Irrealis in Gottes Wort: Erkennen und
deuten!
Einführung
Mit dieser Darstellung geht der Wunsch einher, dass Leser der Bibel ein wenig mehr Sicherheit
haben, wie sie irreale Aussagen erkennen und deuten und verstehen können. Am Ende der Lektion
sollte der Leser in der Lage sein, äquivalente Aussagen daraus zu formulieren, d.h. die Aussagen in
anderen Worten, aber dennoch inhaltsgleich umzuformulieren und so sich klar zu machen, dass sie
einen sicheren Umgang damit haben und damit irreale Aussagen leichter verstanden werden
können.
Definition
In den Sprachen versteht man unter dem Begriff Irrealis, dass der Sprecher oder Schreiber die
Aussage als nicht tatsächlich gegeben oder wirklich darstellen will: Etwas war oder ist nicht
tatsächlich so, sondern ist anders abgelaufen. Mit der Ko ju ktio „ e
ka
a deutlich
machen, was im Falle einer Realisierung der irrealen Handlung, geschehen wäre. Das kann sich auf
die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft beziehen, wie Beispiele zeigen (zur
Verei fa hu g e e ir de Irrealis der Verga ge heit „IdV , de der Gege art „IdG u d de
der )uku ft „Id) . Hauptsätze kürze ir it „H“ u d Ne e sätze it „N“ a :
Bildung im Deutschen mit Beispielen
Bevor wir auf die Verwendung im Neuen Testament blicken, das in Griechisch geschrieben ist, ist es
angebracht, erst die Bildung und den Gebrauch des Irrealis im Deutschen vor Augen zu haben.
Der Form nach wird die Funktion mit dem Konjunktiv gebildet.
Wir listen in der folgenden Spalte den Irrealis dem Tempus nach geordnet: Vergangenheit (IdV),
Gegenwart (IdG) und Zukunft (IdZ). Da im Deutschen ein Bildungsunterschied bei Verben vorhanden
ist, liste ir zur Vollstä digkeit ei Ver , dass das Hilfs er „ha e u d ei es, dass das Hilfs er
„sein zur Bildung verwendet, damit eine umfassende Übersicht möglich ist. Das Plus- oder
Minuszeichen gibt die Möglichkeit an, d.h. ob eine Realisierung möglich ist (+) oder nicht (-), dies
bezieht sich aber nur auf die deutsche Sprache, im Griechischen und im Neuen Testament, ist die
Möglichkeit der Verwirklichung etwas anders realisiert.
IdV
Ich hätte gerufen (-), ich
würde gerufen haben (-)
Ich wäre gekommen (-), ich
würde gekommen sein (-)
Irrealis in Gottes Wort
IdG
Ich riefe (+), ich würde
rufen (+)
Ich käme (+), ich
würde kommen (+)
IdZ
Ich riefe (morgen) (+), ich
würde (morgen) rufen (+)
Ich käme (morgen) (+), ich
würde (morgen) kommen
(+)+, ich wäre (morgen)
gekommen (-)
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Wie anhand der Tabelle zu sehen ist, werden bestimmte Formen nicht mehr alle heute gebraucht
und einige sind bereits kaum mehr zu hören und zu lesen z.B: „ich würde gekommen sein . Dies ist
eine Verarmung der Sprache. Der Irrealis der Zukunft ist eher eine Erweiterung der Gegenwart und
aus dem Kontext heraus zu erschließen.
Die Alte Elberfelder Übersetzung zeigt einige heute leider unüblich gewordene Beispiele für den IdV
it de Hilfs er „ ürde , statt de heute ur o h ge räu hli he „ äre : Joh . 9 „“ie si d o
uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, so würden
sie wohl bei uns geblieben sein; aber auf dass sie offenbar würden, dass sie alle i ht o u s si d .
Andere neuere Ü ersetzu ge ha e hier ereits die ge öh li here For
it „ äre sie ei u s
ge lie e ge ählt. Au h e die spra hli he Verk appu g zu edauer ist, so ist do h die
Funktion gleich: beides Mal wird ein Sachverhalt dargestellt, der so nicht abgelaufen ist.
Der Irrealis in Gottes Wort und ihre Deutung
Übersicht der Vorkommen
Irreale Aussagen, also Annahmen bzw. Hypothesen, wenn etwas anders (gewesen) wäre, als es war
oder ist, dann findet man das in einfachen Hauptsätzen, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Beispiele einzelne Vorkommen eines
Irrealis im HS und NS
HS
NS
IdV
Hiob 10.18 Ich hätte
verscheiden, und kein
Auge hätte mich sehen
sollen!
