos
Studienarbeit bei Karl Moser, 1923
Bebauung Leonhardplatz (Central) und
nördlicher Abschnitt Limmatquai, Zürich
Projekte von Rudolf Steiger, Alexis Letta,
Willi Wohlgenannt und Flora Crawford
Foto der Gipsmodelle
Weise integrierte: als einen der ihren, der aber doch den Beharrungskräften «seiner
Otto Hans, Bankgebäude am Limmatquai,
Ecke Mühlegasse, Zürich. Diplomarbeit bei
Karl Moser, 1925 (SBZ 1925)
Generation» nur mit ihrer Hilfe, in Auseinandersetzung mit ihnen entkommen konnte.
Henri Arnold, Bankgebäude am Paradeplatz,
Zürich. Diplomarbeit bei Karl Moser, 1925
(SBZ 1925)
die besonders stark gewesen seien, «als nach dem kriege die klassizistische periode
Karl Moser, Erweiterung und Umbau
Bankgebäude «Münzhof», Bahnhofstrasse,
Zürich. Wettbewerbsprojekt, 1925
sung und Ordnung» der Stilfrage um 1920 als Leistung der «mindestens ein Viertel-
Dies klingt auch in Rudolf Steigers Bericht von den «dramatischen auftritten» durch,
zu verarbeiten» war.88 Die kanonische Darstellung lieferte Sigfried Giedion, als er «Löjahrhundert jüngere[n] Generation als Moser – in die Corbusier, Gropius und Oud ge-
309
hören» deklarierte – und damit Moser letztlich in die notorische Vorreiter-Rolle abschob,
auf deren Problematik Bruno Zevi schon 1950 den Finger gelegt hat.89
Dass Moser sich gern von der «kommenden Generation»90 mitziehen liess, mag
stimmen. Ein uneitler, offener Charakter wird ihm vielfach bescheinigt.91 Die Idee des
gemeinsamen Lernens von Lehrer und Schülern verband sich mit seinem Postulat der
Gegenwartsbezogenheit und dem diesem folgenden Praxisbezug der Entwurfsaufgaben. Dem «Zusammenhang mit dem Leben»92 diente die methodische Anbindung
der Programme an konkrete Situationen, auf die er bei seinen Entwurfsthemen streng
achtete. Nicht ohne Vorbilder,93 aber zu Mosers Zeit an der ETH nicht mehr gepflegt,
war die inhaltliche Nähe der Semesterthemen zu eigenen Projekten und aktuellen
Wettbewerben. Das wegen der späteren Prominenz der Studierenden bekannteste
Beispiel ist die Diplomaufgabe des Jahres 1923. In diesem Sommer arbeitete Moser
mit seinen Schülern quasi Tisch an Tisch. Seinen eigenen Wettbewerbsbeitrag für den
Bahnhof Zürich-Enge gab er am 23. Juli ab,94 die im Original erhaltene Diplomarbeit
von Max Ernst Haefeli trägt das auf den 2. August datierte Visum des Lehrers.95 Die
erhaltenen Entwürfe seiner Studenten zeigen eine Mosers Projekt vergleichbare Kombination unterschiedlich dimensionierter Einzelvolumen, die, nicht immer mit der Stringenz von Mosers Entwurf, in ihrer Anordnung dem Verkehrsfluss folgen. Ein dieser
Diplomarbeit vorausgegangenes Semesterthema galt der Neubebauung des Leonhardplatzes (Central) und des anschliessenden Abschnitts des Limmatquais – und damit
einem Planungsgebiet, mit dem sich Moser selbst Anfang der dreissiger Jahre intensiv
auseinandersetzte. 1925 bearbeitete eine Reihe von Diplomanden die Aufgabe eines
Bankgebäudes in der Zürcher Altstadt. Peter Meyer mutmasste sicher richtig, das
Thema sei «wohl durch den beschränkten Wettbewerb für die Erweiterung der Schweiz.
Bankgesellschaft angeregt» gewesen, an dem Moser zur gleichen Zeit teilnahm.96
«… diese krausen Bau-Bolschewismen» – Arbeiten an der Bauschule der ETH
Zu einer deutlichen, auch kunstpolitischen Stellungnahme geriet Moser unter der Hand
die Integration expressionistischer Architekturbeispiele in den Entwurfsunterricht. Im
Nachlass Max Ernst Haefelis hat sich ein Fotoalbum erhalten, in dem eine Reihe von
Studienarbeiten dokumentiert sind, eigene und solche von Kommilitonen. Die Gipsmodelle für ein Schwimmbad und Theater am Zürcher Bellevue, für ein Geschäftshaus,
ein Musikerhaus am See und für eine Kirche in Zürich-Wollishofen verraten unmittelbar
ihre Nähe zu Entwürfen von Hans Poelzig und Hermann Finsterlin.97 Die Beschäftigung
mit dem Expressionismus deutscher Provenienz wurde mit den Diplomarbeiten der
Moser-Klasse 1921 und 1922 zu einem öffentlichen Thema. Die in der Schweizerischen
Bauzeitung publizierte Auswahl der – in den Stilformen ein weites Feld absteckenden –
Entwürfe enthielt in beiden Jahren Beispiele expressionistischer Formbildung. Auch
Mosers Sohn Werner hatte sich in seiner Arbeit damit auseinandergesetzt. In der
Schweizerischen Bauzeitung ist sie nicht publiziert, wohl aber das noch deutlicher
«expressionistische» Projekt von Hans Hofmann, das neben einer offenbar unter dem
Eindruck von Gulls ETH-Haupthalle entstandenen Diplomarbeit abgebildet ist.
