I
Fallbuch
Innere Medizin
2. Auflage
Bernhard Hellmich
III
Georg Thieme Verlag
Stuttgart · New York
PD Dr. med. Bernhard Hellmich
Universitätsklinikum Schleswig Holstein,
Campus Lübeck
Poliklinik für Rheumatologie
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.
IV
1. Auflage 2003
䉷 2005 Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14
D-70469 Stuttgart
Unsere Homepage: http://www.thieme.de
Printed in Germany
Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe
Umschlagfoto: Tobias Oexle, Stuttgart
Satz und Druck: Druckhaus Götz GmbH, Ludwigsburg,
gesetzt auf CCS Textline
ISBN 3-13-132222-5
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Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem
Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt
wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand
bei Fertigstellung des Werkes entspricht.
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der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach
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Vorwort
Symptome einer Erkrankung gleichzeitig auftreten. Auch können in den Kasuistiken Symptome oder Befunde beschrieben werden, die
mit der aktuellen Erkrankung gar nichts zu tun
haben. Im Sinne einer optimalen Prüfungsvorbereitung unterscheidet sich auch der Schwierigkeitsgrad der Fragen von Fall zu Fall und
reicht z. B. vom Basiswissen über „Volkskrankheiten“ bis zu Fragen nach seltenen Autoimmunerkrankungen als Herausforderung für potenzielle „1er“-Kandidaten. Aufgrund der fallund problemorientierten Darstellung ist das
Fallbuch sicherlich auch für Kollegen hilfreich,
die sich auf die Facharztprüfung in den Fächern
„Innere Medizin“ oder „Allgemeinmedizin“
vorbereiten. Da bei einem ganz neuen Werk
Fehler nicht ganz vermeidbar sind und sich die
Medizin im stetigen Wandel befindet, bitte ich
alle Leser um Kritik und Anregungen, wie dieses
Buch zukünftig weiter verbessert werden kann.
Mein besonderer Dank geht an meine klinischen
Lehrer, Prof. Dr. H. Schatz (Bochum) und Prof. Dr.
W.L. Gross (Lübeck/Bad Bramstedt), ohne deren
vorbildliche und breite Ausbildung in der Inneren Medizin dieses Buch niemals möglich gewesen wäre. Ein ausdrücklicher Dank gilt auch Frau
Dr. Fode vom Georg Thieme Verlag sowie Frau Dr.
Trendelenburg und Herrn Dr. Neuberger, die mit
einem hohen Maß an Sachkenntnis und großer
Sorgfalt und Genauigkeit die Gestaltung und
Überarbeitung des Manuskripts begleitet haben. Danken möchte ich auch allen Kolleginnen
und Kollegen der einzelnen Fachbereiche der Inneren Medizin, die durch die kompetente und
geduldige Beantwortung vieler meiner Fragen
oder die Bereitstellung von Abbildungen an der
Entstehung dieses Buchs mitgewirkt haben.
Allen Kolleginnen und Kollegen, die dieses Fallbuch zur Hand nehmen, wünsche ich nicht nur
einen Gewinn an Information und eine erfolgreiche Prüfungsvorbereitung, sondern hoffe
auch etwas von der Freude vermitteln zu können, die das Fach „Innere Medizin“ durch die tagtäglichen Herausforderungen der Differenzialdiagnose und -therapie immer wieder bietet.
Lübeck, im Januar 2005
Bernhard Hellmich
Vorwort
Das vorliegende Fallbuch ist als Ergänzung zu
den vielen qualitativ guten Standardlehrbüchern zu verstehen und soll die Studenten im
klinischen Studienabschnitt auf die ärztliche
Tätigkeit im klinischen Alltag und auf Prüfungen vorbereiten. Bei der Planung des Fallbuchs
Innere Medizin war es nicht das Ziel den zahllosen Lehrbüchern der Inneren Medizin ein
Exemplar eines weiteren Autors hinzuzufügen.
Eine der wesentlichen Anforderungen an die
ärztliche Tätigkeit im klinischen Alltag besteht
darin, aus der Vielzahl der über einen Patienten
zur Verfügung stehenden Informationen die
wenigen zielführenden Hinweise herauszufiltern und eine Verdachtsdiagnose durch sinnvolle Maßnahmen zu sichern. Aber längst nicht alle
der theoretisch möglichen und in „klassischen
Lehrbüchern“ oft in langen Tabellen aufgeführten Diagnose- und Therapiemaßnahmen sind in
einer bestimmten Situation auch sinnvoll. In
der Gestaltung der Fragen, Antworten und
Kommentare des vorliegenden Buches ist daher
besonderes Augenmerk darauf gerichtet worden, die Relevanz bestimmter Befunde in verschiedenen klinischen Situationen darzustellen. Daher wurden Begründungen von Entscheidungsabläufen und die Wertung bestimmter Maßnahmen untereinander bewusst
ausführlich gehalten, während weniger praxisoder prüfungsrelevante Inhalte nur komprimiert im Kommentarteil aufgeführt sind.
Zum Umgang mit diesem Buch: Die Fälle dieses
Buches entstammen meinen Erfahrungen aus
der klinischen Praxis. Dennoch richtet sich die
Darstellung des Stoffes streng nach den aktuellen Erkenntnissen der Evidenz-basierten Medizin und dem Gegenstandskatalog zur Ärztlichen Prüfung. Somit beschränkt sich das Buch
nicht auf einige typische Erkrankungen. Alle
wichtigen Krankheitsbilder und Problemstellungen der Inneren Medizin wurden mit einem
Fall „gewürdigt“.
Obwohl die Fallbeschreibungen jeweils typische Elemente der im Vordergrund stehenden
Erkrankung abbilden, kann es vorkommen,
dass, wie im klinischen Alltag, nicht alle der in
den Lehrbüchern aufgeführten typischen
V
Inhaltsverzeichnis
Fall
1 Seite
2
67-jährige Patientin mit ausgeprägter Luftnot
Fall
2 Seite
3
72-jährige Patientin mit makrozytärer Anämie
Fall
3 Seite
4
26-jährige Patientin mit rezidivierendem Fieber und Husten
Fall
4 Seite
5
Routineuntersuchung bei 51-jährigem Typ-I-Diabetiker
Fall
5 Seite
6
26-jähriger Patient mit Gelenkschmerzen
Fall
6 Seite
7
62-jähriger Patient mit akutem Thoraxschmerz
Fall
7 Seite
8
63-jähriger Patient mit Husten, Übelkeit und Gewichtsabnahme
Fall
8 Seite
9
51-jähriger Patient mit Hämatemesis
Fall
9 Seite 10
26-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust
Fall 10 Seite 11
51-jähriger Patient mit progredientem Anstieg der Nierenretentionswerte
Fall 11 Seite 12
66-jähriger Patient mit Belastungsdyspnö
Fall 12 Seite 13
39-jährige Patientin mit Schilddrüsenknoten
Fall 13 Seite 14
39-jährige Patientin mit Gelenkschmerzen und Morgensteifigkeit
Fall 14 Seite 15
26-jähriger Patient mit Fieber und Erbrechen
Fall 15 Seite 16
71-jähriger Patient mit plötzlichen Bauchschmerzen
Fall 16 Seite 17
49-jähriger Patient mit retrosternalem Druckgefühl
Fall 17 Seite 18
21-jährige Patientin mit Luftnot, Schwindel sowie Kribbeln in den Fingern
Fall 18 Seite 19
36-jährige Patientin mit Bauchschmerzen
!!! Fall 19 Seite 20
29-jährige Patientin mit Schwellung des rechten Beins
!!! – Schwierige Fälle
76-jährige Patientin mit Verstopfung
Fall 21 Seite 22
67-jähriger Patient mit Belastungsdyspnö
Fall 22 Seite 23
34-jährige Patientin mit einer Hautrötung am Unterschenkel
Fall 23 Seite 24
19-jährige Patientin mit akuter Gesichtsschwellung und Luftnot
Fall 24 Seite 25
53-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit und Gewichtszunahme
Fall 25 Seite 26
47-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit, Fieber und Nachtschweiß
Fall 26 Seite 27
32-jährige Patientin mit progredienter Muskelschwäche
Fall 27 Seite 28
39-jähriger Patient mit diffusen Oberbauchschmerzen
Fall 28 Seite 29
81-jährige Patientin mit Brennen beim Wasserlassen
Fall 29 Seite 30
44-jährige Patientin mit Fieber, Arthralgien und Belastungsdyspnö
Fall 30 Seite 31
49-jährige Patientin mit innerer Unruhe, Herzklopfen und Gewichtsverlust
Fall 31 Seite 32
47-jähriger Patient mit Müdigkeit und Einschlafneigung
Fall 32 Seite 33
31-jähriger Patient mit Flankenschmerz
Fall 33 Seite 34
39-jährige Patientin mit Anämie
Fall 34 Seite 35
26-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit und intermittierendem Fieber
Fall 35 Seite 36
67-jähriger Patient mit Schmerzen im linken Bein
Fall 36 Seite 37
61-jährige Patientin mit Ikterus
Fall 37 Seite 38
Erstuntersuchung bei 49-jährigem Typ-I-Diabetiker
Fall 38 Seite 39
34-jährige Patientin mit Polydipsie und Polyurie
Fall 39 Seite 40
19-jähriger Patient mit Thoraxschmerz und Atemnot
Fall 40 Seite 41
31-jährige Patientin mit Herzrasen
Fall 41 Seite 42
46-jährige Patientin mit Bauchschmerzen und Verstopfung
Fall 42 Seite 43
37-jähriger Patient mit Fieber und Nackensteifigkeit
Fall 43 Seite 44
67-jähriger Patient mit Abgeschlagenheit
Fall 44 Seite 45
36-jährige Patientin mit Mundtrockenheit und Gelenkschmerzen
Fall 45 Seite 46
39-jähriger Patient mit Schüttelfrost, Husten und Auswurf
Fall 46 Seite 47
77-jährige Patientin mit zunehmender Luftnot
Fall 47 Seite 48
69-jähriger Patient mit reduzierter Belastbarkeit
150 Fälle aktiv bearbeiten
Fall 20 Seite 21
VII
!!! – Schwierige Fälle
150 Fälle aktiv bearbeiten
VIII
Fall 48 Seite 49
74-jähriger Patient mit Verstopfung
Fall 49 Seite 50
68-jähriger Patient mit Schmerzen im rechten Bein
Fall 50 Seite 51
81-jährige Patientin mit Thoraxschmerzen
Fall 51 Seite 52
24-jähriger Patient mit Durchfall
Fall 52 Seite 53
49-jährige Patientin mit Diabetes mellitus und Ödemen
Fall 53 Seite 54
26-jähriger Patient mit Bluthochdruck und Leistungsschwäche
Fall 54 Seite 55
27-Jähriger mit progredienter Fußheberschwäche und Abgeschlagenheit
Fall 55 Seite 56
29-jähriger Patient mit Kreuz- und Knieschmerzen
Fall 56 Seite 57
52-jährige Patientin mit Hyponatriämie
Fall 57 Seite 58
51-jährige Patientin mit Schwäche des Arms sowie Belastungsdyspnö
Fall 58 Seite 59
73-jährige Patientin mit Fieber und Schüttelfrost
Fall 59 Seite 60
51-jährige Patientin mit Sepsis und disseminierten Hautblutungen
Fall 60 Seite 61
29-jährige Patientin mit rezidivierendem Durchfall
Fall 61 Seite 62
59-jährige Patientin mit Hyperlipidämie und Z.n. Herzinfarkt
Fall 62 Seite 63
51-jährige Patientin mit Schwellung des linken Beins
Fall 63 Seite 64
46-jähriger Patient mit Bauchschmerzen und Übelkeit
Fall 64 Seite 65
34-jähriger Patient mit Muskelschwäche
Fall 65 Seite 66
66-jähriger Patient mit Luftnot und Schwindel bei Belastung
Fall 66 Seite 67
68-jährige Patientin mit zunehmender Luftnot bei Belastung und Husten
Fall 67 Seite 68
55-jähriger Patient mit Fieber, Schwäche und Tachykardie
Fall 68 Seite 69
52-jährige Patientin mit Schwellung des rechten Beins
Fall 69 Seite 70
79-jährige Patientin mit Schüttelfrost, Durchfall, Husten und Luftnot
Fall 70 Seite 71
46-jährige Patientin mit Fieber, Husten und Kopfschmerzen
Fall 71 Seite 72
51-jähriger Patient mit Rückenschmerzen
Fall 72 Seite 73
44-jährige Patientin mit Oberbauchschmerzen
Fall 73 Seite 74
62-jährige Patientin mit Übelkeit, Abgeschlagenheit und Juckreiz
Fall 74 Seite 75
45-jähriger Patient mit Schmerzen im Bereich des linken Fußes
Fall 75 Seite 76
66-jähriger Patient mit Husten und Auswurf
!!! – Schwierige Fälle
21-jährige Patientin mit Herzklopfen
Fall 77 Seite 78
25-jähriger Patient mit Fieber und Durchfall
Fall 78 Seite 79
44-jährige Patientin mit Schwindel, Seh- und Sprachstörungen
Fall 79 Seite 80
41-jährige Patientin mit Schwellung des rechten Beins
Fall 80 Seite 81
27-jährige Patientin mit HIV-Infektion und Thoraxschmerz
Fall 81 Seite 82
41-jähriger Patient mit Bluterbrechen
Fall 82 Seite 83
67-jährige Patientin mit Muskelkrämpfen und Parästhesien
Fall 83 Seite 84
77-jährige Patientin mit Pneumonie und Anstieg des Serumkreatinins
Fall 84 Seite 85
54-jähriger Patient mit Leistungsminderung
Fall 85 Seite 86
91-jährige Patientin mit akuter Luftnot und Husten
Fall 86 Seite 87
61-jährige Patientin mit Sodbrennen
Fall 87 Seite 88
33-jährige Patientin mit vergrößerter Schilddrüse
Fall 88 Seite 89
32-jährige Patientin mit retrosternalen Schmerzen und allgemeiner Schwäche
Fall 89 Seite 90
56-jährige Patientin mit erhöhtem Blutzucker
Fall 90 Seite 92
79-jährige Patientin mit Schmerzen im Schultergürtelbereich
Fall 91 Seite 92
41-jähriger Patient mit Ikterus und Erbrechen
Fall 92 Seite 93
69-jähriger Patient mit rascher Ermüdbarkeit und Luftnot
Fall 93 Seite 94
61-jährige Patientin mit Gewichtsverlust
Fall 94 Seite 95
45-jähriger Patient mit Fieber und Husten
Fall 95 Seite 96
55-jähriger Patient mit Husten, Nachtschweiß und Gewichtsverlust
Fall 96 Seite 97
58-jährige Patientin mit Herzinsuffizienz und Z.n. Lungenembolie
Fall 97 Seite 98
66-jähriger Patient mit retrosternalem Druckgefühl
Fall 98 Seite 99
81-jährige Patientin mit Blut im Stuhl
Fall 99 Seite 100
55-jähriger Patient mit Hypertonie, Proteinurie und Erythrozyturie
Fall 100 Seite 101
69-jährige Patientin mit Nasen- und Zahnfleischbluten
Fall 101 Seite 102
Beratungsgespräch bezüglich Cholera
Fall 102 Seite 103
74-jährige Patientin mit Obstipation und Herzrhythmusstörungen
Fall 103 Seite 104
53-jähriger Patient mit Dysphagie
150 Fälle aktiv bearbeiten
Fall 76 Seite 77
IX
!!! – Schwierige Fälle
150 Fälle aktiv bearbeiten
X
Fall 104 Seite 105
25-jährige Patientin mit schmerzhafter Schwellung des linken Sprunggelenks
Fall 105 Seite 106
63-jähriger Patient mit Halbseitenlähmung rechts und Sprachstörung
!!! Fall 106 Seite 107
45-jähriger Patient mit Gesichtsrötung, Tachykardie und Hypertonie
Fall 107 Seite 108
67-jähriger Patient mit Herzrasen und Luftnot
Fall 108 Seite 109
71-jährige Patientin mit postoperativem Husten, Fieber und Thoraxschmerzen
Fall 109 Seite 110
28-jähriger Patient mit erhöhten Leberwerten
Fall 110 Seite 111
49-jährige Patientin mit Leistungsminderung und Kopfschmerzen
Fall 111 Seite 112
58-jähriger Patient mit Gewichtsverlust und Ikterus
Fall 112 Seite 113
Ca. 50-jähriger Patient mit Synkope
Fall 113 Seite 114
62-jähriger somnolenter Patient mit Luftnot
Fall 114 Seite 115
34-jähriger Patient mit Bauchschmerzen
Fall 115 Seite 116
27-jähriger Patient mit Pruritus und Husten
Fall 116 Seite 117
83-jährige Patientin mit Synkope
Fall 117 Seite 118
36-jähriger Patient mit vergrößerter Leber und erhöhtem Blutzucker
Fall 118 Seite 119
23-jährige Patientin mit akuter Luftnot
Fall 119 Seite 120
34-jährige Patientin mit chronischer Abgeschlagenheit und Müdigkeit
Fall 120 Seite 121
78-jähriger Patient mit Unterbauchschmerzen
Fall 121 Seite 122
19-jährige Patientin mit Ohnmachtsanfall
Fall 122 Seite 123
57-jähriger Patient mit Fieberschüben
Fall 123 Seite 124
50-jähriger Patient mit retrosternalen Schmerzen
Fall 124 Seite 125
76-jähriger Patient mit zunehmender Belastungsdyspnö und Schwächegefühl
Fall 125 Seite 126
77-jährige Patientin mit Luftnot bei Belastung und im Liegen
Fall 126 Seite 127
48-jähriger Patient mit Oberbauchschmerzen und Durchfall
Fall 127 Seite 128
Bewusstloser 21-jähriger Patient
Fall 128 Seite 129
36-jähriger Patient mit Schluckstörungen
Fall 129 Seite 130
52-jährige Patientin mit Herzrasen
Fall 130 Seite 131
18-jähriger Patient mit Dysphagie und Fieber
Fall 131 Seite 132
34-jährige Patientin mit Pneumonie und Durchfall
!!! – Schwierige Fälle
17-jährige, zunehmend schläfrige Patientin
Fall 133 Seite 134
36-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit, Fieber und Ikterus
Fall 134 Seite 135
42-jähriger Patient mit Lymphknotenschwellungen
Fall 135 Seite 136
66-jähriger Patient mit Abgeschlagenheit und Luftnot
Fall 136 Seite 137
19-jährige Patientin mit Minderwuchs und Diarrhöen
Fall 137 Seite 138
81-jährige Patientin mit Schüttelfrost, Fieber und Husten
Fall 138 Seite 139
17-jähriger Patient mit Fieber und Gelenkschmerzen
Fall 139 Seite 140
67-jährige Patientin mit einem Rektumpolyp
Fall 140 Seite 141
24-jähriger Patient mit Luftnot und „Herzstolpern“
Fall 141 Seite 142
44-jähriger Patient mit Schmerzen im Oberbauch
Fall 142 Seite 143
45-jährige Patientin mit progredienter Gewichtszunahme
Fall 143 Seite 144
54-jährige Patientin mit einer Raumforderung in der Leber
Fall 144 Seite 145
61-jähriger Patient mit Thrombozytopenie
Fall 145 Seite 146
24-jährige Patientin mit Unterbauchschmerzen
Fall 146 Seite 147
37-jähriger Patient mit Husten und Luftnot
Fall 147 Seite 148
41-jähriger Patient mit therapierefraktärem Bluthochdruck
Fall 148 Seite 149
Patient mit Diabetes mellitus und rezidivierendem Fieber nach Pneumonie
!!! Fall 149 Seite 150
Fall 150 Seite 151
150 Fälle aktiv bearbeiten
Fall 132 Seite 133
XI
40-jähriger Patient mit Abgeschlagenheit und Husten
73-jähriger Patient mit Ruhedyspnö und Husten
Anhang Seite 393
Seite 394
Quellenverzeichnis der Abbildungen
Seite 396
Quellenverzeichnis der Tabellen
Seite 397
Laborwerte – Normalbereiche
Seite 400
Sachverzeichnis
!!! – Schwierige Fälle
Inhaltsverzeichnis
nach Themen
Hämatologie
Fall 2 S. 3
Fall 33 S. 34
Fall 9 S. 10
Fall 19 S. 20
Fall 43 S. 44
Fall 59 S. 60
Fall 69 S. 70
Fall 100 S. 101
Fall 124 S. 125
Fall 47 S. 48
Fall 84 S. 85
Fall 144 S. 145
Fall 4 S. 5
Fall 6 S. 7
Fall 65 S. 66
Fall 76 S. 77
Fall 97 S. 98
Fall 107 S. 108
Fall 125 S. 126
Fall 129 S. 130
Fall 16 S. 17
Fall 29 S. 30
Fall 88 S. 89
Fall 92 S. 93
Fall 112 S. 113
Fall 140 S. 141
Fall 116 S. 117
Fall 150 S. 151
Fall 1 S. 2
Fall 39 S. 40
Fall 85 S. 86
Fall 135 S. 136
Fall 11 S. 12
Fall 21 S. 22
Fall 31 S. 32
Fall 45 S. 46
Fall 66 S. 67
Fall 75 S. 76
Fall 104 S. 105
Fall 118 S. 119
Fall 127 S. 128
Fall 137 S. 138
Fall 146 S. 147
Fall 60 S. 61
Fall 63 S. 64
Fall 103 S. 104
Fall 128 S. 129
Fall 131 S. 132
Fall 25 S. 26
Kardiologie
Fall 46 S. 47
Pneumologie
Gastroenterologie
Fall 8 S. 9
Fall 15 S. 16
Fall 20 S. 21
Fall 27 S. 28
Fall 36 S. 37
Fall 41 S. 42
Fall 48 S. 49
Fall 51 S. 52
Fall 111 S. 112
Fall 114 S. 115
Fall 117 S. 118
Fall 136 S. 137
Fall 139 S. 140
Fall 86 S. 87
Fall 91 S. 92
Fall 120 S. 121
Fall 123 S. 124
Fall 141 S. 142
Fall 143 S. 144
Fall 93 S. 94
Fall 98 S. 99
Fall 126 S. 127
Fall 145 S. 146
Fall 72 S. 73
Fall 81 S. 82
Fall 12 S. 13
Fall 53 S. 54
Fall 106 S. 107
Fall 132 S. 133
Fall 30 S. 31
Fall 71 S. 72
Fall 119 S. 120
Fall 142 S. 143
Fall 38 S. 39
Fall 87 S. 88
Fall 121 S. 122
Fall 147 S. 148
Fall 89 S. 90
Stoffwechselstörungen
Fall 24 S. 25
Fall 52 S. 53
Fall 74 S. 75
Fall 37 S. 38
Fall 61 S. 62
Fall 78 S. 79
Infektiologie
Fall 3 S. 4
Fall 54 S. 55
Fall 94 S. 95
Fall 130 S. 131
Fall 14 S. 15
Fall 67 S. 68
Fall 95 S. 96
Fall 133 S. 134
Fall 22 S. 23
Fall 70 S. 71
Fall 101 S. 102
Fall 134 S. 135
Fall 42 S. 43
Fall 77 S. 78
Fall 109 S. 110
Fall 138 S. 139
Fall 50 S. 51
Fall 80 S. 81
Fall 122 S. 123
Fall 148 S. 149
Fall 10 S. 11
Fall 32 S. 33
Fall 73 S. 74
Fall 99 S. 100
Fall 18 S. 19
Fall 58 S. 59
Fall 83 S. 85
Fall 110 S. 111
Nephrologie
Fall 28 S. 29
Störungen des Wasser-Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Fall 7 S. 8
Fall 56 S. 57
Fall 82 S. 83
Fall 102 S. 103
Fall 17 S. 18
Fall 64 S. 65
Fall 96 S. 97
Fall 113 S. 114
Fall 35 S. 36
Fall 57 S. 58
Fall 68 S. 69
Fall 105 S. 106
Fall 49 S. 50
Fall 62 S. 63
Fall 79 S. 80
Angiologie
Rheumatologie/Immunologie
Fall 5 S. 6
Fall 26 S. 27
Fall 55 S. 56
Fall 115 S. 116
Fall 13 S. 14
Fall 34 S. 35
Fall 90 S. 91
Fall 149 S. 150
Fall 23 S. 24
Fall 44 S. 45
Inhaltsverzeichnis nach Themen
Endokrinologie
XIII
Inhaltsverzeichnis
Antworten und Kommentare
Fall
1 Seite 154
Lungenembolie
Fall
2 Seite 156
Plasmozytom
Fall
3 Seite 158
HIV mit opportunistischer Atemwegsinfektion
Fall
4 Seite 159
Arterielle Hypertonie bei Diabetes mellitus Typ I
Fall
5 Seite 162
Reaktive Arthritis (Reiter-Syndrom)
Fall
6 Seite 163
Akuter Myokardinfarkt
Fall
7 Seite 165
Hyperkalzämie (bei Bronchialkarzinom)
Fall
8 Seite 167
Akute obere gastrointestinale Blutung
Fall
9 Seite 169
Hodgkin-Lymphom
Fall 10 Seite 170
Chronische Niereninsuffizienz mit renaler Osteopathie
Fall 11 Seite 172
Cor pulmonale bei COPD
Fall 12 Seite 174
Schilddrüsenkarzinom
Fall 13 Seite 176
Rheumatoide Arthritis
Fall 14 Seite 179
Akute Meningitis
Fall 15 Seite 180
Akutes Abdomen bei Mesenterialinfarkt
Fall 16 Seite 183
Koronare Herzkrankheit
Fall 17 Seite 185
Alkalose
Fall 18 Seite 187
Zystennieren
Phlebothrombose bei Antiphospholipid-Syndrom
Fall 20 Seite 190
Obstipation
Fall 21 Seite 191
Lungenemphysem
Fall 22 Seite 192
Lyme-Borreliose
Fall 23 Seite 194
Angioödem (Quincke-Ödem)
Fall 24 Seite 195
Metabolisches Syndrom
Fall 25 Seite 197
Akute (myeloische) Leukämie
Fall 26 Seite 199
Dermatomyositis
Fall 27 Seite 201
Akute Pankreatitis
Fall 28 Seite 202
Harnwegsinfekt
Fall 29 Seite 204
Bakterielle Endokarditis
Fall 30 Seite 206
Hyperthyreose bei Morbus Basedow
Fall 31 Seite 207
Obstruktives Schlafapnösyndrom
Fall 32 Seite 209
Nephrolithiasis
Fall 33 Seite 211
Mikrozytäre Anämie
Fall 34 Seite 212
Systemischer Lupus erythematodes
Fall 35 Seite 214
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Fall 36 Seite 216
Ikterus (bei Cholestase)
Fall 37 Seite 218
Diabetes mellitus Typ I
Fall 38 Seite 221
Diabetes insipidus
Fall 39 Seite 222
Pneumothorax
Fall 40 Seite 224
Supraventrikuläre Tachykardie (WPW-Syndrom)
Fall 41 Seite 226
Reizdarmsyndrom
Fall 42 Seite 228
Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)
Fall 43 Seite 229
Non-Hodgkin-Lymphom (Haarzell-Leukämie)
Fall 44 Seite 232
Sjögren-Syndrom
Fall 45 Seite 234
Pneumonie (ambulant erworben)
XV
150 Fälle Antworten und Kommentare
Fall 19 Seite 188
XVI
150 Fälle Antworten und Kommentare
Fall 46 Seite 236
Lungenödem bei dekompensierter Linksherzinsuffizienz
Fall 47 Seite 237
Makrozytäre Anämie bei Intrinsic-Faktor-Mangel (perniziöse Anämie)
Fall 48 Seite 239
Kolorektales Karzinom
Fall 49 Seite 241
Akuter arterieller Verschluss
Fall 50 Seite 242
Herpes zoster (Zoster, Gürtelrose)
Fall 51 Seite 243
Akute Diarrhö
Fall 52 Seite 245
Diabetische Nephropathie
Fall 53 Seite 246
Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom)
Fall 54 Seite 248
Chronische Hepatitis C
Fall 55 Seite 249
Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew)
Fall 56 Seite 251
Hyponatriämie
Fall 57 Seite 253
Transitorische ischämische Attacke (TIA)
Fall 58 Seite 254
Akute Pyelonephritis
Fall 59 Seite 255
Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC, Verbrauchskoagulopathie)
Fall 60 Seite 257
Laktoseintoleranz (Laktasemangel)
Fall 61 Seite 258
Hyperlipidämie
Fall 62 Seite 261
Phlebothrombose
Fall 63 Seite 263
Leberzirrhose mit Aszites und bakterieller Peritonitis
Fall 64 Seite 266
Hyperkaliämie (bei akuter Niereninsuffizienz)
Fall 65 Seite 267
Aortenklappenstenose
Fall 66 Seite 269
Interstitielle Lungenerkrankung
Fall 67 Seite 272
Sepsis (septischer Schock) bei infiziertem diabetischen Ulkus
Fall 68 Seite 273
Chronisch-venöse Insuffizienz bei postthrombotischem Syndrom
Fall 69 Seite 275
Agranulozytose
Fall 70 Seite 277
Viraler Atemwegsinfekt
Fall 71 Seite 278
Osteoporose mit Wirbelkörperfraktur
Fall 72 Seite 280
Symptomatische Cholezystolithiasis
Terminale chronische Niereninsuffizienz bei diabetischer Nephropathie
Fall 74 Seite 284
Akuter Gichtanfall bei Gicht (Arthritis urica)
Fall 75 Seite 286
Bronchialkarzinom
Fall 76 Seite 288
Mitralklappenprolapssyndrom
Fall 77 Seite 289
Typhus abdominalis
Fall 78 Seite 291
Hypoglykämie
Fall 79 Seite 292
Varikosis
Fall 80 Seite 293
HIV mit Herpes zoster
Fall 81 Seite 295
Ösophagusvarizenblutung bei Leberzirrhose
Fall 82 Seite 296
Hypokalzämie
Fall 83 Seite 298
Akutes Nierenversagen
Fall 84 Seite 299
Chronisch myeloische Leukämie (CML)
Fall 85 Seite 300
Atelektase
Fall 86 Seite 302
Hiatushernie
Fall 87 Seite 303
Struma
Fall 88 Seite 305
Perikarditis
Fall 89 Seite 306
Diabetes mellitus
Fall 90 Seite 307
Polymyalgia rheumatica mit Arteriitis temporalis
Fall 91 Seite 309
Alkoholische Fettleberhepatitis
Fall 92 Seite 310
Globale Herzinsuffizienz
Fall 93 Seite 312
Magenkarzinom
Fall 94 Seite 313
CMV-Pneumonie
Fall 95 Seite 314
Lungentuberkulose
Fall 96 Seite 316
Metabolische Azidose
Fall 97 Seite 317
Akutes Koronarsyndrom (Vorderwandinfarkt)
Fall 98 Seite 318
Untere gastrointestinale Blutung bei Hämorrhoiden
Fall 99 Seite 319
IgA-Nephropathie
XVII
150 Fälle Antworten und Kommentare
Fall 73 Seite 282
XVIII
150 Fälle Antworten und Kommentare
Fall 100 Seite 321
Myelodysplastisches Syndrom (MDS)
Fall 101 Seite 322
Cholera
Fall 102 Seite 323
Hypokaliämie
Fall 103 Seite 325
Ösophaguskarzinom
Fall 104 Seite 326
Sarkoidose
Fall 105 Seite 327
Supratentorieller Hirninfarkt
Fall 106 Seite 329
Karzinoid(syndrom)
Fall 107 Seite 330
Vorhofflattern
Fall 108 Seite 331
Infarktpneumonie
Fall 109 Seite 333
Hepatitis B
Fall 110 Seite 334
Analgetikanephropathie
Fall 111 Seite 335
Pankreaskarzinom
Fall 112 Seite 337
Kammerflattern/Kammerflimmern
Fall 113 Seite 338
Respiratorische Azidose
Fall 114 Seite 339
Colitis ulcerosa
Fall 115 Seite 341
Nahrungsmittelallergie
Fall 116 Seite 343
AV-Block
Fall 117 Seite 344
Hämochromatose
Fall 118 Seite 345
Asthma bronchiale
Fall 119 Seite 347
Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison)
Fall 120 Seite 348
Divertikulitis
Fall 121 Seite 350
Synkope
Fall 122 Seite 351
Malaria
Fall 123 Seite 353
Refluxkrankheit
Fall 124 Seite 354
Polycythaemia vera
Fall 125 Seite 356
Mitralklappenstenose
Fall 126 Seite 357
Chronische Pankreatitis mit exokriner Pankreasinsuffizienz
Heroinintoxikation
Fall 128 Seite 360
Achalasie
Fall 129 Seite 362
Vorhofflimmern
Fall 130 Seite 363
Mononucleosis infectiosa
Fall 131 Seite 364
Pseudomembranöse Kolitis
Fall 132 Seite 366
Coma diabeticum
Fall 133 Seite 367
Hepatitis A
Fall 134 Seite 368
Lues (Syphilis)
Fall 135 Seite 370
Pleuraerguss
Fall 136 Seite 371
Sprue (glutensensitive Enteropathie)
Fall 137 Seite 372
Nosokomiale Pneumonie
Fall 138 Seite 374
Rheumatisches Fieber
Fall 139 Seite 375
Kolorektales Adenom
Fall 140 Seite 376
Kardiomyopathie
Fall 141 Seite 378
Gastroduodenales (Stress-)Ulkus
Fall 142 Seite 379
Hypothyreose
Fall 143 Seite 381
Lebertumor
Fall 144 Seite 382
Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT)
Fall 145 Seite 383
Morbus Crohn
Fall 146 Seite 386
Exogen allergische Alveolitis
Fall 147 Seite 387
Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)
Fall 148 Seite 388
Candida-Sepsis
Fall 149 Seite 389
Wegener-Granulomatose (Morbus Wegener)
Fall 150 Seite 391
Respiratorische Globalinsuffizienz bei dekompensierter Linksherzinsuffizienz
XIX
150 Fälle Antworten und Kommentare
Fall 127 Seite 359
Fälle
Fälle
1
!!! = Schwieriger Fall/Schwierige Frage
Fall 1
67-jährige Patientin mit ausgeprägter Luftnot
Eine 67-jährige Patientin stellt sich mit ausgeprägter Luftnot, nichtproduktivem Husten und
einem thorakalen Engegefühl in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Die Dyspnö sei während einer
mehrstündigen Busfahrt schlagartig aufgetreten. Außer einer chronischen Bronchitis bei Nikotinabusus seien keine Vorerkrankungen be-
Fall
1.1
kannt. Zur Vorbeugung einer Osteoporose nehme sie ein Hormonpräparat ein. Bei der körperlichen Untersuchung der Patientin (Größe
165 cm, Gewicht 79 kg) beträgt die Herzfrequenz 110/min, die Atemfrequenz 30/min und
der Blutdruck 130/90 mmHg. Der Auskultationsbefund über Herz und Lunge ist unauffällig.
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
1
2
1.2
An welche Differenzialdiagnosen (mindestens 2) denken Sie hier?
Nennen Sie deren typischen Leitbefunde!
1.3
Welche Untersuchungen (mindestens 6) schlagen Sie vor, um die
Verdachtsdiagnose zu sichern?
1.4
Welche therapeutischen Erstmaßnahmen ergreifen Sie?
1.5
Welche weiteren therapeutischen Möglichkeiten gibt es?
Antworten und Kommentar Seite 154
Fall 2
72-jährige Patientin mit makrozytärer Anämie
Fall
Eine 72-jährige Frau wird mit einer Oberschenkelhalsfraktur stationär aufgenommen. Weitere Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Im Labor fällt eine makrozytäre Anämie (Hb 10,4 g/dl,
MCV 104 fl) auf. Sie werden in Ihrer Funktion als
internistischer Konsiliarius zu Rate gezogen.
Die weiterführende Diagnostik ergibt folgende
Befunde: Leukozyten 4,5/nl, Thrombozyten
334/nl, Kreatinin 1,5 mg/dl, Elektrolyte, Transaminasen normwertig, Eisen 55 µg/dl, Ferritin
324 µg/dl. Eiweißelektrophorese s. Abb. 2.1. Im
Urinstix Leukozyten und Protein positiv, sonst
keine Auffälligkeiten.
Abb. 2.1
Serumelektrophorese
2
3
2.1
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
2.2
Welche 3 weiteren Untersuchungen sind erforderlich?
2.3
Welche Therapie-Möglichkeiten gibt es?
2.4
Welche Ursache könnte die Oberschenkelhalsfraktur haben? Welche
Therapieoptionen gibt es bezüglich dieser Ursache?
Antworten und Kommentar Seite 156
Fall 3
26-jährige Patientin mit rezidivierendem Fieber und Husten
Fall
Eine 26-Jährige asiatischer Abstammung stellt
sich wegen eines trockenen Hustens, Fieber und
einer Belastungsdyspnö in Ihrer hausärztlichen
Praxis vor. Die Frau ist vor 10 Monaten aus Thailand eingewandert und spricht nur wenig
Deutsch. Der aus Deutschland stammende Ehemann berichtet, seine Frau leide seit 6 Wochen
an rezidivierenden Fieberschüben und Nachtschweiß und habe in dieser Zeit ungewollt 9 kg
abgenommen. Eine antibiotische Behandlung
über 8 Tage (Cephalosporin der 1. Generation
p. o.) habe die Symptomatik nicht gebessert. Bei
der körperlichen Untersuchung fallen ein verschärftes Atemgeräusch, generalisierte Lymphknotenschwellungen, weißliche Beläge im Bereich der Mundschleimhaut sowie einzelne
bräunlich-livide und erhabene Makulae an beiden Beinen auf (Abb. 3.1). Das Röntgenbild des
Thorax ist unauffällig.
3
4
3.1
Abb. 3.1
mität
Beispiel einer Effloreszenz der unteren Extre-
An welche Grunderkrankung müssen Sie vorrangig denken?
3.2
Welche Untersuchung ist zur Abklärung dieser Verdachtsdiagnose primär
sinnvoll?
3.3
Nehmen wir an, Ihre primäre Diagnose trifft zu. Was ist dann wahrscheinlich die Ursache von Husten, Fieber und Dyspnö? Nennen Sie mindestens 3
mögliche Erreger!
!!!
3.4
Welche 2 Untersuchungen sollten zur definitiven Abklärung der pulmonalen
Symptomatik auch bei unauffälligem Röntgenbild angestrebt werden? Warum ist dies
wichtig?
Antworten und Kommentar Seite 158
Fall 4
Routineuntersuchung bei 51-jährigem Typ-I-Diabetiker
Ein 51-jähriger Patient mit bekanntem Diabetes
mellitus Typ I stellt sich zu einer halbjährlichen
Routineuntersuchung in Ihrer hausärztlichen
4.1
Praxis vor. Bei der ansonsten unauffälligen körperlichen Untersuchung wird ein Blutdruck von
150/90 mmHg gemessen.
Was ist Ihre nächste diagnostische Maßnahme?
Fall
4
5
4.2
Sie diagnostizieren bei o. g. Patienten eine arterielle Hypertonie. Ihr
Praxisbudget erlaubt Ihnen 2 weitere diagnostische Maßnahmen. Welche ordnen Sie
an?
4.3
Welche Antihypertensiva würden Sie diesem Patienten primär verordnen?
4.4
Welchen Zielblutdruck streben Sie mit Ihrer Therapie an?
Antworten und Kommentar Seite 159
Fall 5
26-jähriger Patient mit Gelenkschmerzen
Fall
Ein 26-jähriger Patient stellt sich wegen
Schmerzen im linken Knie, im rechten Sprunggelenk sowie in der rechten Ferse in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Die Schmerzen bestehen
seit 2 Wochen. Derartige Beschwerden seien
noch nie zuvor aufgetreten. Vor 3 Wochen habe
er zudem ein unangenehmes Brennen beim
Wasserlassen verspürt, das im Laufe der Zeit
nachgelassen habe. Bei der körperlichen Untersuchung finden Sie eine Schwellung des linken
5
5.1
Kniegelenkes und des rechten Sprunggelenks.
An beiden Fußsohlen zeigt sich ein schuppendes Erythem. Die Konjunktiven sind beidseits
gerötet. Die Auskultation von Herz und Lunge
ist unauffällig. Blutdruck und Puls liegen im
Normbereich, die Körpertemperatur beträgt
36,6 ⬚C (axillär gemessen).
Die erste Labordiagnostik zeigt folgende Befunde: BSG 43 mm n.W., CRP 45 mg/l, Hb 11,9 g/dl,
Thrombozyten 334/nl, Rheumafaktor negativ.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
6
5.2
Welche 4 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie zur Sicherung Ihrer
Verdachtsdiagnose vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
5.3
!!!
Machen Sie einen Therapievorschlag!
5.4
Wie bezeichnet man die schuppenden Hautveränderungen bei dieser
Erkrankung?
Antworten und Kommentar Seite 162
Fall 6
62-jähriger Patient mit akutem Thoraxschmerz
Sie werden als Notarzt zu einem 62-jährigen
Patienten gerufen, der einen seit 30 Minuten
bestehenden zentralen Thoraxschmerz mit
Ausstrahlung in den Hals angibt. Sie finden ei-
6.1
nen ängstlichen, unruhigen, schwitzenden Patienten vor, der mehrfach erbricht. Der Blutdruck beträgt 160/90 mmHg, die Herzfrequenz
60/min.
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
Fall
6
6.2
An welche Differenzialdiagnosen (mindestens 3) denken Sie hier?
6.3
Welche Maßnahmen ergreifen Sie bereits im Rettungswagen?
6.4
In der Klinik wird das EKG (Abb. 6.1) abgeleitet. Wie gehen Sie
therapeutisch weiter vor?
Abb. 6.1
EKG
Antworten und Kommentar Seite 163
7
Fall 7
63-jähriger Patient mit Husten, Übelkeit und Gewichtsabnahme
Fall
7
8
Ein 63-jähriger Patient kommt wegen chronischen Hustens, ständiger Übelkeit und einer
starken Gewichtsabnahme innerhalb der letzten 2 Wochen in Ihre hausärztliche Praxis. Auf
Nachfrage gibt er an, dass er in den vergangenen
(mindestens 6) Monaten, allerdings nicht mehr
in den letzten Wochen, häufig und viel Wasser
gelassen habe, auch nachts. An Vorerkrankungen besteht eine chronische Bronchitis bei langjährigem Nikotinabusus. Außer einem inhalativen β2-Mimetikum nimmt der Patient derzeit
keine Medikamente ein. Bei der ansonsten unauffälligen körperlichen Untersuchung fallen
Ihnen eine trockene Zunge und die faltige Haut
mit stehenden Hautfalten auf. Wegen des Hustens fertigen Sie ein Röntgenbild des Thorax an
(Abb. 7.1). Die Labordiagnostik ergibt folgende
Befunde: Glukose 76 mg/dl, Kalium 4,1 mmol/l,
Kalzium 3,3 mmol/l, Hb 11,4 g/dl, Leukozyten
9800/µl, Thrombozyten 226 000/µl. Der Urinstatus und das Urinsediment sind unauffällig.
Abb. 7.1
Röntgen-Thorax p.a.
Aufgrund des erhöhten Serumkalziumwertes
(Normwert 2,1 – 2,6 mmol/l) diagnostizieren
Sie eine Hyperkalzämie.
7.1
Was ist die wahrscheinlichste Ursache der Hyperkalzämie? Beschreiben
Sie die Pathomechanismen!
7.2
Nennen Sie die anderen 4 Ursachen der Hyperkalzämie!
7.3
Was ist eine hyperkalzämische Krise? Wie äußert sie sich und wie wird sie
behandelt?
Antworten und Kommentar Seite 165
Fall 8
51-jähriger Patient mit Hämatemesis
Ein 51-jähriger Patient wird von seiner Ehefrau
zu Ihnen in die Notfallaufnahme gebracht. Der
Patient habe 2-mal schwallartig Blut erbrochen
und im Laufe des Tages mehrfach teerartigen
Stuhlgang abgesetzt. An Vorerkrankungen sind
eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipidämie
und eine rheumatoide Arthritis bekannt. Die
Fall
8.1
letzte Medikation bestand aus Captopril
3 ⫻ 25 mg, Atorvastatin 10 mg, Prednisolon
15 mg und Diclofenac 3 ⫻ 50 mg. Der Patient ist
schläfrig, aber erweckbar, das Hautkolorit blass.
Der Blutdruck beträgt 90/50 mmHg, die Herzfrequenz 140/min.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
8
9
8.2
Welche diagnostischen und therapeutischen Notfallmaßnahmen führen
Sie durch?
8.3
Welche Untersuchungen (mindestens 4) führen Sie – in der Reihenfolge
des praktischen Vorgehens – durch, um nach einer Blutungsquelle im
Gastrointestinaltrakt zu suchen?
8.4
Nennen Sie die 6 häufigsten Ursachen einer Blutung im oberen
Gastrointestinaltrakt!
Antworten und Kommentar Seite 167
Fall 9
26-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust
Eine 26-jährige Patientin stellt sich wegen einer
seit 3 Monaten bestehenden Abgeschlagenheit,
einem Gewichtsverlust von 5 kg in diesem Zeitraum und nächtlichen Schweißausbrüchen in
Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Bei der körperli-
9.1
chen Untersuchung finden Sie mehrere deutlich
verdickte Lymphknoten im Halsbereich sowie
in den Axillae. Die Milz ist 2 Querfinger unter
dem linken Rippenbogen zu tasten. Der HIVTest ist negativ.
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
Fall
9
10
9.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 5) schlagen Sie zur
weiteren Abklärung vor?
9.3
Welche prognostisch bedeutsamen Parameter werden für die
Stadieneinteilung der vermuteten Erkrankung herangezogen?
!!!
9.4
Welche 4 histologischen Subtypen der vermuteten Erkrankung kennen Sie?
Antworten und Kommentar Seite 169
Fall 10
51-jähriger Patient mit progredientem Anstieg der Nierenretentionswerte
Ein 51-jähriger Patient wird wegen eines progredienten Anstiegs der Nierenretentionswerte
vom Hausarzt in Ihre internistische Fachpraxis
überwiesen. Die vom Patienten mitgebrachten
Laborwerte zeigen einen Anstieg des Kreatinins
und des Harnstoffs im Serum über einen Zeitraum von 5 Jahren. Das aktuell gemessene Krea-
Nennen Sie die 6 häufigsten Ursachen der chronischen Niereninsuffizienz!
Fall
10.1
tinin beträgt 9,1 mg/dl. Die Ursache der Kreatininerhöhung ist ungeklärt. An Vorerkrankungen ist bei dem Patienten nur eine arterielle Hypertonie bekannt. In den vergangenen 12 Monaten sei er zweimal wegen Frakturen (Unterarm, Wirbelkörper) konservativ behandelt
worden.
10
11
10.2
Was könnte die Entstehung der Frakturen bei dem Patienten begünstigt
haben? Beschreiben Sie die Pathomechanismen!
10.3
Wie kann die vermutete „Knochenerkrankung“ diagnostiziert werden?
10.4
Wie kann die „Knochenerkrankung“ bei der chronischen Niereninsuffizienz
behandelt werden?
Antworten und Kommentar Seite 170
Fall 11
66-jähriger Patient mit Belastungsdyspnö
Ein 66-jähriger Mann stellt sich wegen seit Monaten bestehender Luftnot bei leichter bis mittlerer Belastung und rascher Ermüdbarkeit in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Auf Nachfrage
gibt er an, seit mindestens 5 Jahren an Husten
zu leiden. Das Sputum sei mal gräulich, mal
gelblich gefärbt. In den vergangenen 6 Monaten
habe das Körpergewicht um 5 kg zugenommen.
Als einzige Vorerkrankung ist eine Hyperurik-
ämie bekannt. Der Patient raucht seit dem
16. Lebensjahr ca. 20 Zigaretten pro Tag. Bei der
körperlichen Untersuchung finden Sie Ödeme
der Unterschenkel und Fußrücken beidseits.
Über den Lungen ist ein raues Atemgeräusch
mit exspiratorischem Giemen und Brummen
auskultierbar. Über der Pulmonalklappe auskultieren Sie einen lauten, fixiert gespaltenen
2. Herzton.
Fall
11
11.1
Welche Erkrankung ist die wahrscheinlichste Ursache von Luftnot und
Husten?
12
11.2
Nennen Sie mindestens 3 Untersuchungen zur Abklärung dieser Ursache
(in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) sowie jeweils einen für Ihre
Verdachtsdiagnose typischen Befund!
11.3
Was ist die wahrscheinlichste Ursache der Ödeme?
11.4
Nennen Sie mindestens 3 Untersuchungen zur Sicherung Ihrer
Verdachtsdiagnose bezüglich der Ödemursache und nennen Sie typische Befunde der
vermuteten Erkrankung!
11.5
Machen Sie einen Therapievorschlag für diesen Patienten!
Antworten und Kommentar Seite 172
Fall 12
39-jährige Patientin mit Schilddrüsenknoten
Eine 39-jährige Patientin stellt sich zur Verlaufskontrolle eines Schilddrüsenknotens in Ihrer internistischen Praxis vor. Der Knoten ist
6 Monate zuvor entdeckt worden und war damals etwa 1 cm groß gewesen. Sie tasten einen
kaum schluckverschieblichen Knoten medial
im rechten Schilddrüsenlappen und führen
dann eine Sonographie der Schilddrüse durch.
Das Sonogramm zeigt einen 1,7 ml großen,
echoarmen, unregelmäßig begrenzten Knoten
kaudal im rechten Schilddrüsenlappen. Die
restliche Schilddrüse ist echonormal und frei
von Knoten.
Welche 4 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie vor (in der Reihenfolge
des praktischen Vorgehens)?
Fall
12.1
12
13
12.2
Welche Formen maligner Schilddrüsentumoren kennen Sie und wie sind
diese prognostisch zu bewerten?
12.3
!!!
Wie werden maligne Schilddrüsentumoren behandelt?
12.4
Welcher maligne Schilddrüsentumor tritt gehäuft im Rahmen einer
multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) auf? Welche weiteren Erkrankungen sind
Bestandteil dieser MEN?
Antworten und Kommentar Seite 174
Fall 13
39-jährige Patientin mit Gelenkschmerzen und Morgensteifigkeit
Fall
Eine 39-jährige Patientin stellt sich in Ihrer internistischen Praxis vor, weil seit 4 Wochen
Schmerzen in den Fingermittel- und Fingergrundgelenken, den Hand- und Kniegelenken
sowie im Vorfußbereich beidseits bestehen und
die Gelenke in den Morgenstunden steif sind.
Die Morgensteifigkeit dauere ca. 2 Stunden an.
Die übrige Anamnese der Patientin ist unauffällig. Bei der körperlichen Untersuchung finden
sich Schwellungen der Handgelenke, der Metakarpalgelenke (MCP) II – IV rechts und I – V
links, der proximalen Interphalangealgelenke
(PIP) I – V rechts und II – IV links sowie eine diffuse Schwellung im Vorfußbereich. Bei der Untersuchung der Kniegelenke stellen Sie beidseits eine tanzende Patella fest. Eine Rötung
oder Überwärmung der Gelenke liegt nicht vor.
In der ersten Labordiagnostik fallen folgende
pathologische Werte auf: BSG 64 mm n. W., CRP
69 mg/l, Thrombozyten 439/nl, Rheumafaktor
positiv.
13
13.1
14
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
13.2
Welche Differenzialdiagnosen kommen in Frage? Nennen Sie jeweils
mindestens ein Abgrenzungskriterium zu Ihrer Verdachtsdiagnose!
13.3
Wie wird die Erkrankung typischerweise behandelt?
Antworten und Kommentar Seite 176
Fall 14
26-jähriger Patient mit Fieber und Erbrechen
Sie werden als ärztlicher Notdienst zu einem
26-jährigen türkischen Patienten in ein Asylantenwohnheim gerufen. Der Patient klagt über
Übelkeit und diffuse Kopf- und Nackenschmerzen, die seit wenigen Stunden bestehen. Er habe
bisher einmalig Nahrungsreste erbrochen. Zudem gibt der Patient eine zunehmende Müdigkeit an.
Die körperliche Untersuchung ergibt folgenden
Befund: Der Patient wirkt schläfrig. Der passiven Anteflexion der Halswirbelsäule setzt er
fühlbaren Widerstand entgegen. Unauffälliger
kardiopulmonaler Befund, regelrechte Darmperistaltik, weiche Bauchdecken, kein Druckschmerz im Abdomen, Pulsstatus unauffällig.
Sie messen axillär eine Körpertemperatur von
39,2 ⬚C.
Fall
14.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Nennen Sie 3 weitere klinische
Untersuchungsverfahren, die Ihren Verdacht bereits vor Ort erhärten können!
14
15
14.2
Nennen Sie die häufigsten Auslöser (mindestens 6) der Erkrankung!
14.3
Welche diagnostische Maßnahme hat die höchste Priorität und welche
Befunde erwarten Sie bei pathologischem Ausfall dieser Untersuchung? Falls es
mehrere Möglichkeiten gibt, nennen Sie diese!
14.4
Welche 2 Maßnahmen sollten nach Einlieferung des Patienten in ein
Krankenhaus, abgesehen von Diagnostik und Therapie, ergriffen werden?
14.5
Was verstehen Sie unter einem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom?
Antworten und Kommentar Seite 179
Fall 15
71-jähriger Patient mit plötzlichen Bauchschmerzen
Fall
15
16
Bei einem 71-jährigen, zuvor beschwerdefreien
Mann treten morgens plötzlich im linken unteren Quadranten äußerst heftige Bauchschmerzen in wechselnder Intensität auf. Innerhalb
von 3 Stunden verschwinden sie spontan. Am
Abend treten erneut Bauchschmerzen auf, nun
diffus im gesamten Abdomen, begleitet von
Übelkeit. Als der Patient blutigen Durchfall bekommt, ruft er den Notarzt, der ihn in Ihre Klinik bringt. Bei der körperlichen Untersuchung
stellen Sie spärliche Darmgeräusche und eine
diffuse Abwehrspannung mit Druckschmerz
über dem gesamten Abdomen fest. Die Labordiagnostik ergibt folgende Befunde: Kreatinin
1,3 mg/dl, Hb 16,2 g/dl, Leukozyten 22 000/µl,
Thrombozyten 412 000/µl, CRP 349 mg/l, Laktat
erhöht, LDH erhöht, Lipase normwertig. Urinstatus unauffällig. Blutgasanalyse (BGA): pH 7,13,
pO2 59 mmHg, pCO2 34 mmHg, BE – 5,1. Abb. 15.1
15.1
Abb. 15.1
EKG
zeigt das EKG des Patienten. Die Röntgenaufnahme des Thorax ist unauffällig.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
15.2
Was ist bei diesem Patienten die wahrscheinlichste Ursache des akuten
Ereignisses?
15.3
Machen Sie einen Therapievorschlag und begründen Sie ihn!
Antworten und Kommentar Seite 180
Fall 16
49-jähriger Patient mit retrosternalem Druckgefühl
Ein 49-jähriger Gärtner stellt sich erstmalig in
Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Der Grund seines Kommens ist ein retrosternales Druckgefühl, welches seit einigen Tagen bei der Arbeit
16.1
auftrete, mehrere Minuten anhalte und nach
einer kurzen Arbeitspause (schmerzbedingt)
wieder verschwinde.
Welches Symptom weist der Patient auf?
Fall
16
17
16.2
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
16.3
Nennen Sie diagnostische Maßnahmen in der Reihenfolge des praktischen
Vorgehens und geben Sie jeweils einen für Ihre Verdachtsdiagnose typischen Befund
an!
16.4
Nennen Sie mindestens 6 Abbruchkriterien des Belastungs-EKGs!
Antworten und Kommentar Seite 183
Fall 17
21-jährige Patientin mit Luftnot, Schwindel sowie Kribbeln in den Fingern
Fall
17
18
Am späten Samstagabend kommt eine 21-jährige Patientin wegen Luftnot, Schwindel sowie
Kribbeln und Krämpfen in den Fingern zu Ihnen
in die Notaufnahme. Die Symptomatik sei akut
in einer Diskothek aufgetreten. Bei den Fingerkrämpfen sei der Daumen beidseits zur Handfläche hingezogen worden. Vorerkrankungen
sind nicht bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung der unruhigen Patientin (Größe
176 cm, Gewicht 55 kg, guter Allgemeinzustand) auskultieren Sie über beiden Lungen ein
vesikuläres Atemgeräusch. Die Atemfrequenz
beträgt 29/min. Das Herz schlägt rhythmisch,
die Herztöne sind rein. Die Herzfrequenz beträgt 96/min. Der übrige körperliche Untersuchungsbefund ist unauffällig. Die Blutgasanaly-
se (BGA) ergibt folgenden Befund: pH 7,62, pO2
97,8 mmHg, pCO2 28,6 mmHg, HCO3- 15 mmol/l,
Sauerstoffsättigung 99%. Gleichzeitig mit dieser
Patientin kommt eine 17-jährige Patientin mit
bekannter Anorexia nervosa in die Notaufnahme. Sie habe in den vergangenen Tagen mehrfach erbrechen müssen. Da sie sich „aufgeschwemmt“ fühlte, habe sie täglich 3 Tabletten
Furosemid aus dem Bestand ihres Großvaters
zu sich genommen. Der Allgemeinzustand der
Patientin ist reduziert (Größe 167 cm, Gewicht
43 kg). Haut und Schleimhäute sind trocken. Die
BGA zeigt folgenden Befund: pH 7,53, pO2
99,1 mmHg, pCO2 51 mmHg, HCO3- 39 mmol/l,
Sauerstoffsättigung 99%.
17.1
Wie interpretieren Sie die Blutgasanalyse bei der 21-Jährigen?
17.2
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose bei dieser Patientin?
17.3
Nennen Sie mindestens 2 Ursachen für die Symptomatik der 17-Jährigen!
17.4
Welche anderen Erkrankungen oder Umstände führen zu einer ähnlichen
Befundkonstellation in der Blutgasanalyse wie bei der 21-Jährigen?
17.5
Welche anderen Erkrankungen oder Umstände führen zu einer ähnlichen
Befundkonstellation in der Blutgasanalyse wie bei der 17-Jährigen?
17.6
Machen Sie einen Therapievorschlag für die 21-Jährige!
Antworten und Kommentar Seite 185
Fall 18
36-jährige Patientin mit Bauchschmerzen
Eine 36-jährige Patientin stellt sich wegen rezidivierender Bauchschmerzen, die wechselnd
links, rechts oder beidseits lokalisiert sind, in
Ihrer internistischen Praxis vor. Bei der Sonographie des Abdomens finden sich vergrößerte
Nieren sowie multiple, unterschiedlich große
Zysten in beiden Nieren (Abb. 18.1) und in der
Leber.
Fall
Abb. 18.1 Multiple, unterschiedlich große Zysten in der
vergrößerten Niere
18
19
!!!
18.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
18.2
Welche zystischen Nierenerkrankungen kennen Sie?
18.3
Wie sind die einzelnen Formen prognostisch zu bewerten?
18.4
Was sind Markschwammnieren?
Antworten und Kommentar Seite 187
!!!
Fall 19
29-jährige Patientin mit Schwellung des rechten Beins
Fall
19
20
Eine 29-jährige Patientin kommt mit einer akut
aufgetretenen Schwellung des rechten Beins zu
Ihnen in die Notaufnahme. Sie berichtet, die
Symptomatik sei ähnlich wie bei einer Beinvenenthrombose des linken Beins vor 3 Jahren.
Die weitere Anamnese ergibt, dass im Urlaub
ein Jahr zuvor eine vorübergehende Lähmung
der linken Körperhälfte aufgetreten sei, welche
die Ärzte in Spanien auf einen „Schlaganfall“ zurückgeführt hätten. Außerdem gibt die Patientin an, dass sie schon 2 Fehlgeburten gehabt
hätte. Bei der klinischen Untersuchung finden
sich eine Schwellung des rechten Ober- und Unterschenkels mit Umfangsdifferenz zur Gegenseite sowie eine Livedo reticularis. Unter den
Laborbefunden fallen eine Thrombopenie von
33 000/µl und eine Verlängerung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) auf
63 Sekunden auf. Die Farbduplexsonographie
(Abb. 19.1) bestätigt Ihre Verdachtsdiagnose
einer tiefen Beinvenenthrombose der V. femoralis.
Abb. 19.1 Farbduplexsonographischer Befund bei
Thrombose der V. femoralis: Lumenaufweitung, Strukturbesatz, fehlender Dopplerfluss und mangelnde Komprimierbarkeit der Vene beweisen die Thrombose
(AF = Arteria femoralis, VF = Vena femoralis).
19.1
Welche Ursache einer Phlebothrombose sollte bei der Patientin vorrangig
abgeklärt werden? Begründen Sie Ihre Vermutung!
19.2
Welche zwei Untersuchungen müssen Sie zum Ausschluss oder Beweis
dieser Diagnose noch veranlassen?
19.3
Machen Sie einen Vorschlag zur Behandlung der Patientin!
19.4
Welche therapeutischen Möglichkeiten kommen in Betracht, wenn trotz
dieser Therapie weiterhin schwere thrombembolische Ereignisse auftreten?
Antworten und Kommentar Seite 188
Fall 20
76-jährige Patientin mit Verstopfung
Eine 76-jährige Patientin stellt sich wegen chronischer Verstopfung in Ihrer hausärztlichen
Praxis vor. Die Stuhlfrequenz betrage ca. 1 – 2
Stuhlentleerungen pro Woche. Die Beschwerden bestehen seit ca. 1 Jahr. Der Stuhl sei ver-
20.1
härtet und die Darmentleerung gelinge nur mit
größter Anstrengung. Eine Blutauflagerung auf
dem Stuhl habe sie nicht beobachtet, allerdings
sehe sie auch sehr schlecht.
Welche Ursachen (mindestens 4) einer Obstipation kennen Sie?
Fall
20
21
20.2
Welche Untersuchungen (mindestens 4, in der Reihenfolge des praktischen
Vorgehens) sind zur Abklärung einer chronischen Obstipation sinnvoll?
20.3
Wie kann eine funktionelle Obstipation behandelt werden?
Antworten und Kommentar Seite 190
Fall 21
67-jähriger Patient mit Belastungsdyspnö
Fall
21
22
Ein 67-jähriger Mann stellt sich wegen einer
seit Jahren bestehenden, allmählich zunehmenden Luftnot in Ihrer hausärztlichen Praxis
vor. Die Luftnot bestehe vor allem bei körperlicher Anstrengung. Zudem trete immer wieder
produktiver Husten auf. Der Patient raucht seit
dem 18. Lebensjahr ca. 20 Zigaretten pro Tag.
Bei der körperlichen Untersuchung des Patienten (Größe 171 cm, Gewicht 104 kg) fällt eine
Lippenzyanose auf. Sie auskultieren ein leises
vesikuläres Atemgeräusch bei verlängertem Exspirium. Der Klopfschall über beiden Lungen ist
hypersonor. Die Blutgasanalyse zeigt folgendes
Resultat: pO2 62 mmHg, pCO2 49 mmHg, pH
7,42, Sauerstoffsättigung 91%. Das Ergebnis der
Laboruntersuchung lautet Hb 17,4 g/dl, Leukozyten 12 000/µl, Thrombozyten 270 000/µl, übrige Parameter im Normbereich. Sie fertigen daraufhin zur weiteren Abklärung der Dyspnö ein
Röntgenbild des Thorax an (Abb. 21.1).
21.1
Abb. 21.1
Röntgen-Thorax p. a.
Wie lautet Ihre Diagnose?
21.2
Nennen Sie mindestens 3 Faktoren, die die Entstehung dieser
Erkrankung begünstigen!
21.3
Welchen Befund erwarten Sie bei der Lungenfunktionsanalyse? Welche
Parameter sind bei dieser Erkrankung verändert? Beschreiben Sie die Veränderungen!
Antworten und Kommentar Seite 191
Fall 22
34-jährige Patientin mit einer Hautrötung am Unterschenkel
Eine 34-jährige Patientin sucht Ihre hausärztliche Praxis wegen einer vor 4 Tagen aufgetretenen Hautrötung am linken Unterschenkel auf.
Sie sehen an der Außenseite des linken Unterschenkels etwa 5 cm oberhalb des Sprunggelenks ein kreisrundes Erythem mit einer zentralen Aufhellung und einem Durchmesser von et-
wa 6 cm. Die ringförmige Hautrötung habe sich
innerhalb der letzten Tage ausgedehnt. Weitere
Beschwerden gibt die Patientin nicht an. Sie sei
erst Anfang August, d. h. 2 Wochen zuvor, von
einem Wanderurlaub in den Bergen zurückgekehrt. Vorerkrankungen sind nicht bekannt.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose (begründen Sie diese!) und was ist die
Ursache der Erkrankung?
Fall
22.1
22
23
22.2
Welche Diagnostik schlagen Sie vor?
22.3
Welche Stadien der Erkrankung kennen Sie und wodurch sind diese
charakterisiert?
22.4
Machen Sie einen Behandlungsvorschlag!
Antworten und Kommentar Seite 192
Fall 23
19-jährige Patientin mit akuter Gesichtsschwellung und Luftnot
Sie werden als Notarzt zu einer 19-jährigen Patientin gerufen, bei der akut eine Schwellung
der Lippen, Augenlider, der Zunge und des Rachens aufgetreten ist und die zunehmend Luftnot bei der Inspiration verspürt. Abgesehen von
23.1
einer Urtikaria sind keine Vorerkrankungen bekannt. Bei der Auskultation hören Sie einen inspiratorischen Stridor. Bei der ersten Labordiagnostik im Krankenhaus zeigt sich eine deutliche
Verminderung des C4-Komplements.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
Fall
23
24
23.2
Welche zwei Formen der Erkrankung werden aufgrund der
unterschiedlichen Ätiologie unterschieden?
23.3
Machen Sie einen Vorschlag zur Therapie und Prophylaxe!
23.4
Welche diagnostische Maßnahme sollten Sie sofort, welche 2
diagnostischen Maßnahmen im Anschluss an die Therapie ergreifen?
Antworten und Kommentar Seite 194
Fall 24
53-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit und Gewichtszunahme
Der Blutdruck beträgt 160/95 mmHg. Abgesehen von Xanthelasmen ist der übrige Untersuchungsbefund unauffällig. Die Labordiagnostik (nüchtern) liefert folgende Ergebnisse: Glukose 137 mg/dl (Kontrolle 123 mg/dl), Kreatinin
1,2 mg/dl, GOT 14 U/l, Hb 14,1 g/dl, Leukozyten
8100/µl, Thrombozyten 212 000/ml, Cholesterin 298 mg/dl, Triglyceride 372 mg/dl, Harnsäure 9,1 mg/dl.
Fall
Eine 53-jährige Patientin stellt sich wegen seit
mehreren Monaten bestehender Abgeschlagenheit in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. In den
2 Jahren zuvor habe sie ständig an Gewicht zugenommen. Bisher hat die Patientin keinen Arzt
konsultiert. Sie ist alleinstehend und derzeit arbeitslos. Bei der körperlichen Untersuchung der
Patientin (Größe 168 cm, Gewicht 112 kg, guter
Allgemeinzustand) auskultieren Sie ein 2/6Systolikum über der Aorta ohne Fortleitung.
24.1
Welche Diagnosen stellen Sie und unter welchem Sammelbegriff lassen sich
diese zusammenfassen?
24.2
Welche weiteren Untersuchungen (mindestens 5, in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) schlagen Sie vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
24.3
Wie sollte eine Diät für diese Patientin aussehen? Geben Sie konkrete
Empfehlungen (Kalorien, BE-Zahl etc.)!
24.4
Nennen Sie mindestens 3 endokrine Erkrankungen, welche die Entstehung
einer Adipositas begünstigen!
Antworten und Kommentar Seite 195
24
25
Fall 25
47-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit, Fieber und Nachtschweiß
Eine 47-jährige Patientin stellt sich wegen einer
seit 10 Tagen bestehenden Abgeschlagenheit,
Fieber und Nachtschweiß in Ihrer allgemeinmedizinischen Praxis vor. Bei der körperlichen Untersuchung fällt ein blasses Hautkolorit auf; die
Milz ist 2 Querfinger unter dem linken Rippenbogen zu tasten. Lymphknotenschwellungen
sind nicht nachzuweisen. Sie veranlassen ein
Fall
25.1
25
Blutbild und erhalten folgendes Resultat: Hämoglobin 7,6 g/dl, Leukozyten 8700/µl, Thrombozyten 52 000/µl. Im Differenzialblutbild sind
Myeloblasten nachweisbar. Die Röntgenuntersuchung des Thorax und der Urinstatus sind unauffällig. Die Abdomensonographie bestätigt
die klinisch vermutete Splenomegalie.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
26
25.2
Welche Untersuchung ist zur weiteren Abklärung vordringlich und welches
Ergebnis erwarten Sie?
25.3
An welche Therapieoption sollten Sie vor allem bei jüngeren Patienten
denken?
!!!
25.4
Bei welcher Erkrankung sind Auer-Stäbchen nachweisbar?
Antworten und Kommentar Seite 197
Fall 26
32-jährige Patientin mit progredienter Muskelschwäche
tonte Muskelschwäche auf. Zudem finden sich
ein periorbitales Ödem mit rötlich-livider Verfärbung der Augenlider und rötliche, teilweise
schuppende Papeln an den Handrücken. Die
Labordiagnostik zeigt folgende Befunde: BSG
43 mm n.W., CRP 34 mg/l, γ-Globuline 23,4%,
Creatinkinase (CK) 2567 U/l, CK-MB 27 U/l (ca.
1% der Gesamt-CK), C3-Komplement vermindert, antinukleäre Antikörper (ANA) 1: 1024,
Rheumafaktor negativ.
Fall
Eine 32-jährige Patientin stellt sich wegen einer seit 3 Monaten bestehenden progredienten
Muskelschwäche in Ihrer hausärztlichen Praxis
vor. Insbesondere das Aufstehen aus dem Sitzen
und Liegen, das Treppensteigen sowie das Heben der Arme sei zunehmend erschwert. Ein
wesentlicher Muskelschmerz bestehe nicht, jedoch seien immer wieder Schmerzen und
Schwellungen der Finger- und Handgelenke
aufgetreten. Bei der körperlichen Untersuchung
fällt vor allem eine symmetrische proximal be-
26
26.1
!!!
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
27
26.2 Welche Erkrankung tritt bei Patienten mit der Verdachtsdiagnose
überdurchschnittlich häufig auf und muss daher ausgeschlossen werden?
26.3
Welche weitere Diagnostik (mindestens 5 Untersuchungen, in der
Reihenfolge des praktischen Vorgehens) schlagen Sie vor? Begründen Sie Ihren
Vorschlag!
26.4
Wie wird die von Ihnen vermutete Erkrankung behandelt?
Antworten und Kommentar Seite 199
Fall 27
39-jähriger Patient mit diffusen Oberbauchschmerzen
Ein 39-jähriger Patient kommt mit diffusen
Schmerzen im Bereich des gesamten Oberbauchs mit Ausstrahlung in den Rücken zu Ihnen in die Notaufnahme. Zudem klagt der Patient über Übelkeit und erbricht einmalig. Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung fallen Ihnen ein Sklerenikterus sowie eine Klopfschalldämpfung
Fall
27
undeinabgeschwächtesAtemgeräuschüberden
basalen Abschnitten der rechten Lunge auf. Die
Darmgeräusche sind spärlich, die Bauchdecke ist
diffus gummiartig verspannt. Die Labordiagnostik zeigt folgende Befunde: Hb 11,2 g/dl, Leukozyten 16 000/µl, Thrombozyten 344 000/µl, CRP
59 mg/l, Bilirubin 3,7 mg/dl, Amylase 766 U/l.
Urinstatus unauffällig.
27.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
27.2
Nennen Sie mindestens 4 Ursachen der Erkrankung!
27.3
Welche Komplikationen (mindestens 5) der vermuteten Erkrankung kennen
28
Sie?
27.4
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Antworten und Kommentar Seite 201
Fall 28
81-jährige Patientin mit Brennen beim Wasserlassen
Eine 81-jährige Patientin kommt wegen eines
seit 4 Tagen bestehenden Brennens beim Wasserlassen in Ihre hausärztliche Praxis. Ähnliche
Beschwerden habe sie in letzter Zeit häufiger
verspürt. Sie vermuten einen Harnwegsinfekt
als Ursache der Beschwerden.
28.1
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 4) schlagen Sie vor?
Begründen Sie Ihren Vorschlag!
Fall
28
29
28.2
Ab welcher Keimzahl im Urin gehen Sie von einer Harnwegsinfektion aus?
28.3
Was tun Sie, wenn die Keimzahl erhöht ist, aber unter dem von Ihnen
angegebenen Grenzwert für eine gesicherte Harnwegsinfektion liegt?
28.4
Nennen Sie mindestens 5 prädisponierende Faktoren für eine
Harnwegsinfektion!
Antworten und Kommentar Seite 202
Fall 29
44-jährige Patientin mit Fieber, Arthralgien und Belastungsdyspnö
Eine 44-jährige Patientin kommt wegen seit
2 Wochen bestehenden intermittierenden Fiebers bis 39,5 ⬚C, Schüttelfrost, Arthralgien und
Luftnot bei leichter bis mittlerer Belastung in
Ihre allgemeinmedizinische Praxis. Bei der körperlichen Untersuchung fallen Ihnen beidseitige Unterschenkelödeme, Petechien sowie meh-
rere kleine druckschmerzhafte rote Knötchen
an den Zehen auf. Über dem Herzen auskultieren Sie ein 4/6-Systolikum mit Punctum maximum über der Mitralklappe mit Fortleitung in
die rechte Axilla. Abb. 29.1 zeigt die Röntgenaufnahme des Thorax.