IdG
Hiob 23:6 Würde er in
der Größe seiner Kraft
mit mir streiten? Nein;
er würde nur acht auf
mich haben.
Sach 10:6 Und ich
werde das Haus Juda
stärken und das Haus
Joseph retten und
werde sie wohnen
lassen; denn ich habe
mich ihrer erbarmt,
und sie werden sein,
als ob ich sie nicht
verstoßen hätte. (vgl.
Gal 4.15)
Joh 9:22 Dies sagten
seine Eltern, weil sie
die Juden fürchteten;
denn die Juden waren
schon
übereingekommen,
dass, wenn jemand ihn
als Christus bekennen
würde, er aus der
Synagoge
ausgeschlossen
werden sollte.
An dieser Stelle eignet sich bereits ein Versuch, die Aussagen inhaltsgleich, d.h. äquivalent, zu
formulieren, oder zumindest zu paraphrasieren (d.h. in eigenen Worten zum Ausdruck zu bringen).
Am Beispiel in Hiob 10.8 kann dies beispielsweise so vorgeschlagen werden, indem man erkennt,
dass der Schreiber einen Wunsch hat, der sich auf die Vergangenheit bezieht, der aber nicht realisiert
Irrealis in Gottes Wort
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werden konnte. Da der Sprecher am Leben ist, ist sein Wunsch, dass er hätte sterben sollen und
niemand ihn sehen sollte, nicht in Erfüllung gegangen. Der Wunsch des Sprechers ist also in keiner
Weise mehr erfüllbar. Dies ist ein zentrales Kennzeichen des IdV, da die Zeit nicht rückgängig
gemacht werden kann.
Als zweites Beispiel könnte man sich Joh 9.22 deutlich machen. Dort findet man einen IdG
„ eke e ürde , indem da die Möglichkeit vorhanden ist, dass jemand Christus bekennen
könnte oder nicht. Im positiven Falle des Bekennens, ist die unabdingbare Folge der Ausschluss aus
der Synagoge. Im Deutschen sehen wir aufgrund des Kontextes, dass die Aussage sein oder nicht sein
könnte, also dass ein Bekenntnis sein oder nicht sein könnte. Im Griechischen ist die Möglichkeit der
Realisierung durch ἂ i
egati e Fall a gezeigt, ei ei er ögli he Erfüllu g ie hier u terbleibt
die Besetzung des Hauptsatzes mit dieser Partikel.
Im Vergleich zwischen IdV und dem IdG zeigt sich damit, dass die Erfüllbarkeit im ersten Fall nicht, im
zweiten Fall möglich ist.
Die irrealen Aussagen können aber auch miteinander verknüpft werden und man findet alle
Möglichkeiten realisiert, wie folgende Beispiele zeigen. Sowohl im Haupt- als auch im Nebensatz
(unabhängig davon, welcher Satztyp als Erster genannt wird) kann man alle Kombinationen finden.
Die Stellung von HS und NS ist oft so, dass der Konditionalsatz (NS) vor der damit bedingten Aussage
des HS platziert wird, daher wird im Schema erst der NS, dann der HS genannt, auch wenn diese
Abfolge auch variabel ist d.h. bei den Beispielen steht erst der NS, dann der HS, wie es typisch ist,
ohne aber, dass dies ohne Ausnahmen so sein müsste.
Beispiele für die Verteilungen von IdV und IdG auf
Haupt- und Nebensätze
NS
IdV
HS
IdV
IdG
IdG
IdG
IdV
IdV
IdG
Joh . 9 „Vo u s gi ge sie aus, a er sie are i ht o u s,
denn, wenn sie von uns gewesen wären, wären sie bei uns
geblieben. Aber (sie gingen), damit sie offenbar würden, dass sie
i ht alle o u s si d .
Mat 24.22 Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde
kein Fleisch errettet werden; aber um der Auserwählten willen
werden jene Tage verkürzt werden.
Joh 14.2 Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen, wenn es
aber nicht (so) wäre, hätte ich euch gesagt: Ich gehe, um euch
eine Stätte zu bereiten?
2Sam 18.13 Hätte ich aber trüglich gegen sein Leben gehandelt
und es bleibt ja keine Sache vor dem König verborgen, so würdest
du selbst wider mich auftreten.