Auf dem Gebiet der bildenden Künste war Moser schon im Zusammenhang mit
der Ausmalung des Hauptgebäudes der Universität Zürich auch für expressionistische
310
Semesterarbeiten bei Karl Moser
Johann Rudolf Weber, Geschäftshaus
vermutlich 1921, Foto Gipsmodell
Max Ernst Haefeli (?), Kirche Wollishofen,
Zürich, um 1921/22, Foto Gipsmodell
Cla Vital, Schwimmbad und Theater am
Bellevue, Zürich, vermutlich 1921
Foto Gipsmodell
Max Ernst Haefeli, Musikerhaus am See
um 1921/22, Foto Gipsmodell
Fotos: Album Max Ernst Haefeli
(Privatbesitz)
311
galt der Angriff wiederum der «Romantik übelster Art», einem «Unkraut, das leider
schon früher aufgeschossen ist» und das «mit Stumpf und Stiel ausgerottet» werden
müsse.103 In den Fokus rückte nun aber auch die neuere holländische Architektur, die
Hässig ebenfalls unter das Expressionismus-Verdikt stellte. Anlass dazu dürfte die über
Hans Schmidt vermittelte Artikelserie von Mart Stam zu «Holland und die Baukunst
unserer Zeit» gewesen sein, die die Schweizerische Bauzeitung als Gegengewicht zur
Debatte im Werk und unter dem Eindruck der «unverkennbare[n] Rückwirkung auf die
Architektur in der Schweiz und die daraus erwachsenen Meinungsverschiedenheiten»
abdruckte.104
Gleichsam das zentrale Bindeglied zwischen alledem war Karl Moser. Er hatte schon
1922 eine Exkursion mit seinen Studierenden in die Niederlande unternommen. In
einem heute berühmten Werk-Artikel hatte er im selben Jahr über seine Eindrücke in
dem Land berichtet, dessen Architektur nicht zuletzt dank ihm in den zwanziger Jahren
zu einer der wichtigsten Referenzen der schweizerischen Avantgarde wurde.105 Ihm
vorausgefahren waren Hans Schmidt und sein Sohn Werner, der nach dem Studienabschluss 1921/22 einige Monate im Rotterdamer Büro Granpré Molière, Verhagen &
Kok gearbeitet, dort Mart Stam kennengelernt und diesem 1922 die Bekanntschaft mit
seinem Vater vermittelt hatte. Im Herbst 1923, mitten in der Werk-Debatte, kam Stam
Markthalle in Wiedikon, Zürich
Diplomarbeit bei Karl Moser, 1921
Projekte von Hans Hofmann und Werner
M. Moser, Perspektive Innenraum
Exkursion der Klasse Karl Moser in
die Niederlande, 1922
Skizze zur Situation und Fotos der
Wohnsiedlung De Dageraad von
Michel de Klerk und Pieter Lodewijk
Kramer (1919–1922) in Amsterdam
Album Max Ernst Haefelis (Privatbesitz)
Arbeiten eingetreten. Damals hatte ihm das zwar einen Dankesbrief von Ernst Ludwig
Kirchner eingetragen, die Wandbilder wurden jedoch bereits 1915 weitgehend übermalt.98 Für die aus seiner Entwurfsklasse hervorgegangenen Projekte geriet er dann
1923 ins Schussfeld des Bundes Schweizer Architekten (BSA).
1908 als antiakademische berufsständische Vereinigung gegründet, hatte sich der
BSA Anfang der zwanziger Jahre zu einem Hort konservativer Traditionswahrung entwickelt. Ausgangspunkt der Kontroverse war eine Eingabe der Ortsgruppe Zürich auf
der Generalversammlung im Juni 1923 «betr. die neuesten Strömungen in der Architektur».99 Daran schloss sich eine insgesamt sechs Artikel umfassende Debatte in der
Zeitschrift Das Werk an. Alfred Hässig eröffnete mit einem Beitrag, in dem er sein
Referat zur Eingabe der Ortsgruppe Zürich zusammenfasste. Darin wandte er sich nicht
nur allgemein gegen «expressionistische Launen und Experimente», die er als «Manifestationen der heutigen, zerrütteten Zeit» inkriminierte. Als einen Katalysator solcher
Entwicklungen machte er zudem die ETH aus, wo «unsere jungen Kollegen […] erzogen werden, ohne Grundlagen zu ‘schaffen’, voraussetzungslos Neues zu erfinden,
Aussergewöhnliches zu projektieren; statt zu lernen, statt sich ein gutes Wissen für
die Praxis anzueignen.»100 Mit Otto Zollinger und Paul Camenisch kamen auch zwei
dem Expressionismus nahestehende Künstler zu Wort; allerdings argumentierte Zollinger grundsätzlich antiakademisch, und Paul Camenisch, der 1916 bei Moser diplomiert
hatte, redete vor allem der künstlerischen Freiheit das Wort, ohne sich aber zugleich
für seinen ehemaligen Lehrer in die Bresche zu werfen.101 Der BSA-Präsident Frédéric
Gilliard plädierte für einen künstlerischen Individualismus und kollektive Kultur verbindenden Mittelweg; Max Müller, früherer Mitarbeiter von Curjel & Moser in Karlsruhe,
nun Stadtbaumeister in St. Gallen, folgte Hässig.102 Dieser gab in einer «Schlussbetrachtung» nochmals die Parole aus, nicht ohne dabei die Kampfrichtung weiter aufzufächern. Diesmal ausgehend von einem aktuellen Vortrag von Peter Behrens in Zürich,
312
313
in die Schweiz. Dort war er zunächst Gast der Familie Moser, von Oktober an beschäftigte ihn Moser in seinem Büro.106
So war es auf eine Art folgerichtig, dass Alfred Hässig Moser in seinem «Resümee»
im Werk nun auch persönlich angriff. Dessen Namen nannte er zwar nicht, liess ihn
aber deutlich als Person erkennbar werden: «Heute wird uns von einflussreichen Männern das unerquickliche Schauspiel beständigen Schwankens geboten. In ihrer geistigen Beweglichkeit nehmen sie alles Fremde und vermeintlich Neue in sich auf und
suchen es auch für unser Land zum Evangelium zu erheben. Sie scheinen sich der
Verantwortung nicht bewusst zu sein, die sie mit dem häufigen Wechsel ihrer baukünstlerischen Ideale der jungen Generation gegenüber auf sich laden, die auf diese
Weise nie aus der Verwirrung herauskommen wird.»107
Zur gleichen Zeit antwortete Armin Meili, den Moser 1915 zu seinem ersten Assistenten an der ETH gemacht und ihn zugleich in seinem Architekturbüro angestellt hatte,
in der Schweizerischen Bauzeitung auf Mart Stam. 1924 lag Meili ganz auf der Linie
