Academia.eduAcademia.edu

2017: Das »Lehnswesen« im Geschichtsschulbuch.

Bramann, Ch. (2017): Das »Lehnswesen« im Geschichtsschulbuch. Bildungsadministrative und fachwissenschaftliche Einflussfaktoren auf die Darstellungen zum Lehnswesen in hessischen Geschichtsschulbüchern für Gymnasien zwischen 1945 und 2014 (Eckert.Beiträge 2017/2).

How do education policy guidelines manifest themselves in school history textbooks and to what extent is the influence of academic discourse discernible? This study explores such questions through a diachronic longitudinal examination of the how the medieval feudal system is depicted in Hessian school history textbooks published between 1945 and 2015. https://repository.gei.de/handle/11428/271 Auf welche Weise offenbart sich der Einfluss bildungsadministrativer Vorgaben und fachwissenschaftlicher Diskurse im Geschichtsschulbuch? Die vorliegende Studie geht dieser Frage anhand einer diachronen Längsschnittuntersuchung zum mittelalterlichen „Lehnswesen“ in hessischen Geschichtsschulbüchern zwischen 1945 und 2015 auf den Grund. https://repository.gei.de/handle/11428/271

Eckert.. Beiträge e 2017/2 Chrisstoph Brram ann Da as „Lehn nswesen n“ im Geschich G htsschu ulbuch ― Bildun ngsadm ministrattive und d fachw wissenscchaftlic che E Einfluss sfaktore en auf d die Dars stellung gen zum m Lehns swesen in n hessisc chen Ge eschich htsschullbücherrn für das d Gymna asium zzwische en 1945 und 20 014 Diese Publikatio on wurde verö öffentlicht unte er der creativee-commons-Liz zenz: amensnennun ng-Keine Bearrbeitung 4.0 Unported U (CC B BY-ND 4.0); Na htttp://creativeco ommons.org/liicenses/by-nd/4.0/ Eckert. Beiträge Georg Eckert Institute for International Textbook Research ISSN 2191-0790 Volume 2017/2 Redaktion Tim Hartung und Victoria Schnitker Zitierhinsweis: Bramann, Christoph. Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch ― Bildungsadministrative und fach‐ wissenschaftliche Einflussfaktoren auf die Darstellungen zum Lehnswesen in hessischen Geschichts‐ schulbüchern für das Gymnasium zwischen 1945 und 2014. Eckert. Beiträge urn:nbn:de: ‐ ‐ . / . Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangspunkt und Ziel der Untersuchung .............................................................. 5 2 Korpusbildung und Vorgehensweise ..........................................................................8 3 Das Lehnswesen in Fachwissenschaft und Lehrplan .............................................. 18 3.1 Das Modell des Lehnswesens in der Mediävistik ................................................. 18 3.1.1 Das Lehnswesen der älteren Forschung ........................................................ 20 3.1.2 Neue Forschungsansätze zum Lehnswesen .................................................. 24 3.2 Das Lehnswesen als Thema in hessischen Lehrplänen ........................................ 33 3.2.1 Die hessischen Lehrpläne der frühen Nachkriegszeit ...................................34 3.2.2 Die Bildungspläne von 1956/1957 ................................................................ 35 3.2.3 Die hessischen Rahmenrichtlinien von 1972/1973 ....................................... 38 3.2.4 Die Rahmenrichtlinien von 1982 .................................................................. 44 3.2.5 Der Rahmenplan Geschichte von 1995 ......................................................... 47 3.2.6 Die Lehrpläne seit den 2000er Jahren ........................................................... 48 3.2.7 Zusammenfassung der Lehrplananalysen ..................................................... 49 4 Das Lehnswesen im Geschichtsschulbuch ................................................................ 51 4.1 Untersuchungszeitraum I (1950er – 1970er Jahre) ............................................... 55 4.1.1 Konzeptionelle Gestaltung ............................................................................ 59 4.1.2 Strukturelle Einbindung ................................................................................ 63 4.1.3 Inhaltliche Darstellung .................................................................................. 64 4.1.4 Verlags- und Reihenspezifika ....................................................................... 66 4.2 Untersuchungszeitraum II (1970er – 1980er Jahre) ............................................. 67 4.2.1 Konzeptionelle Gestaltung ............................................................................ 68 4.2.2 Strukturelle Einbindung ................................................................................ 75 4.2.3 Inhaltliche Darstellung .................................................................................. 75 4.2.4 Verlags- und Reihenspezifika ....................................................................... 77 4.3 Untersuchungszeitraum III (1980er – 2010er Jahre) ............................................ 79 4.3.1 Konzeptionelle Gestaltung ............................................................................ 81 4.3.2 Strukturelle Einbindung ................................................................................ 85 4.3.3 Inhaltliche Darstellung .................................................................................. 86 4.3.4 Verlags- und Reihenspezifika ....................................................................... 90 4.4 Ergebnisse der Schulbuchanalyse ......................................................................... 91 4.4.1 Schulbuchdarstellungen zum Lehnswesen im Spiegel der Lehrpläne ..........91 4.4.2 Das mediävistische Forschungsbild in den Schulbuchdarstellungen zum Lehnswesen ..................................................................................................96 5 Einfluss ist nicht gleich Einfluss – Das Schulbuch zwischen Politik, Wissenschaft und Verlag ................................................................................................................. 99 Anhang.......................................................................................................................... 104 I Tabellen- und Abbildungen .................................................................................... 104 II Dokumente und Internetquellen ............................................................................ 104 a Amtsblätter ........................................................................................................ 104 b Schulbuchkataloge ............................................................................................104 c Lehrpläne ........................................................................................................... 104 d Internetquellen .................................................................................................. 106 III Schulbücher ......................................................................................................... 106 IV Literatur ............................................................................................................... 109 5 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 1 Ausgangspunkt und Ziel der Untersuchung Bei der Beschäftigung mit mittelalterlichen Herrschaftsstrukturen im lateinisch geprägten Europa begegnet Schülerinnen und Schülern bereits während der Schulzeit mit dem Lehnswesen ein System, das den Eindruck einer klar strukturierten Verfassungs- und Sozialordnung nahelegt. Vor allem in seiner etablierten Darstellungsform als Pyramide erscheint das Lehnswesen in den Schulbüchern als mittelalterliches Pendant anderer in den Büchern gezeigten Schemata neuzeitlicher, aber auch antiker Rechts- und Sozial1 ordnungen. In diesen Lehnspyramiden wird die semantische Nähe zwischen den Begriffen „Lehnswesen“ und „Feudalismus“ (feudum = Lehen), verstanden als gesamtgesellschaftliches soziales Ordnungsprinzip, besonders deutlich. Obwohl in der mediävistischen Forschung das Lehnswesen differenzierter als „die Gesamtheit der rechtlichen Bestimmungen für das Verhältnis zwischen Lehnsherr und 2 Vasall“ – international als „feudo-vasallitische Institutionen“ bezeichnet – sowie deren 3 „Auswirkungen auf die staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen“ definiert wird, zeigt sich auch hier die Vorstellung, das Lehnswesen habe als „lebensordnendes Sys4 tem“ erheblichen Einfluss auf die verschiedensten Gesellschaftsbereiche gehabt. Aktuelle Schulbücher sprechen nach weiterer didaktischer Komprimierung sogar vom Lehnswesen als „wichtigste […] Ordnung des Staates“, die „das ganze Mittelalter hin5 durch“ bestanden habe. Die Rolle, die dem Lehnswesen bei der schulischen Vermittlung des Mittelalters zukommt, kann also kaum überschätzt werden. 6 Begreift man das Schulbuch als „Politicum, Informatorium und Paedagocicum“, befindet es sich diesen Anforderungen entsprechend im Spannungsfeld zwischen Politik, 1 Vgl. dazu in Ansätzen Boockmann (1992), v.a. S. 370f., der den Gedanken allerdings nur auf Schemata neuzeitlicher Strukturen bezieht. 2 Der deutsche Begriff Lehnswesen bezeichnet dabei gewöhnlich die systematischen Verbindungen zwischen Vasallität und Lehen im technischen Sinn und wird nicht synonym zu Feudalismus als Bezeichnung für eine Wirtschafts- und/oder Sozialordnung gebraucht. In vielen anderen Sprachen werden jedoch mangels einer Entsprechung des deutschen Wortes Lehnswesen beide Phänomene mit feudalism, féodalité, feudalesimo beschrieben. Eine engere Eingrenzung auf das Lehnswesen erfolgt über Umschreibungen wie „feudo-vassallic Institutions“ im Englischen. Zu dieser Problematik vgl. bereits Ganshof (19836), S. XIII-XVI; aber auch Spieß (2002), S. 17 oder Patzold (2012), S. 13. 3 Spieß (2002), S. 16. Auf die Frage, inwiefern Begriffe wie Staat oder Staatlichkeit überhaupt zur Beschreibung mittelalterlicher Verhältnisse verwendet werden sollten, kann hier nicht näher eingegangen werden. Für das Frühmittelalter sei hier exemplarisch verwiesen auf Fried (2005). Einen ausführlicheren Überblick über die Forschungsdebatte bietet Pohl (2009. 4 So die Bezeichnung bei Clauss (2007), S. 37. 5 Anno (1995), S. 12. 6 Vgl. die Entwicklung dieser Definition bei Stein (1977). urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 6 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 7 Geschichtswissenschaft und Pädagogik. Sein Entstehungsprozess unterliegt damit vor allem dem Einfluss von Politik, Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Um auch die Einflüsse anderer gesellschaftlicher und politischer Faktoren zu berücksichtigen, die Schulbuchinhalte gleichzeitig „bilden“ und aufgrund ihrer weiten Verbreitung und Rezeption 8 auch „ab-bilden“, wurde die seit den 1970er vielen Forschungen als Definition zugrun9 deliegende Trias mittlerweile um die Definition des Schulbuchs als „Konstruktorium“ 10 ergänzt. Als ein wichtiger Einflussfaktor gilt in diesem Zusammenhang das Interesse der Verlage sich individuell und in Abgrenzung zur Konkurrenz auf dem Markt zu posi11 tionieren und dabei wirtschaftlich zu arbeiten. 12 Als „populärste administrative Lenkungsinstrumente des Staates“ wird den Lehrplänen als Träger bildungsministerieller Vorgaben – und damit als deutlichster Ausdruck des „Politikums“ – der größte Einfluss hinsichtlich der Gestaltung und inhaltli13 chen Ausrichtung von Schulbüchern zugeschrieben. Bei der Erstellung neuer Schulbücher werden die Lehrpläne daher sowohl hinsichtlich ihrer Konzepte von Unterricht und Lernzielen berücksichtigt, als auch als Grundlage für die inhaltliche und strukturelle 14 Ausgestaltung der einzelnen Themeneinheiten und Schulbuchkapitel herangezogen. In 15 ihrer Eigenschaft als „vollwertige Lehrmittel“ müssen Schulbücher dabei auch fachlichen Detailanalysen standhalten, die Inhalte unabhängig von ihrem Entstehungsprozess 16 beleuchten. Schulbuchautor/innen sind also dazu angehalten, neben den Vorgaben aus dem Kultusministerium auch möglichst den „neuesten und gesicherten Forschungs17 stand“ der Fachwissenschaften abzubilden. 7 Vgl. u. a. Becher (20074), S. 45. Über die Eigenschaften von Schulbüchern als Konstruktionen und Konstrukteure gesellschaftlichen Wissens, vgl. Lässig (2010), S. 203. 9 Von den unzähligen Autor/innen, die sich auf diese Definition beziehen, seien unter den aktuellen exemplarisch genannt Menck (2014), S. 334; Schönemann/Thünemann (2010), S. 178; Biener (2014), S. 63; Wiater (2005), S. 43 sowie Höhne (2002). 10 Zum Schulbuch als „Konstruktorium“, vgl. Höhne (2002), S. 18. 11 Vgl. stellvertretend für viele andere Hessenauer (20112), die in ihrem Aufsatz die verschiedenen Einflussfaktoren auch grafisch festhält, ebd., S. 269. 12 Wiater (2005), S. 41. 13 Vgl. exemplarisch Wiater (2005), S. 41f. u. 50f.; Clauss/Seidenfuß (2007a), S. 13–15; Clauss (2007), S. 19f.; vgl. auch die Ergebnisse bei Bühler (2011), S. 45–54; etwas zurückhaltender auch Biener (2014), S. 68. 14 Vgl. Wiater (2005), S. 51. 15 Clauss (2007), S. 20. 16 Zu diesem Anspruch an Schulbücher vgl. Clauss/Seidenfuß (2007a), S. 15. 17 Clauss (2007), S. 19, insb. die Ausführungen in Anm. 2. 8 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 7 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Doch in welcher Form zeigen sich diese Einflüsse aus Kultusministerium und Mediävistik auf der Schulbuchebene? Wie verhalten sich die Schulbücher hinsichtlich Lehrplanänderungen und fachwissenschaftlichen Neuerungen? Und lassen sich dabei auch Veränderungen oder Kontinuitäten feststellen, die nicht mit dem Einfluss aus Wissenschaft und Ministerium zu erklären sind? Anhand einer historisch-themenspezifischen Untersuchung des Themas Lehnswesen in verschiedenen Geschichtsschulbüchern zwischen 1945 und 2014 soll die vorliegende Arbeit diesen Fragen nachgehen. Die Entscheidung für das Thema unterlag dabei mehreren Gesichtspunkten. In erster Linie wurde von seiner zentralen Rolle für die Beschreibung und Deutung mittelalterlicher Herrschaft und Gesellschaft, auf die für eine Längsschnittuntersuchung nötige Konstanz des Themas in den Schulbüchern geschlossen. Vor allem Veränderungen im Lehrplan können damit in den Büchern nachverfolgt, aber auch andere Einflüsse, wie die verlagsinterne Weiterverwendung von Inhalten, besser identifiziert werden. Zum anderen wird das etablierte Forschungsbild vom Lehnswesen mit seiner zentralen Bedeutung für das Mittelalter, und sogar der wissenschaftliche Nutzen dieses Forschungsmodell für die Beschreibung historischer Herrschafts- und Gesellschaftsformen bis zum 12. Jahrhundert – also weit über die Hälfte des Mittelalters in seinen allgemein üblichen Zeitgrenzen – seit Mitte der 1990er Jahre 18 grundlegend in Frage gestellt. Die vorliegende Arbeit verortet sich damit innerhalb klassischer Themenfelder der historischen Schulbuchforschung, die unter anderem nach dem „Wandel von Schul19 buchaufbau“ und „geschichtswissenschaftlichen Interpretationen“ fragt. Spezifischer handelt es sich um eine historisch-themenspezifische Schulbuchanalyse mit fachwissen20 schaftlichem Ansatz, die die konzeptionelle und inhaltliche Gestaltung der Lehnswesendarstellungen in Schulgeschichtsbüchern seit 1945 hinsichtlich des Einflusses bildungsadministrativer und fachwissenschaftlicher Vorgaben untersucht und dabei aber auch verlagsspezifische Einflussfaktoren berücksichtigt. 18 Hier sei v.a. Steffen Patzold genannt, der mit „Das Lehnswesen“ (2012) das aktuellste deutschsprachige Überblickswerk zum Lehnswesen verfasst hat und sich darin klar auf Seiten der LehnswesenSkeptiker positioniert. Weitere Publikationen, in der Tragweite und Bedeutung des Lehnswesens – zumindest bis ins 12./13. Jhdt. – bezweifeln werden, sind u. a. Kasten (2009); Dendorfer/Deutinger (2010); Salten (2014) sowie die Überblicksdarstellungen von Jussen (2014); Ubl (2014) und Costambeys/Innes/MacLean (2011). 19 Becher (20074), S. 63. 20 Fachdidaktische Aspekte der Darstellungen werden dabei nur insofern berücksichtigt, wenn sie vor dem Hintergrund der in Kap. 4 formulierten Fragestellungen relevant sind. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 8 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 2 Korpusbildung und Vorgehensweise Eine historische Längsschnittuntersuchung wie die vorliegende erfordert noch vor Beginn der eigentlichen Analyse Überlegungen hinsichtlich des Quellen- und Datenmaterials und des methodischen Vorgehens, um eine weitgehende Reliabilität und Validität der Forschungsergebnisse erreichen zu können. Besonders Schulbuchanalysen wird in diesem Zusammenhang bereits seit Beginn dieses Forschungsfeldes in den 1960erJahren eine häufig mangelnde Einhaltung wissenschaftlicher Standards vorgeworfen, 21 insbesondere in Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit der einzelnen Arbeitsschritte. In den folgenden beiden Abschnitten werden daher sowohl die Schritte zur Bildung eines validen und repräsentativen Untersuchungskorpus, als auch das weitere dieser Arbeit zugrundeliegende Vorgehen beschrieben. Dafür ist an dieser Stelle bereits festzuhalten, dass es sich bei den dieser Untersuchung zugrundeliegenden Schulbüchern ausschließlich um die sogenannten Schülerbände handelt. Sonstige für den Unterrichtsgebrauch vorgesehene Medien, wie Schülerarbeitshefte, Folien, Arbeitsblätter oder elektronische Unterrichtsmaterialien, finden in 22 der Analyse keine Berücksichtigung. Die Schwierigkeit der Erstellung eines validen Untersuchungskorpus ist innerhalb 23 der Schulbuchforschung allgemein bekannt. Erst kürzlich wurde dazu bemerkt, dass sich „solange Kultusministerien auf einer Passung Schulbuch – Lehrplan bestehen, […] die Frage einer sinnvollen Einschränkung der Grundgesamtheit [stellt], um nicht Zulas24 sungen für 16 Bundesländer dokumentieren zu müssen“ . Obwohl im Titel dieser Arbeit von einer Untersuchung des Lehnswesens im „deutschen“ Schulbuch die Rede ist, musste daher auch hier eine Eingrenzung getroffen werden. Die Entscheidung für das Bundesland Hessen beinhaltet dabei keinerlei qualitative Wertung, sondern erfolgte aus 21 Zu dieser Kritik vgl. u. a. die Ausführungen bei Schinkel (2014), S. 485-487 und Menck (2014), S. 333-335. Bezüglich des Alters der Kritik rekurrieren beide auf Aufsätze aus einem Sammelband der 1970er Jahre: Schallenberger, Ernst Horst (Hrsg.): Zur Methodenproblematik wissenschaftlicher Schulbucharbeit, Kastellaun 1976. 22 Dies gilt auch für den Untersuchungszeitraum der 1970er Jahre, in denen die Lehrpläne nicht mehr vorrangig auf das klassische Geschichtsbuch, sondern auf die Entwicklung und Verwendung „neuer Arbeitsmaterialien“ setzen, vgl. LE-HE-1972, S. 42. Siehe auch die Ausführungen in Kap. 3.2.3 dieser Arbeit. 23 Vgl. den einschlägigen Aufsatz von Hansjörg Biener (2014); ähnlich auch Schinkel (2014), S. 485. 24 Biener (2014), S. 65. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 9 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch untersuchungspraktischen Gründen. 25 Gestützt wird diese Form der Einschränkung dadurch, dass die Beschränkung auf ein Bundesland erst kürzlich als „die klarste und für andere Analysen anschlussfähigste Bestimmung“ eines Untersuchungskorpus herausge26 stellt wurde. Als nächstes stellt sich das Problem der Reliabilität. Da über Auflagenhöhe und 27 Verbreitung von Schulbüchern kaum etwas bekannt ist, müssen bei der Auswahl der zu untersuchenden Schulbücher andere Auswahlkriterien zum Tragen kommen, um eine Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Die Schlussfolgerung, hierfür könne „nur vom allgemeinen Renommee der Verlage“ 28 ausgegangen werden, erscheint dabei ohne einschlägige Studien empirisch nicht besonders belastbar. Ausgehend von der in der Hessischen Verfassung von 1946 (Art. 59) verankerten Lernmittelfreiheit, die be29 sagt, dass alle Lernmittel an öffentlichen Schulen unentgeltlich sind, und daher vor ihrer Einführung durch die Schulen explizit vom Land für den Unterricht zugelassen werden müssen, wurde direkt der Weg über diese Zulassungslisten gewählt. In Hessen wurden die genehmigten Bücher seit 1948 teilweise einzeln in den Amts30 blättern des Hessischen Kultusministeriums veröffentlicht. Während sich bis 1951 in den Amtsblättern noch Bücherlisten unter der Überschrift „Veröffentlichungen von Schulbüchern“ – ab 1950 „Schulbuchkataloge“ – finden, erscheinen diese ab 1951 mit dem Zusatz „Durchführung der Lernmittelfreiheit an Volks- Mittel- und Höheren Schulen“. 1952 bis 2010 erschienen die Kataloge jährlich als Sondernummer des Amtsblat31 tes, wobei sich ihre Bezeichnung mehrfach änderte. Für Forschungszwecke unterhält das Hessische Kultusministerium eine Bibliothek, in welcher der Großteil der Schul25 U. a. die geografische Nähe zum Hessischen Kultusministerium, in dessen Forschungsbibliothek sowohl die früheren Hessischen Lehrpläne als auch beinahe alle Schulbuchlisten eingesehen werden konnten. 26 Vgl. Biener (2014), S. 65; Zitat ebd. 27 Vgl. Schinkel (2014), S. 489; Biener (2014), S. 65. 28 Schinkel (2014), S. 489. 29 „In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich. Unentgeltlich sind auch die Lernmittel mit Ausnahme der an den Hochschulen gebrauchten.“ Quelle: Hessische Verfassung, Art. 49, online auf https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_rv.html#docid:170031,61,19461201 [letzter Zugriff: 26.09.2017]; 30 1948–1949: „Amtsblatt des Hessischen Ministeriums für Kultus und Unterricht“; 1950–1963: „Amtsblatt des Hessischen Ministers für Erziehung und Volksbildung“. 31 ABl-KM-HE 1952–1956/57: „Durchführung der Lernmittelfreiheit an allgemeinbildenden Schulen“; ABl-KM-HE 1958–1989: „Der Vollzug der Lernmittelfreiheit im Schuljahr […] an allgemeinbildenden Schulen“; ABl-KM-HE 1990–2010: „Lernmittelfreiheit im Schuljahr […] an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen“. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 10 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 32 buchkataloge die Bestandskürzungen der letzten Jahrzehnte überstand. Seit dem Jahr 2011 erscheinen die Listen ohne Anbindung ans Amtsblatt online auf den Seiten des Hessischen Kultusministeriums unter der Bezeichung „Schulbücherkatalog für allgemein bildende Schulen und Schulen für Erwachsene“, wobei immer nur die aktuellen 33 Jahrgänge abrufbar sind. Eine zukünftige Recherche anhand von Schulbuchlisten wird dadurch weiter erschwert und erhöht die Bedeutung von zentralen Institutionen, wie dem Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig, das 34 sich nicht nur der Sammlung von Schulbüchern, sondern auch der Dokumentation von 35 Lehrplänen und Zulassungslisten widmet. Für das vorliegende Korpus wurden die Kataloge der Jahre 1950, 1951, 1956, 1958, 1960–1969/70, 1972/73–1973/74 und 1976/77–2014/15 ausgewertet. Die Jahre ohne vorhandene Daten wurden dabei insofern berücksichtigt, als dass für diejenigen Schulbücher, für die eine Genehmigung vor und nach des fraglichen Zeitraums nachgewiesen 36 werden konnte, auch eine Erlaubnis während dieser Zeit angenommen wurde. Im ersten Schritt wurden Schulbücher für die gymnasiale Mittelstufe herausgefiltert. Dabei zeigte sich gleich zu Beginn, dass die Bücher anhand der Listen häufig nicht einer bestimmten Schulform zugeordnet werden können. So findet sich zur Schulbuchreihe Die Reise in die Vergangenheit aus dem Westermann Verlag, die 35 Jahre in den Schulbuchlisten vertreten ist, 37 erst ab 1988/89 die Zusatzinformation „H[aupt-] u. R[ealschulen]“, und das ohne erkennbare Neuauflage. Ein vergleichbarer Fall ist Der Mensch im Wandel der Zeit, das sich zwischen 1949 und 1968 in den Listen wiederfin32 Ältere Kataloge konnten hingegen nur noch lückenhaft den Amtsblättern der vorherigen Jahrgänge entnommen werden. Die Informationen zu den Bestandkürzungen sowie den Zugang zu den Katalogen verdanke ich Frau Dipl.-Bibl.in Waltraud Janssen vom Hessischen Kultusministerium. 33 Einsehbar unter https://kultusministerium.hessen.de/schule/weiterethemen/Lernmittelfreiheit/schulbue cherkataloge [letzter Zugriff: 15.03.2015]. Die Bereitstellung der Kataloge von 2011-2014 verdanke ich Frau Sonja Gölden aus dem Hessischen Kultusministerium. 34 Auch ein großer Teil der hier untersuchten Schulbücher konnte während eines kurzen Forschungsaufenthaltes im Georg-Eckert-Institut in Braunschweig eingesehen und digitalisiert werden. 35 Vgl. auch Biener (2014), S. 71, der die Frage aufwirft, ob ohne diese Institutionen mittelfristig überhaupt noch ein Schulbuchmarkt überprüfbar rekonstruiert werden kann. 36 Insgesamt kommt es nur ein einziges Mal vor, dass eine Schulbuchreihe eine Lücke von einem Jahr innerhalb einer längeren Präsenzzeit in den Listen aufweist: das Werk Geschichte und Geschehen aus dem Verlagshaus Klett wird von 1989 bis 2015 durchgehend in den Katalogen geführt – außer im Jahr 1994 (ein Jahr bevor die neue Ausgabe A erscheint). Die Gründe hierfür werden wohl in verlagsinternen Abstimmungs- oder Terminproblemen bei der Einreichung zur Genehmigung zu suchen sein. 37 In anderen Bundesländern wird die Reihe sogar bis heute fortgeführt, vgl. die Informationen auf der Verlagshomepage von Westermann, http://www.westermann.de/reihe/Die-Reise-in-die-Vergangenheit-Ausgabe-2012-fuer-NordrheinWestfalen/REINVENW12 [letzter Zugriff: 30.04.2015]. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 11 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 38 det – auch hier erst ab 1958 mit dem Zusatz „für Volks- und Mittelschulen“ . Die beiden entsprechenden Bücher wurden daher nicht in das Korpus aufgenommen. Anders liegt der Fall bei Wege der Völker. Hier bezeugt ein Eintrag auf der Impressumsseite der offiziellen Nachfolgerreihe Spiegel der Zeiten, dass es sich um „eine Neubearbeitung 39 des Unterrichtswerkes ‚Wege der Völker‘ (Reihe D)“ handelt. Besagte Reihe D war 40 jedoch für Real- und Mittelschulen konzipiert worden. Zum anderen erscheint unter dem Titel von Band II „Geschichte des Altertums und des Mittelalters“ der Zusatz „für 41 das sechste Schuljahr“, was nicht mit dem gültigen Lehrplan für die Höheren Schulen des Landes Groß-Hessen im Einklang steht, der für die Behandlung des Mittelalters erst 42 die 8. Jahrgangsstufe vorsieht. Dass Wege der Völker – zumindest die Ausgaben A, B und C – trotzdem auch für den gymnasialen Unterricht zugelassen waren, zeigt ein Blick in die Schulbuchlisten. 1950 findet sich bei der Reihe der Vermerk, die Stoffeinteilung sei auf Grundlage der Berliner Lehrpläne erfolgt und die Bände könnten „solange benutzt werden, bis ein den hessischen Richtlinien für den Geschichtsunterricht […] 43 entsprechendes Buch vorliegt“ . Der Katalog von 1951 klärt dann nebenbei auch die Schulformfrage, indem es dort heißt die verschiedenen Ausgaben könnten „in allen 44 Schularten […] gebraucht […] werden“ . Als letztes Beispiel sei Menschen in ihrer Zeit aufgeführt. Die Reihe aus dem Klett Verlag ist 1966–1969 in einer 6-bändigen Version zugelassen und mit dem Zusatz „Geschichtsbuch für Realschulen“ versehen. In den Jahren 1970–1984 findet sich dann eine neue 4-bändige Version mit dem Zusatz „Geschichtswerk für 11–16jährige“. Es handelt sich damit um ein Werk, das allgemein für die Sekundarstufe I zugelassen ist – also auch in Gymnasien verwendet werden darf. 45 Nach Ausschluss derjenigen Reihen, die anhand der Schulbuchkataloge eindeutig einer anderen Schulform außer dem Gymnasium zugeordnet werden konnten, ergab sich so ein vorläufiges Korpus von 39 Schulbuchreihen, die in Hessen zwischen 1948 und 2015 zur Anschaffung durch Gymnasien zugelassen waren (Abb. 1 und Abb. 2). 38 SBK 1958/59, S. 11 Spiegel der Zeiten, Bd. III, 1958. 40 Siehe den entsprechenden Vermerk in SBK 1956, S 18. 41 Wege der Völker, Bd. II, 1948. 42 Vgl. LP-HE-1945, S. 27. 43 SBK 1950, S. 118. 44 SBK 1951, S. 59. 45 Vgl. diese Aussage stützend Becher (20074), S. 55. 39 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 Datengrundlage : ABl-KM-HE 1.1948–15.1962; SBK 1950, 1951, 1956, 1958, 1960–1969/70, 1972/73–1973/74, 1976/77–2014/15. Abb. 1: Sämtliche für die gymnasiale Mittelstufe zugelassenen Schulgeschichtsbuchreihen im Zeitstrahl Chrisstoph Brama ann urn:nnbn:de:0220-2017-0228 12 Das „Lehnswese „ en“ im Gescchichtsschu ulbuch Eckert. Workinng Papers 20 017/2 urn:nnbn:de:0220-2017-0228 Datengrundlage : ABl-KM-HE 1.1948–15.1962; SBK 1950, 1951, 1956, 1958, 1960–1969/70, 1972/73–1973/74, 1976/77–2014/15. Abb. 2: Sämtliche für die gymnasiale Mittelstufe zugelassenen Schulgeschichtsbuchreihen in Relation zur Zulassungszeit Chrisstoph Brama ann 13 Das „Lehnswese „ en“ im Gescchichtsschu ulbuch Eckert. Workinng Papers 20 017/2 14 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Doch wie verlässlich sind die Informationen in den Schulbuchlisten und lässt sich von der Zulassung eines Buches auch auf seine Verbreitung schließen? Erst kürzlich wurde unter anderem festgestellt, dass in den Schulbuchlisten Nordrhein-Westfalens 46 Bücher verzeichnet waren, die noch zwei Jahre später nicht zu kaufen waren. Bisher scheinen zudem keine empirischen Daten über die tatsächliche schulische Verbreitung 47 der in den Listen genannten Bücher in den Schulen zu existieren. Es wurde daher versucht, dieses Problem über quantitative Ergebnisse hinsichtlich der Listenjahre der Reihen zu lösen. Hierfür wurde eine Mindestanzahl von Listenjahren festgelegt, in deren Zeitraum mindestens eine Neuanschaffung stattgefunden haben sollte. Diese orientiert sich an Angaben des Verbandes Bildungsmedien e.V., der größten bundesdeutschen Lobby-Organisation für Bildungs- und Schulbuchverlage, die auf ihren Internetseiten „für Schulbücher eine Verleihdauer von fünf bis sechs Jahren“ 48 angibt. Um das hinter diesen Zahlen zu erwartende unternehmerische Umsatzinteresse der Verlage angemessen zu berücksichtigen, wurde die Frist auf zehn Listenjahre fast verdoppelt. Für die Zeit von 1949 bis 2015 ergeben sich daraus 18 relevante Schulbuchreihen, die bei zehn verschiedenen Verlagen erschienen sind (Abb. 2). Gleichzeitig wurde versucht zu erreichen, dass zumindest von einem Verlag über den gesamten Untersuchungszeitraum Reihen vertreten sind, um eventuell Aussagen darüber treffen zu können, inwiefern sich Verlage bei der Darstellung des Themas (im Querschnitt) an Werken der Konkurrenz orientieren oder ob sich im Längsschnitt die Wiederverwendung verlagseigener Schulbuchbausteine, erkennen lassen. Auf diese Weise wurden letztlich 9 Reihen für die Untersuchung ausgewählt, die sich anhand ihrer Präsenz in den Schulbuchkatalogen auf drei grobe Zeitabschnitte verteilen und dabei gleichzeitig die am längsten in den Schulbuchlisten vertretenen Schulbuchreihen darstellen (Abb. 3). Als Letztes musste in diesem Zusammenhang die Frage geklärt werden, welche der häufig parallel verfügbaren Auflagen und Ausgaben untersucht werden sollten. Dabei fiel auf, dass der Einteilung in verschiedene Ausgaben (A, B usw.) scheinbar kein einheitliches Schema – nicht einmal verlagsintern – zugrunde liegt, sodass diese sich so46 Vgl. Biener (2014), S. 71, der auch das Verschwinden weiterhin zugelassener Werke aus den Listen feststellt. 47 Schlussfolgernd aus Schinkel (2014), S. 489 und Biener (2014), S. 65. 48 http://www.bildungswelten.info/index.php/fragen-antworten [letzter Zugriff 16.03.2015], Abschnitt „Warum sind an Schulen manchmal alte Schulbücher in Benutzung?“. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 15 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch wohl auf unterschiedliche Darstellungsformen, wie Geschichten oder Erzähltext, auf verschiedene Schulformen, als auch – in neuerer Zeit – auf Ausgaben für spezifische 49 Bundesländer beziehen können. Außerdem zeigte sich, dass die zugelassenen Aufla50 gen erst seit dem Katalog 1993/94 explizit genannt werden. Falls nicht anderes angegeben, wurden in die Untersuchung daher die neuesten Auflagen einbezogen. Auf diese Weise wurden auch neue Herausgeber/innen und Autor/innen bei der Auswahl berücksichtigt. Insgesamt ergab sich so für die Analyse ein Gesamtkorpus bestehend aus neun Schulbuchreihen, innerhalb derer insgesamt 33 verschiedene Auflagen-„Versionen“ berücksichtigt wurden (Abb. 3). Die im Untersuchungskorpus festgelegten Schulbücher bilden als Primärquellen die Datenbasis für die Schulbuchanalyse. Entsprechend ihrer zeitlichen Zusammenstellung wird die Analyse in drei Untersuchungszeiträume unterteilt. Indem in jedem der Abschnitte wiederum drei parallele Schulbuchreihen untersucht werden, unterliegt die Untersuchung sowohl synchronen Analyseansätzen (Querschnitt), als auch diachronen Ansätzen (Längsschnitt) über den Gesamtzeitraum der Untersuchung. Dabei muss stets berücksichtigt werden, dass das Schulbuch textlich „zwischen dem Sachbuch und dem wissenschaftlichen Fachbuch“ 51 steht. Nach seiner Konzeption hin- gegen ist es als „didaktisches Medium in Buchform zur Planung, Initiierung, Unterstützung und Evaluation schulischer Informations- und Kommunikationsprozesse“ 52 zu betrachten. Bei der Bewertung der Lehnswesen-Darstellungen in den Schulbüchern ist 53 daher die „mediale Eigenlogik“ der Bücher zu beachten, die vor allem „Zwängen zur Komplexitätsreduktion“ 54 unterliegen. Zusätzlich zur bereits erwähnten Entstehung der Bücher „aus einer komplexen Diskursarena hinaus“ 55 sind daher die inhaltliche Reduktion aufgrund der umfänglichen Begrenzung sowie die didaktische Reduktion, aufgrund der Zielgruppenorientierung zu 49 Beispiel wäre die Reihe Wege der Völker: Ausgabe A und B sind Grundausgaben, Ausgabe C stellt unabhängige Geschichtenerzählungen dar, Ausgabe D ist nur für Real- und Mittelschulen; Beispiel finden sich auch in der Reihe Geschichtl. Unterrichtswerk f. d. Mittelklassen. 50 SBK 1993/94. 51 Wiater (2005), S. 43. 52 Ebd. 53 Ebd., 487. 54 Ebd., 487. 55 Schinkel (2014), S. 485f.; siehe auch Höhne (2002), S. 19. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 16 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 56 berücksichtigen. Dass dies nicht erst ein Problem neuerer Schulbücher darstellt, zeigt sich beim Blick in ein Buch aus dem Jahr 1948. Dort heißt es dazu, dass es das Ziel der Darstellung sei, „die Kontinuität des geschichtlichen Ablaufes einigermaßen zu wahren und doch so knapp wie möglich zu halten. […] Die Geschichte des frühen Mittelalter wurde daher möglichst gekürzt.“ 57 Die folgende Analyse basiert auf einem in Kapitel 4 ausdifferenzierten Fragenkatalog, der hermeneutisch aus den zuvor beschriebenen bildungsadministrativen und fachwissenschaflichen Vorgaben entwickelt und um verlagspezifische Aspekte ergänzt wird. Auf ein kategoriales Analyserasters, wie es häufig in inhaltsanalytischen Schulbuchana58 lysen Anwendung findet, wird dabei verzichtet, um eine möglichst große Variabilität bei der Beschreibung beobachteter Veränderungen und Einflüsse zu gewährleisten. Durch ein möglichst transparentes Vorgehen bei der Beschreibung und Analyse der aufgeführten Sachverhalte wird dabei versucht, die Nachteile einer deskriptivanalytischen Vorgehensweise so gering wie möglich zu halten und zu möglichst nachvollziehbaren Bewertungen der in den analysierten Gegenständen und Schulbüchern 59 enthaltenen Bezüge zum mittelalterlichen Lehnswesen zu gelangen. Konkret werden hierbei in Kapitel 3 das jeweilige mediävistische Forschungsbild sowie sämtliche dem Untersuchungszeitraum zugrundeliegende hessische Lehrpläne hinsichtlich relevanter Vorgaben zum Lehnswesen beschrieben und ausgewertet. Auf Basis dieser deskriptiven Analyse wird dann in Kapitel 4 deduktiv ein Fragenkatalog für die Analyse der Schulbücher entwickelt, der um weitere verlags- und reihenspezifische Fragen – deren Untersuchung hinsichtlich weiterer Einflussfaktoren auf die Konstruktion von Schulbuchinhalten ebenfalls als lohnenswert erachtet wird – ergänzt wird. 56 Vgl. ebd., S. 486. Auch Sauer (20087), S. 47–52; Claus/Seidenfuß (2007b), S. 353. Deutsche Geschichte im europäischen Zusammenhang, Bd. I, Westermann: Braunschweig 1948), S. 5. 58 Vgl. z. B. Stürmer (2014), S. 132f.; vgl. allgemein auch Schinkel (2014), S. 491-494. 59 Zu diesem methodischen Vorgehen sowie den damit verbundenen Nachteilen vgl. knapp Schinkel (2014), S. 491. 57 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 urn:nnbn:de:0220-2017-0228 Datengrundlage : ABl-KM-HE 1.1948–15.1962; SBK 1950, 1951, 1956, 1958, 1960–1969/70, 1972/73–1973/74, 1976/77–2014/15. Abb. 3: Das Untersuchungskorpus Chrisstoph Brama ann 17 Das „Lehnswese „ en“ im Gescchichtsschu ulbuch Eckert. Workinng Papers 20 017/2 18 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 3 Das Lehnswesen in Fachwissenschaft und Lehrplan Für die Entwicklung des Fragenkataloges in Kapitel 4 werden in den folgenden Abschnitten in einem ersten Schritt die Entwicklungen des Forschungskonstruktes „Lehnswesen“ aus Sicht der deutschsprachigen Mediävistik vorgestellt (Kap. 3.1). Dieser Zugriff geschieht vor allem auf Grundlage der als einschlägig geltenden Fach- und Handbuchliteratur zu dem Thema. Im Zusammenhang mit der Neubewertung der 1990er Jahre wird dabei zusätzlich auch auf neuere fachwissenschaftliche Ansätze eingegangen und damit ein Abriss des aktuellen Forschungsstands zum Lehnswesen gegeben. In einem zweiten Schritt werden dann die hessischen Lehrpläne hinsichtlich ihrer thematischen und strukturellen Gewichtung des Lehnswesens untersucht (Kap. 3.2). Dabei werden auch die den jeweiligen Untersuchungszeiträumen zugrunde liegenden Konzepte von Geschichtsunterricht berücksichtigt, insofern diese mit dem Gebrauch oder der Konzeption von Schulbüchern in Verbindung stehen, bevor auf der Grundlage dieser Ergebnisse konkrete Fragen an das Untersuchungsmaterial formuliert werden. 