Fall
29
30
a
b
Abb. 29.1
29.1
Röntgen-Thorax p.a. (a)
und seitlich (b)
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
29.2
Nennen Sie die 2 wichtigsten diagnostischen Maßnahmen in dieser
Situation!
!!!
29.3
Nennen Sie mindestens 4 Komplikationen dieses Krankheitsbildes!
29.4
Wie bezeichnet man die Hautknötchen der Patientin?
Antworten und Kommentar Seite 204
Fall 30
49-jährige Patientin mit innerer Unruhe, Herzklopfen und Gewichtsverlust
ne geringe Schwellung beider Lider mit beginnender Oberlidretraktion rechts und verstärkter
Tränensekretion auf. Die Schilddrüse scheint
mäßig homogen vergrößert ohne tastbare Knoten. Der Blutdruck beträgt 160/70 mmHg, die
Herzfrequenz 105/min. Der übrige kardiopulmonale Befund ist unauffällig. Im Bereich beider
Unterschenkel anterolateral fällt eine nichteindrückbare livide Verdickung der Haut mit leichter Hyperkeratose auf.
30.1
Stellen Sie eine möglichst genaue Verdachtsdiagnose! Begründen Sie Ihre
Entscheidung!
30.2
Welche Diagnostik (mindestens 5 Untersuchungen) schlagen Sie vor, um
die Verdachtsdiagnose zu sichern? Welche Befunde erwarten Sie?
30.3
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Unter welchen Umständen kommen
die einzelnen Verfahren bevorzugt zum Einsatz?
Antworten und Kommentar Seite 206
Fall
Eine 49-jährige Patientin stellt sich wegen einer
seit mehreren Wochen zunehmenden inneren
Unruhe, Nervosität und Herzklopfen in Ihrer
hausärztlichen Praxis vor. Zudem schlafe sie
schlecht. Trotz guten Appetits habe sie 4 kg Gewicht verloren. Neu sei auch eine Schwellungsneigung der Augäpfel und Augenlider sowie eine
zunehmende Lichtempfindlichkeit der Augen.
Bei der körperlichen Untersuchung fallen Ihnen
die leicht gerötete und überwärmte Haut und ei-
30
31
Fall 31
47-jähriger Patient mit Müdigkeit und Einschlafneigung
Ein 47 Jahre alter Fernfahrer kommt wegen
ständiger Müdigkeit und Neigung zum Einschlafen am Tage während der Arbeit in Ihre
hausärztliche Praxis. Zweimal habe er einen
Verkehrsunfall nur mit Mühe vermeiden können. Der Nachtschlaf sei nicht erholsam. Seine
Frau klage oft darüber, dass er sehr laut schnar-
che. An Vorerkrankungen sind eine Hypercholesterinämie und eine arterielle Hypertonie bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung des
Patienten (Größe 176 cm, Gewicht 102 kg) messen Sie einen Blutdruck von 170/105 mmHg. Der
übrige körperliche Untersuchungsbefund ist
unauffällig.
Fall
31.1
Stellen Sie eine Verdachtsdiagnose!
31.2
Erklären Sie in Stichworten kurz den Pathomechanismus der Erkrankung!
31
32
31.3
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 5, in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) schlagen Sie zur weiteren Abklärung vor?
31.4
Wie kann die vermutete Erkrankung behandelt werden?
Antworten und Kommentar Seite 207
Fall 32
31-jähriger Patient mit Flankenschmerz
Fall
Ein 31-jähriger Patient kommt wegen stärkster
Schmerzen in der linken Flanke zu Ihnen in die
Notaufnahme. Der Schmerz habe akut vor
1 Stunde begonnen und seither an Intensität
zugenommen. Er strahle in das Genitale aus;
zudem bestehen Übelkeit und Harndrang. Sie
führen eine Abdomensonographie durch und
finden außer einer Dilatation von Ureter, Kelchen und Pyelon der linken Niere (Abb. 32.1)
keine weiteren Auffälligkeiten.
32
Abb. 32.1 Abdomensonogramm: ausgeprägte Dilatation von Kelchen, Pyelon (P) und Ureter (U) mit Rarefizierung des Nierenparenchyms (N). M = Milz.
32.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und welche 5 Erstmaßnahmen
ergreifen Sie?
32.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 5) schlagen Sie zur
Abklärung der Ursache vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
32.3
Welche Ratschläge (mindestens 2) geben Sie dem Patienten bzgl. der
Prävention eines solchen Schmerzereignisses?
Antworten und Kommentar Seite 209
33
Fall 33
39-jährige Patientin mit Anämie
Eine 39 Jahre alte Patientin wird zur Abklärung
einer Anämie vom Hausarzt in Ihre internistische Praxis überwiesen. Das von der Patientin
33.1
mitgebrachte kleine Blutbild zeigt folgende Befunde: Hb 8,5 g/dl, MCV 75 fl, Leukozyten
7800/µl, Thrombozyten 190 000/µl.
Nennen Sie 3 Ursachen einer mikrozytären Anämie!
Fall
33
34
33.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 6, in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) schlagen Sie vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
33.3
Nennen Sie mindestens 6 Ursachen einer Eisenmangelanämie!
Antworten und Kommentar Seite 211
Fall 34
26-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit und intermittierendem Fieber
stärker ausgeprägt. Bei der Auskultation der
Lunge ist das Atemgeräusch rechts basal und lateral abgeschwächt, zudem besteht dort eine
Klopfschalldämpfung. Die Labordiagnostik ergibt die folgenden pathologischen Befunde:
BSG 70 mm n.W., CRP 39 mg/l, Hb 11,2 g/dl, Leukozyten 2800/µl, Thrombozyten 175 000/µl,
Kreatinin 1,8 mg/dl, Harnstoff 56 mg/dl, Rheumafaktor negativ, antinukleäre Antikörper
1 : 2048, ANCA negativ, anti-ds-DNA-Antikörper positiv. Im Urinstatus Erythrozyten und
Protein deutlich positiv, Leukozyten und Nitrit
negativ.
Fall
Eine 26-jährige Patientin stellt sich wegen seit
Wochen bestehender Abgeschlagenheit, nächtlicher Schweißausbrüche und intermittierenden Fiebers in Ihrer allgemeinmedizinischen
Praxis vor. Zudem habe sie ungewollt 4 kg Gewicht verloren. Eine 2-wöchige antibiotische
Behandlung mit Doxycyclin habe die Beschwerden nicht gebessert. Bei der körperlichen Untersuchung finden sich schmerzhafte Schwellungen der Metakarpal- und proximalen Interphalangealgelenke und ein Gesichtserythem mit
Betonung der Wangen. Dieses Erythem bestehe
schon seit einigen Jahren und sei im Sommer
34
35
34.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
34.2
Welche typischen Manifestationen der Erkrankung liegen bei der Patientin
wahrscheinlich vor?
34.3
Welche weiteren Manifestationen sind für diese Erkrankung typisch?
34.4
Welche Therapieverfahren zur Behandlung dieser Erkrankung kennen Sie?
Antworten und Kommentar Seite 212
Fall 35
67-jähriger Patient mit Schmerzen im linken Bein
Ein 67-jähriger Patient kommt wegen Schmerzen in der linken Wade in Ihre hausärztliche
Praxis. Die Schmerzen treten immer nach einer
Gehstrecke von ca. 150 m auf und verschwinden, wenn er stehen bleibt. Sie bestehen seit ca.
6 Monaten und sind in dieser Zeit stärker geworden. Ein Ruheschmerz besteht nicht. An
Vorerkrankungen sind eine arterielle Hypertonie und ein Diabetes mellitus Typ II bekannt.
Der Patient raucht seit etwa 50 Jahren eine
Schachtel Zigaretten pro Tag. Bei der körperlichen Untersuchung fällt ein leises Strömungsgeräusch über beiden Leisten auf. Die Pulse der
Aa. femoralis sind beidseits zu tasten. Die Pulse
der A. poplitea, A. tibialis anterior und A. dorsalis pedis sind auf der rechten Seite zu tasten,
links jedoch nicht. Die Knie- und Sprunggelenke sind frei beweglich und nicht geschwollen.
Fall
35
35.1 Stellen Sie eine möglichst präzise Verdachtsdiagnose und geben Sie das
klinische Krankheitsstadium an!
36
35.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 6, in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) schlagen Sie zur Abklärung vor? Begründen Sie Ihren
Vorschlag!
35.3
Welche Therapieverfahren sollten in den einzelnen Krankheitsstadien
bevorzugt eingesetzt werden?
!!!
35.4
Was muss bei der Interpretation einer Doppler-Druckmessung bei dem
oben beschriebenen Patienten berücksichtigt werden?
Antworten und Kommentar Seite 214
Fall 36
61-jährige Patientin mit Ikterus
Eine 61-jährige Patientin wird zur Abklärung
eines Ikterus vom Hausarzt zu Ihnen in die Klinik überwiesen. Die vom Hausarzt mitgegebenen Laborbefunde zeigen eine Erhöhung des direkten Bilirubins im Serum und eine vermehrte
Bilirubinausscheidung im Urin. Alkalische
Phosphatase, γ-GT und LAP sind auf mehr als
das 10fache der Norm erhöht. GOT und GPT sind
etwa auf das Doppelte der Norm erhöht. Hämoglobin, Leukozyten und Differenzialblutbild
sind unauffällig. Das indirekte Bilirubin und das
Urobilinogen im Urin sind nicht pathologisch
verändert. Der Stuhlgang der Patientin ist hell.
Welche 3 Formen des Ikterus kennen Sie und wodurch entstehen diese?
Welche Form liegt bei der Patientin vor?
Fall
36.1
36
37
36.2
Welche Befundkonstellation würden Sie bei den anderen beiden Formen
des Ikterus erwarten?
36.3
Welche ergänzenden diagnostischen Maßnahmen (mindestens 2) schlagen
Sie bei der Patientin vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag! Welche Befunde erwarten
Sie?
!!!
36.4
Welche Erkrankungen mit einer hereditären hepatischen Hyperbilirubinämie kennen Sie?
Antworten und Kommentar Seite 216
Fall 37
Erstuntersuchung bei 49-jährigem Typ-I-Diabetiker
Ein 49-jähriger Patient mit einem seit dem
9. Lebensjahr bekannten Diabetes mellitus Typ I
stellt sich erstmalig in Ihrer hausärztlichen Praxis vor.
37.1
Welche 2 diagnostischen Maßnahmen ergreifen Sie, um die Einstellung des
Diabetes mellitus bei diesem Patienten zu überprüfen? Nennen Sie Zielwerte, die Sie
mit Ihrer Therapie anstreben werden!
Fall
37
38
37.2
Welche 3 weiteren diagnostischen Maßnahmen führen Sie bei diesem
Patienten durch?
37.3
Welche Folgekomplikationen des Diabetes mellitus kennen Sie? Wie stellen
Sie fest, ob diese bei o. g. Patienten vorliegen? Nennen Sie zu jeder Komplikation
mindestens 1 Untersuchung!
37.4
Wie wird der Diabetes mellitus Typ I behandelt?
Antworten und Kommentar Seite 218
Fall 38
34-jährige Patientin mit Polydipsie und Polyurie
Eine 34-jährige Patientin kommt wegen eines
seit mehreren Monaten zunehmenden Durstgefühls in Ihre allgemeinmedizinische Praxis.
Sie müsse ständig große Mengen Flüssigkeit
zu sich nehmen. Zudem lasse sie tags und
nachts häufig und viel Wasser. Des Weiteren
klagt die Patientin über Schlafstörungen und eine zunehmende Nervosität. Die Labordiagnos-
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Begründen Sie Ihre Vermutung!
Fall
38.1
tik zeigt folgende Ergebnisse: Glukose 82 mg/dl,
Kreatinin 1,0 mg/dl, Plasmaosmolarität erhöht
(410 mosmol/l), Urinosmolarität vermindert
(240 mosmol/l). Nach nächtlicher Flüssigkeitskarenz erfolgt eine zweite Bestimmung der
Plasma- und Urinosmolarität, die Werte sind jedoch annähernd unverändert.
38
39
38.2
Welche 2 Erkrankungsformen kennen Sie? Beschreiben Sie ihre
Pathogenese und nennen Sie typische Ursachen!
38.3
Wie kann man die beiden Erkrankungsformen unterscheiden?
38.4
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Antworten und Kommentar Seite 221
Fall 39
19-jähriger Patient mit Thoraxschmerz und Atemnot
Fall
Ein 19-jähriger Patient kommt wegen akuter
rechtsthorakaler Schmerzen mit geringer
Atemnot in Ihre hausärztliche Praxis. Schmerz
und Atemnot seien gleichzeitig und plötzlich
aufgetreten, der Schmerz sei stechend und verstärke sich bei tiefer Einatmung. Derartige Beschwerden seien noch nie zuvor aufgetreten.
Bei der Auskultation der Lunge fällt Ihnen auf,
dass das Atemgeräusch über der rechten Lunge
abgeschwächt ist. Die Herzfrequenz beträgt
110/min, die Herzaktion ist rhythmisch, der
Blutdruck beträgt 160/80 mmHg. Der Auskultationsbefund über dem Herzen sowie die übrige
körperliche Untersuchung sind unauffällig. Sie
fertigen ein Röntgenbild des Thorax an
(Abb. 39.1).
39
40
Abb. 39.1
39.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
39.2
Nennen Sie die Ursachen für diesen Befund!
Röntgen-Thorax p.a.
39.3
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es in Abhängigkeit von der
Ausprägung des Befundes?
!!!
39.4
Worauf ist bei Anfertigung der Thorax-Röntgenaufnahme zu achten,
wenn Verdacht auf oben genannten Befund besteht?
Antworten und Kommentar Seite 222
Fall 40
31-jährige Patientin mit Herzrasen
Fall
Eine 31-jährige Patientin stellt sich wegen rezidivierender kürzerer Episoden von Herzrasen
erstmalig in Ihrer allgemeinmedizinischen Praxis vor. Das Herzrasen trete unabhängig von
körperlicher Belastung auf, halte wenige Sekunden bis zu mehreren Minuten an und ende
spontan. Sonst sei sie beschwerdefrei. Eine regelmäßige Medikamenteneinnahme besteht
nicht. Der körperliche Untersuchungsbefund ist
unauffällig. Die Herzfrequenz beträgt 79/min,
der Blutdruck 120/70 mmHg. Sie fertigen ein
EKG an (Abb. 40.1).
40
41
Abb. 40.1 EKG (Extremitätenableitungen I-aVF, Brustwandableitungen V1 und V6) 왘
40.1
Befunden Sie das EKG und stellen Sie eine Verdachtsdiagnose!
40.2
Nennen Sie die 2 wahrscheinlichsten Ursachen der Tachykardie bei dieser
Erkrankung sowie die Mechanismen, die zur Entstehung der Tachykardie führen!
40.3 Welche anderen tachykarden Herzrhythmusstörungen kennen Sie?
Begründen Sie anhand des jeweils typischen EKG-Befundes, warum diese
Differenzialdiagnosen in dem hier beschriebenen Fall nicht zutreffen!
40.4
Was ist die medikamentöse Therapie der Wahl bei anhaltender Tachykardie
im Rahmen der vermuteten Erkrankung? Welche Medikamente sind kontraindiziert?
40.5
Was ist heute die Standardtherapie bei rezidivierenden Tachykardien im
Rahmen dieser Erkrankung?
Antworten und Kommentar Seite 224
Fall 41
46-jährige Patientin mit Bauchschmerzen und Verstopfung
Fall
41
42
Eine 46-jährige Patientin wird zur Abklärung
seit 5 Monaten bestehender rezidivierender
Bauchschmerzen vom Hausarzt zu Ihnen in die
Klinik überwiesen. Die Patientin berichtet, sie
neige seit Beginn der Bauchschmerzen zu Verstopfung und der Stuhl sei eher fest. Gelegentlich sei der Stuhl aber auch ungeformt und die
Darmentleerung gehäuft. Die Schmerzen seien
vor allem im Unterbauch lokalisiert, träten gehäuft ca. 1 – 2 Stunden nach dem Essen auf und
ließen nach einer „erfolgreichen“ Darmentleerung nach. Die körperliche Untersuchung ein-
schließlich rektaler Austastung ergibt keinen
pathologischen Befund. Die Labordiagnostik
(inkl. Blutbild, BSG, Hämoccult-Test und Urinstatus) zeigt keine Auffälligkeiten. Die Abdomensonographie und Gastroskopie mit tiefer
Duodenal-PE sind ebenfalls unauffällig. Sie führen daraufhin eine Koloskopie durch, die keinen
pathologischen Befund vom Rektum bis zum
terminalen Ileum zeigt. Stuhlkulturen und ein
Laktose-H2-Atemtest sind unauffällig. Eine
fachgynäkologische Untersuchung zeigte keinen pathologischen Befund.
41.1
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
41.2
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
41.3
Wie ist die Prognose der vermuteten Erkrankung?
Antworten und Kommentar Seite 226
Fall 42
37-jähriger Patient mit Fieber und Nackensteifigkeit
Ein 37-jähriger Patient stellt sich im Juni wegen
eines am Vortag aufgetretenen Fiebers in Ihrer
hausärztlichen Praxis vor. Vor 1 Woche sei ein
erster Fieberschub mit Glieder- und Kopfschmerzen aufgetreten. Heute fühle er sich zudem ständig müde und benommen und sein
Nacken sei steif. 3 Tage vor Beginn der Symptome sei er von einem Wanderurlaub in Bayern
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und was ist die Ursache der Erkrankung?
Fall
42.1
zurückgekehrt. Auf Nachfrage gibt der Patient
an, während des Urlaubs zweimal von einer Zecke gebissen worden zu sein. Zeckenbisse bei
früheren Reisen oder Hauterscheinungen sind
ihm nicht erinnerlich. Die Meningismuszeichen
sind positiv. Die Körpertemperatur beträgt
39,1 ⬚C (rektale Messung). Die übrige körperliche Untersuchung ist unauffällig.
42
43
42.2 Welche andere durch Zecken übertragene Erkrankung mit z. T. ähnlicher
Symptomatik kennen Sie? Begründen Sie, weshalb diese Erkrankung bei diesem
Patienten höchstwahrscheinlich nicht vorliegt!
42.3
Nennen Sie mindestens 3 Meningismuszeichen!
42.4
Unter welchen Umständen ist eine Impfung zur Prophylaxe sinnvoll?
Antworten und Kommentar Seite 228
Fall 43
67-jähriger Patient mit Abgeschlagenheit
Ein 67-jähriger Patient stellt sich aufgrund allgemeiner Abgeschlagenheit in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Bei der körperlichen Untersuchung fällt eine ausgeprägte Hepatosplenomegalie auf. Das Blutbild zeigt folgendes Resultat:
Hämoglobin 9,4 g/dl, Leukozyten 2000/µl, Neutrophile 900/µl, Thrombozyten 102 000/µl. Bei
der mikroskopischen Untersuchung des Blutausstrichs sehen Sie kleine lymphoide Zellen
mit einem breiten Zytoplasmasaum, der kleine
haarförmige Ausläufer aufweist.
Mittels zytochemischer Untersuchung lässt sich
saure Phosphatase nachweisen, auch noch nach
Zusatz von Tartrat.
Fall
43.1
Welche Erkrankung liegt vor?
43.2
In welche Gruppe von Erkrankungen würden Sie die Erkrankung einordnen?
43.3
Welche Erkrankungen kommen differenzialdiagnostisch noch in Betracht?
43.4
Wie wird die Erkrankung typischerweise behandelt?
43
44
Antworten und Kommentar Seite 229
Fall 44
36-jährige Patientin mit Mundtrockenheit und Gelenkschmerzen
44.1
te Karies, Fissuren im Bereich der Zunge sowie
eine auffällig trockene Mundschleimhaut. Die
erste Labordiagnostik zeigt folgende auffällige
Befunde: BSG 43 mm n.W., CRP 32 mg/l, antinukleäre Antikörper (ANA) 1 : 1024, C3-Komplement und C4-Komplement vermindert, breitbasige Hypergammaglobulinämie (21,2%). Eine
Sputumdiagnostik ist wegen fehlender Sputumproduktion nicht möglich. Die Befunde der
Thorax-Röntgenaufnahme und einer Breischluck-Untersuchung des Ösophagus sind unauffällig.
Welche Erkrankung könnte bei der Patientin vorliegen?
44.2
Nennen Sie eine einfache Untersuchungstechnik zur Objektivierung der
verminderten Tränenproduktion!
44.3
Welche 3 weiteren diagnostischen Maßnahmen können zur weiteren
Abklärung durchgeführt werden?
!!!
44.4 Welche weiteren Autoantikörper sind für die vermutete Erkrankung
besonders typisch?
44.5
Wie kann die Erkrankung behandelt werden?
Antworten und Kommentar Seite 232
Fall
Eine 36-jährige Patientin stellt sich wegen seit
12 Monaten zunehmender Mundtrockenheit,
eines Fremdkörpergefühls in beiden Augen, allgemeiner Abgeschlagenheit sowie Gelenkschmerzen in Ihrer allgemeinmedizinischen
Praxis vor. Zu den Mahlzeiten müsse sie vermehrt Wasser trinken, um überhaupt Nahrung
zu sich nehmen zu können. Seit einigen Wochen bestehe zudem ein nichtproduktiver Reizhusten. Bei der körperlichen Untersuchung finden sich eine konjunktivale Injektion beidseits
mit trockener Bindehaut sowie eine ausgepräg-
44
45
Fall 45
39-jähriger Patient mit Schüttelfrost, Husten und Auswurf
Ein 39-jähriger Patient stellt sich wegen Schüttelfrost, Husten und gelblich gefärbtem Auswurf in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Weitere
Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Bei der
Auskultation der Lungen hören Sie ohrnahe
klingende Rasselgeräusche über dem rechten
45.1
Lungenunterfeld dorsal. Der Blutdruck beträgt
140/75 mmHg, die Herzfrequenz 87/min, die
Körpertemperatur 39,6 ⬚C. Der übrige körperliche Untersuchungsbefund einschließlich der
Auskultation des Herzens ist unauffällig.
Fall
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
45
46
45.2 Welche 4 weiteren Untersuchungen würden Sie bei diesem Patienten
durchführen? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
45.3
Was ist der häufigste „Auslöser“ der vermuteten Erkrankung?
45.4
Machen Sie einen Therapievorschlag!
Antworten und Kommentar Seite 234
Fall 46
77-jährige Patientin mit zunehmender Luftnot
schnitten beidseits sowie ein Galopprhythmus
auf. Der Blutdruck beträgt 170/100 mmHg. Das
Pulsoxymeter zeigt eine Sauerstoffsättigung
von 81%. Abb. 46.1 zeigt einen Ausdruck des 1Kanal-EKG-Monitors.
Abb. 46.1
EKG
46.1
Was ist die wahrscheinlichste Ursache der Dyspnö? Begründen Sie Ihre
Entscheidung!
46.2
Welche Maßnahmen (mindestens 4, in der Reihenfolge des praktischen
Vorgehens) ergreifen Sie akut? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
46.3 Nennen Sie die weltweit gebräuchliche klinische Stadieneinteilung dieses
Krankheitszustandes! Welches Stadium liegt bei der Patientin vor?
Antworten und Kommentar Seite 236
Fall
Eine 77-jährige Patientin ruft Sie, den Notarzt,
wegen seit mehreren Stunden bestehender und
zunehmender Luftnot. Schmerzen gibt sie nicht
an. Aus der Vorgeschichte sind eine arterielle
Hypertonie und ein Myokardinfarkt bekannt.
Sie sehen eine Patientin mit deutlicher Ruhedyspnö und Zyanose. Bei der körperlichen Untersuchung im Sitzen – die Rückenlage toleriert
die Patientin nicht – fallen Ihnen Rasselgeräusche über den basalen und mittleren Lungenab-
46
47
Fall 47
69-jähriger Patient mit reduzierter Belastbarkeit
Ein 69-jähriger Patient stellt sich zum alljährlichen „Routinecheck“ in Ihrer hausärztlichen
Praxis vor. Er gibt an, dass wesentliche Beschwerden im vergangenen Jahr nicht aufgetreten seien, jedoch habe die allgemeine Belastbarkeit abgenommen. Die körperliche Untersuchung ergibt, abgesehen von einer reduzierten Vibrationsempfindung im Stimmgabeltest
Fall
47
47.1
(3/8 beidseits) an beiden Fußknöcheln, keinen
pathologischen Befund. Die Abdomensonographie und das EKG sind unauffällig. Die Routinelaboruntersuchung liefert folgendes Ergebnis: Kreatinin 0,8 mg/dl, Kalium 4,2 mmol/l,
Hb 10,1 g/dl, MCV 108 fl, MCH 36 pg, Leukozyten 5400/µl, Thrombozyten 210 000/µl, CRP
⬍ 5 mg/l, GOT 12 U/l, CK 14 U/l, INR 1,1, PTT 25 s.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
48
47.2
Nennen Sie die 2 „Auslöser“ einer makrozytären Anämie und deren
Ursachen!
47.3
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 4, in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) veranlassen Sie zur Sicherung Ihrer Verdachtsdiagnose und
zum Ausschluss der Differenzialdiagnosen?
47.4
Beschreiben Sie den Ablauf des Schilling-Tests und nennen Sie mögliche
Resultate!
Antworten und Kommentar Seite 237
Fall 48
74-jähriger Patient mit Verstopfung
Ein 74-jähriger Patient wird von seinem Hausarzt wegen seit Monaten zunehmender Neigung zu Verstopfung in Ihre internistische Fachpraxis überwiesen. Die vom Patienten mitgebrachten Befunde zeigen, dass eine mikrozytäre
Anämie besteht und Blut im Stuhl ist (positiver
Hämoccult-Test). Bei der Koloskopie finden Sie
bei 10 cm ab ano im mittleren Rektumdrittel einen exulzerierten Tumor, der mit dem Koloskop
kaum zu passieren ist. Die histologische Untersuchung von Biopsaten ergibt den Befund eines
Adenokarzinoms.
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 4, in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) schlagen Sie zum Tumorstaging und zur Komplettierung der
Diagnostik vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
Fall
48.1
48
49
48.2
In welchen Organen erwarten Sie zuerst Fernmetastasen?
48.3
Welche Wege der lymphogenen Metastasierung sind bei einem
Rektumkarzinom zu erwarten? Welchen lymphogenen Metastasierungsweg erwarten
Sie bei diesem Patienten?
48.4
Das Staging ergibt ein Tumorstadium T3N0M0 (= UICC II oder Dukes B).
Machen Sie einen Therapievorschlag!
Antworten und Kommentar Seite 239
Fall 49
68-jähriger Patient mit Schmerzen im rechten Bein
Fall
49
50
Ein 68-jähriger Patient stellt sich mit akuten
starken Schmerzen im rechten Bein bei Ihnen in
der Notaufnahme vor. Die Schmerzen seien
plötzlich im Liegen aufgetreten und gingen mit
einem Kältegefühl einher. Er könne das Bein
kaum bewegen. Abgesehen von gelegentlichem
„Herzstolpern“ gibt der Patient keine Beschwerden an. Medikamente nehme er keine
ein. Der Umfang des rechten Oberschenkels und
der Wade entspricht dem der Gegenseite, jedoch ist das rechte Bein distal des Oberrandes
der Patella kalt und blass. Die Pulse der A. poplitea, A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior
sind nicht zu tasten. Die Notfall-Labordiagnostik zeigt folgendes Ergebnis: Hb 15,6 g/dl, Leukozyten 12 000/µl, Thrombozyten 213 000/µl.
Abb. 49.1 zeigt das EKG bei Aufnahme.
Abb. 49.1 EKG (Brustwandableitungen V1 – V6,
25 mm/s)
49.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
49.2
Nennen Sie die diagnostischen (mindestens 4) und therapeutischen
(mindestens 5) Maßnahmen, die in dieser Situation erforderlich sind! Begründen Sie
jede Maßnahme!
Nach einer primär erfolgreichen Therapie wird der Patient mit unfraktioniertem Heparin i. v. weiterbehandelt und weiter kardiologisch untersucht. Nach 9 Tagen tritt trotz wirksamer Heparinisierung eine Ischämie des rechten Beins und des linken Arms auf. Die PTT ist auf das Zweifache der
Norm verlängert, der INR-Wert beträgt 1,5, die Thrombozytenzahl 69 000/µl.
49.3
Welche Ursache vermuten Sie und welche 3 therapeutischen Maßnahmen
ergreifen Sie?
Antworten und Kommentar Seite 241
Fall 50
81-jährige Patientin mit Thoraxschmerzen
Eine 81-jährige, fast blinde Patientin stellt sich
in Ihrer hausärztlichen Praxis vor, da sie
Schmerzen in der linken Thoraxseite verspürt.
Die Schmerzen bestünden seit 2 Tagen ohne
Unterbrechung. Bei der körperlichen Untersuchung finden Sie an der linken Thoraxwand, etwa dem Verlauf der 8. und 9. Rippe folgend, teilweise konfluierende Erytheme, die z. T. mit
Fall
50.1
gruppiert stehenden Bläschen bedeckt sind. Der
kardiopulmonale Befund ist unauffällig. Der
Blutdruck beträgt 160/80 mmHg, die Herzfrequenz 80/min. Die Wirbelsäule ist frei beweglich und nicht klopfschmerzhaft. Das EKG zeigt
einen regelmäßigen Sinusrhythmus ohne Störungen der Erregungsausbreitung.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
50
51
50.2
Was ist die Ursache der Erkrankung?
50.3
Welche Rolle spielt die Antikörperdiagnostik bei dieser Erkrankung?
50.4
Wie wird die Erkrankung behandelt?
50.5
Nennen Sie mindestens 4 typische Komplikationen der Ersterkrankung!
Antworten und Kommentar Seite 242
Fall 51
24-jähriger Patient mit Durchfall
Ein 24-jähriger Patient stellt sich mit seit 4 Tagen bestehendem Durchfall in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Er berichtet über bis zu 10
Darmentleerungen pro Tag. Der Stuhl sei wäss-
rig, entfärbt und ungeformt. Vorerkrankungen
sind nicht bekannt. Der Patient nimmt keine
Medikamente ein.
51.1
Fall
Versuchen Sie, durch Befragung des Patienten die Zahl der in Frage
kommenden Ursachen zu reduzieren! An welche Ursachen denken Sie und wonach
fragen Sie?
51
52
51.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 2) sollten Sie bei einer
akuten Diarrhö durchführen? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
Antworten und Kommentar Seite 243
Fall 52
49-jährige Patientin mit Diabetes mellitus und Ödemen
Eine 49-jährige Patientin mit bekanntem Diabetes mellitus Typ I stellt sich zur Kontrolle ihrer Stoffwechsellage in Ihrer hausärztlichen
Praxis vor. Sie berichtet über neu aufgetretene
Beinödeme.
52.1
Welche 5 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie zur Abklärung der
Ödeme vor?
Fall
52
52.2
Welche weiteren 6 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie der
Patientin vor?
52.3
Welche Stadien der diabetischen Nephropathie kennen Sie? Nennen Sie
typische Befunde des jeweiligen Stadiums!
52.4 Welche 4 Maßnahmen ergreifen Sie bei einer manifesten diabetischen
Nephropathie?
52.5
Welche Substanzklassen sollten zur Behandlung einer arteriellen Hypertonie
bevorzugt eingesetzt werden, wenn gleichzeitig eine diabetische Nephropathie
vorliegt? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
Antworten und Kommentar Seite 245
53
Fall 53
26-jähriger Patient mit Bluthochdruck und Leistungsschwäche
Ein 26-jähriger Patient wird wegen einer schwer
einstellbaren arteriellen Hypertonie vom Hausarzt in Ihre internistische Fachpraxis überwiesen. Der Patient klagt zudem über eine allgemeine Leistungsschwäche. Unter Therapie mit einem Kalziumantagonisten messen Sie einen
Blutdruck von 175/115 mmHg. Bereits bei der
Begrüßung des Patienten fällt Ihnen auf, dass
sein rundes Gesicht aufgedunsen wirkt und er
adipös ist. Bei der körperlichen Untersuchung
des Patienten (Größe 179 cm, Gewicht 120 kg)
stellen Sie Folgendes fest: Es besteht eine Akne
der Gesichtshaut. Die Adipositas ist stammbetont; am Abdomen sowie an den Hüften finden
sich breite livide Streifen. Die mitgebrachten Laborwerte zeigen eine geringe Hyperglykämie
(Nüchternblutzucker 129 mg/dl) und ein grenzwertiges Serumkalium (3,5 mmol/l).
Fall
53
53.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
54
53.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 3) schlagen Sie zur
Sicherung der Verdachtsdiagnose vor? Welche Befunde erwarten Sie?
53.3
Durch welche dieser Untersuchungen lässt sich die vermutete Erkrankung
am sichersten ausschließen?
53.4
Nennen Sie mindestens 4 weitere Ursachen der sekundären Hypertonie!
Antworten und Kommentar Seite 246
Fall 54
27-Jähriger mit progredienter Fußheberschwäche und Abgeschlagenheit
54.1
Werte für GOT (244 U/l) und GPT (321 U/l) sowie eine Verminderung des C3- und C4-Komplements. Die telefonische Nachfrage beim
Hausarzt des Patienten ergibt, dass die Konzentration der Transaminasen bereits seit 1 Jahr
erhöht ist. Sie ordnen daraufhin eine Hepatitisserologie an. Das Ergebnis lautet: anti-HAV negativ, HbsAg negativ, anti-Hbc negativ, antiHCV positiv.
Fall
Ein 27-jähriger Patient stellt sich wegen einer
rasch progredienten Fußheberschwäche und
allgemeiner Abgeschlagenheit bei Ihnen in der
Notaufnahme vor. Der neurologische Konsiliarius stellt eine Schwerpunktneuropathie fest. Bei
der körperlichen Untersuchung stellen Sie bei
der Leberpalpation fest, dass diese vergrößert
und von fester Konsistenz ist. An den Unterschenkeln fällt Ihnen eine feinfleckige Purpura
auf. Die Labordiagnostik ergibt deutlich erhöhte
54
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
55
54.2
Welche Diagnostik schlagen Sie zur Sicherung Ihrer Verdachtsdiagnose vor?
54.3
Welche weiteren diagnostischen Maßnahmen (4, in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) schlagen Sie vor Einleitung einer Therapie vor? Begründen Sie
Ihren Vorschlag!
!!!
54.4
Wie wird eine chronische Hepatitis C behandelt?
54.5
Welche Ursache könnten die Schwerpunktneuropathie und die Purpura
haben?
Antworten und Kommentar Seite 248
Fall 55
29-jähriger Patient mit Kreuz- und Knieschmerzen
Ein 29-jähriger Patient stellt sich wegen seit
9 Monaten bestehender Kreuzschmerzen sowie
eines Steifigkeitsgefühls in Wirbelsäule, Brustkorb und Nacken in Ihrer hausärztlichen Praxis
vor. Die Schmerzen seien nachts und in den frühen Morgenstunden besonders stark und besserten sich etwas bei Bewegung. Sie strahlten
beidseitig in das Gesäß aus. Eine Kraftminderung oder ein Taubheitsgefühl besteht nicht.
Seit 2 Wochen seien Schmerzen und eine
Schwellung im linken Kniegelenk hinzugetreten. Bei der körperlichen Untersuchung finden
sich eine Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit, eine Verminderung der Thoraxexkursion sowie eine Schwellung des linken Kniegelenks. Die erste orientierende Labordiagnostik zeigt eine beschleunigte BSG (51 mm n.W.)
und ein erhöhtes CRP (47 mg/l).
Fall
55
55.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
56
55.2
Nennen Sie mindestens 3 klinische Funktionsprüfungen, die bei der
vermuteten Erkrankung typischerweise pathologisch ausfallen!
55.3
Welche weiteren diagnostischen Maßnahmen (4, in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) sind sinnvoll? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
55.4
Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es?
Antworten und Kommentar Seite 249
Fall 56
52-jährige Patientin mit Hyponatriämie
In der chirurgischen Klinik Ihres Hauses fällt bei
einer 52-jährigen Patientin im Rahmen einer
Laboruntersuchung eine Hyponatriämie (Serumnatrium 122 mmol/l) auf. Das Serumnatrium wird daraufhin nochmals kontrolliert,
56.1
das Ergebnis lautet 120 mmol/l. Sie als internistischer Konsiliarius werden gebeten, die Patientin zu untersuchen und eine Stellungnahme abzugeben. Weitere Informationen zu der Patientin liegen Ihnen bisher nicht vor.
Nennen Sie die 8 Pathomechanismen und die Ursachen der Hyponatriämie!
Fall
56
57
56.2
Welche Fragen stellen Sie der Patientin bzw. den behandelnden Ärzten,
um die Zahl der in Frage kommenden Ursachen der Hyponatriämie zu reduzieren?
56.3
Worauf achten Sie bei der klinischen Untersuchung, um die Zahl der in
Frage kommenden Ursachen der Hyponatriämie zu reduzieren?
56.4
Welche 2 weiteren diagnostischen Maßnahmen sind erforderlich, um die
Zahl der in Frage kommenden Ursachen der Hyponatriämie zu reduzieren?
Antworten und Kommentar Seite 251
Fall 57
51-jährige Patientin mit Schwäche des Arms sowie Belastungsdyspnö
Fall
Eine 51-jährige Patientin stellt sich wegen einer
vor 1 Stunde plötzlich aufgetretenen Schwäche
des linken Arms und Taubheitsgefühl in diesem
Arm bei Ihnen in der Notaufnahme vor. Zudem
leide sie seit Monaten bei mittlerer Belastung
unter Luftnot. Bei der Patientin ist eine dilatative Kardiomyopathie bekannt. Eine koronare
Herzerkrankung wurde kürzlich durch eine Koronarangiographie ausgeschlossen. Die Behandlung erfolgte zuletzt mit einem ACE-Hemmer und einem Diuretikum. Die Patientin ist
Nichtraucherin. Bei der körperlichen Untersuchung ist der Auskultationsbefund über den
Halsgefäßen unauffällig. Die Herzaktion ist arrhythmisch, die Herzfrequenz beträgt ca.
130/min. Die muskuläre Schwäche des linken
Arms bestätigt sich, jedoch bessert sich die
Symptomatik noch während der Untersuchung
in der Notaufnahme. Nach 2 Stunden ist hinsichtlich der groben Kraft keine Seitendifferenz
mehr festzustellen.
57
58
57.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
57.2
Befunden Sie das bei Aufnahme der Patientin abgeleitete EKG (Abb. 57.1)!
Abb. 57.1
57.3
EKG (nur Brustwandableitungen)
Was halten Sie für die Ursache Ihrer Verdachtsdiagnose?
57.4
Sind bei der nun beschwerdefreien Patientin weitere diagnostische oder
therapeutische Maßnahmen erforderlich? Wenn ja, welche?
Antworten und Kommentar Seite 253
Fall 58
73-jährige Patientin mit Fieber und Schüttelfrost
Eine 73-jährige Patientin stellt sich wegen akut
aufgetretenen Fiebers und Schüttelfrosts in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Auf Nachfrage berichtet sie von Husten mit etwas Auswurf und
Brennen beim Wasserlassen. An Vorerkrankungen sind ein Diabetes mellitus Typ II sowie eine
chronisch-obstruktive Lungenerkrankung bei
Fall
58.1
Nikotinabusus bekannt. Bei der Auskultation
der Lunge fällt Ihnen ein raues Atemgeräusch
mit Giemen und Brummen auf. Im Bereich der
linken Flanke ist ein Klopfschmerz auslösbar.
Die Körpertemperatur beträgt 39,2 ⬚C. Der übrige körperliche Untersuchungsbefund ist unauffällig.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
58
59
58.2
Welche 4 Untersuchungen (in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens)
schlagen Sie vor, um die Verdachtsdiagnose zu sichern und Differenzialdiagnosen
auszuschließen? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
58.3
Nennen Sie die häufigsten Erreger der vermuteten Erkrankung!
58.4
Nennen Sie die 5 Komplikationen der vermuteten Erkrankung!
Antworten und Kommentar Seite 254
Fall 59
51-jährige Patientin mit Sepsis und disseminierten Hautblutungen
Sie behandeln auf der internistischen Intensivstation eine 51-jährige Patientin wegen einer
Sepsis infolge einer schweren Pneumonie. Über
Nacht treten bei der Patientin disseminierte
Hautblutungen mit zentralen Nekrosen auf. Bei
der Anlage eines zentralen Venenkatheters fällt
59.1
eine lang andauernde Nachblutung auf. Eine
Medikation mit gerinnungshemmenden Substanzen oder Thrombozytenaggregationshemmern besteht nicht. Die Thrombozytenzahl im
Blut beträgt 72 000/µl.
Fall
Was ist die wahrscheinlichste Ursache der vermehrten Blutungsneigung?
59
60
59.2
Nennen Sie mindestens 5 Laborparameter, die Sie in dieser Situation
bestimmen sollten! Welche Veränderungen erwarten Sie, falls Ihre Diagnose zutrifft?
59.3
Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es? Unter welchen Umständen
kommen die einzelnen Optionen bevorzugt zum Einsatz?
Antworten und Kommentar Seite 255
Fall 60
29-jährige Patientin mit rezidivierendem Durchfall
Eine 29-jährige Patientin stellt sich zur Abklärung seit Jahren auftretender Episoden von
Durchfall in Ihrer hausärztlichen Praxis vor.
Während dieser Episoden betrage die Häufigkeit der Darmentleerungen ca. 5 pro Tag und
meist verspüre sie diffuse Bauchschmerzen bei
vermehrter Darmgasbildung. Diese Symptomatik trete vor allem nach Genuss von Milch und
Fall
60.1
Buttermilch auf. Das Körpergewicht habe sich
dadurch nicht verändert, trotz guten Appetits
sei aber auch keine Gewichtszunahme eingetreten. Die körperliche Untersuchung der Patientin (Gewicht 51 kg, Größe 179 cm, guter Allgemeinzustand) und die Routinelabordiagnostik sind unauffällig.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
60
61
60.2
Erläutern Sie kurz die Pathogenese der Erkrankung!
60.3
Nennen Sie die 2 wichtigsten funktionellen Tests zur Sicherung der
Verdachtsdiagnose und erläutern Sie kurz den Ablauf der Untersuchung und den zu
erwartenden Befund!
60.4
Machen Sie einen Behandlungsvorschlag!
Antworten und Kommentar Seite 257
Fall 61
59-jährige Patientin mit Hyperlipidämie und Z. n. Herzinfarkt
Eine 59-jährige Patientin kommt wegen eines
grippalen Infektes in Ihre hausärztliche Praxis.
Aus der Vorgeschichte sind eine Divertikulose
und ein Myokardinfarkt bekannt. Außer Aspirin
100 mg besteht keine regelmäßige Medikation.
Die körperliche Untersuchung der Patientin
(Größe 170 cm, Gewicht 62 kg) ist bis auf einen
Blutdruck von 150/90 mmHg unauffällig. Die
Fall
61
Labordiagnostik zeigt neben einer erhöhten
BSG (35 mm n.W.) eine Hypercholesterinämie
(Cholesterin 280 mg/dl, HDL 29 mg/dl, LDL
170 mg/dl) und Hypertriglyceridämie (Triglyceride 290 mg/dl). Das EKG zeigt einen regelmäßigen Sinusrhythmus und Zeichen eines alten
Hinterwandinfarktes.
61.1
Nennen Sie 3 Medikamente, die Sie dieser Patientin verordnen würden!
Begründen Sie Ihren Vorschlag!
62
61.2
Welche Zielwerte für Gesamtcholesterin, HDL-, LDL-Cholesterin und
Triglyceride streben Sie bei dieser Patientin an?
61.3
Nennen Sie mindestens 2 weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren, zu denen
diese Fallbeschreibung keine Informationen aufweist!
Antworten und Kommentar Seite 258
Fall 62
51-jährige Patientin mit Schwellung des linken Beins
Als diensthabender Internist werden Sie im
Wochenenddienst in die gynäkologische Abteilung zu einer 51-jährigen Patientin gerufen, die
seit dem Morgen eine zunehmende, schmerzhafte Schwellung des linken Beins beklagt.
Schwellungen der Beine seien bisher niemals
aufgetreten. Von der 4 Tage zurückliegenden
Operation (Hysterektomie) habe sie sich sonst
Fall
62.1
gut erholt. Bei der klinischen Untersuchung fällt
Ihnen eine Schwellung des linken Ober- und
Unterschenkels mit gespannter glänzender
Haut und livider Vefärbung auf. Sie messen am
Oberschenkel eine Umfangsdifferenz von 4 cm
gegenüber rechts. Ein Wadenkompressionsschmerz lässt sich nicht auslösen.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
62
63
62.2
Welche Diagnostik schlagen Sie – in der Reihenfolge des praktischen
Vorgehens – zur Sicherung der Diagnose vor?
62.3
Welche Risikofaktoren für diese Erkrankung kennen Sie?
62.4
Machen Sie einen Therapievorschlag! Nennen Sie, wo möglich, „Zielwerte“
für Ihre Therapie!
62.5
Nennen Sie mindestens 3 Indikationen für eine systemische Fibrinolysetherapie bei der vermuteten Erkrankung!
Antworten und Kommentar Seite 261
Fall 63
46-jähriger Patient mit Bauchschmerzen und Übelkeit
Fall
Ein 46-jähriger Patient stellt sich wegen diffuser Bauchschmerzen und Übelkeit bei Ihnen in
der Notaufnahme vor. Zudem habe er in den
letzten 3 Monaten 5 kg an Gewicht zugenommen, ohne besonders fette Speisen bevorzugt
zu haben. Vorerkrankungen sind nicht bekannt.
Die Anamnese ergibt, dass der Patient seit Jahren täglich 1 Flasche Schnaps und 8 Flaschen
Bier konsumiert. Bei der körperlichen Untersuchung fallen Ihnen ein Ikterus, Spider-Nävi und
ein Palmarerythem auf. Das Abdomen ist gewölbt und diffus druckschmerzhaft, die Bauchdecken sind leicht verhärtet. Die Leber ist ver-
63
64
63.1
größert und grobknotig verhärtet. Die Körpertemperatur beträgt 38,0 ⬚C. Sonographisch zeigt
sich perihepatisch eine große Menge an Flüssigkeit. Sie führen eine transabdominelle Punktion
durch und lassen die gewonnene trüb-seröse
Flüssigkeit (41/2 l) im Labor untersuchen. Folgendes Ergebnis wird Ihnen mitgeteilt: spezifisches Gewicht 1037 g/l, Eiweiß 4,1 g/dl, Leukozyten 2000/µl, Erythrozyten negativ, pH 7,2,
bakteriologische Untersuchung steht noch aus.
In der Gastroskopie zeigen sich Ösophagusvarizen Grad II ohne Blutungszeichen.
Was ist sehr wahrscheinlich die Ursache der abdominellen Beschwerden?
63.2
Handelt es sich bei dem Aszites-Punktat um ein Transsudat oder ein
Exsudat? Begründen Sie Ihre Aussage!
63.3
!!!
Machen Sie einen Therapievorschlag!
63.4
Was ist die Erklärung für den bevorzugten Einsatz von Spironolacton bei
Leberzirrhose mit Aszites?
63.5 Welche Folgen und Komplikationen (mindestens 4) einer Leberzirrhose
kennen Sie?
Antworten und Kommentar Seite 263
Fall 64
34-jähriger Patient mit Muskelschwäche
Abb. 64.1
EKG (Brustwandableitungen V1 – V6)
Fall
Ein 34-jähriger Patient stellt sich wegen einer
seit mehreren Tagen bestehenden Abgeschlagenheit und Schwäche bei Ihnen in der Notaufnahme vor. Er kann kaum stehen und gehen. Zuvor sei er immer gesund gewesen. Sie bemerken
einen urinartigen Foetor ex ore. Bei der klinischen Untersuchung fällt eine generalisierte
Muskelschwäche auf. Eine Muskelatrophie liegt
nicht vor. Der Patient wirkt müde und unkonzentriert. Das Notfall-Labor zeigt folgende Befunde: Kreatinin 6,8 mg/dl, Kalium 7,6 mmol/l,
Hb 10,2 g/dl, Leukozyten 82 000/µl, Thrombozyten 87 000/µl. Abb. 64.1 zeigt das EKG des Patienten bei Aufnahme.
64
65
64.1
Was ist die Ursache der Muskelschwäche?
64.2
Welche 6 anderen Ursachen einer Hyperkaliämie kennen Sie?
64.3
Wie kann eine Hyperkaliämie medikamentös behandelt werden?
Trotz Ihrer Therapie tritt bei diesem Patienten 1 Stunde nach Aufnahme eine Asystolie auf. Sie beginnen mit der kardiopulmonalen Reanimation.
!!!
64.4
Welche weitere(n) Maßnahme(n) müssen Sie jetzt ergreifen, um das Leben
des Patienten zu retten?
Antworten und Kommentar Seite 266
Fall 65
66-jähriger Patient mit Luftnot und Schwindel bei Belastung
Fall
Ein 66-jähriger Patient stellt sich wegen Luftnot
und Schwindel bei Belastung in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Während die Beschwerden
früher nur bei starker Anstrengung aufgetreten
seien, träten sie seit mehreren Monaten bereits
bei geringer Anstrengung auf, z. B. beim Steigen
von mehr als 5 Treppenstufen. Gelegentlich verspüre er dann auch ein Druckgefühl in der Brust.
Vor 2 Tagen sei er bei der Gartenarbeit für wenige Sekunden ohnmächtig geworden, habe sich
aber nicht verletzt. Bei der körperlichen Untersuchung auskultieren Sie ein raues, spindelförmiges systolisches Geräusch mit Punctum maximum im 2. Interkostalraum rechts, das in die
Karotiden fortgeleitet wird. Sie fertigen Röntgenaufnahmen des Thorax an; Abb. 65.1 zeigt
die p.a.-Aufnahme.
65
66
65.1
Abb. 65.1
Röntgen-Thorax p. a.
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
65.2
Welche 3 weiteren diagnostischen Maßnahmen (in der Reihenfolge des
praktischen Vorgehens) schlagen Sie vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
65.3
Nennen Sie die Therapieoptionen! Unter welchen Umständen kommen die
einzelnen Optionen bevorzugt zum Einsatz?
!!!
65.4
Erläutern Sie kurz die 2 Mechanismen, die bei dieser Erkrankung zur
Entstehung der thorakalen Beschwerden führen!
Antworten und Kommentar Seite 267
Fall 66
68-jährige Patientin mit zunehmender Luftnot bei Belastung und Husten
Fall
Eine 68-jährige Patientin kommt wegen einer
seit Monaten zunehmenden Luftnot bei Belastung in Ihre allgemeinmedizinische Praxis. Seit
einigen Wochen bestehe die Luftnot auch in Ruhe, unabhängig von der Körperlage. Zudem leide sie unter einem trockenen Husten. Sie auskultieren über beiden Lungen ein Knisterrasseln bei Inspiration. Die übrige körperliche Untersuchung ist unauffällig. Die Ergebnisse der
Blutgasanalyse lauten: pO2 58 mmHg, pCO2
34 mmHg, pH 7,43, Sauerstoffsättigung 90%. Sie
fertigen ein Röntgenbild an (Ausschnitt s.
Abb. 66.1). Die Lungenfunktionsanalyse ergibt
eine Reduktion von Vitalkapazität, Lungencompliance und Diffusionskapazität (DLCO 59%).
66
67
Abb. 66.1 Röntgen-Thorax p. a.
(Ausschnitt rechte Lunge)
66.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
66.2
Nennen Sie die typische Komplikation dieser Erkrankung!
66.3
Nennen Sie 7 Ursachen dieser Erkrankung, die Sie bei der weiteren
Abklärung berücksichtigen sollten!
66.4
Nennen Sie mindestens 2 Untersuchungen, die zur weiteren Abklärung der
Erkrankungsursache hilfreich sind!
66.5
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es, sofern keine Ursache zu finden ist?
Antworten und Kommentar Seite 269
Fall 67
55-jähriger Patient mit Fieber, Schwäche und Tachykardie
Fall
Ein 55-jähriger Patient wird vom Hausarzt wegen eines akut aufgetretenen hohen Fiebers
(39,2 ⬚C) zur stationären Behandlung eingewiesen und kommt zu Ihnen in die Notaufnahme.
Er klagt über ausgeprägte Schwäche. Schmerzen und Husten oder andere Beschwerden werden verneint. An Vorerkrankungen ist lediglich
ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus bekannt. Bei der Untersuchung von Herz und Lunge zeigt sich eine Ruhetachykardie (Frequenz
ca. 100/min). Die Haut ist warm und trocken. An
der rechten Fußsohle finden Sie ein etwa 3 cm
großes und etwa 1 cm in die Tiefe sondierbares
67
68
67.1
Ulkus im Bereich des 1. Metatarsophalangealgelenks mit Rötung und Schwellung des Fußballens. Die übrige körperliche Untersuchung,
das Röntgenbild des Thorax und der Urinstatus
sind unauffällig. Das Labor zeigt folgende Befunde: CRP 347 mg/l, Hb 12,1 g/dl, Leukozyten
19 000/µl, Thrombozyten 123/µl.
Wenige Stunden später werden Sie erneut zu
dem Patienten gerufen. Dieser ist nun somnolent und kaum ansprechbar. Sie stellen eine
Zunahme der Tachykardie (Herzfrequenz
130/min) und eine Tachypnö fest. Der Blutdruck
beträgt 80/40 mmHg.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
67.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 6) schlagen Sie vor?
Begründen Sie Ihren Vorschlag!
67.3
Welche therapeutischen Maßnahmen (mindestens 6) schlagen Sie vor?
Begründen Sie Ihren Vorschlag!
!!!
67.4
Welche 4 Formen des Schocks kennen Sie?
67.5
Wie verhalten sich Herzzeitvolumen, peripherer Gefäßwiderstand und
pulmonalkapillärer Verschlussdruck (PCWP) bei diesen 4 Schockformen?
Antworten und Kommentar Seite 272
Fall 68
52-jährige Patientin mit Schwellung des rechten Beins
Eine 52-jährige Patientin stellt sich wegen einer
seit 6 Monaten bestehenden Schwellung des
rechten Fußes und Unterschenkels in Ihrer
hausärztlichen Praxis vor. Die Symptomatik habe damals innerhalb von 3 Tagen nach einer
Busfahrt nach Spanien eingesetzt. Seitdem seien die Füße schwer und ermüdeten rasch, im
Was ist am ehesten Ursache der Bein- bzw. Fußschwellung?
Fall
68.1
Bereich der Waden bestünden Juckreiz und
Spannungsgefühl. Die Symptomatik bessere
sich, wenn sie die Beine hochlege. Am rechten
Unterschenkel fallen Ihnen im Bereich der Knöchel bräunliche, abschnittsweise auch helle
Hautareale auf. Perimalleolär und auf dem Fußrücken findet sich eine Weichteilschwellung.
68
69
68.2
Nennen Sie 6 Differenzialdiagnosen einer Schwellung des Unterschenkels und Fußes sowie die typischen Leitbefunde!
68.3
Welches diagnostische Verfahren schlagen Sie vor, um Ihre Verdachtsdiagnose zu sichern?
68.4
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Antworten und Kommentar Seite 273
Fall 69
79-jährige Patientin mit Schüttelfrost, Durchfall, Husten und Luftnot
Fall
Eine 79-jährige Patientin kommt zu Ihnen in die
Notaufnahme, weil sie seit einigen Stunden
Schüttelfrost, Durchfall, Husten und Luftnot
hat. Fieber habe sie bereits seit einigen Tagen.
Aus der Vorgeschichte sind eine arterielle Hypertonie und eine rheumatoide Arthritis bekannt. Die Patientin wurde zuletzt mit Diclofenac (2 ⫻ 100 mg/d), Captopril (3 ⫻ 25 mg/d) und
Methotrexat (1 ⫻ 25 mg wöchentlich) behandelt. Wegen des Fiebers habe sie in den letzten
Tagen zudem täglich 3 – 4 Tabletten eines Anti-
biotikums (Cotrimoxazol) aus dem Bestand ihres Ehemanns eingenommen. Bei der körperlichen Untersuchung stellen Sie eine diffuse Rötung des Mund- und Rachenraums fest. Die Körpertemperatur beträgt 39,4 ⬚C (axillär gemessen). Der übrige körperliche Befund ist unauffällig. Die Laboruntersuchung in der Notaufnahme zeigt folgendes Ergebnis: Hb 10,5 g/dl, Leukozyten 310/µl, Thrombozyten 125 000/µl,
Kreatinin 2,2 mg/dl, CRP 298 mg/l.
69
69.1
70
Nennen Sie mindestens 3 Faktoren, die zur Entwicklung der Leukopenie
beigetragen haben!
69.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 6) ordnen Sie an?
69.3
Welche therapeutischen Maßnahmen (mindestens 5) schlagen Sie vor?
Antworten und Kommentar Seite 275
Fall 70
46-jährige Patientin mit Fieber, Husten und Kopfschmerzen
70.1
klaren Auswurf ab. Bei der körperlichen Untersuchung stellen Sie eine Rachenrötung fest.
Über beiden Lungen sind nur vereinzelt feuchte
Rasselgeräusche auskultierbar. Sie messen axillär eine Körpertemperatur von 39,0 ⬚C. Die Labordiagnostik zeigt folgende Befunde: Glukose
194 mg/dl, BSG 18 mm n.W., CRP ⬍ 5 mg/l, Hb
15,1 g/dl, Leukozyten 8200/µl, Thrombozyten
229 000/µl.
Fall
Eine 46-jährige Krankenschwester ist wegen eines Diabetes mellitus Typ I in Ihrer hausärztlichen Behandlung. Der Diabetes mellitus war
unter einer intensivierten Insulintherapie nach
dem Basis-Bolus-Konzept zuletzt gut eingestellt. Aktuell stellt sich die Patientin außerplanmäßig vor, da sie seit dem Vortag unter trockenem Husten, Schnupfen, Hals- und Muskelschmerzen und Schüttelfrost leidet. Zudem
fühle sie sich sehr schwach. Sie huste nur wenig,
70
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
71
70.2 Welche weitere Diagnostik ist zu diesem Zeitpunkt erforderlich?
Begründen Sie Ihre Aussage!
70.3
Machen Sie einen Therapievorschlag!
70.4
Welche 2 Ratschläge geben Sie der Patientin im Hinblick auf ihr
Verhalten in den nächsten Tagen?
70.5
Würden Sie der Patientin zu einer späteren Grippeimpfung raten?
Begründen Sie Ihre Aussage!
Antworten und Kommentar Seite 277
Fall 71
51-jähriger Patient mit Rückenschmerzen
Ein 51-jähriger Patient stellt sich in Ihrer allgemeinmedizinischen Praxis vor, weil er seit dem
Vortag Schmerzen im Bereich der mittleren
Brustwirbelsäule verspürt. Der Schmerz habe
plötzlich eingesetzt. Die körperliche Untersuchung ist unauffällig. Zum Ausschluss eines
akuten Myokardinfarkts fertigen Sie ein EKG an.
Es zeigt einen unauffälligen Stromkurvenverlauf. Die Labordiagnostik zeigt normale Werte
für CK, CK-MB und Troponin T. Sie ordnen ein
Röntgenbild des Thorax an. Dieses zeigt einen
unauffälligen Herz- und Lungenbefund, jedoch
fallen in der seitlichen Aufnahme eine Höhenminderung und eine keilförmige Verformung
des 5. Brustwirbelkörpers auf. Die Wirbelsäule
zeigt insgesamt eine auffällig hohe Strahlentransparenz.
Fall
71
71.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
72
71.2
Welche diagnostische(n) Maßnahme(n) (mindestens 1) schlagen Sie zur
Sicherung Ihrer Verdachtsdiagnose vor?
71.3
Welche Formen und Ursachen dieser Erkrankung kennen Sie?
71.4
Welche Möglichkeiten der medikamentösen Therapie gibt es?
71.5
Welche Möglichkeiten der Prophylaxe gibt es?
Antworten und Kommentar Seite 278
Fall 72
44-jährige Patientin mit Oberbauchschmerzen
72.1
sistenz ist nicht palpabel. Sie führen eine Abdomensonographie durch und sehen eine vergrößerte Gallenblase, in der zwei echoreiche Signale mit dorsaler Schallauslöschung darstellbar
sind. Leber, Nieren und die abdominellen Gefäße (Aorta, Mesenterialgefäße) sind unauffällig.
Die Labordiagnostik zeigt eine geringe Erhöhung des direkten Bilirubins; CRP, Nierenretentionswerte, GOT, GPT, Lipase, Blutbild,
Hämoccult-Test und Urinstatus sind unauffällig.
Fall
Eine 44-jährige Patientin kommt wegen starker
Schmerzen im rechten Oberbauch zu Ihnen in
die Notaufnahme. Die Schmerzen seien vor einigen Stunden plötzlich – beim Studium von
Akten am Schreibtisch – aufgetreten und strahlten in die rechte Schulter aus. Zudem sei ihr
übel. Eine ähnliche Symptomatik sei einige Monate zuvor erstmalig aufgetreten und habe etwa
30 Minuten lang angehalten. Bei tiefer Palpation im rechten Oberbauch ist ein Druckschmerz
auslösbar. Die Peristaltik ist regelrecht, eine Re-
72
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
73
72.2
Nennen Sie mindestens 5 Risikofaktoren für diese Erkrankung!
72.3
Nennen Sie 5 typische Komplikationen der Erkrankung!
72.4
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
72.5
Welches Analgetikum verordnen Sie der Patientin?
Antworten und Kommentar Seite 280
Fall 73
62-jährige Patientin mit Übelkeit, Abgeschlagenheit und Juckreiz
Fall
73
74
Eine 62-jährige Patientin stellt sich wegen zunehmender Übelkeit und Abgeschlagenheit in
Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Zudem bestünden ein erheblicher diffuser Juckreiz und Luftnot bei geringer Belastung. Bei der Patientin
sind ein Diabetes mellitus Typ I sowie eine diabetische Retinopathie und Nephropathie bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung fällt
Ihnen ein bräunlich-gelbliches Hautkolorit auf.
Über dem Herzen hören Sie ein reibendes Ge-
räusch über allen Ostien. Der Blutdruck beträgt
175/100 mmHg (unter antihypertensiver Dreifachtherapie). Die Labordiagnostik zeigt folgende Befunde (Werte vom Vormonat in Klammern): Glukose 154 mg/dl (134 mg/dl), HbA1 c
8,1% (7,7%), Hb 8,1 g/dl, Kreatinin 8,6 mg/dl
(6,9 mg/dl), Harnstoff-Stickstoff 210 mg/dl,
Kalium 5,4 mmol/l (4,8 mmol/l), Cholesterin
332 mg/dl (287 mg/dl).
73.1
Was ist die wahrscheinlichste Ursache der von der Patientin beklagten
Beschwerden?
73.2
Nennen Sie die 4 Stadien und die zugehörigen Leitbefunde der die
Beschwerden verursachenden Erkrankung!
73.3
Welche 5 Ratschläge geben Sie der Patientin bezüglich ihrer Ernährung?
73.4
Würden Sie die Patientin zur Shuntanlage anmelden?
Begründen Sie Ihre Aussage!
Antworten und Kommentar Seite 282
Fall 74
45-jähriger Patient mit Schmerzen im Bereich des linken Fußes
Ein 45-jähriger Patient stellt sich in den frühen
Morgenstunden bei Ihnen in der Notaufnahme
vor. Er sei in der Nacht durch sehr starke
Schmerzen im Bereich des linken Fußes aufgewacht. Derartige Beschwerden seien noch nie
zuvor aufgetreten. Er sei im Übrigen kerngesund, nehme keine Medikamente ein und sei
noch nie beim Arzt gewesen. Bei der körperlichen Untersuchung des Patienten (Größe
178 cm, Gewicht 114 kg, guter Allgemeinzustand) fallen Ihnen eine Schwellung, Rötung
und Überwärmung des linken Großzehengrundgelenks auf. Der Blutdruck beträgt
160/95 mmHg, die Herzfrequenz 89/min, die
Körpertemperatur 36,7 ⬚C (axillär gemessen).
Der übrige körperliche Untersuchungsbefund
ist unauffällig.
Fall
74.1
74
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
75
74.2
Welche 4 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie vor?
74.3
Nennen Sie 3 weitere Manifestationen der Grunderkrankung!
74.4
Machen Sie einen Therapievorschlag!
Antworten und Kommentar Seite 284
Fall 75
66-jähriger Patient mit Husten und Auswurf
Fall
75
Ein 66-jähriger Patient stellt sich wegen eines
seit mehreren Wochen bestehenden Hustens in
Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Der Patient gibt
an, reichlich gräulichen, teilweise auch bräunlich gefärbten Auswurf abzuhusten. Eine chronische Bronchitis sei seit vielen Jahren bekannt,
ein Nikotinkonsum besteht seit etwa 50 Jahren.
In den vergangenen 4 Monaten habe er 7 kg Gewicht abgenommen. Über beiden Lungen auskultieren Sie ein bronchiales Atemgeräusch ohne Nebengeräusche. Sie lassen eine Röntgenaufnahme des Thorax anfertigen (Abb. 75.1).
76
Abb. 75.1
75.1
Röntgenthorax p. a.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
75.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 5) schlagen Sie vor?
Begründen Sie Ihren Vorschlag!
75.3
Welche 2 histologischen Typen der vermuteten Erkrankung kennen Sie
und wie sind diese prognostisch zu bewerten?
Antworten und Kommentar Seite 286
Fall 76
21-jährige Patientin mit Herzklopfen
76.1
Fall
Eine 21-jährige Patientin sucht wegen seit Tagen rezidivierender Episoden von Herzklopfen,
die ca. 2 – 10 Minuten andauern, Ihre fachinternistische Praxis auf. Es sind keine Vorerkrankungen bekannt. Bei der Auskultation des Herzens hören Sie im Bereich der Herzspitze einen
Klick in der Systole. Der übrige körperliche Untersuchungsbefund ist unauffällig. Zur weiteren
Abklärung fertigen Sie ein EKG (Abb. 76.1) und
ein Echokardiogramm an. Das Echokardiogramm zeigt ein Zurückschlagen des anterioren
und des posterioren Mitralsegels in den linken
Vorhof mit Zeichen einer leichten Mitralinsuffizienz. Der übrige echokardiographische Befund
ist unauffällig.
Abb. 76.1
EKG
77
Wie bezeichnet man den in der Echokardiographie auffälligen Befund?
76.2
Welche 2 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie bezüglich der
Beschwerden vor?
76.3
76
Nennen Sie die 2 häufigsten Komplikationen dieser Erkrankung!
76.4
Die Patientin fragt Sie, ob eine Therapie erforderlich ist. Wie lautet Ihre
Antwort?
Antworten und Kommentar Seite 288
Fall 77
25-jähriger Patient mit Fieber und Durchfall
Fall
Ein 25-jähriger Patient wird vom Hausarzt wegen seit über 1 Woche bestehenden Fiebers bis
39,5 ⬚C und Durchfällen in Ihre Klinik eingewiesen und kommt zu Ihnen auf Station. Der Patient berichtet, er habe in der 1. Woche der Erkrankung eher an Verstopfung gelitten, dann
seien die Durchfälle (breiige Konsistenz) aufgetreten. Er klagt zudem über eine zunehmende
körperliche Schwäche, starkes Schwitzen, Kopfund Halsschmerzen und Husten. Die Beschwerden hätten 1 Woche nach der Rückkehr von ei-
ner Trecking-Reise durch Indien eingesetzt. In
der 2. Krankheitswoche habe dann das Fieber
von 39⬚ bis über 40 ⬚C begonnen. Bei der körperlichen Untersuchung fallen Ihnen makulopapulöse Effloreszenzen an verschiedenen Stellen
des Integuments und eine Hepatosplenomegalie auf. Der Blutdruck beträgt 105/60 mmHg, die
Herzfrequenz 68/min, die Körpertemperatur
39,8 ⬚C. In der Labordiagnostik fallen eine geringe Thrombopenie (125 000/µl) und Leukopenie
(3200/µl) auf.
77
77.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
77.2
Welche Untersuchung(en) schlagen Sie vor, um die Diagnose zu sichern?
78
77.3
Nennen Sie mindestens 4 typische Komplikationen der Erkrankung
(z. B. bei verzögerter Therapie)!
77.4
Wie wird die Erkrankung behandelt und was müssen Sie nach
Diagnosestellung zusätzlich noch tun?
Antworten und Kommentar Seite 289
Fall 78
44-jährige Patientin mit Schwindel, Seh- und Sprachstörungen
Eine 44-jährige Patientin wird von ihrem Ehemann wegen akut aufgetretenem Schwindel sowie Seh- und Sprachstörungen zu Ihnen in die
Notaufnahme gebracht. In den vergangenen
Wochen habe sie vermehrt über Heißhunger,
Schweißausbruch und Nervosität geklagt. Bei
der körperlichen Untersuchung sehen Sie
Schweiß auf der Stirn und den Handinnenflächen. Das EKG zeigt eine geringe Sinustachykardie (97 Schläge/min). In der Labordiagnostik
zeigt sich eine Hypoglykämie (Blutzucker
23 mg/dl).
78.1
Fall
Nennen Sie die 3 Formen und die Ursachen (mindestens 8) der
Hypoglykämie!
78
79
78.2
Welche 2 funktionellen Untersuchungen sind zur Abklärung einer
Hypoglykämie besonders hilfreich? Welche Information liefern diese Tests?
Antworten und Kommentar Seite 291
Fall 79
41-jährige Patientin mit Schwellung des rechten Beins
Eine 41-jährige Patientin stellt sich wegen eines
Schwellungs- und Spannungsgefühls des rechten Beins in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Die
Schwellung betreffe vor allem Fuß und Unterschenkel, trete täglich gegen Mittag in Erscheinung, nehme dann im Lauf des Tages zu und
bessere sich nach Hochlagern der Beine am
Abend. Die Patientin ist als OP-Schwester in ei-
Fall
79
79.1
nem Krankenhaus tätig. Bei der Untersuchung
der Beine (nachmittags 15.30 Uhr) messen Sie
an der rechten Wade eine Umfangsdifferenz
von 2,5 cm zur Gegenseite. Bei der stehenden
Patientin zeigt sich eine Dilatation der rechten
V. saphena magna. Das Homans- und das PayrZeichen sind negativ. Der Trendelenburg-Test
fällt positiv aus.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
80
79.2
Wie wird der Trendelenburg-Test durchgeführt und welche Aussage
ermöglicht er?
79.3
Welche 3 weiteren diagnostischen Verfahren schlagen Sie vor, um die
Verdachtsdiagnose zu sichern? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
79.4
Welche Therapieverfahren gibt es und wann kommen diese bevorzugt zum
Einsatz?
Antworten und Kommentar Seite 292
Fall 80
27-jährige Patientin mit HIV-Infektion und Thoraxschmerz
Fall
Eine 27-jährige Patientin mit bekannter HIV-Infektion als Folge eines intravenösen Drogenabusus stellt sich zur Kontrolluntersuchung in
Ihrer Praxis vor. Sie berichtet über eine seit 6
Monaten bestehende Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, rechtsthorakale Schmerzen und gelegentliches Fieber. Bei der körperlichen Untersuchung stellen Sie eine Kandidainfektion im Oropharynx fest. Rechtsthorakal, etwa in Projektion auf die Dermatome Th4 – 6, findet sich ein
Exanthem mit Bläschenbildung und Verschorfung (Abb. 80.1). Die Zahl der T-Helferzellen beträgt 290/µl. Blutbild: Hb 11,1 g/dl, Leukozyten
4600/µl, Thrombozyten 124 000/µl.
Abb. 80.1 Exanthem mit Bläschenbildung und Verschorfung
80
81
80.1
Welches Stadium/welche Kategorie der HIV-Erkrankung liegt bei der
Patientin vor? Begründen Sie Ihre Aussage!
80.2
Nennen Sie mindestens 5 AIDS-definierende Erkrankungen!
80.3 Nennen Sie die 2 wichtigsten Laborparameter zur Beurteilung der
Effektivität einer antiretroviralen Therapie!
!!!
80.4
3 Monate später wird die Patientin schwanger. Welche Maßnahmen sollten
zur Minimierung des Infektionsrisikos des Neugeborenen ergriffen werden und wie
hoch ist dieses Risiko bei Beachtung dieser Maßnahmen?
Antworten und Kommentar Seite 293
Fall 81
41-jähriger Patient mit Bluterbrechen
Ein 41-jähriger Patient wird nach zweimaligem
plötzlichem Erbrechen von hellrotem Blut vom
Notarzt zu Ihnen in die Notaufnahme gebracht.
Abgesehen von einem allgemeinen Schwächegefühl gibt der Patient keine weiteren Beschwerden an. Medikamente nehme er keine
ein. Bei der körperlichen Untersuchung fallen
Fall
81.1
Ihnen ein Sklerenikterus und Spider-Nävi im
Bereich der Bauchhaut auf. Auf Nachfrage gibt
der Patient an, dass vor 2 Jahren eine Leberzirrhose festgestellt worden sei. Der damaligen
Empfehlung des behandelnden Arztes, den
langjährigen Alkoholabusus zu beenden, sei er
jedoch nicht nachgekommen.
Was ist die wahrscheinlichste Ursache der Hämatemesis?
81
82
81.2
Welche anderen Ursachen (mindestens 5) kommen bei dem Patienten
noch in Betracht?