von Hässig. Er beklagte die «Raschheit, mit der fast über Nacht ein eingeschlagener
Kurs gewechselt wird», über die «Windeseile, mit der diese Richtung [die «HolländerSchule»] den Herrn Geheimrat Friedrich Ostendorf von seinem Piedestal heruntergefegt hat!» Die Wendung des BSA-Vorsitzenden gegen das «Ausland» aufnehmend,
zog er gegen das «Deutschland des Krieges und Nachkrieges» zu Felde, wo «sternähnliche, kristalline und noch komplizierter schwingende Architektur-Aggregate […]
Ausdrucksformen einer Zeit voller Not und Leid» geworden seien. «Merkwürdigerweise haben auch diese krausen Bau-Bolschewismen bei einigen Schülern unserer
E. T. H. Anklang gefunden.»108 Merkwürdig erschien Meili das wohl im Sinne von Hässig, der für die Schweiz, die «dem allem bis jetzt glücklich entronnen» sei, «keinen
Anlass» sah, «nur aus freundnachbarschaftlichen Gefühlen auf diesen Irrwegen mitzuwandern. Das von der Baukunst zu erfassende Stück Leben ist bei uns dasselbe wie
vor zwei, vier und mehr Jahren.»109
Karl Moser sah das anders. Ohnehin waren es weniger expressionistische Formexperimente, die ihn an der neuen holländischen Architektur interessierten, als der
Verzicht «auf den traditionellen Ausdruck der Monumentalität und der absoluten kubischen Geschlossenheit.» Seine Aufmerksamkeit galt der «Massenbewegung», aber
einer, «die stets durch die praktischen Anforderungen gerechtfertigt ist.»110 In seiner
eigenen Architektur nahm er kaum expressionistische Formen auf. Das prägnanteste
Beispiel dieser Art ist die Gestaltung der Exposition Nationale des Beaux-Arts in Genf
1922, für die er bezeichnenderweise vier seiner Studenten beizog. In einen vergleichbaren Kontext gehört Mosers einzige permanente «expressionistische» Architektur,
ein Durchgangsraum, der im Erweiterungsbau des Kunsthauses von der Skulpturengalerie zu den Bildersälen und zur Landoltvilla führte. Den Ausdruckswert der gestaffelten Wandflächen für solche transitorische Situationen hat Moser auch vorher und
nachher geschätzt, beim Nebeneingang des Kunsthauses von 1910 etwa oder beim
Exposition Nationale des Beaux-Arts
im Palais Electoral in Genf, 1922
Karl Moser, Ausstellungseinbauten
Vorentwurf, Mai 1922
Max Ernst Haefeli, Rudolf Steiger, Cla Vital
und Johann Rudolf Weber, Grundriss und
Schnitte des Vestibüls, August 1922
Vestibül mit Durchblick in den ersten Ausstellungssaal, 1922 (Foto: F. H. Jullien)
314
Stufenportal der Antoniuskirche in Basel.
Für die Avantgarde machte sich Moser auch weiterhin stark, ohne deshalb selbst
zum dogmatischen Modernisten zu werden. Sein Engagement als Preisrichter beim
Völkerbundpalast-Wettbewerb 1927 für Le Corbusier war schon zu seinen Lebzeiten
legendär.111 Den Architekten hatte er auf einer Seminar-Exkursion in Paris bei einer
Besichtigung des Pavillon de l’Esprit Nouveau kennengelernt.112 Ebenfalls 1927 fuhr er
315
«architektur als künstlerische einheit» und «verbundenheit
aller menschlichen kultur»
«Wesentlich war, dass Karl Moser es verstanden hat, in uns durch diese schule das
entscheidende zu wecken: den begriff für die architektur als künstlerische einheit, und
als zweites, nicht minder wichtiges: das verständnis für die verbundenheit aller menschlichen kultur.» Hans Schmidts Würdigung seines Lehrers steht für das breite und tiefe
Fundament, auf das Moser die von ihm erzogene «kommende Generation» der Schweizer Moderne stellte.115 Schmidt war einer der Schüler, mit denen sich Moser am engsten verbunden fühlte. Schon Wochen bevor er im Februar 1928 dem Schulratspräsidenten den vorzeitigen Rücktritt von seiner Professur bekannt gab, stand für ihn fest,
dass Schmidt sein Nachfolger werden solle. Mosers monatelanger (und letztlich vergeblicher) Kampf dafür ist in seinem Nachlass und den Schulratsprotokollen dokumentiert.116 Die Schulleitung zog schliesslich den «von nüchternen Architekten sehr hoch
eingeschätzt[en]» Otto Rudolf Salvisberg dem «von den Extremisten [gemeint sind die
Avantgardisten aus dem Umkreis von Giedion und des Schweizerischen Werkbunds]
in den Vordergrund gerückt[en]» Basler vor.117
Die Reichweite und das Potential von Mosers Lehre ist wohl kaum besser zum
Ausdruck gebracht als mit der Betonung eines im künstlerischen wie im kulturellen
Sinn hochintegrativen Verständnisses von Architektur durch einen Hauptvertreter der
Avantgarde wie Hans Schmidt. Die «verbundenheit aller menschlichen kultur» galt für
Moser in synchroner wie in diachroner Hinsicht. Mosers «fähigkeit», den Beruf «in
seinem dynamischen fluss darzustellen», war für Rudolf Steiger eines der Geheimnisse
von dessen Erfolg als Lehrer.118 Diese Sicht eröffnete der «kommenden generation»
die Zukunft, doch auch Moser selbst: «immer werde ich mich erinnern an die objektivität, mit der prof. moser von seinen früheren bauten sprach: scharfe kritik, ohne bitterkeit und mit einer ruhigen anerkennung einer von ihm losgelösten lebensperiode, die
aber ihre volle auswirkung erhalten hatte.» Eine Variante solcher Selbstdistanzierung
vom eigenen Werk schildert Hans Jenny in einer Anekdote: Als er ein älteres Werk des
befreundeten Kollegen kritisierte, wies dieser es dem «andere[n] Moser» zu.119 Alles
ist im Fluss, aber durch die kulturelle Tradition und durch Prinzipien verbunden, durch
jene überhistorischen Qualitäten der Kunst, auf die es Moser in seiner Lehre und seiner
architektonischen Praxis auch ankam. Die Teilhabe an diesem Fluss war für Moser
unabdingbar. Die Alternative hat er für sich selbst benannt: «Es gibt nur ein Leben.