3.1 Das Modell des Lehnswesens in der Mediävistik Wie so vieles Mittelalterliche wurde auch das Modell des Lehnswesens von Historikern des 19. Jahrhunderts entwickelt, die dabei durchaus auch im Rahmen des noch vorhan60 denen Lehnrechts ihrer eigenen Zeit dachten. Obwohl das in dieser Zeit konstruierte Bild eines mittelalterlichen Lehnswesens stetig weiterbearbeitet und „an etlichen Stellen retuschiert“ wurde, hielt auch die Forschung des 20. Jahrhunderts bis in die 1990er Jah61 re grundsätzlich an diesem Modell fest. Erst die britische Historkierin Susan Reynolds 62 leitete mit ihrem „Generalangriff“ auf die etablierten feudo-vasallitischen Institutionen nicht nur eine Neubewertung des mittelalterlichen Quellenmaterials ein, sondern trug maßgeblich dazu bei, dass das Lehnswesenmodell zur Erklärung mittelalterlicher Ge- 60 Vgl. Patzold (2012), S. 7. Vgl. hierzu exemplarisch Dendorfer (2010), S. 15 und Patzold (2012), S. 7f. Eine dieser „Retouchierungen“, die bereits in den 1960er Jahren auf Basis der Forschungen von Werner Goez (1962) erfolgte, betraf die dezentralisierende und damit „zersetzende“ Wirkung des Lehnswesens auf die Entwicklung eines deutschen Einheitsstaates. 62 Reynolds, Susan: Fiefs and Vassals. The medieval evidence reinterpreted, Oxford 1994. Zur Bezeichnung ihrer Untersuchung als „Generalangriff“, vgl. Goetz (2003), S. 298 sowie Wittkamp (2012). Über die große Wirkung der Studie besteht jedoch ein weitgehender Konsens in der Mediävistik, was sich in weiteren Beschreibungen wie „Sprengsatz“ (Spieß (2002), S. 19) oder „radikale Kritik“ (Hechberger (20102), S. 71; Busch (2011), S. 61; Jussen (2014), S. 86) wiederspiegelt. 61 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 19 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch sellschaften mittlerweile sogar als „wenig hilfreich“ bishin „bedenklich“ 63 eingestuft wird. Obgleich sich die Entwicklung des Lehnswesens in einer Vielzahl von Forschungs64 arbeiten widerspiegelt, wurde in der folgenden Darstellung der Fokus vor allem auf solche Arbeiten gelegt, die noch bis heute von der mediävistischen Handbuchliteratur 65 als grundlegend angesehen werden. Die Darstellung der neueren Forschungsansätze erfolgt dabei in erster Linie auf Basis der von Reynolds eingebrachten Kritik und den darauf folgenden Reaktionen der deutschen Mediävistik, bevor auch hier auf die einschlägige Handbuchliteratur hinsichtlich der Rezeption der Debatte eingegangen wird. Die folgenden Ausführungen sind daher grundsätzich als knapper Forschungsüberblick konzipiert, auch wenn dabei nicht davon ausgegangen wird, dass sich Schulbuchautor/innen immer in den aktuellen mediävistischen Fachdiskurs einlesen können. Selbst wenn dies der Fall wäre, ist fragwürdig, ob die Implementierung von selbst noch in Handbüchern im Aushandlungsprozess befindlichen Theorien in einem genehmiguns66 pflichtigen und normativ wirksamen Medium wie dem Schulbuch ratsam wäre. 63 Patzold (2012), S. 121. Zu diesem Grundkorpus an Forschungsarbeiten, die in der wissenschaftlichen Literatur gleichzeitig den Forschungsstand bis 1990 repräsentiert gehören u. a. Waitz, Georg: Deutsche Verfassungsgeschichte, 8 Bde., Kiel 1844–1878; Mitteis, Heinrich: Lehnsrecht und Staatsgewalt. Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Köln u. a. 1933 (letzter Nachdr. 1974); Brunner, Otto: Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Baden bei Wien u. a. 1939 (5 Aufl. 1965; letzter Nachdr. 1990); Bloch, Marc: La Société féodale, 2 Bde., Paris 1939–1940 (letzte Neuaufl. 1998; dt. Titel: Die Feudalgesellschaft, Frankfurt u. a. 1982, letzte Aufl. 1999); Ganshof, François Louis: Qu'est-ce que la féodalité?, Brüssel 1944 (übers. u. a. ins Englische, Deutsche und Spanische, dt. Titel: Was ist das Lehnswesen?, 6. Aufl., Darmstadt 1983); Kienast, Walther: Die Fränkische Vasallität. Von den Hausmeiern bis zu Ludwig dem Kind und Karl dem Einfältigen, hrsg. v. Peter Herde, Frankfurt 1990. Aktuelle wissenschaftliche Zusammenfassungen der älteren Forschungsgeschichte zum Lehnswesen bieten Kasten (2009), S. 331–335; Spieß (2002), S. 17– 19; Dendorfer (2010), S. 11–23 und Salten (2014), S. 1–3. 65 Obwohl an dieser Stelle auch eine Darstellung der Kanonisierungsgeschichte des Lehnswesens (beispielsweise anhand verschiedener Lexika-Ausgaben) denkbar und sicherlich interessant wäre, orientieren sich die folgenden Ausführungen an den Manifestationen des Lehnswesens in denjenigen Arbeiten, die auch in der aktuellen Handbuchliteratur noch als grundlegende Werke zu dem Thema gekennzeichnet sind. Vgl. u. a. die Auflistung bei Hechberger (20102), S. 127, der dort unter dem Abschnitt „6. Lehnswesen“ fünf Werke auflistet: Ganshof (19836), Kienast (1990), Mitteis (1933), Reynolds (1994) sowie Spieß (2002). Während die ältere Forschungsmeinung hier durch die beiden Standardwerke zum Lehnswesen von Heinrich Mitteis (1933) und François Louis Ganshof (1961 bzw. 1944) sowie die postum erschienene Untersuchung von Walter Kienast (1990) vertreten ist, werden die jüngeren Ansätze in Form von Susan Reynolds (1994) „Generalangriff“ sowie in den Ausführungen von Karl-Heinz Spieß (2002) – der sich zwar auf das Hoch- und Spätmittelalter beschränkt, hier jedoch durchaus auf verschiedene Aspekte der jüngeren Kritik eingeht – repräsentiert. 66 Allerdings sei hier angemerkt, dass offensichtlich als kontrovers diskutierte Themen wie das Lehnswesen grundsätzlich auch implizit, z. B. über gezielte „Auslassungen“, bei der Herstellung von Schulbüchern berücksichtigt werden können. 64 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 20 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Die weitgehende Konzentration auf deutsche Handbuchliteratur geschieht dabei zusätzlich vor dem Hintergrund der Annahme, dass sich die Schulbuchmediävistik bei der inhaltlichen Ausrichtung der Lehrwerke vorwiegend an der nationalen Forschungskultur 67 orientiert. Da Stichproben einzelner Schulbücher zeigen, dass das Lehnswesen dort als ein das gesamte Mittelalter hindurch bestehendes Ordnungssystem dargestellt wird, werden im Folgenden neben den grundlegenden Konstruktionsprinzipien des Modells auch die wichtigen Entwicklungsphasen und Auswirkungen knapp dargestellt. 3.1.1 Das Lehnswesen der älteren Forschung „Wer sich schnell und verläßlich [zum Lehnswesen] informieren wollte, der konnte zu einer konzisen Überblicksdarstellung greifen: ‚Was ist das Lehnswesen?‘ 68 hieß das Büchlein aus der Feder des Belgiers François Louis Ganshof, mit dem Generationen 69 von Geschichtsstudenten weltweit ausgebildet wurden“, stellte kürzlich der Mediävist Steffen Patzold bezüglich der wichtigsten Darstellung zum Lehnswesen bis in die 70 1990er Jahre fest. Neben Ganshofs Klassiker von 1944 ist es das ungleich umfangreichere Werk des deutschen Rechtshistorikers Heinrich Mitteis von 1933, das einem auch 71 in der aktuellen Handbuchliteratur zum Lehnswesen immer wieder begegnet. Trotz 72 unterschiedlicher Ansätze waren es vor allem Mitteis und Ganshof, die das klassische Bild vom Lehnswesen prägten und seine Entwicklung in eine karolingische Anfangs- 67 Vgl. diese Annahme stützend die Ergebnisse von Clauss (2007), S. 25 sowie Clauss/Seidenfuß (2007b), S. 354; zum nationalen Charakter von Schülbüchern im Allgemeinen siehe Lässig (2010), S. 199, 205. 68 Ganshof, François Louis: Qu'est-ce que la féodalité?, Brüssel 1944, mit Übersetzungen ins Englische (1952), Portugiesische (1959), Deutsche (1961) und Spanische (1963), dt. Titel: Was ist das Lehnswesen?, 6. Aufl., Darmstadt 1983. 69 Patzold (2012), S. 7f. Vgl. ähnlich auch Dendorfer (2010), S. 17. 70 Die Gründe hierfür könnten nach Aussagen älterer Kollegen unter anderem im niedrigen Preis des Werkes und seiner Bekanntheit aufgrund der Veröffentlichung bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt (WBG) liegen. 71 Zum speziellen zeit- und wissenschaftshistorischen Kontext der beiden Werke vgl. auch die Ausführungen von Hans-Henning Kortüm (2010). Vgl. auch die knappe Zusammenfassung bei Dendorfer (2010), S. 25. 72 Mitteis interessierte sich vor allem für die Auswirkungen des Lehnswesens auf das Recht („Lehnsrecht“) und den Staat („Lehnsstaat“), wohingegen sich Ganshof auf die gesellschaftlichen und sozialen Aspekte des Lehnswesens konzentrierte. Die verschiedenen Ansätze bedingen vor allem eine Unterschiedliche Behandlung des spätmittelalterlichen Lehnswesens, das bei Ganshof nur angeschnitten wird, aus der rechthistorische Sichtweise Mitteis jedoch aufgrund seiner lange angenommenen negativen Auswirkungen auf den deutschen Einheitsstaat von Bedeutung ist. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 21 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch version des 8./9. Jahrhunderts und seine „klassischen“ Ausformungen des 10.–13. Jahr73 hundert unterteilen. Dieses Lehnswesen-Modell geht von einer obligatorischen Verbindung zweier, ursprünglich voneinander unabhängigen Institutionen aus, die bereits in der Merowingerzeit nachgewiesen werden können: der Vasallität als persönlichem Treuebund zwischen einem Herrn und seinem Vasallen (in den Quellen: vassus, vassallus), und der Verleihung von Land als Lehen (in den Quellen: beneficium, etwa ab dem 11. Jhdt. auch feu74 dum). Die Institution der Vasallität werde dabei durch eine rituelle Unterwerfungsgeste begründet (Kommendation), bei der der Vasall in der Regel seine gefalteten Hände in die Hände seines Herrn lege und ihm Treue schwor. Auch die Überreichung von Investitursymbolen sei möglich gewesen. Außerdem beinhalte das Bündnis wechselseitige Treueverpflichtungen: „Gehorsam und Dienst“ – vor allem Waffendienst, aber auch Hof- und Gerichtsdienste – auf Seiten des Vasallen und „Schutz und Unterhalt“ auf Sei75 ten des Herrn. Das ältere Modell des Lehnswesens ging nun davon aus, dass der Herr seiner „Unterhaltspflicht […] schon bald durch Verleihung eines Gutes, genannt 76 ‚Lehen‘“ nachgekommen sei, mit dem der Vasall in die Lage versetzt werden sollte, seine gelobten Pflichten zu erfüllen. Aus Sicht des Königs als obersten Herrn im mittelalterlichen „Staat“, erhielt der Vasall – mit den Worten der älteren deutschen Verfassungsgeschichte gesprochen – „die Verpflichtung zu staatlichen Leistungen gegen Ge77 währung von Staatskapital“ . Persönliches Element (Vasallität) und dingliches Element (Lehen) seien dabei ursprünglich auf die Lebenszeit der Vertragspartner begrenzt gewesen und mussten somit beim Tod einer Seite erneuert werden. Auf diese Weise großzügig belehnte Vasallen hätten dann ihrerseits Teile ihres Lehens an andere Freie vergeben, die dadurch ihre eigenen Vasallen wurden, sogenannte Unter- oder Aftervasallen des Königs. Geschehen sei dies „zweifellos sehr oft auf ausdrücklichen Wunsch ihres 73 Vgl. Dendorfer (2010), S. 24. Aufschlussreich sind auch die Kapiteleinteilungen bei Mitteis (1933): Erster Teil. Lehnrecht der fränkischen Zeit; Zweiter Teil. Lehnrecht der Nachfränkischen Zeit, sowie Ganshof (19836): II. Teil: Das karolingische Lehnswesen; III. Teil: Das klassische Lehnswesen. Vgl. auch Lexika-Einträge, wie dejenige von Karl-Heinz Spieß (1978) zum Lehnswesen. 74 Stellvertretend für die Zusammenfassungen sei hier verwiesen auf Patzold (2012), S. 9–11 und v.a. S. 14–25 sowie (verkürzt) Jussen (2014), S. 84–86. 75 Vgl. Ganshof (19836), S. XIV-XV. 76 Ebd., S. XV. 77 Mitteis (1933), S. 13; Zur Problematik des Begriffs und Kozeptes von Staatlichkeit, besonders im Frühmittelalter, vgl. Fried (2005) sowie Pohl (2009). urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 22 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Herrn, denn dieser sah es gern, wenn sie [seine Vasallen] ihm auf diese Weise mit einer 78 recht großen Schar von Reisigen dienen konnten“ . Die ältere Forschung sah in der Vasallität damit „das beste, ja einzige Mittel intensi79 ver Staatsgestaltung in fränkischer Zeit“. Bereits ab der Mitte des 8. Jahrhunderts sollen die fränkischen Könige das Lehnswesen auf diese Weise gezielt eingesetzt haben, um auch Grafen, Bischöfe und Äbte als sogenannte Kronvasallen stärker an sich zu bin80 den, sodass spätestens am Ende der Karolingerzeit „die wichtigsten Ämter […] in der 81 Form des Lehnrechts verliehen“ worden seien. Für Karl den Großen wurden auf diese Weise 1.000–3.000 Vasallen angenommen, die ihm wiederum mit bis zu 30.000 After82 vasallen hätten dienen können. Das karolingische Lehnswesen sei damit „auf breiter 83 Basis als Herrschaftsmittel“ eingesetzt worden und hätte „das Rückgrat von Gesell84 schaft, Wirtschaft, Militärwesen und Politik“ dargestellt. Bereits ab dem Ende des 9. Jahrhunderts hätten dann verschiedene Entwicklungen den Übergang vom karolingischen zum klassischen Lehnswesen des 10.–13. Jahrhun85 derts markiert. Als Ausgangspunkt aller Veränderungen wurde dabei die sich durch86 setzende Erblichkeit der Lehen angesehen. Hierfür galt das Kapitular von Quierzy 877 lange Zeit als Musterfall für die „erste präzise Formulierung des neuen Prinzips von 87 epochemachender Bedeutung“. Auch Ganshof interpretierte das Kapitular als Bestätigung Karls des Kahlen, dass Lehen „nach der herrschenden Gewohnheit“ erblich sei78 Ganshof (19836), S. 21. Gebhardt (19548), S. 607. 80 Vgl. Ganshof (19836), S. 53f.; Einziger Ausgangspunkt für diese Annahme stellte die Unterwerfung des bayrischen Fürsten Tassilo III. dar, der sich 757 Pippin, dem Vater Karls des Großen, als Vasall kommendiert und dafür das Herzogtum Bayern als Lehen erhalten haben soll. Diese Interpretation der Quellen gilt mittlerweile als widerlegt, wobei besonders die erniedrigende Unterwerfung Tassilos unter Karl den Großen 787 (ohne Vergabe eines Lehen), als Zeichen dafür gesehen wird, das sich die Großen der Zeit keineswegs freiwillig in Vasallität begaben, sondern, dass es sich dabei vielmehr um ein erniedrigendes Ritual handelte, vgl. hierzu u. a. Patzold (2012), S. 35–37, v.a. 36f.;Ubl (2014), S. 47; Becher (20146), S. 96. Zweifel an der älteren Interpretation lassen sich jedoch bereits bei Kienast (1990), S. 80–124, v.a. 81f., finden. 81 Mitteis (1933), S. 199. 82 Solche und ähnliche Zahlen finden sich unter anderem bei Kienast (1990), S. 208, der jedoch gleichzeitig in einer groß angelegten Quellenuntersuchung eindeutig nur 24 vassi dominici zweifelsfrei feststellen konnte, vgl. ebd., S. 172–185, v.a. S. 184. Vgl. auch Patzold (2012), S. 24f. 83 Spieß (2002), S. 19 (die ältere Forschung referierend). 84 Patzold (2012), S. 38f. (die ältere Forschung referierend). 85 Vgl. ebd., S. 39–43; Jussen (2014), S. 85f. (beide die ältere Forschung referierend). 86 Capitulare Cariacensie, in: MGH, Capitularia regum Francorum II, Nr. 281, Hannover 1897, S. 355– 361. 87 Mitteis (1933), S. 175. 79 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 23 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 88 en. Bis zum Hochmittelalter habe sich dann auch das Erbrecht im Lehnswesen fest 89 etabliert. Unter anderem bedingt durch diese sich durchsetzende Erblichkeit von Lehen entstand nach Meinung der älteren Forschung noch im Verlauf des 9. Jahrhundert die sogenannte Mehrfachvasallität, nach der ein Vasall Lehen verschiedener Herren besitzen konnte. Das gegenseitige Treueverhältnis zwischen Herr und Vasall sei dadurch erheb90 lich beeinträchtigt worden. Außerdem habe sich bis zum 12. Jahrhundert die sogenannten „Verdinglichung“ des Lehnswesens durchgesetzt, die dazu geführt haben soll, dass das Lehen nicht mehr als „Belohnung“ für die Vasallität verliehen wurde, sondern in die Vasallität eingetreten wurde, um ein neues Lehen zu erhalten und/oder das geerb91 te bestätigt zu bekommen. Aus diesen Veränderungen hätten sodann zwei weitere Entwicklungen resultiert, die vor allem die deutsche Mediävistik lange Zeit beschäftigt haben. Zum einen habe sich im Heiligen Römischen Reich – im Gegensatz zu den Königreichen in Frankreich und England – kein sogenannter Treuevorbehalt zugunsten des Königs durchsetzen können, der einen Vasallen trotz anderer mehrfach bestehender Lehnsverhältnisse auch direkt an 92 den König gebunden hätte. Dies hätte zu einer Trennung der unteren Aftervasallen vom König geführt, wie sie auch durch die bekannten Lehnspyramiden fälschlicher93 weise suggeriert wird. Zum anderen habe sich nur in der Mitte Europas der sogenannte „Leihezwang“ durchgesetzt, der vor allem im Deutschland des 19. Jahrhunderts als ein Grund für die Kleinstaatlichkeit des Heiligen Römischen Reiches und damit auch die 94 „verspätete Nationalfindung“ angesehen wurde. Ausgangspunkt hierfür bildetete eine Passage im Sachsenspiegel aus dem 13. Jahrhundert, die besagt, dass der König ledig gewordene Lehen binnen Jahr und Tag wieder zu vergeben hätte. Die deutschen Könige hätten demnach nicht ihre Zentralgewalt durch das Einbehalten solcher Lehen stärken können. Obwohl sich die erste Formulierung des angenommenen „Leihezwangs“ damit erstmals im 13. Jahrhundert findet, stellte die ältere Forschung rückwirkend bereits für 88 Ganshof (19836), S. 50. Vgl. Mitteis (1933), S. 165. Vgl. auch Spieß (2002), S. 23f. 90 Vgl. Ganshof (19836), S. 51f.; Mitteis (1933), S. 102. 91 Vgl. Ganshof (19836), S. 52 sowie ausführlich Mitteis (1933), S. 521–523. 92 Vgl. Ganshof (19836), S. 109–111. Siehe auch Spieß (2002), S. 29f. 93 Zu diesem Anschein der Lehnspyramiden vgl. Patzold (2012), S. 108f. 94 Vgl. hierzu und im Folgenden ebd., S. 96–102. 89 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 24 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch das 9. Jahrhundert fest „daß das Erbrecht in Lehen von Haus aus nichts anderes ist als 95 die erste generelle Anwendung des Prinzips des Leihezwangs“ . Dieser Leihezwang 96 als deutsche Sonderausprägung des Lehnswesens wurde erst 1962 widerlegt. Ab der zweiten Auflage von 1967 findet sich dieser dann auch nicht mehr in Ganshofs „Klassi97 ker“. Viele der genannten Vorstellungen vom Lehnswesen hat die jüngere Mediävistik mittlerweile grundlegend infrage gestellt. Vor allem seine Entstehung und Bedeutung in karolingischer Zeit wird nach Meinung der aktuellen Forschung nicht der historischen Wirklichkeit des 8./9. Jahrhunderts gerecht. Um die Argumente der Kritiker – auch hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Lehnswesens bis zum 12. Jahrhundert – besser nachvollziehen zu können, wird im Folgenden zunächst ein Blick auf die wesentlichen Thesen Susan Reynolds geworfen, die allgemein als Auslöser einer Debatte gelten, die 98 erst kürzlich als beendet deklariert wurde. In einem nächsten Schritt steht dann die daraus hervorgegangene Dekonstruktion vor allem des karolingischen Lehnswesens durch die jüngere Forschung im Fokus. 99 3.1.2 Neue Forschungsansätze zum Lehnswesen Susan Reynolds länderübergreifende Studie stellte sich rückblickend nicht nur als bloße Neubewertung des mittelalterlichen Quellenmaterials heraus, sondern erwies sich letztlich als „vernichtender Schlag gegen die ‚feudo-vasallitischen‘ Institutionen, als engere, rechtliche Kernformel des Lehnswesens“ 100 . 95 Mitteis (1933), S. 174. Vgl. Goez (1962), S. 254; hier seine Ergebnisse zusammenfassend. 97 Vgl. Ganshof (19672), S. 179. Die erste Auflage führte diese Veränderung hingegen noch nicht, vgl. Ganshof (1961), S. 179. 98 Vgl. hierzu den Untertitel „2. Workshops zum Lehnswesen“ am 22./23.11.2014 an der Universität Tübingen: Normative Ordnungen des Mittelalters neu denken. Mediävistische Entwürfe nach der Feudalismus-Debatte. Noch 2012 hatte Steffen Patzold, einer der Organisatoren des Workshops, dabei von einer noch andauernden Debatte gesprochen, vgl. Patzold (2012), S. 8. 99 Die folgenden Ausführungen sollen einen Überblick über die Argumente der neueren Forschungen zum Lehnswesen geben, ohne dabei den Anspruch zu erheben, den mediävistischen Fachdiskurs vollständig wiederzugeben. Als Ausgangspunkt wurde dafür die „Fundamentalkritik“ von Susan Reynolds (1994) am Lehnswesen als bestehenden Denkrahmen gewählt, bevor auf die unmittelbaren Reaktionen der deutschsprachigen Mediävistik sowie exemplarische aktuelle Handbücher eingegangen wird. 100 Dendorfer (2010), S. 14. Hierbei ist anzumerken, dass sich auch Reynolds Kritik auf älteren, vor allem anglo-amerikanischen Ansätzen fußt, von denen hier exemplarisch verwiesen sei auf den in diesem Zusammenhang häufig erwähnten Aufsatz von Elisabeth Brown (1974): The Tyranny of a Construct: Feudalism and Historians of Medieval Europe, in: The American Historical Review 79, H. 4, S. 1063– 1088. 96 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 25 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch In ihrem Werk vertritt die Historikerin die These, das Lehnswesenmodell der älteren Forschung sei weder früh- noch hochmittelalterlich, sondern gehe vielmehr auf frühneuzeitliche Juristen ab dem 16. Jahrhundert zurück. Diese erst hätten vor dem Hintergrund von Rechtskompilationen des 12. und 13. Jahrhunderts, wie den norditalienischen Libri Feudorum oder dem nordalpinen Sachsenspiegel, die vielfältigen Besitz- und Leiheformen des Früh- und Hochmittelalters unter der spezifischen Rechtsform des „Lehen“ zusammengefasst. Dieses Spezifikum hätten sie dann systematisch mit der Vasallität – einem weiteren speziellen Rechtsbegriff – verbunden und mit diesem Zusammenschluss die feudo-vasallitischen Institutionen als Kernelement des Lehnswesens herausgestellt. Dabei hätten die Juristen die ihnen in den Rechtstexten begegnenden Begriffe und Inhalte vorbehaltslos auf frühere Jahrhunderte übertragen. 101 Die Histori- ker des 19. Jahrhunderts hätten dieses über 300 Jahre gewachsene „mächtige Paradigma“ 102 schließlich übernommen und weiterentwickelt, wodurch früh- und hochmittelal- terliche Quellen durch ein post-mittelalterliches Konzept von Lehen und Vasallität vor103 eingenommen interpretiert worden seien. Anhand diverser Quellenbeispiele versucht Reynolds zu zeigen, wie diese konzeptionelle Voreingenommenheit den Blick auf die Vielfalt der in den mittelalterlichen Texten eigentlich beschriebenen Personen und Handlungen verstelle, sodass schließlich auch dort feudo-vasallitische Institutionen gesehen wurden, wo im lateinischen Text 104 von Vasallen oder Lehen gar nicht die Rede ist. Ausgehend von der – bereits der älte- ren Forschung bekannten – Beobachtung, dass bei weitem nicht jeder der in der dünnen Quellenlage überhaupt erwähnten vassi Reynolds, 107 105 auch ein beneficium erhält, 106 konstatiert dass in den Texten stattdessen viele andere Personen, fideles (Getreue), 101 Zur allgemeinen Beschreibung des Problems siehe Reynolds (1994), S. 1–13, bes. S. 2; Zur Rolle von Lehen und anderen Besitzarten siehe ebd., S. 48–74, v.a. S. 73f.; Zur Vasallität und anderen sozialen Bindungsmöglichkeiten siehe ebd., S. 17–47, v.a. S. 47; Reynolds Hauptthesen zusammenfassend vgl. exemplarisch Spieß (2002), S. 19; Dendorfer (2010), S. 17; Salten (2014), S. 4. 102 Vgl. Reynolds (1997), S. 39. 103 Vgl. Reynolds (1994), S. 2. 104 Vgl. ebd; bzgl. des Konzeptes von Vasallität im Besonderen, ebd., S. 47 105 Vgl. ebd., S. 22; Bereits Kienast hat in seiner großen Untersuchung alle Belege für vassi in der Karolingerzeit zusammengetragen, vgl. Kienast 1990, S. 162–555. Die relativ wenigen Nennungen von Vasallen lesen sich allerdings schon dort wie „die Aufnahme eines Nichtbestandes“. Vgl. auch Kasten (2009), S. 331. 106 Vgl. Reynolds (1994), S. 104. 107 Zum karolingischen Lehnswesen allgemein, vgl. ebd., S. 84–111. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 26 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 108 homines (Männer) oder miles (Krieger) ein solches erhalten. Während sich also die ältere Forschung hinter diesen Begriffen in Zusammenhang mit beneficium beinahe ausnahmslos Vasallen vorstellte, vermutet Reynolds hier viele unterschiedliche Arten von Freien, mit sehr unterschiedlichen Formen der Verpflichtung gegenüber ihren Her109 ren. Auch die Annahme, dass Grafen, Bischöfe und andere Große generell vassi der 110 karolingischen Könige gewesen seien, findet Reynolds nicht in den Texten bestätigt. Obwohl sich auch die ältere Forschung dieser terminologischen Problematik durchaus bewusst war, 111 hatte man es bei der Erklärung belassen „daß ‚miles‘, ‚fidelis‘ und ‚ho- mo‘ stets ein weiteres Bedeutungsfeld hatten […] und daß man sie nur mit ‚Vasall‘ 112 übersetzen darf, wenn der Zusammenhang es erlaubt“. Was diesen Zusammenhang allerdings genau ausmacht, darüber schweigt die ältere Forschung. Auch das mehrheitlich als Lehen gedeutete beneficium löst Reynolds aus seiner semantischen Stigmatisierung, indem sie konstatiert, dass ein beneficium der Karolingerzeit nicht mit einem feudum des 12. Jahrhunderts gleichgesetzt werden könne, da beide Begriffe zwei unterschiedlichen Rechtsschulen entstammten: Auf der einen Seite dem Gewohnheitsrecht des frühmittelalterlichen nordalpinen Europas und auf der anderen 113 Seite dem akademischem Recht der gerade erst neu entstehenden Jurisprudenz. Noch mindestens bis Ende des 9. Jahrhunderts hätte beneficium demnach viele verschiedene Bedeutungen haben können, wie beispielsweise die wörtlich zu nehmende Wohltat. Unter dem beneficium eines einfachen vassus müsse daher etwas anderes verstanden wer114 den als unter dem gleichnamigen beneficium eines Grafen oder Bischofs. 108 Vgl. ebd., u. a. S. 23. Vgl. ebd., u. a. S. 104. 110 Vgl. Reynolds (1997), S. 35f., die sich hier auf die Untersuchung von Charles Edwin Odegaard: Vassi and Fideles in the Carolingian Empire, Boston 1945, bezieht. Dieser hatte bereits ein halbes Jahrhundert zuvor darauf hingewiesen, dass Grafen, Bischöfe etc. keine Vasallen des Königs gewesen seien, sondern es am Hof vielmehr viele verschiedene Arten von Freien gab, die zwar alle fideles waren, sich jedoch innerhalb dieser Gruppe in Grafen, Bischöfe, Äbte und eben auch Vasallen unterteilten. Über den von der älteren Forschung angeführten Fall Tassilos schreibt Reynolds daher: „Tassilo’s case was a very special indeed“, vgl. Reynolds (1994), S. 86. Siehe auch die Ausführungen in Anm. 80. 111 Beispielsweise herrschte Konsens darüber, dass fidelis im allgemeinen einen Oberbegriff zu vassus bildete, also alle Vasallen fidelis waren, dies jedoch umgekehrt nicht zwingend der Fall sein musste, vgl. Ganshof 19836, S. 54 sowie Kienast (1990), S. 126f., Anm. 411, der sich bezieht auf Charles Edwin Odegaard: Vassi and Fideles in the Carolingian Empire, Boston 1945. 112 Ganshof (19836), S. 71. 113 Vgl. Reynolds (1994), S. 73f. u. 477f. 114 Vgl. ebd., S. 110. 109 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 27 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Für das Funktionieren früh- und hochmittelalterlicher Herrschaft vor dem 12. Jahrhundert vermutet Reynolds daher andere Konstanten: Den interpersonalen Beziehungen des Lehnswesens stellt sie das Konzept von „Herrschern und Abhängigen“ (rulers and subjects), „Übergeordneten und Untergebenen“ (superiors and inferiors) 115 gegenüber, das in einer extrem ungleichen und autoritären Gesellschaft wie der mittelalterlichen, 116 sowohl auf Zwang, als auch auf gemeinsamen Werten und Normen beruht habe. Sys- tematische feudo-vasallitische Verbindungen müssten dagegen erst als Ausdruck einer zunehmenden Bürokratisierung des Herrschaftsapparates durch juristische Experten verstanden werden und entbehrten mindestens für die Zeit vor dem 12. Jahrhundert je117 der Quellengrundlage. Reynolds These, die feudo-vasallitischen Institutionen des Lehnswesens seien lediglich ein frühneuzeitliches Konstrukt auf der Basis hoch- und spätmittelalterlicher Rechtskompilationen, stieß vor allem bei deutschen Historikern auf breite Ableh118 nung. Mit der Verdrängung des Lehnswesens zugunsten eines „bipolaren Staatskon- 119 zeptes“ von Herrschern und Beherrschten, in dem gesellschaftlicher Fortschritt aus- schließlich von oben käme, hätte sich Reynolds unter anderem als „Verfassungshistori120 kerin […] im deutschen Sinn des Wortes“ 121 positioniert. Von verschiedenen Seiten wurde ihr zudem methodisch ungenaues und unwissenschaftliches Arbeiten unter- 115 Ebd., S. 47. Ebd., S. 476. 117 Vgl. ebd., S. 478f. 118 Für die Auseinandersetzung der deutschen Forschung mit Reynolds Buch sei an dieser Stelle allgemein auf die folgenden Besprechungen verwiesen: Oexle, Otto Gerhard: Die Abschaffung des Feudalismus ist gescheitert, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 116 (19.05.1995), S. 41; Fried, Johannes: Review of „Susan Reynolds, Fiefs and Vassals. The Medieval Evidence Reinterpreted“, in: Bulletin of the German Historical Institute London 19, H. 1 (1997), S. 28–41, und darauf reagierend Reynolds, Susan: Responds to Johannes Fried, in: Bulletin of the German Historical Institute London 19, H. 2 (1997), S. 30–40; Krieger, Karl-Friedrich: Review of „Susan Reynolds, Fiefs and Vassals. The Medieval Evidence Reinterpreted“, in: Historische Zeitschrift, Bd. 264, H. 1 (1997), S. 174–179; Kroeschell, Karl: Lehnsrecht und Verfassung im deutschen Hochmittelalter, Artikel vom 27.04.1998, in: forum historiae iuris. Erste Internet-Zeitschrift für Rechtsgeschichte (URL: http://www.rewi.huberlin.de/FHI/zitat/9804kroeschell.htm [Letzter Zugriff: 16.10.2014]). Verhaltene Zustimmung erfuhr Reynold Buch hingegen von Kasten, Brigitte: Rezension zu „Susan Reynolds, Fiefs and Vassals. The Medieval Evidence Reinterpreted“, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 51 (1995), S. 307. 119 Fried (1997), S. 33f. 120 Oexle (1995), S. 41. 121 Für weiterführende Ausführungen zur Rezeptionsgeschichte des Lehnswesens vor allem im Zusammenhang mit der deutschen Verfassungs- und Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, vgl. die Beiträge von Werner Hechberger (2010) und Hans-Henning Kortüm (2010) im Sammelband „Das Lehnswesen im Hochmittelalter“, hrsg. v. Jürgen Dendorfer und Roman Deutinger. 116 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 28 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch stellt. 122 Auf verhaltene Zustimmung stieß lediglich ihre Kritik bezogen auf die sehr schmale Quellenlage sowie die von ihr herausgestellte Bedeutung der sich formierenden 123 Jurisprudenz im 12. Jahrhundert. Umfassend diskutiert wurden die Neubewertungen erst fünf Jahre später auf einer großen internationalen Tagung in Spoleto im Jahr 1999, deren Ergebnisse einen anschaulichen Einblick darüber geben, wie die jeweiligen Neubewertungen der Quellen 124 debattiert wurden. Ab den 2000er Jahren fanden Reynolds Thesen und ihre Rezeption schließlich auch Einzug in deutsche Forschungsarbeiten und Handbücher. Vor allem in Handbüchern über frühmittelalterliche Themen wurde den neuen Ansätzen ein Platz in 125 den Forschungskontroversen und -tendenzen eingeräumt. Trotz der anfänglichen Ab- lehnung ihrer Forschungsergebnisse erfuhr hier vor allem Zustimmung, „dass die Schlüsselwörter, ‚homo‘, ‚fidelis‘ oder ‚beneficium‘ nicht mehr […] ohne weiteres lehnsrechtlich gedeutet werden dürfen“ 126 . Auch Reynolds Thesen bezüglich eines nicht-existenten karolingischen Lehnswesens wurden mittlerweile weitestgehend bestätigt, 127 weshalb neuere Forschungen frühmittelalterliche Herrschaft mittlerweile ohne 128 das Modell des Lehnswesens „denken“. Die Kritik umfasst dabei vor allem die fol- genden Hauptargumente: Neben der grundlegenden Kritik, die Quellenbasis der Karolingerzeit sei zu schmal, 129 um von ihr auf ein valides System schließen zu können, wurde vor allem Reynolds 122 Vgl. vor allem ebd., aber auch Fried (1997), bes. S. 31 u. 40f.; Krieger (1997), S. 178f.;Kroeschell (1998), Abs. 9. 123 Vgl. Krieger (1997), S. 179 sowie Kroeschell (1998), Abs. 40. Vgl. in neuester Zeit noch einmal bestätigend Dendorfer (2010), S. 19. 124 Vgl. Patzold (2012), S. 124, mit Bezug auf den Sammelband “Centro Italiano di Studi Sull'Alto Medioevo (Spoleto, Italia). Settimane di Studio (Hrsg.): Il Feudalesimo nell'Alto Medioevo (Settimane di Studi del Centro Italiano di Studi sull'Alto Medioevo, XLVII, 8-12 aprile 1999, 47), 2 Bde., Spoleto 2000”. 125 Beispiele hierfür sind u. a. Goetz (2003), Europa im frühen Mittelalter, S. 298–300 (Kap. Forschungskontroversen); Busch (2011), Die Herrschaften der Karolinger, S. 60f. (Kap. Forschungstendenzen);Hechberger (20102), Adel, Ministerialität und Ritter, S. 71 (Kap. Forschungstendenzen); Spieß (2002), Das Lehnswesen in Deutschland, S. 178f. (Kap. Forschungsthesen), hier wird Reynolds mit grundsätzlicher Zustimmung besprochen, die im Abschnitt Forschungsgeschichte, S. 19f. deutlich wird. 126 Vgl. Spieß (2002), S. 20 (Zitat ebd.) sowie Goetz (2003), S. 289. 127 Vgl. auch Dendorfer (2010), S. 18f. Als Beispiele seien hier die Forschungsarbeiten von Kasten (2009) und Salten (2014) genannt. 128 Vgl. u. a. Kasten (2009); Dendorfer/Deutinger (2010); Salten (2014) sowie die Überblicksdarstellungen Patzold (2012); Jussen (2014); Ubl (2014). Als englisches Beispiel sei verwiesen auf Costambeys/Innes/MacLean (2011). 129 Vgl. Patzold (2012), S. 25f. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 29 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 130 Kritik am zu einseitigen Umgang mit den Quellenbegriffen bestätigt. Die karolingi- schen Quellen berichten über vassi lediglich, dass sie meist als Krieger, aber auch als Boten (missi), Gesandte oder zu sonstigen Diensten am Hof ihres Herrn eingesetzt wurden. Da sie nicht zwingend mit einem beneficium ausgestattet wurden, sei der Begriff 131 „Lehnsleute“ für sie unbrauchbar. Auch der Einwand, weder die Vasallität von Gra- fen, Bischöfen oder Äbten, noch eine generelle Kommendation dieser Großen könne 132 anhand der Quellen belegt werden, fand sich bestätigt. Geht es nach den mittelalterli- chen Texten könnten Grafen und Bischöfe auch „ganz einfach ein Amt“ 133 gehabt ha- ben. Geht man zudem nicht von einer vasallitischen Bindung dieser Großen an den König aus, ist letztlich auch die Existenz von Aftervasallen fraglich, denn bisher ließ sich 134 kein vassus finden, der seinerseits vassi gehabt hätte. Zusammenfassend gelangt die neuere Forschung zu dem Ergebnis, dass eine „irgendwie geartete feste Verbindung zwischen Vasallität und Benefizialwesen, die ein fränkisches Lehnrecht konstituiert hätte“ 135 , in den karolingischen Quellen nicht nach- weisbar ist und daher zukünftig auch nicht mehr vorausgesetzt werden sollte. Der Begriff des Lehnswesens, der von der älteren Forschung als eine Art Metapher für ein klar 136 geregeltes Herrschaftssystem verwendet wurde, sei somit für die Beschreibung früh- 137 mittelalterlicher Zustände nicht zu gebrauchen. In diesem Zusammenhang sind auch die für die Folgezeit angenommenen Schlüsselentwicklungen einer Neubewertung unterzogen worden. War das Kapitular von Quierzy Karls des Kahlen aus dem Jahr 877 aufgrund seiner vermeintlichen Regelungen zur Erblichkeit von der älteren Forschung noch „als Zäsur in der Geschichte des Lehnswesens“ 138 wahrgenommen worden, 139 interpretiert die neuere Forschung das Kapitular dahingehend, dass Karl mit dem Text lediglich vor seinem Feldzug in Italien die Thron130 Zu diesem ganzen Komplex vgl. ebd., S. 26–34. Vgl. ebd., S. 38. 132 Vgl. ebd., S. 37f. sowie bereits Reynolds (1997), S. 35f. 133 Jussen (2014), S. 86. 134 Vgl. Patzold (2012), S. 35–38. 135 Vgl. Salten (2014), S. 389 (Zitat ebd.). 136 Für diesen Vergleich vgl. Salten (2014), u. a. S. 1, 12, 390. 137 Vgl. Kasten (2009), S. 335, sowie Jussen (2014), S. 86 und Patzold (2012), S. 39 und 121, der die Verwendung des Begriffs für die Beschreibung mittelalterlicher Zustände sogar für „bedenklich“ hält (ebd.). 138 Patzold (2012), S. 40. 139 Vgl. die Ausführungen bei Ganshof (19836), S. 51 und Mitteis (1933), S. 175. 131 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 30 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch folge seines Sohnes Ludwig sichern wollte, und in diesem Zuge auch die Nachfolge der Söhne der Großen regelte, die ihn begleiteten. 140 Über beneficia und ihre Erblichkeit 141 äußert das Kapitular nichts. Auch die noch lange Zeit für das 9. Jahrhundert angenommene Mehrfachvasallität 142 wurde jüngst revidiert und auf das 11. Jahrhundert verschoben. Somit bleibt zu ver- muten, dass einige der als Verfallserscheinungen wahrgenommenen Entwicklungen vom karolingischen zum Lehnswesen des hohen und späten Mittelalters keine Neuerungen, sondern vielmehr elementare Bestandteile des eigentlichen Systems gewesen sein könnten. 143 In diesem Zusammenhang bestätigen jüngere Forschungen mittlerweile auch die Vermutung Reynolds, dass sich auch für die Zeit des 10.–12. Jahrhunderts, also die Zeit des Ganshof’schen und Mitteis’schen „klassischen Lehnswesens“, nur sehr spärliche Belege für einen Verbund von Vasallität und Lehen finden lassen und das Bild der Spiegelliteratur des 13. Jahrhunderts offensichtlich zu unkritisch auf die Verhältnis144 se früherer Jahrhunderte projiziert worden sei. Vor dem Hintergrund dieser und wei- terer noch zu erwartender Neubewertungen konnte sich die Forschung bislang zwar noch nicht auf eine neue „Geschichte des Lehnswesens“ einigen, stellt jedoch übereinstimmend fest, dass das 11./12. Jahrhundert einen wichtigen Einschnitt in der Geschich145 te feudo-vasallitischer Institutionen markiert. In die Darstellungsteile der einschlägigen Einstiegsliteratur zum Frühmittelalter wurden die neuen Forschungsergebnisse zum karolingischen Lehnswesen jedoch noch nicht aufgenommen. 146 Ein ähnliches Bild bietet der Blick in einschlägige Lexika, die 140 Vgl. Patzold (2012), S. 40. Vgl. ebd., S. 40. 142 Vgl. ebd., S. 42 u. 93; Dendorfer (2010), S. 22. Sogar noch Spieß (2002), S. 29f. sieht die Mehrfachvasallität im 9. Jahrhundert entstehen. 143 Vgl. Patzold (2012), S. 42f.; Jussen (2014), S. 86. 144 Vgl. Dendorfer (2010), S. 22; siehe hierzu auch die von Dendorfer formulierten fünf Leitfragen an Quellen aus dem Hochmittelalter (ebd., S. 26), die die wesentlichen Kritikpunkte Reynolds aufgreifen. 145 Vgl. Spieß (2002), S. 19–21; Dendorfer (2010), S. 23f. u. 38f.; Jussen (2014), S. 86; Patzold (2012), S. 121. 