81.3
Nennen Sie mindestens 3 Therapieverfahren, durch die die Blutung bei der
vermuteten Ursache behandelt werden kann!
Antworten und Kommentar Seite 295
Fall 82
67-jährige Patientin mit Muskelkrämpfen und Parästhesien
Eine 67-jährige Patientin stellt sich wegen wiederholter sehr schmerzhafter Muskelkrämpfe –
insbesondere der Beine – in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Zudem beklagt die Patientin
Parästhesien der Beine und in der Umgebung
des Mundes. Die derzeitige Medikation besteht
aus ASS 100, 2 ⫻ 50 mg Metoprolol und 100 µg
L-Thyroxin. Bei der körperlichen Untersuchung
fällt eine Hyperreflexie auf. Es finden sich unauffällige Wundverhältnisse nach einem Kocher-Kragenschnitt am Hals. Die Labordiagnostik zeigt als auffälligsten Befund eine Hypokalzämie (Serumkalzium 1,68 mmol/l).
Was ist bei dieser Patientin die wahrscheinlichste Ursache der
Hypokalzämie? Nennen Sie auch andere Ursachen der Hypokalzämie!
Fall
82.1
82
83
82.2
Welche Parameter sollten zur Klärung der Ursache einer Hypokalzämie
bestimmt werden?
82.3
Welche dieser Parameter sind bei der Patientin wahrscheinlich verändert?
Beschreiben Sie den Befund!
82.4
Wie würden Sie die Patientin behandeln, falls Ihre Verdachtsdiagnose
zutrifft? Geben Sie bei Medikamenten auch die Dosis an!
Antworten und Kommentar Seite 296
Fall 83
77-jährige Patientin mit Pneumonie und Anstieg des Serumkreatinins
Eine 77-jährige Patientin mit bekanntem Diabetes mellitus wird vom Hausarzt wegen einer
fieberhaften beidseitigen Pneumonie zur stationären Behandlung eingewiesen und kommt
zu Ihnen auf Station. Die Patientin gibt an, sie
schwitze viel und scheide kaum Urin aus. Sie
verordnen Cefuroxim und Gentamicin i. v., Sau-
Fall
83
erstoff und zur Thromboseprophylaxe ein niedermolekulares Heparin. Am 3. Tag des stationären Aufenthaltes zeigt sich in der Labordiagnostik ein Anstieg des Serumkreatinins von zunächst 1,5 auf 2,2 mg/dl. In den nächsten Tagen
steigt das Kreatinin auf 3,5 mg/dl an.
83.1
Nennen Sie die 3 Formen des akuten Nierenversagens sowie jeweils
Auslöser und Beispiele!
84
83.2
Nennen Sie die 4 Stadien des akuten Nierenversagens und beschreiben
Sie, wie sich die Harnproduktion jeweils verhält!
83.3
Durch welche 4 im Urin bestimmbaren Parameter lässt sich ein akutes
Nierenversagen von einer funktionellen Oligurie abgrenzen?
83.4
Welche 4 therapeutischen Maßnahmen schlagen Sie bei der Patientin vor?
Antworten und Kommentar Seite 298
Fall 84
54-jähriger Patient mit Leistungsminderung
Ein 54-jähriger Patient stellt sich bei Ihnen zur
betriebsärztlichen Kontrolluntersuchung vor.
Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Abgesehen von einem seit 2 Monaten bestehenden
Spannungsgefühl im linken Oberbauch und
einer allgemeinen Leistungsminderung ist der
Patient beschwerdefrei. Die Milz ist 5 cm
Fall
84.1
unter dem linken Rippenbogen tastbar. Das
Blutbild zeigt folgendes Ergebnis: Hämoglobin
13,5 g/dl, Leukozyten 74 000/µl, Thrombozyten
310 000/µl. Im Differenzialblutbild findet sich
eine Linksverschiebung, jedoch keine Vermehrung der Lymphozyten. Undifferenzierte Myeloblasten sind nicht nachweisbar.
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
84
85
84.2
Welche zytogenetische Abnormalität liegt bei dieser Erkrankung vor und
dient als diagnostischer Marker?
!!!
84.3
Welche molekulargenetische Veränderung liegt dieser Abnormalität
zugrunde?
84.4
Welche 2 weiteren diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie bei dem
Patienten zur Diagnosesicherung vor? Welches Ergebnis erwarten Sie?
Antworten und Kommentar Seite 299
Fall 85
91-jährige Patientin mit akuter Luftnot und Husten
Fall
85
86
Eine 91-jährige Patientin mit bekannter seniler
Demenz wird wegen akut aufgetretener Luftnot
und trockenem Husten zu Ihnen in die Notaufnahme eingeliefert. Luftnot und Husten seien
am Vortag während des Essens von Erdnüssen
aufgetreten. Die Patientin selbst kann keine
weiterführenden Angaben machen, zuvor habe
sie sich aber wohlgefühlt. Bei der orientierenden körperlichen Untersuchung fallen eine Tachykardie, eine diskrete Lippenzyanose, ein
rechtsseitig abgeschwächtes Atemgeräusch
und einzelne grobe Rasselgeräusche über der
rechten Lunge auf. Der Blutdruck beträgt
160/90 mmHg, die Herzfrequenz 105/min, die
Körpertemperatur 36,3 ⬚C. Die pulsoxymetrisch
gemessene Sauerstoffsättigung liegt bei 90%.
Sie fertigen ein Röntgenbild des Thorax an (Abb.
85.1). Die Labordiagnostik ergibt, dass Blutbild,
85.1
CRP, Elektrolyte und Gerinnung normwertig
sind.
Abb. 85.1
Röntgen-Thorax p. a.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
85.2
Welche Untersuchung sollte zur Klärung der Ursache der Beschwerden
und aus therapeutischen Erwägungen heraus durchgeführt werden?
85.3
Welche anderen 4 Ursachen für den oben beschriebenen Befund kennen
Sie?
Antworten und Kommentar Seite 300
Fall 86
61-jährige Patientin mit Sodbrennen
Eine 61-jährige Patientin stellt sich wegen seit
Monaten bestehenden retrosternalen nächtlichen Brennens in Ihrer hausärztlichen Praxis
vor. Die Patientin bringt eine Röntgenaufnahme
(Abb. 86.1) mit, die wegen ähnlicher Beschwerden 6 Monate zuvor angefertigt worden war. Sie
führen eine Gastroskopie durch und diagnostizieren eine Refluxösophagitis im Stadium II.
Fall
Abb. 86.1
Röntgen-Ösophagusbreischluck
86.1
Was ist am ehesten Ursache der Refluxösophagitis bei dieser Patientin?
86.2
Welche 4 Formen dieser Erkrankung bzw. Anomalie kennen Sie?
86.3
Wie würden Sie die Patientin behandeln?
86.4
Bei welcher Form dieser Anomalie sollte ein operatives Vorgehen erwogen
werden?
Antworten und Kommentar Seite 302
86
87
Fall 87
33-jährige Patientin mit vergrößerter Schilddrüse
Eine 33-jährige Patientin stellt sich wegen einer
Vergrößerung der Schilddrüse in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Die Schilddrüse habe sich
in den zurückliegenden Jahren langsam vergrößert. Die Patientin neige zu Nervosität und habe
in den vergangenen 2 Jahren 4 kg Gewicht zugenommen. Bei der Palpation der Schilddrüse
stellen Sie fest, dass beide Schilddrüsenlappen
knotig vergrößert sind. Von der Patientin mitgebrachte Laborwerte zeigen ein normwertiges
basales TSH und normwertige periphere Schilddrüsenhormonwerte (T3, T4). Schilddrüsenantikörper (TPO-AK, TAK, TRAK) sind nicht nachweisbar.
Fall
87.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
87.2
Was ist die häufigste Ursache für diese Erkrankung?
87
88
87.3
Welche 3 weiteren diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie vor?
Begründen Sie Ihren Vorschlag!
87.4
Welche Möglichkeiten der Therapie gibt es? Führen Sie auf, unter welchen
Bedingungen die einzelnen Therapieformen besonders geeignet oder ungeeignet
sind!
Antworten und Kommentar Seite 303
Fall 88
32-jährige Patientin mit retrosternalen Schmerzen und allgemeiner Schwäche
fund des Kontroll-EKGs nach 4, 12 und 24 Stunden ist unverändert.
Fall
Eine 32-jährige Patientin stellt sich wegen seit
1 Tag bestehender retrosternaler Schmerzen,
allgemeiner Schwäche, Nachtschweiß sowie
Schmerzen in Finger- und Handgelenken bei Ihnen in der Notaufnahme vor. Die Patientin gibt
an, dass außer einem systemischen Lupus erythematodes (SLE) keine anderen Erkrankungen
bekannt seien. Eine regelmäßige Medikation
bestehe nicht. Bei der Auskultation hören Sie
ein leises systolisch-diastolisches reibendes Geräusch mit Punctum maximum parasternal
links, welches bei Inspiration und vorgebeugtem Oberkörper am besten zu hören ist. Das Labor bei Aufnahme zeigt folgende Laborbefunde:
CK 98 U/l, CK-MB 9 U/l, Thrombozyten 334/nl,
Leukozyten 12/nl, CRP 32 mg/l, BSG 93 mm n.W.
Abb. 88.1 zeigt das EKG bei Aufnahme. Der Be-
88
Abb. 88.1
EKG
88.1 Benennen Sie die wahrscheinlichste Ursache für die thorakale
Beschwerdesymptomatik! Begründen Sie Ihre Aussage!
88.2
Nennen Sie mindestens 6 ätiologische Faktoren!
Antworten und Kommentar Seite 305
89
Fall 89
56-jährige Patientin mit erhöhtem Blutzucker
Bei einer 56-jährigen Patientin stellen Sie bei
einer Routinelaborkontrolle einen Blutzuckerwert von 194 mg/dl fest. Zwei Kontrollmessun-
gen (nüchtern, kapillär) ergeben Werte von
129 mg/dl bzw. 141 mg/dl.
89.1 Nennen Sie mindestens 2 Kriterien, anhand derer die Diagnose eines
Diabetes mellitus gestellt werden kann! Kann bei Anwendung dieser Kriterien bei der
Patientin bereits ein Diabetes mellitus diagnostiziert werden?
Fall
89
90
89.2
Welche Formen eines Diabetes mellitus kennen Sie? Nennen Sie den jeweils
im Vordergrund stehenden pathophysiologischen Mechanismus!
89.3
Nennen Sie mindestens 3 orale Antidiabetika mit unterschiedlichem
Wirkmechanismus und geben Sie jeweils den Wirkmechanismus und eine typische
Indikation zum Einsatz der Substanzklassen an!
Antworten und Kommentar Seite 306
Fall 90
79-jährige Patientin mit Schmerzen im Schultergürtelbereich
Eine 79-jährige Patientin kommt zu Ihnen in
die Sprechstunde und beklagt ausgeprägte
Schmerzen im Bereich der Oberarm-, Schulter-,
Nacken- und Oberschenkelmuskulatur. Die
Schmerzen seien nachts am stärksten. Seit wenigen Tagen bestehe ein linksseitiger Kopfschmerz. Bei der körperlichen Untersuchung
sind die Gelenke frei beweglich und nicht geschwollen. Die linke Temporalarterie ist promi-
nent und verhärtet. Die grobe Muskelkraft ist
nicht eingeschränkt. Die Sensibilitätsprüfung
ist unauffällig. Die Labordiagnostik liefert folgende Befunde: BSG 94 mm n.W., CRP 24 mg/l,
Hb 11,7 g/dl, Leukozyten 6700/µl, Thrombozyten 297 000/µl, Rheumafaktor negativ, antinukleäre Antikörper (ANA) negativ, anti-Neutrophilen-Cytoplasma-Antikörper (ANCA) negativ.
Fall
90.1
90
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
91
90.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 2) schlagen Sie vor, um
die Diagnose zu sichern?
90.3
Was sollte vor definitiver Diagnose dieser Erkrankung immer ausgeschlossen werden?
90.4
Wie wird die Erkrankung behandelt?
Antworten und Kommentar Seite 307
Fall 91
41-jähriger Patient mit Ikterus und Erbrechen
Fall
Ein 41-jähriger Patient wird vom Rettungsdienst zu Ihnen in die Notaufnahme eingeliefert. Er gibt an, er fühle sich seit 2 Tagen zunehmend krank und habe mehrfach erbrochen. Zudem sehe er immer wieder Personen bzw. Gesichter, die ihn bedrohen würden. Nach Angaben der Schwester des Patienten besteht ein
chronischer Alkoholabusus. Der akuten Verschlechterung sei ein „Saufexzess“ über 3 Tage
vorausgegangen. Der Patient ist teilweise desorientiert und unkonzentriert. Bei der körperli-
chen Untersuchung fallen ein Intentionstremor
und ein Ikterus auf. Palpatorisch ist die Leber
vergrößert und von weicher Konsistenz. Die Labordiagnostik zeigt folgende Resultate: Bilirubin 6,4 mg/dl, GPT 899 U/l, GOT 1123 U/l, γ-GT
344 U/l, Hb 10,5 g/dl, MCV 113 fl, Leukozyten
16 000/µl; anti-HAV, Hbs-Ag, anti-Hbc, antiHCV und HCV-RNA sind negativ. Sonographisch
zeigen sich eine vergrößerte Leber mit echoreichem Parenchym ohne Knoten sowie perihepatische Flüssigkeit.
91
91.1
92
Was ist die wahrscheinlichste Ursache der massiv erhöhten Transaminasen?
91.2
Welche 3 Parameter würden Sie bei diesem Patienten bestimmen, um die
Synthesefunktion der Leber abzuschätzen?
91.3
Welche weiteren extrahepatischen Manifestationen des chronischen
Alkoholismus kennen Sie?
91.4
Welche therapeutischen Maßnahmen (mindestens 5) schlagen Sie vor?
Antworten und Kommentar Seite 309
Fall 92
69-jähriger Patient mit rascher Ermüdbarkeit und Luftnot
Fall
Ein 69-jähriger Patient kommt zum ersten Mal
in Ihre hausärztliche Praxis. Er berichtet über
eine langsam zunehmende rasche Ermüdbarkeit und Luftnot bei stärkerer Belastung. Darüber hinaus müsse er nachts inzwischen mehrfach Wasser lassen. Bezüglich Vorerkrankungen
berichtet der Patient über eine langjährige arterielle Hypertonie. Die Vormedikation besteht
aus einem Kalziumantagonisten und Digitoxin.
Bei der Auskultation des Herzens hören Sie ein
2/6-Systolikum im Bereich der Herzspitze ohne
Fortleitung. Der Auskultationsbefund der Lunge
ist unauffällig. Über dem 6. Interkostalraum ist
ein hebender Herzspitzenstoß palpierbar. Der
Blutdruck beträgt 190/100 mmHg, bei Kontrolle
am Folgetag 170/90 mmHg. Abb. 92.1 zeigt das
EKG des Patienten.
92
93
Abb. 92.1
EKG
92.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Begründen Sie Ihre Aussage!
92.2
Nennen Sie mögliche Ursachen!
92.3
Ihr Praxisbudget lässt 3 technische Untersuchungen zu. Welche
diagnostischen Maßnahmen veranlassen Sie? Begründen Sie für jede gewünschte
Untersuchung, weshalb Sie diese veranlassen wollen!
92.4
Was ist die wahrscheinlichste Ursache für das 2/6-Systolikum?
Antworten und Kommentar Seite 310
Fall 93
61-jährige Patientin mit Gewichtsverlust
Eine 61-jährige Patientin stellt sich in Ihrer internistischen Fachpraxis vor, da sie in den vergangenen 4 Monaten ungewollt 12 kg abgenommen hat. Sie führen zur weiteren Abklärung unter anderem eine Gastroskopie durch
und sehen eine ulzerierende Raumforderung an
der kleinen Kurvatur. Die histologische Untersuchung einer Biopsie aus dem suspekten Areal
ergibt den Befund eines Adenokarzinoms.
93.1
Fall
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 5) schlagen Sie für das
Staging des Magenkarzinoms vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
93
94
93.2
Welche 6 Präkanzerosen des Magenkarzinoms kennen Sie?
93.3
Welche anderen deutlich selteneren malignen Raumforderungen können
im Magen gefunden werden?
93.4
Was ist die Therapie der Wahl des Magenkarzinoms bei einem kurativen
Therapieansatz (z. B. Stadium IA oder B nach UICC)?
Antworten und Kommentar Seite 312
Fall 94
45-jähriger Patient mit Fieber und Husten
94.1
Fall
Bei einem 45-jährigen Patienten wurde aufgrund einer akuten myeloischen Leukämie eine
allogene Stammzelltransplantation durchgeführt. 6 Wochen nach Durchführung der Transplantation stellt sich der Patient in Ihrer internistischen Fachpraxis wegen neu aufgetretenen
Fiebers und nicht-produktivem Husten vor. Die
Röntgenaufnahme des Thorax zeigt beidseitige
interstitielle pulmonale Infiltrationen (Ausschnitt s. Abb. 94.1). Sie führen eine serologische Erregerdiagnostik durch und veranlassen
eine stationäre Aufnahme des Patienten. Der
erste Befund, den Sie vom Labor erhalten, zeigt,
dass das Serum des Patienten IgG-Antikörper
gegen das Zytomegalievirus (CMV) enthält.
Abb. 94.1 RöntgenThorax p. a.: interstitielle Infiltration
Können Sie bereits eine Diagnose stellen? Begründen Sie Ihre Aussage!
94.2
Ist zum Nachweis einer floriden CMV-Infektion eine ergänzende Diagnostik
erforderlich?
94.3
Welche 4 Befunde fallen im Blutbild und Differenzialblutbild bei einer
CMV-Infektion, unabhängig von einer Begleiterkrankung, häufig auf?
94.4
Wie kann eine CMV-Infektion medikamentös behandelt werden?
Antworten und Kommentar Seite 313
94
95
Fall 95
55-jähriger Patient mit Husten, Nachtschweiß und Gewichtsverlust
Fall
95
Ein 55-jähriger Patient wird vom Hausarzt
wegen seit 4 Wochen bestehenden Hustens,
Nachtschweiß und allgemeiner körperlicher
Abgeschlagenheit in Ihre Klinik eingewiesen
und kommt zu Ihnen auf die Station. Zudem habe er in den vergangenen 4 Monaten insgesamt
10 kg Gewicht abgenommen. An Vorerkrankungen sind eine Leberzirrhose und ein chronischer
Alkoholabusus bekannt. Der Patient nimmt
10 mg Prednisolon täglich ein, da sein Nachbar
(Gynäkologe) aufgrund des Hustens das Vorliegen einer chronischen Bronchitis vermutet habe. Die unter dem V. a. eine Lungenentzündung
durchgeführte Therapie mit Amoxicillin habe
die Beschwerden nicht gebessert. Bei der körperlichen Untersuchung des Patienten (Größe
173 cm, Gewicht 53 kg) fallen Ihnen ein kachektischer Habitus und einzelne Rasselgeräusche
im Oberfeld der linken Lunge auf. Die Körpertemperatur beträgt 38,1 ⬚C (rektal gemessen),
der Blutdruck 110/60 mmHg, die Herzfrequenz
95/min (rhythmisch). Auf der Röntgenaufnahme des Thorax zeigt sich eine Verschattung in
Projektion auf das linke Lungenoberfeld. Die Labordiagnostik ergibt folgende Befunde: BSG
65 mm n.W., CRP 36 mg/l, Hämoglobin 11,3 g/dl,
MCV 103 fl, Leukozyten 9800/µl, GOT 78 U/l,
GPT 67 U/l, γ-GT 229 U/l.
96
95.1
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Begründen Sie Ihre Vermutung!
95.2
Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 3) schlagen Sie zur
Sicherung der Diagnose vor?
95.3
Wie wird die Erkrankung üblicherweise behandelt?
95.4
Welche 2 typischen Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente machen
eine fachärztliche Untersuchung vor Einleitung der Therapie und im Verlauf
erforderlich?
Antworten und Kommentar Seite 314
Fall 96
58-jährige Patientin mit Herzinsuffizienz und Z. n. Lungenembolie
nol) als Dauerinfusion. Unter dieser Therapie
liegt der Blutdruck bei 90/40 mmHg. Die Patientin ist schläfrig und reagiert kaum auf Ansprache, die Atmung ist vertieft und etwas beschleunigt. Der diensthabende chirurgische
Kollege ruft Sie, da ihn die jüngste Blutgasanalyse beunruhigt: pH 7,13, pO2 50,2 mmHg, pCO2
28 mmHg, HCO3– 11 mmol/l, Sauerstoffsättigung 84%.
Fall
Sie werden im Nachtdienst auf die chirurgische
Intensivstation gerufen. Dort treffen Sie eine
58-jährige Patientin an, die wegen einer
Lungenembolie nach operativem Hüftgelenkersatz behandelt wird. An weiteren Vorerkrankungen sind eine chronische Niereninsuffizienz
(Kreatinin aktuell 4,7 mg/dl), ein Diabetes mellitus Typ II und eine chronische Herzinsuffizienz (bei KHK) bekannt. Aufgrund einer Hypotonie erhält die Patientin Noradrenalin (Artere-
96.1
Interpretieren Sie die Blutgasanalyse im Hinblick auf den Gasaustausch und
den Säure-Basen-Haushalt! Begründen Sie Ihre Interpretation anhand der Messwerte!
96.2
Was ist bei der beschriebenen Patientin die wahrscheinlichste Ursache der
Störungen des Säure-Basen-Haushaltes? Begründen Sie Ihre Vermutung! Welcher
diagnostische Test würde Ihre Verdachtsdiagnose wahrscheinlicher machen?
96.3
Welche anderen 4 Ursachen für diese Störung des Säure-Basen-Haushaltes
kennen Sie?
96.4
Wie nennt man den Atemtyp der Patientin?
Antworten und Kommentar Seite 316
96
97
Fall 97
66-jähriger Patient mit retrosternalem Druckgefühl
Fall
97
98
Ein 66-jähriger Patient stellt sich wegen eines
starken retrosternalen Druckgefühls mit Ausstrahlung in den Hals und beide Arme bei Ihnen
in der Notaufnahme vor. Ähnliche Beschwerden
seien zuletzt zunehmend bei Belastung aufgetreten. Im Gegensatz zu früheren Schmerzereignissen habe das Nitro-Spray heute keine Linderung gebracht. Als Vorerkrankungen sind eine arterielle Hypertonie und Herzrhythmusstörungen bekannt. Die Medikation bestand zuletzt aus Furosemid und Sotalol. Sie leiten als
erstes ein EKG ab (Abb. 97.1 a). Während der
körperlichen Untersuchung wird der Patient
kreislaufinstabil und bewusstlos. Er wird an den
EKG-Monitor angeschlossen; Abb. 97.1 b zeigt
einen Monitorausdruck.
a
b
Abb. 97.1 EKG: a) bei stabilem Kreislauf abgeleitetes EKG, b) Monitorausdruck des beim kreislaufinstabilen, bewusstlosen Patienten abgeleiteten EKGs
97.1
Beschreiben Sie kurz die wesentlichen Befunde des zuerst abgeleiteten
EKGs (Abb. 97.1 a) und stellen Sie eine Verdachtsdiagnose!
97.2
Welche Herzrhythmusstörung zeigt der Monitorausdruck (Abb. 97.1 b)?
97.3
Nennen Sie 3 Ursachen, die möglicherweise zur Entwicklung dieser
Herzrhythmusstörung beigetragen haben, und erläutern Sie den jeweiligen
Pathomechanismus!
97.4
Was ist die Therapie der Wahl zur Behandlung dieser Herzrhythmusstörung?
Antworten und Kommentar Seite 317
Fall 98
81-jährige Patientin mit Blut im Stuhl
Eine 81-jährige Patientin kommt zum ersten
Mal in Ihre hausärztliche Praxis und klagt über
wiederholte Blutauflagerungen (angeblich hellrot) auf dem Stuhl. Ansonsten fühle sie sich
wohl. Sie habe regelmäßig Stuhlgang und neige
nicht zu Obstipation oder Diarrhöen. Außer ei-
nem diätetisch eingestellten Diabetes mellitus
Typ II sind keine Vorerkrankungen bekannt. Die
orientierende körperliche Untersuchung ergibt
keinen pathologischen Befund. Die Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut fällt positiv
aus.
98.1
Fall
Nennen Sie die 6 häufigsten Ursachen einer peranalen Blutung in dieser
Altersklasse!
98
99
98.2 Welchen 2 Untersuchungen räumen Sie zur weiteren Abklärung oberste
Priorität ein?
98.3
Welche 3 diagnostischen Methoden stehen zur Verfügung, falls diese
Untersuchungen keinen pathologischen Befund zeigen?
98.4
Nennen Sie mögliche Verfahren zur Behandlung von Hämorrhoiden! Wann
kommen die jeweiligen Verfahren bevorzugt zum Einsatz?
Antworten und Kommentar Seite 318
Fall 99
55-jähriger Patient mit Hypertonie, Proteinurie und Erythrozyturie
Ein 55-jähriger Patient sucht Ihre internistische
Fachpraxis auf, da bei einer Blutdruckmessung
in einer Apotheke erhöhte Werte festgestellt
worden seien. Sie messen einen Blutdruck von
160/95 mmHg am rechten und 165/95 mmHg
am linken Arm. Im Rahmen der weiteren Diagnostik führen Sie eine Urinuntersuchung durch.
Die zweimalige Urindiagnostik bringt folgende
Befunde: über 250 Erythrozyten pro Gesichts-
feld, Leukozyten negativ, Protein stark positiv,
Nitirit negativ, keine Bakterien. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Urins sehen Sie
dysmorphe Erythrozyten und Erythrozytenzylinder. Die Proteinausscheidung im 24-Stunden-Sammelurin beträgt 1,3 g. Sonographisch
sind die Nieren gering vergrößert, das Parenchym wirkt leicht echoarm. Konkremente und
Harnstau sind nicht nachweisbar.
Fall
99
99.1
Nennen Sie Formen und Ursachen einer Erythrozyturie!
99.2
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose bei diesem Patienten?
100
99.3 Sie fordern zur weiteren Abklärung eine Urinproteinelektrophorese an. Der
Nachweis welcher Proteine spricht für eine glomeruläre bzw. eine tubuläre
Proteinurie?
!!!
99.4
Zur definitiven Ursachenklärung führen Sie eine Nierenbiopsie durch.
Welche Informationen liefert Ihnen die Immunhistochemie?
Antworten und Kommentar Seite 319
Fall 100
69-jährige Patientin mit Nasen- und Zahnfleischbluten
der körperlichen Untersuchung zeigt sich eine
blasse Patientin in reduziertem Allgemeinzustand mit sonst unauffälligem Befund. Das Blutbild zeigt folgende Befunde: Hb 8,5 g/dl, Erythrozyten 2,8 Mio/µl, Leukozyten 1700/µl, Thrombozyten 28 000/µl, MCH 31 pg, MCV 110 fl, Retikulozyten 1/1000 Erythrozyten (Normbereich
3 – 18/1000 Erythrozyten), kein Nachweis von
Blasten im Ausstrichpräparat.
Fall
Eine 69-jährige Patientin stellt sich wegen seit
Wochen rezidivierenden und anhaltenden Nasen- und Zahnfleischblutens in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Darüber hinaus fühle sie sich
häufig schlapp und müde. Wegen wiederholter
Atemwegs- und Harnwegsinfektionen habe sie
zuletzt wiederholt Antibiotika aus dem Bestand
ihres Ehemanns eingenommen. 1 Jahr zuvor sei
wegen eines bösartigen Tumors eine Strahlenund Chemotherapie durchgeführt worden. Bei
100.1 Nennen Sie Ihre primäre Verdachtsdiagnose sowie Differenzialdiagnosen!
100
101
100.2 Welchen Befund der Knochenmarkzytologie erwarten Sie, falls Ihre primäre
Verdachtsdiagnose zutrifft?
100.3 Wie wird die Erkrankung klassifiziert? Nennen Sie die Subtypen!
Antworten und Kommentar Seite 321
Fall 101
Beratungsgespräch bezüglich Cholera
Ein 29-jähriger beschwerdefreier Mann sucht
Sie in Ihrer hausärztlichen Praxis auf, da er in
Kürze im Rahmen seiner Tätigkeit als Entwicklungshelfer zu einem 6-monatigen Aufenthalt
in eine Region Nordindiens aufbrechen wird, in
der die Cholera gehäuft auftrete. Der Patient
möchte sich deshalb beraten lassen.
101.1 Was ist die Ursache der Cholera?
Fall
101
102
101.2 Bei welchen Symptomen muss an eine Cholera gedacht werden?
101.3 Was empfehlen Sie dem Patienten für den Fall, dass diese Symptome
auftreten?
101.4 Wie ist die Prognose der Erkrankung?
101.5 Sollte sich der Patient zum Schutz vor einer Cholera impfen lassen?
Antworten und Kommentar Seite 322
Fall 102
74-jährige Patientin mit Obstipation und Herzrhythmusstörungen
fallen Ihnen zahlreiche Extrasystolen auf. Der
EKG-Monitor in der Notaufnahme zeigt in der
Standardableitung polymorphe ventrikuläre
Extrasystolen und den in Abb. 102.1 dargestellten Stromkurvenverlauf.
Fall
Eine 74-jährige Patientin stellt sich wegen Übelkeit, Herzstolpern und Herzrasen bei Ihnen in
der Notaufnahme vor. 10 Tage zuvor habe sie am
Abend eine Schwellung der Füße bemerkt. Sie
habe daraufhin täglich zwei „Wassertabletten“
ihres „nierenkranken“ Ehemanns eingenommen. Die Patientin überreicht Ihnen eine leere
Schachtel „Furosemid 250 mg“. An einer chronischen Verstopfung leide sie schon lange und
nehme regelmäßig Laxanzien ein. Trotzdem habe sie nun schon seit 6 Tagen keinen Stuhlgang
mehr gehabt, müsse aber oft Wasser lassen und
fühle sich zunehmend schwach. Seit 3 Tagen
bemerke sie nun ständig Herzstolpern und
Herzrasen. Bei der körperlichen Untersuchung
102
Abb. 102.1
EKG
103
102.1 Was ist sehr wahrscheinlich Ursache der von der Patientin beklagten
Beschwerden? Begründen Sie Ihre Vermutung!
102.2 Welche weiteren 6 Ursachen für diese „Störung“ kennen Sie?
102.3 Wie würden Sie die Patientin behandeln, falls Ihre Verdachtsdiagnose
zutrifft?
Antworten und Kommentar Seite 323
Fall 103
53-jähriger Patient mit Dysphagie
Ein 53-jähriger Patient stellt sich wegen seit
Wochen bestehender, retrosternal lokalisierter
Schluckbeschwerden in Ihrer hausärztlichen
Praxis vor. Er sei nur noch in der Lage, breiförmige Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen. In den vergangenen 3 Monaten habe er
18 kg Gewicht verloren. An Vorerkrankungen
sind eine Leberzirrhose bei chronischem Alko-
Fall
103
holabusus und eine Hyperurikämie bekannt.
Der Patient raucht seit vielen Jahren täglich eine
Schachtel Zigaretten. Abgesehen vom geringen
Körpergewicht (49 kg bei 179 cm Körpergröße)
ergibt die körperliche Untersuchung keine Auffälligkeiten. In der Labordiagnostik fällt eine
Anämie (Hb 9,8 g/dl) auf, das MCV ist erniedrigt.
103.1 Welche Erkrankung könnte bei diesem Patienten vorliegen?
104
103.2 Welche ist die wichtigste Untersuchung zur Diagnosesicherung?
103.3 Welche 4 Untersuchungen sind bei gesicherter Diagnose noch sinnvoll?
103.4 Wie breitet sich die Erkrankung typischerweise im Körper aus?
Antworten und Kommentar Seite 325
Fall 104
25-jährige Patientin mit schmerzhafter Schwellung des linken Sprunggelenks
Fall
Eine 25-jährige Patientin stellt sich wegen einer
schmerzhaften Schwellung des linken Sprunggelenks in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Die
Gelenkschwellung sei spontan aufgetreten, ein
Trauma sei nicht erinnerlich. Bei der körperlichen Untersuchung fallen Ihnen an beiden Unterschenkeln streckseitig mehrere subkutane,
rötlich-livide Knoten auf. Im Röntgen-Thorax
zeigt sich ein auffälliger Befund (Abb. 104.1). In
der primären Labordiagnostik sind folgende
Werte pathologisch: BSG 60 mm n.W., CRP
24 mg/l, Kalzium 2,7 mmol/l.
104
Abb. 104.1
Röntgen-Thorax p. a.
104.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
104.2 Welche pulmonalen und extrapulmonalen Manifestationen der Erkrankung
kennen Sie?
104.3 Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 3) schlagen Sie zur
Sicherung der Diagnose vor und welches Ergebnis erwarten Sie?
Antworten und Kommentar Seite 326
105
Fall 105
63-jähriger Patient mit Halbseitenlähmung rechts und Sprachstörung
Fall
105
106
Ein 63-jähriger Patient wird vom Rettungsdienst in die Notaufnahme gebracht. Nach Angaben der in der Zwischenzeit ebenfalls eingetroffenen Angehörigen ist der Patient beim Spazierengehen zusammengesackt und kann seither die rechte Körperhälfte nicht mehr bewegen und nicht mehr sprechen. An Vorerkrankungen sind eine arterielle Hypertonie und ein
Diabetes mellitus bekannt. Zuletzt wurde der
Patient mit Captopril, Digitoxin und Glibenclamid behandelt. Aktuell ist der Patient somnolent und reagiert kaum auf Ansprache. Der Blutdruck beträgt 180/100 mmHg. Bei der körperli-
chen Untersuchung zeigt sich eine Hemiparese
rechts. Abb. 105.1 zeigt das EKG bei Aufnahme.
Abb. 105.1
EKG
105.1 Welchen laborchemischen Test müssen Sie bei dem Patienten sofort
durchführen?
105.2 Welche Diagnose ist in Anbetracht des EKG-Befundes am
wahrscheinlichsten?
105.3 Welche weiteren diagnostischen Maßnahmen (mindestens 7) sind
erforderlich? Begründen Sie Ihre Aussage!
Weiterführende Untersuchungen zeigen einen frischen Hirninfarkt im Stromgebiet der linken A.
cerebri media.
105.4 Unter welchen Umständen würden Sie eine Thrombolysetherapie
durchführen?
Die Schwester in der Notaufnahme weist Sie auf den auch bei Kontrolle erhöhten Blutdruck hin
(nun 185/95 mmHg), da sie befürchtet, dass ein erhöhter Hirndruck auftritt.
105.5 Was unternehmen Sie?
Antworten und Kommentar Seite 327
!!!
Fall 106
45-jähriger Patient mit Gesichtsrötung, Tachykardie und Hypertonie
Ein 45-jähriger Patient stellt sich in Ihrer hausärztlichen Praxis vor, weil seit wenigen Wochen
anfallsweise Gesichtsrötung, Herzrasen, Durchfälle und Bauchschmerzen wechselnder Intensität sowie Luftnot auftreten. Die Beschwerden
träten schubweise und unabhängig von äußeren Umständen wie Nahrungsaufnahme, Wet-
ter oder Jahreszeit auf. Seit Beginn der Beschwerden habe er 5 kg Gewicht verloren. Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung fällt ein arterieller Hypertonus auf (180/90 mmHg). Eine Röntgenaufnahme des Thorax zeigt einen unauffälligen
kardiopulmonalen Befund.
Patienten erklären könnte!
Fall
106.1 Nennen Sie mindestens eine Erkrankung, welche die Symptomatik des
106
107
106.2 Welche Untersuchung schlagen Sie als Suchtest zur weiteren Abklärung
vor?
106.3 Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 4) sind erforderlich, wenn
der Suchtest positiv ausfällt?
106.4 Wo ist die vermutete Erkrankung am häufigsten lokalisiert?
106.5 Was muss eintreten, damit die vermutete Erkrankung symptomatisch wird?
Antworten und Kommentar Seite 329
Fall 107
67-jähriger Patient mit Herzrasen und Luftnot
5 Tage nach einer aortokoronaren Bypassoperation klagt ein 67-jähriger Patient über Herzrasen und Luftnot. Sie fertigen ein EKG an
(Abb. 107.1).
Fall
107
108
Abb. 107.1
EKG
107.1 Welche Diagnose stellen Sie? Begründen Sie Ihre Aussage anhand des
EKG-Befundes!
107.2 Welche Therapiemöglichkeiten bestehen?
107.3 Welche therapeutische Maßnahme ergreifen Sie, wenn die
Herzrhythmusstörung wiederholt auftritt?
Antworten und Kommentar Seite 330
Fall 108
71-jährige Patientin mit postoperativem Husten, Fieber und Thoraxschmerzen
Fall
Als internistischer Konsiliarius werden Sie auf
die chirurgische Station gerufen, weil eine 71jährige Patientin (Größe 165 cm, Gewicht 85 kg)
am 4. postoperativen Tag nach Implantation einer Hüftendoprothese über Husten und Auswurf sowie akut einsetzende rechtsthorakale
Schmerzen klagt. Die thorakalen Schmerzen
lassen während der weiteren stationären Behandlung etwas nach, der Husten hält jedoch an
und es treten Luftnot und Fieber bis 39,1 ⬚C auf.
Die Blutgasanalyse zeigt folgenden Befund: pH
7,40, pO2 59 mmHg, pCO2 29 mmHg, Sauerstoffsättigung 91%. Die Patientin gibt an, dass der
Auswurf initial, abgesehen von einzelnen roten
Stippchen, klar gewesen sei, nun jedoch gelblich verfärbt sei. Sie veranlassen daraufhin eine
Röntgenaufnahme des Thorax (Abb. 108.1).
Abb. 108.1
Röntgen-Thorax p. a.
108
109
108.1 Stellen Sie eine Verdachtsdiagnose!
108.2 Welche 5 Untersuchungen (in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens)
schlagen Sie zur Sicherung Ihrer Verdachtsdiagnose vor? Begründen Sie Ihren
Vorschlag!
108.3 Welche therapeutischen Maßnahmen schlagen Sie vor, falls Ihre
Verdachtsdiagnose zutrifft?
108.4 Erklären Sie in wenigen Stichworten die Pathogenese dieser
Lungenerkrankung! Was ist die Ursache der „roten Stippchen“ in der Anamnese?
Antworten und Kommentar Seite 331
Fall 109
28-jähriger Patient mit erhöhten Leberwerten
Ein 28-jähriger Patient wird mit der Einweisungsdiagnose „erhöhte Leberwerte“ in Ihre
Klinik aufgenommen und kommt zu Ihnen auf
Station. Der Patient hatte sich zuvor wegen allgemeiner Abgeschlagenheit, Gelenkschmerzen
und Appetitlosigkeit bei seinem Hausarzt vor-
gestellt. Der körperliche Untersuchungsbefund
ist bis auf einen diskreten Sklerenikterus unauffällig. Die Labordiagnostik ergibt folgende Befunde: GOT 554 U/l, GPT 793 U/l, Bilirubin gesamt 2,2 mg/dl, γ-GT 46 U/l.
Fall
109.1 Welche Formen und Ursachen einer Hepatitis kennen Sie?
109
110
109.2 Welche Laborparameter bestimmen Sie bei V. a. Hepatitis B und welches
Ergebnis erwarten Sie bei einer akuten (!) Infektion?
109.3 Wie wird eine akute (!) Hepatitis B behandelt?
109.4 Welche Formen einer Hepatitis-B-Impfung gibt es? Nennen Sie die
Indikationen!
109.5 Woran „erkennen“ Sie einen infektiösen Patienten, einen chronischen
Verlauf bzw. einen asymptomatischen Hbs-Ag-Träger?
Antworten und Kommentar Seite 333
Fall 110
49-jährige Patientin mit Leistungsminderung und Kopfschmerzen
bordiagnostik fallen folgende Befunde auf: Hb
9,2 g/dl, Kreatinin 3,9 mg/dl, Harnstoff 91 mg/
dl. Im Urinsediment finden sich eine nichtdysmorphe Erythrozyturie und eine Leukozyturie.
Die Urindiagnostik zeigt eine Eiweißausscheidung von 1,4 g/d mit tubulärem Muster. Sie führen daraufhin eine Abdomensonographie durch
und sehen beidseits verkleinerte Nieren mit
Verkalkungsstrukturen an der Mark-RindenGrenze.
110.1 Welche Erkrankung liegt wahrscheinlich vor und was ist die Ursache?
Fall
Eine 49-jährige Patientin sucht wegen Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und
Müdigkeit Ihre hausärztliche Praxis auf. Die Patientin leidet seit Jahren an Kopfschmerzen und
nimmt daher fast täglich 4 – 6 g Paracetamol
und 1 – 2 g Acetylsalicylsäure ein. Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie eine blasse
Patientin in reduziertem Allgemeinzustand. Die
körperliche Untersuchung ist bis auf einen Blutdruck von 190/110 mmHg unauffällig. In der La-
110
111
110.2 Nennen Sie mindestens 3 weitere mögliche Ursachen dieser Erkrankung!
110.3 Die Patientin fragt Sie, wie die Erkrankung behandelt werden soll. Wie
lautet Ihre Antwort?
110.4 Wie ist die Prognose einzuschätzen?
Antworten und Kommentar Seite 334
Fall 111
58-jähriger Patient mit Gewichtsverlust und Ikterus
Ein 58-jähriger Patient wird vom Hausarzt wegen eines Gewichtsverlusts von 20 kg in den
vergangenen 3 Monaten in Ihre Klinik eingewiesen und kommt auf Ihre Station. Er berichtet
über wechselnde leichte Oberbauchschmerzen
sowie eine zunehmende Schwäche und Übelkeit. Aus der Vorgeschichte sind ein chronischer
Alkoholabusus und eine chronische Pankreati-
tis bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung
fällt Ihnen ein Ikterus von Haut und Skleren auf.
Die Bauchdecken sind weich, die Gallenblase ist
prallelastisch palpabel. In der Sonographie des
Abdomens zeigen sich eine Erweiterung der
extrahepatischen Gallengänge und eine etwa
5 cm große, unregelmäßige Verdickung im Bereich des Pankreaskopfes.
Fall
111.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
111
112
111.2 Welche weitere Diagnostik schlagen Sie vor? Begründen Sie jede von Ihnen
vorgeschlagene Maßnahme. Unter welcher Fragestellung führen Sie die Maßnahmen
durch?
111.3 Wie schätzen Sie die Prognose des Patienten ein?
!!!
111.4 Wie bezeichnet man die Konstellation aus Ikterus und schmerzloser
prallelastisch palpabler Gallenblase?
Antworten und Kommentar Seite 335
Fall 112
Ca. 50-jähriger Patient mit Synkope
Sie werden als Notarzt zu einem auf dem Bürgersteig liegenden ca. 50-jährigen Patienten gerufen, der laut Auskunft der Umstehenden bewusstlos zusammengebrochen ist. Der Patient
reagiert nicht auf Ansprache und zeigt keine
Eigenatmung. Blutdruck und Puls sind nicht
messbar. Abb. 112.1 zeigt die Ableitung des
EKGs.
Fall
Abb 112.1
EKG
112
113
112.1 Welche Herzrhythmusstörung liegt vor?
112.2 Nennen Sie mindestens 4 Ursachen, welche die Entstehung einer solchen
Herzrhythmusstörung begünstigen!
112.3 Machen Sie einen Therapievorschlag und begründen Sie die Reihenfolge
Ihres Vorgehens!
112.4 Was ist, unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung, die Therapie
der Wahl, um nach erfolgreicher Therapie der Herzrhythmusstörung die Prognose des
Patienten zu verbessern?
Antworten und Kommentar Seite 337
Fall 113
62-jähriger somnolenter Patient mit Luftnot
Ein 62-jähriger Patient wird vom Notarzt wegen in den Stunden zuvor zunehmender Schläfrigkeit und Luftnot zu Ihnen in die Notaufnahme gebracht. Der Patient ist somnolent und reagiert kaum auf Ansprache. Nach Angaben der
Ehefrau hat ihr Mann schon seit mehreren Tagen über Luftnot geklagt und viel gehustet. Eine
chronisch obstruktive Lungenerkrankung ist
seit vielen Jahren bekannt. Die Therapie erfolg-
te bisher mit Prednisolon 20 mg/d, Theophyllin
(zuletzt pro Tag 4 ⫻ 500 mg) und Sultanol zur
Inhalation. Die Atmung ist flach, das Atemgeräusch seitengleich und leise. Am EKG-Monitor
sehen Sie multiple ventrikuläre Extrasystolen.
Sie führen eine Blutgasanalyse durch, die folgendes Ergebnis zeigt: pH 7,17, pO2 47,9 mmHg,
pCO2 96,2 mmHg, Bikarbonat 34 mmol/l, Sauerstoffsättigung 70%.
Fall
113
113.1 Interpretieren Sie die Blutgasanalyse im Hinblick auf den Gasaustausch und
den Säure-Basen-Haushalt!
114
113.2 Welche therapeutische Maßnahme hat in der beschriebenen Situation
Vorrang? Begründen Sie Ihre Aussage!
113.3 Nennen Sie 3 mögliche Ursachen für die Herzrhythmusstörungen des
Patienten! Woraus leiten Sie Ihre Vermutung ab?
Antworten und Kommentar Seite 338
Fall 114
34-jähriger Patient mit Bauchschmerzen
Ein 34-jähriger Patient stellt sich an einem Freitag gegen 20.00 Uhr mit krampfartigen Bauchschmerzen bei Ihnen in der Notaufnahme vor.
Er berichtet zudem über seit mehreren Tagen
bestehende blutige Durchfälle. Ähnliche Beschwerden habe er schon häufiger gehabt. Er
werde deshalb medikamentös behandelt. Derzeit nehme er Mesalazin und Budesonid
(Schaum) ein. Auf der Einweisung des Hausarztes steht „chronisch-entzündliche Darmerkrankung“. In der Labordiagnostik fällt eine deutliche Erhöhung der alkalischen Phosphatase auf.
Darmerkrankungen“ bezeichnet?
Fall
114.1 Welche Erkrankungen werden als „chronisch-entzündliche
114
115
114.2 Wie unterscheidet sich das klinische Bild dieser Erkrankungen? Denken
Sie z. B. an das Befalls- und Ausbreitungsmuster, eine eventuelle Fistelbildung und den
radiologischen und endoskopischen Befund!
114.3 Nennen Sie typische extraintestinale Manifestationen der
chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen!
114.4 Welche mit der „chronisch-entzündlichen Darmerkrankung“ assoziierte
Erkrankung ist wahrscheinlich für die Erhöhung der alkalischen Phosphatase
verantwortlich?
Antworten und Kommentar Seite 339
Fall 115
27-jähriger Patient mit Pruritus und Husten
Ein 27-jähriger Patient stellt sich in Ihrer hausärztlichen Praxis vor, weil er in den zurückliegenden Monaten mehrfach Episoden von Herzrasen, Husten, Brennen der Mundschleimhaut,
Übelkeit und vermehrtem Tränenfluss erlebt
habe. Während dieser „Anfälle“ sind dem Patienten leicht juckende und erhabene rote Fle-
cken an der Haut aufgefallen. Die Attacken seien
vor allem freitags aufgefallen, wenn in der Kantine meist Fisch serviert werde. Aktuell ist der
Patient beschwerdefrei. Der körperliche Untersuchungsbefund und die Laboruntersuchung
(Blutbild, Elektrolyte, Nierenretentionsparameter, Leberenzyme) sind unauffällig.
Fall
115.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
115
116
115.2 Welche 4 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie vor?
115.3 Der Patient fragt Sie nach einer Therapie. Wie beraten Sie ihn?
Antworten und Kommentar Seite 341
Fall 116
83-jährige Patientin mit Synkope
Patientin über Schmerzen in der linken Leiste
sowie Schwindel und geringe Luftnot. Die Notfall-Labordiagnostik zeigt keine Auffälligkeiten.
Abb. 116.1
EKG; E = Eichzacke
Fall
Als internistischer Konsiliarius werden Sie auf
die chirurgische Station gerufen, weil der chirurgische Kollege Ihre Stellungnahme zu einem
präoperativen EKG (Abb. 116.1) einer 83-jährigen Patientin haben will, die sich bei einem
Sturz eine Oberschenkelhalsfraktur zugezogen
hat. Nach Angaben der Angehörigen habe die
Patientin über Schwindel geklagt, sei dann zu
Boden gestürzt und habe etwa 30 Sekunden
nicht auf Ansprache reagiert. Aktuell klagt die
116
116.1 Welche Diagnose stellen Sie?
117
116.2 Nennen Sie 5 Ursachen dieser Herzrhythmusstörung!
116.3 Welche Schweregrade dieser Herzrhythmusstörung gibt es und wie
unterscheiden sich diese im EKG?
116.4 Welche Therapie schlagen Sie für die einzelnen Schweregrade der
Herzrhythmusstörung vor?
Antworten und Kommentar Seite 343
Fall 117
36-jähriger Patient mit vergrößerter Leber und erhöhtem Blutzucker
Fall
117
118
Ein 36-jähriger Patient stellt sich in Ihrer hausärztlichen Praxis vor, da im Rahmen einer Einstellungsuntersuchung eine Vergrößerung der
Leber sowie eine Erhöhung des Blutzuckers
festgestellt worden sei. Der Patient fühlt sich
subjektiv beschwerdefrei, allerdings habe die
allgemeine Leistungsfähigkeit in den letzten
Monaten nachgelassen. Vorerkrankungen sind
nicht bekannt. Medikamente nimmt der Patient
nicht ein und auch ein regelmäßiger Alkoholkonsum wird verneint. Bei der körperlichen Untersuchung tasten Sie die Leber in der Medio-
klavikularlinie etwa 2 cm unter dem Rippenbogen. Sie ist mäßig konsistenzvermehrt. Zudem
fällt Ihnen eine intensive bräunliche Pigmentierung der Haut auf. Die Labordiagnostik zeigt folgende Befunde (nüchtern): Glukose 167 mg/dl
(Kontrolle 181 mg/dl), GOT und GPT normwertig, Cholinesterase (CHE) leicht vermindert, Hb
15,1 g/dl, Leukozyten 8990/µl, Thrombozyten
16 7000/µl, Ferritin 891 µg/l, Eisen 400 µg/l,
HbA1 c 9,2%. Die Transferrinsättigung beträgt
86%.
117.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Welche klinischen und laborchemischen
Befunde unterstützen Ihre Vermutung?
117.2 Wie können Sie Ihre Verdachtsdiagnose sichern?
117.3 Was ist die Therapie der Wahl?
117.4 Welche 5 Parameter werden zur Einteilung des Schweregrades einer
Leberzirrhose nach Child-Pugh herangezogen?
Antworten und Kommentar Seite 344
Fall 118
23-jährige Patientin mit akuter Luftnot
Am ersten Mai kommt eine 23-jährige Patientin
wegen einer akuten Luftnotattacke zu Ihnen in
die Notaufnahme. Sie berichtet, dass sie seit Anfang April an anfallsweise auftretender Luftnot
leide, welche meist mit Husten und glasig-zähem Auswurf einhergehe. Fieber, Nachtschweiß, thorakale Schmerzen oder Gewichtsverlust werden verneint. Außer einem Heuschnupfen seien keine Vorerkrankungen be-
kannt. Bei der Auskultation der Lunge hören Sie
ein vesikuläres Atemgeräusch mit verlängertem exspiratorischem Anteil sowie Giemen und
Brummen während der Exspiration. Der Blutdruck beträgt 150/80 mmHg, die Herzfrequenz
120/min (rhythmisch). Die Blutgasanalyse zeigt
folgenden Befund: pH 7,40, pO2 66 mmHg, pCO2
32 mmHg, Sauerstoffsättigung 92%.
Fall
118.1 Welche Diagnose stellen Sie?
118
119
118.2 Welche Formen dieser Erkrankung gibt es? Nennen Sie auslösende
Faktoren!
118.3 Welche Untersuchungen sollten zur Diagnosesicherung und zur Suche nach
Auslösern erfolgen?
118.4 Welche Therapie schlagen Sie in Abhängigkeit von der Aktivität der
Erkrankung vor?
118.5 Kann man bei dieser Patientin ohne weitere Diagnostik einen
Therapievorschlag machen?
Antworten und Kommentar Seite 345
Fall 119
34-jährige Patientin mit chronischer Abgeschlagenheit und Müdigkeit
Fall
Eine 34-jährige Patientin stellt sich wegen seit
Monaten bestehender Abgeschlagenheit und
Müdigkeit in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. In
den vergangenen Wochen sei sie mehrfach kollabiert. Vorerkrankungen sind nicht bekannt.
Eine regelmäßige Medikation besteht nicht. Bei
der körperlichen Untersuchung fällt Ihnen eine
bräunliche Hyperpigmentierung am gesamten
Integument einschließlich Wangenschleimhaut
und Handlinie auf. Eine längere Sonnenexposition oder ein Solariumsbesuch hat aber nach
Angaben der Patientin nicht stattgefunden. Der
Blutdruck beträgt 85/45 mmHg, die Herzfrequenz 68/min. Der übrige kardiopulmonale Befund ist unauffällig. Die Labordiagnostik ergibt
folgende Auffälligkeiten: Natrium und Chlorid
i. S. vermindert, Kalium gering erhöht. Glukose
49 mg/dl, Aldosteron i. S. mäßig erniedrigt. Das
basale TSH, das Blutbild und die BSG sind normwertig. Im EKG zeigt sich ein normofrequenter
Sinusrhythmus bei sonst unauffälligem Stromkurvenverlauf.
119
119.1 Welche Erkrankung könnte hier vorliegen? Welche Symptome und Befunde
120
sprechen für Ihre Verdachtsdiagnose?
119.2 Mit welchen 5 Untersuchungen können Sie Ihre Verdachtsdiagnose
sichern?
119.3 Wie wird die Erkrankung behandelt?
!!!
119.4 Was ist ein Schmidt-Syndrom?
Antworten und Kommentar Seite 347
Fall 120
78-jähriger Patient mit Unterbauchschmerzen
Die Körpertemperatur beträgt 38,7 ⬚C. Die Labordiagnostik zeigt folgende Werte: Kreatinin
1,0 mg/dl, Kalium 4,6 mmol/l, CRP 124 mg/l,
Hämoglobin 11,2 g/dl, Leukozyten 14 000/µl,
Thrombozyten 367 000/µl. Der Urinstatus ist
unauffällig. Sonographisch zeigt sich an Nieren,
Leber und den abdominellen Gefäßen ein unauffälliger Befund, jedoch scheint ein längerer
Abschnitt des Sigmas und des Colon descendens zirkulär wandverdickt zu sein.
120.1 Nennen Sie die 3 Ihrer Ansicht nach wahrscheinlichsten
Differenzialdiagnosen!
Fall
Ein 78-jähriger Patient wird vom Hausarzt zur
Abklärung von seit mehreren Tagen bestehenden Schmerzen im linken Unterbauch in Ihre
Klinik überwiesen und kommt zu Ihnen auf Station. Außer den Schmerzen gibt der Patient einen Wechsel von Obstipationsneigung und
Durchfällen an. Bei der körperlichen Untersuchung tasten Sie eine walzenartige, erheblich
druckschmerzhafte Resistenz im linken Unterbauch. Die rektale Untersuchung ist unauffällig.
120
121
120.2 Welche Untersuchung hat Ihrer Ansicht nach die höchste Priorität bei der
weiteren Abklärung? Begründen Sie Ihre Aussage!
120.3 Nennen Sie mindestens 5 Komplikationen einer Divertikulitis!
120.4 Welche Therapieoptionen gibt es bei Divertikulitis?
Antworten und Kommentar Seite 348
Fall 121
19-jährige Patientin mit Ohnmachtsanfall
Sie werden als Notarzt zu einer 19-jährigen Patientin in die Umkleidekabine einer Sporthalle
gerufen. Die Patientin berichtet, ihr sei beim
Aufstehen von der Bank schwarz vor Augen geworden, dann könne sie sich an nichts mehr erinnern. Sie sei auf dem Boden liegend wieder zu
sich gekommen. Augenzeugen berichten, die
Patientin habe für einen Zeitraum von etwa
Fall
121
5 Sekunden nicht auf Ansprache reagiert. Vorerkrankungen sind nicht bekannt, jedoch gibt die
Patientin gelegentlichen Schwindel und Herzklopfen beim morgendlichen Aufstehen an. Der
Blutdruck beträgt 90/50 mmHg, die Herzfrequenz 95/min. Die übrige körperliche Untersuchung ist unauffällig.
121.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
122
121.2 Welche Differenzialdiagnosen müssen Sie berücksichtigen? Nennen Sie zu
jeder Differenzialdiagnose die wichtigste weiterführende Untersuchung!
Antworten und Kommentar Seite 350
Fall 122
57-jähriger Patient mit Fieberschüben
seiner Freizeit leidenschaftlicher Jäger (3 Wochen zuvor Rückkehr von der Büffeljagd in
Kenia). Nennenswerte Vorerkrankungen sind
nicht bekannt. Außer einem Multivitaminpräparat nimmt der Patient keine Medikamente
ein. Abgesehen von einer Ruhetachykardie um
90 Schläge/min ist der körperliche Untersuchungsbefund unauffällig. Die Labordiagnostik
zeigt folgende Befunde: BSG 78 mm n.W., CRP
56 mg/l, Hb 9,7 g/dl, Leukozyten 6700/µl,
Thrombozyten 123 000/µl, LDH 380 U/l.
Fall
Ein 57-jähriger Patient wird wegen seit 1 Woche bestehenden Fieberschüben vom Hausarzt
zur Abklärung in Ihre Klinik überwiesen und
kommt zu Ihnen auf Station. Die Beschwerdesymptomatik habe 10 Tage zuvor mit allgemeiner Abgeschlagenheit, Gelenk- und Muskelschmerzen begonnen. Seit 1 Woche träten zudem an jedem 2. Tag Schüttelfrost und hohes
Fieber bis 40,2 ⬚C auf, welches dann im Laufe der
Nacht abklinge. Aktuell kein Husten, keine Miktionsbeschwerden, keine abdominellen Beschwerden. Der Patient ist Rechtsanwalt und in
122
122.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
123
122.2 Welche Formen der Erkrankung kennen Sie, wodurch werden diese
ausgelöst und wie unterscheiden sie sich klinisch?
122.3 Wie kann die Diagnose gesichert werden?
122.4 Nennen Sie mindestens 3 Medikamente, die zur Therapie der Erkrankung
geeignet sind!
122.5 Bei Vorliegen welcher Begleiterkrankungen tritt die vermutete Erkrankung
weniger häufig auf?
Antworten und Kommentar Seite 351
Fall 123
50-jähriger Patient mit retrosternalen Schmerzen
Ein 50-jähriger Patient kommt wegen rezidivierender „brennender“ retrosternaler Schmerzen
in Ihre hausärztliche Praxis. Auf Nachfrage gibt
er an, dass die Beschwerden vor allem nachts
und gegen Mittag auftreten, nur selten bei körperlicher Anstrengung. Teilweise gehe der
Schmerz auch mit nicht-produktivem Husten
einher. Außer einer Adipositas (Body-Mass-Index 33 kg/m2) sind keine weiteren Erkrankun-
gen bekannt. Der Patient konsumiert regelmäßig Alkohol und raucht täglich 1 Schachtel Zigaretten. Der körperliche Untersuchungsbefund
ist unauffällig. Das Ruhe-EKG zeigt keinen pathologischen Befund. Im Belastungs-EKG ist der
Patient bis zu einer maximalen Herzfrequenz
von 145/min bei 100 Watt belastbar. Unter dieser Belastung finden sich keine Ischämiezeichen.
Fall
123
123.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
124
123.2 Welche 2 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie zur weiteren Abklärung
vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag und nennen Sie typische Befunde bei der
vermuteten Erkrankung!
123.3 Wie lautet Ihre Therapieempfehlung, falls die Verdachtsdiagnose zutrifft?
123.4 Was ist ein Barrett-Syndrom und was ist bei der Betreuung der Patienten zu
beachten?
Antworten und Kommentar Seite 353
Fall 124
76-jähriger Patient mit zunehmender Belastungsdyspnö und Schwächegefühl
Ein 76-jähriger Patient stellt sich wegen zunehmender Luftnot bei Belastung, Schwäche und
einer vermehrten Neigung zu Kopfschmerzen
und Schwindel im Ihrer hausärztlichen Praxis
vor. Als Basisdiagnostik veranlassen Sie eine
Röntgenaufnahme des Thorax, eine Echokardiographie, eine Blutgasanalyse und ein kleines
Blutbild. Die Röntgenaufnahme des Thorax und
die Echokardiographie erscheinen unauffällig.
Die Blutgasanalyse zeigt folgendes Resultat: pH
7,40, pO2 79 mmHg, pCO2 36 mmHg, Sauerstoffsättigung 96%. Das Blutbild liefert folgendes Ergebnis: Hb 19,8 g/dl, Hämatokrit 55%, Leukozyten 12 500/µl, Thrombozyten 450 000/µl.
Fall
124.1 Welche Erkrankung liegt wahrscheinlich vor?
124
125
124.2 Nennen Sie mindestens 4 Differenzialdiagnosen!
124.3 Nennen Sie 4 weitere typische Befunde bei dieser Erkrankung!
124.4 Welche Therapieverfahren kennen Sie? Was ist die Therapie der ersten
Wahl?
Antworten und Kommentar Seite 354
Fall 125
77-jährige Patientin mit Luftnot bei Belastung und im Liegen
Eine 77-jährige Patientin stellt sich erstmals
wegen einer seit längerem bestehenden Luftnot
bei körperlicher Anstrengung in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. In letzter Zeit trete die Luftnot
auch gelegentlich nachts auf. Vorerkrankungen
sind der Patientin nicht erinnerlich. Bei der Auskultation des Herzens hören Sie ein Decrescendogeräusch in der Diastole mit Punctum maxi-
mum über der Herzspitze und Fortleitung in die
linke Axilla sowie einen paukenden 1. Herzton.
Der Auskultationsbefund über der Lunge ist unauffällig. Der Blutdruck beträgt 150/85 mmHg,
die Herzfrequenz 96/min, es besteht eine Arrhythmie. Abb. 125.1 zeigt die Thorax-Röntgenaufnahme dieser Patientin.
Fall
125
126
a
b
Abb. 125.1
Röntgen-Thorax: a) p. a., b) seitlich
125.1 Stellen Sie eine Verdachtsdiagnose und begründen Sie Ihre Vermutung!
125.2 Welche weiteren Untersuchungen (mindestens 3) sind bei dieser Patientin
erforderlich? Begründen Sie, weshalb Sie die jeweilige Untersuchung veranlassen!
125.3 Welche Therapieverfahren kommen bei den verschiedenen Manifestationen
und Schweregraden der Erkrankung bevorzugt zur Anwendung?
Antworten und Kommentar Seite 356
Fall 126
48-jähriger Patient mit Oberbauchschmerzen und Durchfall
Alkoholabusus (1 Flasche Wodka und 8 Flaschen Bier pro Tag). An Vorerkrankungen kann
sich der Patient nicht erinnern, er sei aber auch
nie zum Arzt gegangen. Der Patient wirkt ungepflegt, sein Allgemeinzustand reduziert. Bei der
körperlichen Untersuchung fallen ein leicht reduzierter Ernährungszustand und eine leichte
Abwehrspannung der Bauchdecken auf, eine
Resistenz ist nicht zu tasten. Bei tiefer Palpation
ist ein Druckschmerz oberhalb des Bauchnabels
auslösbar. Die Peristaltik ist regelrecht.
Fall
Ein 48-jähriger Patient kommt zu Ihnen in die
Notaufnahme, weil er seit Tagen einen anhaltenden ziehenden Schmerz im Bereich des
Oberbauches mit gürtelförmiger Ausstrahlung
in den Rücken verspürt. Darüber hinaus bestünden seit mehreren Wochen eine leichte
Übelkeit nach dem Verzehr fetter Speisen sowie
Durchfälle von breiiger Konsistenz. Auf Nachfrage gibt der Patient an, der Stuhl sei grau und
glänzend, außerdem, dass er in den vergangenen 6 Monaten ungewollt 4 kg abgenommen
habe. Es besteht ein langjähriger chronischer
126
126.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
127
126.2 Nennen Sie mindestens einen Test, der zum Nachweis der naheliegendsten
Ursache der chronischen Diarrhö geeignet ist!
126.3 Beschreiben Sie kurz das Prinzip dieses/dieser Tests!
126.4 Welche Maßnahmen empfehlen Sie dem Patienten zur Behandlung der
Diarrhö, falls sich Ihre Verdachtsdiagnose bestätigt und einer der Tests positiv
ausfällt?
Antworten und Kommentar Seite 357
Fall 127
Bewusstloser 21-jähriger Patient
Sie werden als Notarzt zu einem 21-jährigen Patienten gerufen, der bewusstlos im Toilettenraum eines Jugendzentrums aufgefunden wurde. Bei Ihrem Eintreffen sehen Sie den Patienten
auf dem Rücken im Waschraum liegend. Der
Patient reagiert nicht auf Ansprache und
Schmerzreize. Atemexkursionen sind kaum
wahrnehmbar. Bei der Auskultation der Lunge
Fall
127
sind nur dezente Atemgeräusche zu hören. Die
Pupillen sind beidseits eng. Der Blutdruck beträgt 120/70 mmHg, die Herzfrequenz 50/min
(rhythmisch), die pulsoxymetrisch gemessene
Sauerstoffsättigung 54%. Bei der Blutdruckmessung fallen Ihnen eine Verhärtung der Haut sowie Nadelstich-ähnliche Verletzungen in beiden Ellenbogen auf.
127.1 Wie lautet Ihre primäre Verdachtsdiagnose?
128
127.2 Welche 3 Differenzialdiagnosen sind denkbar?
127.3 Was unternehmen Sie akut?
127.4 Was soll nach Beherrschung der Akutsituation mit dem Patienten
geschehen?
Antworten und Kommentar Seite 359
Fall 128
36-jähriger Patient mit Schluckstörungen
Ein 36-jähriger Patient stellt sich wegen zunehmender Schluckstörungen in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Die Symptomatik bestehe
schon länger, sowohl beim Schlucken fester
Speisen als auch beim Trinken. Zuletzt sei es
auch zur Regurgitation von Nahrung gekommen. Er habe bisher nicht an Gewicht verloren.
Schmerzen im Epigastrium oder Thorax bestehen nicht.
128.1 Nennen Sie mindestens 3 Differenzialdiagnosen und nennen Sie zu jeder
Fall
Diagnose die jeweils sinnvollsten Untersuchungen zur weiteren Abklärung!
128
129
128.2 Welche typischen Befunde der Achalasie in der Ösophagusmanometrie und
dem Röntgen des Ösophagus (Breischluck) kennen Sie?
128.3 Nennen Sie mindestens 3 Verfahren zur Therapie der Achalasie!
Antworten und Kommentar Seite 360
Fall 129
52-jährige Patientin mit Herzrasen
Eine 52-jährige Patientin stellt sich wegen eines
wenige Stunden zuvor aufgetretenen Herzrasens bei Ihnen in der Notaufnahme vor. Episo-
den von Herzrasen über mehrere Minuten habe
sie in den vergangenen Monaten schon häufiger
verspürt. Sie fertigen ein EKG an (Abb. 129.1).
Fall
Abb. 129.1 EKG
(Extremitätenableitungen I, II, III)
129
130
129.1 Beschreiben Sie die wesentlichen Befunde des EKGs!
129.2 Nennen Sie mindestens 5 Ursachen für diese Herzrhythmusstörung!
129.3 Wie gehen Sie therapeutisch vor?
129.4 Was ist die bedeutendste Komplikation dieser Herzrhythmusstörung?
Muss bezüglich dieser Komplikation eine Prophylaxe erfolgen? Wenn ja, welche?
Antworten und Kommentar Seite 362
Fall 130
18-jähriger Patient mit Dysphagie und Fieber
Ein 18-jähriger Patient kommt in Ihre internistische Fachpraxis, weil er starke Schmerzen beim
Schlucken von Flüssigkeit und fester Nahrung
hat. Darüber hinaus bestehe seit 9 Tagen hohes
Fieber und Unwohlsein. Die Beschwerden seien
akut aufgetreten, zuvor habe er sich wohl gefühlt. Wegen des Fiebers habe er von seinem
Hausarzt Ampicillin verordnet bekommen. Bei
der klinischen Untersuchung fallen Ihnen ein
Exanthem am gesamten Körper sowie eine generalisierte Lymphknotenvergrößerung vor allem im Halsbereich auf. Am harten Gaumen sehen Sie feldartige hämorrhagische Effloreszenzen. Die Milzgröße beträgt bei sonographischer
Messung 17,2 ⫻ 8,1 cm. Im Blutbild fällt eine
Leukozytose mit vorwiegend mononukleären
Zellen und reaktiv veränderten Lymphozyten
auf.
Fall
130.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und was ist die Ursache der Erkrankung?
130
131
130.2 Wie kann die Diagnose erhärtet werden? Nennen Sie mindestens 2 Tests!
130.3 Nennen Sie typische Komplikationen und Folgeerkrankungen dieser
Erkrankung!
130.4 Worauf ist das Exanthem am ehesten zurückzuführen?
Antworten und Kommentar Seite 363
Fall 131
34-jährige Patientin mit Pneumonie und Durchfall
Fall
Als internistischer Konsiliarius werden Sie auf
die chirurgische Station gerufen: Eine 34-jährige Patientin, die dort seit 4 Tagen wegen einer
Unterschenkelfraktur und Rippenbrüchen (Autounfall) stationär behandelt wird, fiebert und
klagt über Husten und Auswurf. Die Körpertemperatur beträgt 39,2 ⬚C (rektal gemessen).
Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Im Röntgenbild des Thorax sehen Sie eine Infiltrat-verdächtige Verschattung in Projektion auf den linken Lungenunterlappen. Sie beginnen eine an-
tibiotische Therapie mit Amoxicillin und Clavulansäure. Unter dieser Therapie entfiebert die
Patientin zunächst, Husten und Auswurf sind
rückläufig. Nach weiteren 3 Tagen treten erneut
febrile Temperaturen sowie teilweise blutige
Diarrhöen (bis 6 Stuhlentleerungen pro Tag)
auf. Zudem gibt die Patientin krampfartige
Schmerzen im gesamten Abdomen an. Übelkeit
und Erbrechen bestehen nicht. Eine Sonographie des Abdomens zeigt keinen auffälligen Befund.
131
132
131.1 Worauf ist die erneute Verschlechterung des Zustands der Patientin
wahrscheinlich zurückzuführen?
131.2 Was ist die Ursache der vermuteten Erkrankung?
131.3 Wie kann die Erkrankung diagnostiziert werden?
131.4 Wie wird die Erkrankung behandelt?
Antworten und Kommentar Seite 364
Fall 132
17-jährige, zunehmend schläfrige Patientin
tachykardie bei sonst unauffälligem Auskultationsbefund des Herzens auf. Die Atmung ist vertieft. Die Schleimhäute sind trocken, der Hautturgor vermindert. Das EKG zeigt eine Sinustachykardie. Der Röntgenbefund des Thorax ist
unauffällig. Das Notfalllabor liefert folgende
Ergebnisse: Kreatinin 1,2 mg/dl, Kalium
3,7 mmol/l, Leukozyten 17 000/µl, Hb 14,1 g/dl,
Thrombozyten 321 000/µl, Glukose 641 mg/dl,
CK 96 U/l, GOT 16 U/l, BSG 31 mm n.W., CRP
12 mg/l.
Fall
Eine 17-jährige Patientin wird von ihrer Mutter
zu Ihnen in die Notaufnahme gebracht. Die Patientin ist somnolent, aber erweckbar. Nach Angaben der Mutter hat sich die Patientin seit
mehreren Wochen schlapp gefühlt und darüber
geklagt, dass sie Gewicht verliere. In den vergangenen 4 Tagen habe sie wiederholt erbrochen und sei zunehmend schläfrig geworden.
Bis dahin sei sie immer gesund gewesen und
habe keine Medikamente eingenommen. Bei
der körperlichen Untersuchung fällt eine Ruhe-
132
132.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
133
132.2 Welche 2 Untersuchungen müssen Sie bei dieser Verdachtsdiagnose
unbedingt noch ergänzend anfordern?
132.3 Nennen Sie mindestens 4 Punkte, die bei der Therapie dieses Zustandes
beachtet werden müssen!
132.4 Welche andere Form dieses Zustandes kennen Sie und wann tritt dieser auf?
Antworten und Kommentar Seite 366
Fall 133
36-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit, Fieber und Ikterus
Eine 36-jährige Grundschullehrerin kommt
wegen seit 2 Wochen bestehender allgemeiner
Abgeschlagenheit und Gelenkschmerzen in Ihre hausärztliche Praxis. Die Symptomatik habe
mit Appetitlosigkeit, leichtem Fieber und Übelkeit begonnen. Bei der körperlichen Untersuchung fällt Ihnen ein Haut- und Sklerenikterus
auf. Die Leber ist etwa 5 cm unter dem rechten
Rippenbogen palpabel und von weicher Konsis-
tenz. Die Labordiagnostik ergibt u. a. folgende
Befunde: GOT 1000 U/l, GPT 1420 U/l, Bilirubin
18 mg/dl, INR 1,3. Serologie: anti-HAV (IgM) positiv, anti-Hbc positiv, Hbs-Ag negativ, HBVDNA negativ, anti-HCV negativ. Eine Laboruntersuchung im Rahmen einer Personaluntersuchung 4 Wochen zuvor hatte u. a. folgendes Resultat gezeigt: GOT 12 U/l, GPT 16 U/l, INR 1,0.