Entweder hat man das für immer oder man hat es nicht und man mumifizirt sich.»120
Erweiterungsbau Kunsthaus Zürich
1924/25. Durchgangsraum von der Skulpturengalerie zur Landoltvilla und zu den
Bildersälen, 1925 (Kunsthaus Zürich)
mit seinen Studierenden zur Eröffnung der Ausstellung Die Wohnung auf dem Stutt-
Kulturelle Verbundenheit bedeutete auch, Architektur im Zusammenhang mit mög-
garter Weißenhof, wo eine Reihe ehemaliger Schüler in der «Schweizergruppe» mit
lichst allen in ihr wirksamen Bereichen, der Kunst, Konstruktion und Technik, den
Kunsthaus Zürich, 1903–1910. Nebeneingang, 1910
einem eigenen Beitrag vertreten war.
Der mitgereiste, gerade neu berufene Profes-
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen zu analysieren, zu entwerfen und
sor für Baustatik Hans Jenny beschrieb in seinen Erinnerungen, wie Moser, seine
zu bauen. Diese Verbundenheit sollte seinen Studierenden im Zuge eigener Anschau-
«Jahre vergessend […] unablässig bemüht [war], mit dem Feuer jugendlicher Begei-
ung deutlich werden. Theorie und Wissenschaftlichkeit stellte Moser ein auf das Kon-
sterung auf alles Interessante hinzuweisen, Vergleiche zu ziehen zwischen unserer
krete und die Praxis ausgerichtetes Arbeiten gegenüber. «Die Prüfungen sind schul-
Zeit und einer heranbrechenden neuen Zeit, für die ihm der Weissenhof Ausgangspunkt
meisterliche Einrichtungen, welche der Menschenwürde nicht entsprechen und ins-
zu sein schien».
Vor diesem Hintergrund war es nur folgerichtig, dass Moser mit
besondere bei einem künstlerischen Berufe nicht entsprechen können», notierte er
seinem Rücktritt von der Professur 1928 die CIAM-Präsidentschaft annahm, eine Funk-
1916 nach den ersten Monaten des Unterrichtens in seinem Tagebuch.121 Stattdessen
tion, mit der er – allerdings im Wesentlichen auf ideeller Ebene – weiterhin Mentor der
versuchte er alle Facetten praxisbezogener Lehre zu verwirklichen, die auch an anderen
«jungen Generation» bleiben konnte.
Hochschulen als Bestandteile einer zeitgemässen Ausbildung diskutiert und mehr oder
316
317
Karl Moser, Kath. Kirche St. Anton, Basel
1924–1927. Perspektive Haupteingang
September 1925
114
113
Ausflug der Architekturabteilung, vermutlich
1927, von links: Hans Jenny, Karl Moser,
Alfred Roth, Hermann Platz (mit Hut)
1 Werner M. Moser, Gedanken über die Schweizer Architektur 1916–1958, in: Heinz Ronner (Hg.), Die Architekturabteilung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich 1916–1956, Zürich 1971 (= Arbeitsberichte der
Architekturabteilung der ETH A12), S. 13–15, hier S. 13.
2 Karl Mannheim, Das Problem der Generationen (1928), in: Karl Mannheim, Wissenssoziologie, hg. von Kurt
H. Wolff, Berlin 1964, S. 509–565, hier S. 522.
3 Moser 1971 (wie Anm. 1), S. 13.
4 Udo Di Fabio, Kann Globalisierung gerecht sein?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.9.2008.
5 Gottfried Semper, Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten (1834), in: ders.,
Kleine Schriften, hg. von Hans und Manfred Semper, Berlin/Stuttgart 1884, S. 215–258, hier S. 215f.
6 Gottfried Semper, Ueber Baustile (1869), in: Semper 1884 (wie Anm. 5), S. 395–426, hier S. 401.
7 Otto Wagner, Antrittsrede an der Akademie der bildenden Künste. Gehalten am 15. Oktober 1894, abgedruckt
in: Otto Antonia Graf, Otto Wagner, Bd. 1: Das Werk des Architekten 1860–1902, Wien/Köln/Graz 1985, S. 249f.,
Zitate S. 249.
8 Johann Wolfgang von Goethe, Materialien zur Geschichte der Farbenlehre (1810), München 1998 (= Sonderausgabe Werke. Hamburger Ausgabe 14), S. 7. Vgl. auch Werner Oechslin, «… und die Geschichte macht selbst
wieder Geschichte …». Geschichtliches und Anderes zu ‘Historismus’-Frage, in: Hannes Böhringer und Arne Zerbst
(Hg.), Die tätowierte Wand. Über Historismus in Königslutter, München 2009 (= Schriften der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 19. Jahrhunderts 1), S. 363–378.
9 Wilhelm Pinder, Das Problem der Generation in der Kunstgeschichte Europas, Berlin 1926, S. 12.
10 Adolf Behne, Der moderne Zweckbau (1926), Berlin 1998, S. 12.
11 Mannheim 1964 (wie Anm. 2), S. 521.
12 Ebd., S. 527.
13 Ebd., S. 534.
14 So Peter Meyers gallige Charakterisierung in seinen autobiografischen Aufzeichnungen; Autobiografische
Notizen, in: Katharina Medici-Mall, Im Durcheinandertal der Stile. Architektur und Kunst im Urteil von Peter Meyer
(1894–1984), Basel/Boston/Berlin 1998, S. 413–436, hier S. 429.
15 Architekt Karl Moser in der baukünstlerischen Entwicklung seiner Zeit, in: SBZ 96 (1930), Nr. 6, S. 65–76, hier
S. 65, Vorbemerkung der Redaktion.
16 Mannheim 1964 (wie Anm. 2), S. 532. Mit noch dynamischeren Modellen arbeitet die heutige Generationenforschung, die die mit einer gefühlten Generationszuhörigkeit verbundenen Identitätskonzepte als «lebenslang zu
bearbeitende Konstrukte» beschreibt; Ulrike Jureit, Generationenforschung, Göttingen 2006, S. 27.