146 Siehe Goetz, Hans-Werner: Europa im frühen Mittelalter 500 – 1050 (Handbuch der Geschichte Europas, Bd. 2), Stuttgart 2003; Schulze, Hans K.: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd.1: Stammesverband, Gefolgschaft, Lehnswesen, Grundherrschaft, 4. aktualisierte Aufl., Stuttgart u. a. 2004 [hier wird Reynolds nicht einmal unter weiterführender Literatur erwähnt, trotz vorgenommener Aktualisierung bei jeder neuen Auflage]; Busch, Jörg W.: Die Herrschaften der Karolinger 714–911 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 88), Oldenbourg 2011 [die Entstehung des Lehnswesens unter Karl Martell wird dargestellt, obwohl der Begriff „Lehnswesen“ vermieden wird, vgl. S. 10f.]; Hechberger, Werner: Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 72), 2. Aufl., Oldenbourg 2010. 141 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 31 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 147 entweder noch aus der Zeit vor dem Jahr 2000 stammen nicht berücksichtigen. 148 oder die neuen Erkenntnisse Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass die neuen Er- kenntnisse unter anderem grundlegende Fragen nach der historischen Semantik von Quellenbegriffen – und damit eine besonders in der deutschen Mediävistik seit länge149 rem diskutierte Problematik – betreffen. Sie berühren damit grundlegende Fragen zur politischen Theoriebildung und ihrer schriftlichen Wiedergabe im Früh- und Hochmittelalter. In diesem Sinne wird der neuen Forschung entgegengehalten, dass die systematische Verbindung zwischen persönlicher und dinglicher Komponente nur deswegen nicht explizit in den karolingischen Quellen zu finden sei, weil „die Verbindung de facto bestand, erst später aber abstrakt durchdacht und rechtlich systematisiert wurde“ 150 . Ähnlich der Theorie des „Personenverbandstaates“ scheint sich dabei ein Bild „vom frühmittelalterlichen konkreten Denken in personalen Beziehungen zum hochmittelalterlichen abstrakten Denken von politischen Institutionen“ 151 widerzuspiegeln. Diese Vorbehalte gegen die neuen Ansätze zeigen auch, dass die neuen Forschungsansätze zum Lehnswesen in der deutschen Mediävistik noch nicht allgemein akzeptiert sind, obwohl Steffen Patzolds Überblickswerk bereits vereinzelt als Nachfolger von Ganshofs Klassiker der 1940er-Jahre verstanden werden will. 152 Dies scheint hingegen kein Phänomen innerhalb der deutschen Mediävistik zu sein, da sich auch in internatio- 147 Siehe den Artikel von Karl-Heinz Spieß (1978) zu „Lehn(s)recht, Lehnswesen“ im Handbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte sowie den Artikel von Bernhard Diestelkamp (1991) im Lexikon des Mittelalters. 148 Siehe den Artikel von Karl-Friedrich Krieger (20063) zu „Lehenswesen” im Lexikon für Theologie und Kirche. Krieger verweist zwar auf Reynolds (1994), fügt jedoch in Klammern den Zusatz „umstrittene Ergebnisse“ hinzu. 149 Zu den begriffsgeschichtlichen Entwicklungen innerhalb der deutschen Verfassungsgeschichte im 20. Jahrhundert vor allem vor dem Hintergrund ideologischer geprägter Staatsverständnisse, vgl. die grundlegenden Ausführungen bei Kortüm (2010). 150 Vgl. Hechberger (20102), S. 71, der sich bezieht auf Fried (1997). Busch (2011) wiederum bezieht sich auf Hechberger (20102). 151 Vgl. die Definition bei Jussen (2014), S. 82. 152 So die Einschätzung von Thomas Wittkamp (2012), Mitglied des Graduiertenkollegs 1288: „Freunde, Gönner, Getreue“, an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. in seiner „Sammelrezension Lehnswesen“ zu Dendorfer/Deutinger (2010) und Patzold (2012). urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 32 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch nalen Überblickswerken zum Frühmittelalter sowohl Darstellungen mit ne 154 153 als auch oh- feudo-vasallitische Institutionen finden. Trotz dieser scheinbaren Unsicherheit der Fachwissenschaft mehren sich in jüngster Zeit Neuerscheinungen, die unter Berücksichtigung der neueren Forschungserkenntnisse 155 eine Geschichte der Karolinger ohne Lehnswesen schreiben. Zwar wird das Lehns- wesen immer noch vereinzelt als Herrschaftsmittel Karls des Großen erwähnt, es nimmt dann jedoch nur einen sehr geringen Platz ein und scheint durch die neuere Forschung maßgeblich beeinflusst und relativiert zu sein. 156 Von einer „Verabsolutierung des Lehnswesens zur allein staatsbildenden Kraft des frühen Mittelalters“ 157 hingegen, kann in der aktuellen Überblicksliteratur keine Rede mehr sein. Doch was bedeuten die Neuerungen für die Analyse des Lehnswesens in Schulbüchern? Neben einer Überprüfung der wenigen bereits vor den 1990er Jahren formulierten Anpassungen des älteren Lehnswesen-Modells, ist hier vor allem die Frage von Interesse, inwiefern die Schulbücher das Lehnswesen als früh-, hoch- oder sogar gesamtmittelalterliches Herrschafts- und Ordnungsmodell präsentieren. Auch wenn eine BerückBerücksichtigung der grundlegenden Neubewertungen – auch aufgrund der weiterhin gespaltenen Handbuchmeinungen 158 – nur bei den neuesten Schulbuchdarstellungen erwartet werden kann stellt sich die Frage nach den historischen Zusammenhängen in denen das Lehnswesen thematisiert wird. Wird durch den Verfassertext, Text- oder Bildquellen oder die strukturelle Einbindung in einen bestimmten Themenbereich ein Bezug zum „Vasallenheer“ Karls des Großen oder allgemein zum Frühmittelalter gezogen? Oder beziehen sich die Darstellungen größtenteils auf Entwicklungen ab dem 11. Jahrhundert und sind damit auch mit der neueren Forschung – zumindest weniger problematisch – in Einklang zu bringen? Auch hinsichtlich der im folgenden Abschnitt 153 Vgl. Blockmans/Hoppenbrouwers (2007), S. 93: Towards the end of the eighth century […] the two institutions […] – vassalage and beneficie – came together. […] This new, feudo-vassalic relationship was used on all levels of the aristrocracy. 154 Vgl. Costambeys/Innes/MacLean (2011), S. 249: The ‘vassal’ who held land in return for military service – an important prop in the traditional construction of ‘feudalism’ – is nowhere to be found in the Carolingian world. 155 Neben Patzold (2012) erschienen allein im Jahr 2014 drei Überblickswerke der Reihe C.H.Beck Wissen, die frühmittelalterliche Herrschaft ohne Lehnswesen erzählen, vgl. Jussen (2014) und Ubl (2014) oder zumindest dessen Bedeutung stark relativieren, vgl. Becher (20146). 156 Vgl. Becher (20146), S. 95f. 157 Kasten (2009), S. 335. 158 Wie bereits ausgeführt (S. 18) wird dabei grundsätzlich davon ausgegangen, dass sich Schulbuchautor/innen nicht immer in den aktuellen mediävistischen Fachdiskurs einlesen können. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 33 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch untersuchten Lehrpläne wird daher die Frage nach der thematischen Einbindung des Lehnswesens berücksichtigt. 3.2 Das Lehnswesen als Thema in hessischen Lehrplänen Das förderale Bildungssystem der Bundesrepublik bedingt nicht nur 16 verschiedene Bildungssysteme, sondern darüber hinaus auch 16 verschiedene Zulassungsprozedere 159 für Schulbücher. In Hessen müssen – ebenso wie in den meisten anderen Bundeslän- dern – für den Schuldienst zugelassene Schulbücher vorher vom Land genehmigt werden, sodass sogar davon gesprochen wird, dass „nur ein Schulbuch, das exakt die Lehrplaninhalte abbildet, […] auch Aussicht auf behördliche Zulassung“ 160 hat. Auch der Verband Bildungsmedien e.V. betont auf seiner Internetpräsenz, die „Konformität zu den Lehrplänen“ 161 , als wichtigste Voraussetzung für die Zulassung der Bücher zum Unterricht. Anstöße für die Entwicklung neuer Schulbücher ergäben sich für Schulbuchverlage daher zumeist erst mit der Implementierung wesentlicher Änderungen in den bildungsadministrativen Vorgaben. 162 Die folgende Untersuchung der Lehrpläne geschieht somit unter der grundlegenden Annahme, dass die konzeptionelle und inhaltliche Gestaltung von Schulbüchern im engen Zusammenhang mit den jeweiligen bildungsadministrativen Vorgaben – repräsentiert durch die Lehrpläne – gesehen werden muss. 159 Vgl. Hartung (2014), u. a. S. 2. Vgl. auch die Informationen der Kultusministerkonferenz auf http://www.kmk.org/bildung-schule/allgemeine-bildung/sonstiges-einzelfragen/lern-undlehrmittel.html [letzter Zugriff 26.03.2015]. Bzgl. Hessen vgl. HessischeVerfassung online (wie Anm. 29). Dezentrale Zulassungen erfolgen in Berlin, Hamburg, dem Saarland und Schleswig-Holstein, vgl. wiederum die Informationen auf den Internetseiten der Kultusministerkonferenz (wie zu Beginn dieser Anmerkung). 160 So Arnold Bühler, selbst Mitautor des Realschulbuches „Geschichte entdecken“, vgl. Bühler (2011), S. 246. Zum Verhältnis von Lehrplan und Schulbuch im Allgemeinen vgl. auch den Aufsatz von Werner Wiater (2005). 161 Vgl. zu den Zulassungsvoraussetzungen von Schulbüchern im Allgemeinen auch die Ausführungen auf den Internetseiten des Verbands Bildungsmedien e.V. (wie Anm. 48), v.a. unter den Stichworten „Wie werden Schulbücher zugelassen?“ und „Warum sind Schulbücher zulassungspflichtig?“ (Zitat ebd.) [letzter Zugriff 26.03.2015] sowie bezogen auf Geschichtsbücher im Speziellen Sauer (20087), S. 260; Clauss (2007), S. 20; Becher (20074), S. 45. 162 Vgl. die Informationen auf den Internetseiten des Verbands Bildungsmedien e.V. (wie Anm 48), Abschnitt „Wann gibt es neue Lehrwerke?“. Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass in Hessen häufig in geringem zeitlichen Abstand zur Einführung neuer Lehrpläne auch neue Lehrwerke oder Überarbeitungen bereits zugelassener Reihen erscheinen, ohne dass hiervon eine bundesweite Regelmäßigkeit abgeleitet werden könnte. Biener (2014), S. 68f. und 71 stellt zwar die gleiche Regelmäßigkeit für bayrische Schulbücher fest, für Nordrhein-Westfalen attestiert er jedoch eher eine „routinemäßige Schulbuchrevision“, die durch die Einführung neuer Lehrpläne nur ergänzt werde. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 34 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 3.2.1 Die hessischen Lehrpläne der frühen Nachkriegszeit In den „Lehrplänen für die Höheren Schulen des Landes Groß-Hessen“ vom 25. November 1945 wird Geschichte als eines der „Kernfächer“ aufgeführt, denen die Aufgabe zukam „der Verrohung und Verflachung durch die Erziehung und das Leben des letzten Jahrzehnts entgegen zu wirken“ und damit „den Sinn des jungen Menschen für die ethischen Werte und Forderungen aufzuschließen und ihn zu verantwortlicher Stellungnahme und zu eigenem gewissensmäßigen Handeln aufzurufen“ 163 . Vor allem im Fach Geschichte sind in diesem Zusammenhang „alle unwahren, verletzenden Stoffe, Gedanken und Ziele der nationalsozialistischen Schule entschlossen auszuscheiden“ 164 . Der Lehrplan gliedert sich in die verschiedenen Inhalte der Unter-, Mittel- und Oberstufe, die stichwortartig unter den jeweiligen Jahrgangsstufen aufgeführt sind. Die Beschäftigung mit dem Mittelalter erfolgt dabei in der Mittelstufe, genauer in der Untertertia (U III), also der 8. Jahrgangsstufe. Als „in 1-2 Stunden möglich“ erscheint dort der Eintrag: „Das Frankenreich (Karl der Große), Lehnswesen“ 165 . Die chronologisch von der sogenannten Völkerwanderung bis zum Westfälischen Frieden reichende Stichwortliste erwähnt das Thema am Ende der Themenliste zur Untertertia jedoch noch ein zweites Mal. Unter dem Stichwort „Staatsbürgerliches“ sind dort die Themen „Volksfreiheit, Lehnswesen. Städte und Stände. Stadt und Fürst. Geldwirtschaft. Landesfürstentum.“ 166 aufgeführt. Das Lehnswesen erscheint im Lehrplan also sowohl un- ter einem ereignisgeschichtlichen Ansatz im frühmittelalterlich-fränkischen Zusammenhang, als auch im strukturgeschichtlichen Sinne eines „staatsbürgerlichen“, gesellschaftlichen Ordnungsprinzips. Während im Unterricht der Unterstufe „Lebensbilder noch ohne geschichtlichgenetische Verknüpfung“ unterrichtet werden, soll die Lehrkraft ab der Mittelstufe „vom anschaulichen Einzelnen“ ausgehen, um „von da aus vielfach arbeitsunterrichtlich und im Lehrgespräch die geschichtlich staatsbürgerlichen Begriffe, Einsichten, historischen Zusammenhänge“ 167 zu entwickeln. Gleichzeitig „warnt“ der Lehrplan jedoch „vor allem bis O III [Obertertia = 9. Klasse] vor abstrakter Behandlung der in den 163 LP-HE-1945, S. 3. Ebd., S. 25. 165 Ebd., S. 27. 166 Ebd. 167 Ebd., S. 26. 164 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 35 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Stoffplänen natürlich nur in Allgemeinheit angegebenen Gebiete“ 168 . Auch das Lehns- wesen soll damit nicht als abstraktes Herrschaftsprinzip behandelt, sondern anhand konkreter Beispiele erklärt werden. 169 In den ersten hessischen Lehrplänen für „alle Schulen im Lande Hessen“ – ge- meint sind jedoch scheinbar nur die Volksschulen – ist die Behandlung des Mittelalters dagegen bereits für die 5. Jahrgangsstufe vorgesehen. Die Gliederung des Mittelalters präsentiert sich hier bereits in einer Form, die auch derjenigen heutiger gymnasialer Schulbücher ähnelt: „Aus der Frankenzeit“, „Aus der deutschen Kaiserzeit“, „Aus der Welt der Klöster“, „Aus der Welt der Ritter“, „Aus der Welt der Bauern“, „Der Kampf um die Königskrone“ sowie „Die Stadt im Mittelalter“, heißen die verbindlichen Oberthemen, unter welchen sich wiederum verschiedene Vorschläge zur Behandlung konkreter Einzelthemen – mit zumeist „örtlichen Anknüpfungspunkten“ 170 – finden. Das Lehnswesen wird hier jedoch in keinem der Abschnitte als eigener Punkt aufgeführt. 3.2.2 Die Bildungspläne von 1956/1957 In den Jahren 1956/1957 traten in Hessen überarbeitete Bildungspläne in Kraft, die in ihrem Aufbau durchaus dem Erscheinungsbild heutiger Lehrpläne ähneln. Die neuen Vorgaben sollten dem damaligen „Wandel des Bildungsbegriffs […] dadurch Rechnung tragen, daß sie jene enzyklopädische Scheinbildung, jenes beziehungslose Nebeneinander zahlreicher Fächer und Wissensstoffe entschlossen beseitigen“ 171 . Stattdessen soll- ten sie der Jugend helfen, „ein weit komplizierteres und differenzierteres Weltbild zu bewältigen“ und ihr „durch tiefe, gründliche und selbsttätige Auseinandersetzung mit wenigen, beispielhaften Stoffen eine Bildung [vermitteln], die sich auch an unbekannten Stoffen und vor fremden Situationen bewährt“ 172 . Bereits die neue Bezeichnung „Bil- dungspläne“ kann dabei als Hinweis dafür gelten, dass diese „Schule als Beitrag zur Menschenbildung“ 173 betrachten. Zur Umsetzung dieser Ziele nennt der Lehrplan erst- mals auch explizit den Arbeitsunterricht, „der die Schüler zur größtmöglicher Eigentä- 168 Ebd. LP-HE-1949 (5) für die 5. Klasse; LP-HE-1949 (6) für die 6. Klasse. 170 LP-HE-1949 (5), S. 80f. 171 LP-HE-1956 (I), S. 84. 172 Ebd., S. 84. 173 Vgl. Wiater (2005), S. 42. Vgl. auch die Anmerkungen in LP-HE-1956 (I), S. 104. 169 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 36 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch tigkeit und zum Selbsterwerb der Erkenntnisse führt“, als „wesentliches Verfahren jeder Schule“ 174 . Dieser Wandel, so heißt es, wirke sich auch auf die klassischen Fächerstrukturen aus, die bis dahin „auf dem System der wissenschaftlichen Disziplinen der Universitäten des 19. Jahrhunderts“ 175 beruhten, sodass das Ministerium eine Aufweichung der star- ren Fächergrenzen forderte. Für das Fach Geschichte bedeutete dies konkret, dass es zusammen mit Geografie und Sozialkunde künftig „einen von der Universitätshistorie noch weithin abgelehnten, von der Universitätsgeographie in Teilen usurpierten, von anderen Disziplinen in der Zuständigkeit umstrittenen, aber in einer modernen politischen Erziehung notwendig ganzheitlich zu betreibenden Sachbereich“ 176 bilden sollte. Anderthalb Jahrzehnte später sollte sich in den hessischen „Rahmenrichtlinien“ von 1972/1973 eine radikale Ausformung dieses Ansatzes in Form des neuen Schulfachs 177 „Gesellschaftslehre“ zeigen. Die Beschäftigung mit dem Mittelalter verteilt der Lehrplan auf die 7. und 8. Jahrgangsstufe, also die Mittelstufe – im Gymnasium auch als „Hauptkurs“ (7.-10. Klasse) 178 bezeichnet. Allgemein sollte in diesem Hauptkurs Geschichte „eine sichere Wissens- grundlage“ vermittelt werden, „die einen geordneten Wissenskanon und eine innere 179 Verbindung der Fächer umfaßt“. Im Fach Geschichte äußerte sich dies konkret in der 180 Vermittlung einer „chronologisch angeordnete[n] Kenntnis der Geschichte“, die „in abgerundeten, überschaubaren Unterrichtseinheiten“ – den später sogenannten „verbind181 lichen Unterrichtsinhalten“ – erfolgen sollte. Die Aufteilung des Mittelalters auf das 7. und 8. Schuljahr führte dabei zu einem Schnitt im 10. Jahrhundert, der die Zeit bis zum Ende der Karolinger vom restlichen Mittelalter abtrennte. Nach der Behandlung antiker und spätantiker Themen – wie Ägypten, Mesopotamien, Griechenland, Römisches Reich, Christentum, Germanen (inkl. Völkerwanderung), Byzanz und der Islam – erfolgt über die arabische Expansion 174 Ebd., S. 105. Vgl. LP-HE-1956 (I), S. 86; Zitat ebd. 176 Ebd., S. 85. 177 Siehe Kap. 3.2.3. 178 LP-HE-1957 (II, D), S. 470-474. 179 LP-HE-1956 (I), S. 108. 180 LP-HE-1957 (II, D), S. 466. 181 Ebd., S. 470. 175 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 37 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 182 der Sprung zum „Karolingerreich“, als letzte verbindliche Unterrichtseinheit des 7. Schuljahres. Die Unterthemen der Einheit reichen von Chlodwig über die Pippinische Schenkung und Bonifatius bis zu Karl dem Großen und dem Zerfall des Reiches im 9. Jahrhundert. Im Gegensatz zum Lehrplan des Jahres 1945 wird das Lehnswesen hier 183 nicht als eigener Unterpunkt erwähnt. Das 8. Schuljahr beginnt mit der Einheit „Das Römische Reich der Deutschen als Vormacht des christlichen Abendlandes“ 184 , die bei Konrad I. beginnt und bei den Kreuzzügen des 13. Jahrhunderts endet. Danach schließlich folgt ein Unterrichtskomplex mit dem Titel „Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft im mittelalterlichen Reich“. Hier erscheint gleich zu Beginn der Punkt „Das Lehnswesen. Ritter und Ackerbauern. Burgen und Dörfer“. Das Lehnswesen wird hier zusammen mit Themen wie der mittel185 alterlichen Stadt, Architektur, der Hanse und der Ostsiedlung aufgeführt. Als letzte mittelalterliche Einheit folgt darauf der Themenbereich „Auflösung der Reichseinheit und Ausbildung der Nationalstaaten“, bevor im nächsten Abschnitt „Erfindungen und Entdeckungen als Vorboten einer neuen Zeit“ 186 bereits frühneuzeitliche Themen be- handelt werden sollen. Der Lehrplan teilt das Mittelalter also grob in vier Bereiche, von denen drei ereignisgeschichtlich orientiert sind und ungefähr der klassischen Einteilung in Früh-, Hochund Spätmittelalter entsprechen. Der vierte, gesellschaftlich-kulturelle Bereich, ist dabei zwar zwischen dem Hoch- und dem Spätmittelalterkomplex angesiedelt, jedoch mittelalterübergreifend konzipiert und behandelt verschiedene „typisch mittelalterliche“ Gesellschafts-, Herrschafts- und Wirtschaftsformen. Das Lehnswesen verschwindet so aus seinem karolingischen Zusammenhang und präsentiert sich als gesamtmittelalterliches Phänomen. Dem Lehnswesen verwandte Begriffe und Phänomene wie Grundherrschaft oder Feudalismus nennt auch der Lehrplan von 1957 nicht. Eine im Jahr 1964 nach der Einführung des Faches Gemeinschaftskunde in den Klassen 12 und 13 notwendige Neugliederung der Bildungspläne für die Fächer Geschichte, Sozialkunde und Erdkun187 de, beließ die bestehenden Lehrpläne bis zur Klasse 10 unverändert. 182 Die Verbindlichkeit der Unterrichtseinheiten wird explizit genannt, vgl. ebd., S. 470. Vgl. ebd., S. 470f. 184 Vgl. ebd., S. 472f. 185 Ebd., S. 473. 186 Vgl. ebd. 187 Vgl. LP-HE-1964, S. 3. 183 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 38 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 3.2.3 Die hessischen Rahmenrichtlinien von 1972/1973 Vertraten die Autor/innen der Bildungspläne von 1956/1957 trotz der Idee eines „ganzheitlichen Sachbereichs“ für Geschichte, Erd- und Sozialkunde noch die Auffassung, „die vorschnelle Verwischung von Fächergrenzen [beinhalte] die Gefahr der Oberflächlichkeit und des Dilettantismus“ 188 , beschritten die hessischen Rahmenrichtlinien der 1970er Jahre neue Wege und legten die drei Fächer zum neuen Lernbereich Gesellschaftslehre zusammen. Neben der Verschmelzung dieser drei Fächer sollten die Rahmenrichtlinien zudem schulformübergreifend gelten, um so langfristig das Fundament für längeres gemeinsames Lernen zu bilden, um der Benachteiligung sozial schwächer gestellter Kinder durch verfrühte Selektion entgegenzuwirken. Bereits ihre Bezeichnung als Rahmenrichtlinien weist dabei – ebenso wie die parallel gebrauchten Begriffe „Richtlinien“ und „Rahmenpläne“ – auf die größeren Freiheiten hin, die der Staat den 189 Schulen bei der Umsetzung der Lehrpläne zugestehen wollte. Die radikalen Veränderungen müssen im Zusammenhang verschiedener Reformbewegungen der 1960er und 1970er Jahre gesehen werden, deren bildungspolitische Ziele sich unter anderem dadurch auszeichneten, über Bildungsreformen auch Gesellschaftsreformen anzustoßen. 190 So gingen die Rahmenrichtlinien, die unter der Leitung des hessischen Kultusministers Ludwig von Friedeburg – seinerseits Professor am Institut für Sozialforschung in Frankfurt – entwickelt worden waren, durchaus von den zu der Zeit aktuellen „emanzipatorisch-gesellschaftskritischen Sozialisations- und Kommunikationstheorien“ 191 aus. Die selbst für das „rote Hessen“ der 1970er Jahre noch als „linkslastig“ empfundenen Richtlinien 192 wurden in der Folgezeit äußerst kontrovers diskutiert und fanden über die hessischen Landesgrenzen hinaus bundesweit Beachtung. 193 Trotz mehrerer Modifikationen und Änderungen in den darauffolgenden Jahren, blieben sie während der gesamten 1970er Jahre richtungsweisend. Oberstes Lernziel des neuen Lernbereichs Gesellschaftslehre war es, die Schülerinnen und Schüler „zur Teilnahme an der produktiven Gestaltung gesellschaftlicher Realität zu befähigen“, was jedoch nicht „als Aufforderung zur unkritischen Anpassung an 188 LP-HE-1956 (I), S. 85. Vgl. Wiater (2005), S. 42. 190 Vgl. Führ (1998), S. 16–20, hier v.a. S. 18. 191 Führ (1998), S. 19. 192 So das Urteil des Spiegels in der Ausgabe 10/1973, S. 30-33; hier S. 32. 193 Vgl. u. a. die Artikel in den Zeitschriften Spiegel 10/1973, S. 30-33 und Die Zeit 51/1973, S. 17. 189 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 39 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch bestehende Verhältnisse interpretiert“ werden sollte, sondern „auf die Befähigung der Schüler zur Selbst- und Mitbestimmung“ 194 abzielte. Der gemeinsame Bezugsrahmen der drei Fächer Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde „bei der Bestimmung gesellschaftlicher Wirklichkeit“ 195 sollte dabei über neu entwickelte Lernfelder hergestellt werden, die die Gesellschaft unter verschiedenen strukturellen Gesichtspunkten betrachten sollten: (1) der Sozialisation, als Abhängigkeit individueller Verhaltensformen von der Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft, (2) der Wirtschaft, d. h. von Herstellung, Verteilung und Verbrauch von Gütern, (3) vor dem Hintergrund institutioneller Machtausübung, also gesellschaftlicher Einrichtungen zur Organisation und Ausführung öffentlicher Aufgaben (Regierungssysteme, Verbände, Parteien), und (4) internationaler Beziehungen, d. h. der sozialen, ökonomischen, historischen und räumlichen Bedingungen für internationale Konflikte und deren Lösungen. 196 Die zentrale Position, die die neuen Lernfelder innerhalb der Rahmenrichtlinien einnehmen, wird darin deutlich, dass auch der Aufbau des neuen Lehrplans nicht mehr der Chronologie nach Jahrgangsstufen folgt, sondern sich an den vier Lernfeldern orientiert, innerhalb derer erst die weitere Unterteilung nach den Doppeljahrgangsstufen 5./6., 7./8. und 9./10. erfolgt. Zusätzlich zu dieser Gliederung in Lernfelder differenzieren die Rahmenrichtlinien die Lernzielbestimmungen auch weiterhin nach historischen, sozialkundlichen und geografischen Aspekten, um bei einem Unterricht in den Einzelfächern die „angestrebten Erkenntniszusammenhänge“ nicht voneinander zu trennen und damit die fachspezifischen Lernziele nicht in Widerspruch zu den allgemeinen Lernzielen des Lernbereichs 197 zu bringen. Der Stellenwert der Geschichte innerhalb des Lernbereichs sollte sich über die Frage bemessen, „inwiefern die Auseinandersetzung mit ‚Vergangenem‘ […] zu einer reflek198 tierten Einschätzung gegenwärtiger gesellschaftlicher Verhältnisse“ beitragen könne. Konkret bedeutete dies, dass „der Gegenwartsbezug geschichtlicher Fragestellungen 194 LP-HE-1972, S. 7. Vgl. Ebd., S. 11. 196 Zum ganzen Komplex der Lernfelder vgl. ebd., S. 11f. 197 Ebd., S. 12. Dieser Unterricht im Rahmen der bisherigen Fachgrenzen sollte jedoch nur dort stattfinden, „wo es aus organisatorischen und personellen Gründen noch nicht möglich ist, Gesellschaftslehre im Sinne der Rahmenrichtlinien als Lernbereich, in den die fachspezifischen Aspekte integriert sind, zu erteilen“, vgl. Ebd., S. 41. 198 Ebd., S. 18. 195 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 40 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch und Inhalte […] zur Grundlage für die Lernzielbestimmung“ 199 des Faches deklariert wurde. Ein Geschichtsunterricht, in dem Geschichte „als Ansammlung von objektiv gesicherten Daten und Tatsachen, die unabhängig […] von unserer jeweiligen gesellschaftlichen Interessenslage existieren“ 200 , und somit als abgeschlossene Vergangenheit gelehrt wird, lehnten die Autor/innen der Richtlinien ab. In diesem Sinne proklamierte der Lehrplan als ein Ziel des Geschichtsunterrichts die erkenntnis-theoretische Einsicht, „daß Grundlage des Geschichtsunterrichts historische Quellen, d. h. Formen der Überlieferung gesellschaftlicher Wirklichkeit, nicht aber diese Wirklichkeit selbst“ sollte. Der „Objektivitätsanspruch historischer Aussagen“ 202 201 sein müsse sich daher aus- schließlich daraus begründen, dass sie den geschichtswissenschaftlichen Methoden der Quellenkritik standhalten. Nur ein so entwickeltes reflektiertes Geschichtsbewusstsein trage, „indem es die geschichtlichen Bedingungen gegenwärtiger gesellschaftlicher Verhältnisse erhellt, zur Rationalität politischer Entscheidungen“ 203 bei und folge damit dem obersten Lernziel nach der Befähigung zu gesellschaftlicher Selbst- und Mitbestimmung. In Bezug auf die Frage mit welcher Unterrichtsorganisation und anhand welcher historischen Inhalte dieses Lernziel am besten erreicht werden könne, gelangen die Autor/innen im Gegensatz zu den vorherigen Lehrplänen zu der Feststellung, „daß ein Geschichtsunterricht, der sich an dem Prinzip der Chronologie orientiert oder im Sinne thematischer Längsschnitte angelegt ist, sein Ziel, gegenwartsbezogenes historisches 204 Bewußtsein aufzubauen, nicht erreicht“. Stattdessen wurde ein Ansatzpunkt verfolgt, der auf die entwickelten Lernfelder zurückgreift, sodass „auf jeder Jahrgangsstufe jedes der vier Lernfelder mindestens einmal Ausgangspunkt von Unterricht wird“ 205 . Indem innerhalb jedes Schuljahres in jedem Lernfeld Aspekte derselben Epoche vorkommen, sollte es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht werden, Verbindungen zwischen 199 Ebd. Ebd., S. 19. 201 Ebd. 202 Ebd., S. 20. 203 Vgl. ebd., S. 20f., Zitat ebd. 204 Vgl. ausführlich ebd., S. 21-23; Zitat, S. 22f. 205 Ebd., S. 36f; Zitat ebd., S. 36. 200 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 41 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch den zu verschiedenen Zeitpunkten im Unterricht thematisierten Gegenständen zu knüp206 fen. Durch die beschriebene Neuausrichtung und -strukturierung des Geschichtsunterrichts und seiner Inhalte muss auch das Lehnswesen innerhalb der neuen Lernfeldstruktur verortet werden, wobei dafür die Lernfelder II und III – Wirtschaft (Produktion– Distribution–Konsumption) und Öffentliche Aufgaben – in Betracht kommen. Das Lernfeld Wirtschaft nennt für das 5./6. Schuljahr unter dem Lernzielschwerpunkt „Schichtenspezifische Lebensverhältnisse und deren Veränderung“ die thematischen Stichpunkte „Stände im Mittelalter“ und „Klassen und Schichten im 19. Jahrhundert“ 207 . Ein Blick in die Ausführungen zum entsprechenden Lernzielschwerpunkt zeigt jedoch, dass damit nicht Gesellschaftsmodelle wie das Lehnswesen gemeint sind, sondern ein Vergleich von „Arbeitssituation, sozialem Status und Lebensverhältnissen an verschiedenen Punkten der historischen Entwicklung“. 208 Für das 7./8. Schuljahr des gleichen Lernfeldes sieht der Lehrplan unter dem Lernzielschwerpunkt „Grundlagen und Veränderungen feudal-agrarischer Produktionsfor209 men“ die Beschäftigung mit der „Grundherrschaft“ vor. Obwohl zwischen den The- men Grundherrschaft und Lehnswesen durchaus Anknüpfungspunkte vorhanden wären, 210 wird das Lehnswesen auch hier nicht erwähnt. Im Lernfeld Öffentliche Aufgaben finden sich für die 5./6. Jahrgangsstufe die Lernzielschwerpunkte „Unterprivilegierung in der Industriegesellschaft“ und „Einführung in die Funktion öffentlicher Institutionen (Umgang mit Behörden)“ 211 . Die vorgeschlage- nen Themenschwerpunkte weisen keine mittelalterlichen Inhalte auf. Für die 7./8. Jahrgangsstufe des Lernfeldes verhält es sich ähnlich. Da hier zum Zeitpunkt des Druckes noch keine Themenstichworte ausgearbeitet waren, wird darauf hingewiesen, dass es sich „vor allem ausgehend von den im Lernfeld II [Wirtschaft] für diese Jahrgangsstufe vorgesehenen Themenstichworten“ anböte, „die Veränderung der 206 Ebd., S. 28. Die Autor/innen bemerken dabei selbstkritisch, dass die Gewöhnung der Schülerinnen und Schüler an diese neue strukturbezogene Anlage des Unterrichts, „in der unter gegenwartsorientierten Fragestellungen verschiedene historische Phänomene sowohl zu verschiedenen Zeiten als auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichzeitigkeit miteinander in Beziehung gesetzt werden“, selbst erst als das Ergebnis eines Lernprozesses gesehen werden müsse, vgl. ebd. 207 Ebd., S. 143 208 Vgl. ebd., S. 149-151; Zitat, ebd., S. 149. 209 Ebd., S. 153. 210 Vgl. die Ausführungen ebd., S. 157-159. 211 Vgl. zur inhaltlichen und thematischen Ausrichtung dieser Lernzielschwerpunkte ebd., S. 203-217. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 42 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Funktion öffentlicher Einrichtungen in Zusammenhang zu sehen mit der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse“ 212 . Vor diesem Hintergrund würde sich die Behand- lung des Lehnswesens als herrschaftlichem Ordnungsprinzip in Bezug zur Grundherrschaft als agrarwirtschaftlicher Organisationsform in der 7./8. Klasse also durchaus anbieten. Ein Blick in die Ausführungen zeigt jedoch, dass sich die Autor/innen auch hier unter den genannten Lernzielschwerpunkten „demokratische Kontrolle öffentlicher Aufgaben und partikulare Interessen“, „öffentliche Aufgaben und gesellschaftspolitische Ziele“ und „Aufbringung und Verteilung öffentlicher Haushaltsmittel“ 213 – zu- mindest keine offensichtliche – Verbindungen zu mittelalterlichen Beispielen vorstellten. Insgesamt findet sich das Lehnswesen nur ein einziges Mal im Lehrplan. Zu Beginn wird in einer allgemeinen Einführung in die neuen Struktur als Beispiel für mögliche thematische Verknüpfungen und querverweise das Beispiel „Herrschaftsverhältnisse und Siedlungs- und Wohnformen (z. B. mittelalterlicher Lehensstaat – Fronhof, Burg, Pfalz, Absolutismus – Stadt; Residenz)“ 214 aufgeführt. In den unterrichtspraktischen Überlegungen sucht man dieses Beispiel dann jedoch vergebens. Kann es also sein, dass das Lehnswesen für knapp ein Jahrzehnt aus dem Schulunterricht und damit aus den Schulbüchern verschwand? Dass dies nicht der Fall war, zeigt sich bereits darin, dass der Lehrplan sich hinsichtlich einer Erneuerung der Arbeitsmaterialien pragmatisch zeigt, wenn er feststellt „die […] zur Verfügung stehenden Lehr- und Lernmittel“ seien „auf einen Unterricht hin konzipiert, der sich an einem für die einzelnen Jahrgangsklassen festgelegten Stoffpensum orientiert“ 215 . Die vorgegebe- nen Themenstichworte sollten daher „wenn auch unter anderen Fragestellungen“ 216 die Nutzung der vorhandenen Schulbücher noch ermöglichen. Gleichzeitig wird jedoch die Annahme geäußert, „daß in absehbarer Zeit auf der Grundlage der neuen Rahmenrichtlinien neue Arbeitsmaterialien entwickelt werden“, die vermehrt als Loseblattsammlungen, Arbeitsbögen oder Bild- und Tonmaterialien konzipiert sein sollen, durch die eine „möglichst selbstständige Erarbeitung von Einsichten und Erkenntniszusammenhängen 212 Ebd., S. 219. Ebd., S. 219-232. 214 Ebd., S. 24. 215 Ebd., S. 42, Zitat ebd. 216 Ebd. 213 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 43 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch durch die Schüler“ 217 gewährleistet werden sollen. Auch die Rahmenrichtlinien von 1973 führen diese Anmerkungen unverändert fort, ergänzen sie jedoch um die Feststellung, dass sich „die in der Ersten Auflage geäußerte Erwartung, ein Ergebnis der Diskussion des Entwurfs werde die Ergänzung und Verbesserung der Materialhinweise sein, […] bisher kaum erfüllt“ 218 habe. Ein Erlass vom 5. November 1973, der noch bis 1982 sämtlichen Schulbücherkatalogen beigegeben ist, weist zudem darauf hin, dass es „aus finanziellen und haushaltstechnischen Gründen“ nicht möglich sei, „an den Schulen vorhandene Lehrbücher unter Berufung auf die Rahmenrichtlinien auszusondern“ 219 . Weiter heißt es „die Bestände sind zunächst – wenn auch gegebenenfalls unter neuen Fragestellungen – zu nutzen und nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen zu gebrauchen“ 220 . Es sei zudem davon auszugehen, „daß die Entwicklung neuer Materialien […] in einem mehrjährigen Prozeß erfolgen wird […]. Während dieser Übergangsphase sollten die Schulen Beschlüsse über die Einführung neuer Lehrwerke sorgfältig vorbereiten, um Fehlinvestitionen zu vermeiden“ 221 . Doch offensichtlich führte der Wunsch des Ministeriums nach „flexibleren Arbeitsmaterialen“ nicht zu einer Abschaffung des klassischen Geschichtsschulbuches, wie sich anhand der entsprechenden Schulbuchkatalogen zeigen lässt. Auch nach neu eingeführten Materialien im Sinne der geforderten Loseblattsammlungen, Arbeitsbögen oder Bild- und Tonmaterialien sucht man vergeblich. Letztlich bildet sich in den Listen nicht einmal die Zusammenlegung der Fächer zur Gesellschaftslehre ab, die die drei Fächer nicht nur weiterhin getrennt voneinander, sondern nicht einmal zusammenhängend auf222 führen. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Rahmenrichtlinien die Behandlung des Lehnswesens zwar nicht direkt vorschrieben, dass jedoch aufgrund der fortlaufenden Nutzung alter Lehrwerke von einer Behandlung des Themas innerhalb der in den Schulbüchern vorgegebenen Struktur auszugehen ist, wenn davon ausgegangen wird, dass „eine quantitativ nicht zu unterschätzende Anzahl von Lehrkräften unabhängig vom 217 Ebd. Ebd., S. 55. 219 ABl-KM-HE 33.1980, Sondernummer, S. 7. 220 ABl-KM-HE 33.1980, Sondernummer, S. 7. 221 ABl-KM-HE 33.1980, Sondernummer, S. 7. 222 Zum gesamten Absatz vgl. SBK 1972/1973, 1973/1974, 1976/1977–1982/1983. 218 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 44 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch jeweils gültigen Lehrplan ein Kapitel nach dem anderen so durchnimmt, wie es im Schulbuch steht“ 223 . 3.2.4 Die Rahmenrichtlinien von 1982 Trotz verschiedener Modifikationen führen die Rahmenrichtlinien von 1982 weitgehend die Ansätze ihrer Vorgänger der 1970er Jahre fort, wie sich unter anderem an den all224 gemeinen Lernzielen des Lernbereichs zeigt. Seit ihrem ersten Erscheinen 1972 wa- ren die Richtlinien teilweise mehrmals jährlich überarbeitet und angepasst worden, sodass 1979 bereits eine 18. Fassung erschienen war. Als „nicht einfach“ bezeichnete es daher auch der hessische Kultusminister Hans Krollmann, die neuen Rahmenrichtlinien „unter Berücksichtigung der vielfältigen, oft kontroversen Ansichten der gesellschaftlichen Gruppen zu formulieren“. Als deren Grundlage dienten neben den vielen früheren Entwürfen, „zahlreiche Gutachten und Stellungnahmen verschiedener Verbände und Institutionen“ 225 . Auch der Lernbereich Gesellschaftslehre und damit die „grundsätzliche Entscheidung für eine ständige Ko226 operation dieser Fächer [Geschichte, Erdkunde, Sozialkunde]“ blieb im Lehrplan von 1982 bestehen. Bereits im Aufbau fällt jedoch als zentraler Unterschied zu den Rahmenrichtlinien von 1972 auf, dass die Strukturierung des Lehrplans nach Lernfeldern nicht fortgeführt wird. Stattdessen werden „didaktische und methodische Fragen“ sowie „Themenbereiche und Einzelfragen“ wieder den Einzelfächern zu- und untergeordnet. Überhaupt fällt auf, dass der in den Lehrplänen der 1970er Jahre so dominante Begriff des Lernfeldes im gesamten Inhaltsverzeichnis des neuen Lehrplans nicht mehr vorkommt. 227 Auch für das Fach Geschichte offenbaren sich Unterschiede zum Lehrplan von 1972. So enthält der Lehrplan wie in den Jahren zuvor eine Liste mit „verbindlichen Themenbereichen“, die zwar im Rahmen eines „offenen Curriculums“ verstanden wer- 223 Schinkel (2014), S. 485, die jedoch vermerkt, dass es bisher noch an Forschungsarbeiten fehlt, die diese These untermauern; vgl. auch Wiater (2005), S. 51; Schönemann/Thünemann (2010), S. 104f. 224 LE-HE-1982, S. 15. 225 Ebd., S. 5. 226 So zu lesen im Vorwort der Rahmenrichtlinien von 1982, LP-HE-1982, S. 5. 227 Vgl. das Inhaltsverzeichnis des Lehrplans, ebd., S. 3f. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 45 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch den, jedoch einer „Beliebigkeit und Gleichgültigkeit der Unterrichtsinhalte“ entgegen228 wirken sollten. In diesem Zuge findet auch das Lehnswesen wieder Einzug in den Lehrplan, genauer in den Themenbereich „Spätantike/frühes Mittelalter (ca. 1. bis 9. Jahrh.). Zusammenhang zwischen feudaler Wirtschafts-, Gesellschafts- und Herrschaftsordnung im Mittel229 alter“ . Unter den „Einzelfragen“ erscheint dort der Punkt: „Geburtsständische Gesell- schaft, Grundherrschaft und Lehenswesen“ mit den dazugehörigen „Unterrichtsgegenständen“ „Eigentum an Grund und Boden als Herrschaftsgrundlage; Entstehung der mittelalterlichen Stände und Veränderungen ihrer Lebensbedingungen in Abhängigkeit von der Entwicklung der Produktionsverhältnisse“ 230 . In der Themenliste führt der Lehrplan nach dem genannten Oberthema „Spätantike/frühes Mittelalter“ die Themenfelder „Hohes Mittelalter (Anfang 10. bis Mitte 13. Jahrhundert). Staat und Gesellschaft im Mittelalter“ und „Spätes Mittelalter (13. bis 15. Jahrhundert). Entwicklung von Städten als Folge und als Triebkraft gesellschaftlichen Wandels im Mittelalter und zu Be231 ginn der Neuzeit“ auf. Thematisch wird das Lehnswesen also wieder ausschließlich in seinem karolingischen Entstehungskontext verortet. Auf den ersten Blick scheint der Lehrplan mit dieser Anordnung wieder einen chronologischen Gang durch die Geschichte zu verordnen, wie er sich bereits im Lehrplan von 1956/57 wiederfindet, 232 und wie er von den Autor/innen der 1972er Richtlinien 233 noch scharf kritisiert worden war. Doch obwohl der neue Lehrplan festschreibt, dass „Geschichte als Wirkungs-, Sinn- und Problemzusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ auch „Einsicht in den chronologischen Zusammenhang“ ver234 langt, steht er auch bei der grundsätzlichen Beurteilung von Ziel und Wesen des Ge- schichtsunterrichts im Wesentlichen in der Tradition seiner Vorgängerrichtlinien. Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass sich die Nummerierung der Themenbereiche weder auf den Zeitpunkt, noch auf die Reihenfolge bezieht, in der die aufgeführten Inhalte im 228 Vgl. hierzu die Ausführungen in ebd., S. 26. Ebd., S. 27f. sowie ausführlicher S. 42f. 230 Ebd., S. 42f. 231 Vgl. ebd., S. 27f. sowie ausführlicher S. 42–45. 232 Vgl. Kap. 3.2.2. 233 Vgl. hierzu die Ausführungen in LP-HE-1972, S. 21-23. 234 LP-HE-1982, S. 34. 229 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 46 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Unterricht behandelt werden sollen, sondern nur einen Überblick über die zu behandelnden Themen vermitteln soll. Die Verteilung auf die einzelnen Jahrgangsstufen erfolgt dann in einem anderen Ab235 schnitt des Lehrplans. Ganz im Sinne des fächerübergreifenden Lernbereichs Gesell- schaftslehre, und gegen „beziehungsloses enzyklopädisches Einzelwissen“ 236 , fasst der Lehrplan dort verschiedene verbindliche Themenbereiche der drei Einzelfächer zu sogenannten Unterrichtseinheiten zusammen, die wiederum bestimmten Jahrgangsstufen zugeordnet werden. Dass die drei mittelalterlichen Themenkomplexe dabei nicht unbedingt hintereinander behandelt werden sollen, überrascht vor diesem Hintergrund nicht. Durchaus überraschend ist hingegen die Entscheidung der Autor/innen, den frühmittelalterlichen Themenblock nicht zusammen mit den anderen beiden Mittelalterkomplexen in den Jahrgangstufen 7./8. behandeln zu wollen, sondern seine Behandlung für die 237 Jahrgangsstufe 9./10. vorzusehen. Das Frühmittelalter soll hier gemeinsam mit den zwei Sozialkunde-Themenfeldern „Ursachen und Erscheinungsformen der Gesellschaftlichen Struktur, […] Gruppen, Schichten Klassen […]“ und „Möglichkeiten und Bedingungen des politisch-gesellschaftlichen Interessensausgleichs“ unterrichtet werden. Dadurch wird einerseits die klare Verortung des Lehnswesens als Modell innerhalb gesellschaftlicher Fragestellungen deutlich, andererseits das Thema von anderen mittelalterlichen Phänomenen isoliert, da sich das vorherige historische Themenfeld mit der geschichtlichen Entwicklung im nahen und fernen Osten und der Begründung der modernen Staatenwelt im 20. Jahrhundert befasst, das nachfolgende hingegen mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen in der Weimarer Republik und dem 238 Drittem Reich. Dies steht nicht nur im Gegensatz zu der von den Schülerinnen und Schülern verlangten „Einsicht in den chronologischen Zusammenhang“, 239 es bleibt zudem abzuwarten ob sich die neue Struktur auch in den traditionell chronologisch und nach Jahrgangsstufen ausgerichteten Schulbüchern wiederfindet. 235 Bei der ersten Lektüre kann diese unterschiedliche Anordnung auf den Leser verwirrend wirken, da die Darstellung der Themen sowohl in Kapitel 3 als auch in Kapitel 4 chronologisch und in einer Form erscheint, die derjenigen heutiger Lehrpläne – die allerdings damit auch die chronologische Behandlung der Themen vorschreiben, sehr ähnelt; vgl. LP-HE-1982, S. 27f. sowie S. 39–52. 236 Ebd., S. 33. 237 Ebd., S. 97f. u. 101. 238 Ebd., S. 100f. 239 Ebd., S. 34. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 47 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 3.2.5 Der Rahmenplan Geschichte von 1995 Vom fächerübergreifenden Lernbereich Gesellschaftslehre bleibt nach über zwei Jahrzehnten im Rahmenplan von 1995 nur noch die Formulierung, das Fach Geschichte trage „zusammen mit den Fächern Sozialkunde und Erdkunde zur politischen Bildung bei“ 240 . Ein Konzept zur direkten Zusammenlegung der drei Fächer wird nicht mehr verfolgt. Der Lehrplan beinhaltet demnach nur noch Verordnungen zum Fach Geschichte, in dem sich jedoch einige Ansätze der 1970er und 1980er Jahre im Lehrplan erhalten haben. So gibt der Lehrplan nur solche Unterrichtsthemen vor, „die in besonderer Weise geeignet scheinen, die historischen Voraussetzungen der gegenwärtigen Gesellschaft […] zu erhellen“ 241 . Die verschiedenen Themenbereiche sollen dabei durch Kategorien erschlossen werden, „deren analytische Perspektiven grundlegende Probleme menschlichen Zusammenlebens in Geschichte, Gegenwart und Zukunft bilden“ 242 . Auch diese Einteilung in die Kategorien wie „Herrschaft“, „Alltag und Zivilisation“ „Zwischengesellschaftliche Konflikte und Beziehungen“, „Ideologien und Interessen“ sowie „Geschichtsbilder“ 243 , erinnern noch grob an die Einteilung nach Lernfeldern der 1970er Jahre. Jedoch gibt es strukturelle Unterschiede im Aufbau der Unterrichtsinhalte, denn der neue Lehrplan schreibt von der 7. bis zur 10. Jahrgangsstufe die chronologische Behandlung europäischer Geschichte von der neolithischen Revolution bis zur Französischen Revolution (7./8. Klasse) und von dieser bis zur Gegenwart (9./10. Klasse) an244 hand von festgelegten Themenabschnitten vor. Die unter den Oberthemen befindli- chen Einzelthemen, sind jedoch im Gegensatz zum Lehrplan von 1956/57 nicht 245 chronologisch sortiert, sondern lediglich den oben genannten Kategorien zugeordnet. Innerhalb dieser finden sich wiederum ausschließlich strukturgeschichtlich gehaltene Themen, die nicht um konkrete Vorgaben zu einzelnen ereignisgeschichtlichen Inhalten ergänzt sind. Das Lehnswesen erscheint innerhalb des Oberthemas „Mittelalterliche Lebenswelten“ in der Kategorie „Herrschaft“, wo es unter dem Stichwort „Grundlagen mittelalter240 LP-HE-1995, S. 1. Vgl. ebd., S. 12f.; Zitat ebd., S. 13. 242 Vgl. ebd. 243 Vgl. ebd. 244 Vgl. die Ausführungen ebd., S. 23–36. 245 Vgl. hierzu ebd., S. 23. 241 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 48 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch licher Macht“ gemeinsam mit der Grundherrschaft aufgeführt wird. 246 Es wird somit zwar als strukturgeschichtliches Phänomen betrachtet und nicht explizit einem fränkischen Zusammenhang zugeordnet, da sich in derselben Kategorie neben „Kirchen und Klöster“ und der „Stadt im Mittelalter“ jedoch auch das Stichwort „das Frankenreich – ein europäisches Großreich“ wiederfindet, wäre eine Verbindung der beiden Themen im 247 Sinne eines karolingischen Lehnswesens jedoch durchaus vorstellbar. 3.2.6 Die Lehrpläne seit den 2000er Jahren Die Lehrpläne von 2003 folgen in ihrem inhaltlichen und didaktisch-methodischen Grundkonzept weitgehend dem Rahmenplan Geschichte von 1995, wobei einige Passa248 gen sogar wörtlich übernommen werden. Hinsichtlich des 1995 (wieder)eingeführten chronologischen Aufbaus des Geschichtsunterrichts sahen die Autor/innen von 2003 jedoch Bedarf darauf hinzuweisen, dass sich der Geschichtsunterricht „obwohl der Abfolge der Unterrichtsinhalte in den einzelnen Jahrgangsstufen […] das Prinzip der Chronologie zu Grunde liegt, […] nicht als ‚chronologischer Durchgang durch die Geschichte‘, sondern als problemorientiertes Arbeiten an ausgewählten Inhalten unter Beachtung ihrer jeweils spezifischen Form historischer Zeitlichkeit“ 249 vollziehen solle. Neu ist hingegen die Präsentation des unterrichtspraktischen Teils, in dem die verschiedenen Oberthemen, die dazugehörigen verbindlichen Unterrichtsinhalte sowie die neu hinzugekommenen „Fakultative[n] Unterrichtsinhalte“, inklusive der jeweils veranschlagten Unterrichtsstunden, nach Schuljahren geordnet, präsentiert werden. 250 Das Mittelalter wird demnach in der 8. Jahrgangsstufe in den zwei Unterrichtsabschnitten „Leben und Wirtschaften im Mittelalter“ und „Kampf um geistliche und weltliche Herr251 schaft“ in jeweils 11 Schulstunden behandelt. Als weiterer Unterschied zum Lehrplan 246 Vgl. ebd., S. 28. Auch der Lehrplan selber gibt hinsichtlich der Stichworte vor „Die den Erschließungskategorien zugeordneten Inhalte beschreiben jeweils den Bearbeitungshorizont des Themas. Sie verstehen sich als didaktischer Leitfaden für die Unterrichtsplanung und sind damit Grundlage einer Schwerpunktsetzung“, LP-HE-1995, S. 21. 248 Hierbei handelt es sich vor allem um Formulierungen aus dem allgemeinen Teil, in dem die allgemeinen Aufgaben, Ziele und Inhalte sowie die methodisch-didaktischen Grundlagen des Faches erläutert werden. Vgl. die allgemeinen Grundlagen des Faches, die dem unterrichtspraktischen Teil vorgestellt sind, LP-HE-1995, S. 5–15 und LP-HE-2003, S. 2–6c. 249 Vgl. LP-HE-2003, S. 4 sowie diese Formulierung übernehmend LE-HE-2008 (G8), LE-HE-2008 (G9), LE-HE-2010 (G8), LE-HE-2010 (G9), jeweils S. 4. 250 Vgl. LP-HE-2003, S. 7a–38. 251 Vgl. ebd., S. 14–17. 247 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 49 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch von 1995 offenbart sich hier, dass der neue Lehrplan in den verbindlichen Unterrichtsinhalten zusätzlich zu strukturbezogenen vereinzelt wieder ereignisgeschichtliche The252 men und Personen nennt. Das Lehnswesen befindet sich im ersten der beiden genannten Themenbereiche im Abschnitt „König, Adel und Rittertum“ und wird dort im Zusammenhang mit den Themen „Reisekönigtum, Pfalzordnung, Lehnswesen, Königsboten, Marken, Ministeriale, Fehde und Leben auf der Burg“ 253 genannt. Obwohl es damit offensichtlich weiterhin strukturgeschichtlich verstanden wird, zeigt sich über die Nachbarbegriffe „Reisekönigtum“, „Pfalzordnung“, „Königsboten“ und „Marken“ auch hier eine semantische Nähe zur Karolingerzeit. Die G9-Lehrpläne der Jahre 2008 und 2010 übernehmen diese Struktur, während bei den seit 2008 parallel erscheinenden Lehrplänen für die verkürzte Gymnasialzeit G8 die beiden mittelalterlichen Themenblöcke hier zur neuen Unterrichtseinheit „Lebensbedingungen der Menschen im Mittelalter“ zusammengezogen wurden. Dabei wurde auch die Behandlung des Mittelalters auf die 7. Jahrgangsstufe vorgezogen und die Gesamtstun254 denzahl auf 15 reduziert. Die Inhalte der Unterrichtseinheit ergeben sich im Wesent- lichen aus einer Zusammenfassung der ursprünglich auf die zwei genannten Abschnitte des Lehrplans von 2003 verteilten Themen. Das Lehnswesen wird im Abschnitt „Die Herausbildung des Frankenreichs und die Lebens- und Herrschaftsformen im Mittelalter“ behandelt und erscheint dort in einem Themengemisch ereignis-, und strukturgeschichtlicher Ansätze, das vom 5. bis zum 14. Jahrhundert reicht. Über die Nachbarthemen ist auch hier eine inhaltliche Zuordnung zu den Karolingern zu erkennen. 3.2.7 Zusammenfassung der Lehrplananalysen Es konnte gezeigt werden, dass sich Veränderungen innerhalb der Lehrpläne vor allem auf zwei Ebenen vollziehen. Zum einen hinsichtlich der grundlegenden konzeptionellen Ausrichtung des Geschichtsunterrichts. Hierbei wurde herausgestellt, dass bereits seit den 1950er Jahren die „gesellschaftlichen“ Aspekte des Geschichtsunterrichts im Verbund mit Erd- und Sozialkunde im Vordergrund stehen. Die Verbindung dieser drei 252 Dies ist beispielsweise im Themenbereich „Kampf um geistliche und weltliche Herrschaft“ der Fall, vgl. LP-HE-2003, S. 16, sowie in den beiden G8 Lehrplänen der Jahre 2008 und 2010, vgl. LE-HE2008 (G8), S. 16 und LE-HE-2010 (G8), S. 15. 253 LP-HE-2003, S. 14; LE-HE-2008 (G9), S. 14, LE-HE-2010 (G9), S. 17. 254 Vgl. LE-HE-2008 (G8), S. 16f. und LE-HE-2010 (G8), S. 15f. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 50 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Fächer fand ihren Höhepunkt in den 1970er und 1980er Jahren, als das Fach Geschichte im neuen Fächerverbund „Gesellschaftslehre“ aufging und offiziell nicht mehr als selbstständiges Fach bestand. Gleichzeitig wurde in dieser Zeit der Grundstein für einen modernen Geschichtsunterricht gelegt, in dem das Erlernen quellenkritischer Verfahren 255 im Mittelpunkt steht 256 – ein Grundsatz, der sich bis heute nicht geändert hat. Die zweite Ebene betrifft die Organisation und Verteilung der vorgegebenen Unterrichtsinhalte. Hier kann von Beginn an eine Kombination aus verlaufs- und strukturgeschichtlichen Ansätzen beobachtet werden. Die 1970er und 1980er Jahre markieren wiederum einen Einschnitt, indem auf jegliche Chronologie verzichtet wurde, zugunsten der fächerübergreifenden Strukturierung der Themen nach Lernfeldern. Trotz der Rückkehr zur chronologischen Menschheitsgeschichte überwiegen auch in den Lehrplänen seit den 1990er Jahren noch strukturgeschichtliche Ansätze, innerhalb derer die Inhalte jedoch häufig verlaufsgeschichtlich sortiert sind. Innerhalb der Organisation der Unterrichtsthemen weist das Lehnswesen jedoch weniger „örtliche“ und „zeitliche“ Konstanz auf, als sich dies aufgrund des ausbleibenden wissenschaftlichen Inputs von außen vermuten ließe. Während die Lehrpläne 1945 und 1982 das Lehnswesen klar dem Frankenreich zuordnen, findet sich 1956/57 ein strukturgeschichtlicher Ansatz ohne frühmittelalterliche Verbindung. Die Lehrpläne von 1972 und 1973 streichen das Lehnswesen scheinbar ganz aus ihren Unterrichtsinhalten. Ab 1995 ordnen die Lehrpläne das Thema schließlich nur noch strukturgeschichtlich ein, allerdings mit deutlichen inhaltlichen Bezügen zu den Karolingern. Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass es für Lehrplanautor/innen immer wieder eine Grundsatzentscheidung zu sein scheint, innerhalb welcher mittelalterlichen Themenfelder das Lehnswesen am besten zu verorten sei. Außer über die makrostrukturelle Einordung finden Zuordnungen dabei auch auf der Ebene der Kontextualisierung zu bestimmten Personen und Ereignissen statt. Aus den beobachteten Veränderungen in den Lehrplänen ergeben sich somit zwei Arten von Fragen an die Schulbücher, die im folgenden Kapitel noch genauer auszuführen sein werden: Zum einen Fragen nach der konzeptionellen Umsetzung sich wandelnder Vorstellungen von Geschichtsunterricht, zum anderen Fragen nach der thematischen Einbindung des Lehnswesens auf Grundlage der vorgegebene Themenstruktur der 255 256 Vgl. LP-HE-1972, S. 20; siehe auch die Ausführungen in Kap. 3.2.3. Vgl. Sauer (20087), S. 109–120. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 51 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Lehrpläne. Beiden Fragekomplexen liegt dabei die Frage zugrunde, ob und wie die Schulbuchverlage die Vorgaben aus dem Kultusministerium zu den verschiedenen Zeiten umsetzten und ob es sich dabei immer schon um eine beinahe passgenaue Übernahme der Lehrplanthemen handelte, wie dies bei aktuellen Schulbüchern der Fall zu sein 257 scheint. 4 Das Lehnswesen im Geschichtsschulbuch Das Schulbuch gilt bis heute als „Leitmedium des Geschichtsunterrichts“. 258 In ihm erfahren die Intentionen der Lehrpläne „eine weitreichende Interpretation und Präzisie259 rung.“ Da Lehrkräfte wissen, dass Schulbücher kultusministeriell zugelassen sind und somit „als geeignete und legitime Lehrplaninterpretation“ gelten können, finden sie im Unterrichtsalltag häufig mehr Beachtung als die ihnen unterliegenden bildungspoliti260 schen Vorgaben. ersatz“ 261 Damit werden Schulbücher bisweilen sogar zu einer Art „Lehrplan- . Berücksichtigt man zudem, dass Schulbücher in ihrem Entstehungsprozess vielfältigen Einflüssen verschiedener Akteure aus Politik, Wissenschaft, Verlagswirtschaft sowie anderer gesellschaftlicher Gruppen unterliegen, komplexe Konstruktionen angesehen werden. 263 262 müssen diese als sehr Über Ihre weite Verbreitung und häufi264 ge Nutzung, besonders im Geschichtsunterricht können sie als „Konstruktionen und zugleich auch Konstrukteure sozialer Ordnungen und gesellschaftlichen Wissens“ 265 gel- 257 Vgl. Clauss/Seidenfuß (2007a), S. 13–15; Clauss (2007), S. 19f.; vgl. auch die Ergebnisse bei Bühler (2011), S. 245–254; etwas zurückhaltender auch Biener (2014), S. 68. 258 Diese Bezeichnung kann als geflügeltes Wort der Schulbuchforschung gelten. Von den unzähligen Nennungen seien hier exemplarisch genannt: Schönemann/Thünemann (2010), S. 7, 9–20; Schinkel (2014), S. 482; Sauer (20087), S. 260; Becher (20074), S. 45; Clauss/Seidenfuß (2007a), S. 7; Buck (2008), S. 389. 259 Wiater (2005), S. 41 (Zitat ebd.), der sich dabei bezieht auf Vollstädt, Witlof u. a.: Lehrpläne im Schulalltag, Opladen 1999. 260 Vgl. Wiater (2005), S. 41 u. 51, Zitat ebd., S. 51 261 Vgl. ebd., S. 51; zu Schulbüchern als heimlichen Lehrplan vgl. auch Schönemann/Thünemann (2010), S. 104f.; Lässig (2010), S. 202. 262 Höhne (2002) S. 19, 61–65 fasst die verschiedenen Einflussfaktoren mit dem Begriff der „Diskursarena“ zusammen. 263 Vgl. Höhne (2002), insb. S. 18 sowie Lässig (2010), S. 200–203. 264 Im Forschungsprojekt „Competence and Academic Orientation in History Textbooks (CAOHT)“ (Laufzeit: 2015-2018) wird dieser in der Literatur häufig anzutreffenden Annahme anhand quantitativer und qualitativer Erhebungen an österreichischen Schulen mittlerweile (Stand 2017) empirisch nachgegangen. 265 Lässig (2010), S. 203. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 52 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch ten. Ihre Bedeutung für den Geschichtsunterricht und für das einem Großteil der Bevölkerung zugrundeliegenden Geschichtsbild kann also kaum überschätzt werden. Bei der folgenden Analyse wird innerhalb der Bücher jeweils nur derjenige Abschnitt berücksichtigt, der sich explizit mit dem Lehnswesen als mittelalterlichem Ordnungssystem beschäftigt, unabhängig von dessen Zuordnung zu einem bestimmten thematischen Kapitel und von sonstigen inhaltlichen Bezügen zum Thema. 266 Da beim Medium Schulbuch historischer Sinn erst über das Zusammenspiel verschiedener Ele267 mente konstituiert wird, werden innerhalb des definierten Bereichs wiederum sämtli- che für Geschichtsschulbücher als konstitutiv geltende Medienbausteine hinsichtlich ihrer Darstellungen vom Lehnswesen in die Analyse mit einbezogen, also Verfasserbzw. Autorentexte, Fremdtexte – also z. B. schriftliche Quellen und historische Darstellungen, die von anderen Autor/innen verfasst worden sind – sowie sämtliches visuelles Material, inklusive Bildquellen, Illustrationen, Modelle und Schemata etc. Da es sich nicht um eine Untersuchung unter fachdidaktischen Gesichtspunkten handelt, werden die in der fachdidaktischen Literatur eine wichtige Position einnehmenden Arbeitsaufträge nur dann in die Analyse einbezogen, wenn sich aus ihnen wichtige Aspekte hinsichtlich der Fragestellung ergeben. Ebenso werden weitere erst in neueren Schulbüchern zu findende Präsentationsbausteine, wie Auftaktdoppelseiten und Kapitelzusammenfassungen nicht berücksichtigt, da sie in keinem der untersuchten Fälle explizit das Unterkapitel zum Lehnswesen einleiten und auch sonst keinen erkennbaren Einfluss auf die konkrete Darstellung des Lehnswesens haben. Auch andere paratextuelle Elemente, wie Glossare, Register und die sich seit den 2000er Jahren etablierenden kapiteleigenen 268 Methodenteile werden nicht berücksichtigt. Unter den in die Analyse einbezogenen Elementen nehmen die überblicksartig konzipierten Verfassertexte eine herausragende Position ein, da sie als „Kernbausteine des Darstellungsteils“ 269 einen – in älteren Schulbüchern sogar den einzigen – Orientie- rungsrahmen für das behandelte Thema darstellen. Sie sind außerdem die einzigen Me266 Wenn nicht explizit anders angegeben, beziehen sich daher auch die Verweise auf die untersuchten Schulbücher in den Fußnoten daher immer auf die Seiten des jeweiligen Abschnittes, die den Übersichtstabellen des jeweiligen Abschnittes entnommen werden können. 267 Pandel (20112); 16; Kühberger (2010), 43f.; Schönemann/Thünemann (2010), 81. 268 Zu den in diesem Absatz genannten verschiedenen Präsentationsbausteinen vgl. exemplarisch die erläuternden Auflistungen bei Sauer (20087), S. 260–267; Schönemann/Thünemann (2010), S. 81–98, insb. 82 sowie Pandel (20112), S. 18. 269 Schönemann/Thünemann, S. 84. Zu Aufgaben und damit verbundenen Problemen dieses Texttyps, vgl. ebd., S. 84–86, sowie Sauer (20087), S. 260f. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 53 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch dienbausteine, die – bis auf eine Ausnahme 270 – in allen Schulbüchern vorkommen. Umfang und Art der Darbietung können innerhalb der untersuchten Zeitspanne und von Schulbuch zu Schulbuch stark variieren. Durch ihren argumentativen Aufbau, durch den sich am offenkundigsten die individuellen gestalterischen und wertenden Freiheiten des Schulbuchautors im Sinne einer historischen Meistererzählung widerspiegeln, bieten sie dem Leser ein suggestives Deutungsangebot, nicht nur für das behandelte Thema, sondern auch für eventuell vorhandene Arbeitsmaterialien und sonstige visuelle Elemente. 271 Da sich die Medienbausteine „im Prozess historischer Sinnbildung“ gegenseitig beeinflussen“ 272 , können jedoch auch Text- und Bildquellen „alternative Möglichkeiten 273 der Vergangenheitsdeutung “ aufzeigen. Auf Grundlage der in Kapitel 3 und 4 beschriebenen Vorgaben und Vorstellungen der Lehrpläne und der Mediävistik wird im Folgenden ein Fragenkatalog entwickelt, der sich wiederum in verschiedene Untersuchungskategorien unterteilen lässt. Aus den 274 Lehrplänen ließen sich dabei zwei Arten von Fragen an die Bücher ableiten. Die ers- ten betreffen vor allem Vorstellungen von Geschichtsunterricht und dessen Umsetzung:  Wie macht sich der aufgezeigte Paradigmenwechsel von einem beschreibenden hin zu einem entdeckenden Geschichtsunterricht, in dessen Zentrum die Arbeit mit historischen Quellen steht, in den Büchern bemerkbar?  Seit wann und in welcher Form lassen sich diesbezüglich Text- und Bildquellen oder andere Schemata in den Schulbüchern finden?  Inwiefern werden diese nur illustrativ eingesetzt oder dienen sie tatsäch275 lich zur selbstständigen Erarbeitung des Sachverhalts? Die zweite Kategorie betrifft die strukturelle Einbindung des Lehnswesens in das Thema Mittelalter: 270 Ausnahme bildet das reine „Arbeitsbuch“ Fragen an die Geschichte (1975), das aufgrund seiner ausschließlichen Beschränkung auf Quellen in der Schulbuchforschung auch als Paradebeispiel für diesen Schulbuchtypus gilt, vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 92–96. Siehe auch die entsprechenden Ausführungen in Kap. 4.2.1 dieser Arbeit. 271 Vgl. Sauer (20087), S. 260f. 272 Vgl. Pandel (20112) S. 16; Kühberger (2010), S. 43f.; Schönemann/Thünemann (2010), S. 81. 273 Vgl. ebd., S. 86. 274 Siehe die Ausführungen in Kap. 3.2.7. 275 Zu dieser verschiedenen Verwendung von Quellen in Geschichtsbüchern vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 70. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 54 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch  Folgen die Schulbücher zwischen 1956/57 und 1972 der Einbindung des Lehnswesens in einen gesamtmittelalterlichen Kontext – also ohne direkten karolingischen Bezug?  Wie verhalten sich die Schulbücher in Bezug auf die strukturgeschichtliche Einbindung des Lehnswesens mit thematischer Nähe zum Frankenreich ab den Lehrplänen 1995?  Spiegeln sich in diesem Zusammenhang auch das „Abschaffen“ des Lehnswesens (1972–1982) oder die Änderungen in der Jahrgangsstufe (1982–1995) in den Schulbüchern wider?  Inwiefern richten sich die Schulbücher bei der thematischen Einbindung des Lehnswesens überhaupt nach den Lehrplänen? Von fachwissenschaftlicher Seite werden die Darstellungen zum Lehnswesen vor allem auf ihre Übereinstimmung mit dem jeweils etablierten Forschungsstand hin untersucht. Dabei wird unter anderem darauf geschaut, welche Aspekte des Lehnswesens die Schulbücher hervorheben:  Lassen sich in den Darstellungen insgesamt oder innerhalb eines Untersuchungszeitraums einheitliche Erzählkonzepte vom Lehnswesen erkennen?  Inwiefern spielen in diesem Zusammenhang – auch über die Auswahl der Quellen – inhaltliche Zuordnungen zum Frühmittelalter (Franken), Hochmittelalter oder Spätmittelalter (Sachsenspiegel) eine Rolle? Die wichtigsten Fragen ergeben sich jedoch aus erkennbaren Veränderungen und Neubewertungen innerhalb der Mediävistik:  Wird die bereits ab 1962 erfolgte Anzweiflung des hochmittelalterlichen Leihezwangs in den Büchern berücksichtigt?  Wird die Forschungsdiskussion seit den 1990er Jahren in den Büchern rezipiert?  Spiegeln aktuelle Schulbücher in diesem Zusammenhang auch den aktuellen Stand der Wissenschaft wider? Zusätzlich zu den Lehrplänen und der Fachwissenschaft wird noch ein dritter Einflussfaktor auf Schulbuchinhalten angenommen: das unternehmerische Interesse vonseiten der Bildungsverlage. Zu diesem gehört auch das Interesse der individuellen Marktpositionierung und der Abgrenzung zur Konkurrenz. Nach der Bearbeitung des entwickelten urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 55 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Fragekatalogs wird daher zusätzlich untersucht, ob sich anhand der Analyse der verschiedenen Darstellungen eines Abschnittes auch bestimmte Verlags- und Reihenspezifika erkennen lassen.  Inwiefern lässt sich innerhalb einer Reihe die Wiederverwendung von bereits vorhandenen Inhalten, wie Texten und Bildern feststellen?  Wann und wie werden diese überarbeitet?  Lassen sich außerdem Parallelen zwischen den Verlagen/Reihen innerhalb eines Abschnittes feststellen? Der vorgestellte Fragenkatalog bildet die Basis für die folgende Analyse der über die Korpusbildung definierten Schulbuchkapitel zum Lehnswesen. Der Einteilung des Katalogs entspricht die Gliederung der jeweiligen Untersuchungsabschnitte. Um ein anachronistisches Vorgehen zu vermeiden, werden dabei nicht immer alle Fragen in jedem der Zeitabschnitt angewendet, auch wenn es dadurch zu einer unterschiedlichen Gewichtung der einzelnen Unterkapitel innerhalb der verschiedenen Untersuchungszeiträume kommt. 4.1 Untersuchungszeitraum I (1950er – 1970er Jahre) Der erste Untersuchungszeitraum umfasst die Zeit von der Gründung der Bundesrepublik bis in die 1970er Jahre, auch wenn eine der Reihen noch bis 1983 zugelassen war. 276 Die Reihe Wege der Völker 277 bzw. ihr direkter Nachfolger Spiegel der Zeiten ist mit insgesamt 35 Jahren (1948–1983) unter allen Büchern für die gymnasiale Mittelstufe am längsten in den Schulbuchlisten verzeichnet. Zuerst erschienen im Pädagogischen Verlag Berthold Schulz wurde die Reihe ab 1953 bei Diesterweg weiterverlegt und 276 Wege der Völker. Geschichtsbuch für deutsche Schulen, Bd. II (für das sechste Schuljahr): Aufstieg. Geschichte des Altertums und des Mittelalters, bearb. v. Waldemar Hoffmann, Georg Schulz, Berlin: Pädagogischer Verlag Berthold Schulz 1948; Wege der Völker – Ausg. B, Bd. II: Aufstieg. Geschichte des Altertums und des Mittelalters, bearb. v. Waldemar Hoffmann, Georg Schulz, Berlin: Pädagogischer Verlag Berthold Schulz 1950; Wege der Völker – Ausg. A/B, Bd. II: Geschichte des Altertums und des Mittelalters, hrsg. von einer Arbeitsgruppe deutscher Geschichtslehrer, Leiter Fritz Wuesing, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1953. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 1. 277 Spiegel der Zeiten. Geschichtsbuch für deutsche Schulen, Bd. III: Vom Mittelalter zur Neuzeit, bearb. v. Georg Lange, Otto Röthig, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1958; Spiegel der Zeiten, Bd. III: Vom Mittelalter zur Neuzeit, bearb. v. Georg Lange, Otto Röthig, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1964; Spiegel der Zeiten – Ausgabe A, Bd. III: Vom Mittelalter zur Neuzeit, bearb. v. Georg Lange, Otto Röthig, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1966; Spiegel der Zeiten. Lehr- und Arbeitsbuch für den Geschichtsunterricht – Ausg. B., Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, bearb. Hejo Busley, Franz Bahl, Frankfurt/Berlin/München: Verlag Moritz Diesterweg 1969. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 1. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 56 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 1958 umbenannt. Auch die beiden anderen untersuchten Reihen Grundzüge der Geschichte 278 und Geschichtliche Unterrichtswerk für die Mittelklassen 279 zählen zu den am längsten zugelassenen Geschichtsbüchern Hessens. Bei der ersten Ausgabe des Geschichtlichen Unterrichtswerks für die Mittelklassen, erschienen noch im LehrmittelVerlag Offenburg, handelt es sich dabei um die Neubearbeitung eines Unterrichtswerkes, das bereits Ende der 1920er Jahre „im Unterricht der Höheren Schulen und Mittelschulen weithin Verbreitung und Anerkennung gefunden“ 280 hatte. Nach der Übernah- me durch den Klett Verlag erfolgte ab 1953 eine Umbenennung in Kletts Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen. Inklusive der verschiedenen Neuauflagen und Ausgaben wurden damit im ersten Untersuchungsabschnitt 16 Schulbücher einbezogen (Tab. 1). 278 Grundzüge der Geschichte, Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, bearb. v. O. Ebding, K. Sigrist, Frankfurt/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1950; Grundzüge der Geschichte, Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, bearb. v. M. Plocher, H. Schneider, K. Sigrist, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1956; Grundzüge der Geschichte, Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, bearb. v. H. Schneider, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1960; Grundzüge der Geschichte. Sekundarstufe I (Gymnasium), Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, hrsg. v. Eugen Kaier, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1975. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 1. 279 Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen, Bd. II: Geschichte des Abendlandes von der germanischen Frühzeit bis 1648, bearb. v. Karl Krüger, Offenburg: Lehrmittelverlag 1951; Kletts Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen – Ausg. A, Bd. II: Geschichte des Abendlandes von der germanischen Frühzeit bis 1648, bearb. v. Karl Krüger, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1954; Kletts Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen – Ausg. B, Bd. II: Aus Mittelalter und Neuzeit, bearb. v. Karl Krüger, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1955; Kletts Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen – Ausg. C, Bd. 2: Mittelalter und frühe Neuzeit, bearb. v. Karl Krüger, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1966. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 1. 280 Gemeint ist das Schulbuch „Deutsche Geschichte von den Anfängen bis zum Westfälischen Frieden“, das in den Jahren 1926 und 1932 im B. G. Teubner Verlag erschienen war. Vgl. die Ausführungen im Vorwort von Geschichtl. Unterrichtswerk (1951), Zitat ebd. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 Tab. 1: Die Schulbücher des Untersuchungsabschnitts I inklusive ihrer Einbindung des Lehnswesens Band Verlag Buchtitel Makro Kapitel Unterkapitel Abschnitt Seiten* Kap. vorher Kap. nachher 2 Diesterweg Vom Frankenreich bis zum westfälischen Frieden Erster Teil: Das Reich der Franken I. Die Ausbreitung der Westgermanen 3. Das Lehnswesen 10-12 (11-12) 2. Vorherrschaft der Franken 4. Karolingische Hausmeier Grundzüge der Geschichte (1956) 2 Diesterweg Vom Frankenreich bis zum westfälischen Frieden Erster Teil: Das Reich der Franken IV. Karl der Große. Vom Frankenreich zum abendländischen Kaisertum 4. Das Lehnswesen 15-17 3. Festigung des Reiches V. Die karolingischen Nachfolge-staaten Grundzüge der Geschichte (1960) 2A Diesterweg Vom Frankenreich bis zum westfälischen Frieden Erster Teil: Das Reich der Franken IV. Karl der Große. Vom Frankenreich zum abendländischen Kaisertum 4. Das Lehnswesen 15-17 3. Festigung des Reiches V. Die karolingischen Nachfolgestaaten Grundzüge der Geschichte (1964) 2B Diesterweg Vom Frankenreich bis zum westfälischen Frieden Erstes Kapitel: Vom fränkischen Königtum zum abendländischen Kaiserreich III. Lehnswesen und Grundherrschaft 1. Lehnsmannen als Krieger und Beamte 25-28 II./4. Das Kaisertum Karls des Großen 2. Grundherren, freie Bauern, Hörige und Leibeigene Grundzüge der Geschichte (1975) 2 Diesterweg Vom Frankenreich bis zum westfälischen Frieden Erstes Kapitel: Vom fränkischen Königtum zum abendländischen Kaiserreich III. Lehnswesen und Grundherrschaft 1. Lehnsmannen als Krieger und Beamte 25-28 II./4. Das Kaisertum Karls des Großen 2. Grundherren, freie Bauern, Hörige und Leibeigene Geschichtl. Unterrichtswerk (1951) II Klett Geschichte des Abendlandes von der germanischen Frühzeit B. Vom Altertum zum Mittelalter V. Das Frankenreich 5. Grundherrschaften und Lehnswesen 52-53 (53) 4. Das Bauerntum 6. Der Verfall des Reiches Geschichtl. Unterrichtswerk (1954) II A Klett Geschichte des Abendlandes von der germanischen Frühzeit B. Vom Altertum zum Mittelalter V. Das Frankenreich 5. Grundherrschaften und Lehnswesen 51-52 (52) 4. Das Bauerntum 6. Der Verfall des Reiches 57 * Falls von den Seitenzahlen der Kapitel abweichend, stehen In Klammern die Seiten in denen das Lehnswesen explizit behandelt wird. Christoph Bramann Eckert. Working Papers 2017/2 Grundzüge der Geschichte (1950) Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch urn:nbn:de:0220-2017-0228 Kurztitel (Fortsetzung Tabelle 1) Band Verlag Buchtitel Makro Kapitel Unterkapitel Abschnitt Seiten* Kap. vorher Kap. nachher II B Klett Aus Mittelalter und Neuzeit B. Vom Werden des Abendlandes V. Das Frankenreich 5. Grundherrschaften und Lehnswesen 55-56 (56) 4. Das Bauerntum 6. Der Verfall des Reiches Geschichtl. Unterrichtswerk (1966) II C Klett Mittelalter und frühe Neuzeit A. Das Abendland im Mittelalter I. Das Reich der Franken 3. Die Bauern, die Grundherrschaft, das Lehnswesen 11-14 (13) 2. Die ersten Karolinger 4. Karl der Große und seine Zeit Wege der Völker (1948) II Schulz Aufstieg: Geschichte des Altertums und des Mittelalters II. Mittelalter 3. Der Feudalismus Der Feudalismus ein Bürge für Ordnung in einer ungeordneten Welt 162-164 (162-163) Die germanischen Staaten auf römischem Boden Die wirtschaftliche Seite des Feudalismus Wege der Völker (1950) II B Schulz Aufstieg: Geschichte des Altertums und des Mittelalters II. Das Mittel-alter 8. Das Lehnswesen 70-71 7. Der Bauer und der Gutsherr 9. Das Rittertum Wege der Völker (1953) II A/B Diesterweg Geschichte des Altertums und des Mittelalters II. Das Mittelalter 8. Das Lehnswesen 72-73 7. Der Bauer und der Gutsherr 9. Das Rittertum Spiegel der Zeiten (1958) III Diesterweg Vom Mittelalter zur Neuzeit II. Fürsten, Bauern und Bürger im Mittelalter 1. Lehnswesen, Grundherrschaft und Bauerntum 25-29 (25-27) I/4. Blüte und Untergang des staufischen Adelsgeschlechts 2. die Mittelalterliche Stadt Spiegel der Zeiten (1964) III Diesterweg Vom Mittelalter zur Neuzeit II. Fürsten, Bauern und Bürger im Mittelalter 1. Lehnswesen, Grundherrschaft und Bauerntum 25-29 (25-27) I/4. Blüte und Untergang des staufischen Adelsgeschlechts 2. die Mittelalterliche Stadt Spiegel der Zeiten (1966) III A Diesterweg Vom Mittelalter zur Neuzeit II. Fürsten, Bauern und Bürger im Mittelalter 1. Lehnswesen, Grundherrschaft und Bauerntum 25-29 (25-27) I/4. Blüte und Untergang des staufischen Adelsgeschlechts 2. die Mittelalterliche Stadt Spiegel der Zeiten (1969) 2B Diesterweg Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden II. Das Reich Karls des Großen 3. Lehnsherr und Lehnsmann 13-15 2. Grenzen, Grafen Königsboten 4. Die bäuerliche Welt Christoph Bramann * Falls von den Seitenzahlen der Kapitel abweichend stehen In Klammern die Seiten, in denen das Lehnswesen explizit behandelt wird. 58 Eckert. Working Papers 2017/2 Geschichtl. Unterrichtswerk (1955) Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch urn:nbn:de:0220-2017-0228 Kurztitel 59 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 4.1.1 Konzeptionelle Gestaltung Während es sich bei aktuellen Schulbüchern klassischerweise um kombinierte Lernund Arbeitsbücher handelt, in denen verschiedene textliche und bildliche/grafische 281 „Bausteine“ miteinander kombiniert werden, handelt es sich beim Schulbuchtyp die282 ses Untersuchungszeitraums größtenteils um den „klassischen Leitfaden“. Die Dar- stellungen bestehen vorwiegend aus Verfassertexten, die in manchen Fällen ergänzt werden „durch anschauliche Geschichtserzählungen die dem Lernenden Vergangenes 283 vergegenwärtigen sollten“. Entstanden war dieser Schulbuchtypus im 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund des sich neu entwickelnden Historismus, der die Geschichte als „ein Bildungs- und Gesinnungsfach zur Förderung des historischen Verständnisses und zur Stiftung nationaler Identität“ auffasste und damit im Gegensatz stand zur utilitaristischen Geschichtsauffassung der Aufklärung, nach der Geschichte „ein Memorierfach 284 mit direktem Nutzen für die persönliche Lebensbildung“ gewesen war. Dieser natio285 nalidentitätsstiftende Stil blieb teilweise noch bis in die 1960 Jahre maßgeblich. Die lange „aktive“ Zeitspanne der Reihen bedingt, dass sich in ihr verschiedene Stadien der Themenpräsentation erkennen lassen. Die Texte der späten 1940er und frühen 1950er Jahre folgen dabei noch einem „literarischen“ Erzählstil, wie er sich anschaulich in Formulierungen, wie „Die Wogen der germanischen Völkerwanderung waren verebbt. Da bedrängten die Fluten arabischer Stämme die Grenzen des Abendlandes“ 286 zeigt. In Wege der Völker werden Schülerinnen und Schüler sogar durch Zusätze wie 287 „Ihr wißt, daß (…)“ oder „Wie ihr wißt, (…)“ direkt angesprochen. Bereits ab Ende der 1950er Jahre lässt sich jedoch beobachten, dass der erzählerische Charakter der Texte in allen Reihen abnimmt zugunsten eines sachlicheren Stils. Jedoch bietet eine Reihe zu diesen Texten noch bis Mitte der 1960er Jahre zusätzlich 281 Vgl. ausführlich Schönemann/Thünemann (2010), S. 81–98; Sauer (20087), S. 260–262. Zur Definition und Geschichte dieses Schulbuchtyps vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 55–62; sowie Becher (20074), S. 47–50. 