Fall
133
133.1 Stellen Sie eine Diagnose!
134
133.2 Falls Ihnen das Ergebnis der oben aufgeführten Antikörperdiagnostik nicht
bekannt wäre, welche Differenzialdiagnosen kämen in Frage?
133.3 Sollte eine Leberbiopsie durchgeführt werden? Falls ja, welches Ergebnis
würden Sie erwarten?
133.4 Wie ist die Prognose der Erkrankung und wie lautet Ihre
Therapieempfehlung?
Antworten und Kommentar Seite 367
Fall 134
42-jähriger Patient mit Lymphknotenschwellungen
Ein 42-jähriger Patient stellt sich wegen Hauterscheinungen am Genitale in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Sie sehen am Genitale ein nässendes Ulkus mit Randwall. Dieses „Geschwür“
schmerze nicht und sei aus einer „Beule“ hervorgegangen. Zudem tasten Sie inguinal vergrö-
ßerte Lymphknoten. Der übrige körperliche Untersuchungsbefund ist unauffällig. Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Es bestehen ein regelmäßiger Alkoholkonsum und Nikotinabusus. Der Patient kommt aus Russland und
arbeitet als Matrose auf einem Containerschiff.
Erkrankung?
Fall
134.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und was ist die Ursache der vermuteten
134
135
134.2 Welche diagnostischen Maßnahmen (mindestens 2) schlagen Sie vor?
134.3 Welche Stadien der Erkrankung kennen Sie? Nennen Sie zu jedem Stadium
mindestens ein Leitsymptom!
134.4 Wie wird die Erkrankung behandelt?
!!!
134.5 Was versteht man unter der Hutchinson-Trias?
Antworten und Kommentar Seite 368
Fall 135
66-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit und Luftnot
Eine 66-jährige Patientin stellt sich wegen Abgeschlagenheit und Luftnot in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Bei der körperlichen Untersuchung fallen Ihnen in den basalen Abschnitten
der rechten Lunge eine Klopfschalldämpfung
sowie ein abgeschwächtes Atemgeräusch auf.
Der Stimmfremitus ist aufgehoben. Sie veranlassen daraufhin ein Röntgenbild des Thorax (s.
Abb. 135.1).
Fall
135
136
Abb. 135.1
Röntgen-Thorax p. a.
135.1 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der Dyspnö?
135.2 Was ist die wichtigste diagnostische Maßnahme zur Klärung der Ursache
dieses Befundes? Was muss dabei im Einzelnen untersucht werden?
135.3 Definieren Sie die Begriffe „Transsudat“ und „Exsudat“ und nennen Sie
jeweils 3 häufige Ursachen im Hinblick auf den Befund dieser Patientin!
Antworten und Kommentar Seite 370
Fall 136
19-jährige Patientin mit Minderwuchs und Diarrhöen
Eine 19-jährige Patientin wird von ihrem Hausarzt unter der Verdachtsdiagnose „Sprue“ in Ihre internistische Fachpraxis überwiesen. Die
Patientin berichtet über seit der Kindheit bestehende voluminöse Durchfälle von breiiger und
fettiger Konsistenz. Als Kind sei sie im Wachstum im Vergleich zu ihren Altersgenossen zurückgeblieben. Aktuell beklagt die Patientin
körperliche Abgeschlagenheit und diffuse Knochenschmerzen. Ihnen fällt ihr blasses Hautkolorit auf. Die orientierende körperliche Untersuchung der Patientin (Größe 146 cm, Gewicht
37 kg) ist unauffällig. In der Labordiagnostik
zeigen sich eine Anämie und ein Eisenmangel.
Das Serumkalzium liegt etwas unter der Normgrenze.
untypisch für eine Sprue? Begründen Sie Ihre Aussage!
Fall
136.1 Ist die Symptomatik der Patientin hochcharakteristisch, passend oder
136
137
136.2 Nennen Sie mindestens 7 Differenzialdiagnosen der Sprue!
136.3 Wie lässt sich die Diagnose „glutensensitive Enteropathie“ sichern?
136.4 Was ist am ehesten die Ursache des geringfügig verminderten
Serumkalziums und der Knochenschmerzen?
Antworten und Kommentar Seite 371
Fall 137
81-jährige Patientin mit Schüttelfrost, Fieber und Husten
Fall
Als internistischer Konsiliarius werden Sie auf
die chirurgische Station gerufen, weil eine
81-jährige Patientin am 13. Tag nach operativer Versorgung einer Oberschenkelhalsfraktur (nach Sturz, zusätzlich Prellung mehrerer
Rippen) Schüttelfrost, Fieber bis 39,2 ⬚C und
Husten entwickelt hat. Die Mobilisierung der
Patientin verläuft verzögert. Der Stationsarzt
hat eine Röntgenaufnahme des Thorax anfertigen lassen (Abb. 137.1) und bittet Sie um Ihren
Rat.
137
138
Abb. 137.1
Röntgen-Thorax p. a.
137.1 Welche Diagnose stellen Sie?
137.2 Welche 4 diagnostischen Maßnahmen empfehlen Sie ?
137.3 Welche therapeutischen Maßnahmen empfehlen Sie in dieser Situation?
Antworten und Kommentar Seite 372
Fall 138
17-jähriger Patient mit Fieber und Gelenkschmerzen
Als ärztlicher Notdienst werden Sie zu einem
17-jährigen Patienten in ein AsylbewerberWohnheim gerufen. Nach Angaben der Angehörigen leidet der Patient seit mehreren Tagen an
hohem Fieber, Schweißausbrüchen und Gelenkschmerzen. Die Erkrankung habe 10 Tage
zuvor mit Halsschmerzen begonnen. Bei der Inspektion des Rachens sehen Sie gerötete Tonsil-
len mit weißlichen Belägen. Die Kniegelenke,
Sprunggelenke und Handgelenke sind geschwollen und gerötet. Der Untersuchungsbefund an Herz, Lunge und Abdomen ist unauffällig. Am Rumpf sehen Sie vereinzelte ringförmige Flecken und subkutane Knötchen an Knochenvorsprüngen im Bereich des Unterarms.
Die Körpertemperatur beträgt 39,5 ⬚C axillär.
Fall
138.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie? Begründen Sie Ihre Vermutung!
138
139
138.2 Was ist die Ursache der Erkrankung?
138.3 Wie behandeln Sie?
138.4 Nennen Sie 4 typische Befunde einer Hautbeteiligung dieser Erkrankung!
Antworten und Kommentar Seite 374
Fall 139
67-jährige Patientin mit einem Rektumpolyp
Eine 67-jährige Patientin stellt sich zur Stoffwechselkontrolle eines bekannten Diabetes
mellitus Typ II erstmalig in Ihrer hausärztlichen
Praxis vor. Die Patientin berichtet, dass 1 Jahr
zuvor ein Darmpolyp im Rahmen einer Rektoskopie abgetragen worden sei. Ein von der Pa-
tientin mitgebrachter histologischer Befund beschreibt ein villöses Adenom ohne Dysplasien
mit einer Größe von 1,2 cm. Sie führen einen
Test auf okkultes Blut im Stuhl (Hämoccult)
durch, welcher negativ ausfällt. Die rektale Untersuchung ist ebenfalls unauffällig.
Fall
139.1 Welche Adenomtypen kennen Sie ?
139
140
139.2 Von welchen Faktoren hängt bei kolorektalen Adenomen die Entwicklung
zu einem Karzinom ab?
139.3 Ist bei der beschriebenen Patientin eine weitere Verlaufskontrolle des
Adenoms erforderlich? Wenn ja, wie sollte diese aussehen? Begründen Sie Ihre
Aussage!
139.4 Was ist ein Polyposis-Syndrom? Nennen Sie mindestens 3 Erkrankungen,
auf die diese Bezeichnung zutrifft!
Antworten und Kommentar Seite 375
Fall 140
24-jähriger Patient mit Luftnot und „Herzstolpern“
Ein 24-jähriger Patient stellt sich in Ihrer hausärztlichen Praxis wegen Luftnot bei mittlerer
Belastung und gelegentlichem „Herzstolpern“
vor. 6 Monate zuvor sei eine koronare Herzkrankheit durch eine Koronarangiographie ausgeschlossen worden. Damals sei die Diagnose
einer Kardiomyopathie gestellt worden. Der Patient ist 179 cm groß und wiegt 81 kg. Der Blut-
druck beträgt 120/70 mmHg. Bei der Auskultation des Herzens hören Sie ein systolisches Geräusch links parasternal. Die Echokardiographie
zeigt eine Hypertrophie des Myokards mit Betonung des interventrikulären Septums, welches eine Dicke von 24 mm aufweist. Im EKG
sind in den Brustwandableitungen ausgeprägte
gleichschenklig negative T-Wellen zu erkennen.
die im Vordergrund stehende Ursache der Herzinsuffizienz!
Fall
140.1 Welche Formen einer Kardiomyopathie gibt es? Nennen Sie zu jeder Form
140
141
140.2 Welche Form der Kardiomyopathie liegt bei dem Patienten wahrscheinlich
vor?
!!!
140.3 Wodurch sind Patienten mit rechtsventrikulärer Dysplasie potenziell
gefährdet?
140.4 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Antworten und Kommentar Seite 376
Fall 141
44-jähriger Patient mit Schmerzen im Oberbauch
Als internistischer Konsiliarius werden Sie auf
die chirurgische Station gerufen, weil ein 44jähriger Patient, der nach einem Polytrauma
seit 3 Wochen dort behandelt wird, seit mehreren Tagen über Schmerzen im Bereich des Oberbauches und eine leichte Übelkeit klagt. Nach
Angaben des Patienten nehmen die Beschwerden nach der Nahrungsaufnahme zu. Vorer-
Fall
141
krankungen sind nicht bekannt. Abgesehen von
Tramadol und Paracetamol nimmt der Patient
keine Medikamente ein. Bei der körperlichen
Untersuchung fällt ein Druckschmerz im Bereich des Epigastriums auf. Die Sonographie sowie die Labordiagnostik (Blutbild, CRP, Leberwerte, Lipase, Laktat) ergeben keinen pathologischen Befund.
141.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
142
141.2 Die Durchführung welcher Untersuchung ist nun vorrangig?
141.3 Nennen Sie mindestens 3 Ursachen gastroduodenaler Ulzera!
141.4 Wo finden sich gastrointestinale Ulzera am häufigsten?
Nach adäquater Therapie ist der Patient innerhalb von 5 Tagen beschwerdefrei und möchte die seitens der chirurgischen Klinik empfohlene Rehabilitationsmaßnahme unverzüglich antreten.
141.5 Wie reagieren Sie?
Antworten und Kommentar Seite 378
Fall 142
45-jährige Patientin mit progredienter Gewichtszunahme
Eine 45-jährige Patientin stellt sich wegen einer
seit Monaten progredienten Zunahme des Körpergewichts in Ihrer internistischen Praxis vor.
Zudem klagt die Patientin darüber, ständig müde zu sein und zu frieren. Vorerkrankungen sind
nicht bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung ergeben sich keine Auffälligkeiten. Der
Blutdruck beträgt 130/80 mmHg, die Herzfre-
quenz 56/min. Die Patientin zeigt Ihnen die folgenden Laborbefunde, die wenige Tage zuvor
bei ihrem Hausarzt bestimmt worden seien:
Glukose 109 mg/dl, Kreatinin 1,0 mg/dl, Hb
14,2 g/dl, Leukozyten 6200/µl, Thrombozyten
234 000/µl, TSH 38,2 mU/l, Cholesterin 387 mg/
dl, Triglyceride 329 mg/dl.
Fall
142.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
142
143
142.2 Nennen Sie mindestens 4 Ursachen hierfür! Welche ist bei der Patientin die
wahrscheinlichste Ursache?
142.3 Welche weiteren 5 Untersuchungen halten Sie für sinnvoll? Welche
Befunde erwarten Sie?
142.4 Wie wird die Erkrankung behandelt?
142.5 Was unternehmen Sie wegen der erhöhten Blutfettwerte?
Antworten und Kommentar Seite 379
Fall 143
54-jährige Patientin mit einer Raumforderung in der Leber
Eine 54-jährige Patientin stellt sich zur Kontrolle ihres Diabetes mellitus Typ I erstmalig in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Bei der sonographischen Untersuchung des Abdomens sehen
Sie eine echoreiche runde Struktur im rechten
Leberlappen mit einem Durchmesser von ca.
3,5 cm.
143.1 Nennen Sie jeweils mindestens 3 benigne, 3 maligne und 3 nichtneoplastische Raumforderungen in der Leber!
Fall
143
144
143.2 Welche diagnostischen Verfahren (mindestens 3) sind zur Abklärung einer
Raumforderung der Leber hilfreich?
143.3 Welche Ursachen des hepatozellulären Karzinoms kennen Sie und welche
davon ist die häufigste?
143.4 Unter welchen Umständen tritt eine fokal noduläre Hyperplasie der Leber
besonders häufig auf?
Antworten und Kommentar Seite 381
Fall 144
61-jähriger Patient mit Thrombozytopenie
Ein 61-jähriger Patient wird vom Hausarzt wegen eines neu aufgetretenen Vorhofflimmerns
in die Klinik eingewiesen und kommt zu Ihnen
auf die Station. Abgesehen von dem subjektiv
als unangenehm empfundenen Herzrasen ist
der Patient beschwerdefrei. Bereits in der Notaufnahme wird eine intravenöse Heparintherapie begonnen. Die Kontrolle der PTT (45 s) am
nächsten Morgen zeigt eine effektive Antikoagulation im therapeutischen Bereich an. Bei
der Überprüfung des Blutbildes fällt jedoch eine
Abnahme der Thrombozyten von 180 000/µl
am Vortag auf 124 000/µl auf. Am nächsten
Morgen liegt die Thrombozytenzahl bei
116 000/µl.
Fall
144.1 Nennen Sie mindestens 6 Ursachen einer Thrombozytopenie!
144
145
144.2 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der Thrombozytopenie bei diesem
Patienten?
144.3 Welche 2 Subtypen dieser Thrombozytopenie kennen Sie und welche Form
liegt bei dem Patienten vor? Begründen Sie Ihre Aussage!
144.4 Was unternehmen Sie? Begründen Sie Ihre Entscheidung für beide
Subtypen!
Antworten und Kommentar Seite 382
Fall 145
24-jährige Patientin mit Unterbauchschmerzen
Fall
Eine 24-jährige Patientin stellt sich wegen seit
Wochen bestehender krampfartiger Schmerzen
im rechten Unterbauch, rezidivierender nichtblutiger Durchfälle und einer Abnahme des
Körpergewichts um 6 kg in Ihrer internistischen
Fachpraxis vor. Die Vorgeschichte ist bis auf eine
Appendektomie und Tonsillektomie unauffällig. Bei der körperlichen Untersuchung fallen eine perianale Fistel sowie eine Schwellung des
rechten Kniegelenkes auf. Die Körpertemperatur beträgt 36,7 ⬚C. In der Labordiagnostik fallen
145
eine Erhöhung von BSG und CRP sowie eine
mikrozytäre Anämie (Hb 10,5 g/dl) auf. Bei der
Koloskopie zeigen sich abgegrenzte, vorwiegend längliche Ulzera sowie Aphthen, die gruppiert in mehreren Abschnitten des Kolons und
im terminalen Ileum nachweisbar sind. Ähnliche Veränderungen sind auch im Magen nachweisbar. Der Kolonkontrasteinlauf zeigt segmentale Stenosen im Colon transversum und
ascendens.
145.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Führen Sie auf, welche Angaben oder
Befunde für die Verdachtsdiagnose bzw. gegen andere Differenzialdiagnosen
sprechen!
146
145.2 Welche Therapieverfahren kennen Sie?
!!!
145.3 Was sind die Hauptursachen der Anämie bei der vermuteten Erkrankung?
Was ist bei der Therapie der Anämie zu beachten?
Antworten und Kommentar Seite 383
Fall 146
37-jähriger Patient mit Husten und Luftnot
basalen Lungenabschnitten. Der übrige körperliche Untersuchungsbefund ist unauffällig. Im
Röntgenbild des Thorax sehen Sie eine milchglasartige Trübung in Projektion auf die basalen
Lungenabschnitte sowie bilaterale retikuläre
Veränderungen. In der Lungenfunktionsanalyse
sind Vitalkapazität, Compliance und Diffusionskapazität vermindert. Die Blutgasanalyse ergibt
folgende Werte: pH 7,44, pO2 62 mmHg, pCO2
33 mmHg, Sauerstoffsättigung 91%.
Fall
Ein 37-jähriger Patient kommt in Ihre hausärztliche Praxis, weil er seit längerer Zeit unter Husten und Luftnot leide. Die Symptomatik habe in
den vergangenen Monaten langsam an Intensität zugenommen und verstärke sich während
der Arbeit. Er habe keine Schmerzen. Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Der Patient ist
Nichtraucher und von Beruf Landwirt. Bei der
körperlichen Untersuchung des Patienten (Größe 180 cm, Gewicht 78 kg) hören Sie endexspiratorisch feinblasige Rasselgeräusche über den
146
146.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Welche Differenzialdiagnosen sind
denkbar?
146.2 Nennen Sie 2 Untersuchungen, die zur Sicherung der Diagnose beitragen
und nennen Sie das zu erwartende Ergebnis!
146.3 Wie beraten Sie den Patienten bezüglich Therapie und Prognose der
Erkrankung?
Antworten und Kommentar Seite 386
147
Fall 147
41-jähriger Patient mit therapierefraktärem Bluthochdruck
Ein 41-jähriger Patient stellt sich wegen anhaltend hoher Blutdruckwerte unter einer antihypertensiven Therapie mit einem β-Blocker
und einem Kalziumantagonisten in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Der Patient klagt zudem
über eine allgemeine Muskelschwäche und
gesteigerten Durst. Der Blutdruck beträgt
195/115 mm Hg, die übrige körperliche Unter-
Fall
147
suchung ist unauffällig. Die Labordiagnostik ergibt folgende Werte: Glukose 71 mg/dl, Kreatinin 1,1 mg/dl, Kalium 2,7 mmol/l (Kontrolle
3,0 mmol/l), Natrium 142 mmol/l, Hämoglobin
12,2 g/dl, Leukozyten 6900/µl, Thrombozyten
199 000/µl, CK 41 U/l, BSG 10 mm n.W. Der Urinstatus ist unauffällig.
147.1 Welche Erkrankung müssen Sie bei dieser Symptom- und Befundkonstellation ausschließen?
148
147.2 Anhand welcher 2 Laborparameter kann die Diagnose gestellt werden?
147.3 Welche 3 Formen der primären Variante dieser Erkrankung gibt es und mit
welchen Tests können diese unterschieden werden?
147.4 Nennen Sie mindestens 2 mögliche Therapieverfahren!
Antworten und Kommentar Seite 387
Fall 148
Patient mit Diabetes mellitus und rezidivierendem Fieber nach Pneumonie
Ein 66-jähriger Patient mit insulinpflichtigem
Diabetes mellitus und COPD entwickelt im Rahmen einer Pneumonie eine respiratorische Globalinsuffizienz, wird intubiert und auf die Intensivstation gelegt, wo Sie ihn behandeln.
Nach 6 Tagen antibiotischer Therapie mit einem
Aminopenicillin und einem Aminoglykosid fiebert der Patient auf. In zwei sukzessiv abgenommenen Blutkulturen ist Candida albicans
zahlreich nachweisbar.
148.1 Nennen Sie die 2 wichtigsten Gründe für die Entwicklung einer Candidiasis
und führen Sie Beispiele an!
Fall
148
149
148.2 Nennen Sie 2 weitere systemisch verlaufende Pilzinfektionen!
148.3 Was ist die häufigste Manifestation einer Candida-Infektion?
148.4 Wie sollte die Therapie des Patienten ergänzt werden?
148.5 Halten Sie bei dem Patienten eine Untersuchung der Augen für sinnvoll,
wenn ja, welche Untersuchung? Welchen Befund erwarten Sie?
Antworten und Kommentar Seite 388
!!!
Fall 149
40-jähriger Patient mit Abgeschlagenheit und Husten
Ein 40-jähriger Patient stellt sich wegen einer
seit 6 Monaten bestehenden körperlichen Abgeschlagenheit, trockenem Husten und Nachtschweiß in Ihrer hausärztlichen Praxis vor. Zudem leide er seit 9 Monaten an einem chronischen Schnupfen mit häufigem Nasenbluten
und Borkenbildung in der Nase. Seit 3 Wochen
bestehe eine schmerzhafte Schwellung des
rechten Kniegelenks, des linken Handgelenks
Fall
149
und beider Sprunggelenke. Bei der körperlichen
Untersuchung finden Sie neben einer Schwellung der o. g. Gelenke eine Rötung der Sklera des
rechten Auges, Knöchelödeme und ein feinfleckiges schmerzhaftes Exanthem an beiden Unterschenkeln. Im Urinstatus sind Erythrozyten
und Protein stark positiv. Im Röntgenbild des
Thorax finden sich 3 periphere Rundherde.
149.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
150
149.2 Welche 2 serologischen Tests machen im Falle eines positiven Resultats die
Diagnose sehr wahrscheinlich?
149.3 Nennen Sie mindestens 3 diagnostische Maßnahmen, die zur
Diagnosesicherung und Erfassung der Krankheitsausdehnung wichtig sind!
149.4 Wie wird die Erkrankung üblicherweise behandelt?
Antworten und Kommentar Seite 389
Fall 150
73-jähriger Patient mit Ruhedyspnö und Husten
Ein 73-jähriger Patient wird mit ausgeprägter
Ruhedyspnö zu Ihnen in die Notaufnahme eingeliefert. Der schläfrig wirkende Patient antwortet auf Ihre Fragen nur mit wenigen Worten
und hustet oft. An Vorerkrankungen sind ein
Vorder- und ein Hinterwandinfarkt sowie eine
arterielle Hypertonie bekannt. Bei der Auskultation der Lunge hören Sie ein basal beidseits
abgeschwächtes Atemgeräusch sowie Rasselge-
räusche über beiden Lungen. Sie führen zunächst eine Blutgasanalyse durch, die folgenden
Befund zeigt: pH 7,20, pO2 49 mmHg, pCO2
78 mmHg, Base-Excess – 3, Sauerstoffsättigung
79%. Das EKG zeigt eine Sinustachykardie (Frequenz 136/min) sowie einen alten Hinter- und
Vorderwandinfarkt ohne sichere Zeichen einer
frischen Ischämie.
Fall
150.1 Wie bewerten Sie die Blutgasanalyse?
150
151
150.2 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der Beschwerden und Befunde dieses
Patienten?
150.3 Nennen Sie mindestens 4 weitere Ursachen für eine Ruhedyspnö sowie
jeweils 1 – 2 Untersuchungen, um diese abzuklären!
150.4 Wie würden Sie den Patienten akut behandeln? Begründen Sie kurz die
einzelnen Maßnahmen!
Antworten und Kommentar Seite 391
Antworten und
Kommentare
153
Antworten und Kommentare
Fall 1 Lungenembolie
1.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
쐽 V. a. Lungenembolie, weil die Luftnot nach
mehrstündigem Sitzen schlagartig auftrat und
typische Risikofaktoren (Adipositas, Einnahme
eines Hormonpräparats) vorliegen.
154
Fall
1
1.2 An welche Differenzialdiagnosen (mindestens 2) denken Sie hier? Nennen Sie deren
typischen Leitbefunde!
쐽 akutes Koronarsyndrom (instabile Angina
pectoris oder Myokardinfarkt) mit Linksherzinsuffizienz: tritt eher bei Belastung auf, Dyspnö entwickelt sich allmählich, auskultatorisch
sind Rasselgeräusche über der Lunge zu erwarten
쐽 Spontan-Pneumothorax: einseitig abgeschwächtes Atemgeräusch wahrscheinlich
쐽 akute Atemwegsobstruktion bei chronischer
Bronchitis: Infektanamnese? Dyspnö beginnt
nicht schlagartig, Husten meist produktiv, auskultatorisch sind Giemen und Brummen zu erwarten.
Antworten und Kommentar
1.3 Welche Untersuchungen (mindestens 6)
schlagen Sie vor, um die Verdachtsdiagnose zu
sichern?
쐽 Blutgasanalyse (BGA): typischerweise Hypoxämie und Hypokapnie (Hyperventilation!)
쐽 EKG: evtl. Zeichen der Rechtsherzbelastung
(SIQIII-Lagetyp), Sinustachykardie
쐽 Röntgen-Thorax: meist normal, evtl. keilförmiges Infiltrat (Infarktpneumonie); (Teil-) Atelektase möglich
쐽 Labor: evtl. positive D-Dimere
쐽 Echokardiographie: evtl. Zeichen einer Rechtsherzbelastung (Druckbelastung), evtl. Nachweis großer Thromben, erhöhter pulmonalarterieller Druck (Duplexsonographie)
쐽 Spiral-CT: Darstellung des Embolus (Abb. 1.1)
쐽 Thorax-Angio-CT oder MRT-Angiographie:
Darstellung des Embolus/Thrombus; wichtigste Untersuchung zum Beweis/Ausschluss der
Lungenembolie, allerdings können kleinere
Thromben dem Nachweis entgehen
쐽 Lungenperfusions- und Ventilationsszintigraphie: alternativ zum Angio-CT mit Nachweis
von Perfusionsdefekten als Emboliefolge (Röntgen-Thorax zur Beurteilung notwendig)
쐽 Pulmonalisangiographie: Goldstandard der
Diagnostik, da sensitivstes und spezifischstes
Verfahren, allerdings sehr invasiv. Daher wird
heute die Angio-CT oder die MRT-Angiographie
in der Erstdiagnostik bevorzugt. Direkte und
somit sichere Emboliezeichen im Pulmonalisangiogramm sind Füllungsdefekte und Gefäßabbrüche.
Fall 1 Seite 2
Abb. 1.1 Spiral-CT. Lungenembolie bei tiefer Oberschenkelvenenthrombose. Bandförmiger Thromboembolus (Pfeile) im Aufzweigungsbereich der zentralen Pulmonalarterien. Aa = Aorta ascendens, Ad = Aorta descendens, Tp = Truncus pulmonalis, Vc = V. cava superior
쐽 Diagnostik zur Abklärung der Ursache: Duplexsonographie, in unklaren Fällen Phlebographie oder CT des Beckens zum Nachweis der
verursachenden Phlebothrombose. Laborchemisch zur weiteren Ursachenabklärung APCResistenz, Protein C, Protein S. Tumorsuche.
1.4 Welche therapeutischen Erstmaßnahmen
ergreifen Sie?
쐽 halbsitzende Lagerung, Bewegungsverbot (Bewegung kann weitere Embolien auslösen), Kliniktransport veranlassen
쐽 Sauerstoff-Gabe (3 – 5 l/min)
쐽 ggf. Analgesie (bei Schmerz), z. B. Pethidin
50 mg i. v.
쐽 Heparin i. v. (5000 IE unfraktioniertes Heparin
als Bolus) – cave keine i. m.-Gabe: wegen eventueller Lyse mit konsekutiver Einblutung!
1.5 Welche weiteren therapeutischen Möglichkeiten gibt es?
쐽 Antikoagulation: zunächst Heparinperfusor,
später orale Antikoagulation
쐽 Thrombolyse: bei hämodynamischer Relevanz
(schwere Rechtsherzbelastung, Schock)
쐽 Katheterfragmentation oder operative Embolektomie: bei Versagen konservativer Maßnahmen bzw. falls Thrombolyse kontraindiziert.
KO M M E N TA R
Als Lungenembolie bezeichnet man den Verschluss
der arteriellen Lungenstrombahn meist durch einen Thrombus, seltener durch Zellen, Luft, Fetttropfen oder Fremdkörper.
Ätiologie: Risikofaktoren sind längere Immobilität
(z. B. längere Bus- oder Flugreise, Z. n. Operation),
weibliches Geschlecht, Schwangerschaft, Östrogene (Hormonpräparate, z. B. orale Kontrazeptiva),
Nikotinabusus, Übergewicht, höheres Lebensalter,
Dehydratation und Varikosis. Insbesondere bei rezidivierenden Thrombosen oder unklarem Risikoprofil müssen folgende Faktoren ausgeschlossen
werden: a) Faktoren, die zu einer Hyperkoagulabilität führen (APC-Resistenz, Protein-C- oder Protein-S-Mangel, ATIII-Mangel, Antiphospholipidantikörper), b) Faktoren, die den venösen Blutfluss
behindern (z. B. Tumoren), c) Karzinome.
Klinik: s. Fall.
An erster Stelle der Behandlung steht als symptomatische Maßnahme die Gabe von Sauerstoff zur
Behandlung der respiratorischen Insuffizienz.
Alle Patienten mit einer akuten Lungenembolie
sollten immobilisiert und antikoaguliert werden.
In der Akutphase erfolgt eine Vollheparinisierung
mit unfraktioniertem Heparin oder einem niedermolekularen Heparin (s. Fall 19). Überlappend
(wenn die PTT auf das Doppelte der Norm verlängert ist) muss dann eine orale Antikoagulation mit
einem Kumarinderivat (z. B. Marcumar) eingeleitet
werden (Zielwert INR 2,0 – 3,0), die in der Regel
über insgesamt 6 Monate fortgeführt wird (Prophylaxe weiterer Embolien!).
Ist eine Lungenembolie durch eine höhergradige
Rechtsherzbelastung hämodynamisch relevant
(bis zum kardiogenen Schock!), sollte eine Fibrinolyse (z. B. mit rt-PA, Urokinase oder Streptokinase)
erwogen werden. Die Katheterfragmentation
oder die operative pulmonale Embolektomie
bleibt Ausnahmefällen mit schwerer Rechtsherzinsuffizienz vorbehalten, bei denen konservative
Maßnahmen erfolglos blieben bzw. eine Fibrinolyse kontraindiziert ist.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Weitere Risikofaktoren für eine Lungenembolie
Stadieneinteilung der Lungenembolie
Allgemeinmaßnahmen zur Thromboseprophylaxe
Kontraindikationen einer Lysetherapie
Fall 1 Seite 2
155
1
Antworten und Kommentar
Standardverfahren zum Beweis einer Lungenembolie ist die Spiral-CT (oder Angio-CT) des Thorax
– sie ist wenig invasiv und weist eine Lungenembo-
Therapie: Bei der Lungenembolie gelten folgende
Therapieziele: hämodynamische Stabilisierung des
Patienten, Verhinderung des appositionellen
Thrombuswachstums, Rekanalisierung, Beseitigung der Hypoxämie, Rezidivprophylaxe.
Fall
Diagnostik: Der Nachweis einer Beinvenenthrombose macht, in Verbindung mit klinischen Symptomen wie Dyspnö, Thoraxschmerzen und Husten,
eine Lungenembolie sehr wahrscheinlich. Aber
auch bei fehlenden klinischen Hinweisen auf eine
Thrombose ist eine Lungenembolie nicht ausgeschlossen! Bei bis zu 50% der Patienten ergeben
Anamnese, klinische Untersuchung und Sonographie der Beinvenen keine sicheren Anhaltspunkte
für eine Beinvenenthrombose.
Neben Röntgen-Thorax und Echokardiographie
ist die BGA eine wichtige Untersuchung. Sie zeigt in
der Regel das Bild einer Hyperventilation mit Hypoxie und Hypokapnie. Bei Patienten mit einer
COPD kann aber auch eine Hyperkapnie vorliegen!
Rechtsherzbelastungszeichen im EKG sind häufig
nachweisbar, kommen aber auch bei anderen Lungenerkrankungen (z. B. Cor pulmonale, COPD) vor.
Laborparameter wie LDH oder D-Dimere können
bei einer Lungenembolie erhöht sein, beweisen
aber nicht die Diagnose und sind daher meist entbehrlich. Bei negativem D-Dimer-Test ist eine Lungenembolie unwahrscheinlich, er schließt eine –
insbesondere ältere – Lungenembolie aber nicht
aus.
lie sensitiv und spezifisch nach. Die Lungenperfusionsszintigraphie ist deutlich weniger spezifisch.
Sie weist nur bei einem unauffälligen RöntgenThorax-Befund (besser: Lungenventilationsszintigramm) auf eine Lungenembolie hin, da auch
Atelektasen, Gefäßanomalien und Pneumonien zu
Perfusionsausfällen führen können. Liefern CT
und/oder Szintigraphie keinen klaren Befund, kann
die Pulmonalisangiographie die Diagnose sichern,
da sich durch sie auch kleine periphere Lungenembolien sensitiv und spezifisch nachweisen lassen.
Aufgrund dieser hohen Sensitivität gilt sie als sog.
diagnostischer Goldstandard. Da es sich jedoch um
ein sehr invasives Verfahren handelt, ist eine
Durchführung nur bei diskrepanten Befunden o. g.
Methoden und bei therapeutischen Konsequenzen
indiziert.
Fall 2 Plasmozytom
2.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
쐽 V. a. Plasmozytom (Syn.: Morbus Kahler, multiples Myelom), da die Eiweißelektrophorese
einen M-Gradienten in der γ-Globulin-Fraktion
zeigt. Für das Vorliegen eines Tumors spricht
das verminderte Serumeisen bei stark erhöhtem Serum-Ferritin. Bei Plasmozytom findet
sich häufig eine makrozytäre Anämie.
– BSG: meist „Sturzsenkung“
– Kalzium: häufig Hyperkalzämie (relevant für
Stadieneinteilung)
– β2-Mikroglobulin in Blut und Urin: meist erhöht
– Differenzialblutbild: zur Quantifizierung einer Anämie (Hb-Wert) und zum Ausschluss
einer sekundären Paraproteinämie
– Kreatininclearance: zum Ausschluss einer
Niereninsuffizienz (prognostisch relevant)
– Bence-Jones-Protein im Urin: Nachweis bei
60% aller IgG- bzw. IgA-Plasmozytome, immer bei Bence-Jones-Plasmozytom.
쐽 Knochenmarkuntersuchung: erhöhter Plasmazellanteil? Plasmazellnester?
쐽 Röntgen des gesamten Skeletts: Osteolysen?
2.3 Welche Therapie-Möglichkeiten gibt es?
쐽 bei asymptomatischen Patienten im Stadium I:
keine Therapie (abwarten)
쐽 bei Patienten im Stadium II und III: konventionelle Chemotherapie (sog. Alexanian-Schema);
evtl. auch bei stark symptomatischen Patienten
im Stadium I
쐽 alternativ: Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation, vor allem
bei jüngeren Patienten (bessere Prognose)
쐽 palliative Therapie: Schmerzbehandlung
(Bisphosphonate und Analgetika), bei Bedarf
Behandlung von Hyperkalzämie, Hyperurikämie, Anämie, Niereninsuffizienz, Granulozytopenie und Osteolysen (s. nächste Frage).
156
Fall
2
Antworten und Kommentar
Abb. 2.2
Serumelektrophorese mit „M“
2.2 Welche 3 weiteren Untersuchungen sind
erforderlich?
쐽 Labordiagnostik:
– Immunfixation/Immunelektrophorese: Klassifizierung des Plasmozytomtyps (am häufigsten sind IgG-Plasmozytome [50%])
– Immunglobuline quantitativ: relevant für
Stadieneinteilung und Prognose
2.4 Welche Ursache könnte die Oberschenkelhalsfraktur haben? Welche Therapieoptionen
gibt es bezüglich dieser Ursache?
쐽 osteolytische Herde im Femur und/oder sekundäre Osteoporose: Bisphosphonate (z. B. Ibandronat) hemmen die Osteolyse und sind Teil
der Palliativtherapie. Frakturgefährdete Knochenherde können lokal bestrahlt werden.
KO M M E N TA R
Beim Plasmozytom handelt es sich um eine maligne Transformation einer Plasmazellreihe unbekannter Genese.
Klinik: Neben einer Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, Gewichtsabnahme und Nachtschweiß klagen die Patienten häufig über Knochenschmerzen, vor allem im Bereich der Wirbelsäule. Typischerweise treten lokalisierte Osteolysen (z. B. „Schrotschuss-Schädel“) auf und mit fortschreitender Erkrankungsdauer kommt es auch
zur Entwicklung einer generalisierten Osteoporose
Fall 2 Seite 3
mit deutlich erhöhtem Frakturrisiko (im vorliegenden Fall sollte daher überprüft werden, ob eine Osteolyse im Schenkelhalsbereich nachweisbar ist
und ob eine generalisierte Osteoporose vorliegt).
Diagnostik: Die BSG ist bei Vorliegen eines Plasmozytoms extrem beschleunigt (1-Stunden-Wert: oft
⬎ 100 mm n.W.), beim Leichtketten (Bence-Jones)Plasmozytom jedoch oft nur leicht erhöht. Häufig
findet sich eine meist makrozytäre Anämie (Hb-Erniedrigung) mit Bedeutung für die Prognose (s.
Tab. 2.1). In vorliegendem Fall ist die auffällige Se-
rumelektrophorese diagnostisch wegweisend.
Der schmalbasige Peak in der γ-Globulin-Fraktion
(sog. M-Gradient, s. Abb. 2.2) entspricht einer exzessiven Vermehrung monoklonaler Immunglobuline (früher: Paraproteine) und deutet auf das Vorliegen eines Plasmozytoms hin. Hingegen kommt
eine breitbasige Erhöhung der γ-Globulin-Fraktion
z. B. bei Kollagenosen und Lebererkrankungen vor.
Zur Identifizierung dieser monoklonalen Immunglobuline muss eine Immunfixation oder Immunelektrophorese im Serum und Urin durchgeführt
werden. So lassen sich ein IgG-, IgA-, IgD- oder
Leichtketten-Plasmozytom unterscheiden. Die
Quantifizierung der Paraproteinämie ist für die
Stadieneinteilung (nach Salmon und Durie,
Tab. 2.1), Therapie und Prognose von Bedeutung.
Tab. 2.1 Stadieneinteilung des Plasmozytoms nach Durie und Salmon
Stadium I
weder zu Stadium I noch
Stadium III passend
Stadium III
Hb ⬍ 8,5 g/dl u./o. Ca2 +
i. S. erhöht u./o. ⬎ 3 osteolytische Herde u./o.
hohe Paraproteinkonzentrationen
„A“ bei Serum-Kreatinin ⬍ 2 mg/dl, „B“ bei
Serum-Kreatinin ⬎ 2 mg/dl
Ein Differenzialblutbild liefert erste Anhaltspunkte zum Ausschluss einer sekundären Paraproteinämie, z. B. bei einer chronisch-lymphatischen
Leukämie.
Zur Sicherung der Diagnose ist eine zytologische
Untersuchung des Knochenmarks (Beckenkammoder Sternalpunktion) unerlässlich. Bei einem
Plasmozytom liegt der Plasmazellanteil im Knochenmark über 10%. Bei histologischem Nachweis
Bei Patienten mit Plasmozytom muss außerdem
die Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden
(Kreatinin und Kreatininclearance in Abhängigkeit
vom Krankheitsstadium und Verlauf alle 2 – 8 Wochen). Insbesondere beim Leichtketten-Plasmozytom können die Paraproteine zu einer toxischen
Schädigung der Nierentubuli und später zur Entwicklung einer Amyloidose führen.
Therapie: Während bei asymptomatischen Patienten im Stadium I in der Regel keine sofortige Therapie erforderlich ist, besteht bei Patienten im Stadium II oder bei Krankheitsprogression meist eine
Therapieindikation.
Zur Indikationsstellung und Auswahl des Therapieverfahrens sollte ein Hämatologe hinzugezogen
werden. Als Standardtherapie gilt die Chemotherapie. Alternativ kommt, vor allem bei jüngeren
Patienten, eine Hochdosis-Chemotherapie mit
nachfolgender autologer Stammzelltransplantation in Frage. Sie weist eine deutlich höhere Ansprechrate als die konventionelle Chemotherapie
auf, allerdings auch eine höhere Toxizität.
Alle Patienten mit einem Plasmozytom ohne Frakturereignis profitieren von einer frühzeitigen antiresorptiven Therapie mit einem Bisphosphonatpräparat, auch wenn eine manifeste Osteoporose
oder eine Fraktur noch nicht vorliegt.
Darüber hinaus müssen auftretende Komplikationen entsprechend therapiert werden (s. o.).
Prognose: Sie hängt ab vom Tumorstadium (mediane Überlebenszeit in Stadium I 64 Monate, in
Stadium II 32 Monate, in Stadium III 6 – 12 Monate).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Plasmozytom-Typen und deren Häufigkeitsverteilung
Weitere Komplikationen der Grunderkrankung und deren Therapiemöglichkeiten
Differenzialdiagnosen
Fall 2 Seite 3
157
2
Antworten und Kommentar
Stadium II
Eine Hyperkalzämie deutet auf Osteolysen hin. Zur
Erkennung von Osteolysen muss bei einer gesicherten Paraproteinämie das gesamte Skelett geröntgt werden. Unklare Befunde in der Nativ-Röntgendiagnostik sollten mit der CT oder MRT weiter
abgeklärt werden. Die Skelettszintigraphie eignet
sich nicht zur Osteolyse-Suche, da sie beim Plasmozytom falsch-negativ ausfallen kann.
Fall
Hb ⬎ 10 g/dl + Ca2 +
i. S. normal + Röntgen
Knochen normal oder 1
solitärer Herd + niedrige
Paraproteinkonzentrationen
von Plasmazellnestern kann jedoch auch bei weniger als 10% Plasmazellen ein Plasmozytom diagnostiziert werden.
Die Knochenmarkzytologie erlaubt auch eine Abgrenzung zu anderen hämatologischen Neoplasien
bzw. einer monoklonalen Immunglobulinvermehrung ungewisser Signifikanz (MIUS).
Fall 3 HIV mit opportunistischer Atemwegsinfektion
3.1 An welche Grunderkrankung müssen Sie
vorrangig denken?
쐽 HIV-Infektion, AIDS, da klinisch eine konsumierende Infektionserkrankung vorliegt, die
auf eine antibakterielle Therapie nicht anspricht, eine Lymphadenopathie vorliegt, der
Hautbefund auf ein Kaposi-Sarkom verdächtig
ist und die Patientin aus einem Land mit hoher
HIV-Durchseuchung stammt.
158
3.2 Welche Untersuchung ist zur Abklärung
dieser Verdachtsdiagnose primär sinnvoll?
쐽 HIV-Serologie: Antikörper gegen HIV-1 und
HIV-2 als Suchtest (ELISA)
쐽 bei positivem Suchtest: Bestätigungstest (z. B.
Westernblot) aus gleicher Probe, dann zur Sicherheit noch einmal AK-Nachweis aus neuer
Probe
쐽 bei positiver Serologie: PCR zur Bestimmung
der Viruslast.
쐽 CD4+-Lymphozyten (T-Helferzellen)
Fall
3
3.3 Nehmen wir an, Ihre primäre Diagnose
trifft zu. Was ist dann wahrscheinlich die Ursache von Husten, Fieber und Dyspnö? Nennen Sie
mindestens 3 mögliche Erreger!
쐽 opportunistische Atemwegsinfektion, wahrscheinlich Pneumonie
쐽 häufige Erreger von Pneumonien bei HIV-Infektion: Pneumocystis carinii (am wahrscheinlichsten), atypische Mykobakterien, Tuberkelbakterien, Candida, Cryptococcus neoformans,
Zytomegalievirus.
!!! 3.4
Welche 2 Untersuchungen sollten zur definitiven Abklärung der pulmonalen Symptomatik auch bei unauffälligem Röntgenbild angestrebt werden? Warum ist dies wichtig?
쐽 Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage
(BAL) und transbronchialer Biopsie: zur Erregerdiagnostik einschließlich Spezialdiagnostik
für Pneumocystis carinii und Tuberkulose
쐽 ergänzend serologische Erregerdiagnostik
(Zytomegalie, Herpes)
쐽 Die Bestimmung des Erregers ist für die Auswahl der Therapie von Bedeutung (geeigneter
Wirkstoff).
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Die HIV-Infektion ist eine chronische Erkrankung,
deren Endstadium AIDS (acquired immunodeficiency syndrome) darstellt.
Ätiologie und Pathogenese: s. Fall 80. Bei der hier
beschriebenen Patientin ist das Risiko, an einer
HIV-Infektion erkrankt zu sein, statistisch erhöht.
Sie könnte einer Hochrisikogruppe angehören,
wenn man die Möglichkeit einer Prostitution in der
Vergangenheit in Betracht zieht. In den 1990er Jahren waren bis zu 44% aller Prostituierten in Thailand HIV-infiziert, was zu einer weiten Verbreitung
der Erkrankung in diesem Land geführt hat.
Klinik: Die Hautveränderungen lassen an ein Kaposi-Sarkom denken, welches als AIDS-definierende Erkrankung in 20% der Fälle zur Diagnose führt.
Weißliche Beläge im Mundraum entsprechen oft
einem Soor, einer typischen opportunistischen Infektion bei HIV-Infizierten. Nichtproduktiver Husten, Fieber und Dyspnö bei initial meist unauffälligem Röntgenbefund sind die typische Befundkonstellation einer Pneumocystis-carinii-Pneumonie.
Sie ist die mit Abstand häufigste opportunistische
Infektion bei AIDS-Patienten (bis 85%) und stellt
als AIDS-definierende Erkrankung bei 50% der Patienten den wegweisenden Befund bei Erstmanifestation der AIDS-Erkrankung dar. Zu weiteren
AIDS-definierenden Erkrankungen s. Fall 80.
Fall 3 Seite 4
Diagnostik:
쐽 HIV-Diagnostik: Aufgrund der Anamnese und
der typischen klinischen Befunde (V. a. KaposiSarkom, V. a. opportunistische Infektionen: Soor,
Pneumocystis-carinii-Pneumonie) sollten in
diesem Fall als Screeningtest Antikörper gegen
HIV-1 und HIV-2 bestimmt werden (ELISA).
Bevor der Patient über ein positives Testergebnis
informiert wird, sollte der Befund aus derselben
Probe mit einem Bestätigungstest (Westernblot)
überprüft und dann aus einer zweiten Probe bestätigt werden. Die Zahl der CD4+-Zellen im peripheren Blut ist prognostisch bedeutsam. Die Virusquantifizierung („Viruslast“) mittels PCR ist
ein wichtiger Prognoseparameter und zur Verlaufs- und Therapiekontrolle geeignet. In dem
vorliegenden Fall ist zudem, nach ausführlicher
Aufklärung, eine Untersuchung des Ehemanns
der Patientin indiziert.
쐽 Diagnostik bei V. a. Pneumocystis-cariniiPneumonie: In der Thorax-Röntgenaufnahme
kommen häufig symmetrische interstitielle
Veränderungen besonders in Projektion auf die
Mittelfelder vor, die wie im vorliegenden Fall
aber auch fehlen können. Eine definitive Diagnose der Pneumocystis-carinii-Pneumonie ist
nur durch den Erregernachweis mit spezieller
Anfärbung möglich. Dieser gelingt in der BALFlüssigkeit sicher. Durch die bakteriologische
Untersuchung der BAL-Flüssigkeit können auch
andere mögliche Erreger einer opportunistischen Pneumonie (Tuberkelbakterien, atypische Mykobakterien, Pilze) erfasst werden, wobei eine gezielte Anforderung für die mikrobiologische Untersuchung erforderlich ist (z. B.
Ziehl-Neelsen-Färbung und Kultur zur Tbc-Diagnostik). Ergänzend müssen auch virale Erreger wie das Zytomegalievirus (CMV) berücksichtigt werden, z. B. durch den Nachweis des
pp65-Antigens, welches auf eine aktive CMV-Infektion hinweist.
Die genaue mikrobiologische Diagnostik bei
HIV-Patienten ist therapeutisch von erheblicher
Relevanz, da das Ergebnis die Therapie bestimmt (z. B. Cotrimoxazol hochdosiert bei
Pneumocystis-carinii-Infektion, antituberkulöse Mehrfachkombination bei Tbc, Ganciclovir
bei CMV-Infektion, Amphotericin B/Fluconazol
bei Pilzpneumonie).
Differenzialdiagnose: Bei antibiotikaresistentem
Fieber sollte man immer an eine HIV-Infektion
denken. Mögliche andere Differenzialdiagnosen,
gerade bei jüngeren Menschen, sind Virusinfektion, maligner Tumor (v. a. Lymphome) und Autoimmunerkrankung (z. B. Vaskulitis, Kollagenose).
Therapie: s. Fall 80.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
HIV-Stadieneinteilung
„Diagnostische Lücke“
Weitere opportunistische Infektionen
AIDS-definierende Erkrankungen
159
Fall
Fall 4 Arterielle Hypertonie bei Diabetes mellitus Typ I
4.2 Sie diagnostizieren bei o. g. Patienten eine
arterielle Hypertonie. Ihr Praxisbudget erlaubt
Ihnen 2 weitere diagnostische Maßnahmen.
Welche ordnen Sie an?
쐽 Urinstatus, besser: quantitative Urineiweißbestimmung
쐽 EKG, besser: Belastungs-EKG (s. Fall 16).
4.3 Welche Antihypertensiva würden Sie diesem Patienten primär verordnen?
쐽 ACE-Hemmer oder kardioselektiver β-Blocker
oder Angiotensin-II (AT1)-Rezeptorantagonist.
4.4 Welchen Zielblutdruck streben Sie mit
Ihrer Therapie an ?
쐽 ⬍ 125/75 mmHg.
KO M M E N TA R
Laut WHO liegt eine arterielle Hypertonie vor,
wenn wiederholt ein Blutdruck von ⬎ 140/90
mmHg gemessen wird.
Ätiologie: Die Ursache der essenziellen (primären) Hypertonie ist unbekannt. Risikofaktoren
sind Diabetes mellitus, Rauchen, Hypercholesterinämie, Stress und Adipositas. Die sekundäre
Hypertonie ist medikamentös bedingt oder Folge
einer Grunderkrankung, z. B. endokriner Erkrankungen (z. B. Hyperthyreose), renoparenchymatöser oder renovaskulärer Veränderungen (z. B. Glomerulonephritis bzw. Nierenarterienstenose), einer Aortenisthmusstenose, Vaskulitis (z. B. des
Aortenbogens = Takayasu-Arteriitis [Aortenbogensyndrom]) oder der Schlafapnö.
Stadieneinteilung nach WHO:
쐽 Stadium I: Blutdruckerhöhung ohne Gefäßveränderungen
쐽 Stadium II: Blutdruckerhöhung und Organschädigung
쐽 Stadium III: Blutdruckerhöhung und Organversagen (Herz, Niere, Augen)
쐽 Stadium IV: maligne Hypertonie mit ausgeprägter Visusstörung oder Nierenversagen.
Klinik: Oft sind die Betroffenen beschwerdefrei.
Häufige Symptome sind Kopfschmerzen, Schwindel, Nasenbluten, Angina pectoris und Dyspnö.
Diagnostik: s. Tab. 4.1.
Fall 4 Seite 5
4
Antworten und Kommentar
4.1 Was ist Ihre nächste diagnostische Maßnahme?
쐽 Wiederholung der Blutdruckmessung zu verschiedenen Tageszeiten und Messung an beiden Armen oder – besser – 24-Stunden-Blutdruckmessung.
Tab. 4.1 Arterielle Hypertonie – Diagnostisches Vorgehen bei allen Patienten
160
Fall
4
Anamnese
Familie: Hochdruck/Schlaganfall/Herzinfarkt?, Nierenkrankheiten in der Familie?, selbst?, Schwangerschaftskomplikationen?, Herzerkrankungen?, Medikamente/Ovulationshemmer?, Blutdruckkrisen?, Rauchgewohnheiten?
körperliche Untersuchung
mehrfache Blutdruckmessung, Übergewicht, Aspekt, Auskultation: Herz, interskapular, Pulse: Arm/Leiste/Fuß, Gefäßauskultation: A. renalis/carotis/femoralis beidseits
Harn
Protein, Sediment, Glukose
Blut
Kreatinin, Kalium, Glukose, Cholesterin, Triglyzeride, Harnsäure
zusätzlich bei Patienten
⬍ 30. oder ⬎ 50. Lebensjahr,
EKG, Echokardiographie,
Röntgen-Thorax
konstanten diastolischen
Druckwerten ⬎ 100 mmHg
Augenhintergrund: maligner Hochdruck?
hypertoniebedingten Organ- digitale Subtraktionsangiographie, Nierensonographie,
schäden; schwer einstellbarer Urinkatecholamine, Suche nach renovaskulärer Ursache
Hypertonie
Antworten und Kommentar
Die Diagnose einer arteriellen Hypertonie kann
nur durch wiederholte Blutdruckmessungen zu
verschiedenen Tageszeiten gestellt werden, da der
Blutdruck von der Tageszeit, der körperlichen Aktivität und psychischen Faktoren abhängt. Zum Ausschluss eines seitendifferenten Blutdrucks, z. B. bei
Takayasu-Arteriitis oder Subclavia-steal-Syndrom,
muss der Blutdruck an beiden Armen gemessen
werden. Ein deutlich niedrigerer Blutdruck an der
unteren im Vergleich zur oberen Extremität kann
Ausdruck einer Aortenisthmusstenose sein. Eine
24-Stunden-Blutdruckmessung zeigt in der Regel
am frühen Vormittag und späten Nachmittag höhere Blutdruckwerte als im weiteren Tagesverlauf.
Normalerweise tritt eine „Nachtsenke“ (Abnahme
des systolischen und diastolischen Wertes um
mindestens 10%) auf. Ihr Fehlen weist auf eine sekundäre Hypertonie hin. Sie lässt sich durch die in
Tab. 4.1 gezeigten Maßnahmen, Laboruntersuchungen zum Ausschluss eines Cushing- oder
Conn-Syndroms und eine Duplexsonographie der
Nierenarterien abklären.
Die Bedeutung der arteriellen Hypertonie liegt in
der wesentlichen Verschlechterung der Prognose
des Diabetikers. Beim Zusammentreffen von Diabetes und arterieller Hypertonie steigt die kardiovaskuläre Mortalität auf das 2,5- bis 7fache. Eine
kardiale Diagnostik – mindestens in Form eines
Belastungs-EKGs – ist daher in diesem Fall zwingend erforderlich. Bei Typ-I-Diabetikern ist eine
arterielle Hypertonie meist mit einer diabetischen
Nephropathie verknüpft. In dieser Konstellation ist
die kardiovaskuläre Mortalität auf das 40fache erhöht. Daher muss beim Diabetiker – insbesondere
Fall 4 Seite 5
bei arterieller Hypertonie – bei jeder Routineuntersuchung eine quantitative Urineiweißbestimmung zur Erkennung einer Mikroalbuminurie
(Frühzeichen der diabetischen Nephropathie!)
durchgeführt werden.
Therapie: s. Tab. 4.2.
Für Diabetiker geeignet sind ACE-Hemmer und
AT1-Rezeptorantagonisten: Sie senken den systemischen Blutdruck und haben darüber hinaus einen nephroprotektiven Effekt, den andere Antihypertensiva (z. B. Kalziumantagonisten) nicht aufweisen.
Nichtselektive β-Blocker sollten bei Patienten mit
Diabetes mellitus nicht eingesetzt werden, da sie
Hypoglykämiesymptome wie Schwitzen und Tachykardie unterdrücken. β1-Rezeptor-Blocker (kardioselektive β-Blocker) dagegen wirken bei diesen
Patienten nicht nur blutdrucksenkend, sondern
auch kardioprotektiv und lebensverlängernd und
zählen somit zu den Antihypertensiva der ersten
Wahl.
Anzustreben ist in der Regel ein Zielblutdruck von
weniger als 140/90 mmHg. Bei Diabetikern wirkt
jedoch eine stärkere Absenkung des Blutdrucks lebensverlängernd. Die Fachgesellschaften empfehlen daher für Diabetiker einen Zielblutdruck von
weniger als 125/75 mmHg, falls dies toleriert wird
(Gefahr der orthostatischen Hypotension, vor allem bei autonomer Neuropathie). Die Beachtung
dieser Grenzwerte ist eine der wichtigsten und für
den Patienten effektivsten Maßnahmen in der
hausärztlichen Praxis.
Tab. 4.2 Stufenschema der medikamentösen Hypertoniebehandlung (Hahn 2000)
Monotherapie mit einem der folgenden Antihypertensiva: β-Blocker, Diuretikum, Ca2+-Antagonist*, ACE-Hemmer, AT1-Antagonist
bei unzureichendem Erfolg
Zweifach-Kombination mit
– Diuretikum plus einem der folgenden Antihypertensiva: β-Blocker, Ca2+-Antagonist*, ACEHemmer, AT1-Antagonist oder
– Ca2+-Antagonist* plus einem der folgenden Antihypertensiva: β-Blocker, ACE-Hemmer, AT1Antagonist
bei unzureichendem Erfolg
Dreifach-Kombination mit
– Diuretikum plus β-Blocker plus Vasodilatator (Ca2+-Antagonist*, ACE-Hemmer, AT1-Antagonist, α1-Blocker, Dihydralazin) oder
– Diuretikum plus ACE-Hemmer plus Ca2+-Antagonist* oder
161
– Diuretikum plus zentrales Sympatholytikum plus Vasodilatator (s. o.)
– klären: fehlende Compliance?, „Weißkittelhypertonie“ bei Arztbesuch?, Medikamentenwechselwirkungen (v. a. Steroide, NSAID)?, sekundärer Hochdruck?
– falls ausgeschlossen: Therapieversuch mit Minoxidil + Diuretikum + β-Blocker
Auswahl der Antihypertensiva nach der Begleitkrankheit:
Linksherzhypertrophie: ACE-Hemmer, Ca2+-Antagonisten, β-Blocker
Herzinsuffizienz: Diuretika, ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten, kein Verapamil
KHK: β-Blocker, ACE-Hemmer, kein Dihydralazin
Diabetes mellitus: ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten, kardioselektive β-Blocker
obstruktive Ventilationsstörung: keine β-Blocker
Gicht: möglichst keine Diuretika (Harnsäureanstieg)
Niereninsuffizienz: keine K+-sparenden Diuretika
Arterielle Verschlusskrankheit: keine β-Blocker (außer mit vasodilatatorischer Wirkung)
Schwangerschaftshypertonie: Propranolol, Metoprolol, Dihydralazin
Benigne Prostatahyperplasie: α1-Blocker
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Weitere Ursachen der sekundären Hypertonie
Komplikationen der arteriellen Hypertonie und ihre Therapie
Weitere Untersuchungen zur Langzeitüberwachung von Diabetikern
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Fall 4 Seite 5
4
Antworten und Kommentar
* keine Kombination von β-Blocker und Ca2+-Antagonisten vom Verapamiltyp.
Nur länger wirksame Ca2+-Antagonisten verwenden (Retardpräparate)
Fall
Therapierefraktäre Hypertonie:
Fall 5 Reaktive Arthritis (Reiter-Syndrom)
5.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Reaktive Arthritis (Reiter-Syndrom), da ein
Harnwegsinfekt vorausgegangen ist, große Gelenke entzündet sind und ein schuppendes
Erythem vorliegt.
162
Fall
5
5.3 Machen Sie einen Therapievorschlag!
쐽 nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Diclofenac) bei Bedarf (Schmerz)
쐽 bei gesicherter Chlamydieninfektion antibiotische Behandlung zur Erregerelimination; z. B.
Doxycyclin über 14 Tage. Wichtig ist die Mitbehandlung des Sexualpartners, da sonst eine
Reinfektion möglich ist.
쐽 Die Behandlung anderer Urethritis-Erreger ist
zur Beseitigung der Urethritis indiziert, beeinflusst aber nicht den Verlauf der Gelenkerkrankung.
쐽 bei ausgeprägter Arthritis intraartikuläre Injektion von Glukokortikoiden
쐽 nur wenn es trotz Erregerelimination zu einem
chronischen Verlauf kommt: Versuch einer sog.
Basistherapie wie bei rheumatoider Arthritis,
z. B. mit Sulfasalazin oder Methotrexat.
5.2 Welche 4 diagnostischen Maßnahmen
schlagen Sie zur Sicherung Ihrer Verdachtsdiagnose vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
쐽 Harnröhrenabstrich und bakteriologische Untersuchung auf Chlamydien-Antigen und andere Erreger zwecks Erregernachweis
쐽 Röntgen der Füße und Kniegelenke beidseits
(Suche nach arthritisverdächtigen Veränderungen bzw. Fersensporn)
쐽 Punktion des geschwollenen Kniegelenks und
Synoviaanalyse mit Zytologie und Gram-Präparat, um nachzuweisen, dass der Erguss entzündlich ist, und um eine bakterielle Arthritis
!!! 5.4 Wie bezeichnet man die schuppenden
auszuschließen
Hautveränderungen bei dieser Erkrankung?
쐽 Serologie: Suche nach Antikörpern gegen Chlamydien und Yersinien, um Hinweise auf mögli쐽 Als Keratoderma blennorrhagicum.
che Erreger zu erhalten. Ein positiver Befund
ist jedoch kein Beweis für eine floride Infektion
und erlaubt es daher nicht, die Diagnose „Chlamydienarthritis“ zu stellen.
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Eine reaktive Arthritis ist eine entzündliche Gelenkerkrankung, die als Reaktion auf eine bakterielle intestinale oder urogenitale Infektion auftritt
(Zweiterkrankung). Es handelt sich um eine sterile
Gelenkentzündung.
Als Reiter-Syndrom bezeichnet man das klinische
Vollbild einer reaktiven Arthritis, nämlich die
Kombination aus Arthritis, Urethritis und Entzündung des Auges (Reiter-Trias). Letztere äußerst
sich meist als Konjunktivitis und/oder Iridozyklitis.
Ätiologie: Auslöser reaktiver Arthritiden und Urethritis sind Chlamydien, Gonokokken und Ureaplasmen. Yersinien, Salmonellen, Shigellen und
Campylobacter lösen Arthritiden in Kombination
mit Enteritis aus. Man geht von einer genetischen
Prädisposition aus, da ca. 80% der Patienten HLAB27-positiv sind.
Klinik: Typischerweise kommt es Tage bis Wochen
nach einer Enteritis (Symptome: Diarrhö, Fieber,
Bauchschmerzen) oder Urethritis (Symptom:
Brennen beim Wasserlassen) zu einer asymmetrischen Oligoarthritis (d. h. Befall von 2 – 4 Gelenken)
bevorzugt der großen Gelenke. Gleichzeitig oder
später kann eine Konjunktivitis auftreten, außerdem eine Uveitis anterior (Iritis, Zyklitis oder – am
häufigsten – Iridozyklitis), eine Keratitis oder Episkleritis. Bei ca. 20% der Patienten mit Reiter-Syndrom finden sich schuppende Hautveränderungen
Fall 5 Seite 6
(Keratoderma blennorrhagicum), typischerweise –
wie in diesem Fall – an den Fußsohlen (Reiter-Tetrade). Der Fersenschmerz des im Fallbeispiel beschriebenen Patienten ist wahrscheinlich Ausdruck einer Enthesiopathie (Insertionstendopathie), einem weiteren Symptom des Reiter-Syndroms. Das Reiter-Syndrom findet sich jedoch nur
bei 60% der Patienten mit reaktiver Arthritis.
Diagnostik: s. Frage 5.2. Bei Enteritis ist nur die Serologie oder bei noch florider Klinik die bakteriologische Untersuchung von Stuhlkulturen indiziert.
Der Röntgenbefund der betroffenen Gelenke ist
zu Beginn der Erkrankung unauffällig, sodass die
Röntgendiagnostik zu diesem Zeitpunkt vor allem
der Abgrenzung gegen andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen (s. u.) dient.
Differenzialdiagnosen: In Betracht kommen zum
einen andere Oligoarthritiden (Psoriasisarthritis,
seronegative Spondylitis ankylosans [Morbus
Bechterew], Löfgren-Syndrom, Lyme-Arthritis,
Morbus Behçet, Polymyalgia rheumatica, rheumatisches Fieber), zum anderen bakterielle Arthrititiden (z. B. durch Gonokokken).
Therapie: Als kausale Therapie verabreicht man
bei der Chlamydienarthritis Antibiotika (s. Frage
5.3). Diese haben keinen Einfluss auf die (sterile)
Arthritis, verhindern jedoch eine Chronifizierung
der Beschwerden. Bei der Yersinienarthritis ist eine
Antibiotikagabe nicht indiziert, da sie die Gelenkbeschwerden nicht beeinflusst.
Der Patient muss auf die Notwendigkeit einer Partnerbehandlung hingewiesen werden. Unterbleibt
diese, besteht die Gefahr einer „Ping-Pong-Infektion“.
Zur symptomatischen Therapie s. Frage 5.3.
Prognose: In der Regel heilen reaktive Arthritiden
aus. Bei chronischem Verlauf ist die systemische
Gabe von Glukokortikoiden zur Immunsuppression oder von Basistherapeutika wie bei rheumatoider Arthritis erforderlich.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen bei Gelenkschmerzen
Diagnose und Therapie der rheumatoiden Arthritis
Weitere Beispiele für Zweiterkrankungen
Fall 6 Akuter Myokardinfarkt
6.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
쐽 V. a. akuten Myokardinfarkt, da der Patient
über zentralen (retrosternalen), in den Hals
ausstrahlenden Thoraxschmerz einer Dauer
von mehr als 15 Minuten klagt.
Fall 6 Seite 7
6
Antworten und Kommentar
6.3 Welche Maßnahmen ergreifen Sie bereits
im Rettungswagen?
쐽 kurze Anamnese: Beginn der Schmerzen, Charakter (kontinuierlich oder intermittierend),
Ausstrahlung und Beziehung zu Atmung bzw.
körperlicher Anstrengung, Risikofaktoren für
Myokardinfarkt, kardiale Ereignisse in der Vorgeschichte, Medikation, Kontraindikationen für
Thrombolyse?
쐽 orientierende körperliche Untersuchung: Zeichen der Herzinsuffizienz (Ödeme, Rasselgeräusche über der Lunge), Perikardreiben, einseitig abgeschwäches Atemgeräusch, Zeichen
des akuten Abdomens als Ursache des Erbre-
163
Fall
6.2 An welche Differenzialdiagnosen (mindestens 3) denken Sie hier?
쐽 Angina pectoris (AP: Schmerzdauer in der Regel ⬍ 5 Minuten, Abklingen der Schmerzen in
Ruhe und bei Gabe von Glyceroltrinitrat)
쐽 Perikarditis (bei fibrinöser Form stechender,
beim Einatmen verstärkter Schmerz)
쐽 Lungenembolie (Dyspnö, Husten, Zeichen einer Beinvenenthrombose [s. Fall 1])
쐽 dissezierendes Aneurysma der thorakalen
Aorta (Ausstrahlung des Thoraxschmerzes in
den Nacken, den Rücken und die Beine)
쐽 Spontan-Pneumothorax (plötzlich auftretende, einseitige, stechende, evtl. atemabhängige
Thoraxschmerzen mit Dyspnö und Husten)
쐽 Boerhaave-Syndrom = spontane Ösophagusruptur (Anamnese: heftiges Erbrechen, z. B. bei
Alkoholexzess, oder heftige Hustenanfälle vor
Einsetzen des Thoraxschmerzes; Erbrochenes
evtl. blutig tingiert).
chens (Hypo- oder Hyperperistaltik, abdomineller Druckschmerz, Abwehrspannung)?
쐽 EKG: Rhythmusstörungen? Ischämiezeichen?
(beurteilbar nur bei korrekter Ableitung – im
RTW oft nicht möglich) Bestätigung durch EKG
in der Klinik (Standardableitungen + V1 – V6,
ggf. auch V7 – V9)
쐽 Therapiemaßnahmen bei akuten retrosternalen Schmerzen:
– Patient hinsetzen (Oberkörper-Hochlagerung), beruhigen
– Glyceroltrinitrat (Nitrolingual)-Spray 2 Hübe
zur Verbesserung der myokardialen Durchblutung und Senkung des myokardialen
Sauerstoffverbrauchs (Rückgang des Thoraxschmerzes spricht für AP)
– Sauerstoff-Gabe (2 – 3 l/min) auch dann,
wenn der Patient nicht über Dyspnö klagt:
Therapieziel Verbesserung des Sauerstoffangebots
– Morphin 5 – 10 mg. i. v. zur Schmerzbekämpfung
– Antiemetikum (z. B. Metoclopramid)
– Acetylsalicylsäure 500 mg i. v. zur Hemmung
der Thrombozytenaggregation
– Heparin 5000 IE i. v. zur Antikoagulation,
wenn typische EKG-Veränderungen vorliegen und eine Aortendissektion als Differenzialdiagnose weniger wahrscheinlich ist. In
der Klinik dann Heparinperfusor (ca.
25 000 IE/d, Ziel: Verdoppelung der PTT)
oder niedermolekulares Heparin körpergewichtsadaptiert (z. B. Enoxaparin 1 mg/kg KG
2 ⫻ tgl.)
– bei Bradykardie Atropin i. v.
– ggf. Sedierung, z. B. mit Diazepam, zur Senkung des Sauerstoffverbrauchs
– bei Herzfrequenzanstieg β-Blocker mit kurzer Halbwertszeit (z. B. Esmolol) i. v.
164
Fall
6
6.4 In der Klinik wird das EKG (Abb. 6.1) abgeleitet. Wie gehen Sie therapeutisch weiter vor?
쐽 Das EKG zeigt eine ST-Hebung in Ableitung II,
III und aVF und eine ST-Senkung in I und aVL.
Somit liegt ein akuter (inferiorer) Hinterwandinfarkt vor.
쐽 Therapieziel ist die schnellstmögliche Rekanalisation des verschlossenen Gefäßes (Ramus
circumflexus der rechten Koronararterie). Sie
lässt sich erreichen durch
– Thrombolyse, z. B. mit Streptokinase oder Alteplase (rt-PA). Kontraindikationen beachten!
oder, wenn verfügbar,
– Koronarangiographie mit perkutaner transluminaler koronarer Angioplastie (PTCA)
und Stentimplantation in das verschlossene
Gefäß. Verfahren der Wahl (beste Erfolgsaussichten).
Weitere therapeutische Maßnahmen:
– Infusion eines GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten (z. B. Abciximab) zur Hemmung der
Thrombozytenaggregation
– therapeutische Heparinisierung
Abb. 6.1
farkt
EKG bei akutem (inferiorem) Hinterwandin-
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Als Myokardinfarkt bezeichnet man eine Myokardnekrose aufgrund eines Koronararterienverschlusses.
Myoglobin (nicht spezifisch, aber sensitiv) und
Troponin (spezifisch, aber falsch-positiv bei Niereninsuffizienz) bestimmt werden.
Ätiologie: Meist Arteriosklerose, selten Koronarspasmus, Koronariitis oder Embolie.
Solange das EKG keine eindeutigen Infarktzeichen
zeigt und Laborwerte nicht vorliegen, lautet die Diagnose „instabile Angina pectoris“ (s. Fall 16).
Einteilung: Man unterscheidet zwischen nichttransmuralem, d. h. subendokardialem, und transmuralem, d. h. alle Wandschichten umfassendem
Myokardinfarkt.
Klinik: Leitsymptom des akuten Myokardinfarkts
ist ein heftiger, meist retrosternal, seltener linksthorakal lokalisierter Schmerz, der in den linken
Arm, seltener in den Oberkiefer, die Schultern oder
das Epigastrium ausstrahlt und mit Unruhe und Todesangst einhergeht. Bei bis zu 20% der Patienten
mit einem akuten Myokardinfarkt liegt jedoch kein
Thoraxschmerz vor. Vor allem Patienten mit Diabetes mellitus nehmen ihn aufgrund einer autonomen Neuropathie oft nicht wahr. Bei diesen Patienten stehen vegetative Symptome (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbruch), Unruhe und Todesangst im Vordergrund. Zudem kann Dyspnö infolge
einer akuten Linksherzinsuffizienz den Thoraxschmerz überlagern.
Diagnostik: Insbesondere bei Patienten mit Diabetes mellitus und unklarer vegetativer Symptomatik
sind daher die Ableitung eines EKGs und dessen
sorgfältige Analyse unerlässlich. Um die Diagnose
„Myokardinfarkt“ stellen zu können, müssen außerdem die Serumkonzentration der „Herzenzyme“ Gesamt-CK, CK-MB (spezifisch, wenn ⬎ 6%
der Gesamt-CK-Konzentration), GOT, LDH (nicht
spezifisch) sowie die Serumkonzentration von
Fall 6 Seite 7
Beim nichttransmuralen Infarkt findet sich ein
gleichschenklig negatives T in mehreren Brustwandableitungen ohne QRS-Veränderung; Troponin ist positiv. Beim transmuralen Infarkt finden
sich erhöhte Herzenzym-, Myoglobin- und Troponinwerte sowie typische EKG-Veränderungen
(Abb. 6.2):
Abb. 6.2 EKGStadien bei transmuralem Infarkt
Liegt ein Infarkt vor, sind ein Röntgen-Thorax
(Herzgröße, Lungenstauung, Pleuaerguss?) zum
Ausschluss einer Herzinsuffizienz und eine Echokardiographie zur Lokalisationsdiagnostik und
zum Ausschluss von Komplikationen (Herzinsuffizienz, Thrombenbildung, Herzwandaneurysma)
indiziert.