17 Mannheim 1964 (wie Anm. 2), S. 530.
18 Karl Moser, Tagebucheintrag, 1914, gta Archiv, KM -1914 -TGB -11.
19 Karl Moser, Tagebucheintrag, 1928, gta Archiv, KM -1928 -TGB - 7.
20 Karl Moser, Hochschule und neues Bauen, in: Der kleine Bund. Literarische Beilage des «Bund» 8 (1927),
S. 294f., hier S. 294.
21 Karl Moser, Architektur. Aufgabe, Entwicklung und Widerstände, in: NZZ, 19.9.1931.
22 K[arl] Moser, Neue holländische Architektur. Bauten von W. M. Dudok, Hilversum, in: Das Werk 9 (1922), H. 11,
S. 205–214, hier S. 205.
23 Gottfried Semper, Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, oder Praktische Ästhetik, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1860, S. VI–VII.
24 Karl Moser, Das neue Universitätsgebäude, in: Universität Zürich. Festschrift des Regierungsrates zur Einweihung der Neubauten 18. April 1914, Zürich [1914], S. 103–105, hier S. 104f.
25 Karl Moser, Tagebucheintrag, 1916, gta Archiv, KM -1916 -TGB - 6: «Die Gullsche Erklärung von Antiken und
Gothischer Baukunst ist eine Barbarei. Sie ist durchaus nicht geistig sondern aeussert oberflächlich und nur materiell. Die tiefste Grundlage aber der Kunst ist der Geist.» Moser, Hochschule 1927 (wie Anm. 20), S. 294: «Die
Architekturschulen des 19. und 20. Jahrhunderts waren und sind mehr eingerichtet auf formalwissenschaftliche
Ausbildung als auf Entwicklung der schöpferischen Kräfte zum Gegenwartsdienste.» Ferner: Karl Moser, A propos
de l’éducation du jeune architecte. Ses conditions de développement, in: Bulletin technique de la Suisse romande
43 (1917), S. 37–39, 45–47.
26 Schulratsprotokolle 1915, Sitzung Nr. 2, 25.2.1915, ETH-Bibliothek, Archive, SR2.
27 Schulratsprotokolle 1914, Sitzung Nr. 4, 18.7.1914, ETH-Bibliothek, Archive, SR2.
28 Schulratsprotokolle 1915, Sitzung Nr. 3, 17.5.1915, und Nr. 4, 24.6.1915, ETH-Bibliothek, Archive, SR2.
29 Schulratsprotokolle 1915, Sitzung Nr. 4, 24.6.1915, ETH-Bibliothek, Archive, SR2.
30 Gustav Gull, Brief an Wilhelm Ludwig Lehmann, 9.2.1900, gta Archiv, 9.22/1.01, ausführlich zitiert bei Cristina
Gutbrod, Gustav Gull (1852–1942) – Architekt der Stadt Zürich 1890–1911. Zwischen Vision und Baupolitik, Diss.
ETH Zürich 2009, S. 16f.; Karl Moser, handschriftlicher Lebenslauf, undatiert [wohl nach 1928], gta Archiv, Nachlass
Karl Moser, Mappe «Unterlagen für das Neujahrsblatt der ZKG». Ich danke Cristina Gutbrod für zahlreiche Hinweise
zum Verhältnis von Karl Moser und Gustav Gull.
31 Vgl. dazu auch Thomas Gnägi, Karl Mosers Turm der Universität (1907–1914). Ein krönendes Turmhaus für die
Stadt Zürich, unveröff. Liz-Arbeit Universität Zürich 2004, S. 71–75.
32 gta Archiv, KM -1910-TGB - 7.
33 Karl Moser, Tagebucheintrag, 1914, gta Archiv, KM -1914 -TGB -10.
34 Alfred Friedrich Bluntschli, Dankesbrief an Moser, 31.1.1912, gta Archiv, 33 - K.
35 Karl Moser, Tagebucheintrag, 29.1.1912, gta Archiv, KM -1912 -TGB - 3, freundl. Hinweis von Bruno Maurer.
36 Alfred Friedrich Bluntschli, Brief an Moser, 5.6.1914, gta Archiv, Nachlass Karl Moser, Mappe «Berufung».
37 Karl Moser, Tagebucheintrag zu einem Arbeitstreffen mit Gull am 12./13.6.1915, gta Archiv, KM -1914 -TGB -19.
38 In Mosers Nachlass sind mehrere Exemplare des nicht betitelten neunseitigen Typoskripts überliefert, gta Archiv,
Mappe «Berufung», Mappe «Unterlagen für das Neujahrsblatt der ZKG». Vorarbeiten dazu in Form von Tagebuchnotizen in KM -1914 -TGB -11 und -19.
39 Moser, Typoskript (wie Anm. 38), S. 2–4, Zitat S. 2.
40 Salvatore Pisani, «Allein vieles ist besser, leichter, zweckmäßiger, wohlfeiler als wir es kennen». Sempers
Lehrzeit in Paris und das akademische Ausbildungsprogramm, in: Winfried Nerdinger und Werner Oechslin (Hg.),
Gottfried Semper 1803–1879. Architektur und Wissenschaft, Ausst.-Kat., München/Zürich 2003, S. 101–104 (zum
Unterricht an der privaten Architekturschule von Franz Christian Gau, einem Beispiel für die damalige Pariser Praxis
des Architekturbüro und Privatakademie verbindenden «atelier libre»); Bruno Maurer, Lehrgebäude – Gottfried
Semper am Zürcher Polytechnikum, in: Nerdinger/Oechslin 2003, S. 306–313; Sonja Hildebrand, Egon Eiermann
– die Berliner Zeit. Das architektonische Gesamtwerk bis 1945, Braunschweig/Wiesbaden 1999, S. 21–25 (zu Hans
Poelzigs Unterricht an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und der Preußischen Akademie der
Künste); Sylvia Claus, Schüler und Schule. Hans Poelzigs Lehre, in: Wolfgang Pehnt und Matthias Schirren (Hg.),
Hans Poelzig 1869 bis 1936. Architekt, Lehrer, Künstler, Stuttgart 2007, S. 172–181, bes. S. 177–179.