In 1Joh 2.19 macht es im Griechischen die Partikel ἂ u d der Ko te t deutli h, dass die Bedi gu g
im Nebensatz, also dass die Weggegangenen Christen sind, nicht erfüllt war, d.h. sie waren nie erlöst,
daher gingen sie wieder weg.
Wenn in Mat 24.22 im Deutschen nur der erste Satz da stünde, wüsste man nur, dass die
grundsätzliche Möglichkeit besteht, dass die Tage verkürzt werden könnten, ob das Realität werden
Irrealis in Gottes Wort
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würde, ist allein damit nicht zu beantworten. Jedoch gibt der Herr Jesus selbst die Antwort: Die Tage
können verkürzt werden, damit Menschen gerettet werden und wegen der Rettung der
Auserwählten wird die Zeit der schweren Gerichte verringert, damit nicht alle Menschen ausgerottet
werden. Dass der NS irreal, also nicht verwirklicht werden würde, zeigt auch die Partikel ἂ i
Hauptsatz.
Bemerkenswert ist auch die Vergegenwärtigung der Aussage in Joh 14.2. An der äquivalenten
Aussage, d.h., wenn man den Irrealis auflöst, erkennt man, dass der Herr deswegen gesagt hat, dass
er eine Stätte bereitet, da es im Haus des Vaters viele Wohnungen gibt. Wenn dies nicht Realität
wäre, so hätte es der Herr Jesus nicht gesagt, nun hat er es aber und somit ist es absolute sicher.
Wenn der Herr Jesus etwas sagt, ist es so und nicht anders und was er gesagt hat, ist
vertrauenswürdig. Die Partikel ἂ i H“ zeigt deutli h, dass der N“ i ht real ist u d es die
Wohnungen im Hause des Vaters tatsächlich gibt.
Von dem Herrn Jesus lernen: Irrealis erkennen und auflösen
Bibelleser haben den Vorteil, dass sie ein wunderbares Beispiel vom Herrn Jesus selbst bekommen,
der eine irreale Aussage sozusagen so transformiert, dass sie äquivalent und gut zu verstehen ist. Die
Fertigkeit dazu wäre einem Bibelleser für alle Vorkommen der Irrealis-Formen in Gottes Wort zu
ü s he . Daher sehe ir u s das Beispiel ge auer a : Joh . 9 We ihr o der Welt wäret,
würde die Welt das Ihre lieb haben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der
Welt auser ählt ha e, daru hasst eu h die Welt .
Aus dem bisher Gesagten können wir bereits im Deutschen erkennen, dass im konditionalen
Ne e satz, der it „ e
egi t u d de Hauptsatz ora gestellt ist, ei IdG Ver e du g fi det
der IdV üsste laute : „We ihr o der Welt ge ese äret ). Im Gegensatz zum Griechischen ist
es im Deutschen offen, ob die Bedingung im NS beim IdG gegeben ist oder nicht. Ein einfacher
Beispielsatz kann das deutlich machen: Ein Mann ist auf dem Nachhauseweg und sagt seinem
Beifahrer: „We
ei e Frau heute da äre, ürde i h i h freue . We er dahei a geko
e
ist, sieht er, ob sein Wunsch realisiert ist oder nicht. Genauso könnte, da es im Satz in Joh 15.19 um
einen IdG handelt, die grundsätzliche Möglichkeit bestehen, dass die Jünger von der Welt sind. Wie
wissen sie, ob dies zutrifft oder nicht? Der Herr sagt es: Dann liebt die Welt die Jünger. Nun löst der
Herr den Irrealis selbst auf, indem er deutlich sagt, dass die Welt die Jünger hasst und das ist der
Hinweis, dass sie nicht von dieser Welt sind. Dass der NS irreal ist, also nicht zutrifft, zeigt der Herr
auch mit der Verwendung von ἂ i H“. Nach dieser Methode des Herrn Jesus würde man alle
anderen Vorkommen des Irrealis auflösen können.
Irrealis im griechischen Text erkennen
Das Register, das zum Erkennen eines Irrealis und der näheren Bestimmung nötig ist, lautet: Modus
(Indikativ) und Tempus (z.B. Imperfekt) des Verbs und weitere Hinweise in Form von Konjunktionen
und die Partikel ἂ . Fehlt die Partikel ἂ , so ist es offe , ob die Bedingung im NS vorhanden und
gegeben ist oder nicht. Wird sie gesetzt, ist die Aussage im NS nicht wirklich, d.h. irreal. Somit muss
man als Leser, da der HS i.d.R. nach dem NS folgt, abwarten, ob im HS ἂ steht, um dann
rückblickend zu erkennen, dass die Aussage im NS irreal ist.