Therapie: Die sofortige Gabe von Acetysalicylsäure
verbessert die Prognose. Zur Prophylaxe von Appositionsthromben, Ventrikelthromben und Thrombembolie sollte zudem eine Vollheparinisierung erfolgen (s. Frage 6.3); angestrebt wird eine Verlängerung der aPTT auf das 1,5- bis 2fache der Norm. Auch
β1-Rezeptorselektive Blocker verbessern die Prognose, können jedoch bei Neigung zu Bradykardie
(wie im vorliegenden Fall) sowie bei Zeichen einer
Herzinsuffizienz in der Akutphase nicht oder nur
mit Vorsicht verabreicht werden. Vor und nach
Gabe von Glyceroltrinitrat Blutdruckkontrolle!
Begleitmaßnahmen wie die Gabe von Morphin,
Sauerstoff, Antiemetika (bei Bedarf) sowie Sedierung können das Befinden des Patienten günstig
beeinflussen (s. Frage 6.3).
Sofern verfügbar, ist die mechanische Rekanalisation durch Akut-PTCA mit Stentimplantation Therapie der Wahl (höchste primäre Erfolgsrate). Ist sie
nicht verfügbar, ist die Thrombolyse mittels Fibrinolytika (Streptokinase, Urokinase, rekombinanter
Gewebeplasminogenaktivator [rt-PA]) das Verfahren der Wahl. Ist eine Thrombolyse kontraindiziert
(z. B. bei Blutung), sollte eine Verlegung zwecks
Akut-PTCA erwogen werden.
Die Applikation von GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten zusätzlich zu PTCA bzw. Lyse verbessert die
Prognose bei Myokardinfarkt. Der GlykoproteinIIb/IIIa-Rezeptor auf der Thrombozytenoberfläche
bindet Fibrinogen und vermittelt so die Bildung
stabiler Thrombozytenaggregate. Rezeptorantagonisten (z. B. Abciximab, ein monoklonaler Rezeptor-Antikörper) verhindern dies.
Bei Patienten mit Diabetes mellitus und akutem
Myokardinfarkt sollte eine möglichst rasche Normalisierung des Blutzuckerspiegels angestrebt
werden, da dies die Prognose zusätzlich verbessert.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Weitere Differenzialdiagnosen des akuten Myokardinfarktes
Komplikationen des akuten Myokardinfarktes
Kontraindikationen der Thrombolyse
Fall 7 Hyperkalzämie (bei Bronchialkarzinom)
7.1 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der
Hyperkalzämie? Beschreiben Sie die Pathomechanismen!
쐽 Die wahrscheinlichste Ursache ist ein fortgeschrittenes Bronchialkarzinom (s. Raumforderung in Abb. 7.1).
쐽 Pathomechanismen:
– paraneoplastisches Syndrom: Bildung eines
parathormonähnlichen Peptids (parathyroid
hormone related peptide, PTHrP) durch das
Bronchialkarzinom. PTHrP bindet an den Parathormonrezeptor und imitiert die Wirkung von Parathormon.
– Knochenmetastasen: Die Bronchialkarzinomzellen sezernieren einen osteoklastenaktivierenden Faktor (OAS). Dieser setzt Zy-
Abb. 7.1 Röntgen-Thorax p.a. bei zentralem Bronchialkarzinom
Fall 7 Seite 8
7
Antworten und Kommentar
Schließlich ist aufgrund möglicher Komplikationen (Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz
etc.) eine intensivmedizinische Überwachung des
Patienten notwendig.
165
Fall
Im vorliegenden Fall zeigt das EKG bei Aufnahme
einen akuten Hinterwandinfarkt, sodass eine
möglichst rasche Rekanalisation des/der verschlossenen Gefäße(s) angezeigt ist. Je kürzer das
Zeitintervall zwischen Gefäßverschluss und Wiedereröffnung ist, desto günstiger ist die Prognose.
So reduziert die Einleitung einer Thrombolyse
(s. u.) innerhalb von 6 Stunden nach Beginn der
Symptomatik die Letalität um 50%. Die wichtigste
Maßnahme der ambulanten Versorgung eines Patienten mit V. a. Myokardinfarkt ist daher der sofortige Transport in ein Krankenhaus in Begleitung eines in der Rettungsmedizin erfahrenen Arztes.
tokine (z. B. Interleukin-1) frei, die Osteoklasten aktivieren und so zum Abbau von
Knochensubstanz und zu Freisetzung von
Kalzium führen.
166
Fall
7
7.2 Nennen Sie die anderen 4 Ursachen der
Hyperkalzämie!
1. endokrine Erkrankungen: primärer Hyperparathyreoidismus, Hyperthyreose, Hyperkortisolismus, Phäochromozytom
2. granulomatöse Entzündungen: Sarkoidose,
Tuberkulose, Berylliose (Stimulation der Bildung von 1,25-Dihydroxycholecalciferol = Kalzitriol, der biologisch aktiven Form von Vitamin D)
3. Medikamente : Vitamin-D-Intoxikation (z. B.
irrtümliche Rezeptierung oder Einnahme von
Präparaten mit 100 000 statt 1000 IE 25-Hydroxycholecalciferol), Thiazide, Lithium. Heute
selten ist das Milch-Alkali-Syndrom (Hyperkalzämie, metabolische Azidose, Hypoparathyreoidismus und Niereninsuffizienz durch
Nephrokalzinose und Phosphatretention), das
durch langfristige Einnahme alkalischer Antazida (früher zur Ulkustherapie eingesetzt) und
gleichzeitigen Konsum großer Mengen Milch
auftritt.
4. andere Malignome : Plasmozytom, Nieren-,
Prostata-, Mammakarzinom (osteolytische
Knochenmetastasen!).
Antworten und Kommentar
7.3 Was ist eine hyperkalzämische Krise? Wie
äußert sie sich und wie wird sie behandelt?
쐽 Definition der hyperkalzämischen Krise: potenziell lebensbedrohlicher Anstieg des Serumkalziums auf Werte ⬎ 3,5 mmol/l aus einer Hyperkalzämie heraus. Aufgrund des meist raschen Anstiegs können Kompensationsmechanismen nicht greifen.
쐽 klinische Zeichen: starke Dehydratation, Exsikkose, Schock, ZNS-Symptome (Konzentrationsstörung bis Koma), Übelkeit, Erbrechen
쐽 Therapieoptionen:
– forcierte Diurese: reichliche Flüssigkeitsgabe; auch, um das Flüssigkeitsdefizit auszugleichen, parallel Gabe von Schleifendiuretika, um die Kalziumausscheidung zu fördern
– Bisphosphonate (z. B. Pamidronat) intravenös (Hemmung des Knochenabbaus)
– alternativ oder – bei inadäquater Wirkung
der Bisphosphonate – ergänzend: Kalzitonin
i. v. (Hemmung des Knochenabbaus)
– bei Tumorhyperkalzämie: Glukokortikoide,
z. B. Prednison 20 – 40 mg/d (senken die Kalzitriolproduktion der aktivierten mononukleären Zellen in Lymphknoten und der
Lunge)
– bei Versagen der o. g. Maßnahmen oder bei
Herz-Kreislauf-Versagen: Hämodialyse
– kausale Maßnahmen: Operation bei Hyperparathyreoidismus, Therapie eines Malignoms.
KO M M E N TA R
Eine Hyperkalzämie liegt vor, wenn das GesamtKalzium i. S. 2,7 mmol/l übersteigt.
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 7.1 und 7.2.
Häufigste Ursache ist ein Malignom : Bei über 50%
der Patienten mit chronischer Hyperkalzämie kann
bei Diagnosestellung oder im weiteren Verlauf ein
maligner Tumor identifiziert werden. Zweithäufigste Ursache ist der primäre Hyperparathyreoidismus.
Klinik: Hyperkalzämie wirkt sich auf zahlreiche
Organe aus: Sie führt zu Nephrolithiasis, Nierenversagen, Pankreatitis, gastrointestinalen Ulzera,
Obstipation, Muskelschwäche und Bewusstseinstrübung.
Diagnostik: Wichtig sind die Anamnese (hyperkalzämieinduzierende Medikamente?, Anzeichen
für die in Frage 7.2 genannten endokrinen Erkrankungen?) und die körperliche Untersuchung (Anzeichen für die in Frage 7.2 genannten endokrinen
Erkrankungen oder Malignome?) einschließlich einer gynäkologischen Untersuchung (Tumorsuche).
Fall 7 Seite 8
Ein primärer Hyperparathyreoidismus liegt vor,
wenn wiederholt erhöhte Parathormonwerte
i. S. gemessen werden und eine chronische Hyperkalzämie besteht.
Jede unklare Hyperkalzämie sollte Anlass zu einer
Tumorsuche geben. Diese sollte zumindest eine
Eiweißelektrophorese von Serum und Urin (Plasmozytomausschluss) und die Bestimmung des
Prostata-spezifischen Antigens (PSA), eine Röntgen-Thoraxaufnahme und eine Abdomensonographie einschließen. Eine sensitive Methode zum
Nachweis von Knochenmetastasen ist die Skelettszintigraphie. Allerdings ist diese in der Diagnostik
osteolytischer Herde eines (fortgeschrittenen)
Plasmozytoms nicht ausreichend sensitiv, sodass
bei V. a. Plasmozytom Röntgenaufnahmen des gesamten Skeletts angefertigt werden sollten.
Therapie: Sie umfasst die Hemmung des Knochenabbaus (Bisphosphonate, Kalzitonin), die Steigerung der Kalziumausscheidung (forcierte Diurese, ggf. Dialyse) und einen Stopp der Kalziumzufuhr
(keine Milchprodukte oder kalziumhaltigen Mineralwässer, keine Vitamin-D3-Präparate einnehmen).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Formen und Therapie des Hyperparathyreoidismus
Interpretation des Serumkalziumspiegels bei Eiweißmangel
Diagnose und Therapie des Bronchialkarzinoms
Differenzialdiagnosen von Lungenrundherden
Fall 8 Akute obere gastrointestinale Blutung
8.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 V. a. akute obere gastrointestinale Blutung;
akut, da der Patient blass, tachykard und hypoton ist. Bei Hämatemesis ist die Blutungsquelle
stets im oberen Gastrointestinaltrakt lokalisiert. Wahrscheinlich handelt es sich um eine
Ulkusblutung (Prednisolon und Diclofenac wirken ulzerogen!).
8.4 Nennen Sie die 6 häufigsten Ursachen einer Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt!
1. Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi
2. erosive Gastritis, seltener erosive Duodenitis
oder Ösophagitis
3. Ösophagus- oder Fundusvarizen
4. Mallory-Weiss-Syndrom
5. Magenkarzinom
6. seltener: Ösophaguskarzinom, Angiodysplasie.
KO M M E N TA R
Bei dem im Fallbeispiel beschriebenen Patienten
liegt aufgrund der Hämatemesis am ehesten eine
obere gastrointestinale Blutung vor.
Vorgehen: Erste Maßnahme bei einer akuten gastrointestinalen Blutung ist die Abschätzung des
aktuellen und zu erwartenden Blutverlustes. Hierzu eignet sich die Kreislaufsituation am besten, da
der Hämatokrit und der Hämoglobinspiegel durch
Verdünnung erst verzögert abfallen. Bei Hypotonie
und Tachykardie – wie im vorliegenden Fall – liegt
bereits ein hämorrhagischer Schock vor.
Fall 8 Seite 9
8
Antworten und Kommentar
8.3 Welche Untersuchungen (mindestens 4)
führen Sie – in der Reihenfolge des praktischen
Vorgehens – durch, um nach einer Blutungsquelle im Gastrointestinaltrakt zu suchen?
1. Gastroskopie, da sie einfach durchzuführen
und die Mehrzahl der Blutungsquellen im oberen Gastrointestinaltrakt lokalisiert ist
2. Koloskopie zur Abklärung von Blutungsquellen
im unteren Gastrointestinaltrakt
3. Szintigraphie mit 99 mTc-markierten Erythrozyten zur Suche nach einer Blutungsquelle im
Dünndarm
4. Kapselendoskopie des Dünndarms: Alternative
zur Szintigraphie.
167
Fall
8.2 Welche diagnostischen und therapeutischen Notfallmaßnahmen führen Sie durch?
1. Anlage von mindestens 2 großlumigen peripheren Venenverweilkanülen
2. Blutentnahme:
– Hämoglobin (Notfallbestimmung, Wert
muss innerhalb weniger Minuten vorliegen)
– Blutgruppe und Kreuzblut zur Bereitstellung
von Erythrozytenkonzentraten (mindestens
4)
– Kreatinin, Elektrolyte, Thrombozyten, Blutgerinnung (INR, PTT)
3. Volumensubstitution: kristalloide Lösungen
(z. B. Ringer-Lösung) – 1 l sofort, dann je nach
Kreislaufsituation mehr – und kolloidale Lösungen (z. B. Hydroxyethylstärke [HAES 6%])
(500 – 1000 ml/d; Kolloide halten Flüssigkeit in
den Gefäßen, wichtig bei Hypotonie)
4. Bluttransfusion:
– Erythrozytenkonzentrate: Menge je nach
Ausmaß der Anämie. Ziel ist ein Hämatokrit
von ca. 30%
– bei hohem Bedarf an Erythrozytenkonzentraten ergänzend Gabe von FFP (fresh frozen
plasma, enthält u. a. Gerinnungsfaktoren, die
im Rahmen der Blutung verbraucht werden)
5. Gastroskopie:
– Suche der Blutungsquelle in Ösophagus, Magen und Duodenum
– ggf. direkte Blutungsstillung, z. B. Unterspritzung eines blutenden Ulcus ventriculi oder
duodeni, Sklerosierung von Ösophagusvarizen
– Hemmung der Magensäuresekretion mittels
Protonenpumpenhemmer, z. B. Omeprazol
8 mg/h i. v.
6. frühzeitig Chirurgen informieren; falls unter
endoskopischer Therapie Blutung nicht sistiert,
kann eine operative Therapie (z. B. Ulkusumstechung) notwendig sein
7. Patient zunächst flach lagern
8. Patient nüchtern lassen, bis die Situation stabilisiert und die Blutungsquelle lokalisiert und
therapiert ist.
Zweite Maßnahme ist die Stabilisierung des Kreislaufs. Bis Erythrozytenkonzentrate verfügbar sind,
wird mit kristalloiden und kolloidalen Lösungen
Volumen substituiert. Erythrozytenkonzentrate
werden in Abhängigkeit vom erlittenen Blutverlust
appliziert, wobei es in der Regel ausreicht, den Hämatokrit auf Werte um 30% anzuheben. Bei chronischer Anämie toleriert der Patient jedoch deutlich
niedrigere Hämatokritwerte, sodass in Kenntnis
der Risiken einer Bluttransfusion bei geringem akutem Blutverlust zunächst abgewartet werden kann,
ob der Hämatokrit im Verlauf weiter fällt.
Bei V. a. aktive obere gastrointestinale Blutung
sollte möglichst schnell und möglichst bei stabilen
Kreislaufverhältnissen eine Gastroskopie durchgeführt werden, da bis zu 90% aller gastrointestinalen
Blutungen ihre Quelle im oberen Verdauungstrakt
haben und somit im Rahmen der Gastroskopie erkannt (Abb. 8.1) und therapiert werden können (s.
auch Frage 8.2).
Die Therapie richtet sich nach der Aktivität der
gastrointestinalen Blutung. Diese wird nach Forrest eingeteilt (Tab. 8.1).
Tab. 8.1 Klassifikation der Aktivität oberer
gastrointestinaler Blutungen nach Forrest
Forrest I: Läsion mit aktiver Blutung
앫 Ia: arterielle (spritzende) Blutung
앫 Ib: venöse Sickerblutung
Forrest II: Läsion mit Zeichen der stattgehabten Blutung
앫 IIa: sichtbarer Gefäßstumpf
앫 IIb: Läsion von Koagel bedeckt
앫 IIc: Läsion von Hämatin bedeckt
Forrest III: Läsion ohne Blutungszeichen
168
Fall
Aktive Blutungen (Typ Forrest I) können durch Unterspritzung mit Adrenalin oder durch Fibrinkleber
gestillt werden bzw. im Falle von Ösophagusvarizen durch Kompression mit Sengstaken-Blakemore-Sonde (Ösophagus) oder Linton-NachlasSonde (Fundusvarizen) für 24 – 48 Stunden.
8
Antworten und Kommentar
Sind diese Maßnahmen erfolglos, müssen chirurgische Verfahren (z. B. Umstechung bei Ulkus) erwogen werden. Läsionen vom Typ Forrest II und III bedürfen zunächst keiner Blutstillungsmaßnahmen
und werden konservativ behandelt (Protonenpumpenhemmer, z. B. Pantoprazol 2 ⫻ 40 mg/d).
Abb. 8.1 Endoskopischer Befund bei blutendem Ulcus
ventriculi
Die meisten Blutungen aus Ulcera ventriculi oder
duodeni sind mit einer Helicobacter-pylori-Infektion assoziiert. Daher sollten bei der Notfallendoskopie Proben für den Urease-Schnelltest entnommen werden, um bei positivem Testergebnis frühzeitig eine Eradikationsbehandlung einleiten zu
können.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Volumensubstitution
Durchführung einer Bluttransfusion
Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie
Ulkuspathogenese und -therapie
Ursachen der unteren gastrointestinalen Blutung (Diagnostik und Therapie)
Fall 8 Seite 9
Fall 9 Hodgkin-Lymphom
9.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
쐽 Malignes Lymphom, wahrscheinlich Morbus
Hodgkin, da vor allem die Halslymphknoten
betroffen sind.
9.3 Welche prognostisch bedeutsamen Parameter werden für die Stadieneinteilung der vermuteten Erkrankung herangezogen?
쐽 Zahl der befallenen Lymphknotenregionen
쐽 Befall von Lymphknoten auf einer oder beiden
Zwerchfellseiten
쐽 extralymphatischer Befall (Knochenmark, Leber, Lunge, Haut)
쐽 Milzbefall
쐽 Vorliegen von Allgemeinsymptomen (Gewichtsabnahme von mehr als 10% in 6 Monaten, Fieber
nichtinfektiöser Ursache über 38⬚ C, Nachtschweiß).
9.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 5) schlagen Sie zur weiteren Abklärung vor?
쐽 Exstirpation vergrößerter Lymphknoten und
histologische Untersuchung
쐽 Staging: Erfassung der Krankheitsausdehnung
– Labor: mindestens BSG, Differenzialblutbild,
Serumelektrophorese, Leberwerte, Kreatinin, LDH und alkalische Phosphatase
!!! 9.4 Welche 4 histologischen Subtypen der
– CT-Abdomen, CT-Thorax
vermuteten Erkrankung kennen Sie?
– Knochenmarkbiopsie
쐽 lymphozytenreiche Form
– Knochenmarkszintigraphie
쐽 nodulär-sklerosierende Form
쐽 gemischtzellige Form
쐽 lymphozytenarme Form.
Fall
KO M M E N TA R
Maligne Lymphome sind Malignome des lymphatischen Systems. Sie werden unterteilt in HodgkinLymphome (Morbus Hodgkin = Lymphogranulomatose) und Non-Hodgkin-Lymphome (s. Fall 43).
9
Ätiologie: Sie ist unbekannt.
Klinik: Die Erkrankung manifestiert sich am häufigsten in der 3. und 7. Lebensdekade. Leitsymptom
ist die schmerzlose Lymphknotenschwellung vor
allem im Halsbereich, die oft mit Allgemeinsymptomen wie Nachtschweiß, ungewolltem Gewichtsverlust oder Fieber einhergeht.
Differenzialdiagnosen: Abgegrenzt werden müssen insbesondere Non-Hodgkin-Lymphome, Infek-
Abb. 9.1 Hodgkin-Lymphom mit deutlichen rechtsseitigen Hiluslymphomen
tionserkrankungen (z. B. infektiöse Mononukleose,
Toxoplasmose) und Lymphknotenmetastasen solider Tumoren.
Stadieneinteilung: Die Ausdehnung eines malignen Lymphoms ist für die Prognose wesentlich und
daher auch Grundlage der Stadieneinteilung des
Morbus Hodgkin gemäß der Ann-Arbor-Klassifikation. Diese unterscheidet 4 Krankheitsstadien
(Tab. 9.1).
Als B-Symptome (Allgemeinsymptome) sind eine
Gewichtsabnahme von mehr als 10% in 6 Monaten,
Fieber nichtinfektiöser Ursache über 38⬚C und
Nachtschweiß definiert.
Fall 9 Seite 10
Antworten und Kommentar
Charakteristika des Morbus Hodgkin sind einkernige Riesenzellen (Hodgkin-Zellen) und vereinzelte mehrkernige (Reed-Sternberg-) Riesenzellen.
Diagnostik: Lymphknotenschwellungen unklarer
Ursache, die länger als 4 Wochen bestehen, bedürfen der histologischen Abklärung. Hierzu sind eine
Exstirpation und eine histologische Untersuchung makroskopisch suspekter (geschwollener)
Lymphknoten erforderlich. Eine Feinnadelbiopsie
bzw. Aspirationszytologie reicht zum Ausschluss
eines Lymphoms nicht aus. Zur Erfassung der
Krankheitsausdehnung müssen die prognostisch
relevanten Lymphknotenareale, welche sich der
klinischen Untersuchung entziehen (Mediastinum,
Abdomen, Becken), durch eine Röntgenuntersuchung des Thorax (Abb. 9.1) und eine Computertomographie von Thorax, Abdomen und Becken
dargestellt werden. Zum Ausschluss einer prognostisch relevanten Knochenmarkinfiltration ist
eine Knochenmarkbiopsie notwendig.
169
Tab. 9.1 Stadieneinteilung der Hodgkin-Lymphome (nach Ann-Arbor) (Hahn 2000)
Ausbreitung
einzelne Lymphknotenregion oder Vorliegen eines einzigen extranodalen Herdes
2 oder mehr Lymphknotenregionen auf einer Zwerchfellseite oder lokalisierte extranodale Herde mit Befall von Lymphknotenregionen auf einer Zwerchfellseite
III wie II, jedoch beide Zwerchfellseiten befallen
III1 subphrenische Lokalisation oberhalb des Truncus coeliacus
III2 subphrenische Lokalisation unterhalb des Truncus coeliacus
IV disseminierter Befall extralymphatischer Organe mit/ohne Lymphknotenbefall
Ergänzungen:
– A (= ohne B-Symptome), B (= mit B-Symptomen)
I
II
– N (= nodaler = Lymphknotenbefall), E (= extranodaler Befall)
170
– Risikofaktoren (wichtig für die Therapieplanung bei den Stadien I und II):
앫 großer Mediastinaltumor (bulky disease = Lymphknoten-Durchmesser mediastinal ⬎ 1/3
des Thoraxdurchmessers in Höhe des 5. ICR oder Tumor ⬎ 5 cm)
앫 Befall von 3 und mehr Lymphknotenregionen
앫 extranodale Herde
앫 hohe BSG (A-Stadium ⬎ 50 mm/h, B-Stadium ⬎ 30 mm/h)
Lymphatisches Gewebe: Lymphknoten, Milz, Waldeyer-Rachenring, Thymus, Appendix
Fall
10
Antworten und Kommentar
Auch der histologische Typ (s. Frage 9.4) hat eine
prognostische Bedeutung, geht aber nicht in die
Stadieneinteilung nach Ann-Arbor ein. Der lymphozytenreiche Typ hat die beste, der lymphozytenarme die schechteste Prognose.
Therapie: Sie sollte individuell durch einen Hämatologen festgelegt werden und erfolgt oft innerhalb
von Studien, sodass langfristig gültige Therapieschemata derzeit nicht existieren. Während in Stadium I oder IIA eine reine Strahlentherapie ausreichen kann, kommt in fortgeschrittenen Krankheitsstadien (ab Stadium IIB) eine Polychemotherapie zum Einsatz.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen der Lymphadenopathie
Differenzialdiagnosen der Splenomegalie
Einteilung, Klinik und Therapie der Non-Hodgkin-Lymphome
Fall 10 Chronische Niereninsuffizienz mit renaler Osteopathie
10.1 Nennen Sie die 6 häufigsten Ursachen der
chronischen Niereninsuffizienz!
1. diabetische Nephropathie (20 – 30%)
2. vaskuläre Nephropathie und hypertoniebedingte Nierenschäden (10 – 25%)
3. chronische Glomerulonephritis (10 – 20%)
4. chronische Pyelonephritis und interstitielle
Nephritis (5 – 15%)
5. unklare Ursache (5 – 15%)
6. polyzystische Nierendegeneration (3 – 7%)
An 7. Stelle stehen Systemerkrankungen wie Kollagenosen, Vaskulitiden, Amyloidose (5%).
Fall 10 Seite 11
10.2 Was könnte die Entstehung der Frakturen
bei dem Patienten begünstigt haben? Beschreiben Sie die Pathomechanismen!
쐽 Wahrscheinlich liegt eine renale Osteopathie
vor.
쐽 Pathomechanismen :
– sekundärer Hyperparathyreoidismus, bedingt durch
1. Hyperphosphatämie durch Phosphatretention und konsekutive Hypokalzämie aufgrund
eines erhöhten Kalziumphosphatprodukts.
Die Abnahme der Serumkonzentration freien Kalziums führt zu gesteigerter PTH-Sekretion.
2. verminderte Bildung von 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Kalzitriol, der biologisch aktiven Form von Vitamin D) in der Niere. Der
hemmende Effekt von Kalzitriol auf die Parathormonsynthese wird somit verringert.
Folge der erhöhten PTH-Sekretion ist ein gesteigerter Knochenabbau – bei längerem Bestehen mit reaktiver Steigerung des Knochenanbaus – , der zu Spontanfrakturen führen kann.
– Osteomalazie: inadäquate Mineralisation
neugebildeten Knochens aufgrund des Mangels an Kalzitriol. Dadurch werden die Knochen zunächst weich und biegsam, bei fortschreitender Mineralisationsstörung brüchig.
Histologisch findet sich bei der renalen Osteopathie meist eine Kombination aus sekundärem Hyperparathyreoidismus (subperiostale Knochenresorption, s. Frage 10.3) und Osteomalazie (breite
Osteoidsäume auf den Knochentrabekeln).
10
Abb. 10.1
idismus
Radiologische Zeichen bei Hyperparathyreo-
oder durch Dialyse) und Behandlung der
Grunderkrankung, soweit möglich
쐽 bei Hyperparathyreoidismus Substitution von
Kalzitriol zur Suppression des Parathormons
쐽 bei Hyperphosphatämie Gabe von kalziumhaltigen Phosphatbindern (z. B. Kalziumkarbonat).
Aluminiumhaltige Phosphatbinder sind kontraindiziert (s. Kommentar).
쐽 Reduktion der Phosphatzufuhr mit der Nahrung (Verzicht auf Innereien, Einschränkung
bei Milchprodukten).
KO M M E N TA R
Als chronische Niereninsuffizienz bezeichnet man
eine progrediente irreversible Einschränkung der
Nierenfunktion.
Ätiologie: Eine chronische Niereninsuffizienz
kann bei allen Erkrankungen auftreten, die zu einer
Zerstörung von Nierengewebe führen (s. Frage
10.1).
Stadieneinteilung: s. Fall 73.
Pathophysiologie und Klinik: Es kommt zum Verlust der exkretorischen Funktion der Niere: Die
mangelnde Ausscheidung von Flüssigkeit und
Elektrolyten führt zu Ödemen bzw. Elektrolytstörungen (z. B. Hyperkaliämie), die mangelnde Ausscheidung von Harnstoff und toxischen Metaboliten zum Syndrom der Urämie (s. Fall 73). Auch die
exokrine Funktion der Niere ist gestört. So führt
die verminderte Erythropoetinproduktion zur renalen Anämie. Die verminderte Bildung von Kalzi-
Fall 10 Seite 11
Antworten und Kommentar
10.4 Wie kann die „Knochenerkrankung“ bei
der chronischen Niereninsuffizienz behandelt
werden?
쐽 Verbesserung der Nierenfunktion (konservativ,
z. B. durch Flüssigkeitsbilanzierung und Weglassen von nephrotoxischen Medikamenten,
171
Fall
10.3 Wie kann die vermutete „Knochenerkrankung“ diagnostiziert werden?
쐽 Labor: Parathormon i. S. erhöht, Kalzium i. S.
normal, alkalische Phosphatase erhöht
쐽 Röntgen des Skeletts: frühestes Zeichen eines
Hyperparathyreoidismus (in bereits fortgeschrittenem Stadium) sind subperiostale Resorptionszonen. Sie treten vor allem an den
Endphalangen der Finger (Abb. 10.1), den Klavikulaenden und am Becken auf. Zeichen einer
Osteomalazie sind eine erhöhte Strahlentransparenz des Knochens bei verwaschener
bis aufgehobener Spongiosastruktur. Supraperiostal finden sich Verkalkungen (Looser-Umbauzonen), z. B. an den Phalangen, an Skapula
und Femur.
쐽 Knochenbiopsie und histologische Untersuchung: s. Frage 10.2.
triol in der Niere ist eine der Hauptursachen der renalen Osteopathie, die mit einer erhöhten Frakturgefahr einhergeht. Bei Dialyse-Patienten oder
Therapie der Phosphatretention mit aluminiumhydroxidhaltigen Phosphatbindern kann eine
aluminiuminduzierte Osteopathie auftreten: Aluminium akkumuliert im Knochen; durch seine toxische Wirkung nimmt die Zahl der Osteoblasten
ab, sodass es zu einer Mineralisationsstörung
kommt.
172
Fall
11
Diagnostik:
쐽 Diagnostik der Niereninsuffizienz: Bei Erhöhung der Nierenretentionsparameter (Kreatinin, Harnstoff-Stickstoff) i. S. (Normwerte abhängig von Alter, Geschlecht und Körpergewicht) und/oder einer verminderten Kreatininclearance besteht eine Niereninsuffizienz. Zudem sollten die Elektrolyte (Hyperkaliämie, Hypernatriämie, Hyperkalzämie?) und das Blutbild (renale Anämie?) bestimmt und eine Blutgasanalyse durchgeführt werden (metabolische
Azidose?).
쐽 Diagnostik der renalen Osteopathie: s. Frage
10.3. Bei aluminiuminduzierter Osteopathie ist
Aluminium i. S. erhöht; bei der histologischen
Untersuchung von Knochenbiopsat lässt sich
Aluminium histochemisch nachweisen.
Therapie: Sie ist vielschichtig: Die Grunderkrankung muss behandelt werden (s. z. B. Fall 52). Die
Niereninsuffizienz wird folgendermaßen behandelt:
쐽 Normalisierung des Blutdrucks (ACE-Hemmer
sind Mittel der Wahl, da sie zusätzlich nephroprotektiv wirken)
쐽 Eiweißrestriktion (0,8 – 1,0 g/kg KG pro Tag)
쐽 Behandlung einer Hyperlipidämie (Cholesterinsynthesehemmer, s. Fall 61)
쐽 bei Urämie Dialysebehandlung
쐽 Diuretika nur bei Überwässerung.
Zur Therapie der renalen Osteopathie s. Frage 10.4.
Bei aluminiuminduzierter Osteopathie Gabe von
Deferoxamin.
Die Therapie der renalen Anämie besteht in der
Gabe von rekombinantem humanem Erythropoietin (Ziel-Hb 11,0 g/dl).
Zur Therapie der Hyperkaliämie s. Fall 64.
Wichtig ist die Dosisanpassung aller Medikamente
an die Nierenfunktion!
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Antworten und Kommentar
Weitere Folgeschäden der Niereninsuffizienz und ihre Therapiemöglichkeiten
Symptomatik der Urämie
Nierenersatztherapie
Formen der Glomerulonephritis
Fall 11 Cor pulmonale bei COPD
11.1 Welche Erkrankung ist die wahrscheinlichste Ursache von Luftnot und Husten?
쐽 Chronische Bronchitis mit Bronchialobstruktion (chronisch obstruktive Lungenerkrankung = COPD)
11.2 Nennen Sie mindestens 3 Untersuchungen zur Abklärung dieser Ursache (in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) sowie jeweils einen für Ihre Verdachtsdiagnose typischen Befund!
1. Blutgasanalyse (BGA): zur Erfassung einer respiratorischen Insuffizienz. Bei schwerer Bronchialobstruktion finden sich häufig eine arterielle Hypoxämie (paO2 ⬍ 72 mmHg) und Hyperkapnie (paCO2 ⬎ 45 mmHg), bei akuter Verschlechterung oder fehlender Kompensationsmöglichkeit auch eine respiratorische Azidose.
2. Lungenfunktionsanalyse mittels Spirometrie:
zur Erfassung und Quantifizierung einer Bronchialobstruktion. Typisch ist eine herabgesetzte 1-Sekunden-Kapazität (FEV1, Tiffeneau-In-
Fall 11 Seite 12
dex) infolge der Bronchialobstruktion, bei stärkerer Bronchialobstruktion evtl. auch verminderte Vitalkapazität aufgrund eines erhöhten
Residualvolumens. Durch Wiederholung der
Messung nach Applikation eines kurz wirkenden β2-Mimetikums lässt sich ein Asthma
bronchiale abgrenzen (Bronchialobstruktion
reversibel) und anhand des FEV1 nach Bronchialdilatation die Prognose abschätzen.
3. Röntgen-Thorax in 2 Ebenen: zur Erfassung eines Lungenemphysems und begleitender Lungenerkrankungen (z. B. Bronchialkarzinom).
Überblähung der Lungen mit tief stehendem
Zwerchfell, Emphysemblasen.
11.3 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der
Ödeme?
Ursache der Ödeme ist wahrscheinlich ein Cor
pulmonale. Hinweise sind die Belastungsdyspnö,
die rasche Ermüdbarkeit und die fixierte Spaltung
des 2. Herztons.
Abb. 11.1 Typisches EKG bei Cor
pulmonale mit Zeichen der Rechtsherzbelastung
Fall 11 Seite 12
173
11
Antworten und Kommentar
11.5 Machen Sie einen Therapievorschlag für
diesen Patienten!
쐽 Therapie der COPD:
– kurz wirkendes inhalatives β2-Mimetikum
(z. B. Salbutamol) bei Bedarf, je nach Schwere der obstruktiven Ventilationsstörung ergänzend lang wirkendes β2-Mimetikum
(z. B. Salmeterol) als Dauertherapie.
– Bei Nebenwirkungen (z. B. Herzrhythmusstörungen, Tremor, Muskelkrämpfe) lässt
sich die Dosis des β2-Mimetikums durch zusätzliche Inhalation eines Anticholinergikums (z. B. Ipratropiumbromid) reduzieren.
– bei Erfolglosigkeit zusätzlich Theophyllin.
Achtung: geringe therapeutische Breite, Arzneimittelinteraktionen!
– Die Wirksamkeit von (inhalativen) Glukokortikoiden als Dauertherapie bei COPD ist –
im Gegensatz zum Asthma bronchiale – umstritten. Evtl. kurzfristige i. v.-Gabe von z. B.
Prednisolon bei schwerer Exazerbation.
– Sekretolyse: ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Inhalationsbehandlung. Die Wirksamkeit von Sekretolytika (z. B. Acetylcystein) ist
umstritten.
– bei V. a. bakteriellen Infekt (purulentes Sputum) Sputumkultur abnehmen und Antibiotikum (z. B. Roxithromycin = Makrolid) verabreichen
– Antitussiva nur bei quälendem, nicht-produktivem Husten, damit die Sekretolyse
nicht behindert wird
– Beendigung des Nikotinkonsums
– Patientenschulung: Information über Risikofaktoren der chronischen Bronchitis, Anleitung bzgl. der Inhalationstechnik
– Schutzimpfungen: jährliche InfluenzaSchutzimpfung im Herbst, einmalige Pneumokokken-Schutzimpfung mit Auffrischimpfung nach 6 Jahren.
쐽 Therapie des Cor pulmonale:
– bei paO2 ⬍ 60 mmHg Sauerstoff-Langzeittherapie: Sie senkt den pulmonalarteriellen
Druck und verbessert so die Prognose. Therapiebeginn unter stationären Bedingungen
zwecks engmaschiger Überwachung der
Blutgaswerte (Hyperkapnie?). Heimtherapie: Zufuhr von 1 – 2 l O2/min über
16 – 24 h/d.
– Diuretika und ACE-Hemmer (s. Fall 92) zur
Therapie der Rechtsherzinsuffizienz
– Endothelinrezeptor-Antagonist Bosentan
zur Reduktion des pulmonalarteriellen Druckes
– als Ultima Ratio Inhalation von Iloprost.
Fall
11.4 Nennen Sie mindestens 3 Untersuchungen zur Sicherung Ihrer Verdachtsdiagnose bezüglich der Ödemursache und nennen Sie typische Befunde der vermuteten Erkrankung!
1. EKG (pathologisch bei 50% der Patienten):
– Zeichen der Rechtsherzhypertrophie (R in
V1⬎ 0,7 mV, S in V5/V6⬎ 0,7 mV, Abb. 11.1) als
eher spezifischer Indikator eines Cor pulmonale
– P-dextroatriale (P-pulmonale; P in Ableitung
II = 0,7 mV, Abb. 11.1) als Zeichen einer Hypertrophie des rechten Vorhofs (unspezifischer Indikator).
2. Röntgen-Thorax:
– erweiterte zentrale und enge periphere Pulmonalarterien: „Kalibersprung“
– dadurch verminderte periphere Gefäßzeichnung 씮 vermehrte Strahlentransparenz der
Lunge
– prominenter Pulmonalisbogen
– Zeichen der Rechtsherzhypertrophie (Einengung des Retrosternalraums).
3. Farbduplexechokardiographie:
– erhöhter pulmonalarterieller Mitteldruck
(indirekter Nachweis)
– rechtsventrikuläre Hypertrophie, ggf. auch
Dilatation.
4. Rechtsherzkatheteruntersuchung (Einschwemmkatheter): Indikation vor allem bei
unklaren Echokardiographiebefunden
– erhöhter pulmonalarterieller Mitteldruck
(direkter Nachweis durch invasive Druckmessung)
– Rechtsherzinsuffizienz.
KO M M E N TA R
Laut WHO liegt eine chronische Bronchitis vor,
wenn Husten und Auswurf mindestens 3 Monate
in 2 aufeinanderfolgenden Jahren bestehen. Nur
ein Bruchteil der Betroffenen weist eine permanente Bronchialobstruktion (chronisch obstruktive Bronchitis) auf.
Unter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung
(COPD) versteht man eine progrediente, nach Gabe
von Bronchodilatatoren und/oder Glukokortikoiden nicht vollständig reversible Bronchialobstruktion im Rahmen einer chronischen Bronchitis oder
eines Lungenemphysems.
174
Ätiologie: Wichtigste Ursache ist das Zigarettenrauchen. Weitere Ursachen sind berufliche Exposition gegenüber Stäuben (z. B. im Steinkohlebergbau, Getreidestäube), rezidivierende Atemwegsinfektionen sowie Antikörpermangelsyndrome, angeborene Störung der mukoziliären Clearance und
α-1-Proteaseinhibitormangel (α-1-Antitrypsinmangel, Lungenemphysem).
Klinik: Husten, Auswurf, Belastungsdyspnö, rezidivierende Atemwegsinfektionen (s. o.).
Fall
12
Antworten und Kommentar
Komplikationen: Bei chronischer Bronchitis kann
sich ein Lungenemphysem entwickeln. Komplikationen der COPD sind der Pneumothorax und das
Cor pulmonale, d. h. Hypertrophie und/oder Dilatation des rechten Ventrikels infolge einer Lungenoder systemischen Erkrankung (nicht jedoch einer
Herzerkrankung) mit pulmonalarterieller Hypertonie. Unter pulmonalarterieller Hypertonie versteht man die dauerhafte Erhöhung des pulmonalarteriellen Mitteldrucks über 20 mmHg in Ruhe
oder über 30 mmHg bei Belastung. Bei COPD ist sie
Folge einer unzureichenden Ventilation von Lungenarealen: Hierdurch kommt es zu einer reflektorischen Verengung der dieses Segment versorgen-
den Pulmonalarterien (Euler-Liljestrand-Mechanismus) mit konsekutivem Anstieg des pulmonalarteriellen Drucks.
Ein chronisches Ungleichgewicht zwischen Endothelin- und Prostazyklinsekretion durch die Endothelzellen (Endothelin 앖, Prostazyklin 앗) führt
zur Proliferation von Endothelzellen in den Pulmonalarterien, sodass die pulmonalarterielle Hypertonie strukturell fixiert wird.
Diagnostik:
쐽 Diagnostik der COPD: Sie beginnt mit der
Anamnese (Dauer und Schweregrad der Symptome, Lungen- u. a. Erkrankungen, Berufsanamnese, Medikation) und der körperlichen Untersuchung (s. Fall). Weitere Diagnostik s. Frage
11.2. Wesentlich sind Verlaufsuntersuchungen
(Anamnese, körperliche Untersuchung und Lungenfunktionsanalyse mindestens einmal jährlich).
쐽 Diagnostik des Cor pulmonale: s. Frage 11.4.
Therapie: s. Frage 11.5.
Prognose: Die Prognose von Patienten mit COPD
wird von Komorbiditäten und der Schwere der respiratorischen Insuffizienz bestimmt (bei respiratorischer Insuffizienz beträgt die 1-Jahres-Mortalität 59%).
Die Lebenserwartung von Patienten mit pulmonalarterieller Hypertonie ist deutlich reduziert
und abhängig von der Höhe des pulmonalarteriellen Druckes (pulmonalarterieller Mitteldruck
⬎ 50 mmHg 씮 5-Jahres-Überlebensrate 10%). Daher sollte die Grunderkrankung frühzeitig und effektiv therapiert werden, um der Entwicklung einer fixierten pulmonalarteriellen Hypertonie vorzubeugen.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Lungenemphysem (Klinik, Diagnostik und Therapie)
Asthma bronchiale (Klinik, Diagnostik und Therapie)
Weitere Ursachen des Cor pulmonale
Therapie der Rechtsherzinsuffizienz
Fall 12 Schilddrüsenkarzinom
12.1 Welche 4 diagnostischen Maßnahmen
schlagen Sie vor (in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens)?
1. Bestimmung der Schilddrüsenfunktionsparameter (TSH, fT4, Gesamt-T3, Gesamt-T4) zum
Ausschluss einer Hyperthyreose bei autonomem Adenom
2. Schilddrüsenszintigraphie : Suche nach kalten
Knoten
Fall 12 Seite 13
3. sonographisch gesteuerte Feinnadelpunktion
des Knotens und zytologische Untersuchung
des Punktats (Suche nach Tumorzellen)
4. aufgrund des raschen Wachstums des Knotens
erhöhtes Malignitätsrisiko: Anmeldung zur
Schilddrüsenoperation, falls die Zytologie oder
die Szintigraphie Hinweise auf Malignität liefern
5. HNO-ärztliche Untersuchung als Vorbereitung
auf die Operation (präoperativer Ausschluss einer Rekurrensparese, da diese eine typische
Komplikation der Schilddrüsenoperation darstellt).
phogen, aber nicht so frühzeitig wie das undifferenzierte Karzinom.
12.3 Wie werden maligne Schilddrüsentumoren behandelt?
쐽 totale Thyreoidektomie mit Lymphadenektomie
쐽 Radiojodtherapie bei inkompletter Tumorentfernung und/oder Jod speichernden Fernmetastasen
쐽 postoperative bzw. – bei inoperablen Tumoren– palliative Bestrahlung (Ausnahme: C-ZellKarzinom, ist strahlenrefraktär!)
쐽 medikamentöse Therapie:
– Chemotherapie: palliativ bei operierten und
bereits mit maximaler Dosis bestrahlten Patienten
– Schilddrüsenhormon: bei allen Patienten;
Ziel ist eine vollkommene Suppression des
TSH, damit kein Wachstumsreiz besteht.
12
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Aufgrund des raschen Wachstums des Schilddrüsenknotens liegt höchstwahrscheinlich ein maligner Schilddrüsentumor, d. h. ein Schilddrüsenkarzinom vor.
Vorgehen: Die wichtigsten Kriterien zur Beurteilung der Dignität von Schilddrüsenknoten sind
쐽 Wachstumsgeschwindigkeit und Zahl der Knoten: Ein Schilddrüsenknoten, der rasch an Größe
zunimmt, ist bis zum Beweis des Gegenteils als
potenziell maligne zu behandeln. Dies gilt insbesondere für solitäre Knoten in einer sonst unauffälligen Schilddrüse. Sollte die Angabe der im
Fallbeispiel beschriebenen Patientin zutreffen
oder zumindest glaubhaft sein, dass der Knoten 6
Monate vor der aktuellen Untersuchung weniger
als halb so groß war, wäre es durchaus gerechtfertigt, ihr allein aufgrund der Größenzunahme
zu einer Operation zu raten, da Szintigraphie und
Schilddrüsenpunktion möglicherweise ein
falsch-negatives Ergebnis liefern.
쐽 sonographischer Befund: Echoarmut, Echoinhomogenität (Abb. 12.1) und fehlender Randsaum des Knotens (mangelnde Abgrenzbarkeit)
sprechen für Malignität.
쐽 szintigraphischer Befund: kalter, d. h. das Radionuklid nicht anreichernder Knoten? Ein solcher Befund gilt als malignomverdächtig und
175
Fall
12.2 Welche Formen maligner Schilddrüsentumoren kennen Sie und wie sind diese prognostisch zu bewerten?
쐽 differenzierte Karzinome:
– papilläres Karzinom: beste Prognose aller
Schilddrüsenmalignome, da der Tumor spät
und lymphogen metastasiert
– follikuläres Karzinom: Die Prognose ist ungünstiger als beim papillären Karzinom, da
das follikuläre Karzinom früh und meist hämatogen metastasiert und infiltrativ wächst.
Bei adäquater Therapie ist die Prognose jedoch günstig.
쐽 undifferenziertes (anaplastisches) Karzinom:
Die Prognose ist erheblich schlechter als bei
!!! 12.4 Welcher maligne Schilddrüsentumor tritt
den differenzierten Karzinomen (5-Jahresgehäuft im Rahmen einer multiplen endokrinen
Überlebensrate 1%), da der Tumor rasch und
Neoplasie (MEN) auf? Welche weiteren Erkraninfiltrativ wächst und früh hämatogen und
kungen sind Bestandteil dieser MEN?
lymphogen metastasiert.
쐽 Das medulläre Schilddrüsenkarzinom tritt ge쐽 C-Zell-Karzinom (medulläres Schilddrüsenhäuft bei MEN Typ II auf; Men Typ II = medulläkarzinom): Die Prognose ist schlechter als
res Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozytom,
beim follikulären, aber besser als beim undiffeprimärer Hyperparathyreoidismus.
renzierten Karzinom, denn das C-Zell-Karzinom metastasiert zwar hämatogen und lym-
Abb. 12.1 Echoarmer, inhomogener Knoten (Volumen
1,7 ml) im rechten kaudalen Schilddrüsenlappen (histologisch follikuläres Schilddrüsenkarzinom)
muss weiter abgeklärt werden : Größere Knoten
(Durchmesser ⬎ 1 cm ) können, sofern sie gut
zugänglich sind, unter sonographischer Kontrolle punktiert werden.
쐽 Befund der Punktionszytologie: Atypische Zellen?
Fall 12 Seite 13
Bei Nachweis eines Schilddrüsenkarzinoms müssen zur Erfassung der Tumorausbreitung (Staging)
ein CT bzw. MRT der Halsregion und zwecks Metastasensuche ein Röntgen-Thorax und eine Ganzkörperszintigraphie durchgeführt werden.
Das – Kalzitonin-produzierende – C-Zell-Karzinom
kommt sporadisch oder familiär gehäuft vor, in
letzterem Fall häufig im Rahmen einer MEN Typ II.
Daher ist bei Nachweis eines C-Zell-Karzinoms
der Ausschluss eines Phäochromozytoms und eines primären Hyperparathyreoidismus erforderlich. Bei Familienangehörigen muss das Serumkalzitonin vor und nach Stimulation der Sekretion
mittels Pentagastrin bestimmt werden.
176
Lässt sich punktionszytologisch kein Malignom
nachweisen, ist ein Therapieversuch mit L-Thyroxin über 6 Monate (Suppression des TSH und damit der Wachstumsstimulation) und anschließender sonographischer Kontrolluntersuchung möglich. Bei Größenzunahme oder unklarem zytologischem Befund sollte durch Exstirpation des Knotens und histologische Untersuchung eine definitive Klärung herbeigeführt werden.
Fall
13
Das therapeutische Vorgehen bei Schilddrüsenmalignomen hängt – wie die Prognose (s. Frage
12.3) – vom histologischen Befund ab: Therapie der
Wahl ist die totale Thyreoidektomie, bei infiltrativem Wachstum und Tumoren einer Größe von
mehr als 3 cm eine selektive Lymphadenektomie
(bei gesichertem Lymphknotenbefall modifizierte
neck dissection). Bei papillären und follikulären
Schilddrüsenkarzinomen muss postoperativ eine
Radiojodtherapie durchgeführt werden. Eine Chemotherapie kommt aufgrund der unbefriedigenden Ansprechraten nur als palliatives Therapieverfahren zum Einsatz.
Postoperativ wird lebenslang T4 substituiert (s.
Frage 12.3).
Die Tumornachsorge (während der ersten 3 Jahre
alle 6 Monate, dann jährlich) umfasst
쐽 Anamnese und körperliche Untersuchung (Lokalbefund?)
쐽 die Bestimmung der Tumormarker: Thyreoglobulin bei differenzierten Karzinomen, Kalzitonin beim C-Zell-Karzinom
쐽 Schilddrüsensonographie
쐽 bei V. a. Rezidiv oder Metastasen eines differenzierten Karzinoms Ganzkörperszintigraphie.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Antworten und Kommentar
Andere multiple endokrine Neoplasien
Differenzialdiagnosen von Schilddrüsenknoten
Komplikationen einer Thyreoidektomie
Nach einer Schilddrüsenoperation notwendige Untersuchungen
Fall 13 Rheumatoide Arthritis
13.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Seropositive rheumatoide Arthritis, weil ein
symmetrischer Befall der Fingergrund- und
Fingermittelgelenke sowie der Handgelenke
vorliegt und Morgensteifigkeit besteht.
13.2 Welche Differenzialdiagnosen kommen
in Frage? Nennen Sie jeweils mindestens ein Abgrenzungskriterium zu Ihrer Verdachtsdiagnose!
쐽 Psoriasisarthritis: Abgrenzungskriterien sind
asymmetrisches Befallmuster, Transversal- und
Strahlbefall, streckseitige Hauteffloreszenzen.
쐽 Kollagenosen (z. B. SLE, Sjögren-Syndrom): Abgrenzungskriterien sind Hautveränderungen,
Raynaud-Syndrom, Sicca-Syndrom, antinukleäre Antikörper, reduzierte Komplementspiegel.
쐽 reaktive Arthritis: Abgrenzungskriterien sind
Brennen beim Wasserlassen, Diarrhö, Fieber
oder abdomineller Schmerz in der Anamnese
und ein asymmetrischer Befall vor allem großer Gelenke.
Fall 13 Seite 14
쐽 rheumatisches Fieber: Abgrenzungskriterien
sind eine von Gelenk zu Gelenk springende
Entzündung großer Gelenke mit Fieber und ein
nachgewiesener Streptokokkeninfekt.
쐽 aktivierte Polyarthrose: Abgrenzungskriterien
sind ein bevorzugter Befall der Fingermittelund Fingerendgelenke, wobei meist nur wenige Gelenke gleichzeitig entzündet sind und nur
geringfügige serologische Entzündungszeichen
vorliegen.
쐽 infektiöse (septische) Arthritis: Abgrenzungskriterien sind Fieber, Rötung und Überwärmung des Gelenks, meist kein polyartikulärer
Befall.
쐽 chronische Gichtarthropathie: Abgrenzungskriterien sind Hyperurikämie, Gichtanfälle in
der Vorgeschichte, oft auch Adipositas und
metabolisches Syndrom.
쐽 Hämochromatose: Abgrenzungskriterium ist
eine deutliche Erhöhung des Ferritins und
Eisens i. S.
13.3 Wie wird die Erkrankung typischerweise
behandelt?
쐽 Glukokortikoide zur Entzündungshemmung
und Immunsuppression, vor allem bei akutem
Krankheitsschub: systemische oder intraartikuläre Applikation.
쐽 Basistherapie zur langfristigen Reduktion der
Krankheitsaktivität:
– Standard für alle Patienten mit gesicherter
Diagnose, kann Fortschreiten der Gelenkdestruktion bremsen
– Basistherapeutikum der ersten Wahl:
Methotrexat
– Alternativen: Sulfasalazin, Leflunomid, Hydroxychloroquin, Gold
– bei Therapieresistenz dieser Substanzen Antizytokintherapie (teuer): anti-TNF-α-Antikörper (Infliximab), TNF-α-Rezeptor-Fusionsproteine (Etanercept), Interleukin-2-Rezeptorantagonisten (Anakinra)
쐽 nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR, z. B. Diclofenac, Ibuprofen) zur symptomatischen
(Schmerz-) Therapie. Da die Enzündungshemmung vor allem durch die Basistherapie erreicht werden sollte, gelten NSAR heute aufgrund der häufigen Nebenwirkungen (gastrointestinale Ulzera, Hypertonie, Nierenversagen)
nicht mehr als die Analgetika der ersten Wahl.
쐽 Analgetika (z. B. Paracetamol, Metamizol)
쐽 physikalische Therapie, Krankengymnastik, Ergotherapie.
KO M M E N TA R
Als Arthritis bezeichnet man eine entzündlich bedingte Gelenkschwellung (den Gelenkschmerz ohne Schwellung als Arthralgie). Arthritiden werden
eingeteilt nach dem Befallmuster – symmetrisch
oder asymmetrisch – und der Zahl der betroffenen
Gelenke – Monarthritis (1 Gelenk betroffen), Oligoarthritis (2 – 4 Gelenke betroffen) oder Polyarthritis (mehr als 4 Gelenke betroffen). Bei der im
Fallbeispiel beschriebenen Patientin liegt somit eine symmetrische Polyarthritis vor.
Klinik: Frauen erkranken 4-mal häufiger als Männer, der Erkrankungsgipfel liegt im 4. Lebensjahrzehnt.
Die Polyarthritis beginnt meist schleichend. Typische Symptome im Frühstadium sind Morgensteifigkeit, die symmetrische Schwellung vor allem
der Hand-, Fingergrund- und Fingermittelgelenke
(Abb. 13.1) sowie Bewegungs- und Ruheschmerz in
den betroffenen Gelenken – wie im vorliegenden
Fall. Oft bestehen Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit oder subfebrile
Temperaturen. Im Spätstadium sind die betroffenen Gelenke zerstört, es kommt zu Deformierung
und ulnarer Deviation der Finger und zu Atrophie
der Fingermuskulatur.
Darüber hinaus kann eine Tendovaginitis, Bursitis,
Synovialzyste (z. B. Baker-Zyste) oder ein Kompressionssyndrom (z. B. Karpaltunnelsyndrom)
auftreten. Oft finden sich an den Streckseiten der
betroffenen Gelenke oder über Knochenvorsprüngen subkutane Rheumaknoten (Granulome).
13
Abb. 13.1 Schwellung der Hand- und Metakarpophalangealgelenke bei rheumatoider Arthritis
Auch die Gefäße sowie Organe können betroffen
sein: So kann es zu Vaskulitis, Perimyokarditis,
Pleuritis oder Lungenfibrose kommen.
Sonderformen der RA sind:
쐽 Felty-Syndrom: RA mit chronischer Neutropenie und Splenomegalie; Serologie: anti-G-CSFAntikörper positiv
쐽 LORA (late onset rheumatoid arthritis): RA des
alten Menschen (⬎ 60 Jahre); oft oligoartikulärer Beginn
쐽 adulter Morbus Still (Morbus Still = systemische
juvenile RA): Exanthem, Serositis (Pleuritis, Perikarditis), hohes Fieber, Polyarthritis
쐽 Caplan-Syndrom: RA + Silikose.
Diagnostik:
쐽 Labor: Bestimmung des Rheumafaktors (in
70 – 80% der Fälle positiv, wie im vorliegenden
Fall, aber nicht RA-spezifisch), der anti-CCP-Antikörper (RA-spezifisch), Bestimmung der Aktivitätsparameter BSG, CRP, Leukozyten- und
Thrombozytenzahl (bei florider Entzündung erhöht), Hb, Serumeisen (bei florider Entzündung
vermindert) und Serumeiweißelektrophorese
(α2- und γ-Globulin erhöht)
쐽 Röntgen: Aufnahmen von Händen, Handgelenken, Vorfüßen, Halswirbelsäule u. a. befallenen
Gelenken (immer beidseits). Im Frühstadium
Fall 13 Seite 14
Antworten und Kommentar
Ätiologie: Die RA ist eine Autoimmunerkrankung
unbekannter Ursache. Es besteht eine genetische
Disposition: Ca. 70% der Patienten sind HLA-DR4positiv.
Fall
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine meist
schubweise verlaufende, systemische chronischentzündliche (granulomatöse) Entzündung, die
bevorzugt die Synovialmembran der Gelenke, Sehnenscheiden und Schleimbeutel betrifft.
177
finden sich eine gelenknahe Osteoporose und/
oder Erosionen in den betroffenen Gelenken,
später eine Verschmälerung des Gelenkspalts,
Zysten, Usuren, Dislokation.
Arthrosonographie und MRT sind in der Frühdiagnose der RA sensitiver als die konventionelle Röntgendiagnostik.
Die Diagnose wird anhand der Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology (ACR,
1987) gestellt (Tab. 13.1).
Bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin
sind 5 dieser Kriterien erfüllt. Dennoch sollten bei
ihr und bei jedem Patienten mit neu aufgetretener
Polyarthritis andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen anhand der Kriterien in Frage 13.2 abgegrenzt werden. Zahlreiche dieser Erkrankungen
können zu Beginn eine RA imitieren. Eine kritische
Verlaufsbeobachtung ist daher sinnvoll.
178
Fall
13
Therapie: Aufgrund des progredient erosiven Verlaufs der RA muss frühzeitig, möglichst bei Diagnosestellung, eine Basistherapie (s. Frage 13.3) eingeleitet werden. Als Standard für die Initialtherapie gilt Methotrexat. Eine alleinige Therapie mit
nichtsteroidalen Antirheumatika (z. B. Diclofenac,
Ibuprofen) und/oder Glukokortikoiden verhindert
eine Gelenkdestruktion und damit eine Deformierung und Immobilisierung nicht. Aufgrund der
schlechten Langzeitverträglichkeit wird die früher
übliche orale und parenterale Goldtherapie heute
kaum noch durchgeführt; an ihre Stelle sind Basistherapeutika mit günstigerem Wirkungs-Nebenwirkungs-Profil getreten (s. Frage 13.3).
Prognose: Die RA ist eine chronische Erkrankung,
Spontanheilungen sind eher selten. Die Lebenserwartung ist vor allem durch eine vermehrte Infektneigung (medikamentöse Immunsuppression, Immobilisierung) reduziert.
Tab. 13.1 Klassifikationskriterien des ACR (American College of Rheumatology) (Hahn 2000)
Antworten und Kommentar
Morgensteifigkeit
während mindestens 1 Stunde
Arthritis (Schwellung)
an mindestens 3 Gelenkregionen
Gelenkregionen (bds.): Metakarpophalangealgelenke, proximale Interphalangealgelenke, Hand-, Ellenbogen-, Knie-,
Sprung- und Metatarsophalangealgelenke
Arthritis (Schwellung)
an Hand- und Fingergelenken
Befall mindestens eines Hand-, Metakarpophalangeal- oder
proximalen Interphalangealgelenks
symmetrische Arthritis
bds. Befall der gleichen Gelenkregion
subkutane Rheumaknoten
über Knochenvorsprüngen oder gelenknahen Streckseiten
Rheumafaktornachweis
im Serum
typische Röntgenveränderungen
dorsovolare Handaufnahme: gelenknahe Osteoporose und/
oder Erosionen der betroffenen Gelenke
Rheumatoide Arthritis: mindestens 4 der 7 Kriterien erfüllt, wobei die Kriterien 1 – 4 während
6 Wochen bestehen müssen
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N :
Nebenwirkungen von Methotrexat
Therapie der Glukokortikoid-induzierten Osteoporose
Diagnostischer Stellenwert der Gelenkpunktion (Analyse der Synovialflüssigkeit) bei
Gelenkschwellungen
Fall 13 Seite 14
Fall 14 Akute Meningitis
14.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Nennen Sie 3 weitere klinische Untersuchungsverfahren, die Ihren Verdacht bereits vor Ort erhärten können!
쐽 Verdachtsdiagnose: akute Meningitis, da die
Symptome erst seit wenigen Stunden bestehen; wahrscheinlich bakteriell bedingt, denn
Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bewusstseinstrübung, meningeale Reizung (Meningismus) und Fieber treten bei akuter bakterieller
Meningitis häufig auf.
쐽 den Verdacht erhärtende klinische Untersuchungsverfahren: weitere Tests für Meningismus (Patient jeweils in Rückenlage):
– Lasègue-Zeichen: Schmerz im Gesäß oder
Rücken bei passivem Anheben des gestreckten Beines; bei Meningitis beidseits positiv
– Brudzinski-Zeichen: reflektorische Beugung
der Knie bei passiver Anteflexion der HWS
– Kernig-Zeichen: reflektorische Beugung der
Knie bei passivem Heben der Beine.
14.5 Was verstehen Sie unter einem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom?
쐽 Meningokokkensepsis mit Schock, Nebennierenrindenversagen und Verbrauchskoagulopathie, die zu charakteristischen subkutanen Einblutungen (Abb. 14.1) und Hautnekrosen führt.
Abb. 14.1 Zahlreiche Petechien und flächenhafte Hautblutungen bei fortgeschrittenem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
KO M M E N TA R
Als Meningitis bezeichnet man eine Entzündung
der Hirn- und/oder Rückenmarkshäute.
Nach dem Verlauf unterscheidet man eine akute
und eine chronische Meningitis.
Ätiologie:
쐽 akute Meningitis: s. Frage 14.2
쐽 chronische Meningitis:
– Infektionen, insbesondere durch Mycobacterium tuberculosis, Treponema pallidum, Borrelien, HSV, EBV, HIV, Cryptococcus neoformans, Toxoplasma gondii
Fall 14 Seite 15
179
14
Antworten und Kommentar
14.3 Welche diagnostische Maßnahme hat die
höchste Priorität und welche Befunde erwarten
Sie bei pathologischem Ausfall dieser Untersuchung? Falls es mehrere Möglichkeiten gibt,
nennen Sie diese!
Vorrangig ist eine Liquorpunktion und -analyse.
Zuvor Stauungspapille (Hirndruckzeichen) ausschließen! Bei akuter Meningitis sind folgende
Befunde möglich:
14.4 Welche 2 Maßnahmen sollten nach Einlieferung des Patienten in ein Krankenhaus abgesehen von Diagnostik und Therapie ergriffen
werden?
쐽 umgehende Isolierung bis zum Ausschluss einer Meningitis bzw. weitere Isolierung nach
Bestätigung der Verdachtsdiagnose
쐽 bei Bestätigung der Diagnose „Meningitis“
Meldung an das Gesundheitsamt.
Fall
14.2 Nennen Sie die häufigsten Auslöser (mindestens 6) der Erkrankung!
쐽 Bakterien:
– Neisseria meningitidis (Meningokokken)
– Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken)
– Haemophilus influenzae (vor allem bei Kindern)
– E. coli (vor allem bei Säuglingen)
– B-Streptokokken (vor allem bei Säuglingen)
– Erreger nosokomialer Infektionen: Pseudomonas, Serratia marcescens, Enterobacter,
Proteus, Staphylokokken
쐽 Viren: Frühsommermeningoenzephalitis
(FSME)-, Echo-, Cocksackie-, Mumps-, Zytomegalie-, Masern-, Varizella-Zoster-Viren.
쐽 bakterielle Meningitis: Pleozytose (erhöhte
Zellzahl [n]; n ⬎ 1000/µl), fast ausschließlich
Granulozyten; Glukose vermindert, Laktat und
Eiweiß erhöht, Keimnachweis im Grampräparat
쐽 virale Meningitis: Pleozytose (n ⬎ 100/µl), fast
ausschließlich Lymphozyten; Glukose, Laktat
und Eiweiß normwertig.
– Systemerkrankungen: Kollagenosen, Sarkoidose, Malignome (Meningeosis carcinomatosa oder leucaemica).
Klinik: Leitsymptome der akuten Meningitis sind
Fieber, Kopfschmerzen, Bewusstseinstrübung und
Meningismus. Sie sind bei bakterieller (eitriger)
Meningitis stark, bei viraler Meningitis schwächer
ausgeprägt. Bei dieser Symptomkonstellation sind
bis zum Ausschluss einer Meningitis die Isolierung
des Patienten und das Tragen eines Mundschutzes
erforderlich. Außer den Leitsymptomen können
zerebrale Anfälle oder Hirnnervenlähmungen auftreten. Komplikationen sind u. a. Hirnabszess und
Hydrozephalus, bei Meningokokkeninfektion das
Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (s. Frage 14.5).
Bei chronischer Meningitis entwickeln sich die
Symptome – Kopfschmerzen, Leistungsschwäche –
schleichend. Der Meningismus ist gering ausgeprägt. Hirnnervenlähmungen sind häufig.
180
Fall
15
Antworten und Kommentar
Diagnostik: Wichtigste diagnostische Maßnahme
ist die Liquoranalyse. Sie sollte bei V. a. akute Meningitis unverzüglich durchgeführt werden. Vorher muss durch Fundusspiegelung eine Stauungspapille und somit erhöhter Hirndruck ausgeschlossen werden, da sonst nach der Lumbalpunktion die
Gefahr einer Einklemmung des Hirnstamms besteht. Bei Stauungspapille sollte eine CT des Schädels zur Abklärung (Differenzialdiagnose z. B. Subarachnoidalblutung, Ischämie, Tumor) durchgeführt werden.
Typischer Liquorbefund einer Meningitis ist die
Pleozytose. Bei bakterieller Meningitis sind meist
mehrere Tausend Zellen/µl nachweisbar (überwiegend Granulozyten), das Punktat ist daher trüb. Bei
einer viralen oder tuberkulösen Meningitis ist die
Pleozytose weniger ausgeprägt (s. Frage 14.3),
Lymphozyten herrschen vor. Im Gegensatz zur vi-
ralen Meningitis finden sich bei der bakteriellen
(auch bei der tuberkulösen) Meningitis meist eine
erhöhte Laktat- und Eiweißkonzentration und eine
verminderte Glukosekonzentration im Liquor.
Bei einer granulozytären Pleozytose sollte zwecks
Erregernachweis sofort ein Grampräparat angefertigt und untersucht werden, damit so schnell wie
möglich eine antibiotische Therapie eingeleitet
weden kann. Die häufigsten Erreger der bakteriellen Meningitis im Erwachsenenalter sind Meningokokken und Pneumokokken; beide sind im
Grampräparat gut zu identifizieren. In 25% der Fälle ist im Grampräparat jedoch kein Erreger zu identifizieren. Dann muss die Abgrenzung der bakteriellen von der viralen Meningitis anhand der anderen Liquorparameter (Granulozytose, Laktat, Eiweiß, Glukose) erfolgen.
Bei lymphozytärer Pleozytose sollte im Serum
nach Antikörpern gegen häufige virale Meningitiserreger (s. Frage 14.2) gesucht werden.
Therapie: Bei akuter bakterieller Meningitis muss
unverzüglich eine antibiotische Therapie eingeleitet werden (hohe Mortalität bei verzögertem
Therapiebeginn!). Zur blinden Initialtherapie sollten primär Cephalosporine eingesetzt werden, da
viele Pneumokokkenstämme bereits resistent gegenüber Penicillin G sind. Nach Identifikation des
Erregers richtet sich die Wahl der Antibiotika nach
dem Antibiogramm.
Bei tuberkulöser Meningitis ist eine antituberkulöse Vierfachkombinationstherapie indiziert. Virale Meningitiden werden primär symptomatisch
behandelt: Bettruhe, bei Kopfschmerzen Analgetika.
Erkrankung an und Tod durch Meningitis sind in
Deutschland meldepflichtig.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hämodynamische Stadien der Sepsis
Differenzialdiagnosen einer Eiweißvermehrung im Liquor
Manifestationen einer Maserninfektion
Fall 15 Akutes Abdomen bei Mesenterialinfarkt
15.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Akutes Abdomen bei V. a. Mesenterialarterienthrombose, denn der Patient zeigt den typischen Symptomverlauf bei Mesenterialinfarkt :
– schmerzhaftes Initialstadium (Infarzierung)
von 3 – 4 Stunden Dauer
– schmerzfreies Stadium von ca. 12 Stunden
Dauer (Wandnekrose)
Fall 15 Seite 16
– diffuse Bauchschmerzen im gesamten Abdomen mit Abwehrspannung (Durchwanderungsperitonitis).
15.2 Was ist bei diesem Patienten die wahrscheinlichste Ursache des akuten Ereignisses?
쐽 Embolie aus dem linken Vorhof bei Vorhofflimmern (s. Abb. 15.1).
Abb. 15.1 EKG: normofrequente Arrythmia absoluta.
Mittlere Kammerfrequenz ca. 82 Schläge/min, Steiltyp.
QRS-Dauer 95 ms, QT-Zeit 320 ms. Unregelmäßige RRIntervalle ohne erkennbare P-Wellen mit grobem bis feinem Flimmern der Grundlinie als Ausdruck der absoluten
Arrhythmie bei Vorhofflimmern
Ätiologie: Die häufigste Ursache bei Jüngeren ist
die akute Appendizitis, bei Älteren sind die häufigsten Ursachen inkarzerierte Hernien, intestinale
Durchblutungsstörungen, Briden, Koprostase und
Tumoren.
Im vorliegenden Fall ist die Ursache ein Mesenterialinfarkt. Er ist in ca. 50% der Fälle auf einen
embolischen Verschluss von Mesenterialgefäßen
(Risikofaktor: Vorhofflimmern!) zurückzuführen.
Seltener sind die Thrombose von Mesenterialarterien auf dem Boden einer generalisierten Atherosklerose (Plaqueruptur), Mesenterialvenenthrombose und intestinale Minderperfusion im Rahmen
eines Schocks.
Klinik: s. Definition. Das klinische Bild des im Fallbeispiel beschriebenen Patienten ist typisch für ein
akutes Abdomen.
Einteilung: Nach dem Schweregrad der Symptomatik unterscheidet man zwischen perakutem
Abdomen (Vernichtungsschmerz, bretthartes
Abdomen, Schock), akutem Abdomen (heftige
Bauchschmerzen, diffuse Abwehrspannung, Kreislaufinstabilität) und subakutem (unklarem) Abdomen (persistierende oder abklingende Bauchschmerzen mit lokaler Abwehrspannung bei stabilem Kreislauf).
Diagnostik: s. Tab. 15.1 und 15.2.
In diesem Fall gibt das EKG einen wesentlichen diagnostischen Hinweis (s. o.).
Eine Mesenterialinfarkt kann innerhalb kürzester
Zeit zur Darmwandnekrose führen. Da diese eine
Peritonitis nach sich zieht, die den Patienten vital
gefährdet, darf die Therapie nicht durch eine langwierige Diagnostik herausgezögert werden. Bei
dem oben beschriebenen fulminanten Verlauf
führt eine explorative Laparotomie am schnellsten zur Diagnose und zum Therapieerfolg. Bei weniger lebensbedrohlichen Verläufen sollte eine Angiographie der Mesenterialgefäße (diagnostischer
Goldstandard) durchgeführt werden, um den Mesenterialarterienverschluss darzustellen. Größere
Embolien (z. B. in der A. mesenterica sup.) können
bei guten Bedingungen mittels Farbduplexsonographie dargestellt werden, die Sensitivität ist jedoch geringer als die der Angiographie.
Differenzialdiagnosen: s. Tab. 15.2.
Im vorliegenden Fall könnte angesichts des akuten
Beginns der Symptome und des schmerzfreien Intervalls eine zweizeitige Ruptur eines Aortenaneurysmas vorliegen. Bei einem normwertigen Hämo-
Fall 15 Seite 16
15
Antworten und Kommentar
Unter einem akuten Abdomen versteht man ein
plötzlich einsetzendes, zunehmend bedrohliches
Krankheitsbild mit den Leitsymptomen Bauchschmerz, Abwehrspannung (lokal oder diffus),
Übelkeit und Erbrechen und Begleitsymptomen
(Unruhe, Meteorismus, Stuhlverhalt, Fieber, Kollaps, Schock), das eine sofortige Abklärung und
Therapie erfordert.
181
Fall
KO M M E N TA R
15.3 Machen Sie einen Therapievorschlag und
begründen Sie ihn!
쐽 notfallmäßige Operation. Begründung: Es bestehen ein Peritonismus (diffuse Abwehrspannung im gesamten Abdomen, Zeichen einer Peritonitis) sowie eine metabolische Azidose (s.
BGA) mit Erhöhung des Laktats und erheblicher Entzündungsreaktion (s. CRP). Aufgrund
des akuten Abdomens und der blutigen Diarrhö (hochverdächtig auf Darmgangrän) ist nur
eine sofortige Operation (explorative Laparatomie, ggf. operative Embolektomie oder Resektion des ischämischen Darmabschnitts) lebensrettend. Daher umgehend Chirurgen verständigen.
쐽 bis zur Operation Stabilisierung der Vitalfunktionen:
– parenterale Flüssigkeitsgabe (am besten
nach dem ZVD [Zielwert 6 – 12 cmH2O] richten)
– Azidoseausgleich (Puffer, z. B. Natriumbikarbonat)
– Intubation und Beatmung bei beginnender
respiratorischer Erschöpfung (s. BGA)
쐽 Patient nüchtern lassen
쐽 postoperativ Heparinisierung, später Antikoagulation, um weitere Thromboembolien zu
vermeiden.