41 Moser, Typoskript (wie Anm. 38), S. 1.
42 Ebd., S. 5.
43 Ebd., S. 3.
44 Ebd., S. 4, 7.
45 Hermann Kienzle, Karl Moser 1860–1936 , Zürich 1937 (= Zürcher Kunstgesellschaft Neujahrsblatt 1937 ), S. 23f.:
«Moser selbst entwickelte sich in seiner Lehrtätigkeit zu immer größerer Freiheit und Lebendigkeit. So gab er in
spätern Jahren den Seminarübungen, die er früher in Form von Vorträgen gehalten hatte, den Charakter von Diskussionen, in denen gegebene Probleme der Architektur gemeinsam von Lehrer und Schüler behandelt wurden.»
46 Moser, Typoskript (wie Anm. 38), S. 5.
318
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weniger konsequent eingeführt wurden: Exkursionen und die Autopsie von Bauwerken
– historischen und gerade fertiggestellten –, der Besuch auf Baustellen, in Fabriken
und Betrieben, wo die dort «lebenden Direktoren und Angestellten» Auskunft gaben,122
auf konkrete Situationen bezogene Entwurfsaufgaben, die Beteiligung fortgeschrittener
Studierender an der eigenen Büropraxis und die beständige Forderung eines im Curriculum festgeschriebenen Praxisanteils. Und kulturelle Verbundenheit hiess, alle Bauaufgaben, grosse und kleine, ländliche und urbane, und die ihnen angemessenen Formen als Teile einer kulturellen Einheit zu behandeln.123 Zur Architektur befähige nur
beides, handwerklich-technische Kenntnisse und – vor allem – eine breite geistes- und
kulturgeschichtliche Schulung. Nur «durchdrungen […] von den schöpferischen Kräften, die hinter allem und jedem stehen, hinter Kunst und Wissenschaft» ist
«selbstschöpferisch[es]» Tun und ein Schaffen von «architektur als künstlerischer einheit» möglich.124
47 Ebd., S. 6.
48 Karl Moser, Tagebucheintrag zur künftigen Gestaltung des Lehrplans, gta Archiv, KM -1914 -TGB -11.
49 gta Archiv, KM -1914 -TGB -11.
50 Wagner 1894 (wie Anm. 7), S. 249.
51 gta Archiv, KM -1910-TGB -18.
52 Ronner 1971 (wie Anm. 1), S. 52f.
53 Moser, Hochschule 1927 (wie Anm. 20), S. 294.
54 Knapp drei Wochen später legte Karl Moser sein Vorhaben in einem offenbar nicht abgeschickten Brief an Hans
Schmidt dar; Karl Moser, Brief an Hans Schmidt, 30.11.1927, gta Archiv, Nachlass Karl Moser, Mappe «Antritt und
Rücktritt von Karl Moser».
55 Moser, Hochschule 1927 (wie Anm. 20). Die Beilage rekurriert auf die Tagung des Schweizerischen Werkbunds
vom September 1927. Die dort unter anderem von Karl Moser gehaltenen Vorträge erschienen in einer eigenen
Publikation: Werkbundfragen. Öffentliche Kundgebung im Rathaus Zürich 10. Sept. 1927, hg. vom Schweizerischen
Werkbund, Zürich 1927.
56 Sigfried Giedion, Planmäßige Zukunft, in: Der kleine Bund. Literarische Beilage des «Bund» 8 (1927), S. 289–291,
hier S. 289.
57 Moser, Hochschule 1927 (wie Anm. 20), S. 295.
58 Karl Moser, Tagebucheintrag zum 70. Geburtstag Gustav Gulls, 7.12.1928, gta Archiv, KM -1928 -TGB -17.
59 Gutbrod 2009 (wie Anm. 30), S. 54f., 86.
60 Zit. n.: ebd., S. 54.
61 Karl Moser, Tagebucheintrag, Frühjahr 1910, gta Archiv, KM -1910-TGB -11; freundlicher Hinweis von Bruno
Maurer.
62 Vgl. Gutbrod 2009 (wie Anm. 30), S. 337.
63 gta Archiv, KM -1914 -TGB -11, S. 296, 298; KM -1915 -TGB - 2: «‘Aufrecht’. Die Unaufrichtigen sind Schleicher.
Ich denke so viel und oft an die Stellung Gulls in der Professorenfrage. Er lässt mich in merkwürdiger Weise auf
dem Trockenen.» KM -1915 -TGB - 33: «Gull hat bisher stets mit Einschüchterung gearbeitet. Es ist mir unklar aus
welchen Beweggründen. Er hat dafür gesorgt, dass ich den Gehalt nicht erhöhe, dass ich auf den UmzugspreisVergütung verzichte. […] Er gönnt mir keinen angenehmen Aufenthaltsraum. Er will mich davon abbringen, mich
anständig einzurichten […].»
64 Moser, Typoskript (wie Anm. 38), S. 1, 4.
65 Gutbrod 2009 (wie Anm. 30), S. 337.
66 Karl Moser, Tagebucheintrag, 1917, gta Archiv, KM -1917 - TGB - 5.
67 Karl Moser, «Seminar Winter-Semester 1918–19» [Seminarprogramm], Oktober 1918, gta Archiv, 33 -T- 114. Auf
die Parallelität von Seminar und Bauarbeiten hat zuerst Bruno Maurer in einem Vortrag aufmerksam gemacht:
Semperschule und Semperschüler, Semper-Tagung, Bad Muskau, 26./27.10.2001.
68 Karl Moser, «Vortrag [im Semper-Seminar] 19. Februar 19», gta Archiv, 33 -T-108.
69 [Richard] Kuder, Die Ausstellung von Zeichnungen und Diplomarbeiten am eidg. Polytechnikum zu Ende des
Wintersemesters 1900/1901, in: SBZ 37 (1901), Nr. 15, S. 160f.; Gutbrod 2009 (wie Anm. 30), S. 17.
70 Diplom-Arbeiten an der Architektenschule an der E.T.H., in: SBZ 76 (1920), Nr. 9, S. 95, 97 (Abb.).
71 [Hermann] Herter, Diplom-Arbeiten an der Architektenschule der E.T.H., in: SBZ 78 (1921), Nr. 17, S. 193–195,
196f. (Abb.), 206–210, hier S. 193.