Modus und Tempus: IdG
Anhand eines Beispiels aus Gottes Wort, werden uns wichtige Hinweise gegeben, wie die Bildung
formal stattfindet, um die Funktion des Irrealis, also den Wunsch eine nicht-reale Aussage zu treffen,
Irrealis in Gottes Wort
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zum Ausdruck zu bringen:
Μ σῇ, ἐ ισ ύ
ἂ ἐ οί·
ὶ ὰ ἐ οῦ ἐ ῖ ος ἔ α
.
Joh 5.46 Εἰ ὰ ἐ ισ ύ
„De wenn ihr Mose glauben würdet, würdet ihr mir glauben, de ü er i h s hrie je er .
Im Deutschen ist erkennbar, dass es sich um einen IdG im NS und HS handelt, aber nicht, ob die
Angesprochenen glauben oder nicht. Der Verbmodus ist anders als im Deutschen, im Griechischen ist
dieser nicht im Konjunktiv, sondern ein normaler Indikativ, daher gi t die Ko ju ktio ἰ „ e
den Hinweis, dass hier i ht „de ihr ha t Mose geglau t , d.h. eine sonst dem Indikativ Imperfekt
entsprechende Aussage über die Wirklichkeit gedacht ist, sondern, dass Johannes hier eine irreale
Aussage trifft. Dass die Angesprochenen nicht an Mose glauben, ist im Griechischen an der Partikel
ἂ i Hauptsatz erke
ar, so st äre die Mögli hkeit offe . Das Tempus ist auf das Imperfekt
gesetzt (daher ein IdG beabsichtigt) und die Übersetzung der Wahl wäre mit dem Deutschen
Ko ju kti II „ ürde sehr geeignet. Im Hauptsatz ist das Tempus ebenfalls Imperfekt ἐ ισ ύ
(der Aorist würde in beiden Fällen ja ἐ ισ ύσα laute . Bei I perfekt (und Aorist) zeigt die
Partikel ἄ de Irrealis im Hauptsatz an, ist aber im Deutschen oft nicht eigens zu übersetzen. In
anderen Kontexten dur haus, z.B. it „ ohl , e ei e Aussage oduliert, et a a ges h ä ht
wird. In diesem Satz wird es aufgrund der Fortsetzung deutlich, dass der Herr von der Gegenwart
spricht: Joh 5. 7 „We
ἰ ihr a er sei e “ hrifte i ht glau t ισ ύ , Präsens), wie werdet
ihr ei e Worte glau e ? Dies ist kei Irrealis, so der ei e Gege e heit, sodass die
Ko ju ktio ἰ au h als „da , „ a hde aufzufasse ist, da das Ne e satzprädikat i Präse s
gesetzt ist (statt eines Imperfekts für den IdG). Dann fehlt die Partikel ἂ i H“, so it liegt kei
Irrealis vor.
Führen wir uns ein weiteres typischen Beispiel vor Augen: Joh 18.36 Ἀ
ίθ Ἰ σοῦς, Ἡ βασι ία ἡ
έ αι ἂ
ἐ ὴ οὐ ἔσ ι ἐ οῦ όσ ο ού ο · ἰ ἐ οῦ όσ ο ού ο ἦ ἡ βασι ία ἡ ἐ ή, οἱ ὑ
οἱ ἐ οὶ ἠ
ί ο ο, ἵ α ὴ α α οθῶ οῖς Ἰο αίοις· ῦ ὲ ἡ βασι ία ἡ ἐ ὴ οὐ ἔσ ι ἐ ῦθ .