Tab. 15.1 Maßnahmen und Stufendiagnostik bei akutem Abdomen (Hahn 2000)
Verlauf
Diagnostik
perakut
– Anamnese und körperliche Untersuchung
– Venenverweilkanüle
– Labor: BSG, CRP, Blutbild, Blutzucker, Lipase, CK, GOT, γ-GT, Kreatinin, Elektrolyte, Quick, PTT, Urinstatus, BGA, Kreuzblut
– Abdomensonographie
akut
zusätzlich:
– Magensonde
– EKG
– Röntgen: Abdomenübersicht, Thorax
– in Abhängigkeit vom Verdacht: Gastroskopie, Abdomen-CT, Angiographie
subakut
zusätzliche Untersuchungen in Abhängigkeit vom Verdacht (s. Tab. 15.2)
Tab. 15.2 Differenzialdiagnose des akuten Abdomens (Hahn 2000)
182
Fall
15
Verdachtsdiagnose
Wegweisende Untersuchungen
Perakutes Abdomen:
– dissezierendes oder rupturiertes Aortenaneurysma
– Leber- und Milzruptur
Sonographie
– Ruptur einer Pankreaspseudozyste
Antworten und Kommentar
Akutes Abdomen:
– akute Appendizitis
Klinik, Sonographie
– perforiertes Ulcus ventriculi/duodeni
Röntgen-Abdomenübersicht
– perforierte Divertikulitis
Röntgen-Abdomenübersicht, Sonographie
– akute nekrotisierende Pankreatitis
Lipase, Sonographie
– akute Cholezystitis
Sonographie
– mechanischer Ileus
Röntgen-Abdomenübersicht
– Mesenterialinfarkt
Anamnese, Klinik, Angiographie
– Tubarruptur bei Extrauteringravidität
Sonographie, β-HCG-Test
– stielgedrehte oder rupturierte Ovarialzyste
Sonographie
– akute Adnexitis
Sonographie, gynäkologische
Untersuchung
Subakutes oder unklares Abdomen:
– Ulcus ventriculi oder duodeni
Gastroskopie
– Divertikulitis
Sonographie, Kontrasteinlauf
– akute infektiöse Gastroenteritis
Klinik, Stuhluntersuchung
– akute ödematöse Pankreatitis
Lipase, Sonographie
– akute Cholezystitis, ggf. mit Steinabgang
aP, γ-GT, Bilirubin, Sonographie
– Nephrolithiasis, ggf. mit Steinabgang
Sonographie, Urinstatus
– akute Stauungsleber
Sonographie
– Milzinfarkt
Sonographie
Fall 15 Seite 16
Tab. 15.2 Fortsetzung
Verdachtsdiagnose
Wegweisende Untersuchungen
Extraabdominelle Erkrankungen mit dem Bild des akuten Abdomens:
– Herzinfarkt (v. a. inferiorer und posteriorer)
CK, GOT, LDH, EKG
– diabetische Ketoazidose
Blutzucker, BGA
– akute intermittierende Porphyrie
Porphobilinogen im Urin
– Morbus Addison
Na+앗, K+앖, ACTH-Kurztest
– hämolytische Krisen
BB, Retikulozyten, LDH, Haptoglobin
– Herpes zoster
Klinik
– basale Pleuritis bzw. Pneumonie
Röntgen-Thorax
– Lungenembolie
Lungenszintigraphie
– Bleivergiftung
Berufsanamnese, Blutspiegel
ten. Eine Pankreatitis scheidet bei normaler Lipase
aus. Gegen eine Appendizitis sprechen der schlagartige Beginn, das schmerzfreie Intervall sowie die
blutige Diarrhö. Bei einer Nieren- oder Gallenkolik
tritt ebenfalls kein schmerzfreies Intervall auf.
Therapie: notfallmäßige Operation zur Behebung
der Ursache (s. Frage 15.3), Therapie bis zur Operation s. Frage 15.3.
Akute Appendizitis (Klinik, Diagnostik und Therapie)
Therapie des Vorhofflimmerns
Differenzialdiagnosen der Hämatochezie
Fall 16 Koronare Herzkrankheit
16.1 Welches Symptom weist der Patient auf?
쐽 (Stabile) Angina pectoris.
16.2 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 V. a. koronare Herzkrankheit (KHK), da Angina
pectoris besteht.
16.3 Nennen Sie diagnostische Maßnahmen in
der Reihenfolge des praktischen Vorgehens und
geben Sie jeweils einen für Ihre Verdachtsdiagnose typischen Befund an!
1. Ruhe-EKG: es ist bei stabiler Angina pectoris
meist normal, jedoch vor einer Belastungsuntersuchung zum Ausschluss eines alten oder
akuten Myokardinfarktes oder einer anderen
Herzerkrankung unerlässlich.
2. Belastungs-EKG: nichtinvasives und preiswertes Verfahren zur Primärdiagnostik. V. a. Koronarinsuffizienz (KHK) besteht bei horizontaler
oder deszendierender Senkung der ST-Strecke
ⱖ 0,1 mV in den Extremitätenableitungen bzw.
ⱖ 0,2 mV in den Brustwandableitungen
(Abb. 16.1) oder bei Hebung der ST-Strecke
ⱖ 0;1 mV.
3. Perfusionsmyokardszintigraphie: zur Abklärung unklarer Belastungs-EKG-Befunde. Sensitiver, spezifischer, aber auch teurer und invasiver als das Belastungs-EKG. Hinweise auf eine
Ischämie (KHK) sind Perfusionsausfälle unter
Belastung.
4. Stress-Echokardiographie: Sensitivität und
Spezifität entsprechen in etwa der der Perfusionsmyokardszintigraphie. Bei Ischämie Wandbewegungsstörungen unter Belastung.
5. Koronarangiographie: Goldstandard der Diagnostik, jedoch invasiv.
Indikationen: V. a. Koronarinsuffizienz aufgrund pathologischer Belastungstests (Belas-
Fall 16 Seite 17
16
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
183
Fall
globin ist dies jedoch so gut wie ausgeschlossen,
die ausgeprägte Entzündungsreaktion spricht
ebenfalls dagegen. Die Symptome sind auch vereinbar mit der Ruptur eines Hohlorgans (z. B. Magen bei Ulkus, Darm bei Divertikulitis), jedoch
würde man Symptome der zur Ruptur führenden
Erkrankung (Patient war zuvor beschwerdefrei)
und Anzeichen für freie Luft im Abdomen auf der
Röntgenaufnahme des Thorax (unauffällig) erwar-
tungs-EKG, Perfusionsmyokardszintigraphie),
unklare thorakale Beschwerden nach Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen.
Bei KHK Stenose einer oder mehrerer Koronararterie(n) bzw. ihrer Äste.
184
Fall
16
Abb. 16.1 ST-Streckensenkung im Belastungs-EKG.
Links Patient mit horizontaler ST-Streckensenkung (1),
rechts anderer Patient mit deszendierender ST-Streckensenkung (2)
16.4 Nennen Sie mindestens 6 Abbruchkriterien des Belastungs-EKGs!
1. progrediente Angina pectoris
2. neu aufgetretene Erregungsrückbildungsstörungen im EKG unter Belastung: horizontale
oder deszendierende Senkung der ST-Strecke
ⱖ 0,2 mV oder Hebung der ST-Strecke ⱖ 0,1 mV
3. höhergradige Herzrhythmusstörungen (z. B.
polytope ventrikuläre Extrasystolen, ventrikuläre Tachykardie)
4. Blutdruckabfall
5. unzureichender Blutdruckanstieg
(⬍ 10 mmHg/Belastungsstufe)
6. Blutdruckanstieg über 250 mmHg systolisch
oder 130 mmHg diastolisch
7. neu aufgetretener Linksschenkelblock
8. körperliche Erschöpfung, starke Dyspnö.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Als KHK bezeichnet man die Arteriosklerose der
Koronararterien. Folge der Gefäßstenose(n) ist ein
Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und
-bedarf, das sich – wie im vorliegenden Fall – als
Angina pectoris (AP), Herzrhythmusstörung (s. Fälle 112 und 116) oder Myokardinfarkt (s. Fälle 6 und
97) äußert.
Ätiologie: Risikofaktoren s. Fall 57.
Klinik: Als AP bezeichnet man einen retrosternalen
Druckschmerz mit Ausstrahlung z. B. in Arme, Hals,
Epigastrium oder Rücken.
Stabile AP wird reproduzierbar durch Belastung
hervorgerufen und sistiert wenige Minuten nach
Beendigung der Belastung oder nach Gabe von Vasodilatatoren (z. B. Glyceroltrinitrat).
Als instabil wird jede AP bezeichnet, die erstmalig
oder in Ruhe auftritt oder mehr als 10 Minuten anhält oder nicht auf antianginöse Medikation anspricht. Das Risiko eines akuten Myokardinfarktes
beträgt ca. 20%. Die instabile AP und der Myokardinfarkt werden daher als akutes Koronarsyndrom
zusammengefasst.
Diagnostik: Liegt mindestens ein Angina-pectorisKriterium (s. Klinik) vor, sollte zur weiteren Abklärung eine Belastungsuntersuchung durchgeführt
werden. Zuvor muss jedoch zum Auschluss von Erkrankungen, bei denen eine Belastungsuntersuchung kontraindiziert ist (z. B. instabile AP, akuter
Myokardinfarkt), ein Ruhe-EKG abgeleitet werden.
Das Belastungs-EKG (Fahrrad- oder Laufbandergometrie) ist der erste Schritt in der KHK-Stufendiagnostik, da es bei höhergradiger Koronarstenose ei-
Fall 16 Seite 17
ne Sensitivität von 50 – 80% und eine Spezifität von
70 – 90% besitzt und technisch einfach und kostengünstig durchzuführen ist. Voraussetzungen sind
die Aufklärung des Patienten, die Auskultation von
Herz (Aortenstenose?) und Lunge (Stauung?), die
kontinuierliche (klinische und EKG-) Überwachung des Patienten in Defibrillations- und Reanimationsbereitschaft und die Kenntnis der Abbruchkriterien (s. Frage 16.4). Letztere ist unabdingbar, zum einen, um eine Belastungsstufe zu erreichen, bei der eine belastungsinduzierte Ischämie mit hinreichender Sicherheit induziert bzw.
ausgeschlossen werden kann, zum anderen, um eine Gefährdung des Patienten zu vermeiden.
Die Perfusionsmyokardszintigraphie oder die
Stress-Echokardiographie kommt u. a. zur Abklärung unklarer Belastungs-EKG-Befunde zum Einsatz. Zudem kann bei diesen Verfahren die Belastungssituation medikamentös induziert werden.
Sie sind somit für Patienten geeignet, bei denen die
Fahrrad- oder Laufbandergometrie aufgrund eingeschränkter Mobilität (z. B. Gonarthrose) nicht
aussagekräftig ist.
Die Indikation zur Durchführung einer Koronarangiographie ergibt sich, wenn aufgrund eines Belastungstests der V. a. Myokardischämie besteht, bei
atypischen thorakalen Beschwerden nach Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen oder bei
akutem Myokardinfarkt, da hier die Möglichkeit einer sofortigen Rekanalisation besteht.
Therapie: Die stabile AP wird behandelt mittels
쐽 Rekanalisation der stenosierten Koronararterie
(PTCA, Stentimplantation, ggf. Rotablation)
쐽 medikamentöse Therapie:
– ASS 100 mg/d (alle Patienten): Prophylaxe einer Koronarthrombose
– lipidsenkende Therapie bei Hyperlipidämie
(Ziel: LDL-Cholesterin ⬍ 100 mg/dl). Substanzgruppe der Wahl: Cholesterinsynthesehemmer.
– β-Blocker (z. B. Metoprolol): wirken prognostisch günstig, Senkung des myokardialen Sauerstoffbedarfs, antiarrhythmische Wirkung
– Nitrate (z. B. Isosorbiddinitrat 20 – 120 mg):
wirken antianginös über Vasodilatation
– Molsidomin (3 ⫻ 2 mg/d): keine Toleranzentwicklung, antianginöse Wirkung entspricht
der der Nitrate.
Die instabile AP wird wie ein Myokardinfarkt behandelt (s. Fall 6).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnose des Thoraxschmerzes
Vorgehen bei akutem Thoraxschmerz
Veränderungen im Ruhe-EKG bei instabiler AP
Therapie des Myokardinfarktes
Fall 17 Alkalose
185
17.1 Wie interpretieren Sie die Blutgasanalyse
17.3 Nennen Sie mindestens 2 Ursachen für
die Symptomatik der 17-Jährigen!
쐽 metabolische Alkalose, da der pH deutlich erhöht ist (= Alkalose) und der CO2-Partialdruck
und die Bikarbonatkonzentration ebenfalls erhöht sind. Ursache ist ein Anionenverlust
(Chlorid) durch das chronische Erbrechen und
die Diuretikaeinnahme.
쐽 Exsikkose
쐽 Malnutrition.
17.4 Welche anderen Erkrankungen oder Umstände führen zu einer ähnlichen Befundkonstellation in der Blutgasanalyse wie bei der 21Jährigen?
17.5 Welche anderen Erkrankungen oder Umstände führen zu einer ähnlichen Befundkonstellation in der Blutgasanalyse wie bei der
17-Jährigen?
쐽 Chloridmangel: massive diuretische Therapie,
gastrointestinale Verluste (Erbrechen, Magensonde, villöse Kolonadenome)
쐽 Glukokortikoidexzess (Hyperaldosteronismus,
Cushing-Syndrom, Bartter-Syndrom)
쐽 andere Ursachen: hochdosierte Penicillingabe,
Milch-Alkali-Syndrom, Gabe von Antazida bei
Niereninsuffizienz.
17.6 Machen Sie einen Therapievorschlag für
die 21-Jährige!
쐽 Patientin durch Hinweis, dass keine schwere
Erkrankung vorliegt, beruhigen
쐽 auffordern, langsam und gleichmäßig zu atmen
쐽 in Plastikbeutel ein- und ausatmen lassen (d. h.
Plastikbeutel muss Nase und Mund umschließen), hierdurch Rückatmung von CO2
쐽 versuchen, den Auslöser der Hyperventilation
zu eruieren (z. B. Partnerschaftskonflikt), ggf.
psychosomatische Betreuung der Patientin.
Fall 17 Seite 18
17
Antworten und Kommentar
17.2 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose bei
dieser Patientin?
쐽 Hyperventilationssyndrom, da die Patientin eine Tachypnö (⬎ 25 Atemzüge/min, Normwert
ca. 14 – 20 Atemzüge/min) und mit Dyspnö,
Schwindel, Parästhesien, Unruhe und mit der
Pfötchenstellung (Daumen in Hohlhand) die
typischen Symptome der Hyperventilation aufweist. Zudem ist Hypokapnie (s. BGA) durch
Hyperventilation bedingt. Wahrscheinlich psychogen, da kein Anhalt für organische Erkrankungen (s. Frage 17.4) besteht.
Fall
bei der 21-Jährigen?
쐽 Respiratorische Alkalose, da der pH deutlich
erhöht ist (= Alkalose) und der CO2-Partialdruck vermindert ist (= Hypokapnie). Eine respiratorische Insuffizienz liegt nicht vor, da der
Sauerstoffpartialdruck und die Sauerstoffsättigung hochnormal sind.
쐽 Hyperventilation bei starker körperlicher Belastung
쐽 rascher Höhenaufstieg, z. B. in den Bergen (Höhenkrankheit)
쐽 zentrale Hyperventilation bei ZNS-Erkrankungen (z. B. Enzephalitis, Hirndrucksteigerung,
Hirntumor)
쐽 akute respiratorische Partialinsuffizienz (dann
im Gegensatz zum beschriebenen Fall verminderter pO2), z. B. bei Lungenembolie, Pneumothorax.
KO M M E N TA R
Als Alkalose bezeichnet man eine Erhöhung des
pH. Geht sie mit einem Abfall des CO2-Partialdrucks und kompensatorisch auch des HCO3- einher, wird sie als respiratorische Alkalose bezeichnet. Ist HCO3- hingegen erhöht, und mit ihm (kompensatorisch) der pCO2, liegt eine metabolische Alkalose vor. Die respiratorische Alkalose ist häufiger.
186
Fall
17
Antworten und Kommentar
Ätiologie: s. Fragen 17.4/17.5
쐽 Ursache der respiratorischen Alkalose ist eine
alveoläre Hyperventilation. Diese hat einen Abfall des pCO2 zur Folge. Kompensatorisch wird
über die Niere vermehrt HCO3- ausgeschieden,
sodass auch das HCO3- im Blut abfällt.
쐽 Eine metabolische Alkalose ist meist Folge einer pathologischen Retention von HCO3- in der
Niere. Ursachen sind Chloridverlust bei Diarrhö,
Einnahme von Laxanzien oder Schleifendiuretika oder beim Bartter-Syndrom (seltene angeborene tubuläre Chlorid-Resorptionsstörung),
der Verlust saurer Valenzen (Erbrechen, Magensonde) oder die Mineralokortikoidwirkung
(gesteigerte Säureausscheidung durch die Nieren bei verminderter HCO3--Ausscheidung)
bei primärem Hyperaldosteronismus (ConnSyndrom), Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) oder Nierenarterienstenose. Am häufigsten ist ein Abusus von Laxanzien bzw. Schleifendiuretika.
Pathogenese und Klinik:
쐽 Bei respiratorischer Alkalose führt der rasche
Abfall des pCO2 zu einer Vasokonstriktion der
hirnversorgenden Gefäße. Dies erklärt einen Teil
der Symptomatik, z. B. Schwindel, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Bewusstlosigkeit. Parästhesien in der Umgebung des
Mundes oder an den Akren und Tetanie –
schmerzhafte tonische Muskelkrämpfe mit Hyperreflexie, Pfötchenstellung der Finger, evtl.
auch Kontraktion der mimischen Muskulatur
und Laryngospasmus – sind auf einen Abfall des
freien Serumkalziums zurückzuführen (gesteigerte Plasmaproteinbindung des Kalziums bei
Alkalose).
쐽 Eine metabolische Alkalose kann sich durch flache Atmung (Kompensationsmechanismus),
Tetanie (s. o.) oder Extrasystolen (gesteigerte
neuromuskuläre Erregbarkeit!) äußern. Bei
Conn- oder Cushing-Syndrom sind eine arterielle Hypertonie und Hypokaliämie wichtige Leitsymptome; meist stehen die Symptome der Hy-
pokaliämie (Muskelschwäche) oder des Hyperkortisolismus (stammbetonte Adipositas, Diabetes mellitus) im Vordergrund.
Diagnostik:
쐽 respiratorische Alkalose: Anamnese (Vorerkrankungen [s. Frage 17.4], Medikamente, Auslöser), körperliche Untersuchung (Anhalt für organische Ursache?), BGA, Ausschluss organischer Ursachen.
쐽 metabolische Alkalose: Anamnese (Erbrechen,
Diarrhö, Laxanzien, Schleifendiuretika?), körperliche Untersuchung (Anhalt für Grunderkrankung, Exsikkose [Abb. 17.1]?), BGA, Bestimmung der Chloridkonzentration im 24-StundenUrin (⬍ 10 mmol/l 씮 Hinweis auf Diuretikatherapie oder Magensaftverlust; ⬎ 20 mmol/l 씮
Hinweis auf Conn-, Cushing-, Bartter-Syndrom
oder Nierenarterienstenose).
Abb. 17.1
Stehende Hautfalte bei Exsikkose
Therapie:
쐽 respiratorische Alkalose: Die einzig sinnvolle
Therapie besteht in der Verminderung der
Atemfrequenz und damit der Reduktion der alvolären Ventilation (s. Frage 17.6); falls der Patient hierzu noch nicht in der Lage ist, besteht
sie in der Rückatmung von CO2, z. B. durch vorübergehende Atmung in einen Plastikbeutel.
쐽 metabolische Alkalose: Therapeutisch steht die
Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung im Vordergrund, z. B. Adenomresektion bei
Conn- oder Cushing-Syndrom. Im Falle eines
Elektrolytmangels (z. B. Kalium, Chlorid) sollte
eine Substitution erfolgen.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Diagnose und Differenzialdiagnosen eines Hyperaldosteronismus
Behandlungsstrategie bei psychosomatischen Erkrankungen
Klinik des Cushing-Syndroms
Respiratorische und metabolische Azidose
Fall 17 Seite 18
Fall 18 Zystennieren
18.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 (Kongenitale) Zystennieren vom Erwachsenentyp, da das Sonogramm für die Erkrankung typisch ist (s. Abb. 18.1), beide Nieren betroffen
sind, auch die Leber Zysten enthält, erste
Symptome jedoch erst nach dem 30. Lebensjahr aufgetreten sind (Manifestation des Erwachsenentyps typischerweise im 30. – 50. Lebensjahr).
!!! 18.4 Was sind Markschwammnieren?
쐽 Beidseitige Fehlbildungen der Nieren mit ektatischer Aufweitung der Sammelrohre in den
Pyramiden.
KO M M E N TA R
Nierenzysten zählen zu den häufigsten Zufallsbefunden bei der Sonographie des Abdomens. Meist
finden sich solitäre oder wenige Zysten. Diese erworbenen Zysten treten mit zunehmendem Alter
gehäuft auf und sind asymptomatisch, bedürfen
daher auch keiner Therapie.
Differenzialdiagnostisch kommt allenfalls ein Nierenzellkarzinom in Frage, das anhand des sonographischen Bildes jedoch in der Regel gut von Zysten
zu unterscheiden ist: Eine Nierenzyste stellt sich
als annähernd echofreie, runde, glatt begrenzte
Struktur dar, während Nierenzellkarzinome meist
eine unregelmäßige Struktur aufweisen, das Nierenparenchym infiltrieren und Binnenstrukturen
aufweisen. Die Prognose solitärer erworbener Nierenzysten ist gut.
Im Rahmen einer Dialysebehandlung bei Niereninsuffizienz können multiple (erworbene) Nierenzysten auftreten. Eine Hemmung des Zystenwachstums durch therapeutische Maßnahmen ist
möglich. Eine evtl. auftretende arterielle Hypertonie sollte optimal behandelt werden.
Von den häufigen erworbenen Nierenzysten müssen die selteneren kongenitalen (poly)zystischen
Nierenerkrankungen abgegrenzt werden. Diese
betreffen beide Nieren und führen mit unterschiedlicher Häufigkeit zu einer Niereninsuffizienz: beim infantilen Typ stets und frühzeitig (s.
Frage 18.3), beim Erwachsenentyp sind aufgrund
der zunehmenden Zahl und Größe der Zysten ca.
50% der Patienten im 60. Lebensjahr terminal niereninsuffizient. Beim infantilen Typ tritt immer,
Fall 18 Seite 19
187
18
Antworten und Kommentar
18.2 Welche zystischen Nierenerkrankungen
kennen Sie?
쐽 (kongenitale) Zystennieren:
– autosomal-rezessive Form (infantiler Typ)
– autosomal-dominante Form (Erwachsenentyp)
18.3 Wie sind die einzelnen Formen prognostisch zu bewerten?
쐽 Zystennieren :
– autosomal-rezessive Form (infantiler Typ):
sehr schlechte Prognose, da sich innerhalb
der ersten Lebensjahre eine terminale Niereninsuffizienz, später Leberfunktionsstörungen und portale Hypertension entwickeln
– autosomal-dominante Form (Erwachsenentyp): Prognose besser als bei der juvenilen
Form, jedoch oft Verschlechterung der Nierenfunktion ab dem 40. Lebensjahr
쐽 Nierenzysten:
– Solitärzysten: gute Prognose, keine Einschränkung der Nierenfunktion
– multiple Zysten bei Niereninsuffizienz:
Prognose abhängig vom Ausmaß der Niereninsuffizienz und von Begleiterkrankungen
쐽 Markschwammnieren: prinzipiell gute Prognose, selten – bei schwerer Nephrokalzinose –
Niereninsuffizienz
쐽 familiäre juvenile Nephronophthise: eingeschränkte Prognose aufgrund von Niereninsuffizienz, die bei der juvenilen Form im Kindesalter, bei der zystischen medullären Nierenerkrankung im Erwachsenenalter auftritt.
Fall
Abb. 18.1 Zystenniere (polyzystische Nierenerkrankung
vom Erwachsenentyp): erheblich vergrößerte Niere, die
diffus von großen und kleinen Zysten durchsetzt ist,
sodass die normale Nierenanatomie kaum noch erkennbar ist
쐽 (erworbene) Nierenzysten:
– Solitärzysten
– multiple Zysten bei Niereninsuffizienz
쐽 Markschwammnieren (s. Frage 18.4)
쐽 familiäre juvenile Nephronophthise (s. Kommentar).
beim Erwachsenentyp in 75% der Fälle eine arterielle Hypertonie auf.
Zystennieren können mit erheblicher Größenzunahme der Nieren einhergehen. Diese kann zu
Kapseldehnungsschmerz und somit zu Bauchoder Rückenschmerzen führen und schon bei der
körperlichen Untersuchung auffallen. Außer den
Nieren ist die Leber befallen. Die Leberzysten können vor allem beim infantilen Typ eine Leberfunktionseinschränkung und eine portale Hypertension bewirken; letztere verschlechtert die individuelle Prognose entscheidend.
Markschwammnieren (s. Frage 18.4) sind häufig
symptomlos und werden als Zufallsbefund entdeckt. In über 50% der Fälle besteht eine Nephrokalzinose. Das Sonogramm zeigt typischerweise
Kalkablagerungen in den Papillenspitzen, die Zysten liegen im Gegensatz zur familiären juvenilen
Nephronophthise intrapyramidal.
Bei der familiären juvenilen Nephronophthise
handelt es sich um eine relativ seltene Nierenerkrankung, die histologisch durch Zystenbildung im
Bereich der Rinden-Mark-Grenze und des Nierenmarks mit interstitieller Fibrose gekennzeichnet
ist. Sie führt meist zur terminalen Niereninsuffizienz. Die Diagnose stützt sich auf den typischen
nierenbioptischen Befund, die positive Familienanamnese und den sonographischen Nachweis
verkleinerter Nieren.
Die Therapie der zystischen Nierenerkrankungen
ist symptomatisch: Behandlung der Niereninsuffizienz durch Hämodialyse, Behandlung der Hypertonie (s. Fall 4); chirurgische Therapieverfahren
(Zystenentfernung, Drainage) kommen nur bei
Komplikationen (Abszessbildung) zur Anwendung. Insgesamt hat sich die Prognose der kongenitalen polyzystischen Nierenerkrankungen seit
Einführung der Hämodialyse deutlich verbessert.
188
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fall
19
Diagnose und Therapie der renalen Hypertonie
Therapie der Niereninsuffizienz
Therapie der essenziellen Hypertonie
Antworten und Kommentar
Fall 19 Phlebothrombose bei Antiphospholipid-Syndrom
19.1 Welche Ursache einer Phlebothrombose
sollte bei der Patientin vorrangig abgeklärt werden? Begründen Sie Ihre Vermutung!
쐽 Das Antiphospholipid-Syndrom (APL-Syndrom), da bei der Patientin typische Symptome
dieses Syndroms vorliegen: rezidivierende
Thrombosen und zerebrale ischämische Ereignisse bei jungen Patienten, Aborte, Hautveränderungen (Livedo reticularis), verlängerte aPTT
und Thrombopenie.
19.2 Welche zwei Untersuchungen müssen Sie
zum Ausschluss oder Beweis dieser Diagnose
noch veranlassen?
쐽 Bestimmung der Antikardiolipinantikörper
und
쐽 Bestimmung des Lupusantikoagulans (s. Kommentar).
zunächst i. v.-Bolus mit 70 IE/kg KG, dann
20 000 – 35 000 IE Heparin kontinuierlich
i. v. pro 24 h; Ziel ist eine Verlängerung der
aPTT um das 1,5- bis 2,5fache des Normwertes (dieser variiert von Labor zu Labor)
fraktioniertes Heparin: Dosis an das Körpergewicht adaptiert; keine Laborparameter
als Zielwert, da Gerinnungsparameter wie
die aPTT bei therapeutischer Dosierung
nicht auf die Gabe von fraktioniertem Heparin reagieren.
– lokale Kompressionsbehandlung: initial
mit elastischen Wickeln, später mit Kompressionsstrümpfen.
쐽 im Anschluss an die Akutphase lebenslange
orale Antikoagulation mit Phenprocoumon
(Marcumar) zur Rezidivprophylaxe: Zielwert
INR 2,0 – 3,0.
19.3 Machen Sie einen Vorschlag zur Behandlung der Patientin!
쐽 in der Akutphase
– therapeutische („Voll“-) Heparinisierung
mit unfraktioniertem oder fraktioniertem
(niedermolekularem) Heparin:
unfraktioniertes Heparin (z. B. Calciparin):
19.4 Welche therapeutischen Möglichkeiten
kommen in Betracht, wenn trotz dieser Therapie
weiterhin schwere thrombembolische Ereignisse auftreten?
쐽 Plasmapherese
쐽 immunsuppressive Therapie mit Cyclophosphamid.
Fall 19 Seite 20
KO M M E N TA R
Bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin
liegt – schon zum 2. Mal – eine Beinvenenthrombose vor. Bei rezidivierenden Thrombembolien
sollte, insbesondere bei jungen Patienten, immer
nach Risikofaktoren oder einer Grunderkrankung
gesucht werden.
Diagnostik bei rezidivierenden Thrombembolien:
쐽 gezielte Anamnese: familiäre Häufung, Häufigkeit, Schweregrad und Begleitumstände der
Thrombosen (Tumor, Operation, Immobilisation), Begleitmedikation (z. B. Ovulationshemmer)? Rauchen?
쐽 Labordiagnostik zur Erfassung von Risikofaktoren und hereditären Ursachen einer Thrombophilie: Ausschluss einer APC-Resistenz (Faktor-V-Mutation), Bestimmung der Protein-Cund Protein-S-Aktivität (Protein-C- oder Protein-S-Mangel?), des AT III (AT-III-Mangel?), des
Homocysteins (Hyperhomocysteinämie?) und
der aPTT sowie Bestimmung der Antikardiolipinantikörper und des Lupusantikoagulans
zum Ausschluss eines APL-Syndroms.
Diagnostik: Die Diagnose wird gestellt durch den
Nachweis von Antiphospholipidantikörpern (diese
reagieren mit dem Phospholipid Kardiolipin, daher
die Bezeichnung „Antikardiolipinantikörper“)
und/oder Lupusantikoagulans (ein Antikörper gegen Phospholipide auf dem Prothrombin-Aktivatorkomplex, der diesen inaktiviert, sodass die aPTT
verlängert ist). Fast immer finden sich, wie bei der
beschriebenen Patientin, eine Thrombopenie (Autoimmunphänomen, s. o.) und eine verlängerte
aPTT (s. o.), was bei thrombembolischen Ereignissen immer eine Diagnostik im Hinblick auf ein APLSyndrom zur Folge haben sollte.
Therapie: Bei APL-Syndrom sollte als Rezidivprophylaxe eine lebenslange orale Antikoagulation erfolgen. Sie wird eingeleitet, sobald 2 Tage lang ein
therapeutischer INR-Wert bestanden hat (s. Frage
19.3).
Schwerste Verläufe (z. B. rezidivierende Lungenembolien trotz Antikoagulation) können durch
Entfernung des kausalen Antikörpers mittels Plasmapherese gemildert werden, jedoch ist der Erfolg
auf die Dauer der Plasmapherese begrenzt, sodass
meist eine begleitende immunsuppressive Therapie erforderlich ist.
Bei Nachweis von Antiphospholipidantikörpern
ohne Symptome ist zur Primärprophylaxe die Gabe
von Acetylsalicylsäure indiziert.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Lupus erythematodes (Klinik, Diagnostik und Therapie)
Orale Antikoagulation
Lungenembolie (Diagnostik und Therapie)
Fall 19 Seite 20
189
19
Antworten und Kommentar
Ätiologie: Das APL-Syndrom tritt ohne erkennbare
Ursache (primäre Form) oder im Rahmen einer
Grunderkrankung (sekundäre Form) auf. Das sekundäre APL-Syndrom tritt vor allem im Rahmen
Klinik: Typische Symptome sind rezidivierende
Thrombosen, Aborte sowie Autoimmunphänomene wie Hautveränderungen (z. B. Livedo reticularis
[ringförmige Zyanose mit blassem Zentrum], Raynaud-Syndrom, Nekrosen), neurologische Symptome (z. B. Apoplex) oder Nierenbeteiligung (Proteinurie, renale Hypertonie).
Fall
Bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin
liegt ein Antiphospholipid-Syndrom (APL-Syndrom) vor. Als solches bezeichnet man rezidivierende venöse und/oder arterielle Thrombembolien
bei Nachweis von Antiphospholipidantikörpern.
Dies sind Autoantikörper, die sich gegen Phospholipide richten, z. B. gegen Protein-PhospholipidKomplexe auf Thrombozyten oder gerinnungsaktive Phospholipide. Als Ursache der Hyperkoagulabilität wird eine Hemmung des Protein-C- oder des
Fibrinolysesystems diskutiert. Diese Antikörper
sind bei 2 – 5% der Bevölkerung nachzuweisen,
aber weniger als 50% der Betroffenen zeigen
Symptome, weisen also ein APL-Syndrom auf.
von Kollagenosen (insbesondere systemischer Lupus erythematodes) und Tumorerkrankungen auf.
Da bei der beschriebenen Patientin keine dieser Erkrankungen vorzuliegen scheint, handelt es sich
wohl um ein primäres APL-Syndrom.
Fall 20 Obstipation
190
Fall
20
Antworten und Kommentar
20.1 Welche Ursachen (mindestens 4) einer
Obstipation kennen Sie?
쐽 falsche Ernährung: faserarme Kost, zu wenig
Flüssigkeit
쐽 zu wenig Bewegung
쐽 Medikamente: z. B. Diuretika (Hypokaliämie
mit konsekutiver Muskelhypotonie!), Opioide,
Antidepressiva
쐽 Darmerkrankungen : stenosierendes Rektumoder Kolonkarzinom, entzündliche Stenose bei
Divertikulitis oder chronisch-entzündlicher
Darmerkrankung (Colitis ulcerosa, Morbus
Crohn), Polypen, idiopathisches Megakolon, interner Rektumprolaps, Hämorrhoiden, Colonelongation (dadurch verlängerte Stuhlpassagezeit mit verstärkter Stuhleindickung)
쐽 endokrine Erkrankungen: Hypothyreose, Hypophyseninsuffizienz, Diabetes mellitus
쐽 Myopathien
쐽 neurologische Erkrankungen: Morbus Parkinson, periphere Nervenschädigung (z. B. spinale
Läsion), Querschnittslähmung, autonome Neuropathie (z. B. bei Diabetes mellitus)
쐽 psychische Ursachen: bewusster Stuhlverhalt,
Anorexia nervosa, Depression
쐽 gynäkologische Erkrankungen: Uterus- oder
Ovarialtumor
쐽 schwere Allgemeinerkrankungen und ihre
Folgen: Schock, Ileus bzw. Subileus, Intensivtherapie, parenterale Ernährung.
20.2 Welche Untersuchungen (mindestens 4,
in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens)
sind zur Abklärung einer chronischen Obstipation sinnvoll?
쐽 erster Schritt:
– körperliche Untersuchung: Hinweis auf
Grunderkrankung (z. B. Hypothyreose, Morbus Parkinson), Resistenzen bei der Abdomenpalpation inklusive rektal-digitaler Untersuchung (Hämorrhoidalthrombose, Rektumprolaps?); Analfissur (schmerzbedingter
Stuhlverhalt)
– Blutuntersuchung: basales TSH, Elektrolyte,
Blutzucker
– Abdomensonographie: Divertikulitis, Ovarial- oder Uterustumor?
– Koloskopie zum Ausschluss einer stenosierenden oder entzündlichen Darmerkrankung
KO M M E N TA R
Von Obstipation spricht man definitionsgemäß bei
weniger als 3 Stuhlentleerungen pro Woche. Annähernd jeder 4. im Alter von über 60 Jahren leidet an
chronischer Obstipation, wobei Frauen deutlich
häufiger als Männer betroffen sind.
Fall 20 Seite 21
Abb. 20.1 Defäkographie bei ausgedehnter vorderer
Rektozele (Pfeil) und Cul-de-sac-Syndrom (Darmeinpressung in den Douglas-Raum) durch Sigmaimpression
쐽 zweiter Schritt: bei unauffälligem Befund in
den o. g. Untersuchungen und Versagen von
Allgemeinmaßnahmen wie Ernährungsumstellung und Erhöhung der Trinkmenge
– Defäkographie: Röntgenuntersuchung der
Defäkation unter Durchleuchtung
(Abb. 20.1); Entleerungszeit und bildliche
Darstellung liefern Informationen über
Schweregrad und Ursache einer funktionellen Obstipation.
– anorektale Manometrie (Druckmessung):
weiterführende Abklärung funktioneller
Störungen.
20.3 Wie kann eine funktionelle Obstipation
behandelt werden?
쐽 Allgemeinmaßnahmen: Sie stehen immer an
erster Stelle!
– ballaststoffreiche Ernährung, z. B. Körner,
Vollkornbrot, viel Obst, getrocknete Früchte
– reichlich Flüssigkeit, mehrmals täglich (gerade bei alten Menschen oft ein Problem)
– körperliche Aktivität
쐽 Laxanzien:
– Laktulose (wirkt osmotisch)
– Leinsamen (wirkt osmotisch)
– Bisacodyl (wirkt propulsiv)
– Klysmen, Einläufe: bei hartnäckiger Verstopfung.
Ätiologie: Die Ursachen sind zahlreich (s. Frage
20.1), funktionelle Störungen jedoch am häufigsten. Sie sind meist durch unzureichende Flüssigkeitsaufnahme, falsche Ernährung, Bewegungs-
mangel oder Medikamente bedingt. Die Manifestation einer Hypothyreose mit einer Obstipation ist
gerade bei Älteren nicht ungewöhnlich, da andere
Beschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit häufig auf das Alter geschoben werden. Auch
Störungen des Elektrolythaushaltes sind, vor allem
bei Einnahme von Diuretika oder Laxanzien, nicht
selten.
Klinik: s. Definition.
Diagnostik: s. Frage 20.2. Spätestens wenn Allgemeinmaßnahmen (s. Frage 20.3) nicht zu einer
Besserung der Symptomatik führen, sollte eine
komplette Koloskopie zum Ausschluss einer entzündlichen oder malignen stenosierenden Darmerkrankung durchgeführt werden. Die Indikation
zu einer weiterführenden Diagnostik (Defäkographie, anorektale Manometrie) ergibt sich erst,
wenn eine strukturelle Darmerkrankung durch eine Koloskopie ausgeschlossen wurde und die
glaubhaft konsequente Beachtung von Allgemeinmaßnahmen erfolglos war.
Therapie: bei organischer Obstipation Therapie
der Grunderkrankung; bei funktioneller Obstipation s. Frage 20.3.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Kolonkarzinom (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Morbus Parkinson
Ileus (Differenzialdiagnosen und Therapie)
191
Fall 21 Lungenemphysem
21.3 Welchen Befund erwarten Sie bei der
Lungenfunktionsanalyse? Welche Parameter
sind bei dieser Erkrankung verändert? Beschreiben Sie die Veränderungen!
Abb. 21.1 Schematische Fluss-Volumen-Kurve bei einem Patienten mit Lungenemphysem im Vergleich zum
Normalbefund (TLC = totale Lungenkapazität, RV = Residualvolumen)
– Keulenform der Resistance-Schleife (Bodyplethysmographie), bedingt durch Überblähung der Lunge (exspiratorischer Kollaps
der instabilen Bronchialwände)
Fall 21 Seite 22
21
Antworten und Kommentar
21.2 Nennen Sie mindestens 3 Faktoren, die
die Entstehung dieser Erkrankung begünstigen!
1. α-1-Proteaseinhibitormangel (α-1-Antitrypsinmangel):
– angeboren: homozygote Form mit z. T.
schlechter, heterozygote Form mit günstigerer Prognose
– erworben: Inaktivierung des α-1-Proteaseinhibitors durch Oxidanzien des Zigarettenrauchs
2. chronische Überblähung der Lunge durch eine
obstruktive Ventilationsstörung (FEV1-Wert
erniedrigt), z. B. chronische Bronchitis
3. Aktivierung von Proteasen durch rezidivierende Atemwegsinfekte, z. B. bei chronischer
Bronchitis
4. Überblähung der Restlunge nach Lungenteilresektion
5. Überdehnung des Restlungengewebes in der
Umgebung schrumpfender Lungenprozesse
(Narbenemphysem).
쐽 erhöhte Totalkapazität, erhöhtes Residualvolumen
쐽 obstruktive Ventilationsstörung:
– reduzierte 1-Sekunden-Kapazität (FEV1, Tiffenau-Index) in der Spirometrie
– erhöhter Atemwegsgesamtwiderstand in der
Bodyplethysmographie
– konkave Form der exspiratorischen FlussVolumen-Kurve mit „Emphysemknick“, bedingt durch Instabilität der Bronchialwände
(s. Abb. 21.1)
Fall
21.1 Wie lautet Ihre Diagnose?
쐽 Lungenemphysem, da der Klopfschall hypersonor ist und das Röntgenbild tiefstehende
Zwerchfellkuppen, eine vermehrte Strahlentransparenz der Lunge und horizontal verlaufende Rippen mit weiten Interkostalräumen
zeigt. Es besteht eine respiratorische Globalinsuffizienz, d. h. Hypoxämie (paO2 ⬍ 72 mmHg)
plus Hyperkapnie (paCO2 ⬎ 45 mmHg).
쐽 verminderte Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität (DLCO) aufgrund der Abnahme der Diffusionsfläche.
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192
Als Lungenemphysem bezeichnet man eine irreversible Erweiterung der Lufträume distal der
Bronchioli terminales durch Zerstörung des Lungengewebes.
le vorliegen (s. Fall 11). Das Frühstadium des Lungenemphysems lässt sich lediglich mit Hilfe der
Dünnschichtcomputertomographie (HR-CT) des
Thorax darstellen.
Ätiologie: Das Lungenemphysem tritt im Rahmen
des Alterungsprozesses oder als eigenständige Erkrankung auf. Die Erkrankung wird begünstigt
durch chronische Überdehnung der Lunge und/
oder vermehrte Aktivität von Proteasen in der Lunge infolge eines Ungleichgewichts zwischen Proteasen und Proteaseinhibitoren (s. Frage 21.2). Ursachen sind verstärkte Freisetzung von Proteasen,
verminderter Abbau von Proteasen und Mangel an
Proteaseinhibitoren. Häufigste Erkrankungsursache ist die chronische Bronchitis.
Bei der Lungenfunktionsanalyse finden sich im
Frühstadium eine erhöhte Totalkapazität (erhöhtes
intrathorakales Gasvolumen) sowie eine Reduktion der DLCO (s. Frage 21.3). Im fortgeschrittenen
Stadium liegt infolge eines dynamischen Kollaps
der kleinen Atemwege meist eine peripher betonte
obstruktive Ventilationsstörung (Parameter s. Frage 21.3), d. h. eine COPD (s. Fall 11) vor.
Fall
Klinik: Typische klinische Zeichen eines Lungenemphysems, wie ein Fassthorax, tiefstehende
Zwerchfellkuppen mit verminderter Atemexkursion und hypersonorer Klopfschall, finden sich meist
erst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium.
22
Diagnostik: Die Diagnose stützt sich daher meist
auf Befunde der bildgebenden Verfahren und der
Lungenfunktionsanalyse.
Antworten und Kommentar
Im Thorax-Röntgenbild erkennt man ein fortgeschrittenes Lungenemphysem an den tiefstehenden Zwerchfellkuppen, einer vermehrten Strahlentransparenz der Lunge und horizontal verlaufenden Rippen mit weiten Interkostalräumen (s.
Abb. 21.1). Eventuell finden sich Emphysemblasen.
Zudem können bereits Zeichen eines Cor pulmona-
Therapie: Bei schwerer Verlaufsform eines homozygoten α1-Proteaseinhibitormangels ist eine Substitutionsbehandlung möglich.
Bei Rauchern ist die Beendigung des Nikotinkonsums essenziell. Im Übrigen ist die Therapie des
Lungenemphysems symptomorientiert: Therapie
einer obstruktiven Ventilationsstörung nach
3-Stufenschema: zuerst Inhalation kurz wirkender
β2-Mimetika, bei fehlender Besserung zusätzlich
Inhalation lang wirkender β2-Mimetika (s. Fall 11),
bei fehlender Besserung zusätzlich inhalative Glukokortikoide; Sauerstoffgabe bei respiratorischer
Insuffizienz; Behandlung eines Cor pulmonale;
Schutzimpfungen (s. Fall 11).
Die operative Therapie des Lungenemphysems
(Volumenreduktionsoperation) wird kontrovers
diskutiert, da nur ein Teil der Patienten hiervon
profitiert.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen der Zyanose
Differenzialdiagnosen der Leukozytose
Weitere Erkrankungen von Rauchern
Fall 22 Lyme-Borreliose
22.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose (begründen Sie diese!) und was ist die Ursache der
Erkrankung?
쐽 Verdachtsdiagnose: Lyme-Borreliose, Stadium I
(Erythema [chronicum] migrans). Begründung:
typische Anamnese eines Erythema migrans
(sich zentrifugal ausbreitendes Erythem mit
zentraler Abblassung), Auftreten kurze Zeit
nach wahrscheinlicher Zeckenexposition
(Wanderurlaub im Sommer)
쐽 Ursache: Infektion mit Borrelia burgdorferi,
Übertragung durch Zeckenbiss.
Fall 22 Seite 23
22.2 Welche Diagnostik schlagen Sie vor?
쐽 IgM-Antikörper als Hinweis auf eine floride Infektion finden sich im Frühstadium bei 50% der
Patienten.
쐽 IgG-Antikörper sind bei Ersterkrankung und im
Frühstadium meist noch nicht nachweisbar, ist
dies doch der Fall, weist dies auf eine frühere
Infektion hin.
22.3 Welche Stadien der Erkrankung kennen
Sie und wodurch sind diese charakterisiert?
쐽 Stadium I (lokale Infektion):
– Erythema (chronicum) migrans (im Bereich
der Bissstelle; s. Abb. 22.1)
– begleitend Lymphadenosis cutis benigna
(= Lymphozytom; Praedilektionsstelle Oberläppchen) und Fieber möglich
– Auftreten wenige Tage bis 2 Monate nach
dem Zeckenbiss
– Serologie: s. Frage 22.2.
쐽 Stadium II (disseminierte Infektion):
– Fieber, Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit als Hinweis auf Meningopolyneuritis
(lymphozytäre Meningoradikulitis Bannwarth), z. T. mit Sensibilitätsstörungen vor
allem im Versorgungsgebiet des N. facialis
– Lyme-Arthritis: rezidivierende Oligoarthritis
mit wechselndem Gelenkbefall, meist große
Gelenke betroffen
– seltener: Myokarditis, Perikarditis, Lymphadenosis cutis benigna
– Auftreten wenige Monate nach dem Stadium I
– Serologie: IgM- und IgG-Antikörper positiv
쐽 Stadium III (chronische Infektion):
– Acrodermatitis chronica atrophicans (s.
Kommentar)
– Lyme-Arthritis
– seltener: Enzephalomyelitis, Polyneuritis
– Auftreten Jahre bis Jahrzehnte nach der Infektion
– Serologie: IgG-Antikörper positiv, IgM-Antikörper oft nur schwach positiv oder negativ.
22.4 Machen Sie einen Behandlungsvorschlag!
쐽 hier (Stadium I): Doxycyclin 200 mg/d für
2 Wochen oral
쐽 Stadium II und III mit Organmanifestation:
Ceftriaxon 2 g/d für 3 Wochen i. v.
KO M M E N TA R
Als Lyme-Borreliose bezeichnet man eine durch
Borrelia burgdorferi induzierte Infektion.
Abb. 22.1 Erythema
(chronicum) migrans:
a) sich von der Einstichstelle aus zentrifugal ausbreitendes Erythem mit zentraler livider Verfärbung,
b) zentrale Abblassung
bei zunehmender Ausbreitung des Erythems
Symptome einer disseminierten Infektion nach
hämatogener Streuung (Stadium II) sind frühestens nach mehreren Wochen zu erwarten. Fakultative Leitsymptome sind die Lyme-Arthritis (eine
nichterosive Oligoarthritis vor allem großer Gelenke) sowie Kopf- und Nackenschmerzen oder Sensibilitätsstörungen als Hinweis auf eine Neuroborreliose.
22
Antworten und Kommentar
Klinik: Die Erkrankung verläuft in Stadien (s. Frage
22.3). Hochcharakteristisches Leitsymptom der
akuten Lyme-Borreliose (Stadium I) ist der klassische klinische Befund eines Erythema (chronicum )
migrans. Typisch für dieses Erythem sind die zentrifugale Ausbreitung, ausgehend vom Ort des Zeckenbisses, zunächst mit zentraler livider Verfärbung,
193
Fall
Ätiologie und Pathogenese: Borrelia burgdorferi
wird durch Zecken übertragen. Etwa 10% aller Zecken in Deutschland sind infektiös, und zwar regional gehäuft im gesamten Bundesgebiet (das Virus
der Frühsommermeningoenzephalitis dagegen ist
lediglich in Teilen Süddeutschlands endemisch).
Nur jede 3. Infektion mit Borrelia burgdorferi führt
zu klinischen Symptomen, ein Zeckenbiss also in
weniger als 2% der Fälle zu einer klinisch relevanten Lyme-Borreliose. Meist bleibt der Zeckenbiss
unbemerkt. Ist also kein Zeckenbiss zu eruieren
(wie bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin), spricht dies nicht gegen das Vorliegen einer
Lyme-Borreliose.
sowie die mit zunehmender Ausdehnung auffällige
zentrale Abblassung (Abb. 22.1). Es tritt wenige Tage
bis Wochen nach dem Zeckenbiss auf. Rötlich-livide
Noduli im Bereich des Erythems (Lymphadenosis
cutis benigna = Lymphozytom) können hinzukommen.
Eine chronische Lyme-Borreliose (Stadium III)
manifestiert sich erst Jahre nach der Infektion und
ist vor allem durch die Acrodermatitis chronica
atrophicans (zunächst Schwellung und livide Verfärbung der Akren, insbesondere an den Streckseiten, dann Hautatrophie mit Fältelung) oder eine
chronisch-rezidivierende Lyme-Arthritis charakterisiert.
a
b
Fall 22 Seite 23
Diagnostik: Die Diagnose wird in der Frühphase
(Stadium I) vor allem klinisch anhand des Erythema migrans und ggf. des vorausgegangenen Zeckenbisses gestellt. Der Nachweis von IgM-Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi kann die Diagnose sichern, diese sind jedoch im Stadium I oft
noch nicht nachweisbar (s. Frage 22.2). Typischer
Befund der Neuroborreliose ist eine lymphozytäre
Liquor-Pleozytose. Anti-Borrelien-Antikörper (IgG
und IgM) sind bei über 90% der Patienten im Stadi-
um II im Serum nachweisbar. In unklaren Fällen
kann Borrelien-DNA mittels PCR aus Synovia, Urin
oder einem Hautbiopsat nachgewiesen werden.
Therapie: Antibiotika (s. Frage 22.4), wobei die Stadien II und III länger und intensiver behandelt werden sollten als Stadium I (s. Frage 22.4).
Verdacht auf, Erkrankung an und Tod durch eine
Borrelieninfektion sind meldepflichtig.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen der Lyme-Arthritis
Frühsommermeningoenzephalitis (Diagnose und Therapie)
Differenzialdiagnosen einer Pleozytose im Liquor
Fall 23 Angioödem (Quincke-Ödem)
194
Fall
23
23.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Angioödem (Quincke-Ödem, angioneurotisches
Ödem); wahrscheinlich Histamin-vermittelt,
da eine Urtikaria bekannt ist.
Antworten und Kommentar
23.2 Welche zwei Formen der Erkrankung
werden aufgrund der unterschiedlichen Ätiologie unterschieden?
쐽 durch C1-Esterase-Inhibitormangel bedingtes
Angioödem (hereditär oder erworben)
쐽 Histamin-vermitteltes Angioödem (erworben,
allergisch oder nichtallergisch).
23.3 Machen Sie einen Vorschlag zur Therapie
und Prophylaxe!
쐽 Akuttherapie:
– Antihistaminika (z. B. Clemastil 2 mg i. v.)
und Kortikosteroide hochdosiert i. v. (z. B.
Prednisolon 250 mg)
– bei Glottisödem bzw. Laryngospamus, C1Esterase-Inhibitormangel (hier wirken Antihistaminika und Kortikosteroide kaum) oder
unzureichendem Ansprechen auf Glukokortikoide (Achtung: ihre Wirkung setzt mit
Verzögerung ein) Adrenalin (1 mg = 1 Amp.
Suprarenin verdünnt mit 9 ml 0,9% NaCl,
d. h. verdünnt auf 1: 10 000) i. v., die Injektion kann nach 1 – 2 min wiederholt werden.
– Sauerstoffgabe per Nasensonde (4 – 8 l/min)
– bei C1-Esterase-Inhibitormangel Substitution von C1-Esterase-Inhibitorkonzentrat,
falls nicht verfügbar, Gabe von Adrenalin
(s. o.) und FFP (fresh frozen plasma)
쐽 Prophylaxe:
– bei Histamin-vermitteltem Angioödem Vermeidung auslösender Noxen (z. B. Allergene,
ACE-Hemmer, ASS)
– bei C1-Esterase-Inhibitormangel Substitution des Inhibitors immer (jeden Tag) oder
nur bei Bedarf?
23.4 Welche diagnostische Maßnahme sollten
Sie sofort, welche 2 diagnostischen Maßnahmen
im Anschluss an die Therapie ergreifen?
쐽 sofort: Frage nach Vorkommen von Angioödemen in der Familie (Hinweis auf ein hereditäres Angioödem 씮 Therapie anpassen, s. Frage
23.3)
쐽 im Anschluss an die Therapie:
– bei V. a. Histamin-vermitteltes Angioödem
gezielte Anamnese: Zusammenhang mit
Einnahme von Medikamenten, dem Genuss
von Nahrungsmitteln (insbesondere Eier,
Nüsse, Schalentiere) in den letzten 48 Stunden, Trauma oder Kälteeinwirkung?
– Bestimmung des C4-Komplements zum
Nachweis bzw. Ausschluss eines hereditären
Angioödems.
KO M M E N TA R
Ein Angioödem (Quincke- oder angioneurotisches
Ödem) ist eine akute, umschriebene Schwellung
der subepithelialen Schichten von Haut und
Schleimhäuten ohne Juckreiz, die vor allem im Gesicht auftritt und bis zu 3 Tagen anhalten kann.
Fall 23 Seite 24
Ätiologie: Man unterscheidet das Histamin-vermittelte und das durch C1-Esterase-Inhibitormangel bedingte Angioödem. Meistens handelt es sich
um ein Histamin-vermitteltes Angioödem. Die
Histaminfreisetzung ist IgE-vermittelt (Allergie)
oder durch Leukotriene (Intoleranzödem, ein häufiger Auslöser ist Acetylsalicylsäure), physikalische
Reize (z. B. Druck, Kälte) oder ACE-Hemmer bedingt oder hat keine erkennbare Ursache (idiopathisches Angioödem).
Angioödeme infolge eines C1-Esterase-Inhibitormangels sind selten (⬍ 1%). Man unterscheidet eine angeborene Form (hereditäres Angioödem, autosomal-dominanter Erbgang) und eine erworbene Form. Das hereditäre Angioödem ist Folge einer
verminderten Synthese oder einer Dysfunktion des
C1-Esterase-Inhibitors. Die seltene erworbene
Form tritt bei malignen Lymphomen oder infolge
von Autoantikörpern gegen den C1-Esterase-Inhibitor auf.
Klinik: s. Definition. Die Schwellung tritt bevorzugt im Gesicht, insbesondere an den Lippen
(Abb. 23.1), und evtl. unter Beteiligung des Rachens, Larynx und Gastrointestinaltrakts auf. Bei
Glottisödem besteht (wie im vorliegenden Fall) Erstickungsgefahr.
195
Bei Histamin-vermitteltem Angioödem ist die C4Konzentration im Normbereich. Spezifische Laborparameter sind nicht bekannt, sodass die Diagnose
klinisch erfolgt.
Therapie: Bei Auftreten eines Angioödems ist eine
sofortige und konsequente Therapie (s. Frage 23.3)
erforderlich, da ein Glottisödem die oberen Atemwege verlegen kann.
Prophylaxe: s. Frage 23.3.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Indikation und Durchführung einer Koniotomie
Indikationen für eine Glukokortikoidgabe in der Notfallmedizin
Diagnostik bei Nahrungsmittelallergie
Fall 24 Metabolisches Syndrom
24.1 Welche Diagnosen stellen Sie und unter
welchem Sammelbegriff lassen sich diese zusammenfassen?
쐽 Metabolisches Syndrom: Diabetes mellitus +
Adipositas + arterielle Hypertonie + Hyperlipidämie + Hyperurikämie.
24.2 Welche weiteren Untersuchungen (mindestens 5, in der Reihenfolge des praktischen
Vorgehens) schlagen Sie vor? Begründen Sie
Ihren Vorschlag!
쐽 Blutdruckkontrolle (an beiden Armen, zum
Ausschluss eines seitendifferenten Blutdrucks),
쐽
쐽
쐽
쐽
24-Stunden-Blutdruckmessung (Untersuchung
des Blutdruckprofils, s. auch Fall 4)
ophthalmologische und neurologische Untersuchung (Folgekomplikationen des Diabetes
mellitus?)
Blutzuckertagesprofil, HbA1 c (Bestimmung des
Schweregrades des Diabetes mellitus)
Bestimmung des HDL- und LDL-Cholesterins
zur Dokumentation des Ausgangsbefundes vor
Therapie
quantitative Urineiweißbestimmung (diabetische oder hypertensive Nephropathie?).
Fall 24 Seite 25
24
Antworten und Kommentar
Diagnostik: s. Frage 23.4. Bei C1-Esterase-Inhibitormangel ist die Serumkonzentration des Inhibitors vermindert, bei Fehlfunktion des Inhibitors
normal. Bei beiden Formen ist jedoch die Konzentration von C4-Komplement vermindert, sodass die Bestimmung von C4-Komplement sich als
Screeningmethode eignet (s. Frage 23.4).
Angioödem
Fall
Für das Histamin-vermittelte Angioödem ist die im
Vergleich zum hereditären Angioödem späte Erstmanifestation (meist erst im Erwachsenenalter)
charakteristisch. Zudem leidet der Betroffene
meist an Urtikaria (wie die im Fallbeispiel beschriebenen Patientin).
Abb. 23.1
24.3 Wie sollte eine Diät für diese Patientin
aussehen? Geben Sie konkrete Empfehlungen
(Kalorien, BE-Zahl etc.)!
쐽 Kaloriengesamtbedarf: richtet sich nach dem
anzustrebenden Idealgewicht und der körperlichen Aktivität. Idealgewicht (kg) = Körpergröße
(cm) ⫺ 110; bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin 168 – 110 = 58 kg. Kalorienbedarf/d (kcal) bei leichter körperlicher Arbeit
(Patientin ist derzeit arbeitslos): Sollgewicht ⫻ 30, d. h. 58 ⫻ 30 = 1740 kcal. Bei hoher
Patientencompliance auch niedrigere Kalorienzahl möglich (z. B. 1000 kcal), um eine schnellere Gewichtsreduktion herbeizuführen.
쐽 ideale Verteilung der Kalorien bei Diabetikern: 50% Kohlenhydrate, 30% Fett und 20% Eiweiß, d. h. bei der beschriebenen Patientin
– 870 kcal in Form von Kohlenhydraten: Berechnung nach Broteinheiten (BE):
1 BE = 12 g Kohlenhydrate, 1 g Kohlenhydra-
196
Fall
24
te = 4,1 kcal; keine schnell resorbierbaren
Kohlenhydrate wie Zucker; Patientin Austauschtabelle für alle Kohlenhydrate mitgeben!
– 522 kcal in Form von Fett
– 348 kcal in Form von Eiweiß.
쐽 kochsalzarme Ernährung wegen arterieller
Hypertonie.
24.4 Nennen Sie mindestens 3 endokrine Erkrankungen, welche die Entstehung einer Adipositas begünstigen!
1. Morbus Cushing (Hyperkortisolismus)
2. Hypothyreose
3. Hypogonadismus
4. Hyperinsulinismus bei metabolischem Syndrom
5. Stein-Leventhal-Syndrom (Syndrom der polyzystischen Ovarien).
KO M M E N TA R
Vom metabolischen Syndrom spricht man bei
gleichzeitigem Auftreten von Diabetes mellitus,
Adipositas, arterieller Hypertonie, Hyperlipidämie
und Hyperurikämie.
Antworten und Kommentar
Ätiologie und Pathogenese: Ursache der Stoffwechselstörung im Rahmen des metabolischen
Syndroms ist vor allem eine periphere Insulinresistenz als Folge der Adipositas. Zu weiteren Ursachen
für Adipositas s. Frage 24.4.
Die Insulinresistenz führt zu Hyperinsulinämie,
diese zu Verstärkung der Adipositas und zu DownRegulation der Insulinrezeptoren. Letztere verstärkt die Hyperinsulinämie. Bei Erschöpfung der
Kapazität der β-Zellen manifestiert sich ein Diabetes mellitus (Typ II). Das Arterioskleroserisiko ist
massiv erhöht.
Klinik: Außer einer stammbetonten Adipositas
und einer arteriellen Hypertonie können Xanthelasmen (Abb. 24.1), Xanthome (knötchenförmige
Fetteinlagerungen) und Gichttophi (knötchenförmige Harnsäureablagerungen) vorliegen.
Abb. 24.1
Xanthelasma palpebrarum
Fall 24 Seite 25
Diagnostik: Bei der Anamnese muss nach Altersdiabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Vorgeschichte und in der Familie gefragt
werden. Bei der körperlichen Untersuchung ist
auf die o. g. Symptome zu achten. Sie sollte eine
Fundoskopie und eine neurologische Untersuchung einschließen (s. Frage 24.2). Der Schweregrad der Adipositas sollte mittels Body-Mass-Index
(BMI = Körpergewicht (kg)/Körperlänge2; Norm
18,5 – 25 kg/m2, Übergewicht ⬎ 25 kg/m2) erfasst
werden. Zur Blutdruckmessung s. Frage 24.2.
Labordiagnostik: s. auch Frage 24.2.
Nach der derzeit gültigen Definition (Fachgesellschaften WHO) ist ein Diabetes mellitus zu diagnostizieren, wenn die Glukosekonzentration (kapillär) im Nüchternzustand mehrfach über
110 mg/dl liegt (wie bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin). In unklaren Fällen (z. B. bei
Messung erhöhter und normaler Werte) sollte ein
oraler Glukosetoleranztest durchgeführt werden.
Zur Überprüfung des Lipidstoffwechsels bestimmt
man das Gesamtcholesterin sowie HDL- und LDLCholesterin und die Triglyceride i. S. im Nüchternzustand. Dabei liegen die Grenzwerte bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ II deutlich niedriger
als bei sonst Gesunden, insbesondere wenn weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren (z. B. arterielle
Hypertonie) vorliegen: Die Obergrenze beim Gesamtcholesterin liegt bei 200 mg/dl, beim LDLCholesterin bei 120 mg/dl, bei den Triglyceriden
bei 150 mg/dl, die Untergrenze für HDL-Cholesterin bei 40 mg/dl.
Außerdem wird die Harnsäurekonzentration
i. S. bestimmt.
Therapie: In Anbetracht der zugrunde liegenden
Erkrankung (Adipositas mit Hyperinsulinämie) ist
immer eine deutliche Reduktion des Körpergewichts anzustreben, da bei konsequenter Gewichtsreduktion oft keine medikamentöse Therapie erforderlich ist. Zunächst sollte man die aktuelle Kalorienaufnahme des Patienten berechnen und
ein Therapieziel festlegen. Da 1 kg Fettgewebe ca.
6000 Kalorien speichert, ist bei einer Reduktion
der Kalorienzufuhr um 1000 kcal/d nach 1 Woche
mit einer Gewichtsreduktion von 1 kg zu rechnen.
Eine schnellere Gewichtsreduktion zu Beginn der
Diät gelingt nur vorübergehend, da diese vor allem
durch Veränderungen des Flüssigkeitshaushalts
bedingt ist. Da die Ernährungstherapie langfristig
(lebenslang) angelegt ist, sollte sich die Kalorienzufuhr an dem für das jeweilige Idealgewicht notwendigen Bedarf richten (s. Frage 24.3), wobei der
Kalorienverbrauch (Berufsanamnese!) zu berücksichtigen ist.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Medikamentöse Therapie des Diabetes mellitus
Stadieneinteilung der arteriellen Hypertonie
Durchführung und Interpretation eines oralen Glukosetoleranztests
Komplikationen des Diabetes mellitus
Fall 25 Akute (myeloische) Leukämie
!!! 25.4 Bei welcher Erkrankung sind Auer-Stäbchen nachweisbar ?
쐽 Bei akuter myeloischer Leukämie.
KO M M E N TA R
Eine akute Leukämie ist eine maligne Erkrankung
der hämatopoetischen Stammzellen, die zu unkontrollierter Proliferation und zu Ausschwemmung ins periphere Blut von Vorläufern der Blutzellen (Blasten) führt. Man unterscheidet die akute
lymphatische Leukämie (ALL) und die akute myeloische Leukämie (AML). Bei ersterer proliferieren
Vorläufer der Lymphozyten, bei letzterer Vorläufer
der Granulozyten unkontrolliert.
Einteilung: Die ALL wird vor allem nach immunologischen Kriterien unterteilt (in CALL [common
ALL], T-, B- und Null-ALL), die AML nach zytomorphologischen Kriterien (Tab. 25.1). Auer-Stäbchen
(Abb. 25.1) sind bei AML in bis zu 25 % der Fälle im
Zytoplasma der Blasten nachweisbar. Blasten mit
gebündelten Auer-Stäbchen werden als Fagott-Zellen bezeichnet und treten vor allem bei der Promyelozytenleukämie (M3) auf.
Ätiologie und Pathogenese: Die Ursache der akuten Leukämie ist unbekannt. Prädisponierende
Faktoren sind DNA-Veränderungen (z. B. DownSyndrom, Fanconi-Anämie), Virusinfektionen
(HTLV-1-Infektion), myelodysplastisches Syndrom
(für AML), ionisierende Strahlung, Benzol sowie
Zytostatika. Es kommt zur malignen Transformation einer Stammzelle, zur klonalen Expansion und
infolgedessen zur Verdrängung der normalen Blutbildung aus dem Knochenmark (Knochenmarkinsuffizienz).
Klinik: Knochenmarkinsuffizienz äußert sich
durch Symptome der Anämie (Blässe, Leistungsschwäche, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Belastungsdyspnö), der Granulozytopenie (Infektanfälligkeit) und der Thrombozytopenie (Nasen- oder Zahnfleischbluten, Hämatome). Außerdem finden sich Lymphknotenschwellungen und
Splenomegalie (Absiedlung von Blasten). Bei der
ALL kann eine Meningeosis leucaemica (Absiedlung von Blasten in den Meningen) auftreten und
Kopfschmerzen, Übelkeit und Augenmuskellähmungen verursachen.
Fall 25 Seite 26
25
Antworten und Kommentar
25.2 Welche Untersuchung ist zur weiteren
Abklärung vordringlich und welches Ergebnis
erwarten Sie?
쐽 Knochenmarkpunktion und -analyse:
– deutlich hyperzelluläres Knochenmark mit
Überwiegen von Blasten (Blastenanteil
⬎ 30%)
– Erythropoese ⬍ 50%.
25.3 An welche Therapieoption sollten Sie vor
allem bei jüngeren Patienten denken?
쐽 Knochenmark- oder Stammzelltransplantation
nach induktiver Chemotherapie.
Fall
25.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Akute myeloische Leukämie, da im peripheren
Blut Myeloblasten nachweisbar sind.
197
Tab. 25.1 FAB-Klassifikation der akuten myeloischen Leukämien (AML) (FAB = FrenchAmerican-British-Group) (Hahn 2000)
FAB
Morphologischer Subtyp
Häufigkeit positive Zytochemie für
M0
AML ohne Ausreifung
⬍ 5%
M1
AML mit minimaler Ausreifung
20%
Myeloperoxidase
Myeloperoxidase
M2
AML mit Ausreifung
30%
M3
Promyelozyten-Leukämie
5 – 10%
Myeloperoxidase
M4
Myelomonozytäre Leukämie
30%
Myeloperoxidase und
unspezifische Esterase
M5
M5 a
M5 b
Monozytäre Leukämie:
ohne Ausreifung (undifferenziert)
mit Ausreifung (differenziert)
10%
unspezifische Esterase
M6
Erythroleukämie
⬍ 5%
M7
Megakaryozytäre Leukämie
⬍ 5%
198
Fall
AML gilt als gesichert, wenn der Blastenanteil
im Knochenmark mindestens 30% und der Anteil der Erythropoese ⬍ 50% aller kernhaltigen
Zellen beträgt (Ausnahme Erythroleukämie:
Hier liegt der Anteil der Erythropoese über 50%
[Blastenanteil über 30%]). Bei einem myelodysplastischen Syndrom beträgt der Blastenanteil
definitionsgemäß weniger als 20%.
쐽 Klassifikation der Leukämie (s. o.).
25
Antworten und Kommentar
Abb. 25.1 Akute Promyelozytenleukämie (M3): Blasten
mit Auer-Stäbchen (Pfeil) im Zytoplasma
Diagnostik: Sie besteht aus
쐽 Differenzialblutbild: Der Nachweis von Blasten
im peripheren Blut deutet auf eine akute Leukämie hin. Bei der AML wird eine deutliche Leukozytose von ⬎ 100 000/µl nur bei 20 % der Patienten gefunden; bei den meisten ist die Leukozytenzahl normal! 17% der Patienten weisen sogar
eine Leukopenie auf. Eine Thrombozytopenie
wird bei über 90%, eine Anämie bei allen Patienten mit einer AML beobachtet.
쐽 Knochenmarkpunktion und -analyse: Es finden sich Blasteninfiltrate und eine Verdrängung
der normalen Hämatopoese. Die Diagnose einer
Fall 25 Seite 26
Differenzialdiagnosen:
쐽 Die ALL muss abgegrenzt werden von einer
aplastischen Anämie (hypozelluläres Knochenmark), dem myelodysplastischen Syndrom und
der AML (Knochenmarkbefund, s. o.!), der chronischen lymphatischen Leukämie (morphologische bzw. immunologische Typisierung anhand
des Knochenmarkausstriches), lymphoblastischen Non-Hodgkin-Lymphomen (Knochenmarkbefund) und der infektiösen Mononukleose (keine Blastenvermehrung im Knochenmark).
쐽 Die AML muss abgegrenzt werden von einer
Knochenmarkreizung mit Linksverschiebung
im Rahmen einer Infektion (hier können zwar
Metamyelozyten und Myelozyten im peripheren Blut auftreten, Myeloblasten als früheste
Entwicklungsstufe der Granulopoese treten jedoch nicht ins periphere Blut über), vom myelodysplastischen Syndrom (Knochenmarkbefund,
s. o.!) und von der chronisch myeloischen Leukämie (CML). Bei CML mit Blastenexzess liegt
immer auch eine massive Leukozytose vor, sodass diese Leukämieform im beschriebenen Fall
eher unwahrscheinlich ist.
Therapie: Die Behandlung von Patienten mit akuter Leukämie sollte immer durch einen Hämatologen erfolgen. Die ALL wird mittels Polychemotherapie behandelt, nach Erreichen der Vollremission
wird prophylaktisch der Schädel bestrahlt und eine
intrathekale Chemotherapie durchgeführt.
Bei AML gilt die allogene Knochenmarktransplantation oder Stammzelltransplantation als Therapie der Wahl bei Patienten unter 55 Jahren, bei gu-
tem Allgemeinzustand auch bei älteren Patienten.
AML-Patienten, die knochenmarktransplantiert
wurden, leben durchschnittlich länger als Patienten, die nur eine Chemotherapie erhielten. Voraussetzung für eine Knochenmarktransplatation ist
das Erreichen einer Remission durch eine vorausgegangene Chemotherapie, Infektfreiheit und das
Vorhandensein eines histokompatiblen HLA-identischen Spenders (z. B. Geschwister).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Chronische Leukämien (Klinik, Diagnostik und Therapie)
Komplikationen einer Knochenmark- oder Stammzelltransplantation
Knochenmarkdiagnostik (Indikation, Durchführung, Aussage)
Fall 26 Dermatomyositis
199
26.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
mit der Verdachtsdiagnose überdurchschnittlich
häufig auf und muss daher ausgeschlossen werden?
쐽 Malignom, insbesondere Mamma-, Magen-,
Bronchial- und Ovarialkarzinom.
26.3 Welche weitere Diagnostik (mindestens 5
Untersuchungen, in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) schlagen Sie vor? Begründen
Sie Ihren Vorschlag!
쐽 neurologische Untersuchung: meist erhaltene
Muskeleigenreflexe, keine Sensibilitätsstörungen (beides Hinweise auf Myopathie); das Auftreten von Doppelbildern und Ptosis wäre dagegen ein Hinweis auf Myasthenia gravis.