283 Becher (20074), S. 50. 284 Vgl. Schönermann/Thünemann (2010), S. 59–61. Zitate, S. 61. 285 Vgl. die Ausführungen bei Becher (20074), S. 50 sowie Schönemann/Thünemann (2010), S. 59. 286 Grundzüge der Geschichte (1950), S. 13. 287 Vgl. Wege der Völker (1948), S. 161 u. 162. Hier spiegelt sich allerdings zusätzlich die ursprüngliche Konzeption des Werkes auf das 6. Schuljahr wieder. 282 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 60 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Geschichtserzählungen an, die „den Schülern […] das Verständnis für diesen manchmal schwer zugänglichen Zeitraum“ 288 erleichtern sollen. Entwicklungen in den Darstellungskonzepten zeigen sich in erster Linie in der allmählichen Ergänzung der Texte durch zusätzliche Präsentationsbausteine. Vor allem im Bildgebrauch lassen sich Veränderungen feststellen, die jedoch bei den untersuchten Werken durchaus unterschiedlich ausfallen. Die ersten Ausgaben zeigen dabei entweder 289 gar keine Abbildungen, 290 wenige Zeichnungen oder bereits schwarz-weiß Fotos his- torischer Orte und vereinzelte Rekonstruktionszeichnungen. 291 Nach Inkrafttreten der Bildungspläne von 1956/1957, die den Arbeitsunterricht als „wesentliches Verfahren jeder Schule“ 292 vorschrieben, finden ab Ende der 1950er Jahre auch vermehrt „histori- sche“ Abbildungen wie Federzeichnungen und Kupferstiche Einzug in die Darstellungen, 293 die ab Mitte der 1960er Jahre dann auch farbig werden. 294 Hierbei finden sich auch Beispiele für einen zur reinen Illustration gebräuchlichen dokumentierenden Bebilderungsstil, für den das Abgebildete nur „irgendwie alt“ sein musste, um den Ein295 druck historischer Authentizität zu vermitteln. Direkt zum Lehnwesen finden sich keine solchen illustrativen Bilder, auch wenn 296 diese manchmal innerhalb der Darstellung abgebildet sind. Es handelt sich also ver- mehrt um eine illustrative Bebilderung angrenzender Themen. 297 Allerdings beginnen die jeweils letzten Neuauflagen der Reihen in den 1960er Jahren bereits auch vermehrt Bildquellen zu verwenden – jedoch nicht zum Lehnswesen –, sodass sie in ihrem äuße- 288 Spiegel der Zeiten I/II (1959), Vorwort. Solche Erzähltexte finden sich vor allem noch in Spiegel der Zeiten (1958, 1964, 1966). 289 Grundzüge der Geschichte (1950). 290 Wege der Völker (1948, 1950, 1953). 291 Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955); Grundzüge der Geschichte (ab 1956). 292 LP-HE-1956 (I), S. 105. 293 Spiegel der Zeiten (1958); Grundzüge der Geschichte (ab 1964). 294 Geschichtl. Unterrichtswerk (1966); Spiegel der Zeiten (1969); Grundzüge der Geschichte (1975). 295 Auffälligstes Beispiel ist die Abbildung eine Gemäldes Albrecht Dürers „Kaiser Karl der Große“ von 1511/12, abgedruckt in schwarz-weiß, in Geschichtl. Unterrichtswerk (1955), S. 55. Zu diesem Bebilderungsstil im Allgemeinen, vgl. Jussen (2013), S. 275. 296 Z. B. ein Foto der „Königshalle in Lorsch“ in Grundzüge der Geschichte (1956), S. 16, und Albrecht Dürers „Kaiser Karl der Große“, in Geschichtl. Unterrichtswerk (1955), S. 55. 297 Bespiele hierfür sind Illustrationen der „Burg Steinsberg“ und von „Rittern im 12. Jhdt.“, in: Wege der Völker (1948); Holzschnitte und Kupferstiche zur Grundherrschaft aus dem 15./16. Jhdt., in: Spiegel der Zeiten (1958, 1964 und 1966) oder auch Dürers „Kaiser Karl der Große“, in: Geschichtl. Unterr. f. Mittelklassen (1955), S. 55. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 61 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 298 ren Erscheinungsbild durchaus bereits modernen Schulbüchern ähneln. In der letzten Ausgabe von Grundzüge der Geschichte 1975 wird schließlich sogar darauf verwiesen, dass „das umfangreiche zeitgenössische Bildmaterial […] nicht nur die Anschaulichkeit des Dargestellten illustrativ erhöhen, sondern auch das arbeitsunterrichtliche Verfahren erleichtern“ 299 soll – eine Formulierung, die wohl auf die neuen Lehrpläne von 300 1972/1973 und die darin geforderte Quellenarbeit zurückzuführen ist. Zusätzlich zu diesen Abbildungen hält in diesem Untersuchungsabschnitt erstmals 301 ein Schema Einzug in die Schulbücher, das bis heute wie kein anderes das öffentliche 302 Bild vom Lehnswesen prägt: Die Lehnspyramide. Das Schaubild geht auf die soge- nannte Heerschildordnung des Sachsenspiegels zurück, die in diesem als adlige „Rangordnung […] unter Gesichtspunkten des Lehnsrechts“ Darstellung kann dabei sowohl mit, 304 als auch ohne 303 305 entworfen worden war. Die einer untersten Bauernschicht erfolgen, die die Lehnspyramide mithin zu einer Art Gesellschaftspyramide der Feudal306 zeit werden lässt. Die Pyramiden unterschieden sich von Beginn an hinsichtlich ihrer Komplexität, Beschriftung und grafischen Ausgestaltung. Das Spektrum reicht von einem einfachen schematischen Dreieck, das in die Bereiche König, Königsvasallen und Unter307 (After)Vasallen unterteilt ist, über eine mit einzelnen Figuren „bestückte“, aber unbe308 schriftete vierstufige Darstellung, bis hin zu bebilderten und beschrifteten Pyramiden mit Volks- oder Bauern-„Sockel“ und der spätmittelalterlichen Kaiserkrone als Spit- 298 Grundzüge der Geschichte (1964); Geschichtl. Unterrichtswerk (1966; Spiegel der Zeiten (1969). Grundzüge der Geschichte (1975), Vorwort. 300 In der ersten, von der Bildauswahl her deckungsgleichen – der Unterschied beläuft sich auf schwarzweiß gegen farbig – Ausgabe von 1964 findet sich der entsprechende Passus im Vorwort noch nicht. 301 Im Untersuchungskorpus erstmals in Geschichtl. Unterrichtswerk f. d. Mittelklassen B II (1955), S. 56. 302 Vgl. grundlegend Boockmann (1992). 303 Vgl. Boockmann (1992), S. 362f. (Zitat ebd., S. 362); Patzold (2012), S. 107f.; Spieß (2002), S. 25– 27, der gleichzeitig den Versuch einer „korrekten“ Visualisierung des Heerschilds unternimmt, vgl. ebd., S. 27. 304 Geschichtl. Unterrichtswerk (1955 u. 1966), Grundzüge der Geschichte (1964 u. 1975). 305 Spiegel der Zeiten (1969). 306 Vgl. Boockmann (1992), S. 365f. Zur Kritik an dieser Art der Darstellung siehe die entsprechende Ausführungen in Kap. 4.3.1. 307 Spiegel der Zeiten (1969). 308 Geschichtl. Unterrichtswerk (1966). Einige der Figuren können dabei stilistisch den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels zugeordnet werden. 299 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 62 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 309 ze. Bei den bebilderten Versionen ist es dabei häufig so, dass den dargestellten Figür- chen zeichnerische Vorbilder zugrunde liegen, die auf tatsächliche historische Gegen310 stände, Buchzeichnungen oder Gemälde zurückgehen. Ein weiterer Medienbaustein, der sich jedoch nur in Kletts Geschichtlichem Unterrichtswerk wiederfindet – und dort bereits seit 1951 – ist die Textquelle. An dieser Stelle sei dazu angemerkt, dass es sich bei sämtlichen dieser „Textquellen“ in den untersuchten Schulbücher aller Untersuchungsabschnitte, niemals um vollständige Wiedergaben – oder gar Faksimiles – der Originalquellentexte handelt, sondern ausschließlich um gekürzte, übersetzte und diesem Zuge auch häufig sprachlich angepasste Versionen der mittelalterlichen Originaltexte. Während in den ersten Ausgaben nur eine Quelle – eine sprachlich angepasste und stark gekürzte Übersetzung eines Briefes Karls des Großen an den Abt Fulrad – ver311 wendet wird, 312 zu. kommt ab der letzten Ausgabe sogar noch eine zweite Textquelle hin- Unter anderem in fehlenden Arbeitsaufträgen zeigt sich jedoch, dass ihr innerhalb der Darstellung ganz offensichtlich nicht wirklich eine – vom Lehrplan intendierte – „methodisch-erarbeitende“, sondern ausschließlich eine illustrierende Funktion zukommt. Ähnlich wie bei den Abbildungen handelt es sich daher nicht um einen Baustein zur Methoden- und Quellenarbeit, sondern um eine bloße „Veranschaulichung“ von bereits Gesagtem. 309 Geschichtl. Unterrichtswerk (1955), Grundzüge der Geschichte (1964 u. 1975). Zu der Annahme dass vor allem neuere Schulbücher aus einem „verlagstypischen Materialpool“ schöpfen, vgl. Biener (2014), S. 66. 311 Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955). Bei dieser ersten Textquelle handelt es sich um einen „Brief Karls an einen Abt“, der den Autorentext illustrieren soll und dabei ebenso so umfangreich ist wie dieser selbst, vgl. Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955, 1966). Es handelt es sich um eine sprachlich angepasste und stark gekürzte Übersetzung eines Briefes Karls des Großen an den Abt Fulrad des Klosters Altaich aus der Zeit zwischen 804 und 811, in welchem dem Abt befohlen wird, sich mit seinen Leuten an einem Kriegszug Karls zu beteiligen. Der Text ist im lateinischen Original in den MGH ediert, vgl. Karoli ad Fulradum Abbatem epistola, in: MGH, Capitularia regum Francorum I, Hannover 1883, S. 168. 312 Geschichtl. Unterrichtswerk (1966). Die Quelle beschreibt wie bei Spiegel der Zeiten (1969), einen Treueeid, der diesmal jedoch karolingerzeitlich ist und ebenfalls aus einem Kapitular Karls des Großen, diesmal aus dem Jahr 802, stammt. Der Eid findet sich auch bei Ganshof, hier jedoch mit der Anmerkung, es handele sich um einen Eid, „den er [der Kaiser] von allen Untertanen verlangte“, vgl. Ganshof (19836), S. 30. 310 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 63 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 4.1.2 Strukturelle Einbindung 313 314 Die Größe des Untersuchungszeitraumes bedingt, dass den untersuchten Reihen zwei, in einem Fall sogar von drei 315 verschiedene Lehrpläne unterliegen. Dabei lassen sich zwar durchaus Neubearbeitungen der Reihen nach dem Erscheinen neuer Lehrpläne 316 feststellen, in zwei von drei Fällen erschienen diese jedoch erst fast zehn Jahre später. 317 Die Änderungen sind zudem vor allem grafisch-visueller Natur. Der Doppeleinteilung des Lehrplans von 1945, der das Lehnswesen sowohl Karl 318 dem Großen als auch einem „staatsbürgerlichen“ Kapitel zuordnete, entspricht keine der Reihen. Stattdessen wurde sich uneinheitlich für eine der beiden Einteilungen ent319 schieden. Auch die nach dem Lehrplan 1956/57 erschienenen Bücher zeigen keine einheitliche Umsetzung der vorgegeben – jetzt nur noch gesamtstrukturellen – Einbettung des Lehnswesen, das laut Lehrplan sogar in einer anderen Klasse (8. Klasse) unter320 richtet werden soll als das Thema Karolinger (jetzt 7. Klasse). Stattdessen erscheinen von zwei der Reihen erst 1964 und 1966 Neubearbeitungen, die sich nicht nach den Vorgaben richten, sondern das Lehnswesen weiterhin innerhalb des Kapitels zum Fran321 kenreich behandeln. 322 Nur die Spiegel der Zeiten-Ausgabe von 1958 plankonforme Einordnung des Themas 324 als Grund für die Umgestaltung. 323 zeigt eine lehr- und nennt die neuen Vorgaben sogar explizit Anschaulich zeigt sich dies auch an der Streichung 313 Siehe zu diesem Kapitel auch die Ergebnisse in Tab. 1, S. 42–43. Geschichtl. Unterrichtswerk; Wege der Völker // Spiegel der Zeiten. 315 Grundzüge der Geschichte. 316 Grundzüge der Geschichte (1964); Geschichtl. Unterrichtswerk (1966). 317 Die ist wiederum bei allen drei Neuerscheinungen der 1960er Jahre der Fall. 318 Siehe Kap. 3.2.1. 319 Strukturgeschichtliche Einordnung: Wege der Völker (1948, 1950, 1953). Zuordnung zum Frankenreich: Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955), Grundzüge der Geschichte (1950, 1956). 320 Siehe Kap. 3.2.2. 321 Grundzüge der Geschichte (1964); Geschichtl. Unterrichtswerk (1966). 322 Spiegel der Zeiten (1958). Die Folgeversionen Spiegel der Zeiten (1964) und Spiegel der Zeiten (1966) verhalten sich zur Fassung von 1958 redundant. 323 Wurde das Mittelalter bisher als Ganzes in einem Buch behandelt, teilte es sich nun zwischen dem Doppelband I/II „Aus Altertum und Mittelalter“ (bis einschließlich Investiturstreit) und Band III „Vom Mittelalter zur Neuzeit“ (ab den Kreuzzügen) auf. Ähnlich den Bestimmungen der hessischen Bildungspläne von 1956/57, die das Lehnswesen im Lehrabschnitt „Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft im mittelalterlichen Reich“ verorten, befindet es sich auch im Buch unter dem Kapitel „Fürsten, Bauern und Bürger im Mittelalter“, vgl. Spiegel der Zeiten (1958), S. 25-29. 324 Zur Begründung heißt es: „Gemäß den von der Ständigen Konferenz der Kultusminister veröffentlichten Empfehlungen für den Geschichtsunterricht in den Ländern der Bunderepublik und in Berlin umfaßt der vorliegende Band den Zeitraum von den Kreuzzügen und der Stauferzeit bis zum ausgehenden 314 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 64 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch eines vorher aufgeführten Absatzes dazu „wie Karl der Große mit Hilfe des Lehnswesens die Verwaltung seines weiten Reiches meistert“, welcher wohl aufgrund der jetzt 325 großen räumlichen Trennung zum Frühmittelalter gestrichen wurde. Umso verwun- derlicher erscheint es, wenn 1969 – wohl vor dem Hintergrund der Neubearbeitungen der anderen Reihen – eine erneute Neukonzeption der Reihe erscheint, die von denselben immer noch geltenden Lehrplänen wiederum abweicht und das Lehnswesen zurück 326 in ein Kapitel mit Karl dem Großen verschiebt. Vor diesem Hintergrund ist zu be- merken, dass alle Neuauflagen der 1960er Jahre in dieser Form auch noch bis zum Ende der 1970er Jahre zugelassen waren, trotz der der gravierenden Änderungen im Lehrplan 327 1972/73. Noch auffälliger ist nur der Fall der Reihe Grundzüge der Geschichte. Hier entschied sich der Verlag selbst nach Veröffentlichung der neuen Lehrpläne noch im Jahr 328 1975 für eine farbige und sonst redundante Neuauflage der Ausgabe von 1964, die noch bis 1983 – also sogar noch bis nach einer weiteren Lehrplan – zur Anschaffung zugelassen war. 4.1.3 Inhaltliche Darstellung Hinsichtlich ihrer inhaltlichen Darstellung des Lehnswesens folgen die Darstellungen im Allgemeinen der Erzählung eines unter den Karolingern aus kriegs- und verwaltungstechnischen Gründen zur Entlohnung von Gefolgsleuten entstandenen Lehnswe329 sens und dessen Einfluss auf die „politische und soziale Ordnung des Mittelalters“ . Bis auf wenige Ausnahmen 330 werden dabei auch die vermeintlich negativen Auswir331 kungen des Lehnswesens auf das deutsche Königtum thematisiert. Unterschiede finden sich generell eher auf Detailebene. Während beinahe alle Werke die Erblichkeit von Lehen erwähnen, wird die Verdinglichung des Lehnswesens nur Absolutismus“, Spiegel der Zeiten (1958), Vorwort. Vgl. auch die Anmerkungen im Vorwort von Spiegel der Zeiten (1959). 325 Vgl. Wege der Völker (1953) und Spiegel der Zeiten (1958). 326 Spiegel der Zeiten (1969). 327 Siehe Kap. 3.2.3. 328 Siehe die Ausführungen in Kap. 4.1.4. 329 Grundzüge der Geschichte (1964), S. 26. 330 Wege der Völker (1948) u. Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955). In letzteren wird sogar überhaupt keine Entwicklung genannt. 331 Wege der Völker (1950, 1953), Spiegel der Zeiten (1958, 1964, 1966, 1969), Grundzüge der Geschichte (1950, 1956, 1960, 1964, 1975). Siehe auch die Ausführungen in Kap. 3.1.1. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 65 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch fünf Mal thematisiert. 332 Ein Bezug zum Treuevorbehalt und zum Leihezwang stellt sogar nur Spiegel der Zeiten her, wo in diesem Zusammenhang auch ein kurzer Vergleich zu England und Frankreich gezogen wird. 333 Die Mehrfachvasallität hingegen erwähnt keine der Reihen. Direkte Verweise auf das klassische, hochmittelalterliche Lehnswesen werden dabei zwar in keiner der Reihen explizit gezogen, zeigen sich jedoch implizit über die dargestellten Entwicklungen. Spiegel der Zeiten von 1969 verwendet in diesem Zusammenhang einen durch Anführungszeichen innerhalb des Autorentextes hervorgehobenen Textabschnitt, bei dem es sich um die sehr freie Übersetzung eines Eides aus dem Jahr 1041 handeln könnte, den Bretislav I. von Böhmen gegenüber König Heinrich III. ablegte. 334 Die einzigen beiden Textquellen, die sich als solche klar vom übrigen Text abheben, stammen hingegen vom Anfang des 8. Jahrhunderts, auch wenn hier keine zeitliche Einordung oder sonstige Quellenangabe geboten wird. 335 Unter Berücksichtigung ihrer medialen Eigenlogik folgen die Bücher jedoch insgesamt den ihrer Zeit zugrundeliegenden wissenschaftlichen Vorstellungen vom Lehnswesen. Erwähnenswert problematische Darstellungen finden sich nur in zwei Büchern. Dabei handelt es sich zum einen um die Darstellung, das Lehnswesen habe zur Zeit der Karolinger eine Art schnelle militärische Eingreiftruppe hervorgebracht, „die sofort zur 336 Stelle war, wenn sich in ihrem Bereich ein Feind zeigte“. Abgesehen davon, dass sich diese Kausalität nicht in der einschlägigen Literatur zum Lehnswesen wiederfindet, erscheint eine solche Annahme auch vor dem Hintergrund der zahlreichen Wikingerüberfälle auf das Frankenreich des 9./10. Jahrhunderts problematisch, bei denen eine solche „örtliche Schutzgemeinschaft“ 337 auf der Grundlage des Lehnswesens sicherlich zur 332 Grundzüge der Geschichte (1956, 1960, 1964, 1975) und Spiegel der Zeiten (1969). Spiegel der Zeiten (1969). 334 Es handelt sich um die Wiedergabe eines Treueeids in wörtlicher Rede ohne Zeit- oder Quellenangabe. Der beschriebene Eid lautet „Deine Feinde sind meine Feinde, deine Freunde sind meine Freunde. Ich will dir allzeit treu zugetan und gegenwärtig sein, wenn du mich brauchst“, vgl. Spiegel der Zeiten (1969). Es stellt sich als schwierig heraus, den Ursprung dieses Eides heraus zu finden. Es könnte sich um eine sehr freie Übersetzung eines Eides handeln, den Bretislav I. von Böhmen im Jahr 1041 gegenüber König Heinrich III. leistete und der unter anderem die Textstelle enthält […] omnibus amicis eius fore se amicum, inimicus inimicum. Zit. nach Ganshof (19836), S. 78. Da das entsprechende Unterrichtswerk erst Jahre nach Ganshofs „Klassiker“ erschien, wäre es durchaus möglich, dass der Schulbuchautor die Quelle von Ganshof übernahm und umgestaltete. 335 Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955, 1966),. Siehe dazu die ausführlichen Informationen in Kap 5.1.1 in den Anmerkungen 306 und 307. 336 Wege der Völker (1948), S. 163. 337 Ebd., S. 163. 333 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 66 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch besseren Verteidigung hätte beitragen können. Der zweite Fall betrifft die Neuaufnahme des Leihezwangs in Spiegel der Zeiten von 1969, die vor dem Hintergrund, dass dessen Verabsolutierung als genereller rechtlicher Zwang bereits 1962 widerlegt wurde, den 338 damaligen Forschungsstand nicht korrekt abbildet. 4.1.4 Verlags- und Reihenspezifika Während die Abschnitte zum Lehnswesen in den Auflagen der 1950er Jahre zwischen den Reihen noch eine große Varianz im Argumentationsaufbau aufweisen, lässt sich ab den Neubearbeitungen der 1960er Jahre eine Annäherung der Reihen untereinander feststellen – und zwar nicht nur hinsichtlich der Planung der Neuauflagen, sondern auch bezüglich ihrer inhaltlichen Struktur. So scheinen sich die Neubearbeitungen der 1960er Jahre in ihrer Kapitelstruktur anzugleichen – und zwar unabhängig von den Lehrplan339 vorgaben. Spiegel der Völker übernimmt dabei sogar den Bandtitel der – allerdings 340 ebenfalls bei Diesterweg erschienenen – Konkurrenzreihe Grundzüge der Geschichte. Nicht nur, dass sich spätestens am Ende der 1960er Jahre in jeder der Reihen eine 341 Lehnspyramide findet, auch die inhaltliche Gliederung der Verfassertexte scheint sich 342 anzugleichen. Nach einem Abschnitt zur Entstehung, wird mit unterschiedlichen Er- weiterungen die inhaltliche Ausgestaltung des Modells erklärt, 343 bevor optional die negativen Auswirkungen des Lehnswesens für das (deutsche) Königtum und damit eine deutsche „Zentralstaatlichkeit“ thematisiert wird. 344 Ebenso zeigen sich innerhalb der Reihen häufige, teils wörtliche Übernahmen von Textbausteinen einer direkten Vorgän- 338 Vgl. Goez (1962), S. 254 seine Ergebnisse zusammenfassend; siehe auch Ganshof: (19672), S. 179. Siehe die Befunde in Kap. 4.1.2. 340 Der Titel lautet „Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden“, vgl. Spiegel der Zeiten (1969); Grundzüge der Geschichte (1950, 1956, 1960, 1964, 1975). 341 Geschichtl. Unterrichtswerk (ab 1955); Grundzüge der Geschichte (ab 1964); Spiegel der Zeiten (ab 1969). 342 Grundzüge der Geschichte (1964): „Vom Gefolgsmann zum Lehnsmann“; Geschichtl. Unterrichtswerk (1966): „Die Anfänge des Lehnswesens“; Spiegel der Zeiten (1969): „Krieger und Beamte“. 343 Spiegel der Zeiten (1958, 1964, 1966): „Lehnsherr und Vasall“; Grundzüge der Geschichte (1964): „Ausbreitung des Lehnswesens“: Geschichtl. Unterrichtswerk (1966): „Die hohen Lehnsträger“; Spiegel der Zeiten (1969): „Kronvasallen“. 344 Wege der Völker (1950 u. 1953) sowie Spiegel der Zeiten (1958, 1964, 1966): „Wie das Lehnswesen die Macht des Königs gefährdete“; Grundzüge der Geschichte (1950, 1956, 1960): „Gefahren für das Reich“; Grundzüge der Geschichte (1964): „Der Lehnsstaat“; Spiegel der Zeiten (1969): „Die Mittelalterliche Ordnung“. 339 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 67 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 345 gerversion oder sogar das Wiederaufnehmen älterer Passagen, die bereits gestrichen worden waren. 346 Auffällig ist hier wiederum die Reihe Grundzüge der Geschichte, bei der für die Neuauflage 1964 weite Teile der Texte aus den früheren Auflagen der 347 1950er Jahre übernommen wurden. Generell kann bei den untersuchten Reihen auf- grund der Übernahme vieler Texte aus Vorgängerauflagen eine inhaltliche Überarbeitung nicht beobachtet werden – vielmehr finden sich die gleichen Narrative in neuem visuellen Gewand. 4.2 Untersuchungszeitraum II (1970er – 1980er Jahre) Der zweite Untersuchungszeitraum umfasst in seinem Kern die 1970er und 1980er Jahre, also die Zeit in der die seit den 1960er Jahren einsetzenden Reformbewegungen ih348 ren Höhepunkt erreichten und in vielerlei Hinsicht eine Umsetzung erfuhren. Unter- 349 sucht wurden zwei Ausgaben von Kletts Menschen in ihrer Zeit , insgesamt vier Aus350 gaben der Geschichtliche Weltkunde aus dem Verlag Moritz Diesterweg sowie zwei 345 Vgl. generell Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955). Oder die Verwendung des Satzes: „So wurde aus dem altgermanischen Stammesstaat, in dem alle Freien gleich und der König nur der Erste der Freien war, der Lehnsstaat des Mittelalters“ in allen Ausgaben von Grundzüge der Geschichte (1950, 1956, 1960, 1964, 1975). 346 Die in Wege der Völker (1948) erzählte Entstehung des Lehnswesens in einem von 400 bis 800 andauernden „dunklen Zeitalter“, findet sich beinahe wörtlich einer Passage der ersten Auflage von Spiegel der Zeiten (1958) wieder, nachdem diese bereits in Wege der Völker (1950 u. 1953) gestrichen worden war. 347 Unter der Überschrift „Lehnsmannen als Krieger und Beamte“ finden sich drei Abschnitte, die sich sowohl inhaltlich als auch sprachlich stark an ihren Vorgängerversionen orientieren, vgl. Grundzüge der Geschichte (1964 u. 1975), S. 25–28. Als Beispiel sei hier die unveränderte Übernahme des Satzes: „So wurde aus dem altgermanischen Stammesstaat, in dem alle Freien gleich und der König nur der Erste der Freien war, der Lehnsstaat des Mittelalters“ seit der ersten Auflage 1950 genannt. 348 Vgl. u. a. Führ (1998), S. 14–21. 349 Menschen in ihrer Zeit, Bd. 1: Im Altertum und frühen Mittelalter, bearb. v. Richard Freyh, Joachim Volkmer, Wolfgang Hug u. Erhard Rumpf, mit einem Anhang: Damals – Heute – Morgen v. Wolfgang Hilligen, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1968; Menschen in ihrer Zeit, Bd. 1: Im Altertum und frühen Mittelalter, bearb. v. Richard Freyh, Joachim Volkmer, Wolfgang Hug u. Erhard Rumpf, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1976. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 2. 350 Geschichtliche Weltkunde – 3-bändige Ausg., Bd. 1: Von der frühen Zeit der Menschen bis zum Beginn der Neuzeit, hrsg. v. Wolfgang Hug u. Hejo Busley, Frankfurt/Berlin/München Verlag Moritz Diesterweg 1974; Geschichtliche Weltkunde – 3-bändige Ausg., Bd. 1: Von der frühen Zeit der Menschen bis zum Beginn der Neuzeit, hrsg. v. Wolfgang Hug u. Hejo Busley, Frankfurt/Berlin/München Verlag Moritz Diesterweg 1979; Geschichtliche Weltkunde – 4-bändige Ausg., Bd. 2: Vom Kaisertum der Karolinger bis zur Zeit des Absolutismus, hrsg. v. Wolfgang Hug und Hejo Busley, Frankfurt/Berlin/München Verlag Moritz Diesterweg 1981; Geschichtliche Weltkunde – 4-bändige Sonderausg., Bd. 2: Vom Kaisertum der Karolinger bis zur Zeit des Absolutismus, hrsg. v. Wolfgang Hug und Hejo Busley, Frankfurt/Berlin/München Verlag Moritz Diesterweg 1991.Von 1982/83–1995/96 war die Reihe sowohl in der drei- als auch in der vierbändigen Version zugelassen. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 2. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 68 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Ausgaben der Reihe Fragen an die Geschichte des Hirschgraben Verlags 351 , also insge- samt acht Schulbücher (Tab. 2). 4.2.1 Konzeptionelle Gestaltung Spätestens seit den 1970er Jahren sollten historische Quellen, als „Formen der Überlieferung gesellschaftlicher Wirklichkeit“ darstellen. 353 352 den Mittelpunkt des Geschichtsunterrichts In einem damals entstandenen Quellenband, aus dem auch heute noch Quellenausschnitte für Schulbücher zitiert werden, heißt es, Geschichtsquellen sollten den „Vorgang des eigenen Entdeckens ermöglichen, aus dem nur lernenden, nur auf354 nehmenden den suchenden und findenden Schüler machen“. Das Konzept, Geschich- te nicht als Belehrung sondern als Erfahrung zu begreifen, führte auch in der Schulbuchkonzeption zu tiefgreifenden Veränderungen. Die Reihe Menschen in ihrer Zeit wurde in diesem Zusammenhang als „Prototyp“ des neuen kombinierten Lern- und Arbeitsbuches 355 356 oder sogar als „Mutter aller modernen Schulbücher in Deutschland“ bezeichnet, indem dem Verfassertext zusätzliche Bausteine, wie Text- und Bildquellen, wissenschaftliche Texte, Schemata, Karten und andere Materialien in ähnlicher Form zur Seite gestellt wurden. 357 In der Reihe wurde damit erstmals „der Logik der Ge- schichtswissenschaft […] die Logik der Geschichtsdidaktik“ gegenübergestellt, indem die einzelnen Bände derart gestaltet waren, „daß sie Schülern und Schülerinnen eine denkende Auseinandersetzung mit vergangenen menschlichen Erfahrungen ermöglichen, aus der sie eigene Schlußfolgerungen ziehen konnten“ 358 . 351 Fragen an die Geschichte. Geschichtliches Arbeitsbuch für Sekundarstufe I im gymnasialen Bereich, Bd. 2: Die europäische Christenheit, hrsg. v. Heinz Dieter Schmid, Frankfurt: Hirschgraben-Verlag 1975; Fragen an die Geschichte. Geschichtliches Arbeitsbuch für Sekundarstufe I im gymnasialen Bereich, Bd. 2: Die europäische Christenheit, hrsg. v. Heinz Dieter Schmid, Frankfurt HirschgrabenVerlag 1980. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 2. 352 LP-HE-1972, S. 19. 353 Vgl. allgemein Sauer (20087), S. 109. 354 Vgl. Lautemann (1970), S. 5. 355 Ursula Becher wählt zwar die Bezeichnung „Prototyp des neuen Arbeits- und Lesebuches“, meint aber offensichtlich denselben Buchtypus, vgl. Becher (20074), S. 51. 356 Schönemann/Thünemann (2010), S. 70, die sich beziehen auf Pandel, Hans-Jürgen: Bildinterpretation. Die Bildquelle im Geschichtsunterricht. Bildinterpretation I. Schwalbach/Ts. 2008, S. 105. 357 Diese Klassifizierungen beziehen sich zwar auf die 6-bändige Vorgängerreihe von Menschen in ihrer Zeit, die außerdem nur für Realschulen zugelassen war. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die Konzeption der hier untersuchten 4-bändigen Nachfolgereihe in konzeptioneller Sicht nicht zum Negativen entwickelt hat. Zur Reihe allgemein vgl. die Ausführungen bei Schönemann/Thünemann (2010), S. 69f. und Becher (20074), S. 51–54. 358 Vgl. Becher (20074), S. 51, Zitat ebd. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 Kurztitel Band Verlag Buchtitel Makro Kapitel Abschnitt Seiten* Kap. Vorhe Kap. nachher 2 Hirschgraben Die europäische Christenheit I. Das europäische Mittelalter 5. Die Staufferzeit F. Lehensherr und Lehensmann 85-86 Karl der Große "Vater Europas" Karl der Große der allerchristlichste Kaiser Fragen an die Geschichte (1981) 2 Hirschgraben Die europäische Christenheit I. Das europäische Mittelalter 5. Die Staufferzeit F. Lehensherr und Lehensmann 91-93 Welche Entwicklung das Frankenreich nahm Vom Weltbild der Menschen im Mittelalter ??? Geschichtliche Weltkunde, 3 Bde (1974) 1 Diesterweg Von der frühen Zeit der Menschen bis zum Beginn der Neuzeit 10. Die Gesellschaft im Mittelalter 10.3 Das Lehnswesen Geschichtliche Weltkunde, 3 Bde (1979) 1 Diesterweg Von der frühen Zeit der Menschen bis zum Beginn der Neuzeit 11. Politische Kräfte und Gegensätze Geschichtliche Weltkunde, 4 Bde (1981) 2 Diesterweg Vom Kaisertum der Karolinger bis zur Zeit des Kapitalismus Geschichtliche Weltkunde, 4 Bde (1991) 2 Diesterweg Menschen in ihrer Zeit (1968) 1 Klett 117-119 Leben und arbei- Die Welt der ten auf dem Land Ritter und Edelfrauen 11.2 Das Lehnswesen: Die Grundlage der politischen Ordnung 170-173 (170-172) Leben und arbei- Die Welt der ten auf dem Land Ritter und Edelfrauen 3. Politische Kräfte und Gegensätze 3.2 Das Lehnswesen: Die Grundlage der politischen Ordnung 40-43 (40-42) 4. Der Herrscher regiert reisend das Reich 6. Bauern und Grundherren Vom Kaisertum der Karolinger bis zur Zeit des Kapitalismus 3. Politische Kräfte und Gegensätze 3.2 Das Lehnswesen: Die Grundlage der politischen Ordnung 40-43 (40-42) 2. Nicht jeder König kann Kaiser werden 4. Das Frankenreich - ein Großreich entsteht und zerfällt Im Altertum und frühen Mittelalter IV. Karl der Große will das Römische Reich erneuern 3. Wie wird das Reich regiert? 149-151 (150-151) 4. Wie lebt und regiert der König? 6. In der Nachfolge der Karolinger: Die Ottonen 149-151 (150-151) 1. Wie lebt und regiert der König? 3. Otto der Große begründet das deutsche Kaisertum 1 Klett Im Altertum und frühen Mittelalter 69 3. Wie wird das IV. Karl der Reich regiert Große will das Römische Reich erneuern * Falls von den Seitenzahlen der Kapitel abweichend, stehen In Klammern die Seiten in denen das Lehnswesen explizit behandelt wird. Menschen in ihrer Zeit (1976) Christoph Bramann Eckert. Working Papers 2017/2 Fragen an die Geschichte (1975) Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch urn:nbn:de:0220-2017-0228 Tab. 2: Die Schulbücher des Untersuchungsabschnitts II inklusive ihrer Einbindung des Lehnswesens 70 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Hinsichtlich ihrer Vorreiterrolle ist die Reihe in der Schulbuchforschung jedoch nicht unumstritten. Zusammen mit der hier ebenfalls untersuchten Reihe Geschichtliche Weltkunde kann Menschen in ihrer Zeit daher auch zurückhaltender als „Zwischenform und Übergangserscheinung“ vom reinen Arbeitsbuch zum kombinierten Lern- und Arbeitsbuch verstanden werden. 359 Die größte Kritik der modernen Schulbuchforschung am konzeptionellen Aufbau dieser Reihen bezieht sich dabei lediglich auf den konkreten Umgang mit dem eingefügten „Arbeits-“Material und seiner häufig nur illustrativen Funktion. 360 Zu Überwindung dieses Problems wurde in den 1970er Jahren – also parallel zu den bereits vorgestellten Reihen – ein neuer Schulbuchtypus entwickelt: das reine Arbeits361 buch, als dessen bekanntestes Beispiel die Reihe Fragen an die Geschichte gilt. Die Reihe gilt dabei als „kompetente und beeindruckende Konsequenz der [damaligen] geschichtsdidaktischen Forschung und Diskussion“ 362 . Hervorstechendstes Merkmal des neuen Schulbuchtyps ist der komplette Verzicht auf Verfassertexte mit dem Ergebnis eines „fragmentierten Bild-Text-Materialkonvoluts“, das in der Konsequenz „alles mögliche enthält, nur keine zusammenhängende Narration“ 363 . Zur Begründung dieses Schrittes heißt es in dem jedem Band der Reihe anstatt eines Vorwortes vorangestellten Abschnitt „An die Benutzer“: „Dieses Buch ist kein Lehrbuch, in dem die Geschichte früherer Zeiten aus der Sicht von heute erzählt und gedeutet wird; es ist vielmehr ein Arbeitsbuch, mit dessen Hilfe die Benutzer Geschichte selbst entdecken und rekonstruieren können. […]. So erhält der Benutzer einen unmittelbaren Eindruck früherer Zeiten, ohne daß sich ein Geschichtserzähler unserer 364 Tage dazwischendrängt.“ Auch die geschichtstheoretische Position von der dieser neue Schulbuchtyp ausgeht unterschied sich von einem auf nationale Bildungs- und Identifikationswerte ausgerichteten Historismus, wie er noch den Schulbüchern im Stil des klassischen Leitfadens zugrunde lag. Dem reinen Arbeitsbuch liegt die Idee zugrunde, das Geschichte „nicht 359 Vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 71. Ebd., S. 70, vgl. auch Becher (20074), S. 54. Siehe auch die Ausführungen in Kap. 4.3.1. 361 Zu diesem Schulbuchtyp allgemein sowie zur Reihe Fragen an die Geschichte im Speziellen, vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 62–69 und Becher (20074), S. 54. 362 Ebd. Für eine sehr knappe Zusammenfassung dieser Diskussion, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 67f. 363 Schönemann/Thünemann (2010), S. 63. 364 Die Autor/innen bemerken dabei jedoch selbstkritisch, dass „die Bearbeiter dieses Buches aus den unzähligen Dokumenten auch eine Auswahl getroffen [haben]“, Fragen an die Geschichte (1974), „An die Benutzer“, Absatz „Arbeitsbuch und Dokumentation“. 360 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 71 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch objekthaft verfügbar [ist], sondern ein retrospektives Konstrukt, das erst und nur dann entsteht, wenn man aus der je eigenen Gegenwart heraus, Fragen an eine Vergangenheit 365 stellt, […].“ In der Reihe selbst heißt es dazu verkürzt: „‘Fragen an die Geschichte‘ will – in vereinfachter Weise natürlich – lehren, wie der Wissenschaftler Geschichte 366 entdeckt und erschließt“, und somit „lehren, wie man eigentlich Geschichte lernt.“ Obwohl Fragen an die Geschichte bei Lehrkräften „große Resonanz“ fand und „in 367 vielen Schulen eingeführt“ wurde, hatte die Reihe „mit erheblichen Akzeptanzprob- lemen zu kämpfen“, die sich vor allem in der sehr zeitaufwändigen Planung und Durchführung eines Unterrichts, der „entdeckendes Lernen im Medium des reinen Arbeits368 buch“ zum Ziel hat, begründete. Das reine Arbeitsbuch konnte damit „noch weniger als das erzählende Lehrbuch gedankenlos von vorne bis hinten durchgenommen werden“, sondern setzte voraus, „daß der Lehrer sich zunächst einen Überblick über die Thematik verschafft und sich mit der Art der Materialien vertraut gemacht hat, bevor er sie in vielfältiger Weise nach dem Baukastensystem einander zuordnen kann“. 369 Auch ein schnelles Nachholen von Stoff war mit einem Buch, das ausschließlich Rekonstruk370 tionsmaterialien zur Verfügung stellt, nicht mehr möglich. Diesem Umstand versuchte die Reihe in ihrer zweiten Auflage von 1980 gerecht zu werden, indem einige Verfassertexte ergänzt wurden, die „das Grundwissen, den Zusammenhang und die Einordnung der Materialien […] in aller Kürze“ erläutern soll371 ten. Doch auch nach dieser Erweiterung bestand die größte Schwachstelle von Fra- gen an die Geschichte – neben den genannten unterrichtsspezifischen Nachteilen – in der Verabsolutierung der Rekonstruktion von Geschichte weiter fort. Das ebenfalls 365 Zu diesem Geschichtsbild, das die Autor/innen wiederum auf Johann Gustav Droysens »Historik« zurückführen, vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 64f.; Zitat Ebd, S. 64. 366 Fragen an die Geschichte (1974), „An die Benutzer“, Absatz „Lernziele“. Viele der dafür nötigen Operatoren nennen die Autor/innen dabei an gleicher Stelle selber: „genau lesen, untersuchen, beschreiben, vergleichen, nachdenken, von der einen und der anderen Seite prüfen, über Beobachtungen sprechen, urteilen und die Urteile begründen“ 367 Becher (20074), S. 54. Die Autorin gibt jedoch keine Informationen darüber, woher insbesondere die Daten zur Schulanschaffung stammen. 368 Schönemann/Thünemann (2010), S. 68. 369 Ebd., S. 63, die damit aus einen Aufsatz des Autors und Initiators von Fragen an die Geschichte Heinz Dieter Schmid zitieren: Entdeckendes Lernen im Geschichtsunterricht, in: Geschichtsdidaktische Positionen. Bestandsaufnahme und Neuorientierung, hrsg. v. Hans Süssmuth, Paderborn u. a. 1980, S. 283–314, hier S. 304. 370 Schönemann/Thünemann (2010), S. 66. 371 Vgl. Fragen an die Geschichte (1980), „An die Benutzer“, Absatz „Wie man mit diesem Buch arbeiten soll“. Diesen Aspekt der Weiterentwicklung der Reihe erwähnen jedoch weder Becher (20074) noch Schönemann/Thünemann (2010). urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 72 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch wichtige Erlernen der Dekonstruktion bereits vorhandenen Geschichtsbilder und geschichtskultureller Darstellungen, wie sie Schülerinnen und Schülern täglich begegnen, 372 wird dabei nämlich nicht berücksichtigt. Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass sich in allen untersuchten Reihen eine starke – oder im Fall von Fragen an die Geschichte (1974) sogar die alleinige – Quellenzentrierung und damit den Versuch einer Umsetzung der sich auch in den Lehrplänen widerspiegelnden fachdidaktischen Forschung, abzeichnet. Wie bereits im vorherigen finden sich auch in diesem Untersuchungsabschnitt keine illustrativen Bilder zum Lehnswesen, obwohl die Reihen generell alle großzügig bebil373 dert sind. Allerdings finden sich in zwei der drei Reihen wieder Lehnspyramiden, die in beiden Fällen aus verlagseigenen älteren Reihen stammen. So zeigt Menschen in ihrer Zeit dieselbe vierstufige, unbeschriftete Version einer „Gesellschaftspyramide“, wie in dem zwei Jahre zuvor erschienenen Geschichtlichem Unterrichtswerk, 374 diesmal ergänzt durch folgende Erklärung im Text: „So entstand eine Art Pyramide der Herrschaft, an deren Spitze der König, darunter die Bischöfe und Herzöge, auf der nächsten Stufe die Grafen und niederen Adligen und auf der untersten schließlich die Bauern 375 standen.“ Auch Diesterwegs Geschichtliche Weltkunde übernimmt die Pyramidenversion der 1969er Auflage von Spiegel der Zeiten. 376 Wohl zur weiteren Hervorhebung des im Text erwähnten Treuevorbehalts als Ausdruck einer typisch deutschen Ausprägung des Lehnswesens, erklärt der Verfassertext ab 1979 zusätzlich, dass „in dieser Pyramide […] der Königsvasall als Zwischenglied zwischen König und Untervasall die einflussreichste Figur“ war. 377 In diesem Zuge wurde außerdem die Bildunterschrift „Das 378 Lehnswesen“ um den Länderzusatz „… in Deutschland“ ergänzt. Nur Fragen an die Geschichte verwendet nicht direkt eine Lehnspyramide, sondern ein auf den ersten Blick komplex wirkendes Gebilde mit dem Titel „Schema des 372 Vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 69. Allerdings auch nicht in einem höheren Maß, als dies in den Neubearbeitungen der 1960er Jahre des vorherigen Untersuchungsabschnittes der Fall gewesen ist, vgl. Grundzüge der Geschichte (1964); Geschichtl. Unterrichtswerk (1966; Spiegel der Zeiten (1969). 374 Vgl. Geschichtl. Unterrichtswerk (1966). Siehe auch die Ausführungen zu den Lehnspyramiden in Kap. 4.1.1. 375 Menschen in ihrer Zeit (1976). 376 Vgl. Spiegel der Zeiten (1969). Siehe auch die Ausführungen zu den Lehnspyramiden in Kap. 4.1.1. 377 Geschichtliche Weltkunde (1979, 1981, 1991). 378 Ebd. (1979, 1981, 1991). 373 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 73 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 379 Lehnswesens“, das bei näherem Hinsehen jedoch ebenfalls eine durch viele Details kompliziert wirkende Lehnspyramiden-Version darstellt, in der sich das Hauptproblem dieser Darstellung – die scharfe räumliche Trennung zwischen König und Untervasallen 380 – weiterhin wiederfindet. Der ab 1980 hinzugefügte Verfassertext spricht trotz dieser „besonderen“ Darstellung so auch von einer Lehnspyramide. 381 Am deutlichsten macht sich die vom Lehrplan vorgeschriebene Quellenarbeit jedoch in der Anzahl der abgedruckten Text- und Bildquellen bemerkbar. So werden in zwei der Reihen mit Ausschnitten aus den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels zum ersten Mal auch Bildquellen zum Lehnswesen verwendet, die sich auch heute noch in vielen Büchern finden, 382 auch wenn nur eine der beiden Reihen diese auch mit Arbeitsauf383 trägen oder in sonstiger Weise einbindet. Die Sachsenspiegeldarstellungen, die sich 384 auch außerhalb des Schulbuchs großer Beliebtheit erfreuen, entstammen im 13./14. Jahrhundert angelegten und reich bebilderten Rechtskompilationen und beinhalten neben Regeln für das bäuerlich-adlige Zusammenleben (Landrecht) auch einen großen lehnsrechtlichen Teil, in dem verschiedene Aspekte des Lehnswesens in jeweils einer 385 Text- und einer Bildspalte lehrhaft erläutert werden. Grundsätzlich gehören die Bil- derhandschriften des Sachenspiegels daher in die Kategorie spätmittelalterlicher Rechtssammlungen denen die jüngere Forschung eine tragende Rolle bei der juristischen Konstatierung des Lehnswesens zuspricht. 386 Bei den Abbildungen in den Schulbüchern handelt es sich ausschließlich um einzelne Ausschnitte aus der Bildleiste. Während eine Reihe überhaupt keine Angabe zum Entstehungszeitraum des Bildes macht, 387 datiert die andere die – offensichtlich aus verschiedenen Handschriften stammenden – Ausschnitte mit der Angabe „13. Jahrhundert“ relativ früh, vor dem Hintergrund, dass der 379 Fragen an die Geschichte (1974, 1981). Vgl. Patzold (2012), S. 108f. 381 Fragen an die Geschichte (1981). 382 Geschichtliche Weltkunde (1974, 1979, 1981, 1991) verwendet dabei nur den bekannten Ausschnitt, in dem der König/Kaiser zwei hohe Geistliche (einer davon stellt dabei eine Äbtissin dar) mit dem Zepter und drei Fürsten mit drei Fahnen investiert. Fragen an die Geschichte (1974, 1981) hingegen zeigt vier Bildausschnitte, die offensichtlich sogar aus verschiedenen Bilderhandschriften stammen (ohne jedoch dass der Unterschied thematisiert werden wurde). 383 Fragen an die Geschichte (1974, 1981). 384 Vgl. Werner (1989), S. 71. 385 Zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels allgemein sowie zur Heidelberger Handschrift im Besonderen vgl. die Ausführungen von Walter Koschorreck (1989), S. 95–116. 386 Siehe die Ausführungen in Kap. 3.1.2. 387 Geschichtliche Weltkunde (1974, 1979, 1981, 1991). 380 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 74 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 388 Großteil der Bilderhandschriften erst aus dem 14. Jahrhundert stammen. Eine Quel- lenangabe wird in beiden Fällen nicht gegeben. Textquellen zum Lehnswesen finden sich hingegen nur im Arbeitsbuch Fragen an die Geschichte – hier jedoch gleich in Form von sieben verschiedenen Quellenauszügen. 389 Dabei sei darauf hingewiesen, dass sich auch in den anderen zwei Reihen inner390 halb des untersuchten Kapitels Textquellen finden – nur eben nicht zum Lehnswesen. In einer der beiden Reihen wurde stattdessen mit dem Zitat einer historischen Darstel391 lung eine andere Art des „Fremdtextes“ in die Darstellung integriert, die jedoch wie die Bildquelle zum Sachsenspiegel nicht weiter durch Arbeitsaufträge oder Ähnliches 392 aufgegriffen wird. Bemerkenswert ist dabei die Diskrepanz, die zwischen dem neuen Anspruch eines auf Quellen beruhenden Geschichtsunterrichts auf der einen Seite und dem Umgang mit Quellen in den Schulbüchern auf der anderen Seite zu liegen scheint. Zumindest in dem diesbezüglich viel gelobten „Arbeitsbuch“ Fragen an die Geschichte wird nur für eine der sieben gezeigten Quellen auf eine Quellenedition verwiesen, bei zweien zumindest auf grundlegende Handbuchliteratur, eine andere nennt nur vage die „Fränkischen Reichsannalen“ als Quelle und bei drei Abschnitten findet sich sogar gar keine Angabe 388 Fragen an die Geschichte (1974, 1981). (1) Unter „Q 12: Lehnsgesetzt Konrad II, 1037“ findet sich ein kurzer Ausschnitt aus dem berühmten Edictum de beneficiis Kaiser Konrads II. Als Quellenangabe erscheint wird die vollständige MGHAusgabe, mit dem Zusatz „gekürzt und vereinfacht“. (2) Unter „Q13: Wie man Lehnsmann wird“ werden dagegen hintereinander sechs teilweise auf einen Satz verkürzte Quellenauszüge genannt, von denen nicht einmal alle mit einer Quellenangabe versehen sind. (a) Ein Ausschnitt zum Eintreten Tassilos III. in die Vasallität Pippins aus den Annales regni Francorum; Quellenangabe: „Fränkische Reichsannalen zum Jahr 757“. Zur fachwissenschaftlichen Bewertung siehe Anm. 80 sowie Anm. 110. (b) Ein Ausschnitt zur Wahl eines „Notgers“ zum Abt unter Otto I.; ohne Quellenangabe. (c) Ein Satz unter der Überschrift „König Heinrich bereiste die östlichen Grenzländer“, der von einer Eiderneuerung erzählt; ohne Quellenangabe. (d) Eine Beschreibung, wie Kaiser Heinrich II. seinem „Schwager Heinrich“ das Herzogtum Bayern mit dem Überreichen einer Fahne übergibt; Quellenangabe: „1004“. (e) Ein Bericht Galberts von Brügge aus dem Jahr 1127, der berichtet, wie Wilhelm von der Normandie die Vasallen seines Vorgängers Karl empfängt, um ihnen ihre Ämter und Lehen zu bestätigen. Das dazugehörige Ritual der Kommendation mit Kuss, Treueversprechen und Eid auf die Reliquien wird detailliert dargestellt; Als Quellenangabe wird hier nicht auf eine Edition verwiesen, sondern auf Le Goff, Jaques: Das Hochmittelalter (Fischers Weltgeschichte, Bd. 11), Frankfurt 1965, S. 66. (f) Ein Ausschnitt aus einem Brief Fulberts von Chartres an Herzog Wilhelm V. aus dem Jahr 1020, in dem die gegenseitigen Pflichten zwischen Vasall und Herrn erklärt werden; Quellenangabe ist auch hier keine Edition, sondern die erste Auflage von Ganshofs Klassiker, vgl. (1961), S. 88. 390 Menschen in ihrer Zeit (1968, 1976), z. B. S. 149 u. 151 sowie Geschichtliche Weltkunde (1979), S. 73 und Geschichtliche Weltkunde (1981 u. 1991), S. 43. 391 Zu dieser Bezeichnung vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 87f. 392 Geschichtliche Weltkunde (ab 1979). Es handelt sich um einen kurzen Textabschnitt aus: Le Goff, Jaques: Das Hochmittelalter (Fischers Weltgeschichte, Bd. 11), Frankfurt 1965, S. 67, in dem verschiedene Möglichkeiten der Investitur beschrieben werden. 389 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 75 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 393 woher die teilweise sehr kurzen Ausschnitte stammen. Eine Überprüfung der Quel- lenauszüge kann somit – wenn überhaupt – nur über zeitaufwändige Recherchen erfolgen. 4.2.2 Strukturelle Einbindung 394 395 Da für nur eine Ausgabe noch die Bildungspläne von 1956/57 396 bereits die Rahmenrichtlinien von 1982 und für eine andere relevant sind, unterliegen die meisten unter- suchten Werke den Rahmenrichtlinien 1972/73, die das Lehnswesen nicht explizit ei397 nem bestimmten Lernfeld oder einer bestimmten Jahrgangsstufe zuordnen. Die Ein- bindung in die Themenstruktur erfolgte bei den meisten Büchern daher ohne bildungsadministrative Vorgaben. Die einzige Reihe, die noch den „gesamtmittelalterlichen“ Vorgaben von 1956/1957 398 unterliegt, richtet sich nicht nach diesen, sondern ordnet das Lehnswesen – wie die in 399 den 1960er Jahren erschienenen Auflagen – dem fränkischen Reich zu. In den ande- ren beiden Reihen wird das Lehnswesen hingegen entweder einem gesamtstrukturellem 400 Kapitel zugeordnet, 401 alter – behandelt. oder in Zusammenhang mit den Staufern – also dem Hochmittel- Da sich die 1991er Auflage der Geschichtlichen Weltkunde inhalt- lich redundant zur 3-bändigen Ausgabe von 1979 verhält, kann auch hier ein Bezug zu den Rahmenrichtlinien von 1982 ausgeschlossen werden. 4.2.3 Inhaltliche Darstellung Ein einheitliches Erzählkonzept vom Lehnswesen lässt sich im ersten Untersuchungszeitraum zwischen den Reihen nicht feststellen. Zu unterschiedlich sich die Darstellungen vor allem hinsichtlich ihrer thematischen Tiefe. Zwei Reihen behandeln das Lehns393 Vgl. Fragen an die Geschichte (1974, 1980), siehe auch die Ausführungen in Anmerkung 384. Siehe zu diesem Kapitel auch die Ergebnisse in Tab. 2, S. 52. 395 Menschen in ihrer Zeit (1968). 396 Geschichtliche Weltkunde (1991). 397 Siehe Kap. 3.2.3. 398 Menschen in ihrer Zeit (1968): Kapitel: „Karl der Große will das Römische Reich erneuern“, Abschnitt: „Wie wird das Reich regiert?“. 399 Vgl. Grundzüge der Geschichte (1964); Geschichtl. Unterrichtswerk (1966; Spiegel der Zeiten (1969). 400 Geschichtliche Weltkunde (1974, 1979, 1981, 1991): Kapitel: „Die Gesellschaft im Mittelalter“, Abschnitt: „Das Lehnswesen“. 401 Fragen an die Geschichte (1974, 1980): Kapitel: „Die Stauferzeit“, Abschnitt: „Lehnsherr und Lehnsmann“. 394 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 76 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch wesen als statisches mittelalterliches Verwaltungs- und Herrschaftssystem, einmal sehr 402 verkürzt in seiner rudimentärsten Form nur unter Erwähnung einer Lehnserblichkeit, ein anderes Mal hingegen inklusive sämtlicher „Erweiterungen“ außer der Mehrfachvasallität, die dabei als zum System zugehörig ohne Entwicklungsschritte hintereinander 403 aufgeführt werden. Nur eine Reihe erzählt eine zusammenhängende Geschichte vom im Frankenreich entstehenden Lehnswesen, dass sich mit der Zeit durch Erblichkeit, 404 Verdinglichung, dem fehlenden Treuevorbehalt und dem Leihezwang verändert habe. Die bewusste Hervorhebung der negativen Konnotation der verschiedenen Entwicklungen für das „deutsche“ Königtum wird nur noch in dieser Reihe vollzogen. 405 Alle Reihen stellen einen zeitlichen Bezug zum Frankenreich her, entweder strukturell über das Oberkapitel 406 407 , textlich über die Entstehungsgeschichte, 408 Auswahl karolingischer Quellen. älteren Reihe 409 Zwei der Reihen verwenden den bereits aus einer bekannten Lehnseid im Fließtext, der auf das 11. Jahrhundert zurück- 410 gehen könnte. oder über die Durch eine Abbildung aus dem Sachsenspiegel stellt eine der beiden 411 Reihen zudem implizit eine Verbindung ins späte 13. Jahrhundert her. Die dritte Rei- he zeichnet mit ihrer Vielzahl an Textquellen aus dem 8., 10., 11., 12. und 13. Jahrhun412 dert hingegen tatsächlich ein gesamtmittelalterliches Bild des Lehnswesens. Im Unterschied zum ersten Untersuchungsabschnitt erscheinen die Darstellungen – zumindest in zwei Reihen – jedoch insgesamt detaillierter und orientieren sich auch sprachlich zunehmend an einem sachlicheren, wissenschaftlicheren Sprachstil. Gemessen am damaligen Stand der Forschung entsprechen die Reihen damit dem fachwissenschaftlichen Bild vom Lehnswesen bzw. widersprechen diesem nicht. Einzige Ausnahme stellt auch hier die Behandlung des Leihezwangs dar. Die entsprechende 402 Menschen in ihrer Zeit (1968, 1976). Vgl. bereits Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955). Fragen an die Geschichte (1980). 404 Geschichtliche Weltkunde (1974, 1979, 1981, 1991). Bezeichnenderweise wurde diese jedoch weitestgehend aus Spiegel der Zeiten (1969) übernommen. 405 Geschichtliche Weltkunde (1974, 1979, 1981, 1991). 406 Menschen in ihrer Zeit (1968, 1976): Kapitel: „Karl der Große will das Römische Reich erneuern“, Abschnitt: „Wie wird das Reich regiert?“. 407 Geschichtliche Weltkunde (1974, 1979, 1981, 1991). 408 Fragen an die Geschichte (1974, 1980). 409 Spiegel der Zeiten (1969). 410 Menschen in ihrer Zeit (1968, 1976), Geschichtliche Weltkunde (1974, 1979, 1981, 1991). Siehe auch die Ausführungen in Kap. 4.1.3, dort vor allem die Ausführungen in Anmerkung 329. 411 Geschichtliche Weltkunde (1974, 1979, 1981, 1991). 412 Fragen an die Geschichte (1980). Siehe auch die Ausführungen in Anm. 389. 403 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 77 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Passage der Reihe Geschichtlichen Weltkunde war dabei aus dem Band einer älteren 413 Reihe übernommen worden, obwohl bereits bei dessen Erscheinung der Leihezwang 414 wissenschaftlich „abgeschafft“ war. 4.2.4 Verlags- und Reihenspezifika Eine Annäherung der Reihen hinsichtlich ihres strukturellen Aufbaus kann in diesem Zeitraum nicht mehr festgestellt werden, da die jeweils verschiedenen Schulbuchtypen auch andere Darstellungsformen fokussieren. 415 Im Gegensatz zum ersten Untersu- chungsabschnitt zeigt sich, dass einige Verlage sich vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der neuen Rahmenrichtlinien nicht für das Neubearbeiten, sondern das Auslaufen416 lassen alter und die Entwicklung neuer Reihen entschieden haben. Auch die ersten 417 Neuauflagen der beiden „neuen“ Reihen erscheinen parallel. Aufgrund der verschiedenen Darstellungen, die von einem kurzen Verfassertext, über verschiedene Abschnitte mit ergänzten Wissenschaftstexten bis hin zu einem reinen Baukastenprinzip reichen, lassen sich auch keine Gemeinsamkeiten in der inhaltlichen Strukturierung feststellen. Wohl aber fällt auf, dass sich im Verfassertext von 418 Kletts Menschen in ihrer Zeit der „Eid“ findet, der bereits aus der letzten Auflage von Spiegel der Zeiten (1969) im ersten Untersuchungsabschnitt vorkam und auch in der neuen Diesterweg-Reihe Geschichtlichen Weltkunde (ab 1974) weiter integriert ist. Da die Erstauflage von Menschen in ihrer Zeit jedoch bereits 1968 veröffentlicht wurde, 419 könnte sich der Diesterweg-Verlag hier bei der Konkurrenz bedient zu haben. Mehr noch als im vorherigen Untersuchungsabschnitt lassen sich allerdings Wiederverwendungen von Text- und Bildbausteinen verlagseigener Vorgängerreihen feststellen. Obwohl sich Menschen in ihrer Zeit und Geschichtliche Weltkunde in ihrem Aufbau tatsächlich bereits modernen Geschichtsbüchern ähneln zeigt sich anhand der in413 Spiegel der Zeiten (1969). Siehe die Ausführungen in Kap. 4.1.3. 415 Siehe die Ausführungen in Kap. 4.2.1. 416 Geschichtliche Weltkunde (ab 1974), Fragen an die Geschichte (ab 1975). Die Neuauflage von Menschen in ihrer Zeit (1976) ist redundant zur ersten Auflage von 1968 und damit nicht in Zusammenhang mit den neuen Lehrplänen zu sehen. Siehe auch Abb. 1. 417 Geschichtliche Weltkunde (1979 u. 1980), Fragen an die Geschichte (1980). 418 Siehe auch die Ausführungen in Kap. 4.1.3, dort vor allem die Ausführungen in Anmerkung 329. 419 Auffällig ist hierbei, dass der Eid weder bei den Klett- noch bei den Diesterweg-Reihen als Quelle gekennzeichnet wird. Es bleibt die Vermutung, dass eine klare Zuordnung den Autor/innen entweder selber nicht möglich war, oder dass eine solche bewusst vermieden werden sollte. 414 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 78 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch haltlichen Ausgestaltung der untersuchten Abschnitte, dass die beiden Reihen dieses Gewand in weiten Teilen nur übernommen haben. So ähnelt Menschen in ihrer Zeit in seiner Gesamtoptik im Wesentlichen der erst zwei Jahre vorher erschienenen letzten Version des Geschichtlichen Unterrichtswerks 420 . Auch weite Teile des Bildmaterials inklusive der Lehnspyramide wurden übernommen. Zwar bemerkt Ursula Becher zu Recht, dass das ausgewählte Bildmaterial 421 „konstruktiv, nicht allein illustrativ“ verwendet werden konnte, was auch die ausführ- lichen Bildunterschriften und -beschreibungen nahelegen. Sowohl Bildauswahl als auch -unterschriften treten jedoch – zumindest in dem hier untersuchten Abschnitt, mit Blick in die Nachbarbereiche – in sehr ähnlicher Form bereits in der genannten älteren KlettReihe auf. Allerdings wurde die Gesamtdarstellung auf einen Absatz reduziert, der anscheinend neu verfasst wurde. Obwohl der Reduzierung auch die Textquelle 422 zum Opfer fiel, erinnert die extrem verkürzte Darstellung ebenfalls an das Geschichtliche 423 Unterrichtswerk – diesmal an die Auflagen der 1950er Jahre. Die Texte und die Lehnspyramide der neuen Reihe Geschichtlichen Weltkunde 424 aus dem Verlagshaus Diesterweg wurden inklusive der Arbeitsvorschläge mit nur mi425 nimalen Änderungen 426 aus der letzten Ausgabe von Spiegel der Zeiten übernommen. Auch zur Neuauflage 1979 hin änderten sich die Texte bis auf kleine Ergänzungen zur genaueren Erläuterung des Treuevorbehalts als Unterschied zwischen Deutschland, England und Frankreich sowie kleineren Ergänzungen nur unwesentlich. 427 Für die vierbändigen Ausgaben 1980 und 1991 wurde wiederum die Darstellung der dreibändigen Fassung übernommen. Fasst man die Entwicklung der Texte zusammen heißt das, dass die meisten der Texte der Geschichtlichen Weltkunde aus dem Jahr 1991 zum Lehnswesen noch aus dem Jahr 1969 stammten und nur durch zusätzliche Medienbau- 420 Vgl. Geschichtl. Unterrichtswerk (1966). Vgl. Becher (20074), S. 54. 422 Siehe die Ausführungen in Anm. 311. 423 Vgl. Geschichtl. Unterrichtswerk (1950, 1954, 1955). 424 Geschichtliche Weltkunde (ab 1974). 425 Bis auf kleinere Formulierungen wurden unter anderem zwei Sätze gestrichen, die besagten, dass auch Bischöfe und Äbte „Panzerreiter“ stellen mussten, und die die genaue „Hufen“-Größe eines „(Reiter-)lehens“ erklärten, vgl. Spiegel der Zeiten (1969), S. 14. 426 Spiegel der Zeiten (1969). 427 Geschichtliche Weltkunde (1979). 421 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 79 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 428 steine ergänzt wurden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Bezeichnung „Prototyp“ für die beiden Reihen aufgrund ihrer großen Ähnlichkeit zu verlagseigenen Vorgängerreihen problematisch. Tatsächlich sprechen mehr Argumente dafür, sie zusammen mit anderen in den 1960er Jahren erschienenen Neubearbeitungen als Übergangs- oder Zwischenstufen zwischen dem „klassischen Leitfaden“ und dem modernen Lern- und Arbeitsbuch anzusehen. 4.3 Untersuchungszeitraum III (1980er – 2010er Jahre) Der dritte Untersuchungszeitraum beginnt noch in den 1980er Jahren, hat seinen Fokus aber in den 1990er Jahren und strahlt von da aus in die Gegenwart. Die Definition des Untersuchungskorpus anhand der absoluten Listenjahre bewirkt dabei, dass mit Geschichte und Geschehen nur eine der drei untersuchten Reihen auch aktuell noch zum Erwerb durch die Schulen zugelassen ist. Untersucht wurden drei Ausgaben der Reihe 429 430 Geschichtsbuch von Cornelsen , die Reihe Anno aus dem Westermann Verlag 431 wie sechs Ausgaben von Kletts Geschichte und Geschehen so- . Insgesamt umfasst der dritte Untersuchungsabschnitt damit zehn Werke (siehe Tab. 3) 428 Vgl. Becher (20074), S. 51. Geschichtsbuch. Die Menschen und ihre Geschichte in Darstellungen und Dokumenten – Ausg. A, Bd. 2: Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, hrsg. v. Hans-Georg Hofacker, Thomas Schuler, Berlin: Cornelsen-Velhagen & Klasing Hirschgraben-Verlag 1986; Geschichtsbuch. Die Menschen und ihre Geschichte in Darstellungen und Dokumenten – neue Ausg. B, Bd. 2: Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, hrsg. v. Hans-Georg Hofacker, Thomas Schuler, Berlin: Cornelsen Verlag 1994; Geschichtsbuch Die Menschen und ihre Geschichte in Darstellungen und Dokumenten – neue Ausg., Bd. 2: Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, hrsg. v. Hans-Georg Hofacker, Thomas Schuler, Berlin: Cornelsen Verlag 1994. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 3. 430 Anno, Bd. 2: Vom Mittelalter bis zum Ende des Absolutismus, hrsg. v. Bernhard Askani und Elmar Wagener, Braunschweig: Westermann 1995. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 3. 431 Geschichte und Geschehen II, hrsg. v. Ludwig Bernlochner, Peter Furth, Peter Hilsch, Friedrich Jahr, Erhard Rumpf, Eberhardt Schwalm, Gottfried Till, Maria Würfel, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1987; Geschichte Geschehen – Ausg. A, Bd. 2, bearb. v. u. a. Giselher Birk, Stuttgart/Düsseldorf/Leipzig: Ernst Klett Verlag 1995; Geschichte Geschehen, Bd. 2, hrsg. v. Asmut Brückmann, Rolf Brütting, Peter Gautschi, Edith Hambach, Gerhard Henke-Bockschatz, Uwe Horst, Georg Langen, Peter Offergeld, Volker Scherer, Susanne Thimann-Verhey, Franz-Josef Wallmeier, Leipzig/Stuttgart/Düsseldorf: Ernst Klett Verlag 2004; Geschichte und Geschehen – Ausg. H, Sek. I, Bd. 2, bearb. v. u. a. Werner Abelein, Stuttgart/Leipzig: Ernst Klett Schulbuchverlage 2006; Geschichte und Geschehen, Bd. 2, hrsg. v. Michael Sauer, Stuttgart/Leipzig: Ernst Klett Verlag 2012; Geschichte und Geschehen – Ausgabe Hessen (G8/9), Bd.2, hrsg. v. Michael Sauer, Stuttgart/Leipzig: Ernst Klett Verlag 2014. Für die untersuchten Abschnitte und die jeweiligen Seitenzahlen siehe Tabelle 3. 429 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 Kurztitel Verlag Buchtitel Kapitel Abschnitt Anno (1995) 2 Westermann Vom Mittelalter bis zum Ende des Absolutismus Herrschaft und Kirche im Mittelalter Lehnswesen und Grundherrschaft Geschichtsbuch (1986) 2A Cornelsen Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit 1. Vom Leben im Frankenreich Geschichtsbuch (1994) 2 Cornelsen Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit Geschichtsbuch (1994) 2B Cornelsen Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit Geschichte und Geschehen (1987) II Geschichte und Geschehen (1995) Seiten* 12-16 (12-13) Kap. vorher Kap- nachher Karl der Große - der allerchristlichste Kaiser Welche Rolle Adel und 17-18 Kirche im Frankenreich spielten Welche Entwicklung das Frankenreich nahm Vom Weltbild der Menschen im Mittelalter ((?)) 1. Bauern und Adlige im Mittelalter Adel und Lehnswesen 19-20 (19) Leben und arbeiten auf dem Land Die Welt der Ritter und Edelfrauen 3. Bauern und Adlige im Mittelalter Adel und Lehnswesen 19-20 (19) Leben und arbeiten auf dem Land Die Welt der Ritter und Edelfrauen Klett Das Frankenreich 5. Vasallen und Lehens- 24-27 herren 4. Der Herrscher regiert reisend das Reich 6. Bauern und Grundherren 2A Klett Wer herrscht, wer wird beherrscht? 3. Rat und Tat für ein Lehen 2. Nicht jeder König kann Kaiser werden 4. Das Frankenreich - ein Großreich entsteht und zerfällt Geschichte und Geschehen (2004) 2 Klett Wer herrscht in Europa? 5. Der König vergibt Lehen Geschichte und Geschehen (2006) 2 Klett Herrschaft und Konflikte im mittelalterlichen Europa 2. Der König vergibt Lehen 114-116 1. Wie lebt und regiert der 3. Otto der Große begründet das König? deutsche Kaisertum Geschichte und Geschehen (2012) 2 Klett 2 Herrschaft im mittelalterlichen Europa Wie lebt und regiert der König? 64-66 (65-66) Ein neuer Kaiser wird gekrönt Das deutsche Reich entsteht Geschichte und Geschehen (2014) 2 Klett 1 Herrschaft im mittelalterlichen Europa Wie lebt und regiert der 16-19 (18-19) König? Ein neuer Kaiser wird gekrönt Das deutsche Reich entsteht 42-45 54-55 4. Wie lebt und regiert der 6. In der Nachfolge der KarolinKönig? ger: Die Ottonen * Falls von den Seitenzahlen der Kapitel abweichend. stehen In Klammern die Seiten in denen das Lehnswesen explizit behandelt wird. 80 Eckert. Working Papers 2017/2 Karl der Große - "Vater Europas" Christoph Bramann Band Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch urn:nbn:de:0220-2017-0228 Tab. 3: Die Schulbücher des Untersuchungsabschnitts III inklusive ihrer Einbindung des Lehnswesens 81 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 4.3.1 Konzeptionelle Gestaltung Nach den beschriebenen Übergangstypen der 1960er und 1970er Jahre tritt uns ab den 1980er Jahren der klassische Schulbuchtyp des kombinierten Lern- und Arbeitsbuches entgegen, der in seinen Grundzügen bereits im vorherigen Untersuchungsabschnitt vorgestellt worden ist 432 und der heute „eine unbestrittene Monopolposition“ 433 in der Schulbuchlandschaft einnimmt. Während die beschriebenen Übergangsformen noch einen Kompromiss zwischen erzählendem Leitfaden und – wenn auch meist nur illustrativem – Materialinserat dargestellt hatten, versuchte sich der neue Schulbuchtyp erneut des Problems des fließenden Übergangs von Darstellung und Quellenmaterial anzunehmen. Dies geschah jedoch weniger aus einem neuen Reformgedanken gegen die klassische Leitfadenerzählung, sondern eher „als Reaktion auf das reine Arbeitsbuch und die Verabsolutierung der Quellenarbeit“ 434 . So zeigt sich im kombinierten Lern- und Arbeitsbuch die geschichts435 didaktische Entwicklung in der Schulbuchkonzeption seit Fragen an die Geschichte. Im Kern steht dabei die Frage, inwiefern „mit Hilfe des Materials eigenständige Erkenntnis in einem heuristischen Sinne möglich“ ist, oder ob dieses vorwiegend dem Zweck dient, „die erzählende Darstellung zu bestätigen oder auszumalen“. Eine Lösung 436 für dieses Problem besteht bis heute letztlich nicht. Auch wenn einige Schulbuchrei437 hen eine räumliche Trennung von Darstellungs- und Arbeitsteil vornehmen, findet bei 438 allen Reihen weiterhin illustrative Bebilderungen der Darstellungsteile statt. Bei aktuellen Schulbüchern handelt es sich um regelrechte „Multi-Media-Pakete“, in denen verschiedene textliche und bildliche/grafische „Bausteine“ miteinander kombiniert werden. 439 Obwohl die Schulbuchreihen immer noch Unterschiede zueinander aufweisen, manifestiert sich zunehmend ein einheitlicher Aufbau der Bücher, der sich grob unterteilen lässt in die Bestandteile (1) Auftaktdoppelseite, (2) Verfassertext, (3) 432 Siehe 5.2.1. Schönemann/Thünemann (2010), S. 77. Zu diesem Schulbuchtyp allgemein vgl. ebd., S. 69–77. 434 Vgl. ebd., S. 71f.; Zitat, S. 72. 435 Vgl. Becher (20074), S. 56. 436 Vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 70–76. 437 Beispiel hierfür ist Geschichtsbuch (1986, 1994, B 1994), hier werden innerhalb der verschiedenen Auflagen sogar verschiedene Trennkonzepte ausprobiert. 433 438 439 Vgl. ausführlich Schönemann/Thünemann (2010), S. 81–98; Zitat ebd., S. 81. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 82 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Arbeitsteil, (4) Methodenteil (ab 1990er), (5) Kapitelzusammenfassungen, (6) Glossare 440 und Register. Augenfälligste Eigenschaft des neuen Schulbuchtyps bleibt jedoch das bunte und vielgestalterische Layout der Bücher, das geradezu den Eindruck erweckt „dass ihre Verleger […] (fast) alles unternehmen, um dem Eindruck der Monotonie entgegenzuwirken“ 441 . Die Folge ist ein durchaus ambivalenter Eindruck zwischen dem immer noch vorhandenen Stereotyp vom finsteren Mittelalter und dessen „bunter bis greller“ 442 Präsentation. Dabei ist auch in den hier untersuchten Reihen eine klare Trennung zwischen der Bebilderung zu Illustrationszwecken und ihrer eindeutigen Identifizierung als Arbeitsmaterial häufig nicht möglich. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass Geschichte und Geschehen seit Ende der 1980er Jahre die Abbildungen explizit als Arbeitsmaterial – 443 444 anfangs noch durch Nummern , später dann mit einem „Q“ – ausweist, da sich diese Kennzeichnungen inhaltlich häufig nicht von den bereits seit den 1960er Jahren üblichen Bildunterschriften unterscheiden. 445 Allerdings lässt sich seit den 1990er Jahren eine zunehmende Eigenständigkeit der Quellen feststellen, indem diese auch Aspekte 446 aufgreifen, die nicht im Verfassertext genannt werden. Zudem unterscheiden sich die untersuchten Reihen teilweise erheblich hinsichtlich der Anzahl der gezeigten Abbildungen im Lehnswesenkapitel. Cornelsens Geschichtsbuch verwendet dabei nur in seiner ersten Auflage einen wohl ausschließlich zur Illustration gedachten Ausschnitt aus einer Wandmalerei der St. Benedikt-Kirche von Mals 447 (Südtirol) aus dem 8./9. Jahrhundert, der einen Geistlichen zeigt. Dabei ist Anzumer- ken, dass sich ein anderer Ausschnitt derselben Wandmalerei, der einen Mann mit 440 Zum Schulbuchaufbau vgl. Sauer (20087), S. 260–262 sowie Schönemann/Thünemann (2010), S. 81– 98. Siehe dazu auch die Ausführungen in Kap. 4. 441 Schönemann/Thünemann (2010), S. 95. 442 Vgl. Clauss/Seidenfuß (2007a), S. 10 sowie (2007b), S. 353. Zur Präsentation vgl. auch Becher (20074), S. 61. Frühe Beispiele mit einladenden Auftaktdoppelseiten wären Geschichte und Geschehen (1987) und Geschichtsbuch (1986). 443 Geschichte und Geschehen (1987, 1995). 444 Ebd. (2004, 2006, 2012, 2014). 445 Die anderen beiden Reihen bleiben hingegen beim Typ der gewöhnlichen Bildunterschrift, Geschichtsbuch (1987, 1994, B 1994), Anno (1995). 446 Geschichte und Geschehen (1995, 2004, 2006, 2012, 2014). 447 Geschichtsbuch (1986), Bildunterschrift „Ein fränkischer Bischof“. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 83 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Schwert zeigt, auch in den ersten zwei Auflagen von Geschichte und Geschehen wie448 derfindet, dort allerdings durch eine Markierung als Quelle gekennzeichnet. Eine ganz neue Art der illustrativen Bebilderung haben sich die Autor/innen der Reihe Anno ausgedacht. Auf einer ganzen Seite ist hier ein großes, aus einzelnen Personendarstellungen pyramidenförmig zusammengesetztes und aus drei Stufen bestehendes Schema zu sehen, das nicht als Lehnspyramide bezeichnet wird, sondern den Titel „Das Lehnswesen (nach Bildern des 9. Jh.)“ trägt. 449 Die verschiedenen Nachzeichnungen gehen dabei ganz offensichtlich auf historische Vorbilder zurück, ohne dass ihre Herkunft genauer angegeben würde. Die Spitze bildet beispielswiese die Nachzeichnung eines Bildnisses Karls II. auf dem Thron aus dem sogenannten Codex Aureus von St. Emmeram, wobei Karls Hand, die im Original in Richtung einer Darstellung des Lamm Gottes auf der gegenüberliegenden Buchseite weist, hier den Eindruck eines „royalen Winkens“ erweckt. Auch eine Nachzeichnung des beschriebenen fränkischen Kriegers 450 aus der Südtiroler Wandmalerei findet sich im Schema wieder. Abgesehen von dieser finden sich „normale“ dreistufige Lehnspyramiden auch in den anderen beiden Reihen, hier jedoch nicht in allen Auflagen. 451 Text- und Bildquellen zum Lehnswesen bietet nur Geschichte und Geschehen. 452 Seit ihrer ersten Auflage 1987 wurden in der Reihe insgesamt fünf verschiedene Textquellen und sechs verschiedene Bildquellen zum Lehnswesen verwendet. Nur einer der Texte, wird dabei von mehreren Auflagen verwendet und findet sich auch noch in der aktuellen Ausgabe – bemerkenswerterweise handelt es sich dabei um die erste im ge453 samten Untersuchungskorpus vorkommende Textquelle. Die übrigen vier Textquellen 448 Geschichte und Geschehen (1987, 1995). Die erste Auflage benutzt die Abbildung dabei tatsächlich als Quelle, indem sie in der Bildunterschrift ergänzt, dass das Wandbild „eines der wenigen zeitgenössischen Zeugnisse“ dafür darstelle, „wie die fränkische Oberschicht auftrat“. Bei der zweiten Auflage entfällt dieser Zusatz jedoch, was wieder eine rein illustrative Funktion der Abbildung bewirkt. 449 Anno (1995). 450 Wie in Geschichte und Geschehen (1987 u.1995) abgebildet. 451 Geschichtsbuch (1994, B 1994), Geschichte und Geschehen (1987). 452 Zwar zeigt auch Anno (1995) die Nachzeichnung der Darstellung eines Handgangs aus dem Sachsenspiegel, diese als „Quelle“ gelten zu lassen erscheint jedoch aufgrund ihres zeichnerischen Charakters und zudem ohne Textbezug problematisch. 453 Geschichte und Geschehen (1987, 1995, 2006, 2012, 2014). Es handelt sich um übersetzte Ausschnitte eines Briefs Karls des Großen an einen Abt Fulrad. 1987 noch mit der Quellenangabe „Einberufung des Abtes Fulrad, nach 804“ ist ab der Auflage von 1995 die Quellensammlung Lautemann (1970), S. 76f. als Quellennachweis angegeben. In einer sehr freien und sprachlich geglätteten Übersetzung findet sich bereits in der ersten Auflage von Geschichtl. Unterrichtswerk (1951). Siehe auch die Ausführungen in Anm. 311. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 84 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch verteilen sich auf drei verschiedene Ausgaben. 454 Bei den verwendeten Bildquellen hin- gegen sticht ein fast ganzseitiger Abdruck der Bildspalte aus der Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels hervor, der inklusive mehrerer Erläuterungen und Fra455 gestellungen seit der Auflage von 1995 bis heute in den Büchern abgedruckt ist. Von den anderen von verschiedenen Auflagen verwendeten Abbildungen zeigen drei 456 verschiedene Buchmalereien zum Handgang, schen Panzerreiters“, 457 zwei eine Buchmalerei eines „Fränki- und eine weitere eine Buchmalerei, die von den Autor/innen wohl zur Illustration eines Handgangs ausgewählt worden sein dürfte, wahrscheinlicher 458 jedoch die Geste der „Handreichung“ zeigt. 454 (1) Geschichte und Geschehen (1987): Mehrere Zusammenhängende Ausschnitte aus den „Fränkischen Reichannalen“, die in verschiedenen Schritten den Fall Tassilos III. von seiner Unterwerfung unter Pippin bis zu seiner Todesstrafe durch Karl dem Großen erzählen; Quellenangabe: „Jahrbücher des fränkischen Reichs, zu den Jahren zu den Jahren 748, 757, 763, 781, 788, Leipzig 1888“. Der erste Teil der Ausschnitte findet sich in einer anderen Übersetzung auch in Fragen an die Geschichte (1975, 1981), siehe Kap. 4.2.1, v.a. die Ausführungen in Anm. 389. Zur fachwissenschaftlichen Bewertung siehe Anm. 80. (2) Geschichte und Geschehen (1995): (a) Eine Regelung Königs Albrecht I. zur Frage der Erblichkeit eines Lehen durch die Tochter; Quellenangabe: „Reichsweistum über die weibliche Erbfolge vom 20.02.1299, zit. n.: P. Ketsch, Die Frauen im Mittelalter. 2. Aufl., Bd. 2, 1984, S. 370“; (b) Zwei sehr kurze Textausschnitte, die einen Versuch des westfränkischen König Ludwigs VI. beschrieben sollen, „eine verliehene Burg wieder zurück zu bekommen, indem er seinen Sohn mit der Tochter des Burgherren verheiratete“; Quellenangabe: „Zit. nach: Europäisches Geschichtsbuch, Stuttgart 1992, S. 155“. (3) Geschichte und Geschehen (2006): Eine tabellarische Kostenaufstellung für die „Rüstung eines Panzerreiters“; Quellenangabe: „Nach einer Urkunde zur Zeit Karls des Großen, aus W. Tarnowski, Ritter, Nürnberg 1990, S. 9“. 455 Geschichte und Geschehen (1995, 2004, 2006, 2012, 2014). Dass es sich dabei um die Wolfenbütteler Bilderhandschrift handelt lässt sich anhand der Figuren erkennen. Das Manuskript ist online einsehbar unter http://www.sachsenspiegel-online.de/cms/ [letzter Zugriff: 18.05.2015]. Siehe auch die allgemeinen Ausführungen zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels in Kap. 4.2.1. 456 (1) Geschichte und Geschehen (1987): Ein Bildausschnitt aus dem Wolfenbütteler Sachsenspiegel mit der Bildunterschrift: „Handgang zwischen König und Vasall. Das Bild stammt aus wesentlich späterer Zeit (14. Jh.)“; eine Quellenangabe erfolgt nicht. (2) Geschichte und Geschehen (1995): Ein Ausschnitt aus einer Buchmalerei aus Frankreich aus dem 13. Jhdt.; ohne weitere Quellenangabe. (3) Geschichte und Geschehen (2004, 2006): Ein Ausschnitt aus einer Buchmalerei aus dem 13. Jahrhundert; ohne weitere Quellenangaben. Ein etwas größerer Ausschnitt derselben Darstellung ziert auch das Buchcover von Reynolds (1994). 