72 Diplom-Arbeiten an der Architektenschule der E.T.H., in: SBZ 80 (1922), Nr. 10, S. 111f., 113f. (Abb.), Nr. 11,
S. 120–123, 124f. (Abb.), Zitate S. 111f.
73 P[eter] M[eyer], Diplom-Arbeiten an der E.T.H., in: SBZ 86 (1925), Nr. 9, S. 110 (Abb.), 111f., 113f. (Abb.), Zitate
S. 111.
74 Moser, Tagebucheintrag, 7.12.1928 (wie Anm. 58).
75 Karl Moser, Tagebucheintrag, Weihnachten 1916, gta Archiv, KM -1916 - TGB - 24.
76 In Mosers Nachlass sind eine Reihe von teils sehr ausführlichen Briefen erhalten, die (ehemalige) Studierende
an Moser richteten und aus deren Ton wie Inhalt eine Vertrautheit hervorgeht, die neben Übereinstimmung auch
Diskrepanzen in der Sicht auf die Architektur zuliess. Vgl. z. B. Max Ernst Haefeli an Moser, 5.5.1924 (über Arthur
Korn und das Praktikum bei Otto Bartning in Berlin); Rudolf Steiger und Flora Steiger-Crawford an Karl Moser,
26.8.1924 (über die kunstpolitischen Schwierigkeiten, den Entwurf für das Haus Sandreuter in Riehen durchzusetzen); H. Witmer an Moser, 8.8.1928 (über neue Bauten in Berlin), alle gta Archiv, 33-K.
77 Karl Moser, Vortragsnotizen im Tagebuch, 1915, gta Archiv, KM -1915 -TGB - 38.
78 Karl Moser, «Ueber die Erziehung und Entwicklung des jungen Architekten», gta Archiv, Nachlass Karl Moser,
Mappe «Vorträge undat. Architekten-Ausbildung».
79 Karl Moser, «Schlusswort zum Vortrag Gebaeudelehre 1925 Wohnhaus: Wo liegt der Weg?», Vortragsnotizen
im Tagebuch, 1925, gta Archiv, KM -1925 - TGB - 6.
80 Moser, Hochschule 1927 (wie Anm. 20), S. 294.
81 Karl Moser, Tagebucheintrag, September 1927, gta Archiv, KM -1927-TGB - 13.
82 Zum 75. Geburtstag von Prof. Dr. K. Moser, in: weiterbauen 1 (1935), S. 32 (erschienen als Beilage zur SBZ).
83 Rudolf Steiger, Rede anlässlich der Bestattung von Karl Moser, 2.3.1936, gta Archiv, Nachlass Karl Moser.
84 Max Tüller, Karl Moser. ‘Der Vater der modernen Architektur in der Schweiz’, in: Der Sonntag. Illustrierte
Sonntags-Beilage zum «Landschäftler», 22.3.1936, S. 45f., hier S. 45.
85 Steiger 1936 (wie Anm. 83).
86 Georg Schmidt, Professor Karl Moser †, in: National-Zeitung (Basel), 2.3.1936.
87 H[ermann] Kienzle, Karl Moser, 1860–1936, in: Das Werk 23 (1936), H. 4, S. 97–100, hier S. 98.
88 Steiger 1936 (wie Anm. 83).
89 S[igfried] Gi[e]dion, Karl Moser 1860–1936, in: NZZ, 4.3.1936; Bruno Zevi, Storia dell’architettura moderna,
4. Aufl. Turin 1961 (1950), S. 114; vgl. Stanislaus von Moos, Karl Moser und die moderne Architektur, in: Katharina
Medici-Mall (Hg.), Fünf Punkte in der Architekturgeschichte. Festschrift für Adolf Max Vogt, Basel/Boston/Stuttgart
1985 (= gta 28), S. 248–275, hier S. 249, Anm. 3, sowie Stanislaus von Moos’ Beitrag in diesem Band.
90 Steiger 1936 (wie Anm. 83).
91 H. N., Karl Moser, in: NZZ, 12.8.1930: «[…] Mosers Bereitschaft, jede, wenn auch noch so kräftig vertretene
Ueberzeugung preiszugeben, wenn ihm eine bessere aufging»; Giedion 1936 (wie Anm. 89): «Fehlen jeder persönlichen Eitelkeit»; Kienzle 1937 (wie Anm. 45), S. 22: «[…] seine Weite und Aufgeschlossenheit, seine Einfachheit
und Teilnahmefähigkeit, mit einem Wort: seine Menschlichkeit.»
92 Karl Moser, Diskussionsbeitrag zur Besprechung des Schweizerischen Werkbunds «über gegenwärtige Organisation und Entwicklungsmöglichkeiten» der Architekturabteilung, 14.3.1928 (Protokoll), gta Archiv, Nachlass Karl
Moser, Mappe «Antritt und Rücktritt von Karl Moser».
93 Zu Sempers diesbezüglicher Praxis vgl. Maurer 2003 (wie Anm. 40), S. 310; zur gleichen Handhabung von
Sempers Lehrer Franz Christian Gau: Pisani 2003 (wie Anm. 40), S. 102.
94 Siehe Band 2, WK 97.
95 gta Archiv, Nachlass Max Ernst Haefeli.
96 Siehe Band 2, WK 103. Meyer 1925 (wie Anm.73), S. 111. Als ein alternatives Diplomthema liess Moser den
Bahnhof Genf-Cornavin bearbeiten; Ronner 1971 (wie Anm. 1), S. 37.
97 Privatbesitz Renée Hürlimann-Haefeli, Herrliberg. Ich danke Renée Hürlimann herzlich für ihre grosszügige
Unterstützung. Mosers Auseinandersetzung mit expressionistischer Architektur untersucht Hubertus Adam in einem Aufsatz, der im Dezember 2010 erscheint: Die Schweiz und der architektonische Expressionismus. Karl Moser
nach 1918, in: archithese 40 (2010), H. 6.