„Jesus a t ortete: Mei Rei h ist i ht o dieser Welt. We
ei Rei h o dieser Welt wäre,
würden meine Gehilfen kämpfen, damit ich nicht den Juden überliefert würde, nun ist aber mein
Rei h i ht o hier . Das Muster ist ei deutig IdG ἰ, 2x Imperfekt mit ἂ im HS), auch wenn
manche Übersetzungen dem leider a ders Re h u g trage , de der Herr egi t i Präse s „es
ist i ht , dieses ü erträgt er i ei e irreale Aussage „ e es das äre, ürde gekä pft erde
(Paraphrase). Da der Herr den Jüngern den Kampf mit Schwert untersagt hat und dieser zur Zeit der
Aussage nicht stattfindet, sondern der Herr überliefert wird, zeigt dies deutlich, dass sein Reich nicht
von dieser Welt ist, er wird es erst später in Besitz nehmen, wenn die Zeit der Gnade vorbei ist und
der Herr mit seiner Braut, der Versammlung, regieren wird. Der Irrealis ἠ
ί ο ο "sie ürde
kämpfen") sollte nicht als vergangen verstanden werden, da das eigens zu begründen und eine
Ausnahme wäre (da ein Aorist erforderlich wäre, um "hätten gekämpft" zu begründen). Die
Überlieferung an die Juden wird erst in Joh 19.15f beschrieben, sie würde also von den Jüngern nicht
durch einen gegenwärtigen Kampf (Gegenwart) verhindert werden. Es geht um Sachverhalte der
Gegenwart und nicht um vergangenes Unterlassen der Jünger, gekämpft zu haben. Würde es sich um
ein IdV handelt (sie hätten gekämpft, haben es aber nicht), wäre die Aussage falsch, da Petrus
gekämpft hat, aber zurechtgewiesen wurde, ab da haben die Jünger nicht mehr gekämpft.
Der IdG wird auch bei Paulus in 1Kor 11.31 so gebildet: Εἰ ὰ ἑα οὺς ι ί ο , οὐ ἂ
ἐ ι ό θα. „De , wenn wir uns selbst beurteilen würden, würden wir nicht verurteilt . Die
Irrealis in Gottes Wort
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Kombination der Konjunktion mit dem Imperfekt im Bedingungssatz, gefolgt vom Imperfekt mit der
Partikel ἄ zeigt u s das t pis he Muster ei es IdG im HS und NS. Es ist klar, dass diese Möglichkeit,
obwohl sie ja besteht, wenn sie genutzt wird, bei den Korinthern nicht realisiert wurde, sodass es
dort Kranke und Tote gab.
Dieses Muster findet sich auch in Heb 11.15f und sollte als historisches Präsens ebenfalls nicht als IdV
sondern als IdG versprachlicht werden, zumal auch ὀ έ ο αι „sie tra hte das Te pusregister
der Gegenwart deutlich macht, auch wenn hier in manchen Übersetzungen Irritationen
aufgekommen sind, wenn dort ein IdV versprachlicht wurde.
Auf den Punkt gebracht und mögliche Ausnahmen dabei nicht berücksichtigt kann man sagen, dass
der IdG mit dem Indikativ Imperfekt gebildet wird. Regelmäßig findet man im Hauptsatz die Partikel
ἂ , die die Aussage im NS als nicht gegeben vorstellt und eine unterordnende Konjunktion
(Subjunktion) ie ἰ „ e
. Wie gezeigt, kö e IdGs au h einzeln auftreten und sind nicht an
Satzperioden aus HS und NS gebunden.
Modus und Tempus: IdV
Anhand eines typischen Beispiels können wir die Kennzeichen ermitteln, die das Tempus und Modus
hat, wenn der Autor einen IdV ausdrücken will:
Mat 24.43 „Jenes aber erkennet: Wenn ἰ) der Hausherr gewusst hätte ἰ ᾔ ι, das
Plusquamperfekt dieses speziellen Wortes entspricht dem Aorist, da das Perfekt präsentisch
verstanden wird), in welcher Wache der Dieb komme, so hätte er gewacht und nicht erlaubt
(ἐ
ό σ ἂ αὶ οὐ ἂ ἴασ , d.h. z ei I dikati Aorist For e
it je eils der Partikel ἂ ,
dass sein Haus durchgraben würde . Wie im IdG zeigt die Partikel ἂ , dass der “a h erhalt i N“
nicht Realität ist, hier also, der Hausherr von nichts wusste. Wenn ein Hausherr von einem solchen
Vorhaben weiß, wird er ja Gegenmaßnahen treffen.
Auf den Punkt gebracht, kann man sagen, dass der IdV mit dem Indikativ Aorist gebildet wird, wie
dieses typische Beispiel zeigt. Aus bestimmten Gründen (wohl Bedeutung für die Gegenwart) kann
jedoch auch das Plusquamperfekt dafür gebraucht werden (vgl. Mat 12.7; 1Joh 1.12; und bei dem
spezielle Wort ἰ ῶ „ isse , bei dem das Perfekt die Gegenwart abbildet).