457 Geschichte und Geschehen (2004, 2006): Die Bildunterschrift lautet „Buchmalerei, 9. Jahrhundert“, eine Quellenangabe wird nicht genannt. Der künstlerische Stil ist jedoch sehr prägnant und kann daher dem Stuttgarter Bilderpsalter zugeordnet werden, der online einsehbar ist unter: http://digital.wlbstuttgart.de/sammlungen/sammlungsliste/werksansicht/?no_cache=1&tx_dlf[id]=1343&tx_dlf[page]=1 [letzter Zugriff 18.05.2015). 458 Geschichte und Geschehen (1995): Die Abbildung trägt die Bildunterschrift „Graf Raymond Bérengar d.Ä. (1115–1162) mit Gemahlin und Vasallen. Er ließ in Europa das erste Gesetzbuch zum Lehnswesen abfassen“. Zur Identifizierung der dargestellten Geste als Handreichung vgl. die bis heute grundlegende Untersuchung des Rechtshistorikers AMIRA (1905), S. 239f. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 85 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Im Gegensatz zum vorherigen Untersuchungsabschnitt sind zumindest ab 1995 alle 459 Textquellen mit Quellenangaben versehen, die jedoch in den meisten Fällen nicht auf die Quellenedition verweisen, sondern lediglich die Sekundärliteratur nennen aus der der Text stammt. Anders verhält es sich bei den Bildquellen, für die nicht einmal zu den großen ganzseitigen Sachsenspiegelbilderhandschriften Angaben zu Ausgabe oder Foliant gemacht werden. Da aufgrund des Darstellungsstils offensichtlich ist, dass es sich um die Wolfenbütteler-Handschrift aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts handelt, ist hier die Jahresangabe, die sich mit dem 13. Jahrhundert anscheinend an der ersten Textfassung des Sachsenspiegels orientiert, hinsichtlich der gezeigten Bilderhandschrift 460 nicht einwandfrei angegeben. 4.3.2 Strukturelle Einbindung 461 Obwohl für diesen Untersuchungsabschnitt theoretisch sieben verschiedene Lehrpläne relevant sind, lassen sich aufgrund der inhaltlichen Ähnlichkeiten der Vorgaben hinsichtlich des Lehnswesens ab 1995 die Bücher vor allem zwei Lehrplan-„Bereichen“ zuordnen: Den Rahmenrichtlinien von 1982, die das Lehnswesen explizit in einem 462 frühmittelalterlichen Zusammenhang verorten, und den Lehrplänen ab 1995, die zwar eine strukturgeschichtliche Einordnung vorsehen, jedoch inhaltliche Bezüge zum Fran463 kenreich herstellen. Im Gegensatz zu den bisherigen Untersuchungsabschnitten fällt auf, dass die Schulbücher dieses Abschnittes weitgehend den Vorgaben aus dem Ministerium folgen. Zwar macht sich die vom Lehrplan 1982 vorgenommene Verschiebung des Lehnswesens auf die Behandlung in den Jahrgangsstufen 9/10 merkbar, 465 464 in keinem der relevanten Bücher be- jedoch verorten beide Erstauflagen das Lehnswesen klar im Franken- 459 Eine Ausnahme stellt das Buch Geschichte und Geschehen (1987) dar, in dem der Brief Karls des Großen an seinen Abt Fulrad nicht belegt wird. 460 Geschichte und Geschehen (1995, 2004, 2006, 2012, 2014). Zur Datierung vgl. Werner (1989), S. 73f. Siehe auch die Informationen auf der unter anderem von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel betreuten Website http://www.sachsenspiegelonline.de/export/ssp/ssp.html [letzter Zugriff: 19.05.2015]. 461 Siehe zu diesem Kapitel auch die Ergebnisse in Tab. 3, S. 61. 462 Siehe Kap. 3.2.4. 463 Siehe die Kap. 3.2.5 und 3.2.6. 464 Siehe die Ausführungen in Kap. 3.2.4. 465 Geschichte und Geschehen (1987), Geschichtsbuch (1986, 1994, B 1994) urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 86 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch reich. 466 Die beiden kurz vor dem Erscheinen der neuen Lehrpläne 1994 parallel er- schienenen Neuauflagen des Geschichtsbuchs scheinen sich ihrem konsequent struktur467 geschichtlichen Aufbau nach bereits an den neuen Vorgaben zu orientieren. Auch für die Schulbücher des zweiten Zeitabschnitts ab 1995 zeigt sich deutlich, dass diese der curricularen Struktur der Lehrpläne in weiten Teilen folgen, was sich konkret in einer Mischung aus verlaufs- und strukturgeschichtlichen Ansätzen bei der Präsentation der Inhalte äußert. 468 4.3.3 Inhaltliche Darstellung Wie im zweiten Untersuchungszeitraum lassen sich auch hier keine einheitlichen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen in den Darstellungen feststellen. Während in zwei Reihen 469 nur die Lehnserblichkeit thematisiert wird, führt Geschichte und Geschehen ab 1995 alle Entwicklungsschritte erstmals auch inklusive der Mehrfachvasallität auf. 470 Die vermeintlich negativen Auswirkungen dieser Entwicklungen in Bezug auf eine „deutsche Zentralstaatlichkeit“ werden nicht mehr dargestellt. Erstmals im Untersuchungskorpus wird in einer der Auflagen auch die Erblichkeit von Lehen durch Frauen – sogar inklusive einer Textquelle – behandelt. 471 Dennoch liegt diesmal allen Texten unabhängig von ihrer thematischen Einbindung in die Buchstruktur das Narrativ eines in fränkischer Zeit entstandenen Lehnswesens zugrunde. Bezüge dazu finden sich auch über die Auswahl der Abbildungen und Arbeitsmaterialien. 472 Jedoch werden vor allem über die Verwendung von Abbildungen aus den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels 473 474 oder anderen Darstellungen häu- fig Bezüge zum 13./14. Jahrhundert hergestellt. Inhaltliche Verweise zum Hochmittelal- 466 Geschichte und Geschehen (1987), Geschichtsbuch (1986). Geschichtsbuch (1994, B 1994). 468 Vgl. ähnliche Befunde bei Clauss (2007), S. 26f. oder Bühler (2011), S. 246. 469 Anno (1995); Geschichtsbuch (1994, B 1994). Im Geschichtsbuch (1986) wird nicht einmal die Erblichkeit von Lehen thematisiert. 470 Geschichte und Geschehen (1995, 2004, 2006, 2012, 2014). Ebd. (1987) thematisiert hingegen nur die Erblichkeit. 471 Geschichte und Geschehen (1995). Siehe auch die Ausführungen in Anm. 448. 472 Anno (1995), Geschichtsbuch (1986, 1994), Geschichte und Geschehen (1987, 1995, 2004, 2006, 2012, 2014). 473 Anno (1995), Geschichte und Geschehen (1987, 1995, 2004, 2006, 2012, 2014). 474 Geschichte und Geschehen (1987, 1995, 2004, 2006). 467 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 87 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 475 ter finden sich hingegen nur in einer Ausgabe. Bemerkenswerterweise verweist eine Reihe bei der Abbildung des Handgangs aus dem Sachsenspiegel explizit darauf, dass das Bild „aus wesentlich späterer Zeit (14. Jhdt.)“ stamme und zeigt damit als einziges untersuchtes Werk ein Bewusstsein für die Problematik der zeitlichen Diskrepanz von 476 Verfassertext und Bebilderung. 477 Obwohl sich ab 1995 in keiner der Reihen ein Bezug zum Leihezwang findet, zeigen sich in diesem Untersuchungsabschnitt andere Darstellungen, die vor fachwissenschaftlichem Hintergrund problematisch erscheinen. So wird beispielsweise in der ersten Auflage der Reihe Geschichtsbuch das Lehnswesen als System erklärt, mit dem der König nur die weltlichen Großen an sich band. Stützen seiner Herrschaft“ 479 478 Geistliche als „die wichtigsten , werden explizit davon ausgenommen. Diese mit dem Lehnswesenbild des nur wenige Jahre vorher in die sechste Auflage gegangenen Ganshof-Klassikers nur schwer vereinbare Darstellung, wurde dann in der zweiten Auflage durch eine Lehnspyramide, die unter den „Kronvasallen“ 480 auch Bischöfe und Äbte aufführt, wieder entschärft. Zum ersten Mal muss in diesem Untersuchungsabschnitt – zumindest für einen Teil der Auflagen – die Verwendung dieses Pyramiden-Schemas allerdings als problematisch gelten, denn im Jahr 1992 hatte der Mediävist Hartmut Boockmann in einem vielbeachteten Aufsatz die Lehnspyramide als „Topos in den Mittelalter-Darstellungen der Schulbücher“ 481 bezeichnet. Obwohl das Schaubild auf die Heerschildordnung des Sachsenspiegels zurückgehe, die „nur“ regelte, wer von wem Lehen empfangen durfte, 482 präsentiere sich dieses in den Schulbüchern hingegen als Darstellung einer ge483 samtmittelalterlichen Verfassungs- und Sozialordnung. Da damit zusätzlich versucht 475 Geschichte und Geschehen (1995). Geschichte und Geschehen (1987). 477 Das scheint jedoch auch damit zusammenzuhängen, dass im dritten Untersuchungsabschnitt keine Reihe aus dem Diesterweg Verlag, in denen der „Leihezwang“ immer behandelt wurde, mehr untersucht wurde. Auch bei der Diesterweg-Reihe Unsere Geschichte, Bd. 1: Von der Steinzeit bis zum Ende des Mittelalters, hrsg. v. Wolfgang Hug, Diesterweg: Frankfurt 1984, wurde dieser Bezug zum Leihezwang noch festgestellt, vgl. Clauss (2007), S. 34f. 478 Geschichtsbuch (1986). 479 Ganshof (19836), vgl. ebd. u. a. S. 53f. 480 Geschichtsbuch (1994 u. B 1994). 481 Vgl. den Titel von Boockmann (1992). 482 Vgl. Boockmann (1992), S. 362f. (Zitat ebd., S. 362) sowie Patzold (2012), S. 107f. 483 Vgl. Boockmann (1992), S. 363. In Grundzüge der Geschichte (1964) heißt es sogar wörtlich „Diesen Aufbau der Gesellschaft können wir als Lehnspyramide darstellen“. 476 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 88 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch werde, Schemata neuzeitlicher Staats- und Regierungssysteme auf die vielgestaltigen mittelalterlichen Verhältnisse zu übertragen, sei seine Verwendung in den Büchern anachronistisch. 484 Vor diesem Hintergrund macht Boockmann zwar einige andere Vor- schläge, wie mittelalterliche Herrschaft grafisch gestaltet werden könnte, 485 plädiert jedoch letztlich für die Abschaffung eines solchen Schemas für das Mittelalter, indem er die Frage aufwirft, „ob der traditionelle Abbildungs-Zwang, dem sich Autor/innen und Verlage von Schulbüchern unterwerfen, nicht gelegentlich dazu führt, daß Diagramme 486 auch dort geboten werden, wo man sich besser auf Worte beschränkte“ . Vor diesem Hintergrund lässt sich beobachten, dass die Reihe Geschichte und Geschehen ab der 487 1995er Auflage tatsächlich keine Lehnspyramide mehr zeigt, obwohl es so aussieht als ob die Reihe erst für ihre erste Auflage 1987 eine „neue“ Pyramide entworfen hat488 te. Bei den anderen beiden Reihen erfreuen sich Lehnspyramiden jedoch weiterhin großer Beliebtheit. Während bei Cornelsens Geschichtsbuch die erste Auflage von 1986 489 noch keine Pyramide enthält, kommt diese sogar erst nach ihrer „Problematisierung“ 490 durch die Fachwissenschaft 1994 hinzu. 491 Auch Annos Bildchenpyramide erscheint erst drei Jahre nach Boockmanns Aufsatz. Doch wie verhält es sich schließlich mit der Rezeption der fachwissenschaftlichen Neubewertungen seit Mitte der 1990er Jahre? Geht man davon aus, dass gerade in modernen Schulbüchern die Rezeption fachwissenschaftlicher Forschungsergebnisse nicht nur unkommentiert in Verfassertexten, sondern auch über die Auswahl von Arbeitsma492 terialien stattfinden kann, könnten sich Anhaltspunkte hierfür immerhin in noch vier 493 untersuchten Auflagen der Reihe Geschichte und Geschehen ab dem Jahr 2004 finden lassen. Eine Rezeption der Fachdiskussion findet allerdings nicht statt, was sich sowohl am Narrativ der Verfassertexte als auch an der Auswahl der Quellen zeigt. Obwohl im 484 Vgl. Boockmann (1992), S. 370f. Vgl. ebd., S. 369–371. 486 Ebd.‚ S. 372. 487 Geschichte und Geschehen (1995, 2004, 2006, 2012, 2014). 488 Ebd. (1987). Die Annahme einer Neuentwicklung der Pyramide beruht auf der Beobachtung, dass die bereits in den Klett-Reihen Geschichtliches Unterrichtswerk (1966) und Menschen in ihrer Zeit (1968 u. 1976) verwendete Pyramide nicht mehr verwendet wurde. 489 Geschichtsbuch (1986). 490 Geschichtsbuch (1994 u. B 1994). 491 Anno (1995). Siehe die Ausführungen in Kap. 4.3.1. 492 Vgl. ähnlich auch Clauss (2007), S. 24f. 493 Geschichte und Geschehen (2004, 2006, 2012, 2014). 485 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 89 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Zuge der Neuauflage die Texte der 1995er Auflage – bis auf einen Absatz zur Lehnserblichkeit – weitgehend neu verfasst worden waren, und somit eine Rezeption durchaus möglich gewesen wäre, kamen sogar Darstellungen der älteren Forschungsansätze neu hinzu. Bestes Beispiel hierfür ist der Satz „Zu Beginn des 9. Jahrhunderts hatte der König etwa 2000–4000 Kronvasallen, die […] wiederum 30–40000 Untervasallen hatten“, der sich erst ab 2004 in der Reihe wiederfindet und der ganz offensichtlich direkt auf 494 Zahlen der älteren Forschung rekurriert. Auch die Auswahl, oder besser gesagt die Beibehaltung der Textquelle bestätigt die Nicht-Berücksichtigung der neuen Forschungsansätze. In dem bereits seit den frühen 495 1950er Jahren in Schulbüchern zu findenden 496 rad des Klosters Altaich 497 ausgerüsteten Leuten Brief Karls des Großen an den Abt Ful- wird Fulrad befohlen sich mit seinen gut bewaffneten und nach Staßfurt (im heutigen Sachen-Anhalt) zu begeben. Obwohl der Brief an sich keine Informationen über Vasallen oder Lehen – nicht einmal zu beneficia – enthält, bekommt er in den Schulbüchern eine klare lehnsrechtliche Interpretation. Dies geschieht nicht einmal durch eine unvorsichtige Übersetzung von homines mit „Vasallen“ lenheer ein“ 499 498 , sondern direkt über die Überschrift „Karl der Große ruft das Vasal- , oder entsprechende Arbeitsaufträge 500 . Die lehnsrechtliche Auslegung der Quelle ist sogar zusätzlich problematisch, da nach den jüngeren Forschungsansätzen 501 der Eintritt Geistlicher in die Vasallität generell nicht nachgewiesen werden kann. Ein kurzer Blick in die anderen aktuell in Hessen zugelassenen Geschichtsbücher für die gymnasiale Mittelstufe 502 zeigt, dass Geschichte und Geschehen bei der Nicht- 494 Vgl. u. a. Kienast (1990), S. 208 sowie zusammenfasend Patzold (2012), S. 24f. Siehe dazu auch die Ausführungen in Kap. 3.1.1, v.a. in Anmerkung 81. 495 Siehe hierzu weiter unten die Ausführungen in Kap. 4.3.4. 496 Karoli ad Fulradum Abbatem epistola, in: MGH, Capitularia regum Francorum I, Hannover 1883, S. 168. 497 cum hominibus tuis bene armatis ac preparatis […], ebd. 498 Die homines des Abtes werden als „Leute“ übersetzt. Vgl. die Quellensammlung aus der der Textausschnitt stammt: Lautemann (1970), S. 76f. 499 Geschichte und Geschehen (2006). 500 Geschichte und Geschehen (2012, 2014): „Erläutere das Verhältnis zwischen Abt Fulrad und Kaiser Karl. Ziehe dazu auch die Informationen über das Lehnswesen heran“. 501 Vgl. knapp Patzold (2012), S. 37f.; Bereits Walter Kienast bemerkte dazu, dass hohe Geistliche in den Quellen nie als Vasallen bezeichnet werden, vgl. Kienast (1990), S. 557. 502 Im Einzelnen sind dies: Das waren Zeiten – Neue Ausgabe Hessen (G9), Bd. 2: Mittelalter und Neuzeit, hrsg. v. Dieter Brückner und Harald Focke, Bamberg: C.C. Buchner 2014; denk|mal Geschichte – Hessen (G9 u. Realschule), Bd. 2, Braunschweig: Schroedel (Bildungshaus Schulbuchverlage) 2011; Forum Geschichte – Ausgabe Hessen (G8), Bd. 2: Vom Römischen Reich bis zur Reformation, hrsg. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 90 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Rezeption der neuen Forschungen keine Ausnahme darstellt, denn auch die meisten 503 anderen Reihen nehmen entweder über den Verfassertext lenmaterials 504 oder die Auswahl des Quel- einen direkten Bezug auf das Frühmittelalter. Ausnahmen stellen die Reihen Mosaik aus dem zu Cornelsen gehörenden Oldenbourg Schulbuchverlag und Horizonte der Westermann-Gruppe dar, die zwar sowohl im Text als auch über die Auswahl der Text- und Bildquellen keine direkten Bezüge zur Zeit vor dem 12. Jahr505 hundert herstellen, die neuen Forschungsansätze jedoch trotzdem nicht rezipieren. 4.3.4 Verlags- und Reihenspezifika Bedingt durch die weitgehende Konformität der Reihen zu den Lehrplänen, lassen sich Annäherungen der Reihen untereinander nicht ausmachen. 506 Auch Ähnlichkeiten der Lehnswesen-Darstellungen zwischen den Reihen lassen sich nicht feststellen. Durch die verschiedenen Schwerpunktsetzungen in den Erzählungen unterschieden sich die Dar507 stellungen sogar individuell stark voneinander. Während bei der Reihe Geschichts- buch nur die Übernahme einzelner Sätze und nicht einmal des Bildmaterials, festgestellt 508 werden kann, lassen sich bei Geschichte und Geschehen sowohl verschiedene Neu- entwürfe als auch Konstanten in der Darstellung ausmachen. Wurden in der Ausgabe des Jahres 1995 noch sowohl der Verfassertext als auch das Quellenmaterial hinsichtlich der Erstauflage 1987 komplett überarbeitet, stammt das in den aktuellen Auflagen verwendete Quellenmaterial komplett aus der Ausgabe des Jahres 1995. 509 Auch die v. Hans-Otto Regenhardt und Claudia Tatsch, Berlin: Cornelsen 2007; Horizonte 7 – Geschichte Gymnasium Hessen (G8/9), Braunschweig: Westermann (Bildungshaus Schulbuchverlage) 2006; Mosaik. Der Geschichte auf der Spur – Ausg. F2 Hessen (G8/9), Bd. 2: Von der Römischen Antike bis zum Zeitalter der Glaubenskriege, hrsg. v. u. a. Herwig Buntz, Joachim Cornelissen, München: Oldenbourg 2012. 503 Forum Geschichte (2007), S. 84; 504 Hauptquelle ist auch hier der Brief Karls des Großen an Fulrad. denk|mal Geschichte (2011), S. 20; Das waren Zeiten (2014), S, 59. 505 Mosaik (2012), S. 136f.; Horizonte (2006), S. 130f. Die in diesem Absatz unter der Einbeziehung aller in Hessen zugelassener Schulbücher erzielten Analyseergebnisse besitzen dabei durchaus große Aussagekraft, vgl. zu dieser Art der Querschnittserhebung Biener (2014), S. 64. 506 Siehe die Ergebnisse in Kap. 4.3.2. 507 Siehe auch Kap. 4.3.3. 508 Obwohl zwischen der ersten und zweiten/letzten Auflage gerade einmal 8 Jahre liegen, Geschichtsbuch (1987, 1994, B 1994). 509 Geschichte und Geschehen (1995, 2012, 2014). urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 91 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch aktuell verwendeten Texte stellen nur verkürzte Versionen von bereits 2004 verwende510 ten Darstellungen dar. Am auffälligsten ist jedoch, dass sich Klett mit dem Brief Karls des Großen an Abt 511 Fulrad von den 1950er Jahren bis heute konstant der gleichen Textquelle bedient, 512 zudem mittlerweile auch von anderen Schulbuchreihen übernommen wurde. 513 schen in ihrer Zeit die In Men- wurde diese zwar nicht verwendet, dafür findet sie sich in der pa514 rallel erschienenen Klett-Reihe Erinnern und Urteilen, aus der sie wiederum inklusi515 ve der neuen Übersetzung für die erste Auflage von Geschichte und Geschehen über- nommen worden war. 4.4 Ergebnisse der Schulbuchanalyse Welche Antworten ergeben sich aus der zurückliegenden Untersuchung der Schulbücher hinsichtlich des Eingangs formulierten Fragenkatalogs? Die folgende zusammenfassende Darstellung und Bewertung der erzielten Ergebnisse unterteilt sich dazu in Aussagen hinsichtlich des untersuchten Einflusses der Lehrpläne einerseits, sowie der Art und Weise der Umsetzung des mediävistischen Forschungsbildes andererseits. Vor allem für die Ergebnisse des ersten Teils ist dabei zu berücksichtigen, dass der Themenkomplex zum Lehnswesen in den verschiedenen Schulbuchreihen nicht immer gleichermaßen von den administrativen Änderungen hinsichtlich der allgemeinen Ausrichtung des Geschichtsunterrichts betroffen war, sodass sich Auswirkungen zwar nicht immer in den untersuchten Abschnitten, jedoch durchaus in angrenzenden Themen feststellen ließen, worin sich einmal mehr die Exemplarität solcher Untersuchungen zeigt. 4.4.1 Schulbuchdarstellungen zum Lehnswesen im Spiegel der Lehrpläne Besonders anhand des konzeptionellen Aufbaus der Lehnswesenkapitel konnte die seit den 1960er Jahren einsetzende Entwicklung von einem beschreibenden hin zu einem entdeckenden Geschichtsunterricht mit der vermehrten Einbeziehung von visuellen und 510 Ebd. (2004, 2006, 2012, 2014). Geschichtl. Unterrichtswerk (1951, 1954, 1955, 1966) 512 denk|mal Geschichte (2011), S. 20; Das waren Zeiten (2014), S, 59. Siehe auch die Ausführungen in Kap. 4.3.3. 513 Menschen in ihrer Zeit (1968, 1976). 514 Erinnern und Urteilen (1977), S. 31. 515 Geschichte und Geschehen (1987). 511 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 92 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch textlichen Arbeitsmaterialien nachvollzogen werden. Bis zum Ende der 1950er Jahre ließ sich zudem der Wechsel von einem erzählerischen Leitfadenstil, hin zu einem sachlicheren Sprachstil beobachten. In diesem Zug wurde in den 1960er Jahren auch die spärliche illustrative Bebilderung der Bücher vermehrt durch historische Abbildungen – allerdings keine zum Lehnswesen – abgelöst und durch Schaubilder bzw. Lehnspyramiden, ergänzt. 516 Ebenfalls ließen sich die ersten klar vom Verfassertext unterscheidbaren Textquellen in Form von ausschnitthaften Übersetzungen zur Illustration des selbigen 517 feststellen. Nach der auch von den neuen Rahmenrichtlinien ausgehenden Fokussierung auf die Quellenarbeit, konnte ab der Mitte der 1970er Jahre eine deutliche Zunahme der Textquellen aufgezeigt werden, für die zwar vereinzelte Quellenbelege beigefügt wurden, bei denen es sich jedoch bis auf eine Ausnahme um Sekundärliteratur handelt. Auch ein wissenschaftlicher Textauszug aus einem zeitgenössischen Handbuch befand sich in einer der untersuchten Reihen. Zusätzlich zu den Lehnspyramiden fanden in den 1970er Jahren auch die ersten Bildquellen in Form von Ausschnitten aus den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Einzug in die Darstellungen. Im Gegensatz zu den Textquellen 518 konnten für diese jedoch in keinem Fall Quellenangaben nachgewiesen werden. In Erscheinungsbild und Umgang mit dem Quellenmaterial bestätigt sich damit die Annahme, der Schulbuchtyp der 1960er/1970er Jahre stelle eine Vor- oder Zwischen519 stufe zu modernen Lern- und Arbeitsbüchern dar. Das seit der vermehrten Aufnahme von Arbeitsmaterialien in den 1960er Jahren bestehende Problem ihrer rein illustrativen Verwendung besteht dabei in Ansätzen bis heute. Diesem Umstand wurde in den 1970er 520 Jahren durch die Entwicklung eines reinen Arbeitsbuches ohne Verfassertext versucht 521 entgegenzutreten, ohne dass sich dieser Schulbuchtyp jedoch durchsetzen konnte. 522 den modernen kombinierten Lern- und Arbeitsbüchern In seit den 1990er Jahren werden Verfassertext und Material weiterhin parallel verwendet. Seit den 1980er Jahren konn516 Obwohl sich die erste Pyramide bereits in Kletts Geschichtl. Unterrichtswerk (1955) wiederfindet. (Eine Version dieser Pyramide findet sich auch online unter http://www.wmelchior.com/mediaevistik/einfuehrung.html [letzter Zugriff: 29.11.2017]). 517 Zu diesem Absatz siehe Kap. 4.1.1. Auch hier bildet Geschichtl. Unterrichtswerk (1951) mit der frühen Verwendung einer Textquelle eine Ausnahme. 518 Zu diesem Absatz siehe Kap. 4.2.1. 519 Vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 71. 520 In unserem Korpus die Reihe Fragen an die Geschichte (1974, 1980). 521 Siehe Kap. 4.2.1. 522 Vgl. Schönemann/Thünemann (2010), S. 49f. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 93 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch ten zudem verschiedene Versuche festgestellt werden, der Eigenständigkeit des Materials durch eine räumliche oder inhaltliche Trennung vom Verfassertext gerecht zu werden. Dabei finden sich vor allem bei den Nachweisen für die verwendeten Materialien Ungenauigkeiten. Während für sämtliche Textquellen Quellennachweise – wenn auch weiterhin mehrheitlich in Form von Sekundärliteraturangaben – belegt werden konnten, ließen sich für Bildquellen zum Lehnswesen – die zudem ausschließliche Buchmalereien darstellen – keine Angaben finden, die eine Nachverfolgung der gezeigten Aus523 schnitte ermöglichen. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft dabei die Art der Präsentation. Auch vonseiten der fachdidaktischen Forschung besteht die Kritik, dass zu starke Textkürzungen oder Bildbeschneidungen, ebenso wie die vor allem in älteren Büchern noch zu findenden glatten Übersetzungen der lateinischen Originale, die Quellen ihrer historischen Authentizität 524 und Alterität berauben. In diesem Sinne lässt sich bei den Materialien zum Lehnswe- sen zwar die Überarbeitung einer Quellenübersetzung aus den 1950er Jahren feststel525 len, aber auch das Abdrucken kleinster „Quellenschnipsel“, die häufig nicht mehr als 526 einen Satz umfassen. Auch bei der durchaus positiv zu bewertenden Darstellung eines großen mehrspaltigen Ausschnittes einer Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, verliert die Quelle durch das komplette Ausblenden der Textspalte viel von ihrem historischen 527 Erscheinungsbild. Für die seit den 1990er Jahren festgestellten zahlreichen bildlichen Darstellungen stellt sich weiterhin die Frage nach ihrer rein illustrativen Funktion, da für die meisten Abbildungen nicht nur fehlende Informationen, sondern auch keine Arbeitsaufträge nachgewiesen werden konnten. Der meistens darstellte Handgang oder die in zwei Büchern zu findende Darstellung eines „Panzerreiters“ bieten dabei kaum Mehrwert zur 528 Erschließung des Lehnswesens. Auch wenn „eine angemessene Bildinterpretation ist 523 Zu diesem Absatz siehe Kap. 4.3.1. Vgl. auch Schönemann/Thünemann (2010), S. 88. Ein Beispiel wäre die ab den 1980er geänderte Übersetzung eines Briefes Karls des Großen an einen Abt Fulrad, die sich in einer sehr freien Übersetzung bereits seit den 1950er Jahren in einem Schulbuch befand. 525 Geschichtliches Unterrichtswerk (1966) u. Geschichte und Geschehen (1987). Ein Beispiel ist die ab den 1980er geänderte Übersetzung eines Briefes Karls des Großen an einen Abt Fulrad, die in einer sehr freien Übersetzung bereits seit den 1950er Jahren verwendet wurde, vgl. Geschichtliches Unterrichtswerk (1951) u. Geschichte und Geschehen (1987). Siehe auch Kap. 4.1.1, 4.3.1 u. 4.3.4. 526 Fragen an die Geschichte (1975, 1980), 527 Geschichte und Geschehen (1995, 2004, 2006, 2012, 2014). Siehe auch Kap. 4.3.1. 528 Zu diesem Absatz siehe Kap. 4.3.1. 524 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 94 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch ein anspruchsvolles kulturelles Decodierungsverfahren, das nicht nur die Beschreibung der Bildkomposition und die Untersuchung des historischen Entstehungskontextes erfasst, sondern auch ausgeprägte ikonographische Kompetenz voraussetzt“ ist, 529 ließe sich an den seit den 1970er Jahren verwendeten Bilderhandschriften des Sachsenspiegels für Schülerinnen und Schüler sicherlich mehr „entdecken“, als den Handgang und 530 die Übergabe von Investiturgegenständen. Trotz dieser Kritik zeigen die Darstellungen zum Lehnswesen, dass sich die seit den 1970er Jahren von den Lehrplänen ins Zentrum des Geschichtsunterrichts gerückte Quellenarbeit auch in den Schulbüchern widerspiegelt. Bemerkenswert ist dabei die Beobachtung, dass diese Entwicklung offensichtlich jedoch nicht nur auf die Lehrpläne zurückgeht, denn erste Schritte in diese Richtung unternahmen die Verlage und Autor/innen bereits in den 1960er Jahren – auch ohne ministerielle Vorgaben. Neue fachdidaktische Diskurse scheinen also nicht nur über Lehrpläne Einzug in die Schulbücher zu erhalten. Doch inwiefern orientieren sich die Schulbücher auch hinsichtlich der vorgegebenen thematischen Einbindung des Lehnswesens strukturell an den Lehrplänen? Bezogen auf die Lehrplanvorgaben von 1956/57 konnte nur für eine Reihe eine Beachtung dieser festgestellt werden, die dabei nicht nur unmittelbar nach dem neuen Lehrplan erschien, sondern sich auch in ihrem Vorwort explizit auf diesen bezog. Bei den anderen beiden Reihen des ersten Abschnittes erfolgte eine Neubearbeitung nicht nur knapp ein Jahrzehnt später, sondern auch dann ohne die vorgegebenen Strukturen zu berücksichtigen. Stattdessen konnte gezeigt werden, dass auch die Reihe, die sich ursprünglich auf die Einteilung des Lehrplans bezogen hatte, Ende der 1960er Jahre ihre Struktur den anderen beiden Konkurrenzreihen anpasst – entgegen der geltenden Lehrplanstruktur. 531 Somit verorten sämtliche in den 1960er Jahren erschienene Neuauflagen das Lehnswe532 sen entgegen dem Lehrplan im Frühmittelalter. Die vor allem hinsichtlich der Bebil- derung überarbeiteten Neuauflagen erscheinen ohne eine vorherige Lehrplanrevision. Sie müssen daher vor dem Hintergrund eines generellen fachdidaktischen und medien529 Schönemann/Thünemann (2010), S. 90. Ansatzpunkte hierfür böten beispielsweise die bei Amira (1905) aufgezeigten Bedeutungen der Handgebärden, vor dem Hintergrund ihrer ikonographischen Vorbilder. 531 Zu diesem Absatz siehe Kap. 4.1.2. 532 Dies betrifft nicht nur, die zum ersten Untersuchungsabschnitt gehörenden Grundzüge der Geschichte (1964); Geschichtl. Unterrichtswerk (1966) und Spiegel der Zeiten (1969) sondern auch die Reihe Menschen in ihrer Zeit (1968) des zweiten Untersuchungsabschnittes. Siehe auch Kap. 4.1.2. 530 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 95 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch konzeptionellen Wandels gesehen werden, der sich erst zu Beginn der 1970er auch in den Lehrplänen hinsichtlich geänderter methodischer Anforderungen niederschlägt. Außerdem fällt auf, dass alle diese Reihen trotz der umfassenden Lehrplanänderungen 1972/1973 noch mindestens bis Ende der 1970er Jahre, teilweise sogar noch bis in die 1980er Jahre hinein zugelassen waren (vgl. Abb. 3). Zwei Reihen veröffentlichten sogar noch Mitte der 1970er Jahre strukturell unveränderte Neuauflagen. Auch eine „Abschaffung“ des Lehnswesens findet weder in diesen noch in den beiden erst nach den Lehrplänen erschienenen neuen Reihen statt. Die neue Einteilung nach Lernfeldern bewirkt vielmehr, dass sich die Kapitelstruktur dieser Reihen generell strukturellen Ansätzen anpasst. Auffallend ist die von einer Reihe vorgenommene Verschiebung des Lehnswesens in das Kapitel zu den Staufern im 12. Jahrhundert – eine Einteilung, die sogar nach dem Stand der jüngeren Forschung heute noch haltbar wäre. Insgesamt lässt sich jedoch auch in den 1970er Jahren nur bedingt die Umsetzung der vom Lehrplan 533 vorgegebenen inhaltlichen Strukturierung feststellen. Erst für die beiden neu erschie- nenen Reihen Ende der 1980er Jahre zeigt sich eine teilweise Umsetzung der Lehrplanvorgaben von 1982, indem beide Reihen das Lehnswesen klar im Frühmittelalter verorten. Die vom Lehrplan ebenfalls vorgegebene Behandlung des Themas in der 9./10. Jahrgangsstufe in Verbindung mit Themen des 19. und 20. Jahrhunderts berücksichtigen sämtliche Reihen, beispielsweise durch Verschiebung des Themas in einen anderen 534 Band, nicht. Ab 1995 folgen hingegen alle untersuchten Schulbücher der neuen strukturgeschichtlichen Vorlage der Lehrpläne. Dabei bestätigte sich die Annahme, dass die Schulbuchautor/innen auch die in den Lehrplänen zu den jeweiligen Themenfeldern genannten Themenstichworte in einer ähnlichen Reihenfolge und Gewichtung übernehmen, weshalb die Bücher das Lehnswesen konsequent zur Zeit Karls des Großen 535 oder unmittelbar danach behandeln. Zusammenfassend konnte damit aufgezeigt werden, dass sich die Schulbücher noch bis in die 1980er Jahre hinein bezüglich ihrer inhaltlichen Struktur nicht unbedingt an den Vorgaben des Bildungsministeriums orientierten. Zusätzlich ließ sich feststellen, dass Schulbücher teilweise über 20 oder 30 Jahre zugelassen gewesen sein konnten, 533 Zu diesem Absatz siehe Kap. 4.2.2. Siehe Kap. 3.2.4 sowie Kap. 4.2.2 u. 4.3.2. 535 Siehe Kap. 3.2.5 sowie Kap. 4.3.2. 534 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 96 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch ohne dass diese in Inhalt oder Struktur den sich ändernden bildungsadministrativen Vorgaben angepasst worden wären. Die heute zu beobachtende absolute Lehrplankon536 formität scheint somit eine relativ neue Entwicklung seit der Mitte der 1990er Jahre zu sein. 4.4.2 Das mediävistische Forschungsbild in den Schulbuchdarstellungen zum Lehnswesen Bei einem Thema, das im Mittelalterunterricht eine jahrzehntelange Konstanz aufweist und zudem lange Zeit vonseiten der Mediävistik kaum Änderungen seines allgemeinen Narratives erfuhr, ließe sich vermuten, dass sich mit der Zeit auch einheitliche Erzählkonzepte hinsichtlich der ausgewählten Inhalte herausgebildet hätten. Abgesehen von seiner Kernformel, der Vergabe von Lehen an Vasallen für diverse Dienste, die diese weiterverleihen, weisen die Darstellungen des Lehnswesens im Detail jedoch durchaus unterschiedliche Ausgestaltungen auf. Zusammenfassend lässt sich über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet eine weitgehende Konformität mit der jeweils geltenden Forschungsmeinung, bei gleichzeitig großer Varianz bei der konkreten Ausgestaltung feststellen. Dabei sind die Lehnswesen-Darstellungen der 1950er Jahre bedingt durch den vor537 noch chronologisch erzählte „Geschichten“ herrschenden Stil der Leitfadenerzählung des Lehnswesens mit seinen Anfängen bei den Franken, die sich deutlich hinsichtlich ihres Umfangs und der thematischen Tiefe unterscheiden. Bei zwei Reihen ließ sich zudem eine Thematisierung der vermeintlichen negativen Auswirkungen des Lehnswe538 sens auf das deutsche Königtum feststellen, die im Sinne einer nationalen Identitäts- bildung ebenfalls auf den damaligen Schulbuchtyp zurückzuführen sein dürfte. Das Narrativ von der Negativwirkung des Lehnswesens auf die deutsche Staatsbildung findet sich im folgenden Untersuchungsabschnitt folglich auch nur noch in einer Reihe, die bezeichnenderweise aus einer älteren Reihe desselben Verlags übernommen wurde. Hierbei zeigt sich sogar, dass das Narrativ noch bis in die letzte Neuauflage 539 1991 übernommen wird. Bei den anderen beiden Reihen der 1970er Jahre ließen sich 536 Vgl. u. a. Bühler (2011), S. 246. Siehe Kap. 4.1.1. 538 Siehe Kap. 4.1.3. 539 Zu diesem Fall siehe Kap. 4.2.4. 537 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 97 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch hingegen fast neutrale und statische Darstellungen feststellen, auch hier mit erheblichen Unterschieden in der thematischen Tiefe und unabhängig davon, ob das Lehnswesen bei 540 den Karolingern oder in einem Kapitel mit den Staufern behandelt wird. Obwohl alle Reihen des dritten Untersuchungsabschnittes das Lehnswesen wieder wie im ersten Abschnitt explizit in der fränkischen Zeit entstehen lassen, unterscheiden auch sie sich stark hinsichtlich ihrer inhaltlichen Schwerpunkte und des dem Thema zugestandenen Umfangs. Mit der Erblichkeit von Lehen durch Frauen zeigen sich dabei auch Auswirkungen neuer gesellschafts- und geschichtswissenschaftlicher Fokussierungen, wie der Geschlechtergeschichte auf die Schulbuchdarstellungen. Die Mehrfachvasallität wird zwar noch erwähnt, ohne jedoch, dass damit Aussagen hinsichtlich einer Schwächung des deutschen Königtums getroffen werden. 541 Als Ergebnis lässt sich daher vermuten, dass die konkrete Ausgestaltung des Themas hinsichtlich Umfang und inhaltlicher Tiefe bis heute vor allem den Autor/innen des Abschnittes und ihren jeweiligen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Hintergründen und Interessen unterliegt, 542 unabhängig von der vorgegebenen Einbindung des Themas in die Buchstrukturen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Aufnahme des sogenannten Leihezwangs in die Neubearbeitung einer Schulbuchreihe des Jahres 1969 zu sehen, nachdem dieser bereits 1962 widerlegt worden war. Zwar wird der neue Forschungsstand bereits in der zweiten Auflage von Ganshofs „Lehnswesen“ 1967 berücksichtigt, 543 doch was ist, wenn der beteiligte Autor seiner Überprüfung die ebenfalls relativ junge erste Auflage von 1961, die den Leihezwang noch als gegeben betrach544 tet, 545 zugrunde legte. In Hinblick darauf, dass diese erste Auflage auch in Schulbü546 chern von 1975 und 1980 noch zitiert wird, erscheint diese Vermutung nicht unwahr- scheinlich. Allerdings kann auch dieser Bezug auf ältere Handbuchliteratur nur bedingt erklären, warum sich der ältere Forschungsstand noch bis in eine Neuauflage von 1991 540 Siehe Kap. 4.2.2 u. 4.2.3. Zu diesem Absatz siehe Kap. 4.3.3. 542 Vgl. auch Clauss (2007), S. 46. 543 Vgl. Ganshof (19672), S. 179. 544 Vgl. Ganshof, (1961), S. 179. Tatsächlich wurde bei der Darstellung im Vergleich zur zweiten Auflage nur ein Satz geändert. 545 Selbstverständlich kann der Autor sich für die Überarbeitung auch an anderen älteren Werken orientiert haben. Das Beispiel „Ganshof“ ist hier nur exemplarisch gewählt für das Übernehmen fachlich veralteter Informationen aus vermeintlich aktueller Handbuchliteratur. 546 Fragen an die Geschichte (1975, 1980). 541 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 98 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch 547 halten konnte und sich zudem 1984 auch in anderen Reihen des Verlags wiederfindet. Umgekehrt besteht im Fall der Problematisierung der Lehnspyramide 1992 durchaus Grund zur Annahme, dass neue Forschungsansätze zumindest teilweise in den Büchern 548 berücksichtigt werden können. Doch lässt sich auch die mangelnde Rezeption des fachwissenschaftlichen Diskurses hinsichtlich des Lehnswesens durch die Heranziehung veralteter Handbuchliteratur erklären? Ein Blick in aktuelle Handbücher zum Frühmittelalter zeigt, dass sich diese Vermutung tatsächlich bestätigen lässt, denn diese hat die neuen Forschungsergebnisse zum Lehnswesen mehrheitlich nicht in ihr zugrunde liegendes Narrativ aufgenommen. Stattdessen wird die Debatte weiterhin unter Forschungsdebatten/-kontroversen aufgeführt. 549 Die Schulbuchautor/innen folgen also mit ihren Darstellungen dem grundle- genden Handbuch- und Lexikonwissen der 2000er Jahre, auch wenn ihnen die neuen Ansätze bekannt sein könnten. Dass diese auch nicht über kontrovers gehaltene wissenschaftliche Zitate Einzug in die Bücher finden, ließe sich mit der Komplexität der Debatte erklären, die ohne eine tiefergehende zeitliche Beschäftigung mit dem Thema auch noch für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe schwer nachzuvollziehen sein wird. Trotzdem könnte man sich bei der Darstellung des Themas durchaus – wie in zwei Bänden geschehen – auf die Zeit ab dem 12. Jahrhundert beschränken, um das Lehnswesen damit zumindest aus seinem problematischen Frühmittelalterzusammenhang zu lösen. Unabhängig von diesen Argumenten hat sich gezeigt, dass die für die Darstellung verwendeten Präsentationsbausteine vorwiegend noch aus Zeiten vor der neuen Debatte stammen, womit sich die häufig beobachtete Übernahme von Inhalten älterer Schulbücher offenbart. Bereits Erich Kästner schrieb über diesen Zusammenhang zwischen alten und neuen Schulbuchinhalten einen in der Schulbuchforschung gerne und viel zitierten Satz: „Mißtraut gelegentlich euren Schulbüchern! Sie sind nicht auf dem Berg Sinai entstanden, […] sondern aus alten Schulbüchern, die aus alten Schulbüchern entstanden sind, die aus 547 Vgl. Unsere Geschichte, Bd. 1: Von der Steinzeit bis zum Ende des Mittelalters, hrsg. v. Wolfgang Hug, Diesterweg: Frankfurt 1984, zit. nach Clauss (2007), S. 34f. 548 Siehe Kap. 4.3.3. 