98 Karl Moser, Gutachten zu den Arbeiten verschiedener Maler, 6./7.10.1914, gta Archiv, Mappe «Unterlagen für
das Neujahrsblatt der ZKG»; Ernst Ludwig Kirchner, Brief an Karl Moser, 7.2.1915, gta Archiv, 33-K.
99 Alfred Hässig, Moderne Strömungen in unserer Baukunst, in: Das Werk 10 (1923), H. 7, S. 184, Vorbemerkung
der Redaktion; Hannes [recte Hans] Schmidt, Schweizer Architektur der Jahre 1890–1918, in: Ronner 1971 (wie
Anm. 1), S. 8–11, Zitat S. 10; vgl. auch Bruno Maurer, «Das Werk» der Jahre 1914 bis 1942. Im Spannungsfeld
seiner Träger SWB und BSA, seiner Inserenten und Rezipienten, in: archithese 24 (1994), H. 5, S. 17–29, bes. S. 21.
100 Hässig 1923 (wie Anm. 99).
101 Otto Zollinger, Moderne Strömungen in unserer Baukunst III. Replik auf den ersten Beitrag zur Diskussion, in:
Das Werk 10 (1923), H. 9, S. 235f.; Paul Camenisch, Moderne Strömungen in unserer Baukunst IV, in: Das Werk
10 (1923), H. 10, S. 261f.
102 Fred [Frédéric] Gilliard, Les tendances actuelles en architecture, in: Das Werk 10 (1923), H. 11, S. 287; Max
Müller, Moderne Strömungen in unserer Baukunst II, in: Das Werk 10 (1923), H. 8, S. 209f.
103 Alfred Hässig, Moderne Strömungen in unserer Baukunst VI, in: Das Werk 11 (1924), H. 1, S. 26f., hier S. 27.
104 Mart Stam, Holland und die Baukunst unserer Zeit, in: SBZ 82 (1923), Nr. 15, S. 185–188, Nr. 18, S. 225f.,
227–229 (Abb.), Nr. 19, S. 240 (Abb.), 241–243, Nr. 21, S. 268–272, Zitat: Vorbemerkung der Redaktion, S. 185.
105 Moser 1922 (wie Anm. 22); Werner Oechslin, HMS und der Schweizer Weg zur modernen Architektur – praxisnah, pragmatisch und konkret, in: Sonja Hildebrand, Bruno Maurer und Werner Oechslin (Hg.), Haefeli Moser
Steiger. Die Architekten der Schweizer Moderne, Zürich 2007, S. 16–51, hier S. 19–22. Vgl. auch die Beiträge von
Werner Oechslin und Stanislaus von Moos in diesem Band.
106 Zu Stams Aufenthalt in der Schweiz vgl. Werner Oechslin (Hg.), Mart Stam. Eine Reise in die Schweiz 1923–
1925, Zürich 1991. Zu Mosers Holland-Reisen vgl. auch den Beitrag von Hubertus Adam in diesem Band.
107 Hässig 1924 (wie Anm. 103), S. 27.
108 Armin Meili, Wir und die Architektur des Auslands, in: SBZ 83 (1924), Nr. 1, S. 5–7, Zitate S. 5f.
109 Hässig 1924 (wie Anm. 103), S. 27.
110 Moser 1922 (wie Anm. 22), S. 205.
111 Dazu ausführlich Ernst Strebel, «… wohingegen 273 mir die Erfüllung des Problems zu versprechen scheint».
Le Corbusier, das Wettbewerbsprojekt für den Völkerbundspalast – und der Schweizer Preisrichter Karl Moser, in:
Werner Oechslin (Hg.), Le Corbusier & Pierre Jeanneret. Das Wettbewerbsprojekt für den Völkerbundspalast in
Genf 1927, Zürich 1988, S. 95–115.
112 Le Corbusier, Karl Moser, in: NZZ, 8.3.1936.
113 Hildebrand/Maurer/Oechslin 2007 (wie Anm. 105), S. 204f. (Monika Isler, J. Christoph Bürkle).
114 H[ans] Jenny, Professor Dr. Karl Moser zum Gedächtnis, [1936], gta Archiv, Nachlass Karl Moser, Mappe
«Unterlagen für das Neujahrsblatt der ZKG».
115 Hans Schmidt, Erinnerungen an Karl Moser, [1936], ebd.
116 Moser an Schmidt, 30.11.1927 (wie Anm. 54), sowie gta Archiv, Nachlass Karl Moser, Mappe« Antritt und
Rücktritt». Dagegen haben sich in Mosers Papieren und in den Schulratsprotokollen bislang keine Belege für den
von Le Corbusier selbst kolportierten Wunsch Mosers gefunden, er solle diesem auf dem Lehrstuhl nachfolgen;
Le Corbusier 1936 (wie Anm. 112).
117 Schulratsprotokolle 1928, Sitzung Nr. 2, 14./15.5.1928, ETH-Bibliothek, Archive, SR2. Zu den Auseinandersetzungen um die Nachfolge Moser vgl. Sonja Hildebrand, «… keine andere ihm gleichkommende Anlage …». Die
Bauten der ETH und die moderne Architektur, in: Werner Oechslin (Hg.), Hochschulstadt Zürich. Bauten für die ETH
1855–2005, Zürich 2005, S. 80–105, hier S. 91–93.
118 Steiger 1936 (wie Anm. 83).
119 Jenny 1936 (wie Anm. 114).
120 Karl Moser, Tagebucheintrag, 1914, gta Archiv, KM -1914 - TGB -11.
121 Karl Moser, Tagebucheintrag, 1916, gta Archiv, KM -1916 -TGB - 2.
122 Karl Moser, Kurzer Bericht über die Entwicklung der Abteilung I, E.T.H., Entwurf, 10.2.1928, gta Archiv, Nachlass Karl Moser, Mappe «Unterlagen für das Neujahrsblatt der ZKG».
123 Werner Oechslin und Anja Buschow Oechslin, Der Bezirk Einsiedeln, Bd. 2: Dorf und Viertel, Bern 2003 (= Die
Kunstdenkmäler der Schweiz 101/Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz 3), S. 59–61; siehe auch den Beitrag
Werner Oechslins in diesem Band.
124 Moser, Ueber die Erziehung (wie Anm. 78).
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