KO M M E N TA R
Die Dermatomyositis ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung mit Befall der quergestreiften
Muskulatur, der Haut und anderer Organe, die zu
den Kollagenosen gezählt wird. Ist die Haut nicht
befallen, spricht man von Polymyositis.
26.4 Wie wird die von Ihnen vermutete Erkrankung behandelt?
쐽 Glukokortikoide systemisch (z. B. Prednisolon
1 mg/kg KG p. o., stufenweise Reduktion)
쐽 bei hoher Aktivität oder Beteiligung innerer
Organe (Lunge, Herz) zusätzlich Immunsuppressiva (Methotrexat, Azathioprin oder Cyclophosphamid).
쐽 Ca2+ und Vitamin D3 zur Osteoporoseprophylaxe
Ätiologie: Sie ist unbekannt.
Klinik: Leitsymptom der Dermatomyositis wie
auch der Polymyositis ist eine schleichend progrediente, symmetrische Muskelschwäche mit Beto-
Fall 26 Seite 27
26
Antworten und Kommentar
!!! 26.2 Welche Erkrankung tritt bei Patienten
Fall
쐽 Dermatomyositis, da die Hautveränderungen
typisch sind (das periorbitale Ödem mit livider
Verfärbung der Augenlider ist pathognomonisch) und eine symmetrische, proximal betonte, progrediente Muskelschwäche typisch für
eine Polymyositis ist. Des Weiteren sind Gesamt-CK und CK-MB erhöht, die CK-MB beträgt
jedoch weniger als 6% der Gesamt-CK; diese
Befunde sprechen für eine Schädigung des Skelettmuskels.
쐽 Labor: Bestimmung weiterer Autoantikörper
(anti-ds-DNA-, anti-Jo-1-, anti-Sm-, anti-U1RNP-, anti-SS-A- und anti-SS-B-Antikörper),
Ausschluss anderer Kollagenosen mit sekundärer Myositis (z. B. SLE [anti-ds-DNA-Antikörper!])
쐽 Elektromyographie (EMG): Nachweis einer
Myopathie
쐽 MRT der betroffenen Muskelregion: Nachweis
von Muskelödem als Myositishinweis
쐽 Muskelbiopsie: Nachweis einer Myositis
쐽 Röntgen-Thorax, Lungenfunktionsanalyse mit
Bestimmung der CO-Diffusionskapazität, ggf.
HR-CT des Thorax: Nachweis bzw. Ausschluss
einer Lungenbeteiligung (in bis zu 10% der Fälle)
쐽 Echokardiographie, EKG: Nachweis bzw. Ausschluss einer Myokardbeteiligung
쐽 Tumorsuche: gynäkologische Untersuchung,
Abdomensonographie, Gastroskopie, Koloskopie.
nung der Schulter- und Beckengürtelmuskulatur
als Folge der Myositis. Im Gegensatz zur Polymyalgia rheumatica tritt ein muskelkaterartiger
Schmerz nur bei 50% der Patienten auf, meist als
Folge einer zunehmenden Muskelatrophie. Charakteristische Hautveränderungen der Dermatomyositis sind die erythematöse Dermatitis (rötliche, schuppende Papeln, meist an den Handrücken, aber auch im Gesicht und am Rumpf) und ein
periorbitales Ödem mit rötlich-livider Verfärbung der Augenlider.
Außerdem kann eine nichterosive Polyarthritis (in
bis zu 40% der Fälle, so bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin), ein Raynaud-Syndrom
(30%), eine Myokarditis (in bis zu 30% der Fälle)
oder eine interstitielle Alveolitis (10%) auftreten.
200
Fall
26
Antworten und Kommentar
Diagnostik: Um die Diagnose Polymyositis oder
Dermatomyositis stellen zu können, sollte zunächst die vermutete Myositis gesichert werden.
Bei Nachweis myopathischer Veränderungen (z. B.
frühe Rekrutierung motorischer Einheiten mit vollem Interferenzmuster bei geringer Muskelanspannung) und von Denervierungszeichen (z. B. Fibrillationen) im EMG kann zur weiteren Abklärung
ein Kernspintomogramm der betroffenen Muskelpartien (z. B. Oberschenkel) angefertigt werden.
Zeigt dieses ein Muskelödem (Abb. 26.1, passend
zu einer Myositis), kann aus dieser Muskelregion
eine Muskelbiopsie entnommen werden. Typischer histologischer Befund der Myositis ist eine
zelluläre, meist lymphozytäre Infiltration mit Muskelnekrosen. Ein sehr sensitiver, aber wenig spezifischer laborchemischer Leitbefund ist die Erhöhung der CK. Da die Höhe der CK mit dem Schweregrad der Aktivität korreliert, ist die CK ein wichtiger Verlaufsparameter. Wie die anderen Kollagenosen (SLE, Sklerodermie, Sjögren-Syndrom) ist auch
die Dermatomyositis mit antinukleären Antikörpern assoziiert. Spezifisch für eine Poly- oder Dermatomyositis sind die sog. anti-Synthetase-Antikörper (z. B. anti-Jo-1-Antikörper, s. auch Frage
26.3). Die γ-Globuline sind meist erhöht (wie im
vorliegenden Fall).
Abb. 26.1 Magnetresonanztomogramm: Muskelödem
bei Myositis
Bei bis zu 20% der Patienten liegt neben der Dermatomyositis ein Malignom vor (s. Frage 26.2),
sodass bei Diagnosestellung eine gezielte Tumorsuche (s. Frage 26.3) erfolgen sollte.
Differenzialdiagnosen: Polymyalgia rheumatica
(s. Fall 90), Muskeldystrophie (Muskelbiopsie), Alkoholmyopathie, Neuropathie (jeweils Muskelbiopsie), Myasthenia gravis (Tensilon-Test, Nachweis von anti-Acetylcholinrezeptor-Antikörpern).
Therapie: Mittel der Wahl sind Glukokortikoide (s.
Frage 26.4). Bei ausgeprägter Entzündungsaktivität und Klinik und zur Einsparung von Glukokortikoiden werden zusätzlich Immunsuppressiva verabreicht, z. B. Methotrexat, Azathioprin, in schweren Fällen Cyclophosphamid.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Polymyalgia rheumatica (Klinik, Diagnostik und Therapie)
Kollagenosen (systemischer Lupus erythematodes, primäres Sjögren-Syndrom,
Sklerodermie, Mischkollagenose): Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Nebenwirkungen einer Langzeit-Glukokortikoidtherapie
Fall 26 Seite 27
Fall 27 Akute Pankreatitis
27.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Akute Pankreatitis, da der diffuse Oberbauchschmerz mit Ausstrahlung in den Rücken, Übelkeit und Erbrechen für diese Erkrankung typisch
ist, ebenso wie der „Gummibauch“ bei der Abdomenpalpation, und die Amylase erhöht ist.
KO M M E N TA R
Die akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse
nimmt meist einen leichten Verlauf mit Pankreasödem, in 10% der Fälle kommt es jedoch zu Hämorrhagien und Pankreasnekrosen.
Ätiologie: s. Frage 27.2.
Pathogenese: Die Entzündung entsteht durch
Übertritt von Pankreassekret ins Interstitium und
Autodigestion durch aktivierte Enzyme des Pankreassekrets. So kommt es bei Choledocholithiasis
zum Rückstau von Galle und Pankreassekret in das
Pankreas.
Klinik: Leitsymptom der akuten Pankreatitis ist
der diffuse, gürtelförmig nach dorsal ausstrah-
lende Oberbauchschmerz in Verbindung mit
Übelkeit und Erbrechen. Der Befund eines „Gummibauchs“ bei der Abdomenpalpation ist ebenfalls
typisch für die Pankreatitis, während bei anderen
Formen eines akuten Abdomens die Bauchdecken
meist „bretthart“ sind. Meist liegt eine Hypoperistaltik vor (wie bei dem im Fallbeispiel beschriebenen Patienten), häufig findet sich als entzündliche
Begleitreaktion ein Pleuraerguss (wie bei dem beschriebenen Patienten) oder Aszites. Bei Choledocholithiasis oder bei Alkoholabusus mit Alkoholhepatitis als Auslöser der akuten Pankreatitis kann
ein Ikterus vorliegen (wie bei dem beschriebenen
Patienten).
Fall 27 Seite 28
201
27
Antworten und Kommentar
27.3 Welche Komplikationen (mindestens 5)
der vermuteten Erkrankung kennen Sie?
쐽 Frühkomplikationen:
– respiratorische Insuffizienz (häufigste systemische Komplikation)
– Nekrosenbildung
– Hypovolämie und Schock
– akutes Nierenversagen
– Verbrauchskoagulopathie (DIC)
27.4 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
쐽 Nahrungskarenz, parenterale Ernährung, Flüssigkeitssubstitution
쐽 zunächst intensivmedizinische Überwachung
wegen möglicher Frühkomplikationen (s. Frage
27.3)
쐽 bei Bedarf Analgetika: keine nichtsteroidalen
Antirheumatika (potenziell nephrotoxisch),
sondern Pethidin, aber keine anderen Opioide,
da diese einen Papillenspasmus auslösen können
쐽 Low-dose-Heparinisierung (z. B. Enoxaparin
2000 IE/d)
쐽 Stressulkusprophylaxe mit Protonenpumpenhemmern (z. B. Omeprazol 40 mg i. v.)
쐽 Antibiotika bei nekrotisierender Pankreatitis,
erhöhten Entzündungsparametern (CRP, Leukozyten), Fieber, infizierten Pseudozysten, Abszess oder Sepsis: bevorzugt Carbapeneme oder
Gyrasehemmer + Metronidazol
쐽 bei Choledochussteinen endoskopische Entfernung durch Papillotomie und Steinextraktion
(therapeutische ERC)
쐽 bei infizierten Pseudozysten, Abszessen oder
Nekrosen, die unter konservativer Therapie
nicht abheilen, operative Entfernung.
Fall
27.2 Nennen Sie mindestens 4 Ursachen der
Erkrankung!
쐽 Choledocholithiasis (häufigste Ursache): biliäre
Pankreatitis
쐽 Alkoholabusus (zweithäufigste Ursache)
쐽 seltenere Ursachen:
– Infektionen: z. B. Virushepatitis, Mumps,
Salmonellose
– Trauma
– ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie)
– Kompression von außen (Gallengangskarzinom, peripapilläre Duodenaldivertikel, Pancreas anulare)
– Medikamente: z. B. Östrogene, Salicylate,
Diuretika, Sulfonamide, Antimetabolite,
Cholinesterasehemmer
– primärer Hyperparathyreoidismus (Hyperkalzämie)
– schwere Hypertriglyzeridämie
– hereditär: fehlende Inaktivierung von Trypsinogen aufgrund einer Mutation des Trypsinogen-Gens.
– Pfortader- und Milzvenenthrombose mit Bildung von Ösophagusvarizen (portale Hypertension!)
– Pleuraergüsse (s. pulmonaler Befund bei
dem beschriebenen Patienten)
– Blutung durch Gefäßarrosion
– metabolische Azidose, Elektrolytverschiebungen
쐽 Spätkomplikationen:
– Abszesse
– Pseudozystenbildung
– bakterielle Infektion bei nekrotisierender
Pankreatitis.
Komplikationen: s. Frage 27.3.
202
Fall
28
Diagnostik: Die Diagnose kann bei typischer Klinik
als gesichert gelten, wenn eine Erhöhung der Amylase im Urin oder im Serum vorliegt. Spezifischer
für eine Pankreatitis ist die Bestimmung der Lipase
im Serum, da eine geringe Konzentrationserhöhung der Amylase (um weniger als das 3fache der
Norm) auch bei anderen Erkrankungen (z. B. Parotitis) vorkommen kann, die Lipase hingegen nur
bei Pankreaserkrankungen erhöht ist.
Zur Erkennung von Komplikationen (Blutung, Nierenversagen, Sepsis) sollte der Patient täglich untersucht (Allgemeinzustand, abdominaler Palpationsbefund, Blutdruck, Herzfrequenz, Körpertemperatur?) und sollten Nierenretentionswerte,
Elektrolyte, Cholestaseparameter, Blutbild und
Gerinnungsparameter mindestens täglich bestimmt werden. Zur Erfassung von Pankreasnekrosen, -pseudozysten und -abszess muss täglich eine
Abdomensonographie (Abb. 27.1) durchgeführt
werden, bei unzureichender Darstellbarkeit des
Organs und klinischer Verschlechterung eine CT
des Abdomens. Aufgrund des gehäuften Auftretens von Pleuraergüssen muss zudem ein Röntgen-Thorax angefertigt werden. Eine diagnostische ERCP ist nicht indiziert, mitunter sogar gefährlich.
Abb. 27.1 Akute nekrotisierende Pankreatitis: fleckigechoarmes, vergrößertes, unscharf begrenztes Pankreas
(P). M = Magen, AO = Aorta, WS = Wirbelsäule.
Differenzialdiagnosen: Die akute Pankreatitis
muss abgegrenzt werden von anderen Ursachen
eines akuten Abdomens, insbesondere einer Ulkusperforation, Cholezystitis und einer Gallenkolik, sowie vom Myokardinfarkt.
Therapie: s. Frage 27.4. Nach Schmerzfreiheit und
Normalisierung der Laborwerte Kostaufbau (fettarme Kost). Rezidivprophylaxe durch Sanierung
der Gallenwege, Alkoholabstinenz, Therapie der
Hypertrigyzeridämie oder des Hyperparathyreoidismus.
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens
Folgeerkrankungen des chronischen Alkoholabusus
Pankreaskarzinom (Klinik, Diagnostik, Therapie, Prognose)
Fall 28 Harnwegsinfekt
28.1 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 4) schlagen Sie vor? Begründen Sie
Ihren Vorschlag!
쐽 Urinuntersuchung: zum Nachweis eines Harnwegsinfekts und des Erregers
– Leukozytenzahl erhöht, gehäuft auch Leukozytenzylinder
– Keimnachweis, Keimzahl, Resistogramm
– manchmal begleitende Erythrozyturie. Um
eine schwerwiegende Begleiterkrankung
(z. B. Glomerulonephritis, Nierentumor)
nicht zu übersehen, muss die Erythrozyturie
bei einem Harnwegsinfekt nach Therapie
kontrolliert werden.
– Nitrit bei bakteriellen Harnwegsinfekten oft
positiv
– Protein kann bei begleitender tubulärer
Schädigung positiv sein.
쐽 Differenzialblutbild (Linksverschiebung?), CRP
i. S. (erhöht?): bei V. a. Pyelonephritis (z. B. bei
Fieber, Schüttelfrost), bei unkompliziertem
Harnwegsinfekt entbehrlich
Fall 28 Seite 29
쐽 Kreatinin i. S. (erhöht?): zum Ausschluss einer
Niereninsuffizienz, wichtig auch zur Planung
der antibiotischen Therapie
쐽 Sonographie der Nieren: Auschluss eines
Harnstaus oder von Konkrementen (Abb. 28.1),
bei erstmaligem und unkompliziertem Harnwegsinfekt entbehrlich.
Abb. 28.1 Nierenbeckenstein: Nierenbecken echoarm
erweitert; im Bereich des Ureterabgangs Konkrement mit
echoreichem Reflex (Pfeil) und Schallschatten (S);
N = Niere
28.2 Ab welcher Keimzahl im Urin gehen Sie
von einer Harnwegsinfektion aus?
쐽 ab einer Keimzahl von 105 Keimen pro ml im
Mittelstrahlurin
쐽 bei jeglichem Keimnachweis im Blasenpunktionsurin.
28.3 Was tun Sie, wenn die Keimzahl erhöht
ist, aber unter dem von Ihnen angegebenen
Grenzwert für eine gesicherte Harnwegsinfektion liegt?
쐽 zunächst Kontrolle des Befundes
쐽 Bei mindestens 2-maligem Nachweis von
Keimzahlen von ⬍ 105 Keimen pro ml im Mittelstrahlurin kann man von einem Harnwegsinfekt ausgehen, wenn die Symptomatik typisch ist.
28.4 Nennen Sie mindestens 5 prädisponierende Faktoren für eine Harnwegsinfektion!
1. Obstruktion der Harnwege durch
– Fehlbildungen der ableitenden Harnwege
– Konkrement, Koagel
– entzündliche Striktur
– Tumor
– Prostatahyperplasie
– Kompression von außen (z. B. Tumor)
2. neurogene Blasenentleerungsstörung (z. B. bei
Querschnittslähmung)
3. vesikoureterorenaler Reflux
4. Schwächung des Immunsystems: Diabetes
mellitus, immunsuppressive Therapie
5. weibliches Geschlecht: Anatomie (kurzer Weg
in die Blase/Östrogenmangel nach der Menopause)
6. geringe Harnbildung bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr.
KO M M E N TA R
Klinik: Die akute Zystitis äußert sich durch
schmerzhafte und erschwerte Harnentleerung
(Algurie bzw. Dysurie) und häufigen Harndrang
(Pollakisurie), evtl. auch durch Makrohämaturie
(hämorrhagische Zystitis).
Die Urethritis äußert sich durch Brennen oder Jucken beim Wasserlassen sowie durch Ausfluss aus
der Harnröhre.
Für die akute Pyelonephritis ist hohes Fieber mit
dumpfen Schmerzen in der Flankengegend typisch, evtl. mit Schüttelfrost und Obstipation. Die
chronische Pyelonephritis kann mit unspezifischen Allgemeinsymptomen wie Kopf- oder Rückenschmerzen oder Leistungsminderung einhergehen. Eventuell treten rezidivierend Symptome
einer akuten Pyelonephritis auf.
Diagnostik: Die Urethritis wird durch Untersuchung eines Harnröhrenabstriches diagnostiziert.
Bei den übrigen Arten des Harnwegsinfekts ist eine subtile Untersuchung des Urins die Grundlage
zur korrekten Diagnose. Um einen verwertbaren
Befund zu erhalten, muss
1. die Urinprobe korrekt gewonnen werden, und
zwar als Mittelstrahlurin oder, wenn dies nicht
möglich ist, als Blasenpunktionsurin
Liegt die Keimzahl im Mittelstrahlurin bei korrekter Gewinnung über 105 Keimen pro ml, so ist eine
Kontamination eher unwahrscheinlich. Da es gerade bei Frauen häufiger zu passagerer Bakteriurie
ohne klinische Symptomatik kommt, sollte ein pathologischer Befund ohne klinische Symptomatik
zunächst kontrolliert werden.
Zur weiteren Diagnostik s. Frage 28.1. Bei V. a. chronische Pyelonephritis ist ein i.v-Pyelogramm indiziert, um Nierenschrumpfung und Kelchdeformierung darzustellen.
Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten sollte nach
prädisponierenden Faktoren und Begleiterkrankungen gesucht werden (z. B. Miktionszystourogramm bei V. a. vesikoureterorenalen Reflux).
Therapie: Zur Therapie der Urethritis s. Fall 5. Für
die übrigen Arten des Harnwegsinfekts gilt: Vor
Einleitung einer antibiotischen Therapie muss
Urin für ein Antibiogramm abgenommen werden.
Die Therapie kann dann blind begonnen und nach
Eingang des Resistogramms ggf. geändert werden.
Beim unkomplizierten Harnwegsinfekt ist eine
Eintagestherapie möglich, z. B. mit Cotrimoxazol
oder Amoxicillin in hoher Dosis, oder man verabreicht die Standarddosis über 3 Tage. Bei kompliziertem Harnwegsinfekt bieten sich z. B. Gyrasehemmer für die Initialtherapie an; die Antibiotikatherapie muss mindestens 2 Wochen fortgeführt
werden. Begünstigende Faktoren und Begleiterkrankungen müssen, soweit möglich, beseitigt
werden.
Fall 28 Seite 29
203
28
Antworten und Kommentar
Ätiologie und Pathogenese: Meist handelt es sich
um eine aszendierende Infektion. Zu begünstigenden Faktoren s. Frage 28.4. Liegen solche Faktoren
vor, spricht man von einem komplizierten, andernfalls von einem unkomplizierten Harnwegsinfekt. Häufigster Erreger des unkomplizierten
Harnwegsinfekts ist E. coli (in bis zu 80% der Fälle),
seltener sind Proteus, Klebsiellen, Pseudomonas
und Staphylokokken. Erreger der Urethritis: Chlamydien und Ureaplasmen.
2. der Urin – gekühlt – rasch transportiert und
zügig analysiert werden, um eine Erregervermehrung in vitro zu vermeiden, die zu falsch
hohen Keimzahlen führen würde.
Fall
Ein Harnwegsinfekt liegt vor, wenn sich im normalerweise sterilen Urin Bakterien, Pilze oder Protozoen befinden. Man unterscheidet Infekte der unteren Harnwege (Zystitis, Urethritis) und solche
der oberen Harnwege (Pyelonephritis).
Allgemeinmaßnahmen bei Harnwegsinfekt sind
reichliche Flüssigkeitszufuhr und Bettruhe bei
akuter Pyelonephritis.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Nephrolithiasis/Urolithiasis (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Blasenkarzinom (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Interstitielle Nephritis (Ursachen, Diagnostik)
Differenzialdiagnosen von Fieber unklarer Genese
Fall 29 Bakterielle Endokarditis
204
Fall
29
29.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
쐽 Bakterielle Endokarditis, da das Herzgeräusch
auf ein Mitralvitium hinweist, Zeichen der
Herzinsuffizienz bestehen (Ödeme, Dyspnö),
ein fieberhaftes Krankheitsbild vorliegt und
das Röntgenbild ein mitralkonfiguriertes Herz
zeigt.
29.3 Nennen Sie mindestens 4 Komplikationen
dieses Krankheitsbildes!
1. bakterielle Mikroembolien, z. B. embolische
Herdenzephalitis, Milzinfarkt, periphere Hautnekrosen
2. glomeruläre Herdnephritis (Löhlein), Niereninfarkte
3. Klappenperforation, -abriss
4. bei Splenomegalie Gefahr der Milzruptur
5. schlimmstenfalls septischer Schock mit Multiorganversagen.
Antworten und Kommentar
29.2 Nennen Sie die 2 wichtigsten diagnostischen Maßnahmen in dieser Situation!
쐽 serielle (mindestens 3) Blutkulturen aerob und
anaerob zum Erregernachweis im Abstand von
!!! 29.4 Wie bezeichnet man die Hautknötchen
jeweils 6 Stunden
der Patientin?
쐽 transösophageales Echokardiogramm (TEE):
쐽 Osler-Knötchen.
Darstellung des Mitralvitiums und Nachweis
von Vegetationen auf der geschädigten Herzklappe.
KO M M E N TA R
Als bakterielle (infektiöse) Endokarditis bezeichnet man eine bakterielle Entzündung des Endokards. Sie spielt sich meist im Bereich der Herzklappen ab, kann eine oder mehrere Herzklappen
betreffen und zu deren Zerstörung führen. Man unterscheidet die akute bakterielle Endokarditis, die
sich durch einen kurzen, oft dramatischen Verlauf
auszeichnet, und die subakute bakterielle Endokarditis (Endocarditis lenta), die durch eine langsam progrediente Symptomatik charakterisiert ist.
Ätiologie und Pathogenese: Die häufigsten Erreger der akuten bakteriellen Endokarditis sind
Streptokokken, Staphylococcus aureus und gramnegative Bakterien. Im Rahmen einer Infektion besiedeln sie die gesunde Herzklappe, und zwar bevorzugt nur die Aorten- oder nur die Mitralklappe
(stärkere mechanische Belastung 씮 Defekte 씮 erleichtertes Anhaften der Bakterien); bei i. v.
Drogenabusus ist v. a. die Trikuspidalklappe betroffen.
Häufigste Erreger der subakuten bakteriellen Endokarditis sind Streptococcus viridans und Enterokokken. Sie gelangen infolge einer Zahnbehandlung, nach herzchirurgischen Eingriffen oder bei
Fall 29 Seite 30
chronischem i. v.-Drogenabusus in die Blutbahn
und besiedeln bevorzugt vorgeschädigte Herzklappen. Als Ursache der Herzklappenschädigung
kommt ein kongenitaler Herzfehler, eine rheumatische oder eine degenerative Herzerkrankung in
Frage.
Klinik: Abgesehen von Fieber, evtl. mit Schüttelfrost, und starkem Krankheitsgefühl wird die Klinik durch die Komplikationen beherrscht: Hierzu
zählen die akute Herzinsuffizienz bei Klappenperforation oder -abriss bzw. die langsam progrediente Herzinsuffizienz bei Befall und Schädigung einer
vorgeschädigten Herzklappe (wie bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin), Apoplex oder
Mesenterialinfarkt sowie Abszesse bei bakteriellen Mikroembolien (diese kommen bei bis zu 1/3
der Endokarditispatienten vor), Niereninsuffizienz, Protein- oder Hämaturie sowie Arthritis
infolge immunologischer Reaktionen. Kleine
schmerzhafte Knötchen, die vor allem an den Fingern und Zehen auftreten, werden als Osler-Knötchen bezeichnet. Sie treten bei 10 – 25% der Patienten mit Endokarditis auf und sind Ausdruck kutaner Mikroembolien. Sie persistieren von wenigen
Stunden bis zu mehreren Tagen. Weitere Hautma-
a
205
Diagnostik: Remittierendes Fieber mit kürzlich
aufgetretener Belastungsdyspnö und ein neu aufgetretenes oder verändertes Herzgeräusch sind
Hinweise auf eine Endokarditis. Im vorliegenden
Fall zeigt das Röntgenbild des Thorax (Abb. 29.2)
den typischen Befund einer Mitralklappeninsuffizienz mit deutlicher Vergrößerung des linken Vorhofs und des linken Ventrikels. Dies erhärtet den
V. a. eine subakute bakterielle Endokarditis bei der
im Fallbeispiel beschriebenen Patientin, da diese
Endokarditisform vorgeschädigte Herzklappen befällt. Die wesentlichen diagnostischen Kriterien
der Endokarditis sind jedoch mindestens 3 positi-
b
ve serielle Blutkulturen und die transösophageale
Echokardiographie. Letztere ist der transthorakalen Echokardiographie in der Erkennung von Vegetationen auf der befallenen Herzklappe überlegen.
Durch die Echokardiographie können zudem der
Schweregrad des Vitiums abgeschätzt und Destruktionen der Klappe dargestellt werden. Ursache der kardialen Dekompensation im vorliegenden Fall könnte eine Destruktion der vorgeschädigten Herzklappe sein.
Therapie:
쐽 Antibiotika (nach Abnahme von Blutkulturen):
Initialtherapie mit Penicillin G oder Cephalosporin der 2. Generation (z. B. Ceftriaxon), jeweils kombiniert mit Aminoglykosid; alternativ
bzw. bei künstlicher Herzklappe primär Glykopeptid oder Carbapenem (z. B. Imipenem)
쐽 symptomatische Therapie der Herzinsuffizienz
(z. B. Diuretika)
쐽 bei zunehmender Mitralinsuffizienz operativer
Klappenersatz.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Endokarditisprophylaxe
Poststreptokokkenerkrankungen
Zentralvenöse Katheter: Komplikationen
Fall 29 Seite 30
29
Antworten und Kommentar
nifestationen der Endokarditis sind Splinterhämorrhagien (Nagelfalz) und Petechien. Als Janeway-Läsion bezeichnet man kleine Hämorrhagien
mit leicht nodulärem Charakter, die vor allem an
den Handinnenflächen und Fußsohlen auftreten
und ebenfalls häufig bei einer Endokarditis beobachtet werden.
Fall
Abb. 29.2 Röntgenbefund bei Mitralklappeninsuffizienz (a: p.a., b: seitlich): Vergrößerung des linken Vorhofs
und des linken Ventrikels mit Einengung des Retrosternalraums auf
Ventrikelebene
Fall 30 Hyperthyreose bei Morbus Basedow
206
Fall
30.1 Stellen Sie eine möglichst genaue Verdachtsdiagnose! Begründen Sie Ihre Entscheidung!
쐽 Verdachtsdiagnose: Hyperthyreose bei Morbus
Basedow mit endokriner Orbitopathie
쐽 Begründung:
– Nervosität, Tachykardie, Gewichtsabnahme,
Schlafstörung und überwärmte Haut sprechen für eine Hyperthyreose.
– Eine homogen vergrößerte Schilddrüse ohne
Knoten spricht gegen eine Struma nodosa
mit autonomem Adenom und für einen
Morbus Basedow oder eine disseminierte
Schilddrüsenautonomie.
– Eine nicht eindrückbare livide Verdickung
der Haut mit leichter Hyperkeratose ist der
typische Befund eines prätibialen Myxödems und somit hinweisend auf einen
Morbus Basedow.
– Eine Schwellungsneigung der Augäpfel und
Augenlider sowie eine zunehmende Lichtempfindlichkeit mit beginnender Oberlidretraktion (Dalrymple-Zeichen, am linken
Auge in Abb. 30.1) und vermehrtem Tränen-
30
Antworten und Kommentar
Abb. 30.1 Protrusio bulborum mit deutlichen Lidödemen und Oberlidretraktion links bei Morbus Basedow
fluss sprechen im Kontext mit dem vermuteten Morbus Basedow für eine endokrine
Orbitopathie (Schweregrad II).
30.2 Welche Diagnostik (mindestens 5 Untersuchungen) schlagen Sie vor, um die Verdachtsdiagnose zu sichern? Welche Befunde erwarten
Sie?
쐽 Labor:
– Schilddrüsenfunktion: TSH supprimiert,
Gesamt-T3 und Gesamt-T4 sowie freies T3
und freies T4 erhöht
– Autoantikörper: TSH-Rezeptor-Antikörper
(TRAK) erhöht (spezifisch für Morbus Basedow), teilweise auch Thyreoglobulin-Antikörper (TAK) und mikrosomale Antikörper
(MAK oder TPO-Antikörper) erhöht (nicht
spezifisch)
– Glukose: Hyperglykämie bei gleichzeitigem
Vorliegen eines Diabetes mellitus Typ I
(Häufigkeit ca. 1 – 5%)
– Kalzium: Hyperkalzämie bei schwerer Hyperthyreose oder bei begleitendem primären Hyperparathyreoidismus (1 – 2%)
– Thrombozyten: Thrombozytopenie möglich
– alkalische Phosphatase: kann erhöht sein.
쐽 Sonographie der Schilddrüse: beidseits homogen vergrößerte echoarme Schilddrüse ohne
Knoten; duplexsonographisch diffuse Hyperperfusion des Schilddrüsenparenchyms
쐽 Szintigraphie der Schilddrüse (Durchführung
nur bei nicht eindeutigen Befunden zum Ausschluss einer Autonomie): diffuse vermehrte
Nuklidaufnahme
쐽 Untersuchung auf Protrusio bulbi mittels Exophthalmometer nach Hertel (positiv), Untersuchung der Motilität der Augenmuskeln
(eingeschränkte Motilität) und CT oder MRT
der Orbita (Schwellung der Augenmuskeln,
vermehrte Fetteinlagerung in der Orbita).
30.3 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Unter welchen Umständen kommen die einzelnen Verfahren bevorzugt zum Einsatz?
쐽 thyreostatische Therapie (z. B. mit Carbimazol,
Thiamazol): Initialbehandlung des Morbus
Basedow
쐽 Radiojodtherapie: bei Rezidivhyperthyreose
nach 1 Jahr thyreostatischer Therapie oder früher bei Kontraindikationen oder Nebenwirkungen der Thyreostatikatherapie
쐽 subtotale Schilddrüsenresektion: alternativ
zur Radiojodtherapie bei Rezidivhyperthyreose, falls Radiojodtherapie vom Patienten nicht
gewünscht oder nicht möglich; Ultima Ratio
bei thyreotoxischer Krise.
KO M M E N TA R
Der Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung, die sich durch eine Hyperthyreose, eine endokrine Orbitopathie und/oder eine Dermopathie
(Myxödem) manifestiert. Die Manifestationen
können zeitlich versetzt oder gemeinsam auftreten.
Fall 30 Seite 31
Ätiologie und Pathogenese: Die Ätiologie ist unbekannt. Ursache der Hyperthyreose sind die Schilddrüsenfunktion stimulierende Autoantikörper
(TRAK, s. Frage 30.2).
Klinik: Es bestehen die Leitsymptome der Hyperthyreose: feuchtwarme Haut, Dauertachykardie,
erhöhter Blutdruck mit großer Blutdruckamplitude, feinschlägiger Tremor, Unruhe mit Schlafstörungen, Schwitzen und Gewichtsabnahme. Neben
einer Struma (oft „schwirrend“ bei der Auskultation aufgrund der vermehrten Schilddrüsendurchblutung) finden sich bei ca. 60% der Patienten (wie
bei der beschriebenen Patientin) Zeichen einer endokrinen Orbitopathie. Dies ist eine meist mit
Morbus Basedow assoziierte Autoimmunerkrankung mit lymphozytärer Infiltration des orbitalen
Fettgewebes und der Augenmuskeln, die zu Lidretraktion, Konvergenzschwäche (Schweregrad I),
Lidschwellung,
Lichtscheu,
Tränenträufeln
(Schweregrad II), Protrusio bulbi (Exophthalmus,
Schweregrad III), Motilitätsstörung der Augenmuskeln mit Doppelbildern (Schweregrad IV) und
– bei ausgeprägtem Exophthalmus – zu Hornhauttrübung und -ulzera (Schweregrad V) und Visusminderung infolge einer Läsion des N. opticus
(Schweregrad VI) führt.
Diagnostik: Wichtig ist, bei jeder unklaren vegetativen Beschwerdesymptomatik an die Möglichkeit
Bei thyreotoxischer Krise muss der Patient intensivmedizinisch behandelt werden. Die Therapie
besteht in der i. v.-Gabe von Thyreostatika (z. B.
Thiamazol 80 mg/d) und Glukokortikoiden (z. B.
Prednisolon 1 mg/kg KG als Bolus, dann gleiche Dosis über 24 h), Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution, parenteraler Ernährung (Aufrechterhaltung
des Energiestoffwechsels) und frühzeitiger subtotaler Schilddrüsenresektion.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Thyreostatika: Substanzgruppen und Nebenwirkungen
Differenzialdiagnosen der Protrusio bulbi
Differenzialdiagnosen der Hyperthyreose
Fall 31 Obstruktives Schlafapnösyndrom
31.1 Stellen Sie eine Verdachtsdiagnose!
쐽 Obstruktives Schlafapnösyndrom, da Müdigkeit, Einschlafneigung am Tage und lautes
Schnarchen typisch für Schlafapnö sind und
häufig gleichzeitig eine Adipositas und arterielle Hypertonie vorliegen.
31.2 Erklären Sie in Stichworten kurz den Pathomechanismus der Erkrankung!
쐽 Verengung der oberen Atemwege (z. B. durch
Weichteilgewebsvermehrung bei Adipositas
oder Tonusverlust der Pharynxmuskulatur
nach Alkoholkonsum oder Einnahme von Sedativa) 씮 im Schlaf Schnarchen mit Kollaps der
Larynxmuskulatur 씮 Hypoxämie und Bradykardie = Atemreiz 씮 Weckreaktion: Aufwachen
und Öffnung der oberen Atemwege mit verstärkter Atmung (explosionsartiges Schnarchen). Häufige Weckreaktionen 씮 gestörte
Schlafarchitektur 씮 unruhiger, nicht erholsamer Nachtschlaf 씮 ausgeprägte Tagesmüdigkeit und Einschlafneigung.
Fall 31 Seite 32
207
31
Antworten und Kommentar
Eine thyreotoxische Krise kann bei jeder Form der
Hyperthyreose auftreten, meist infolge einer Jodexposition (Röntgenkontrastmittel, Medikamente)
oder schwerer Begleiterkrankungen. Innerhalb
kurzer Zeit und ohne Vorwarnung treten Unruhe,
Angst, Verwirrtheit, eine ausgeprägte Tachykardie
(⬎ 150/min), Herzrhythmusstörungen, Erbrechen,
profuse Durchfälle und Dehydratation auf; unbehandelt kommt es zu Somnolenz, Koma und Tod.
Therapie: s. Frage 30.3. Durch eine thyreostatische
Therapie von ausreichender Dauer (in der Regel
1 Jahr) kann ein Morbus Basedow in 50% der Fälle
zur Ausheilung gebracht werden, spätere Rezidive
sind aber möglich. Im Falle eines Rezidivs sollte eine definitive Therapie in Form einer Radiojodtherapie oder einer Schilddrüsenoperation eingeleitet werden. Bei schwerem Verlauf einer endokrinen Orbitopathie (z. B. Augenmuskelparese) sollte
eine Glukokortikoidtherapie (initial hohe Dosis,
dann sukzessive Senkung) durchgeführt werden.
Fall
Bei Exophthalmus liegt die Merseburger Trias (Tachykardie, Struma, Exophthalmus) vor. Ein prätibiales Myxödem (s. Fall) tritt selten auf, ist jedoch
pathognomonisch.
einer Schilddrüsenfunktionsstörung zu denken.
Primärtest der Schilddrüsenfunktionsdiagnostik
ist die Untersuchung des basalen TSH. Bei vermindertem oder erhöhtem basalen TSH werden Gesamt-T3 und Gesamt-T4 sowie vor allem freies T3
(fT3) und freies T4 (fT4) bestimmt (die freie Schilddrüsenhormonkonzentration ist im Gegensatz zur
Gesamtkonzentration unabhängig von Konzentrationsveränderungen der Bindungsproteine). Bei
erhöhter Konzentration von fT3 und fT4 sucht
man nach Schilddrüsen-Autoantikörpern (s. Frage
30.2). Der Nachweis von TRAK sichert bei passendem klinischen Befund die Diagnose des Morbus
Basedow. Die Schilddrüsensonographie dient vor
allem dem Ausschluss einer begleitenden Knotenstruma. Bei Nachweis von Knoten sollte zum Ausschluss einer fokalen Autonomie noch ein Schilddrüsenszintigramm angefertigt werden.
208
Fall
31.3 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 5, in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) schlagen Sie zur weiteren Abklärung vor?
1. Befragung der Ehefrau: Schläft ihr Mann unruhig? Schnarcht er die ganze Nacht über oder
nur manchmal? Setzt er manchmal während
des Schlafes mit der Atmung aus? (Unruhiger
Schlaf, unregelmäßiges Schnarchen und Atempausen, die von explosionsartigem Schnarchen
beendet werden, sprechen für ein obstruktives
Schlafapnösyndrom.)
2. nächtliche Pulsoxymetrie als Screeningtest
(zyklisches Absinken der Sauerstoffsättigung
als Hinweis auf rezidivierende Obstruktion der
Atemwege?)
3. bei positivem Screeningtest schlafmedizinische
Untersuchung mit Polysomnographie (Aufzeichnung von EEG, Augenbewegungen [EOG],
Atemexkursionen, Atemfluss, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Schlafverhalten) in einem Schlaflabor (Abb. 31.1)
4. Lungenfunktionsprüfung (Liegt eine obstruktive Ventilationsstörung der unteren Atemwege
vor, die die nächtliche Ventilationsstörung
[obere Atemwege] zusätzlich verstärkt?)
5. Echokardiographie (Folgeerkrankungen: Cor
pulmonale, hypertensive Herzkrankheit?)
6. HNO-ärztliche Untersuchung (Ursachen der
Atemwegsobstruktion: Septumhypertrophie,
Tonsillenhyperplasie?)
7. bei V. a. Fehlbiss (z. B. mandibuläre Retrognathie = verkürzter Unterkiefer) kieferchirurgische Untersuchung.
31.4 Wie kann die vermutete Erkrankung behandelt werden?
쐽 nächtliche Überdruckatmung über eine Nasenmaske (nasal continuous positive airway pressure = nCPAP)
쐽 Beseitigung der Ursache: bei mandibulärer
Retrognathie Umstellungsosteotomie, bei ausgeprägter Septumdeviation oder Tonsillenhyperplasie HNO-ärztliche Operation
쐽 Allgemeinmaßnahmen: Gewichtsreduktion,
Verzicht auf Alkohol, Rauchen, schwere Mahlzeiten am Abend und auf Sedativa; regelmäßiger Schlafrhythmus; Schlafen in Seitenlage (erschwert das Schnarchen); Behandlung einer
begleitenden obstruktiven Ventilationsstörung
der unteren Atemwege (z. B. COPD) mit inhalativen β2-Mimetika oder Theophyllin.
31
Antworten und Kommentar
쑸 Abb. 31.1 Hypnogramm und Sauerstoffsättigung bei
obstruktivem Schlafapnösyndrom. Das Hypnogramm
(obere Kurve) zeigt die aus EEG und EOG abgeleiteten
Schlafstadien (W = Wachstadium, R = REM-Schlaf,
1 – 4 = Schlafstadien) über die gesamte Nacht. Die mittlere Kurve zeigt die pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung (obere Registrierspur = Mittelwert, untere = niedrigster Wert, jeweils aus Epochen von 30 s).
Unten Sauerstoffentsättigungs-Diagramm und -Histogramm. Im Schlaf kommt es zu Sauerstoffentsättigungen bis unter 50%. Die Tiefschlafstadien 3 und 4 werden
nicht erreicht.
KO M M E N TA R
Bis zu 4% der erwachsenen männlichen und 2% der
weiblichen Bevölkerung sind vom Schlafapnösyndrom betroffen.
Einteilung, Ätiologie und Pathogenese: Man unterscheidet eine obstruktive, eine zentrale und eine Mischform des Schlafapnösyndroms.
Kennzeichen der obstruktiven Form des Schlafapnösyndroms ist eine Verengung der oberen Atemwege (Ursachen s. Frage 31.2), die im Schlaf rezidivierend zum Kollaps der Pharynxmuskulatur führt.
Eine Obstruktion des Nasenrachenraums, z. B.
Septumdeviation oder Nasenmuschelhyperplasie,
wirkt begünstigend. Bei der zentralen Form ist die
Fall 31 Seite 32
Stimulierbarkeit des Atemantriebs vermindert,
entweder durch Störungen des Atemzentrums
(selten) oder durch chronische alveoläre Hypoventilation mit Hyperkapnie (z. B. bei obstruktiver
Ventilationsstörung [COPD]). Dies hat eine Minderinnervation der Atemmuskulatur zur Folge. Am
häufigsten ist die Mischform. Sie wird begünstigt
durch Adipositas, Alkoholgenuss und Sedativa.
Pathophysiologie und Klinik: Die klassischen
Symptome des Schlafapnösyndroms sind (s. auch
Frage 31.2) ausgeprägte Tagesmüdigkeit mit imperativem Schlafdrang am Tage, Sekundenschlaf
sowie – bei der obstruktiven und der Mischform – nächtliches Schnarchen mit Atempausen
(mehr als 5 Atempausen einer Dauer von ⬎ 10 s).
Man sollte diese Symptome bei Patienten mit unklarer Abgeschlagenheit und Leistungsminderung
systematisch abfragen, um den Patienten ggf. einer
weiterführenden schlafmedizinischen Diagnostik
zuführen zu können. Die meisten Patienten mit der
obstruktiven oder der Mischform des Schlafapnösyndroms sind deutlich adipös. Patienten mit
Schlafapnö leiden zudem häufig an einer arteriellen Hypertonie, deren Schwere mit dem Ausmaß
der Zahl und Dauer der Atempausen korreliert. Zudem besteht eine höhere Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen (alveoläre Hypoventilation 씮
pulmonalarterielle Hypertonie 씮 Cor pulmonale).
Therapie: s. Frage 31.4. Therapie der Wahl ist die
nächtliche CPAP-Atmung (s. Frage 31.4). Der kontinuierliche Druck (meist 5 – 10 mbar) während Inund Exspiration verhindert einen Kollaps der oberen Atemwege. Wichtig ist die Beachtung der Allgemeinmaßnahmen, da z. B. durch konsequente
Gewichtsreduktion eine CPAP-Therapie langfristig
überflüssig werden kann.
Prognose: Einschlafneigung am Tage und Sekundenschlaf steigern die Unfallgefahr und reduzieren
so die Lebenserwartung, ebenso die kardiovaskulären Folgeerkrankungen.
Diagnostik: s. Frage 31.3.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen der sekundären Hypertonie
COPD
Technik der Atmungsunterstützung und der Beatmung
209
Fall
Fall 32 Nephrolithiasis
32.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 5) schlagen Sie zur Abklärung der
Ursache vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
쐽 Labordiagnostik: Kalzium, Phosphat, alkalische Phosphatase, Harnsäure (Hyperurikämie/
Uratsteine?) und Kreatinin i. S. (prärenales Nierenversagen?); bei erhöhtem Serumkalzium
Eiweißelektrophorese (γ-Globulin-Peak als
Hinweis auf Plamozytom?) und Bestimmung
von Parathormon i. S. (Hyperparathyreoidismus?)
쐽 Urindiagnostik:
– Bakteriologie: Nachweis bzw. Ausschluss eines begleitenden Harnwegsinfekts
– spezifisches Gewicht
– Zytologie: Nachweis einer Erythrozyturie
(häufig bei Nephrolithiasis)
– Bestimmung des Urin-pH: pH um 8 bei Infektion mit Urease-bildenden Bakterien; pH
um 5 bei Uratnephropathie
– Bestimmung lithogener Substanzen im 24Stunden-Sammelurin: Kalzium, Phosphat,
Harnsäure, Oxalat
쐽 Steinanalyse: ist Voraussetzung für eine Präventionsberatung.
32.3 Welche Ratschläge (mindestens 2) geben
Sie dem Patienten bzgl. der Prävention eines
solchen Schmerzereignisses?
쐽 Behandlung einer zugrunde liegenden Stoffwechselstörung:
– bei Kalziumoxalat- oder Kalziumphosphatstein Behandlung der Ursache der Hyperkalzurie (z. B. eines Hyperparathyreoidismus)
– bei Uratstein Behandlung mit Urikosurika
oder Urikostatika
쐽 diätetische Maßnahmen:
– bei Kalziumsteinen kalziumarme Kost, Verzicht auf Milchprodukte
– bei Oxalatsteinen oxalatarme Diät (kein
schwarzer Tee, Rhabarber oder Kakao, keine
Nüsse oder Zitrusfrüchte)
쐽 reichliche Flüssigkeitszufuhr (mindestens
2 – 3 l/d).
Fall 32 Seite 33
32
Antworten und Kommentar
32.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und
welche 5 Erstmaßnahmen ergreifen Sie?
쐽 Diagnose: Nierenkolik bei Harnstau Grad III
und V. a. Nephrolithiasis
쐽 Erstmaßnahmen:
– Spasmolytikum i. v., z. B. N-Butylscopolamin
20 mg
– potente Analgetika i. v.: Opioide (Pethidin,
1
/2 – 1 Amp.) oder Metamizol (als Kurzinfusion)
– reichliche Flüssigkeitszufuhr, bei Übelkeit
i. v.
– bei Übelkeit Antiemetika (z. B. Metoclopramid 1 Amp. i. v.)
– Aushändigung eines Siebes, um den abgehenden Stein später untersuchen zu können.
KO M M E N TA R
210
Fall
32
Unter Nephrolithiasis versteht man die Steinbildung in der Niere. Sie ist mit einer Inzidenz von
1 – 3% eine der häufigsten Erkrankungen.
Tab. 32.1 Sonographische
Stadieneinteilung des Harnstaus (Hahn 2000)
Ätiologie und Pathogenese: In der Pathogenese
spielen mehrere Faktoren eine Rolle:
쐽 vermehrte Ausscheidung lithogener Substanzen im Urin: Hyperkalzurie (bei Hyperkalzämie), Hyperphosphaturie (bei phosphatreicher
Ernährung; angeborener Stoffwechseldefekt),
Hyperoxalurie (angeborener Stoffwechseldefekt), Hyperurikosurie (bei Hyperurikämie),
Zystinurie (angeborener Stoffwechseldefekt,
z. B. Phosphat-Diabetes)
쐽 verminderte Ausscheidung antilithogener
Substanzen im Urin: Hypopmagnesiurie (bei
Magnesiummangel), Hypozitraturie (angeborener Stoffwechseldefekt)
쐽 Urin-pH ⬍ 5,5 und ⬎ 7 (s. Frage 32.2)
쐽 zu hohe Harnkonzentration (spezifisches Gewicht ⬎ 1015 g/l).
Stadium I, leichte Harnstauung:
Antworten und Kommentar
Prädisponierende Faktoren sind Harnstau (Fehlbildung des Urogenitaltrakts), Harnwegsinfekt (die
meisten Erreger von Harnwegsinfektionen [s. Fall
28] spalten Harnstoff mittels Urease in Ammoniak
und Kohlendioxid und alkalisieren so den Urin,
wodurch sich das Löslichkeitsprodukt der Ionen im
Urin verschiebt), Immobilisation (verstärkte Mobilisation von Kalzium aus den Knochen), mangelnde
Flüssigkeitszufuhr (Löslichkeit der Ionen im Urin앗),
eiweißreiche Ernährung, Alkoholgenuss (prädisponiert zu Hyperurikämie).
Klinik: Bei Mobilisation eines Nierensteins kommt
es zur Nierenkolik, deren Leitsymptom der akut
einsetzende Flankenschmerz ist. Typisch, aber
nicht obligat, ist zudem eine Hämaturie. Häufig
treten Übelkeit und Erbrechen als Begleitsymptome auf.
Diagnostik: Wegweisend ist der sonographische
Nachweis eines einseitigen Harnaufstaus.
Tab. 32.1 zeigt die sonographische Stadieneinteilung. Gelegentlich zeigt das Sonogramm sogar das
obstruierende Konkrement. Ist ein Harnstau nicht
nachweisbar und persistiert der unilaterale Flankenschmerz, muss die Untersuchung nach
6 – 24 Stunden wiederholt werden.
Die Beschwerdelinderung nach Abgang des Steins
sichert die Diagnose.
Voraussetzung für eine Prophylaxe der Nephrolithiasis sind die in Frage 32.2 genannten Maßnah-
– echoarm geschwollene Markpyramiden,
Kelchektasie
– Pyelonektasie
– erkennbarer (gestauter) Ureterabgang
Stadium II, mittelgradige Harnstauung:
– deutliche Kelch- und Pyelonektasie
– Ureterdarstellung, beginnende Ureterschlängelung
– evtl. leicht verschmälertes Parenchym
Stadium III, hochgradige Harnstauung (s. Fall
Abb. 32.1):
– ausgeprägte Kelch- und Pyelonektasie,
ausgeprägte Ureterdilatation und
-schlängelung
– ausgeprägte Parenchymrarefizierung
(Extremfall: hydronephrotische Sackniere)
men zur Abklärung der Ursache, insbesondere die
Analyse der Steinzusammensetzung. Am häufigsten sind Kalziumoxalatsteine (60%), gefolgt von
Kalziumphosphatsteinen (20%), Uratsteinen (10 –
15%) und Magnesium-Ammonium-Phosphatsteinen (5 – 10%). Bei kalziumhaltigen Steinen muss die
Ursache der Hyperkalzurie identifiziert werden.
Differenzialdiagnosen: Ist auch bei wiederholter
Abdomensonographie kein Harnaufstau nachweisbar, kommt ein Niereninfarkt oder eine Nierenvenenthrombose in Betracht (Diagnose jeweils mittels Duplexsonographie und Angiographie).
Therapie: Gelingt es innerhalb von 48 Stunden unter Anwendung der in Frage 32.1 genannten Maßnahmen nicht, einen spontanen Abgang des Steins
zu induzieren, ist die Steinentfernung mittels
Schlinge (Urologe) oder – bei den röntgendichten
kalziumhaltigen und Phosphatsteinen – die Stoßwellenlithotrypsie (ESWL) indiziert.
Prophylaxe: s. Frage 32.3. Ohne Prophylaxe beträgt
die Rezidivhäufigkeit der Nephrolithiasis bis zu
70%.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hyperparathyreoidismus (Formen, Klinik, Diagnostik, Therapie)
Differenzialdiagnosen der Hyperkalzämie
Differenzialdiagnosen der Hämaturie
Therapie der Hyperurikämie
Fall 32 Seite 33
Fall 33 Mikrozytäre Anämie
33.1 Nennen Sie 3 Ursachen einer mikrozytären Anämie!
쐽 Eisenmangelanämie
쐽 Anämie bei chronischer Entzündung oder Tumor
쐽 Hämoglobinopathie, z. B. Thalassämie.
Mundwinkelrhagaden bei Eisenmangel-
KO M M E N TA R
Bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin
liegt eine mikrozytäre Anämie vor.
Vorgehen: Bei der beschriebenen Patientin ist der
erste Schritt der Anämiediagnostik, die morphologische Klassifizierung der Anämie anhand der
Erythrozytenindizes, somit bereits erfolgt. Die mikrozytäre Anämie ist durch Mikrozytose (MCV vermindert) und Hypochromasie (MCH vermindert)
gekennzeichnet.
Zweiter diagnostischer Schritt ist, die häufigsten
Ursachen der mikrozytären Anämie – Eisenmangelanämie und die Anämie bei chronisch-entzündlichen Prozessen (z. B. Tuberkulose, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Malig-
nom) – nachzuweisen bzw. auszuschließen. Zu
Anamnese und körperlicher Untersuchung s. Frage
33.2. Bei beiden Anämieformen ist das Serumeisen
vermindert, jedoch lassen sie sich durch Bestimmung des Ferritins voneinander abgrenzen: Während bei einer manifesten Eisenmangelanämie Eisen und Ferritin vermindert sind, liegen die Ferritinspiegel bei der Entzündungsanämie trotz verminderten Serumeisens im Normbereich, da hier
lediglich eine Störung des Eisenmetabolismus vorliegt. Bei Tumorerkrankungen mit chronischem
Blutverlust kann ein Mischbild vorliegen (Entzündungszeichen plus niedrig-normale Ferritinkonzentration).
Fall 33 Seite 34
33
Antworten und Kommentar
Abb. 33.1
anämie
33.3 Nennen Sie mindestens 6 Ursachen einer
Eisenmangelanämie!
1. Erkrankungen des Ösophagus: Refluxösophagitis, Karzinom, Varizen, Ulkus
2. Erkrankungen des Magens: Gastritis, Ulkus,
Tumor
3. Erkrankungen des Dünndarms: Ulkus, Morbus
Crohn, Angiodysplasien, Divertikulitis, Wurmbefall, Tumor
4. Erkrankungen des Kolons bzw. Rektums: Karzinom, Polypen, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Divertikulitis, Fissuren, Hämorrhoiden
5. Erkrankungen der Harnwege: Nierenstein,
Nierenkarzinom, Blasenkarzinom
6. gynäkologische Erkrankungen: Zervix- oder
Uteruskarzinom, Menorrhagie
7. alveoläre Hämorrhagie bei Goodpasture-Syndrom oder Vaskulitis.
211
Fall
33.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 6, in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) schlagen Sie vor? Begründen
Sie Ihren Vorschlag!
1. Anamnese: Vorerkrankungen, Voroperationen,
Blutungen, Essgewohnheiten (Mangelzustand?), Häufigkeit, Stärke und Dauer der Regelblutung, familiäre Vorbelastung (Hämoglobinopathie?)
2. körperliche Untersuchung: Mundwinkelrhagaden (Abb. 33.1) und Längsrillen der Nägel
(Hinweise auf Eisenmangel), Hautkolorit (z. B.
braun bei chronischer Niereninsuffizienz, gelb
bei Hämolyse), Splenomegalie (bei Hämolyse)?
Rektal-digitale Untersuchung zwecks Suche
nach einer Blutungsquelle.
3. Labor: Differenzialblutbild mit Bestimmung
der Retikulozyten, MCH, Eisen und Ferritin sowie Urinstatus zum Ausschluss oder Beweis einer Eisenmangelanämie
4. Gastroskopie und Koloskopie zwecks Suche
nach einer Blutungsquelle
5. Hämoccult-Test: Ein positiver Testbefund kann
bei unauffälliger Gastroskopie und Koloskopie
auf eine Blutungsquelle im Dünndarm hinweisen, was eine erweiterte Diagnostik (z. B. Kapselendoskopie des Dünndarms) erforderlich
machen kann.
6. gynäkologische und ggf. urologische Untersuchung zwecks Suche nach einer Blutungsquelle
7. Hämoglobinelektrophorese bei anamnestischem V. a. Thalassämie, normalem oder erhöhtem Serumeisen und nach Ausschluss einer
Blutungsquelle
8. Eisenresorptionstest: nach Ausschluss einer
Blutungsquelle zur Abklärung einer Eisenresorptionsstörung.
Bei Nachweis einer Eisenmangelanämie muss die
Ursache identifiziert werden, da die Anämie möglicherweise Ausdruck einer lebensbedrohlichen
Grunderkrankung ist. Häufigste Ursache einer Eisenmangelanämie in der Altersgruppe der beschriebenen Patientin ist der chronische Blutverlust durch verstärkte oder länger anhaltende
Menstruationsblutungen (gynäkologische Untersuchung!), zweithäufigste Ursache eine gastrointestinale Blutung, sodass eine Endoskopie von
Ösophagus, Magen und Dickdarm unerlässlich ist.
Bei älteren Patienten kommen Angiodysplasien im
Dünndarm in Betracht. Sie werden mittels digitaler
Subtraktionsangiographie diagnostiziert. Zum
Ausschluss einer Blutung aus dem Urogenitaltrakt
sollte eine urologische Untersuchung erfolgen.
Kann eine Blutungsquelle sicher ausgeschlossen
werden, sollte zum Ausschluss einer Eisenresorptionsstörung ein Eisenresorptionstest durchgeführt werden.
212
Fall
34
Bei Nachweis einer Eisenresorptionsstörung besteht die Indikation zu weiterführender gastroenterologischer Diagnostik, z. B. einer tiefen Duodenalbiopsie zum Ausschluss einer Sprue oder einer
chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Häufigste Ursache einer Eisenmangelanämie weltweit
ist übrigens eine Besiedlung des Darms durch Hakenwürmer.
Bei Nachweis einer Entzündungsanämie muss
ebenfalls die Ursache identifiziert werden. Dies geschieht mittels körperlicher Untersuchung, Urinuntersuchung, Serologie, CH 50- (hämolytisches
Gesamtkomplement) und CRP-Bestimmung, Sonographie und Röntgendiagnostik der vermutlich betroffenen Organe (z. B. Lunge).
Bei Ausschluss einer Eisenmangel- und einer Entzündungsanämie ist zum Ausschluss einer Hämoglobinopathie (z. B. Thalassämie) eine Hämoglobinelektrophorese bzw. eines myelodysplastischen Syndroms eine Knochenmarkpunktion und
-analyse (Ringsideroblasten?) erforderlich.
Die Therapie der Eisenmangelanämie besteht primär in der Behandlung der den Eisenmangel verursachenden Grunderkrankung. Eine Eisensubstitution darf erst nach Identifizierung der Ursache erfolgen. Eisen wird in der Regel als Eisen-II-Sulfat
peroral substituiert. Lediglich bei einer Eisenresorptionsstörung (z. B. chronisch-entzündliche
Darmerkrankung) kann eine parenterale Applikation erforderlich sein, die allerdings weniger gut
verträglich ist.
Auch bei der Entzündungsanämie steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Differenzialdiagnosen der Anämie
Thalassämie
Fall 34 Systemischer Lupus erythematodes
34.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Systemischer Lupus erythematodes (SLE) (Begründung s. Frage 34.2).
34.2 Welche typischen Manifestationen der Erkrankung liegen bei der Patientin wahrscheinlich vor?
쐽 Bei der Patientin sind folgende Krankheitserscheinungen am ehesten als eigenständige Manifestationen des SLE zu werten:
– Haut: Exanthem im Gesicht (Schmetterlingserythem, Abb. 34.1 a), Photosensibilität
(Zunahme des Erythems unter Lichteinwirkung im Sommer)
– symmetrische Polyarthritis
– Serositis (V. a. Pleuraerguss rechts)
– Nierenbeteiligung: bei Erythrozyturie und
Proteinurie V. a. Glomerulonephritis, bereits
beginnende Niereninsuffizienz (Kreatinin 앖,
Harnstoff grenzwertig)
Fall 34 Seite 35
– Leukozytopenie
– antinukleäre Antikörper und anti-ds (=Doppelstrang)-DNA-Antikörper positiv.
34.3 Welche weiteren Manifestationen sind
für diese Erkrankung typisch?
쐽 andere Hautmanifestationen: diskoider Lupus
(konfluierende erythematosquamöse Plaques,
Abb. 34.1 b), Hautvaskulitis, Raynaud-Syndrom
쐽 Schleimhäute: Enanthem, Ulzera
쐽 Herz: Perikarditis, Endokarditis (LibmanSacks), Myokarditis
쐽 Lunge: interstitielle Lungenerkrankung (Lupuspneumonitis), pulmonalarterielle Hypertonie
쐽 ZNS: Epilepsie, Psychose, Störung des extrapyramidalmotorischen Systems
쐽 Polyneuropathie
쐽 Gefäßsystem: sekundäre Vaskulitis, sekundäres Antiphospholipid-Syndrom
Abb. 34.1 Systemischer Lupus
erythematodes:
a) Gesichtserythem
(Schmetterlingserythem),
b) Lupus discoides
a
쐽 Laborveränderungen: verlängerte PTT bei Antiphospholipid-Syndrom, Komplementverminderung (C3, C4, CH50), Thrombozytopenie, autoimmunhämolytische Anämie (Coombs-Test
positiv), anti-Sm-Antikörper.
34.4 Welche Therapieverfahren zur Behand-
쐽 Cyclophosphamid: bei lebens- oder organbedrohenden Manifestationen, z. B. rapid-progressive Glomerulonephritis oder ZNS-Beteiligung
쐽 andere Immunsuppressiva: Azathioprin, Methotrexat (bei im Vordergrund stehender Arthritis), Mycophenolatmofetil
쐽 Antimalariamittel (Hydroxychloroquin, Resochin): bei milden Organmanifestationen
쐽 Immunglobuline i. v., Plasmapherese: bei Therapieresistenz.
KO M M E N TA R
Ätiologie: Sie ist unbekannt.
Klinik: Der SLE ist durch das schubweise Auftreten
von Allgemeinsymptomen (wie bei der beschriebenen Patientin) und typischer Manifestationen (s.
Fragen 34.2 und 34.3) charakterisiert.
Diagnostik: Bei jeder chronischen, nicht auf Antibiotika ansprechenden systemischen Entzündungsreaktion sollte man eine Tumorerkrankung
und, insbesondere bei jüngeren Patienten, eine
Kollagenose in Betracht ziehen. Bei fast jedem Patienten mit einer Kollagenose lassen sich antinukleäre Antikörper (ANA) nachweisen. Sie sind
jedoch nicht kollagenosespezifisch, denn geringe
Titer finden sich auch bei Gesunden. Andere Antikörper sind seltener, aber für bestimmte Kollagenosen spezifisch, wie z. B. die anti-ds-DNA- und die
anti-SM-Antikörper für den SLE. Die Diagnose
„SLE“ kann gestellt werden, wenn mindestens 4
der in Tab. 34.1 genannten Manifestationen vorliegen und andere Erkrankungen (Infektion, Tumor)
ausgeschlossen wurden. Bei jedem Patienten sollten alle Manifestationsorte einer Kollagenose auf
eine Krankheitsmanifestation geprüft werden, um
keine Manifestation zu übersehen.
Tab. 34.1 Klassifikationskriterien des ACR
(American College of Rheumatology) beim
systematischen Lupus erythematodes (SLE)
(Hahn 2000)
Schmetterlingserythem
diskoide Hautveränderungen
Photosensibilität
Schleimhautulzera
nicht deformierende Arthritis an zwei oder
mehr peripheren Gelenken
Serositis: Pleuritis oder Perikarditis
Nierenbeteiligung: persistierende Proteinurie
⬎ 0,5 g/d oder Zylindrurie
ZNS-Beteiligung: Krampfanfälle oder Psychosen
Hämatologische Beteiligung: hämolytische Anämie oder Leukopenie ⬍ 4000/µl oder
Lymphopenie ⬍ 1500/µl oder Thrombopenie
⬍ 100000/µl
Immunologische Befunde: Anti-ds-DNA-Antikörper oder Anti-Sm-Antikörper oder
Antiphospholipidantikörper
Antinukleäre Antikörper
SLE wahrscheinlich, wenn mindestens 4 Kriterien vorliegen
Fall 34 Seite 35
34
Antworten und Kommentar
Der systemische Lupus erythematodes (SLE) gehört zu den Kollagenosen, einer Gruppe von Bindegewebserkrankungen, die durch immunologisch
vermittelte Krankheitsmanifestationen, Gelenksymptome und Bildung von Autoantikörpern charakterisiert ist.
213
Fall
lung dieser Erkrankung kennen Sie?
쐽 Glukokortikoide: systemisch, zur Behandlung
akuter Krankheitsschübe
b
Differenzialdiagnosen:
쐽 andere Kollagenosen: Polymyositis (Leitsymptom symmetrische, proximal betonte Muskelschwäche, CK-Erhöhung), Sklerodermie (Leitsymptom derbe Infiltration der Haut), primäres
Sjögren-Syndrom (Leitsymptome Xerostomie,
Xerophthalmie)
쐽 medikamentös induzierter SLE (z. B. durch Procainamid, Hydralazin): Typisch ist der isolierte
Nachweis von anti-Histon-Antikörpern.
Therapie: Sie ist immunsuppressiv und sollte
durch einen Rheumatologen überwacht werden.
Die Auswahl der Präparate richtet sich nach den
befallenen Organen und der aktuellen klinischen
und serologischen Krankheitsaktivität. Glukokortikoide wirken rasch bei akut-entzündlichen
Krankheitsmanifestationen und werden bei hoher
Krankheitsaktivität kurzfristig hochdosiert gegeben (z. B. 250 – 1000 mg/d i. v./oral?). Cyclophosphamid ist die etablierte Therapie für schwere
Krankheitsmanifestationen wie Glomerulonephritis, ZNS- oder Herzbeteiligung. Andere Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Methotrexat (s.
auch Frage 34.4) werden bei nicht lebensbedrohlichen Organmanifestationen verabreicht. Patienten
mit milden SLE-Manifestationen (z. B. Hautmanifestation) profitieren von den immunmodulierenden Eigenschaften der Antimalariamittel.
Bei Photosensibilität kommen darüber hinaus
Lichtschutzsalben, bei arterieller Hypertonie infolge Glomerulonephritis ACE-Hemmer, bei Raynaud-Syndrom Kalziumantagonisten zum Einsatz.
Bei Antiphospholipid-Syndrom ist eine lebenslange orale Antikoagulation erforderlich (s. Fall 19).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen der Kollagenosen
Glomerulonephritis: diagnostisches Vorgehen
Cyclophosphamid: typische Nebenwirkungen
Differenzialdiagnosen der Polyarthritis
214
Fall
35
Fall 35 Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Antworten und Kommentar
35.1 Stellen Sie eine möglichst präzise Verdachtsdiagnose und geben Sie das klinische
Krankheitsstadium an!
쐽 Periphere arterielle Verschlusskrankheit
(pAVK) vom Oberschenkeltyp links, da die Beschwerden typisch für Claudicatio intermittens
sind (Schmerzen beim Gehen, die beim Stehenbleiben sistieren; „Schaufensterkrankheit“)
und die Pulse peripher der A. femoralis links
nicht zu tasten sind. Es liegt Stadium IIb nach
Fontaine und Ratschow vor.
35.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 6, in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) schlagen Sie zur Abklärung
vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
쐽 Überprüfung der Einstellung des Diabetes mellitus (Bestimmung von HbA1 c und Nüchternblutzucker, quantitative Urineiweißbestim-
쐽
쐽
쐽
쐽
mung), Bestimmung von Cholesterin, HDL, LDL
und Triglyzeriden sowie 24-Stunden-Blutdruckmessung zur Erfassung des Risikoprofils
Laufbandtest zur Objektivierung der Gehstrecke
Messung der Doppler-Verschlussdrücke an beiden Füßen und Armen in Ruhe und bei Belastung. Anhand des Quotienten aus Verschlussdruck des rechten Armes und Verschlussdruck
des rechten Fußes lässt sich überprüfen, ob eine subklinische Durchblutungsstörung auch
am rechten Bein besteht (Einschränkung s.
Frage 35.4).
Messung des transkutanen Sauerstoffpartialdrucks zur Erfassung der Sauerstoffversorgung
des Gewebes
Doppler-Sonographie (Abb. 35.1) mit Bestimmung der Flussgeschwindigkeit zur Erfassung
der Lokalisation und des Schweregrades einer
Gefäßstenose
Abb. 35.1 Gepulste DopplerSignale mit sofortiger Frequenzanalyse über Beinstammarterien. a) Normalkurve: enges Frequenzband und spätsystolischer
Rückfluss, b) ⬎ 50%ige Stenose:
stark verbreitertes Frequenzband, massiv erhöhte systolische
und diastolische Spitzengeschwindigkeit mit fehlendem
Rückstrom
a
Fall 35 Seite 36
b
쐽 Farbduplexsonographie mit Bestimmung der
Flussgeschwindigkeit zur Erfassung der Lokalisation, Ausdehnung, Morphologie und des
Schweregrades einer Gefäßstenose
쐽 arterielle digitale Subtraktionsangiographie
(DSA) zwecks Darstellung des Gefäßsystems,
wenn eine invasive Therapie (z. B. Katheter-Angioplastie, operative Revaskularisation) in Erwägung gezogen wird.
쐽 Stadium III:
– Revaskularisation: bei kurzstreckigen, wenig
verkalkten Stenosen durch perkutane transluminale Angioplastie (PTA), bei längerstreckigen Stenosen Rotablation oder Laser-Angioplastie (ggf. als Alternative zu operativen
Verfahren), bei Stenosen im Bereich der großen Gefäße (A. iliaca, A. femoralis) Thrombendarteriektomie (TEA) oder Bypassoperation
– falls Revaskularisation nicht möglich (aufgrund von Komorbidität oder Lokalisation
der Stenosen), i. v.-Gabe von Prostanoiden
(Iloprost, Aloprostadil)
– abhängige Lagerung der Beine, Schutz vor
Druckstellen (Wattepolster)
쐽 Stadium IV:
– Revaskularisation (s. Stadium III)
– bei Infektion Antibiotika
– Amputation als Ultima Ratio.
Unter der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) versteht man eine chronische Einengung des Lumens peripherer Arterien. Am häufigsten sind die Beinarterien betroffen.
Ätiologie: Häufigste Ursache der pAVK ist die Arteriosklerose. Deren wichtigste Risikofaktoren sind
Nikotinabusus, arterielle Hypertonie, Diabetes
mellitus und Hyperlipidämie. Selten können Gefäßanomalien, Gefäßspasmen, ein Raynaud-Syndrom oder eine Vaskulitis (z. B. Panarteriitis nodosa) die Symptomatik einer pAVK hervorrufen.
Einteilung: Nach der Lokalisation der Gefäßstenose unterscheidet man am Bein die in Tab. 35.1 genannten Typen, am Arm den Schultergürtel-ArmTyp und den peripheren (akralen) Typ. Zur Stadieneinteilung s. u.
Klinik: Die Symptome sind stadienabhängig (Stadieneinteilung s. Tab. 35.2). In Stadium I können,
obwohl der Patient beschwerdefrei ist, trophische
Störungen vorliegen, z. B. Hautschuppung oder
Haarausfall am Schienbein oder Nageldystrophie.
Klassisches Leitsymptom der pAVK ist der belastungsabhängige Schmerz (Claudicatio intermittens, sog. Schaufensterkrankheit), der im Stadium II
nach Fontaine und Ratschow auftritt. In Stadium III
Tab. 35.1 Einteilung der pAVK nach der Lokalisation der Gefäßstenose (Hahn 2000)
Schmerzlokalisation
Lokalisation
der Stenose
Typ
Gesäß, Hüfte,
Oberschenkel
Aorta, A. iliaca
Beckentyp
Wade
A. femoralis,
A. poplitea
Oberschenkeltyp
Fußsohle,
Zehen
Unterschenkel-/ PeriFußarterien
pherer
Typ
treten – meist nächtliche – Ruheschmerzen, in Stadium IV Nekrosen bzw. Gangrän (z. B. der Zehen)
auf.
Diagnostik: Das diagnostische Vorgehen (s. auch
Frage 35.2) hängt entscheidend vom Krankheits-
Fall 35 Seite 36
35
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
215
Fall
35.3 Welche Therapieverfahren sollten in den
einzelnen Krankheitsstadien bevorzugt eingesetzt werden?
쐽 Stadium I nach Fontaine und Ratschow:
– Prophylaxe mit 100 mg Acetylsalicylsäure/d:
vermindert die kardiovaskuläre Mortalität
– Minimierung des Risikoprofils: Beendigung
des Nikotinabusus, Diabetes- und Blutdruckeinstellung, Behandlung einer Hyperlipidämie (s. Fall 61)
– regelmäßige Bewegung (unstrukturiert)
!!! 35.4 Was muss bei der Interpretation einer
쐽 Stadium II:
Doppler-Druckmessung bei dem oben beschrie– zusätzlich strukturiertes Gehtraining
benen Patienten berücksichtigt werden?
(1 – 2 Stunden täglich, z. B. Laufbandtraining)
Bei fast allen Patienten mit Diabetes mellitus Typ II
– zusätzlich auf geeignetes Schuhwerk achten,
lagern sich Hydroxylapatitkristalle in den Arteregelmäßige Fußpflege
rienwänden ab. Dies schränkt deren Elastizität
– falls konservative Maßnahmen nicht erfolgdeutlich ein, ohne dass eine Stenose vorliegen
reich sind, Revaskularisation (Katheter-Anmuss (sog. Mönckeberg-Mediasklerose). Die mit
gioplastie oder Operation)
der Doppler-Sonde gemessenen Druckwerte können daher bei Patienten mit Diabetes mellitus
fälschlicherweise zu hoch liegen.