549 Vgl. bspw. Goetz (2003), S. 138–142. Siehe auch die Ausführungen in Abschnitt 3.2. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 99 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch alten Schulbüchern entstanden sind, die aus alten Schulbüchern entstanden sind. Man nennt 550 das Tradition.“ In der Tat lässt sich dieser Apell anhand unseres Korpus bestätigen und zwar vor allem hinsichtlich der Übernahme von Präsentationsbausteinen innerhalb eines Verlages – unabhängig davon, ob sich dabei bei älteren Auflagen derselben Reihe oder bereits eingestellten Reihen bedient wurde. 551 Besonders ausgeprägt konnte diese Praxis für die Reihen des ersten und zweiten Untersuchungsabschnittes aufgezeigt werden, bei denen neben einem Großteil des Bildmaterials auch viele Verfassertexte – inklusive fehlerhaf552 ter Darstellungen – übernommen wurden. Jedoch lässt sich auch noch bei aktuellen Schulbüchern die Übernahme älterer Elemente feststellen. Obwohl jüngere wie ältere Schulbücher vor allem hinsichtlich der Abbildungen aus einem „verlagstypischen Mate553 rialpool“ zu schöpfen scheinen, stellt das beeindruckendste Beispiel unseres Korpus die Übernahme einer Textquelle dar, die sich zwischen 1951 und 2014 konstant in verschiedenen Reihen eines Verlags befindet. 5 Einfluss ist nicht gleich Einfluss – Das Schulbuch zwischen Politik, Wissenschaft und Verlag Wie lassen sich die eingangs vorgestellten Erwartungen an die Einflüsse von Lehrplanvorgaben und fachwissenschaftlichem Forschungsstand auf die Schulbücher vor dem Hintergrund der erzielten Ergebnisse abschließend bewerten? Zwar lässt sich ein Einfluss der Lehrpläne sowohl auf die konzeptionelle als auch die strukturelle Gestaltung der Schulbücher feststellen, dieser scheint sich jedoch in den verschiedenen Jahrzehnten und Bereichen unterschiedlich stark auf die Schulbücher ausgewirkt zu haben. Vor allem fällt auf, dass der Lehrplan-Einfluss auf die Struktur der Bücher nicht immer so groß gewesen ist, wie sich sich dieser bei aktuellen Schulbüchern zeigt. Stattdessen zeigte sich, dass Schulbuchreihen auch über Jahrzehnte zugelassen sein konnten, ohne sich in Inhalt oder Struktur den neuen Lehrplänen angepasst zu haben, dass auch radikale Änderungen, wie die Abschaffung oder Zusammenlegung des Schulfaches Geschichte mit anderen Fächern von den Schulbuchautor/innen weitgehend 550 Kästner, Erich: Gesammelte Schriften in sieben Bänden, Bd. 5: Vermischte Beiträge, Köln 1959, S. 182. 551 Vgl. hier generell die in den Kap. 4.1.4., 4.2.4 u. 4.3.4 aufgeführten Beispiele. 552 Siehe Kap. 4.1.4 u. 4.2.4. 553 Vgl. Biener (2014), S. 66. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 100 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch ignoriert wurden und dass neue Innovationen wie die Verwendung von Textquellen und Bildern sogar bereits vor dem Erscheinen neuer ministerieller Vorgaben in den Büchern eingeführt wurden. Die heute weitgehend zu beobachtende Lehrplankonformität 554 stellt sich damit als relativ neue Entwicklung seit der Mitte der 1990er Jahre heraus. Auf der Suche nach möglichen Gründen für den steigenden Einfluss der Lehrpläne stellt sich die Frage nach den Zulassungsverfahren und ob es einen Unterschied macht, ob eine Reihe bereits nach „alten“ Richtlinien zugelassen war oder sie sich um einen neuen Listenplatz erst bewerben musste. Vor diesem Hintergrund wurden bereits Ende der 1980er Jahre die „Schulbuchkommissionen mit ihren gruppendynamischen Prozes555 sen“ kritisiert. Diese wurden erst ab den 1990er Jahren von „mehreren unabhängigen Gutachtern“ abgelöst, die dann „in einem oft mehrere Monate dauernden Verfahren“ 556 prüfen sollten, ob die Vorgaben der Lehrpläne in den Büchern umgesetzt werden. Die in den Ergebnissen zutage getretene unterschiedliche Gewichtung der Lehrplaneinflüsse könnte damit auf die konkreten geänderten Zulassungsverfahren zurückzuführen sein. Ob ab den 1990er Jahren durch die angepassten Schulbücher auch ein größerer Einfluss der Bildungspläne auf die direkte Unterrichtspraxis einherging, wäre an anderer Stelle sicherlich interessant zu untersuchen. Der Einfluss der Lehrpläne auf die Schulbücher seit den 1990er Jahren zeigt sich vor allem in der weitgehenden Übernahme der in den verbindlichen Unterrichtsinhalten angelegten Themenfeldern. Aus diesen als „Stichworte […] zur inhaltlichen Orientierung“ 557 angelegten Themen entsteht durch die ihnen zugrundeliegende Reihenfolge nämlich zugleich ein dem Unterrichtsabschnitt zugrundeliegendes Erzählnarrativ, das dann auch bei der Schulbuchproduktion übernommen wird. 558 Im konkreten Fall der Rezeption der aktuellen Forschungsansätze zum Lehnswesen heißt dies, wenn die Lehrpläne seit den 2000er Jahren die Themenkompilation „Reisekönigtum; Pfalzordnung; 554 Vgl. u. a. Bühler (2011), S. 246. Schönemann/Thünemann (2010), S. 106, die sich beziehen auf Jeismann, Karl-Heinz: Begutachtung und Zulassung von Schulbüchern. Ein kritischer Brief, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 38 (1987), S. 105–107, hier 107. 556 So die Ausführungen auf den Internetseiten des Verbands Bildungsmedien e.V. (wie Anm. 48), unter den Stichwort „Wie werden Schulbücher zugelassen?“. Vgl. Auch die Ausführungen bei Schönemann/Thünemann (2010), S. 106. 557 LP-HE-2003, S. 6c. 558 Zu den verschiedenen Schritten bei der Erstellung der Schulbücher anhand der Lehrplanvorgaben vgl. auch Wiater (2005), S. 51. 555 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 101 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Lehnswesen; Königsboten […]“ 559 560 Grundherrschaft; Klöster […]“ und „Kaiserkrönung Karls 800; Lehenswesen und vorschreiben, wird das darin enthaltene Deutungsan- gebot des Lehnswesens als Herrschaftssystem zur Zeit Karls des Großen auch in den Schulbüchern fortgeschrieben. Die hieraus entstehende unterrichtspraktische Relevanz des Themas kann vor diesem Hintergrund auch erklären, warum auch nach dem Jahr 2008 noch aktuelle Unterrichtsvorschläge zum „karolingischen Lehns- oder Benefizial561 wesen“ erscheinen. Das bedeutet nicht, dass von Seiten der Fachwissenschaft überhaupt kein Einfluss auf Schulbuchinhalte zum Lehnswesen möglich wäre. Am Beispiel der Lehnspyramide konnte gezeigt werden, dass fachwissenschaftliche Kritik durchaus von den Büchern aufgenommen werden kann, auch wenn es sich in diesem Fall nur um eine zufällige Rezeption über „verlagsinterne“ Informationen gehandelt haben könnte. 562 Ein Grund für die Änderung könnte sein, dass Boockmanns Artikel in der Zeitschrift „Geschichte in Wissenschaft und Unterricht“ erschienen war und diese nicht nur wie die die Reihe Geschichte und Geschehen in Kooperation mit dem Klett Verlag erscheint – und damit auf dem Schreibtisch der Schulbuchautorinnen und Schulbuchautoren gelegen haben könnte –, sondern auch damit, dass der Geschichtsdidaktiker Michael Sauer bei beiden Publikationen als Herausgeber fungiert und damit direkten Zugang zu den „neuen“ Informationen gehabt haben könnte. Ein anderes Beispiel für die Rezeption fachwissenschaftlicher Diskurse erwähnt Martin Clauss, dem in der Forum Geschichte Ausgabe von 2001 der Begriff „Spielregeln“ auffiel. Bei diesem handelt es sich um einen zu dieser Zeit relativ neuen Begriff aus dem mediävistischen Fachdiskurs, der auf den Mediä563 vist Gerd Althoff (Spielregeln der Politik im Mittelalter) zurückgeht. Dass diese Re- zeption neuerer Fachdiskurse auch wieder rückgängig gemacht werden kann, zeigt sich 559 LP-HE-2010 (G9), S. 17. LP-HE-2010 (G8), S. 16. 561 Vgl. Buck (2008), S. 186–204, insbes. 194–204; Buck (2009), S. 73–96, insbes. 89–96; Buck (2010), S. 22–29. Es könnte jedoch kritisch gefragt werden, warum sich der Autor trotz offensichtlicher Kenntnis der Problematik (Reynolds Studie wird zwei Mal in der angegebenen Literatur aufgeführt) nicht auf weniger „problematische“ Beispiele zum Lehnswesen aus dem Hoch- oder Spätmittelalter beschränkt. 562 Siehe die Ausführungen in Kap. 4.3.3. 563 Vgl. Clauss (2007), S. 33f. Zum Begriff der „Spielregeln“ vgl. den vielbeachteten Sammelband von Gerd Althoff: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997. 560 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 102 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch daran, dass der Begriff seit der 2007er Ausgabe wieder aus der Reihe verschwunden 564 ist. Die Rezeption neuerer Forschungsergebnisse erfolgt daher scheinbar „nicht syste565 matisch, sondern offenbar eher zufällig“ und zudem auf Detailebene. Gerade auf die566 ser können sich dann durchaus auch Fehler in die Darstellungen einschleichen. Doch in diesem Zusammenhang ist augenfällig, dass sich eine Grafik oder ein Wort schneller und unverfänglicher ändern lassen, als ein das ganze Mittelalter betreffendes Herrschaftsparadigma wie das Lehnswesen. Dabei trifft es sicherlich auch zu, dass es „weder die Aufgabe noch das Ziel von Schulbüchern“ 567 ist, den aktuellen mediävistischen For- schungsstand abzubilden, da diese gerade nicht der wissenschaftlichen Ausbildung dienen. 568 Selbst wenn sich also die neuen Forschungsansätze mittlerweile beginnen auch in deutschen Handbuchdarstellungen niederzuschlagen und dadurch sicherlich auch von der Schulbuchmediävistik wahrgenommen werden, kann angenommen werden, dass die in den Lehrplänen vorgegebenen Themenstichworte – auch in ihrer semantischen Zu569 sammensetzung – weiterhin den größeren Einfluss auf die Schulbuchinhalte behalten. Die Einflüsse von Lehrplan und Fachwissenschaft sind vor diesem Hintergrund also nicht als gleichwertig zu betrachten, sondern vollziehen sich vielmehr auf verschiedenen Ebenen – auch hinsichtlich der Auswahl der dargestellten Inhalte. Während sich ein fachwissenschaftlicher Einfluss auf die Schulbücher nur im Detail der Darstellung zeigt, geben die Lehrpläne – zumindest seit den 1990er Jahren – sowohl die äußerliche und konzeptionelle Struktur, als auch das inhaltliche Narrativ vor. Für eine Berücksichtigung neuer Forschungsansätze müsste die Mediävistik daher den Weg über das Ministerium gehen, um das frühmittelalterliche Lehnswesen zuerst aus den Lehrplänen entfernen zu lassen, bevor es schließlich auch aus den Schulbüchern verschwinden könnte. Dabei wäre es sicherlich interessant zu beobachten, wie sich die Schulbuchinhalte vor dem Hintergrund der Abschaffung der klassischen Lehrpläne mit ihren verbindlichen 564 Forum Geschichte (2007). Clauss (2007), S. 35. 566 Zum Beispiel der hier aufgezeigte Leihezwang, siehe zusammenfassend die Ausführungen in Kap. 4.4.2. Vgl. auch den von Clauss (2007), S. 35f. aufgeführten Fund hinsichtlich des Geburtsjahrs Karls des Großen, bei dem mit dem Jahr 742 noch bis in die 2000er-Jahre eine seit den 1970ern überholte Jahresangabe anzutreffen war. 567 Clauss (2007), S. 45. 568 Vgl. Clauss (2007), S. 46. 569 Vgl. dazu ebd., S. 20. 565 urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 103 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Unterrichtsinhalten und ihrer Ersetzung durch kompetenzorientierte Bildungspläne und Schulcurricula – durch die viele Schulen selbstständig über Fachinhalte entscheiden 570 können, – in Zukunft verändern werden. Schließlich kommt noch ein weiterer Einflussfaktor auf die Schulbuchinhalte zum Tragen und zwar derjenige von verlags- und reihenspezifischen Überlegungen bei der Gestaltung des kommerziellen Produktes „Schulbuch“. Die häufige verlagsinterne Übernahme teils sehr alter Medienbausteine aus eigenen Reihen oder auch die Übernahme von Bausteinen aus Reihen der Konkurrenz veranschaulicht, dass bei der Produktion von Schulbüchern eben auch Überlegungen hinsichtlich des finanziellen und zeitlichen Aufwandes im Mittelpunkt stehen. Was nicht unbedingt erneuert werden muss, wird so erst einmal aus bereits vorhandenen Bausteinen zusammengesetzt. Zwar kann auch hier seit den 1990er Jahren eine regelmäßigere Überarbeitung der Inhalte festgestellt werden, die Übernahme einer bereits in den 1950er Jahren (und wohl noch davor) verwendeten Textquelle zeigt jedoch, dass dieses Schöpfen aus dem verlagseigenen Mediapool weiterhin großen Einfluss auf die Schulbücher hat. In diesem Zusammenhang lässt sich vermuten, dass sich die meisten Schulbuchinhalte trotz der neu geschaffenen Freiheit bei der Themen- und Schwerpunktwahl nicht groß verändern werden und es damit auch noch einige Zeit dauern wird, bis das Lehnswesen als gesamtmittelalterliches Phänomen zur Beschreibung und Erklärung von Herrschaftsstrukturen der Zeit zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert aus den Büchern verschwindet. Die einst von Erich Kästner vorgetragene Vermutung, dass Schulbücher vor 571 allem aus alten Schulbüchern bestünden, findet sich hinsichtlich der Lehnswesendar- stellungen in den untersuchten Büchern in ihrem Kern damit bestätigt. Neben bildungsadministrativen und fachwissenschaftlichen Einflüssen zeigt sich in diesem Zusammenhang auch ein nicht zu vernachlässigender Einfluss verlagswirtschaftlicher Überlegungen auf die Inhalte von Schulbüchern. 570 Zu dem neuen Umgang mit Bildungsstandards, Kerncurricula und Lehrplänen in Hessen, vgl. Bildungshttps://kultusministerium.hessen.de/schule/bildungsstandards-kerncurricula-und-lehrplaene [6.2.2017]. 571 Siehe die Ausführungen in Kap. 4.4.2. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 104 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Anhang I Tabellen- und Abbildungen Tab. 1: Die Schulbücher des Untersuchungsabschnitts I inklusive ihrer Einbindung des Lehnswesens (S. 57f.). Tab. 2: Die Schulbücher des Untersuchungsabschnitts II inklusive ihrer Einbindung des Lehnswesens (S. 69). Tab. 3: Die Schulbücher des Untersuchungsabschnitts III inklusive ihrer Einbindung des Lehnswesens (S. 80). Abb. 1: Sämtliche für die gymnasiale Mittelstufe zugelassenen Schulgeschichtsbuchreihen im Zeitstrahl (S. 12). Abb. 2: Sämtliche für die gymnasiale Mittelstufe zugelassenen Schulgeschichtsbuchreihen in Relation zur Zulassungszeit (S. 13). Abb. 3: Das Untersuchungskorpus (S. 17). II Dokumente und Internetquellen a Amtsblätter ABl-KM-HE 1.1948–15.1962 Amtsblatt des Hessischen Kultusministeriums (1.1948– 2.1949: Amtsblatt des Hessischen Ministeriums für Kultus und Unterricht; 3.1950–16.1963,2: Amtsblatt des Hessischen Ministers für Erziehung und Volksbildung). b Schulbuchkataloge SBK 1950, 1951, 1956, 1958, 1960– 1969/70, 1972/73– 1973/74, 1976/77– 2014/15 1949–2010: ABl-KM-HE (1949–2010); ab 2011: https://kultusministerium.hessen.de/schule/weiterethemen/lernmittelfreiheit/schulbuecherkataloge [letzter Zugriff: 15.03.2015]. Es sind nur die aktuellen Kataloge abrufbar. c Lehrpläne LP-HE-1945: Lehrpläne für die höheren Schulen des Landes Groß-Hessen. Eine Handreichung für die Jahre des Übergangs, Genehmigt durch die Militär-Regierung von Groß Hessen 25. Nov. 1945. LP-HE-1949 (5): Lehrpläne für das 5. Schuljahr aller Schulen im Lande Hessen (erschienen in: ABl-KM-HE 2.1949.3, S. 77–86). urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 105 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch LP-HE-1949 (6): Lehrpläne für das 6. Schuljahr aller Schulen im Lande Hessen (erschienen in: ABl-KM-HE 3.1950,1, S. 1–23). LP-HE-1956 (I): Bildungspläne für die allgemeinbildenden Schulen im Lande Hessen, I: Einleitung, Stundentafeln, und Erläuterungen, Wiesbaden, 1956 (erschienen in: ABl-KM-HE 9.1956, Sondernummer, S. 81–117). LP-HE-1957 (II, A): Bildungspläne für die allgemeinbildenden Schulen im Lande Hessen, II: Das Bildungsgut, A: Gemeinsame Bildungs- und Erziehungsaufgaben der allgemeinbildenden Schulen, Wiesbaden, 1957 (erschienen in: ABl-KM-HE 10.1957, Sondernummer 1, S. 1–67). LP-HE-1957 (II, D): Bildungspläne für die allgemeinbildenden Schulen im Lande Hessen, II: Das Bildungsgut, D: Das Bildungsgut des Gymnasiums, Wiesbaden 1957 (erschienen in: ABl-KM-HE 10.1957, Sondernummer 4, S. 413–415 u. 465–481 [Einleitung u. Fach Geschichte]). LP-HE-1964: Bildungspläne für die Gymnasien; hier: Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde (aus: ABl-KM-HE 1964, Sonderdruck) LP-HE-1972: Rahmenrichtlinien. Sekundarstufe I Gesellschaftslehre S I – GL, Wiesbaden, 1972. LP-HE-1973: Rahmenrichtlinien. Sekundarstufe I Gesellschaftslehre S I – GL, Wiesbaden, 1973. LP-HE-1982: Rahmenrichtlinien. Sekundarstufe I Gesellschaftslehre. Unterrichtspraktischer Teil, Wiesbaden, 1982. LP-HE-1995: Rahmenplan Geschichte. Sekundarstufe I, Wiesbaden, 1995. LP-HE-2003: Lehrplan Geschichte. Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufen 6 bis 13, Wiesbaden, 2003. LP-HE-2008 (G8): Lehrplan Geschichte. Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufen 6G bis 12GT, Wiesbaden, 2003. LP-HE-2008 (G9): Lehrplan Geschichte. Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufen 6 bis 13, Wiesbaden, 2003. LP-HE-2010 (G8): Lehrplan Hessen Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufen 6G bis 9G und gymnasiale Oberstufe [G8], Wiesbaden, 2010. LP-HE-2010 (G9): Lehrplan Hessen Gymnasialer Bildungsgang. Jahrgangsstufen 6 bis 13 [G9], Wiesbaden, 2010. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 106 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch https://verwaltung.hessen.de/irj/HKM_Internet?cid=ac9f301df54d1fbfab83dd3a6449 af60 [letzter Zugriff: 26.02.2015]. d Internetquellen Verband Bildungsmedien e.V.: http://www.bildungswelten.info/index.php/fragen-antworten [letzter Zugriff 16.03.2015]. Verfassung des Landes Hessen: Hessische Verfassung online, http://www.rv.hessenrecht.hessen.de [letzter Zugriff: 8.3.2015]. III Schulbücher Anno, Bd. 2: Vom Mittelalter bis zum Ende des Absolutismus, hrsg. v. Bernhard Askani und Elmar Wagener, Braunschweig: Westermann, 1995. Das waren Zeiten – Neue Ausgabe Hessen (G9), Bd. 2: Mittelalter und Neuzeit, hrsg. v. Dieter Brückner und Harald Focke, Bamberg: C.C. Buchner, 2014. denk|mal Geschichte – Hessen (G9 u. Realschule), Bd. 2, Braunschweig: Schroedel (Bildungshaus Schulbuchverlage), 2011. erinnern und urteilen. Menschen in ihrer Zeit, Bd. 2, hrsg. v. Friedrich Jahr, Siemer Oppermann, Gottfried Till, Maria Würfel, Stuttgart: Klett, 1977. Forum Geschichte – Ausgabe Hessen (G8), Bd. 2: Vom Römischen Reich bis zur Reformation, hrsg. v. Hans-Otto Regenhardt und Claudia Tatsch, Berlin: Cornelsen, 2007. Fragen an die Geschichte. Geschichtliches Arbeitsbuch für Sekundarstufe I im gymnasialen Bereich, Bd. 2: Die europäische Christenheit, hrsg. v. Heinz Dieter Schmid, Frankfurt: Hirschgraben-Verlag, 1975. Fragen an die Geschichte. Geschichtliches Arbeitsbuch für Sekundarstufe I im gymnasialen Bereich, Bd. 2: Die europäische Christenheit, hrsg. v. Heinz Dieter Schmid, Frankfurt Hirschgraben-Verlag, 1980. Geschichte und Geschehen II, hrsg. v. Ludwig Bernlochner, Peter Furth, Peter Hilsch, Friedrich Jahr, Erhard Rumpf, Eberhardt Schwalm, Gottfried Till, Maria Würfel, Stuttgart: Klett, 1987. Geschichte und Geschehen – Ausg. A, Bd. 2, bearb. v. Giselher Birk et al., Stuttgart: Klett, 1995. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 107 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Geschichte und Geschehen, Bd. 2, bearb. v. Asmut Brückmann, Rolf Brütting, Peter Gautschi, Edith Hambach, Gerhard Henke-Bockschatz, Uwe Horst, Georg Langen, Peter Offergeld, Volker Scherer, Susanne Thimann-Verhey, Franz-Josef Wallmeier, Stuttgart: Klett, 2004. Geschichte und Geschehen – Ausg. H, Sek. I, Bd. 2, bearb. v. Werner Abelein et al., Stuttgart: Klett ,2006. Geschichte und Geschehen, Bd. 2, hrsg. v. Michael Sauer, Stuttgart/Leipzig: Klett, 2012. Geschichte und Geschehen – Ausgabe Hessen (G8/9), Bd.2, hrsg. v. Michael Sauer, Stuttgart/Leipzig: Ernst Klett Verlag 2014. Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen, Bd. II: Geschichte des Abendlandes von der germanischen Frühzeit bis 1648, bearb. v. Karl Krüger, Offenburg: Lehrmittelverlag 1951. Kletts Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen – Ausg. A, Bd. II: Geschichte des Abendlandes von der germanischen Frühzeit bis 1648, bearb. v. Karl Krüger, Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1954. Kletts Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen – Ausg. B, Bd. II: Aus Mittelalter und Neuzeit, bearb. v. Karl Krüger, Stuttgart: Klett, 1955. Kletts Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen – Ausg. C, Bd. 2: Mittelalter und frühe Neuzeit, bearb. v. Karl Krüger, Stuttgart: Klett, 1966. Geschichtliche Weltkunde – 3-bändige Ausg., Bd. 1: Von der frühen Zeit der Menschen bis zum Beginn der Neuzeit, hrsg. v. Wolfgang Hug u. Hejo Busley, Frankfurt: Diesterweg, 1974. Geschichtliche Weltkunde – 3-bändige Ausg., Bd. 1: Von der frühen Zeit der Menschen bis zum Beginn der Neuzeit, hrsg. v. Wolfgang Hug u. Hejo Busley, Frankfurt: Diesterweg, 1979. Geschichtliche Weltkunde – 4-bändige Ausg., Bd. 2: Vom Kaisertum der Karolinger bis zur Zeit des Absolutismus, hrsg. v. Wolfgang Hug und Hejo Busley, Frankfurt: Diesterweg, 1981. Geschichtliche Weltkunde – 4-bändige Sonderausg., Bd. 2: Vom Kaisertum der Karolinger bis zur Zeit des Absolutismus, hrsg. v. Wolfgang Hug und Hejo Busley, Frankfurt: Diesterweg, 1991. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 108 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Geschichtsbuch. Die Menschen und ihre Geschichte in Darstellungen und Dokumenten – Ausg. A, Bd. 2: Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, hrsg. v. Hans-Georg Hofacker, Thomas Schuler, Berlin: Cornelsen-Velhagen & Klasing HirschgrabenVerlag, 1986. Geschichtsbuch Die Menschen und ihre Geschichte in Darstellungen und Dokumenten – neue Ausg., Bd. 2: Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, hrsg. v. Hans-Georg Hofacker, Thomas Schuler, Berlin: Cornelsen, 1994. Geschichtsbuch. Die Menschen und ihre Geschichte in Darstellungen und Dokumenten – neue Ausg. B, Bd. 2: Das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, hrsg. v. Hans-Georg Hofacker, Thomas Schuler, Berlin: Cornelsen, 1994. Grundzüge der Geschichte, Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, bearb. v. O. Ebding, K. Sigrist, Frankfurt: Diesterweg, 1950. Grundzüge der Geschichte, Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, bearb. v. M. Plocher, H. Schneider, K. Sigrist, Frankfurt: Diesterweg, 1956. Grundzüge der Geschichte, Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, bearb. v. H. Schneider, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1960. Grundzüge der Geschichte. Mittelstufe – Ausg. B, Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, hrsg. v. Eugen Kaier, Frankfurt/Berlin/Bonn: Verlag Moritz Diesterweg 1964. Grundzüge der Geschichte. Sekundarstufe I (Gymnasium), Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, hrsg. v. Eugen Kaier, Frankfurt: Diesterweg, 1975. Horizonte 7 – Geschichte Gymnasium Hessen (G8/9), Braunschweig: Westermann, 2006. Menschen in ihrer Zeit, Bd. 1: Im Altertum und frühen Mittelalter, bearb. v. Richard Freyh, Joachim Volkmer, Wolfgang Hug u. Erhard Rumpf, mit einem Anhang: Damals – Heute – Morgen v. Wolfgang Hilligen, Stuttgart: Klett, 1968. Menschen in ihrer Zeit, Bd. 1: Im Altertum und frühen Mittelalter, bearb. v. Richard Freyh, Joachim Volkmer, Wolfgang Hug u. Erhard Rumpf, Stuttgart: Klett, 1976. Mosaik. Der Geschichte auf der Spur – Ausg. F2 Hessen (G8/9), Bd. 2: Von der Römischen Antike bis zum Zeitalter der Glaubenskriege, hrsg. v. Herwig Buntz et al., Joachim Cornelissen, München: Oldenbourg, 2012. Spiegel der Zeiten. Geschichtsbuch für deutsche Schulen, Bd. III: Vom Mittelalter zur Neuzeit, bearb. v. Georg Lange, Otto Röthig, Frankfurt: Diesterweg, 1958. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 109 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Spiegel der Zeiten. Geschichtsbuch für deutsche Schulen, Bd. I/II: Aus Altertum und Mittelalter, bearb. v. Waldemar Hoffmann u. Georg Lange, Frankfurt: Diesterweg, 1959. Spiegel der Zeiten, Bd. III: Vom Mittelalter zur Neuzeit, bearb. v. Georg Lange, Otto Röthig, Frankfurt: Diesterweg, 1964. Spiegel der Zeiten – Ausgabe A, Bd. III: Vom Mittelalter zur Neuzeit, bearb. v. Georg Lange, Otto Röthig, Frankfurt: Diesterweg, 1966. Spiegel der Zeiten. Lehr- und Arbeitsbuch für den Geschichtsunterricht – Ausg. B., Bd. 2: Vom Frankenreich bis zum Westfälischen Frieden, bearb. Hejo Busley, Franz Bahl, Frankfurt: Diesterweg, 1969. Wege der Völker. Geschichtsbuch für deutsche Schulen, Bd. II (für das sechste Schuljahr): Aufstieg. Geschichte des Altertums und des Mittelalters, bearb. v. Waldemar Hoffmann, Georg Schulz, Berlin: Pädagogischer Verlag Berthold Schulz ,1948. Wege der Völker – Ausg. B, Bd. II: Aufstieg. Geschichte des Altertums und des Mittelalters, bearb. v. Waldemar Hoffmann, Georg Schulz, Berlin: Pädagogischer Verlag Berthold Schulz, 1950. Wege der Völker – Ausg. A/B, Bd. II: Geschichte des Altertums und des Mittelalters, hrsg. von einer Arbeitsgruppe deutscher Geschichtslehrer, Leiter Fritz Wuesing, Frankfurt: Diesterweg, 1953. IV Literatur Amira, Karl von. Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels (Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Bd. 23, 2. Abt.), München, 1905. Becher, Ursula A. J. „Schulbuch“, in: Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Hans-Jürgen Pandel et al. (Hg.), Schwalbach/Ts., 4. Auflage 2007 (1. Auflage 1999), 45–68. Becher, Matthias. Karl der Große, München, 6. durchgesehene und aktualisierte Auflage 2014. Biener, Hansjörg. „Lernprozesse bei der Bildung einer Grundgesamtheit für Schulbuchanalysen“, in: Methodologie und Methoden der Schulbuch- und Lehrmittelforschung, Petr Knecht et al. (Hg.), Bad Heilbrunn, 2014, 63–73. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 110 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Blockmans, Wim und Peter Hoppenbrouwers. Introduction to Medieval Europe, 300– 1550, Abingdon, 2007. Boockmann, Hartmut. „Über einen Topos in den Mittelalter-Darstellungen der Schulbücher: Die Lehnspyramide“, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 43, 1992, 361–372. Brown, Elisabeth. „The Tyranny of a Construct: Feudalism and Historians of Medieval Europe”, in: The American Historical Review 79 (4), 1974, 1063–1088. Buck, Thomas Martin. „Herrschaft als symbolische Praxis. Zum Lehns- und Benefizialwesen im Mittelalter“, in: Geschichte lernen 135/136, 2010, 22–29. ———, „Wer sich in die Gewalt eines anderen kommendiert. Zur Didaktik des Mittelalterunterrichts am Beispiel des Lehnswesens“, in: Geschichte und ihre Didaktik. Ein weites Feld … Unterricht, Wissenschaft und Alltagswelt. Gerhard Schneider zum 65. Geburtstag, Christian Heuer und Christine Pflüger (Hg.), Schwalbach/Ts., 2009, 73– 96. ———, Mittelalter und Moderne. Plädoyer für eine qualitative Erneuerung des Mittelalter-Unterrichts an der Schule, Schwalbach/Ts., 2008. Bühler, Arnold. „ ‚Verordnete Finsternis‘. Mittelalter nach Lehrplan“, in: Das Mittelalter zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Unterrichtspraxis, Thomas Martin Buck et al. (Hg.), Münster, New York, München, Berlin, 2011, 245–254. Busch, Jörg W. Die Herrschaften der Karolinger 714–911 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 88), Oldenbourg, 2011. Clauss, Martin. „Der neuesten und gesicherte Forschungsstand? Zur Beziehung zwischen Fachwissenschaft und Schulbuchmediävistik“, in: Das Bild des Mittelalters in europäischen Schulbüchern (Geschichtsdidaktik in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 5), Martin Clauss und Manfred Seidenfuß (Hg.), Berlin, 2007, 19–46. Clauss, Martin und Manfred Seidenfuß. „Für das Leben und die Schule ...? Eine Einleitung“, in: Das Bild des Mittelalters in europäischen Schulbüchern (Geschichtsdidaktik in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 5), dies. (Hg.), Berlin, 2007, 7–17. ———. „... und auch für das Schulbuch lernen wir. Ergebnisse und Ausblicke“, in: Das Bild des Mittelalters in europäischen Schulbüchern (Geschichtsdidaktik in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 5), dies. (Hg.), Berlin, 2007, 353–356. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 111 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Costambeys, Marios, Matthew Innes und Simon MacLean. The Carolingian World, Cambridge, 2011. Dendorfer, Jürgen. „Zur Einleitung“, in: Das Lehnswesen im Hochmittelalter (Mittelalter-Forschungen, Bd. 34), Jürgen Dendorfer und Roman Deutinger (Hg.), Ostfildern, 2010, 11–39. Der Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift. COD.PAL.GERM.164. Kommentar und Übersetzung von Walter Koschorreck. Neu eingeleitet von Wilfried Wemer, Frankfurt, 1989. Diestelkamp, Bernhard. „Lehen. Lehnswesen, Lehnrecht“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. V, München, 1991, 1807–1810. Fried, Johannes. „Warum es das Reich der Franken nicht gegeben hat“, in: Die Macht des Königs, Bernhard Jussen (Hg.), München, 2005, 83–89. ———. „review of Reynolds, Fiefs and Vassals“, in: Bulletin of the German Historical Institute London 19 (1), 1997, 28–41. Führ, Christoph. „Zur deutschen Bildungsgeschichte seit 1945“, in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd VI: 1945 bis zur Gegenwart, Erster Teilband: Bundesrepublik, Christoph Führ und Carl-Ludwig Furck (Hg.), München, 1998. Ganshof, François Louis. Was ist das Lehnswesen?, Übersetzung von Ruth und Dieter Groh, Darmstadt, 7., gegenüber der 6. unveränderte Auflage 1983 [Originaltitel: Qu'est-ce que la féodalité?, Brüssel, 1944]. ———. Was ist das Lehnswesen?, Übersetzung von Ruth und Dieter Groh, Darmstadt, 2., überarbeitete Auflage 1967 . ———. Was ist das Lehnswesen?, Übersetzung von Ruth und Dieter Groh, Darmstadt, 1961. Gebhardt, Bruno. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 1: Frühzeit und Mittelalter, 8. vollständig neubearbeitete Auflage, Herbert Grundmann (Hg.), Stuttgart, 1954. Goetz, Hans-Werner. Europa im frühen Mittelalter 500–1050 (Handbuch der Geschichte Europas, Bd. 2), Stuttgart, 2003. Goez, Werner. Der Leihezwang. Eine Untersuchung zur Geschichte des deutschen Lehnrechts, Tübingen, 1962. Hartung, Tim. „Schulbuchauswahl und Lernmittelfreiheit in den deutschen Bundesländern im Kontext von Schülerpartizipation“, in: Eckert. Beiträge 11, 2014, urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 112 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch http://www.edumeres.net/urn/urn:nbn:de:0220-2014-00346, zuletzt geprüft am 12. Juni 2017. Hechberger, Werner. Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 72), Oldenbourg, 2. Auflage 2010. ———. „Das Lehnswesen als Deutungselement der Verfassungsgeschichte von der Aufklärung bis zur Gegenwart“, in: Das Lehnswesen im Hochmittelalter (MittelalterForschungen, Bd. 34), Jürgen Dendorfer und Roman Deutinger (Hg), Ostfildern, 2010, 41–56. Hessenauer, Heike. „Die Produktion von Schulbüchern – Zwischen rechtlichen Vorgaben und unternehmerischem Kalkül“, in: Geschichtsdidaktische Schulbuchforschung, Saskia Handro und Bernd Schönemann (Hg.), Berlin, 2. Auflage 2006, 265–282. Höhne, Thomas. Schulbuchwissen. Umrisse einer Wissens- und Medientheorie des Schulbuches, Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2002. Jussen, Bernhard. Die Franken, München, 2014. ———. „Plädoyer für eine Ikonologie der Geschichtswissenschaft. Zur bildlichen Formierung historischen Denkens“, in: Reinhart Koselleck. Politische Ikonologie. Perspektiven interdisziplinärer Bildforschung (Transformationen des Visuellen, Schriftenreihe des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, Bd. 1), Hubert Locher (Hg.), München, Berlin, 2013, 260–279. Kasten, Brigitte. „Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion?“, in: Der Frühmittelalterliche Staat – Europäische Perspektiven, Walter Pohl (Hg.), Wien, 2009, 331–356. Kienast, Walther. Die Fränkische Vasallität. Von den Hausmeiern bis zu Ludwig dem Kind und Karl dem Einfältigen, Frankfurt, 1990. Kortüm, Hans-Henning. „Mittelalterliche Rechtsgeschichte im Bann der Rechtsgeschichte zwischen den Kriegen – Heinrich Mitteis und Otto Brunner“, in: Das Lehnswesen im Hochmittelalter (Mittelalter-Forschungen, Bd. 34), Jürgen Dendorfer und Roman Deutinger (Hg.), Ostfildern, 2010, 57–78. Krieger, Karl-Friedrich. „Lehenswesen”, in: Kasper, Walter Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 6 (3. völlig neu bearbeitete Auflage), Freiburg, 2006, 749. ———. „Review of ‚Susan Reynolds, Fiefs and Vassals. The Medieval Evidence Reinterpreted‘“, in: Historische Zeitschrift 264 (1), 1997, 174–179. Kroeschell, Karl. „Lehnsrecht und Verfassung im deutschen Hochmittelalter“, in: forum historiae iuris. Erste Internet-Zeitschrift für Rechtsgeschichte vom 27. April 1998, urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 113 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/9804kroeschell.htm, zuletzt geprüft am 16. Oktober 2014. Kühberger, Christoph. „Multimodale Narration. Bild-Text-Graphik-Kommunikation in Schulgeschichtsbüchern“, in: Das Bild im Schulbuch, Carsten Heinze und Eva Matthes (Hg.), Bad Heilbrunn, 2010, 43–55. Lässig, Simone. „Wer definiert relevantes Wissen? Schulbücher und ihr gesellschaftlicher Kontext“, in: Schulbuch konkret. Kontexte. Produktion. Unterricht, Eckhardt Fuchs, Joachim Kahlert und Uwe Sandfuchs (Hg.), Bad Heilbrunn, 2010, 199–215. Lautemann, Wolfgang und Manfred Schlenke (Hg.). Geschichte in Quellen, Bd. II: Mittelalter, bearb. v. Wolfgang Lautermann, München, 1970. Matthes, Eva und Sylvia Schütze. „Methodologie und Methoden der Schulbuch- und Lehrmittelforschung – Einleitung“, in: Methodologie und Methoden der Schulbuchund Lehrmittelforschung, Petr Knecht et al. (Hg.), Bad Heilbrunn, 2014, 9–18. Menck, Peter. „Schulbuchforschung – Anmerkungen zu ihrer Methodik“, in: Methodologie und Methoden der Schulbuch- und Lehrmittelforschung, Petr Knecht et al. (Hg.), Bad Heilbrunn, 2014, 333–343. Mitteis, Heinrich. Lehnrecht und Staatsgewalt. Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Köln, Wien [Neudruck der Auflage von 1933], 1974. Oexle, Otto Gerhard. „Die Abschaffung des Feudalismus ist gescheitert“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Mai 1995, Nr. 116, 41. Pandel, Hans-Jürgen. „Was macht ein Schulbuch zu einem Geschichtsbuch? Ein Versuch über Kohärenz und Intertextualität“, in: Geschichtsdidaktische Schulbuchforschung, Saskia Handro und Bernd Schönemann (Hg.), Berlin, 2. Auflage 2011, 15– 37. Patzold, Steffen. Das Lehnswesen, München, 2012. Pohl, Walter. „Staat und Herrschaft im Frühmittelalter: Überlegungen zum Forschungsstand“, in: Der Frühmittelalterliche Staat – Europäische Perspektiven, Walter Pohl (Hg.), Wien, 2009, 9–38. Reynolds, Susan. „Responds to Johannes Fried”, in: Bulletin of the German Historical Institute London 19 (2), 1997, 30–40. ———. Fiefs and Vassals. The medieval evidence reinterpreted, Oxford, 1994. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 114 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch Salten, Oliver. Vasallität und Benefizialwesen im 9. Jahrhundert. Studien zur Entwicklung personaler und dinglicher Beziehungen im frühen Mittelalter, Hildesheim, 2014. Sauer, Michael. Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze-Velber, 7. aktualisierte und erweiterte Auflage 2008. Schinkel, Etienne. „Schulbuchanalyse“, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 7/8 (65), 2014, 482–497. Schönemann, Bernd und Holger Thünemann. Schulbucharbeit. Das Geschichtslehrbuch in der Unterrichtspraxis, Schwalbach/Ts., 2010. Schulze, Hans K. Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd.1: Stammesverband, Gefolgschaft, Lehnswesen, Grundherrschaft, Stuttgart et al., 4. aktualisierte Auflage 2004. Spieß, Karl-Heinz. Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter, unter Mitarbeit von Thomas Willich, Stuttgart, 2002. ———. „Lehn(s)recht, Lehnswesen“, in: Stammler, Wolfgang, Adalbert Erler und Eberhard Kaufmann. Handbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, Berlin, 1978, Sp. 1725–1741. Stein, Gerd. Schulbuchwissen, Politik und Pädagogik. Untersuchungen zu einer praxisbezogenen und theoriegeleiteten Schulbuchforschung, Kastellaun, 1977. Stürmer, Verena. „Historisch-kontextualisierte Inhaltsanalyse in der Schulbuchforschung am Beispiel der Fibeln in der SBZ/DDR (1945–1990)“, in: Methodologie und Methoden der Schulbuch- und Lehrmittelforschung, Petr Knecht et al. (Hg.), Bad Heilbrunn, 2014, 127–139. Ubl, Karl. Die Karolinger. Herrscher und Reich, München, 2014. Werner, Wilfried. „Zur Neusausgabe“, in: Der Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift. COD.PAL.GERM.164. Kommentar und Übersetzung von Walter Koschorreck. Neu eingeleitet von Wilfried Wemer, Frankfurt, 1989, 71–74. Wiater, Werner. „Lehrplan und Schulbuch – Reflexionen über zwei Instrumente des Staates zur Steuerung des Bildungswesens“, in: Das Schulbuch zwischen Lehrplan und Unterrichtspraxis, Eva Matthes und Carsten Heinze (Hg.), Bad Heilbrunn, 2005, 41–63. Wittkamp, Thomas. Sammelrez: Lehnswesen, über Dendorfer, Jürgen und Deutinger, Roman (Hrsg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quel- urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2 115 Christoph Bramann Das „Lehnswesen“ im Geschichtsschulbuch lenbefunde – Deutungsrelevanz. Ostfildern 2010 und über Patzold, Steffen: Das Lehnswesen. München 2012, in: H-Soz-u-Kult 01.08.2012, HistLit 2012-3-077. urn:nbn:de:0220-2017-0228 Eckert. Working Papers 2017/2