Ambiguität (Doppeldeutigkeit) von εἰμί im Imperfekt
Da ἰ ί „i h i
ur ei I perfekt ildet u d kei e Aorist, ka dieses spezielle Wort so ohl für
den IdG als auch für den IdV gebraucht werden. Welche Wahl zu treffen ist, entscheidet, wie immer,
der Zusammenhang.
Dies wird an einem Beispiel deutlich. Mat 23.30 zeigt folgendes Muster: αὶ έ
, Εἰ ἦ
ἐ αῖς
ἡ έ αις ῶ α έ
ἡ ῶ , οὐ ἂ ἦ
οι
οὶ αὐ ῶ ἐ ῷ αἵ α ι ῶ
οφ ῶ . „Wäre ir
in den Tagen unserer Väter (gewesen?), so würden wir nicht ihre Teilhaber an dem Blute der
Prophete ge ese ? sei .
Der Unterschied der Deutung ist, dass einmal (IdG) die Gegenwart betont wird, d.h. wenn sich das
Damalige heute wiederholen würde, wären die Sprecher nicht dabei (paraphrasiert). Oder: Wenn sie
damals gelebt hätten, hätten sie nicht dabei mitgemacht (paraphrasiert). D.h. wären die Sprecher
Irrealis in Gottes Wort
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heute in der gleichen Situation (IdG) oder hätten sie damals gelebt (IdV), dann „würden (IdG) oder
„hätten (IdV) sie sich (aus ihrer Sicht) nicht schuldig gemacht. Die erste Deutung, falls nichts anderes
dagege spri ht ist, ἰ ί im Imperfekt als IdG zu deuten, wie in Luk 7.39 : Ἰ ὼ ὲ ὁ Φα ισαῖος ὁ
α έσας αὐ ὸ ἶ
ἐ ἑα ῷ έ
, Οὗ ος, ἰ ἦ
οφή ς, ἐ ί σ
ἂ ίς αὶ ο α ὴ ἡ
ὴ
ἥ ις ἅ
αι αὐ οῦ, ὅ ι ἁ α
ός ἐσ ι . „Als es a er der Pharisäer sah, der ihn geladen hatte,
sprach er bei sich selbst, indem er sagte: Dieser, wenn er ein Prophet wäre, würde erkennen, wer
u d as für ei Wei es ist, die ih a rührt; de sie ist ei e “ü deri .
Im nächsten Beispiel wird es dem Zusammenhang nach deutlich, dass das Imperfekt o ἰ ί sich
i ht auf die Gege art „ ärst du hier eziehe ka , da das Ges hehe ereits or ei ist, sodass
das ἦς i ht als IdG „du wärst , sondern als vergangen aufgefasst wird „du ärst ge ese : ἰ ἦς
ὧ , οὐ ἂ ἀ έθα έ ο ὁ ἀ φός. „Herr, e du hier gewesen wärst, so wäre mein Bruder
nicht gestorben . Anhand des Aorists ἀ έθα έ „er äre gestor e und der Partikel ἂ ist hier der
IdV klar ersichtlich, sodass auch ἦς i “i e ei es Aorists zu erstehe ist, o ohl es for al als
Imperfekt zu bestimmen ist.
We ei “ hrei er si herstelle ill, dass er oh e jede ) eifel de IdV für ἰ ί angeben will, greift
er zu einem Ersatzwort, das einen Aorist bilden ka , orzugs eise das se a tis h äh li he ί ο αι
„ erde , „sei . Vgl. hierzu “prü he . „ α ᾽ ὀ ί ο ἐ ό
ἐ α ὶ α ῷ ἐ έσῳ
ἐ
σίας αὶ σ α
ῆς . „ ei ahe wäre ich in allem Übel gewesen inmitten der Gemeinde und
der Versa
lu g gl. Hiob 10.19 etc.). Das Verb ἐ ό
„i h äre ge ese leistet hier Ersatz
für das i ht orha de e Te pus, da ἰ ί keinen Aorist bilden kann.
Modus und Tempus in HS und NS
Die Regel, dass die Funktion eines IdV formal als Indikativ Aorist, die eines IdG als Indikativ Imperfekt
realisiert wird, trifft auch zu, wenn HS und NS aufeinander treffen. Alle möglichen Kombinationen
sind in Gottes Wort zu finden, wie folgende Übersicht zeigt. Wie man sieht ist beim Irrealis (egal ob in
der Vergangenheit oder der Gegenwart) die Bedingung nicht erfüllt, sodass man für die
Transformation in eine reale Aussage, diese in den Gegensatz überführen, d.h. negieren, muss. Wenn
die Aussage im Irrealis bereits negiert ist, ist diese bei der Umformulierung aufzuheben.
Tempus und Modus von IdV und IdG bei Haupt- und
Nebensätzen
NS
HS
Bibelstelle
IdV
IdV
Mat 11.23 Und du, Kapernaum,
die du bis zum Himmel erhöht
worden bist, bis zum Hades
wirst du hinabgestoßen
werden; denn wenn ἰ) in
Sodom die Wunderwerke
geschehen wären (ἐ έ ο ο,
Indikativ Imperfekt), die in dir
geschehen sind, es wäre
Irrealis in Gottes Wort
Äquivalente Paraphrase im
Realis
In Sodom sind die
Wunderwerke, die in
Kapernaum geschehen sind,
nicht geschehen, daher ist es
nicht bis heute geblieben
(Anm.: die Bewohner hätten
sonst Buße getan und die Stadt
wäre erhalten geblieben, daher
sind die Bewohner von
Seite 7
IdG
IdG
IdG
IdV
IdV
IdG
geblieben (ἔ ι α Indikativ
Aorist mit der Partikel ἂ is
auf den heutigen Tag. (vgl. auch
Mat 11.21; Joh 11.32; 15.22,24;
Röm 9.29 etc.)
Gal 1.10 Denn suche ich jetzt
Menschen zufrieden zu stellen,
oder Gott? Oder suche ich
Menschen zu gefallen? Wenn
ἰ) ich noch Menschen gefallen
würde (ἤ σ ο , I dikati
Imperfekt), so wäre (ἂ ἤ
,
d.h. Partikel mit Indikativ
Imperfekt) ich Christi Knecht
nicht.
Joh 18.30 Sie antworteten und
sprachen zu ihm: Wenn ἰ)
dieser nicht ein Übeltäter wäre
(ἦ , I dikati I perfekt , hätten
wir ihn dir nicht überliefert (ἄ ,
α ώ α , I dikati Aorist .
Gal 3.21 Ist denn das Gesetz
wider die Verheißungen
Gottes? Das sei ferne! Denn
wenn ἰ) ein Gesetz gegeben
worden wäre (ἐ όθ , I dikati
Aorist), das lebendig zu machen
vermöchte, dann wäre (ἂ ἦ ,
Indikativ Imperfekt) wirklich die
Gerechtigkeit aus Gesetz.
Kapernaum noch ungläubiger
als die Sodoms).
Paulus sucht nicht mehr
Menschen zu gefallen, da er
Christi Knecht ist.
Nach Meinung der Ankläger ist
Jesus ein Übeltäter, daher
haben sie ihn überliefert.
Es wurde kein Gesetz gegeben,
das lebendig machen konnte.
Daher ist die Gerechtigkeit
nicht aus Gesetz.
Beim Umformen sind die Tempora einzuhalten und die irrealen Aussagen in reale Aussage zu
transformieren und, wie beschrieben, die Negationen zu beachten.
Zusammenfassung
In der vorliegenden Übersicht wurde ausgehend vom Deutschen versucht, irreale Aussagen im Neuen
Testament zu erkennen und zu deuten. Es empfiehlt sich beim Lesen auf die Partikel ἂ i
Hauptsätzen zu achten, dann den Modus (Indikativ?) und das Tempus (Imperfekt oder Aorist?) zu
esti
e u d auf ei e Ko ju ktio ie ἰ „ e
zu a hte . We α i H“ gesetzt ist, ist es
eine Irrealis und das Gegenteil der Aussage wahr oder real. Wenn α i ht gesetzt ist, da ka die
Aussage wahr und real sein oder nicht. Dann empfiehlt sich zu sehen, ob in HS und NS jeweils ein
Unterschied im Tempus vorliegt oder nicht. Damit müsste man eine sichere Methode haben, diese
Arten von Aussagen zu erkennen und zu deuten. Es würde sich lohnen auch eine Umformung zu
leisten, damit die Aussage damit klar und verständlich wird.
15.8.2018
Peter Streitenberger
Irrealis in Gottes Wort
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