Tab. 35.2 Klinische Stadieneinteilung der
pAVK nach Fontaine und Ratschow (Hahn
2000)
I
Beschwerdefreiheit
II
Claudicatio
intermittens
a: schmerzfreie Gehstrecke ⬎ 200 m
b: schmerzfreie Gehstrecke ⬍ 200 m
III Ruheschmerz
im Liegen
IV Nekrotische
Veränderungen
stadium und somit von dem geplanten therapeutischen Prozedere ab.
Die Lagerungsprobe nach Ratschow liefert erste
wichtige Hinweise auf einen periphere Durchblutungsstörung. Basis jeder Diagnostik ist die Messung der Doppler-Verschlussdrücke der oberen
und unteren Extremität. Dabei ist insbesondere
das Verhältnis des Verschlussdrucks der Armarterien (z. B. A. radialis) zu dem der Fußarterien (A.
dorsalis pedis, A. tibialis post.) für die Beurteilung
des Schweregrades der Perfusionsstörung bedeutsam. Ist der Doppler-Befund pathologisch, werden
die Lokalisation und Ausdehnung der Stenose mit
Hilfe der Farbduplexsonographie beurteilt. Die
Durchführung einer DSA ist nur dann sinnvoll,
wenn man aufgrund der Schwere der Symptomatik
(z. B. Stadium IIb, III oder IV) eine interventionelle
Therapie (Ballondilatation, Bypass-Operation) für
erforderlich hält.
Therapie: s. Frage 35.3.
216
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fall
36
Folgen des Nikotinabusus
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Akuter arterieller Verschluss
Antworten und Kommentar
Fall 36 Ikterus (bei Cholestase)
36.1 Welche 3 Formen des Ikterus kennen Sie
und wodurch entstehen diese? Welche Form
liegt bei der Patientin vor?
쐽 Verschlussikterus (= cholestatischer, mechanischer oder posthepatischer Ikterus): Eine
Abflussbehinderung in den abführenden Gallenwegen (Cholestase) führt zum Anstieg des
konjugierten (direkten) Bilirubins im Serum
und aufgrund des Rückstaus der Galle in die
intrahepatischen Gallenwege zum Übertritt
aus den Gallekanälchen stammender Enzyme
(alkalische Phosphatase, γ-GT, LAP) in die Leberkapillaren. Die Konzentration dieser Enzyme i. S. ist erhöht (Cholestaseparameter), wie
bei der beschriebenen Patientin. GOT und GPT,
Parameter einer Leberzellschädigung, sind nur
gering erhöht; dies spricht gegen eine primäre
Leberzellschädigung. Bei Verschluss der extrahepatischen Gallenwege ist die Bilirubinausscheidung im Urin kompensatorisch erhöht,
der Stuhl hingegen hell gefärbt, weil im Darm
weniger Urobilinogen entsteht, dessen Metabolite für die Stuhlfärbung verantwortlich sind.
Somit liegt bei der Patientin ein Verschlussikterus vor, wahrscheinlich aufgrund eines partiellen Verschlusses der extrahepatischen Gallenwege (bei komplettem Verschluss wäre der
Stuhl entfärbt und kein Urobilinogen im Urin
nachweisbar).
Fall 36 Seite 37
쐽 (intra)hepatischer Ikterus: Eine Dysfunktion
der Leberzellen führt vor allem zu einer verminderten Exkretion des Bilirubins, aber auch
zu verminderter Konjugation und so zu einer
Hyperbilirubinämie.
쐽 hämolytischer (prähepatischer) Ikterus: Ein
vermehrter Abbau von Hämoglobin aus Erythrozyten bei Hämolyse führt zu vermehrtem
Anfall von Bilirubin in der Leber. Übersteigt
dieser die Konjugationskapazität der Leberzellen, kommt es zu Hyperbilirubinämie.
36.2 Welche Befundkonstellation würden Sie
bei den anderen beiden Formen des Ikterus erwarten?
쐽 (intra)hepatischer Ikterus: direktes (konjugiertes) und indirektes (unkonjugiertes) Bilirubin erhöht (Exkretionsstörung bzw. Konjugationsstörung), deutliche Erhöhung (auf meist
mehr als das 3fache der Norm) von GOT und
GPT aufgrund einer Leberzellschädigung, geringe Erhöhung von γ-GT, alkalischer Phosphatase und LAP (kein Gallerückstau), Urobilinogen (und Bilirubin, da konjugiert) im Urin
nachweisbar, Stuhlfarbe hell (bei vorherrschender Exkretionsstörung) oder normal.
쐽 hämolytischer (prähepatischer) Ikterus: Hämolysezeichen (Anämie, Haptoglobin vermin-
dert, Retikulozyten erhöht), Erhöhung des indirekten, aber nicht des direkten Bilirubins (Konjugationskapazität der Leber überschritten),
nur Urobilinogen, aber nicht Bilirubin im Urin
nachweisbar (unkonjugiertes Bilirubin gelangt
nicht in den Urin), Stuhl dunkel gefärbt (hohe
Urobilinogenkonzentration im Darm).
phie (ERCP) zur Darstellung der Gallenwege,
Identifizierung der Ursache der Stenose und –
bei papillennahem Stein – zur Papillotomie
und Steinextraktion. Erwarteter Befund: s. o.
쐽 ansonsten kernspintomographische Cholangio-Pankreatikographie (MRCP) zur Lokalisation und Identifizierung der Ursache der Obstruktion: weniger invasiv als ERCP, umgebende Strukturen werden mitabgebildet. Erwarteter Befund: s. o., zusätzlich lässt sich ein Gallengangskarzinom oder eine Cholangitis nachweisen.
쐽 falls Sonographiebefund nicht eindeutig, ERCP
nicht durchführbar und MRCP nicht verfügbar,
CT zur Lokalisation und Identifizierung der Ursache der Obstruktion: erwarteter Befund: s.
MRCP.
Als Ikterus bezeichnet man eine durch Bilirubinablagerung bedingte gelbliche Verfärbung von Geweben, Haut und Schleimhäuten bei erhöhtem Serumbilirubin. Auch die Körperflüssigkeiten sind
gelb gefärbt. Am frühesten, etwa ab einer Erhöhung des Gesamtbilirubins i. S. auf 2 mg/dl, erkennt
man einen Ikterus an der Gelbfärbung der Skleren.
Vorgehen: Erster Schritt zur Klärung der Ursache
eines Ikterus ist die gezielte Anamnese: Ist der Ikterus schlagartig aufgetreten? Welche Begleitsymptome liegen vor? So sprechen kolikartige
Oberbauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen
für Choledocholithiasis, Juckreiz weist auf eine seit
längerem bestehende Cholestase, Fieber auf eine
Cholangitis, ein schmerzloser Ikterus mit Gewichtsverlust auf einen die Gallenwege komprimierenden malignen Tumor hin. Wichtig ist auch
die Frage nach Bluttransfusionen und i. v.-Drogen-
konsum in der Vorgeschichte (Hepatitis B, C?), Alkoholkonsum sowie der Einnahme von Medikamenten (toxische Hepatitis?) und nach kürzlichen
Auslandsaufenthalten (Hepatitis A?).
Zweiter Schritt ist die körperliche Untersuchung:
Finden sich Zeichen der Leberzirrhose (s. Fall 63),
Kratzspuren (Cholestase?), Hepatomegalie (z. B.
bei Virushepatitis, Leberzirrhose) oder Splenomegalie (z. B. bei Leberzirrhose, Hämolyse)?
Nächster Schritt ist die Labordiagnostik: Man
prüft, ob die Hyperbilirubinämie auf einer Erhöhung des direkten (konjugierten) Bilirubins (Exkretionsstörung) oder des indirekten (unkonjugierten) Bilirubins (Konjugationsstörung) beruht
und bestimmt die Parameter der Cholestase bzw.
der Leberzellschädigung (s. Frage 36.1). Bei der im
Fallbeispiel beschriebenen Patientin spricht die
Fall 36 Seite 37
36
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
217
Fall
36.3 Welche ergänzenden diagnostischen
Maßnahmen (mindestens 2) schlagen Sie bei der
Patientin vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
Welche Befunde erwarten Sie?
쐽 Sonographie des Abdomens zur Darstellung
der Gallenwege und zur Lokalisation der Obstruktion. Erwarteter Befund: Konkrement im
Ductus choledochus (wahrscheinlichste Ursache der Obstruktion, Abb. 36.1), evtl. auch Konkremente in der Gallenblase oder Kompression
des Ductus von außen (Tumor: Pankreaskopf- !!! 36.4 Welche Erkrankungen mit einer hereditären hepatischen Hyperbilirubinämie kennen
karzinom oder Lymphom)
Sie?
쐽 Konjugationsstörung (Leitbefund: erhöhtes indirektes Bilirubin):
– Meulengracht-Gilbert-Syndrom (Icterus intermittens juvenilis): verminderte Aktivität
der UDP-Glukuronyl-Transferase (häufig)
– Crigler-Najjar-Syndrom (Typ I und II): fehlende oder stark verminderte Aktivität der
UDP-Glukuronyl-Transferase (selten)
쐽 Exkretionsstörung (Leitbefund: erhöhtes direktes Bilirubin):
– Dubin-Johnson-Syndrom: autosomal-rezessiv vererbter Defekt des kanalikulären
Transportsystems für mit Glukuronsäure
Abb. 36.1 Sonographie bei Choledocholithiasis
oder Glutathion konjugierten organischen
Anionen, Bilirubin und Porphyrinen
쐽 bei Nachweis eines papillennahen Steins oder
– Rotor-Syndrom: autosomal-rezessiv vererbt;
wenn die MRCP nicht verfügbar ist, endoskopimolekularer Defekt noch nicht identifiziert.
sche retrograde Cholangio-Pankreatikogra-
isolierte Erhöhung des direkten Bilirubins für eine Exkretionsstörung. Diese ist meist Folge einer
Cholestase (Cholestaseparameter deutlich erhöht,
s. Frage 36.1), selten hereditär (s. Frage 36.4, in diesem Fall sind die Cholestaseparameter nur geringfügig erhöht). Zum Beweis bzw. Ausschluss einer
Cholestase dienen die in Frage 36.3 genannten diagnostischen Verfahren.
Bei isolierter Erhöhung des indirekten Bilirubins
bestimmt man die Zahl der Retikulozyten im peripheren Blut, Haptoglobin i. S. (Transportprotein
für Hämoglobin, bei Hämolyse frühzeitig vermindert) und führt einen Coombs-Test zum Nachweis
von anti-Erythrozyten-Antikörpern durch, denn
meist liegt eine Hämolyse zugrunde. Zweithäufigste Ursache (Inzidenz 2 – 7%) einer indirekten Hy-
perbilirubinämie ist das Meulengracht-GilbertSyndrom (s. Frage 36.4), eine Störung der Aufnahme und Konjugation des Bilirubins in die Hepatozyten.
Eine kombinierte Erhöhung beider Bilirubinformen deutet auf eine Leberzellschädigung hin. Bei
der Klärung der Ursache orientiert man sich daran,
welche der „Leberenzyme“ GOT, GPT, GLDH, LDH
und γ-GT und wie stark sie erhöht sind und führt je
nach Befund diagnostische Tests wie Hepatitisserologie, Sonographie, CT oder Leberbiopsie durch.
Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung (z. B. Sanierung der Gallenwege bei Choledocholithiasis).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
218
Ursachen einer Transaminasenerhöhung
Primär biliäre Zirrhose (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Cholezystolithiasis
Fall
37
Fall 37 Diabetes mellitus Typ I
Antworten und Kommentar
37.1 Welche 2 diagnostischen Maßnahmen ergreifen Sie, um die Einstellung des Diabetes mellitus bei diesem Patienten zu überprüfen? Nennen Sie Zielwerte, die Sie mit Ihrer Therapie anstreben werden!
쐽 Bestimmung des HbA1 c, um Informationen
über die Blutzuckereinstellung in den letzten
3 Monaten zu gewinnen. Gute Blutzuckereinstellung bei HbA1 c-Werten ⬍ 7,0.
쐽 Blutzuckertagesprofil, um die aktuelle Blutzuckereinstellung zu überprüfen:
– Nüchternwert: Information über den (Langzeit-)Insulinbedarf in der Nacht. Gute Blutzuckereinstellung bei Werten von
91 – 120 mg/dl.
– höchster postprandialer Wert: Information
über den Bedarf an Normalinsulin zu den
Mahlzeiten; Zielwert ⬍ 160 mg/dl
– Blutzuckerwert am Abend (22.0 Uhr): Information über den Bedarf an Langzeitinsulin
am Morgen; Zielwert 110 – 135 mg/dl.
37.2 Welche 3 weiteren diagnostischen Maßnahmen führen Sie bei diesem Patienten durch?
쐽 Blutdruckmessung an beiden Armen und
24-Stunden-Blutdruckmessung zum Ausschluss einer arteriellen Hypertonie, einer häufigen Begleiterkrankung bei Diabetes mellitus
쐽 Bestimmung des Cholesterins zur Erfassung
eines weiteren kardiovaskulären Risikofaktors:
Zielwert ⬍ 190 mg/dl
쐽 Bestimmung des LDL-Cholesterins (s. Cholesterin): Zielwert ⬍ 120 mg/dl.
Fall 37 Seite 38
37.3 Welche Folgekomplikationen des Diabetes mellitus kennen Sie? Wie stellen Sie fest, ob
diese bei o. g. Patienten vorliegen? Nennen Sie
zu jeder Komplikation mindestens 1 Untersuchung!
쐽 diabetische Nephropathie: Bestimmung des
Albumins im Urin und der Nierenretentionswerte (Kreatinin im Serum)
쐽 diabetische Neuropathie:
– symmetrische distale sensomotorische Neuropathie: Prüfung von Vibrations-, Temperatur- und Schmerzempfindung und Muskeleigenreflexen
– autonome Neuropathie: eingeschränkte
Herzfrequenzvariabilität, Magenentleerungsverzögerung (Prüfung mittels Szintigraphie nach Testmahlzeit), Blasenatonie
(sonographische Restharnbestimmung nach
Miktion), erektile Dysfunktion (Anamnese),
verminderte Hypoglykämiewahrnehmung
(Anamnese)
쐽 diabetische Retinopathie: Fundusuntersuchung, Bestimmung der Sehschärfe
쐽 diabetische Makroangiopathie:
– koronare Herzkrankheit: Belastungs-EKG,
Echokardiographie, ggf. Koronarangiographie (s. Fall 16)
– periphere arterielle Verschlusskrankheit
(pAVK): Pulsstatus, Doppler- und Farbduplexsonographie, ggf. Angiographie (s. Fall
35)
– zerebrovaskuläre Insuffizienz: Doppler-Sonographie der A. carotis
쐽 diabetisches Fußsyndrom (Ulzera oder Nekrosen): Inspektion und Palpation der Füße (Hyperkeratose, Ulzera, Nekrosen, Pulsstatus, Temperatur?), Röntgen der Füße, pAVK-Diagnostik
(s. o.).
37.4 Wie wird der Diabetes mellitus Typ I behandelt?
쐽 intensivierte Insulintherapie nach dem BasisBolus-Konzept: Versuch, die natürliche Insulinsekretion zu imitieren:
– morgens und abends Injektion eines lang
wirksamen Verzögerungsinsulins als Basis
und mahlzeitenbezogene Injektion von
schnell wirksamem Normalinsulin je nach
geplanter Nahrungsaufnahme (BE-Faktor)
und nach dem aktuellen Blutzuckerwert vor
Injektion
– alternativ (falls sich der Blutzucker so nicht
gut einstellen lässt) kontinuierliche subkutane Insulininfusion und mahlzeitenbezogene Bolusgabe über eine Insulinpumpe.
KO M M E N TA R
Bei Diabetes mellitus Typ I liegt ein absoluter Insulinmangel vor, der zu Hyperglykämie und Glukosurie führt.
Ätiologie: s. Fall 89.
Klinik: Die Glukosurie hat eine osmotische Diurese
zur Folge, die sich durch Polyurie, Polydipsie, Gewichtsabnahme und Müdigkeit (Exsikkose) äußert. Eine weitere Erstmanifestation des Diabetes
mellitus Typ I ist das Coma diabeticum (s. Fall 132).
Verlaufskontrollen bei Diabetikern umfassen
쐽 die viertel- bis halbjährliche Kontrolle von
Gewicht (Ödeme?), Blutdruck (Hypertonie?),
HbA1 c i. S. (mit Hilfe dieses glykosylierten Hämoglobins lässt sich das Ausmaß der nichtenzymatischen Glykosylierung erfassen), Gesamtund LDL-Cholesterin (Erfassung weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren) sowie Erstellung
eines Blutzuckertagesprofils (s. Frage 37.1)
쐽 die mindestens halbjährliche gezielte Untersuchung auf das Vorliegen diabetischer Folgekomplikationen:
– körperliche Untersuchung mit Blutdruckmessung, Prüfung von Vibrations-, Temperatur- und Schmerzempfindung und Muskeleigenreflexen und Untersuchung der Füße
(s. Frage 37.3). Finden sich Hinweise auf ein
diabetisches Fußsyndrom, muss dessen Genese geklärt werden (s. Tab. 37.1), um es gezielt behandeln zu können.
– Fundusuntersuchung und Bestimmung der
Sehschärfe durch einen Augenarzt
– Urinuntersuchung auf Albumin und Bestimmung des Kreatinins i. S.
Fall 37 Seite 38
37
Antworten und Kommentar
Diagnostik: Zur Diagnostik bei V. a. Diabetes mellitus s. Fall 89.
219
Fall
Komplikationen: Hyperglykämie führt zu nichtenzymatischer Glykosylierung von Proteinen, die
deren Funktion verändert; außerdem werden
Stoffwechselwege (z. B. die Sorbitolsynthese) aktiviert, die zu pathologischen Gewebereaktionen
führen. So entsteht eine Reihe von diabetischen
Spät- oder Folgekomplikationen, die für die Lebensqualität und Lebenserwartung des Patienten
ausschlaggebend sind:
쐽 Die diabetische Mikroangiopathie – Verdickung der Basalmembran von Arteriolen, Kapillaren und Venolen – führt zu
– diabetischer Nephropathie: s. Fall 52
– diabetischer Neuropathie: Häufigste Form
ist die symmetrische distale sensomotorische Neuropathie, die bevorzugt an den Beinen auftritt. Symptome sind Parästhesien,
Taubheitsgefühl und Schmerzen („burning
feet“). Sie sind typischerweise nachts (in Ruhe) am stärksten ausgeprägt. Die autonome
Neuropathie ist dafür verantwortlich, dass
Myokardinfarkte bei Diabetikern gehäuft
schmerzlos sind (s. Fall 6) und bei lang bestehendem Diabetes mellitus bei Hypoglykämie
keine Warnsymptome (s. Fall 78) mehr auftreten. Sie führt häufig zu Gastroparese mit
Völlegefühl, Übelkeit und postprandialen Hypoglykämien, außerdem zu Blasenatonie und
erektiler Dysfunktion.
– diabetischer Retinopathie: Am Augenhintergrund finden sich im Frühstadium der Retinopathie Mikroaneurysmen, Punkt- und
Fleckblutungen, harte Exsudate (gelbliche
Lipidablagerungen) und ein Makulaödem,
später Cotton-wool-Herde (weißliche flockige Herde = Mikroinfarkte) sowie Gefäßproli-
ferationen, Glaskörperblutungen und Netzhautablösung. Eine Retinopathie besteht bei
bis zu 40% der Diabetiker bereits bei Erstdiagnose des Diabetes mellitus. Bei 4 – 8% der Patienten führt sie zu Erblindung.
쐽 diabetischer Makroangiopathie: Arteriosklerose tritt beim Diabetiker mindestens 10 Jahre
früher auf als beim Nichtdiabetiker, ist häufiger
peripher lokalisiert und manifestiert sich an den
Beinen gehäuft als Mönckeberg-Mediasklerose
(s. Fall 35). Die Inzidenz der Folgeerkrankungen
der Arteriosklerose (Herzinfarkt, Schlaganfall)
ist beim Diabetiker erhöht, z. T. da häufig eine
arterielle Hypertonie als Begleiterkrankung vorliegt.
쐽 diabetischem Fußsyndrom: Es ist Folge der
Makroangiopathie und/oder der Neuropathie (s.
Tab. 37.3).
Tab. 37.1 Diabetisches Fußsyndrom – Differenzierung
neuropathischer Fuß
ischämischer Fuß
evtl. nächtliche Schmerzen, Pelzigkeitsgefühl
Anamnese
Belastungs-, später Ruheschmerz
rosige Haut, Hyperkeratosen und
schmerzlose Drucknekrosen oder
-ulzera an druckbelasteten Stellen
(„Malum perforans“, Abb. 37.1)
Inspektion
atrophisch-livide Haut,
schmerzhafte Ulzera
warme, trockene Haut, vorhandene
Fußpulse
Palpation
kühler Vorfuß/Zehen,
fehlende Fußpulse
reduziertes Vibrationsempfinden
BasisDoppler-Verschlussdrucke ⬎ 60 mmHg Diagnostik
unauffälliges Vibrationsempfinden,
Doppler-Verschlussdrucke ⬍ 60 mmHg
sulininjektion, eine Selbstkontrolle des Blutzuckers, Erkennung und Behebung einer Hypoglykämie und die Prophylaxe bzw. frühzeitige Erkennung eines diabetischen Fußsyndroms.
220
Fall
Zur Therapie der Hyperglykämie bei Diabetes
mellitus Typ I s. Frage 37.4. Neben einer guten
Langzeit-Blutzuckereinstellung (HbA1 c!) sollte eine Vermeidung starker Blutzuckerschwankungen
im Tagesverlauf (Tagesprofil!) angestrebt werden,
da auch bei normalem HbA1 c rezidivierende Hypoglykämien auftreten können und Ausdruck einer
schlechten Blutzuckereinstellung sind.
37
Antworten und Kommentar
Abb. 37.1 Malum perforans: ausgestanzter, von Hornhaut überlagerter Gewebsdefekt
쐽 Da die KHK aufgrund einer autonomen Neuropathie bei Patienten mit Diabetes mellitus atypisch oder gar asymptomatisch verlaufen kann,
ist die regelmäßige Durchführung eines Belastungs-EKGs (z. B. 1⫻/Jahr) auch bei asymptomatischen Patienten erforderlich.
Therapie: Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie ist die Schulung des Patienten, denn sie ermöglicht ihm eine korrekte Ernährung und In-
Therapie der Komplikationen:
쐽 diabetische Nephropathie: s. Fall 52
쐽 diabetische Neuropathie: Therapieversuch mit
α-Liponsäure, z. B. 600 mg/d
쐽 diabetische Retinopathie: Laserbehandlung
(hemmt Gefäßproliferation)
쐽 diabetische Makroangiopathie: s. Fall 35
쐽 diabetisches Fußsyndrom: antibiotische Behandlung bei Infektion, Druckentlastung (Vorfußentlastungsschuh), Verbesserung der Perfusion (z. B. durch Behandlung einer pAVK), Entfernung von Hornhaut, bei Gangrän Amputation.
Zusatzthemen für Lerngruppen:
Andere Formen des Diabetes mellitus
Therapie der pAVK
Antihypertensive Therapie bei Diabetes mellitus
Fall 37 Seite 38
Fall 38 Diabetes insipidus
38.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Begründen Sie Ihre Vermutung!
쐽 Verdachtsdiagnose: Diabetes insipidus
쐽 Begründung: Die Patientin scheidet große
Mengen eines stark verdünnten Urins aus. Die
trotz deutlich erhöhter Plasmaosmolarität
stark verminderte Urinosmolarität weist auf
ein Unvermögen der Nieren hin, den Urin zu
konzentrieren. Auch nach Flüssigkeitskarenz
kommt es nicht zu einer regulativen Steigerung
der Urinkonzentrierung und Hemmung der
Urinausscheidung. Die wahrscheinlichste Ursache ist ein Mangel an oder fehlendes Ansprechen auf antidiuretisches Hormon (ADH,
Adiuretin), d. h. ein Diabetes insipidus.
38.3 Wie kann man die beiden Erkrankungsformen unterscheiden?
Unterscheidung durch Gabe von ADH:
쐽 zentraler Diabetes insipidus: Urinosmolarität
steigt an
쐽 renaler Diabetes insipidus: Urinosmolarität
bleibt unverändert.
38.4 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
KO M M E N TA R
Als Diabetes insipidus bezeichnet man die inadäquate Urinkonzentrierung der Nieren.
Ätiologie und Pathogenese: Die Urinkonzentrierung erfolgt in den distalen Nierentubuli und den
Sammelrohren unter dem Einfluss von ADH. Aufgrund eines ADH-Mangels (zentraler Diabetes insipidus) oder mangelnden Ansprechens der distalen
Nierentubuli und Sammelrohre auf ADH (renaler
Diabetes insipidus) scheiden Betroffene ständig
große Mengen nichtkonzentrierten Urins aus. Zu
den Ursachen des zentralen und des renalen Diabetes insipidus s. Frage 38.2.
Klinik: Symptome sind Polyurie (bis zu 20 l/d bei
Diabetes insipidus centralis, bei der renalen Form
kann die Urinmenge noch größer sein) inkl. Nykturie und großer Durst, der die Betroffenen zwingt,
auch nachts zu trinken. Dadurch kommt es zu
Schlafstörungen.
Diagnostik: Die Diagnose eines Diabetes insipidus
ergibt sich aus dem Nachweis einer verminderten
Urinosmolarität bei erhöhter Plasmaosmolarität,
die nach Stimulation der Osmoregulation persistiert. Das gebräuchlichste Verfahren zum Nachweis
einer gestörten Osmoregulation und somit eines
Diabetes insipidus ist der Durstversuch: Meist
wird er in verkürzter Form ambulant durchge-
Fall 38 Seite 39
38
Antworten und Kommentar
쐽 zentraler Diabetes insipidus:
– falls möglich, kausale Therapie, z. B. Operation eines Hypophysentumors
– Substitution von ADH (Desmopression),
kann intranasal appliziert werden
쐽 renaler Diabetes insipidus:
– kausale Behandlung von Nierenerkrankungen mit tubulärer Schädigung
– Gabe von Diuretika, salzarme Diät.
221
Fall
38.2 Welche 2 Erkrankungsformen kennen
Sie? Beschreiben Sie ihre Pathogenese und nennen Sie typische Ursachen!
쐽 zentraler Diabetes insipidus: verminderte
oder fehlende ADH-Synthese bzw. -Sekretion
durch den Ncl. supraopticus bzw. den Hypophysenhinterlappen. Ursachen:
– Schädel-Hirn-Trauma (Schädelbasisfraktur),
Hypophysentumor (z. B. Kraniopharyngeom,
Hypophysenadenom [Abb. 38.1]), basale (tuberkulöse) Meningitis, Hirnblutung (sekundäre, häufigste Form)
– unbekannt: idiopathischer ADH-Mangel
(primäre Form, ca. 1/3 der Fälle)
쐽 renaler Diabetes insipidus: vermindertes Ansprechen der Nieren auf ADH. Ursachen:
– angeboren: Mutationen führen zu einer
Funktionsstörung des Wassertransportkanals (autosomal-rezessiv vererbt) oder des
ADH-Rezeptors Typ 2 (X-chromosomal-rezessiv vererbt)
– erworben: Nierenerkrankungen mit tubulärer Schädigung (z. B. ausgeprägte Glomerulonephritis, Pyelonephritis).
Abb. 38.1 MRT: Hypophysenadenom mit suprasellärer
Ausdehnung
führt: Der Patient darf von 20 Uhr bis zum nächsten Morgen nichts trinken. Normalerweise stimuliert der zunehmende Flüssigkeitsmangel die
ADH-Sekretion und führt so zu einer Zunahme der
Urinosmolarität. Bei Diabetes insipidus bleibt diese Zunahme aus. Alternativ kann als osmotischer
Stimulus hypertone Kochsalzlösung i. v. verabreicht werden (sog. Salzbelastung). Die Salzbelastung kann jedoch erhebliche Kreislaufprobleme
verursachen (hypertone Hyperhydratation).
Bei pathologischem Befund des Durstversuchs
bzw. der Salzbelastung muss geklärt werden, welche Form des Diabetes insipidus vorliegt. Dies gelingt durch Gabe von ADH: Bei zentralem Diabetes
insipidus stellt die exogene Zufuhr von ADH die
Konzentrationsfähigkeit der Nieren wieder her
(normale Urinosmolarität). Im Gegensatz dazu ist
die Urinosmolarität bei renalem Diabetes insipidus
auch nach ADH-Gabe vermindert.
222
Bei Diagnose eines zentralen Diabetes insipidus
sollte zum Ausschluss einer ZNS-Erkrankung eine
CT oder MRT des Schädels angefertigt werden.
Differenzialdiagnosen:
쐽 Diabetes mellitus (osmotische Diurese)
쐽 Diuretikaabusus (Anamnese)
쐽 psychogene Polydipsie (Anamnese)
Therapie:
쐽 zentraler Diabetes insipidus:
– Behandlung der Grunderkrankung (z. B.
Operation eines Hypophysenadenoms)
– Desmopression (Vasopressinanalogon) intranasal als Spray oder per os
쐽 renaler Diabetes insipidus:
– Therapie der Nierenerkrankung
– symptomatisch: Versuch mit Thiaziddiuretika.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fall
Hypophysentumoren
Hypophyseninsuffizienz (diagnostisches Vorgehen, Therapie)
Schwartz-Bartter-Syndrom
39
Antworten und Kommentar
Fall 39 Pneumothorax
39.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Pneumothorax: Die Röntgenaufnahme (s.
Abb. 39.2) zeigt auf der rechten Thoraxseite einen thoraxwandnahen Bereich mit vermehrter
Strahlentransparenz und fehlender Lungengefäßzeichnung, der von der Lunge durch einen
breiten Streifenschatten (Pleura visceralis, Pfeile) abgegrenzt ist. Wahrscheinlich handelt es
sich um einen idiopathischen Spontanpneumothorax, denn es gibt keinen Anhalt für ein
Thoraxtrauma und dies ist die häufigste Form
des Pneumothorax bei jungen Männern (80%).
Die Tachykardie sowie der systolisch erhöhte
Blutdruck sind Folgen der Schmerzen und der
Dyspnö.
39.2 Nennen Sie die Ursachen für diesen Befund!
쐽 keine erkennbare Ursache (idiopathischer
Spontanpneumothorax, s. Frage 39.1)
쐽 Lungenerkrankungen, z. B. COPD, Tbc. Der
Pneumothorax entsteht durch Überdehnung
der Lungen bzw. der Restlunge (symptomatischer Spontanpneumothorax, meist bei Älteren).
쐽 Trauma (traumatischer Pneumothorax):
– unfallbedingt, z. B. penetrierendes Thoraxtrauma, Rippenfraktur
– iatrogen, z. B. nach Pleurapunktion oder Anlage eines V.-subclavia-Katheters oder bei
einer Thorax- oder Herzoperation.
39.3 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es in
Abhängigkeit von der Ausprägung des Befundes?
쐽 bei Mantelpneumothorax bei fehlender respiratorischer Insuffizienz zunächst konservatives
Vorgehen – Bettruhe, Analgesie, Gabe von Antitussiva, Gabe von Sauerstoff (beschleunigt die
Resorption des Pneumothorax, weil Sauerstoff
Stickstoff aus dem Pleuraspalt verdrängt) – und
Kontrolle des Röntgenbefundes (unmittelbar
nach Anlage und vor Entfernung bzw. dem Abklemmen der Drainage)
Abb. 39.2
Röntgen-Thorax p.a.: Pneumothorax rechts
Fall 39 Seite 40
쐽 bei Pneumothorax mit Kollaps größerer Lun쐽 bei Spannungspneumothorax sofortige Pleugenanteile Bettruhe, Analgesie, Gabe von Antirapunktion (2. – 4. Interkostalraum) zur Drucktussiva und Sauerstoff, Anlage eines Pleurakaentlastung, dann Saug-Drainage
theters und Dauerabsaugung (Pleura- oder Bü쐽 bei Thoraxtrauma Anlage einer großlumigen
lau-Drainage = Saug-Drainage) sowie RöntgenThorax-Drainage, um auch Blut oder Sekret im
kontrolle. Bei entfalteter Lunge Abklemmen
Thoraxraum ableiten zu können, ggf. operative
der Saug-Drainage und erneute RöntgenkonVersorgung.
trolle im Intervall (nach 1 – 4 Stunden), dann
ggf. Ziehen der Drainage. Tritt trotz wiederhol- !!! 39.4 Worauf ist bei Anfertigung der ThoraxRöntgenaufnahme zu achten, wenn Verdacht auf
ter Saugdrainage ein Pneumothorax rezidivieoben genannten Befund besteht?
rend auf, muss eine operative Versorgung (z. B.
쐽 Die Aufnahme muss in Exspiration angefertigt
Resektion einer geplatzten Emphysemblase)
werden, da kleine Pneumothoraces häufig nur
erfolgen.
in Exspiration sichtbar sind.
KO M M E N TA R
Unter einem Pneumothorax versteht man eine
Luftansammlung im Pleuraspalt. Diese führt zu einem partiellen oder totalen Kollaps der Lunge.
Diagnostik: Der wichtigste Schritt auf dem Weg
zur Diagnose eines Pneumothorax ist, diese Diagnose in Betracht zu ziehen, denn bei flüchtiger und
Ein Spannungspneumothorax ist wegen des drohenden Schocks durch Gefäßkompression ein Notfall und bedarf einer umgehenden Entlastungspunktion mit möglichst dicker Braunüle (Technik
wie oben beschrieben) und anschließender Pleuradrainage.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen des Thoraxschmerzes
Lungenemphysem
Differenzialdiagnosen der oberen Einflussstauung
Fall 39 Seite 40
39
Antworten und Kommentar
Klinik: Der Pneumothorax äußert sich durch
plötzlich auftretende einseitige, stechende, evtl.
atemabhängige Thoraxschmerzen, die je nach
Ausmaß des Lungenkollapses von geringgradiger
bis starker Dyspnö begleitet sind. Bei Spannungspneumothorax finden sich zusätzlich zu ausgeprägter Dyspnö eine Halsvenenstauung, Zyanose
sowie evtl. Schockzeichen. Über der betroffenen
Lunge ist der Klopfschall hypersonor und das
Atemgeräusch abgeschwächt bis aufgehoben.
Therapie: Während kleinere Pneumothoraces sich
unter konservativer Behandlung (s. Frage 39.3) oft
schnell zurückbilden, ist bei ausgedehnterem Lungenkollaps meist die Anlage einer Pleuradrainage
erforderlich. Hierzu wird der Pleuraraum auf der
betroffenen Seite in der Medioklavikularlinie im 2.
oder 3. ICR am Oberrand der Rippe punktiert (subkostal liegen Nerven und Gefäße!). Über die Punktionskanüle wird ein Pleurakatheter eingebracht
und die Luft im Pleuraspalt mit Unterdruck (ca.
– 15 bis – 20 cm H2O) abgesaugt. Zeigt die Röntgenkontrolle (s. Frage 39.3), dass die Pleurablätter
wieder einander anliegen, wird der Pleurakatheter
abgeklemmt. Ist die Lunge dann weiterhin vollständig entfaltet, kann die Pleuradrainage gezogen
werden, andernfalls muss die Saug-Drainage fortgesetzt werden.
223
Fall
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 39.2. Bei Männern im Alter zwischen 20 und 40 Jahren tritt der
idiopathische Spontanpneumothorax gehäuft auf,
möglicherweise weil subpleural gelegene kleine
Emphysemblasen platzen. Bei einem Spannungspneumothorax wächst die intrapleurale Luftmenge kontinuierlich, da aufgrund eines Ventilmechanismus bei jeder Inspiration Luft über ein Leck in
den Pleuraspalt hineingelangen, bei der Exspiration jedoch nicht wieder entweichen kann. Hierdurch steigt der intrapleurale Druck, wodurch sich
das Mediastinum auf die kontralaterale Seite verlagert. Die Mediastinalverlagerung führt zur Kompression der kontralateralen Lunge und der V. cava.
Die Abnahme des venösen Rückstroms kann hämodynamisch relevant werden.
ungezielter Betrachtung eines Röntgenbildes in Inspiration ist ein kleiner Pneumothorax leicht zu
übersehen. Durch eine qualitativ gute Röntgenaufnahme des Thorax in Exspiration lässt er sich jedoch leicht nachweisen. Bei Spannungspneumothorax zeigt sich zusätzlich zu den in Frage 39.1 genannten Befunden eine Mediastinalverlagerung
zur gesunden Seite.
Fall 40 Supraventrikuläre Tachykardie (WPW-Syndrom)
40.1 Befunden Sie das EKG und stellen Sie eine
Verdachtsdiagnose!
쐽 Sinusrhythmus 87 Schläge/min, verkürzte PQZeit (⬍ 120 ms), Delta-Welle zu Beginn des
QRS-Komplexes (positiv in Ableitung I [Pfeil in
Abb. 40.2], aVL, V1 und V6, negativ in Ableitung
III, aVR und aVF), Kammerkomplex 120 ms, Repolarisationsstörungen (T-Negativierung) in
Ableitung I, aVL und V6. Aufgrund der verkürzten PQ-Zeit und der Delta-Welle mit positiver
Amplitude lautet die Verdachtsdiagnose
„Wolff-Parkinson-White (WPW)-Syndrom,
sternalpositiver Typ“.
224
Fall
40
Antworten und Kommentar
Abb. 40.2 EKG bei WPW-Syndrom (der Pfeil weist auf
die positive Delta-Welle)
40.2 Nennen Sie die 2 wahrscheinlichsten Ursachen der Tachykardie bei dieser Erkrankung
sowie die Mechanismen, die zur Entstehung der
Tachykardie führen!
1. atrioventrikuläre Reentry-Tachykardie: Mechanismus: kreisende Erregung (reentry), bei
der orthodromen Form durch antegrade Erregung des Ventrikels über den AV-Knoten und
retrograde Erregung der Vorhöfe über die akzessorische Leitungsbahn, bei der antidromen
Form durch antegrade Erregung des Ventrikels
über die akzessorische Leitungsbahn und retrograde Erregung der Vorhöfe über den AVKnoten
2. intermittierendes Vorhofflimmern: Mechanismus: schnelle Überleitung des Vorhofflimmerns über die akzessorische Leitungsbahn auf
den Ventrikel und intermittierende Überleitung über den AV-Knoten.
Fall 40 Seite 41
40.3 Welche anderen tachykarden Herzrhythmusstörungen kennen Sie? Begründen Sie anhand des jeweils typischen EKG-Befundes, warum diese Differenzialdiagnosen in dem hier beschriebenen Fall nicht zutreffen!
쐽 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT):
– im Intervall PQ-Zeit ⱕ 100 ms bei normal
breitem Kammerkomplex (ⱕ 100 ms)
– während der Tachykardie regelmäßige
Schlagfolge (gleiche RR-Abstände), schmale
QRS-Komplexe, in der Regel keine P-Wellen
(sind nicht sichtbar oder im Kammerkomplex versteckt; Ausnahme ist die sog. ungewöhnliche Form der AVNRT mit negativen
P-Wellen in Ableitung II, III, aVF)
쐽 Präexzitationssyndrome:
– Lown-Ganong-Levine (LGL)-Syndrom: verkürzte PQ-Zeit bei normalem QRS-Komplex
– Präexzitationssyndrom bei Mahaim-Bündel: Delta-Welle, PQ-Zeit aber normal
쐽 ektope Vorhoftachykardie: Während der Tachykardie sind P-Wellen mit monomorpher
Konfiguration sichtbar, jedoch unterscheidet
sich die Konfiguration von der der P-Wellen in
Phasen mit normofrequentem Sinusrhythmus.
Der QRS-Komplex entspricht dem bei Sinusrhythmus.
쐽 Sinustachykardie: sichtbare, normal konfigurierte P-Welle, Konfiguration des QRS-Komplexes unauffällig
쐽 Vorhofflattern: multiple sägezahnartig konfigurierte P-Wellen, RR-Abstände regelmäßig.
Der QRS-Komplex ist normal konfiguriert und
entspricht dem bei Sinusrhythmus.
쐽 Vorhofflimmern: absolute Arrhythmie (RR-Abstände unregelmäßig), keine P-Wellen sichtbar,
QRS normal konfiguriert
쐽 ventrikuläre Tachykardie: verbreiterter QRSKomplex bei normaler PQ-Zeit.
40.4 Was ist die medikamentöse Therapie der
Wahl bei anhaltender Tachykardie im Rahmen
der vermuteten Erkrankung? Welche Medikamente sind kontraindiziert?
쐽 Therapie der Wahl: Ajmalin
쐽 Kontraindiziert sind Medikamente, welche den
AV-Knoten blockieren (z. B. Verapamil, Digitalis, Adenosin), denn es besteht die Gefahr einer
1 : 1-Überleitung auf den Ventrikel über die akzessorische Leitungsbahn, d. h. die Gefahr einer
ventrikulären Tachykardie.
40.5 Was ist heute die Standardtherapie bei rezidivierenden Tachykardien im Rahmen dieser
Erkrankung?
쐽 Selektive Hochfrequenzkatheterablation der
akzessorischen Leitungsbahn.
KO M M E N TA R
Als supraventrikuläre Tachykardien (SVT) fasst
man Herzrythmusstörungen zusammen, die mit
einer Herzfrequenz über 100/min einhergehen
und ihren Ursprung proximal des His-Bündels nehmen.
Einteilung, Ätiologie und Klinik:
쐽 Sinustachykardie (Herzfrequenz ⬎ 100/min):
Die erhöhte Schrittmacherfrequenz des Sinusknotens hat zahlreiche Ursachen (Tab. 40.1). Sie
ist meist asymptomatisch.
Tab. 40.1 Sinustachykardie – Ursachen
(Alexander 1999)
physiologisch
– Säuglinge, Kleinkinder
– erhöhter Sympathikotonus
– körperliche oder psychische Belastung
Medikamente
– Atropin, Adrenalin, Chinidin u. a.
쐽 Vorhofflattern (Vorhoffrequenz 250 – 350/min
mit regelmäßiger Kammerfrequenz): s. Fall 107
쐽 Vorhofflimmern (Vorhoffrequenz ⬎ 350/min
mit unregelmäßiger Kammerfrequenz): s. Fall
129
쐽 paroxysmale SVT:
– ektope Vorhoftachykardie: Sie tritt vor allem
bei herzgesunden Säuglingen, Kindern und
Jugendlichen auf; im Erwachsenenalter bevorzugt bei linksventrikulärer Dysfunktion,
Cor pulmonale oder Digitalisintoxikation. Ein
oder mehrere ektope(r) Herd(e) generiert(en) zeitweise in einem Vorhof oder beiden Vorhöfen Erregungen mit höherer Frequenz als der Sinusknoten und wird (werden)
somit zum Schrittmacher. Symptome sind
abrupt auftretendes Herzrasen und Schwindel, selten Synkopen.
Diagnostik: Um eine tachykarde Herzrhythmusstörung richtig zuordnen zu können, müssen folgende Punkte bei der Analyse des EKGs beachtet
werden:
1. Breite des Kammerkomplexes (QRS): Ist dieser
verbreitert (QRS ⬎ 120 ms), liegt eine ventrikuläre Tachykardie oder ein Präexzitationssyndrom vor, letzteres jedoch nur, wenn das RS-Intervall ⬍ 70 ms, PR ⬍ RP und eine Schenkelblockkonfiguration erkennbar ist.
2. Abstand zwischen den Kammerkomplexen
(RR-Abstand gleichmäßig oder ungleichmäßig):
Ist der RR-Abstand ungleichmäßig und der Kammerkomplex schmal, liegt entweder ein Vorhofflimmern (keine P-Welle) oder eine ektope Vorhoftachykardie (P-Welle, atypisch konfiguriert)
vor. Bei unregelmäßigem RR-Abstand und breitem Kammerkomplex kann ein Vorhofflimmern
mit einem Schenkelblock vorliegen.
3. Vorhandensein und Konfiguration einer PWelle: Sind mehr P-Wellen als Kammerkomplexe erkennbar, liegt (bei schmalem Kammerkomplex) ein Vorhofflattern (Vorhoffrequenz
⬎ 250/min) oder eine Vorhoftachykardie (Vorhoffrequenz ⬍ 250/min) vor.
4. Abstand von Vorhoferregung (P) zu Kammererregung (R): Ist bei schmalem Kammerkomplex PR ⬍ RP, liegt ein Präexzitationssyndrom
vor. Ist PR ⬎ RP, liegt am ehesten eine ektope
Vorhoftachykardie vor. Liegt P im Kammerkomplex oder ist gar nicht erkennbar, dann liegt bei
schmalem Kammerkomplex und regelmäßigem
Fall 40 Seite 41
40
Antworten und Kommentar
pathologisch
– Hyperthyreose
– Hypovolämie (Schock, Blutung)
– Fieber (Anstieg um ca. 10 Schläge/min
pro Grad Celsius)
– Anämie
– Hypoxie
– Herzinsuffizienz
– Myokarditis
– hyperkinetisches Herzsyndrom
225
Fall
Genussmittel
– Koffein
– Nikotin
– Alkohol
– AV-Knoten-Reentry-Tachykardie
(AVNRT,
Frequenz 180 – 250/min): Elektrophysiologische Veränderungen im AV-Knoten führen
zu unterschiedlichen Erregungsleitungsgeschwindigkeiten innerhalb des AV-Knotens,
sodass kreisende Erregungen entstehen können. Die Betroffenen sind ansonsten herzgesund.
– Präexzitationssyndrome: Man unterscheidet das WPW-Syndrom (häufigste Form), das
Lown-Ganong-Levine (LGL)-Syndrom und
das Präexzitationssyndrom bei MahaimBündel. Zugrunde liegen akzessorische Leitungsbahnen, die zu einem „Bypass“ des AVKnotens führen: eine atrioventrikuläre Bahn
(Kent-Bündel) beim WPW-Syndrom, eine
atrionodale Bahn (James-Bündel) beim LGLSyndrom und eine atriofaszikuläre oder
atrioventrikuläre Bahn (Mahaim-Bündel).
Die meisten Betroffenen sind herzgesund, akzessorische Leitungsbahnen kommen jedoch
gehäuft bei Ebstein-Anomalie (Mahaim-Bündel!), Mitralklappenprolaps und hypertrophischer Kardiomyopathie vor. Symptome
sind anfallsartiges Herzrasen, Synkopen, selten Herzinsuffizienz oder plötzlicher Herztod
(ventrikuläre Tachykardie).
RR-Abstand eine AV-Knoten-Reentry-Tachykardie vor.
5. Morphologie des Kammerkomplexes (z. B. Delta-Welle oder Schenkelblock): Bei jeder tachykarden Herzrhythmusstörung mit breitem
Kammerkomplex und regelmäßigem RR-Abstand ist bis zum Beweis des Gegenteils ein ventrikulärer Ursprung und somit ein potenziell lebensbedrohliches Problem anzunehmen, das einer sofortigen therapeutischen Intervention bedarf.
226
Fall
41
Antworten und Kommentar
Im vorliegenden Fall weist die deutlich verkürzte
PQ-Zeit den Weg zur Diagnose „Präexzitationssyndrom“ und die Delta-Welle zu Beginn des Kammerkomplexes, die den Kammerkomplex – allerdings
oft nur in einigen Ableitungen – verbreitert, den
Weg zur Diagnose „WPW-Syndrom“. Verkürzte
PQ-Zeit und Delta-Welle sind Folge einer vorzeitigen Depolarisation des Ventrikels bei antegrader
Erregung über die akzessorische Leitungsbahn.
Therapie:
쐽 Sinustachykardie: Beseitigung der Ursache (s.
Tab. 40.1) bzw. bei hyperkinetischem Herzsyndrom einer funktionellen Störung, Gabe eines
β-Blockers
쐽 Vorhofflattern: s. Fall 107
쐽 Vorhofflimmern: s. Fall 129
쐽 paroxysmale SVT: Um eine paroxysmale Tachykardie bei ektoper Vorhoftachykardie oder AVKnoten-Reentry-Tachykardie zu beenden,
wendet man Maßnahmen an, die die AV-Überleitung verzögern, wie Druck auf einen Karotis-
sinus oder das Valsalva-Manöver (Bauchpresse
nach tiefer Inspiration bei geschlossener Glottis); bei Erfolglosigkeit injiziert man Adenosin
(6 – 12 mg) oder Verapamil (5 – 10 mg). Bleibt
dies erfolglos oder ist der Patient kreislaufinstabil, ist eine elektrische Kardioversion notwendig. Bei häufigen Rezidiven oder ausgeprägter
Symptomatik ist eine Prophylaxe mit Verapamil
oder β-Blocker indiziert.
쐽 Präexzitationssyndrome:
– WPW-Syndrom: Therapie der Wahl bei paroxysmaler atrioventrikulärer Reentry-Tachykardie ist Ajmalin i.v. (s. Frage 40.4). Die vor
allem auf den AV-Knoten gerichtete Wirkung
von Kalziumantagonisten, Digitalis oder Adenosin kann bei einem Präexzitationssyndrom
den Übergang der Erregung auf die akzessorische Bahn und damit eine 1:1-Überleitung
auf den Ventrikel mit myokardialem Pumpversagen bewirken. Bei häufigen Rezidiven
oder ausgeprägter Symptomatik ergibt sich
die Indikation zu einer Dauertherapie. Die selektive Hochfrequenzkatheterablation der
akzessorischen Leitungsbahn ist kurativ und
in ⬎ 95% der Fälle erfolgreich und gilt daher
heute als Therapie der Wahl zur Tachykardieprophylaxe.
– Lown-Ganong-Levine (LGL)-Syndrom: selektive Hochfrequenzablation der akzessorischen Leitungsbahn
– Präexzitationssyndrom bei Mahaim-Bündel:
selektive Hochfrequenzablation der akzessorischen Leitungsbahn.
Zusatzthemen für Lerngruppen:
Ventrikuläre Tachykardie (Ursachen, Diagnostik, Therapie)
Kardioversion/Defibrillation (praktisches Vorgehen)
Bradykarde Herzrhythmusstörungen
Fall 41 Reizdarmsyndrom
41.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
쐽 Reizdarmsyndrom (Colon irritabile), da eine
organische Darmerkrankung durch die Vordiagnostik weitestgehend ausgeschlossen ist und
das Reizdarmsyndrom bei passender Klinik
(Stuhlunregelmäßigkeiten, diffuse Unterbauchbeschwerden, Erleichterung durch Defäkation)
als Ausschlussdiagnose in Frage kommt.
41.2 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
쐽 Erste therapeutische Maßnahme muss sein,
dem Patienten das Gefühl zu geben, dass er mit
seiner Erkrankung ernst genommen wird und
ihn gleichzeitig über die Harmlosigkeit des Befundes (funktionelle Störung) und die Prognose
(s. Frage 41.3) zu informieren. Darüber hinaus
gibt es folgende Therapiemöglichkeiten:
Fall 41 Seite 42
– ggf. Psychotherapie (Gesprächstherapie,
Hypnose)
– Ernährungstherapie: Vermeidung subjektiv
unverträglicher Speisen
– bei starker Obstipation Gabe von Laxanzien
– bei ausgeprägten Darmkrämpfen Versuch
mit Butylscopolamin.
41.3 Wie ist die Prognose der vermuteten Erkrankung?
쐽 Sehr gut, da es sich um eine funktionelle Störung handelt; allerdings ist bei den meisten Patienten mit dem Fortbestand der Beschwerden
zu rechnen.
KO M M E N TA R
Von einem Reizdarmsyndrom (Colon irritabile)
spricht man bei chronischen gastrointestinalen
Symptomen, die sich nicht auf eine organische Ursache zurückführen lassen. Diese Diagnose ist eine
der häufigsten in der Gastroenterologie. Bis zu 20%
der erwachsenen Bevölkerung in den Industrienationen weisen die Symptome des Reizdarmsyndroms auf, wobei Frauen zweimal häufiger als
Männer betroffen sind.
Ätiologie: Sie ist unbekannt. Möglicherweise ist eine Motilitätsstörung des Darms für die Beschwerden mitverantwortlich. Das Syndrom tritt gehäuft
nach einer gastrointestinalen Infektion auf. Da vor
allem depressive und ängstliche Menschen betroffen sind und ein organisches Korrelat fehlt, wird
das Reizdarmsyndrom in die Gruppe der psychosomatischen Krankheitsbilder eingeordnet.
Klinik: s. Diagnostik.
– seit mindestens 3 Monaten fortdauernde
oder rezidivierend auftretende Bauchschmerzen oder Unwohlsein, die durch
Stuhlentleerung vermindert werden
und/oder mit einer veränderten Häufigkeit oder Konsistenz des Stuhls einhergehen
und
– unregelmäßige Veränderungen des
Stuhlgangs während mindestens 1/4 der
Zeit und mindestens 2 der folgenden Kriterien:
앫 veränderte Häufigkeit des Stuhlgangs
앫 veränderte Konsistenz des Stuhlgangs (fest oder dünn/wässrig)
앫 veränderte Stuhlpassage (starkes
Pressen, plötzlicher imperativer
Stuhldrang, Gefühl der unvollständigen Darmentleerung)
– Schleimausscheidung
Erkrankung
Befund/Hinweise
Neoplasien
(Adenome,
Karzinome)
höheres Lebensalter
Reiz-
chronisch-enthäufig jüngere Patienzündliche Darm- ten, meist mit „Alarmerkrankung
symptomen“
(Fieber, Blut im Stuhl,
nächtliches Auftreten
der Symptome) einhergehend
Angina
abdominalis
postprandialer Dauerschmerz und Gewichtsverlust
unerwünschte
Medikamentenwirkung
gründliche Anamnese
Zöliakie (einhei- Gewichtsabnahme, Antimische Sprue)
körper gegen Gliadin
und Endomysium, tiefe
Duodenalbiopsie
Laktoseintoleranz
Anamnese (Auftreten
nach Milchgenuss), zeitlich begrenzter Versuch
einer laktosefreien Diät,
Laktose-H2-Atemtest
bakterielle Fehlbesiedlung
Diarrhö, meist mit Gewichtsabnahme, häufig
bei Diabetes mellitus,
H2-Atemtest
Infektionen
Stuhluntersuchung, evtl.
Untersuchung des Duodenalsaftes (Lamblien)
Endometriose
synchrones Auftreten
der Beschwerden mit
der Menstruation
psychiatrische
Erkrankungen
schwierige Abgrenzung
bei somatisierter Depression oder sog.
„panic disorder“
– Blähungen oder „Trommelbauch“
Fall 41 Seite 42
227
41
Antworten und Kommentar
Tab. 41.1 Diagnose Reizdarmsyndrom –
Kriterien (Alexander 1999)
Tab. 41.2 Differenzialdiagnose des
darmsyndroms (Alexander 1999)
Fall
Diagnostik: „Reizdarmsyndrom“ ist eine Ausschlussdiagnose. Daher sollten als Minimalprogramm die im obigen Fall durchgeführten Untersuchungen veranlasst werden. Die Diagnose beruht
auf klinischen Kriterien (ROM-II-Kriterien,
Tab. 41.1).
Differenzialdiagnosen: s. Tab. 41.2.
Therapie: Eine effektive Therapie des Reizdarmsyndroms ist nicht bekannt. Medikamente wie
Prokinetika (z. B. Metoclopramid) oder Spasmolytika (z. B. Butylscopolamin) sind meist auf Dauer
unwirksam. Einige Patienten profitieren von einer
Gesprächspsychotherapie, viele Patienten sind einer solchen Therapie aber nicht zugänglich und
fühlen sich als „geisteskrank“ abgestempelt. Die
vielfach vorbestehende depressive Grundhaltung
erschwert die Behandlung zusätzlich. Wichtig ist,
dem Patienten zu vermitteln, dass man den durch
die Beschwerden hervorgerufenen Leidensdruck
ernst nimmt, den Beschwerden aber keine gefährliche Erkrankung zugrunde liegt.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Obstipation (Differenzialdiagnosen, Therapie)
Sprue (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Motilitätsstörungen
Fall 42 Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)
228
Fall
42
42.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und
was ist die Ursache der Erkrankung?
쐽 Verdachtsdiagnose: Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)
쐽 Ursache: FSME-Virus, ein zu den Flaviviren
zählendes Arbovirus (arthropod-borne virus).
Antworten und Kommentar
42.2 Welche andere durch Zecken übertragene
Erkrankung mit z. T. ähnlicher Symptomatik
kennen Sie? Begründen Sie, weshalb diese Erkrankung bei diesem Patienten höchstwahrscheinlich nicht vorliegt!
쐽 Meningitis, Enzephalitis oder Meningoenzephalitis im Rahmen einer Borreliose (Neuroborreliose)
쐽 Eine Neuroborreliose ist bei diesem Patienten
unwahrscheinlich, denn
– Meningitis, Enzephalitis oder Meningoenzephalitis sind mögliche Manifestationen der
Stadien II und III einer Borreliose und treten
somit erst Monate bis Jahre und nicht bereits wenige Tage nach dem Zeckenbiss auf
– die Anamnese liefert keinen Hinweis auf eine Borrelieninfektion (in Form eines früheren Zeckenbisses oder eines Erythema migrans). Allerdings: Zeckenbiss wird oft nicht
bemerkt, nicht jedes Stadium wird zwingend durchlaufen.
42.3 Nennen Sie mindestens 3 Meningismuszeichen!
1. Lasègue-Zeichen: Schmerz im Bein, Rücken
oder in der Glutealregion bei passivem Anheben eines Beins durch den Untersucher; bei
Meningitis beidseits positiv
2. Steifigkeit des Nackens bei passiver Beugung
der Halswirbelsäule nach ventral
3. Kernig-Zeichen: reflektorische Beugung im
Kniegelenk bei passivem Anheben des Beins
durch den Untersucher
4. Brudzinski-Zeichen: reflektorische Kniebeugung bei passiver Beugung der Halswirbelsäule
nach ventral.
42.4. Unter welchen Umständen ist eine Impfung zur Prophylaxe sinnvoll?
쐽 aktive Immunisierung: Indikation nur bei Risiko einer Exposition gegenüber Zeckenbissen,
z. B. bei Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft, Jägern oder Wanderern in FSME-Risikogebieten (Süddeutschland, Österreich).
쐽 passive Immunisierung mit FSME-Immunglobulinen bis zu 96 Stunden nach einem Zeckenbiss in Risikogebieten.
KO M M E N TA R
Die Frühsommermeningoenzephalitis ist eine
nach Zeckenbiss auftretende Virusinfektion, die
zur Entzündung der Hirnhäute und des Hirnparenchyms führen kann.
Zeckenbiss in weniger als 1% der Fälle zu einer
FSME-Infektion. Da die Zecken vor allem in den
Sommermonaten aktiv sind, tritt die Erkrankung
vor allem von Juni bis September auf.
Ätiologie: Erreger ist das FSME-Virus, das durch
die häufigste Zeckenart Mitteleuropas, Ixodes ricinus (gemeiner Holzbock), übertragen wird. Es ist in
Teilen Süddeutschlands (Bayern, Baden-Württemberg), Österreich und Osteuropa endemisch und
befällt dort ca. 5% der Zeckenpopulation. Aber
selbst in Endemiegebieten kommt es nach einem
Klinik: Meist verläuft die FSME-Infektion asymptomatisch. Bei symptomatischen Verläufen ist ein
zweiphasiger Krankheitsverlauf charakteristisch:
Die 1. Krankheitsphase beginnt 1 – 2 Wochen nach
einem Zeckenbiss und ist durch grippeähnliche
Symptome (Kopf- und Gliederschmerzen, Husten,
Fieber) charakterisiert, die maximal 1 Woche an-
Fall 42 Seite 43
dauern. Nach einem fieberfreien Intervall von
1 – 2 Wochen schließt sich bei ca. 10% der symptomatischen Patienten die 2. Krankheitsphase an,
die mit neurologischen Symptomen einhergeht:
Bei Meningitis stehen Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit, bei Enzephalitis Bewusstseinsstörungen, Krampfanfälle oder Psychosen im Vordergrund. Selten treten auch schlaffe Paresen als Zeichen einer Myelitis auf. Typischerweise heilen die
neurologischen Symptome innerhalb von 2 Wochen folgenlos aus.
Diagnostik: Die Diagnose kann durch Nachweis
von anti-FSME-Virus-Antikörpern der Subklasse
IgM gesichert werden. Die Liquoranalyse zeigt im
Falle einer Meningitis wie bei anderen viralen Meningitiden eine lymphozytäre Pleozytose.
Therapie: Da eine spezifische Therapie nicht bekannt ist, erfolgt die Behandlung symptomatisch
(z. B. Schmerzmedikation, fiebersenkende Maßnahmen). Im Falle eines Zeckenbisses in Endemiegebieten kann postexpositionell bis 96 Stunden
nach dem Zeckenbiss anti-FSME-Immunglobulin
verabreicht werden.
Prophylaxe: Wirksamen Schutz vor einer FSME-Infektion bietet die aktive Immunisierung. Da jedoch
wiederholt eine Impfreaktion mit neurologischen
Symptomen ähnlich einer FSME-Infektion beobachtet wurde, wird die aktive FSME-Immunisierung nicht generell empfohlen. Sie sollte bei allen
in Endemiegebieten lebenden Personen mit möglicher Zeckenexposition (beruflich oder privat) vorgenommen werden.
Zeckenbisse lassen sich durch langärmelige Oberbekleidung und lange Hosen vermeiden. Nach
Wanderungen durch hohes Gras oder Strauchwerk
sollte man die Haut sorgfältig inspizieren und Zecken umgehend durch drehende Bewegungen mit
einer Pinzette entfernen, ohne sie zu quetschen. So
lässt sich die Zahl der ins Blut übertretenden Viren
minimieren.
Erkrankung an und Tod durch FSME sind meldepflichtig.
Fall
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Neuroborreliose
Lyme-Arthritis
Tollwut
Reiseimpfungen
43
43.2 In welche Gruppe von Erkrankungen
würden Sie die Erkrankung einordnen?
쐽 Non-Hodgkin-Lymphome.
43.3 Welche Erkrankungen kommen differenzialdiagnostisch noch in Betracht?
쐽 andere Non-Hodgkin-Lymphome (andere
Oberflächenexpressionsmarker der Zellen, Abgrenzung durch Immunzytologie)
쐽 chronische lymphatische Leukämie (Abgrenzung durch Immunphänotypisierung)
쐽 myelodysplastisches Syndrom (dysplastische
Zellen im Knochenmark)
쐽 Osteomyelosklerose (Knochenmarkhistologie
und -zytologie).
43.4 Wie wird die Erkrankung typischerweise
behandelt?
쐽 Interferon-α als Primärtherapie
쐽 Purinanaloga (z. B. Cladribin) bei unzureichendem Ansprechen auf Interferon-α.
KO M M E N TA R
Bei dem im Fallbeispiel beschriebenen Patienten
liegt eine Haarzell-Leukämie vor. Sie zählt zu den
Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL), einer heterogenen Gruppe von Erkrankungen, die durch autono-
me Proliferation eines Zellklons der Lymphopoese
gekennzeichnet sind und bei denen die histologischen Charakteristika des Hodgkin-Lymphoms (s.
Fall 9) fehlen.
Fall 43 Seite 44
Antworten und Kommentar
Fall 43 Non-Hodgkin-Lymphom (Haarzell-Leukämie)
43.1 Welche Erkrankung liegt vor?
쐽 Haarzell-Leukämie, denn bei dem Patienten
liegen erkrankungstypische Befunde vor: Splenomegalie, Panzytopenie und im peripheren
Blut lymphoide Zellen mit haarförmigen Zytoplasmaausläufern, in denen sich auch nach Behandlung mit Tartrat saure Phosphatase nachweisen lässt (tartratresistente Saure-Phosphatase-Reaktion).
229
Ätiologie: Sie ist meist unbekannt. Prädisponierende Faktoren sind lang dauernde Immunsuppression, z. B. nach Organtransplantation, Defekte
des Immunsystems (z. B. AIDS) und Autoimmunerkrankungen. Bei manchen NHL scheint eine chronische Virusinfektion eine ursächliche Rolle zu
spielen (EBV-Infektion beim Burkitt-Lymphom in
Afrika, HTLV-1-Infektion beim adulten T-Zell-Lymphom).
Einteilung: NHL werden nach histopathologischen
Gesichtspunkten (Tab. 43.1) und klinischen Gesichtspunkten (Tab. 43.2) eingeteilt. Die histopathologische Klassifikation der WHO basiert auf der
REAL (Revised European American Lymphoma)Klassifikation und schließt das Hodgkin-Lymphom
und Plasmazell-Neoplasien ein. Die Haarzell-Leukämie ist ein niedrigmalignes Non-Hodgkin-Lymphom vom B-Zelltyp.
230
Tab. 43.1 Klassifikation der lymphatischen Neoplasien* (WHO 1999) (Greten 2002)
Einteilung
Fall
43
Klinik: NHL treten besonders bei Älteren auf, der
Altersgipfel liegt in der 7. Lebensdekade. Männer
sind häufiger betroffen als Frauen. Häufig finden
sich Allgemeinsymptome (sog. B-Symptome) wie
Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß. Die Symptomatik
hängt auch von der Lokalisation des Lymphoms ab.
Bei der Mycosis fungoides z. B. finden sich erythematosquamöse Hautplaques (Epidermisinfiltrate).
Durch Infiltration von Leber, Milz und Lymphknoten mit den malignen Zellen kommt es zu Hepatound/oder Splenomegalie und Lymphknotenschwellungen, durch Verdrängung der normalen
Hämatopoese zu Anämie, Infektanfälligkeit (Neutropenie) und Blutungen (Thrombopenie). Bei der
Haarzell-Leukämie stellen Infektionen eine häufige Todesursache dar; häufig verläuft die Erkrankung jedoch initial symptomlos und schleichend.
Neoplasie
B-Zell-Neoplasien
Antworten und Kommentar
Vorläufer-B-Zell-Neoplasien
앫 Vorläufer-B-lymphoblastisches Lymphom/VorläuferB-lymphoblastische Leukämie
reife (periphere) B-ZellNeoplasien
앫 lymphozytisches Lymphom (Immunozytom)/
chronische lymphatische B-Zell-Leukämie (CLL),
앫 Haarzell-Leukämie,
앫 Plasma-Zell-Myelom/Plasmozytom,
앫 extranodales Lymphom vom MALT-Typ,
앫 follikuläres Lymphom (zentroblastisch-zentrozytisches
Lymphom),
앫 Mantelzell-Lymphom (zentrozytisches Lymphom),
앫 diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom (zentroblastisch/immunoblastisches Lymphom),
앫 Burkitt-Lymphom/Burkitt-Zell-Leukämie
T-Zell- und NK-Zell-Neoplasien
Vorläufer-T-Zell-Neoplasien
앫 Vorläufer-T-lymphoblastische(s) Leukämie/Lymphom
reife (periphere) T-ZellNeoplasien
앫 Mycosis fungoides/Sézary-Syndrom,
앫 peripheres T-Zell-Lymphom, nicht anderweitig
charakterisiert,
앫 angioimmunoblastisches T-Zell-Lymphom,
앫 anaplastisches großzelliges Lymphom, T-/Null-ZellTyp
Morbus Hodgkin
s. Fall 9
* Diese Tabelle enthält nur die häufigeren Entitäten. Bezüglich der seltenen Entitäten wird auf die hämatopathologische Fachliteratur verwiesen. Für die wichtigsten Erkrankungen werden die abweichenden Bezeichnungen der zuvor üblicherweise verwendeten Kiel-Klassifikation kursiv angegeben.
Fall 43 Seite 44
Tab. 43.2 Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome nach klinischen Gesichtspunkten
(Hahn 2000)
B-Zell-Reihe (ca. 80%)
T-Zell-Reihe (ca. 20%)
Indolente Lymphome (niedrigmalignen NHL zugeordnet)
–
–
–
–
Chronische lymphatische Leukämie
Immunozytom (Morbus Waldenström)
Haarzell-Leukämie
Marginalzonen-B-Zell-Lymphome
앫 extranodal (MALT)
앫 nodal (monozytoid)
– Follikuläre Keimzentrumslymphome
Grad I und II
– Mycosis fungoides
– Chronische adulte T-Zell-Leukämie/Lymphome
Aggressive Lymphome (niedrig-/hochmalignen NHL zugeordnet)
–
–
–
–
–
Unspezifizierte T-Zell-Lymphome
Angioimmunoblastisches Lymphom
Angiozentrisches Lymphom
Intestinales T-Zell-Lymphom
Anaplastisches großzelliges T- und NullZell-Lymphom
43
– Vorläuferzell-T-lymphoblastisches
Lymphom
– Adultes T-Zell-Lymphom/Leukämie
Diagnostik: Bei V. a. NHL müssen alle Lymphknotenregionen palpiert und ein vergrößerter Lymphknoten zwecks histologischer Untersuchung entnommen werden, denn nur so lässt sich die Diagnose sichern. Bei V. a. Haarzell-Leukämie ist die Untersuchung des Blutausstrichs die entscheidende
diagnostische Maßnahme (s. Frage 43.1). Fluoreszenzzytometrisch lässt sich ein typisches Zelloberflächenmarkerprofil (CD103, CD19 u. a.) nachweisen.
Nach Diagnose eines NHL sind folgende StagingUntersuchungen erforderlich:
쐽 Laboruntersuchungen: BSG (evtl. beschleunigt), Differenzialblutbild (Zytopenie?); spezielle Tumormarker existieren nicht.
쐽 Röntgen-Thorax in 2 Ebenen zum Ausschluss
bzw. Nachweis vergrößerter Hiluslymphknoten
쐽 Abdomensonographie zum Ausschluss bzw.
Nachweis vergrößerter Lymphknoten (Abb.
43.1)
쐽 Knochenmarkpunktion und -analyse: Bei Haarzell-Leukämie ist die Knochenmarkpunktion
aufgrund einer Infiltration mit malignen Zellen
Abb. 43.1 Ausgeprägter Lymphombefall der paraaortalen Lymphknotenregion (L) sowie des Mesenteriums
(MES) bei Non-Hodgkin-Lymphom (WS = Wirbelsäule)
Fall 43 Seite 44
Antworten und Kommentar
Sehr aggressive Lymphome (hochmalignen NHL zugeordnet)
– Vorläuferzell-B-lymphoblastisches
Lymphom
– Burkitt-Lymphom
231
Fall
– Plasmozytom/multiples Myelom
– Mantelzellenlymphom
– Follikuläres Keimzentrumslymphom
Grad III
– Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom
(einschl. immunoblastisches, zentroblastisches und diffuses großzelliges
Lymphom)
– Mediastinales B-Zell-Lymphom
– Burkitt-ähnliches B-Zell-Lymphom
und einer Vermehrung retikulärer Fasern häufig
wenig ergiebig (Punctio sicca).
Differenzialdiagnosen: Es kommen alle Ursachen
einer Lymphknotenschwellung in Betracht: die in
Frage 43.3 genannten Ursachen, außerdem Infektionen (bakterielle, insbesondere Tbc; virale, z. B.
infektiöse Mononukleose), Metastasen eines extralymphatischen Tumors, Hodgkin-Lymphom
und akute oder chronische Leukämie.
Therapie: Sie richtet sich nach dem histologischen
Typ und dem Malignitätsgrad des Lymphoms
(Tab. 43.3).
Bei der Haarzell-Leukämie ergibt sich eine Therapieindikation aufgrund der insgesamt günstigen
Prognose erst beim Auftreten von Symptomen, einer höhergradigen Anämie, Neutropenie oder
Thrombopenie sowie bei rezidivierenden Infektionen. Typisch ist das fehlende Ansprechen auf eine
konventionelle Chemotherapie, die daher bei die-
232
Prognose: Auch sie hängt vom histologischen Typ
und vom Malignitätsgrad des Lymphoms ab. Niedrigmaligne NHL zeigen auch ohne Therapie eine
langsame Progression, hochmaligne zeigen eine
rasche Progression bei einer Heilungsrate von maximal 50%. Die Lebenserwartung von Patienten mit
Haarzell-Leukämie ist nach einer Behandlung mit
Interferon-α oder Purinanaloga meist nicht eingeschränkt.
Tab. 43.3 Therapie der Non-Hodgkin-Lymphome (Hahn 2000)
Stadium
Therapieverfahren
I und II
Bestrahlung
III und IV
Chemotherapie (z. B. Knospe, COP) meist nur bei rascher Progression, Knochenmarkbeteiligung, B-Symptomen, Beschwerden bei großen Lymphomen oder Splenomegalie, ausgeprägter Paraproteinämie. Ansonsten zuwarten und regelmäßige
Kontrollen.
IA
Bestrahlung
IB-IV
Chemotherapie (z. B. CHOP) ggf. mit Bestrahlung
Fall
44
ser Erkrankung als obsolet gilt. Die Behandlung erfolgt typischerweise mit Interferon-α oder Purinanaloga. Interferon-α führt bei über 80% der Patienten innerhalb von 4 – 6 Monaten zu einer Normalisierung des Blutbildes und der Milzgröße.
Auch Purinanaloga wie Cladribin führen in 85% der
Fälle zu einer Remission. Die Anwendung von Cladribin als Therapie der ersten Wahl ist in Deutschland jedoch wegen gehäufter Infektionen derzeit
noch umstritten.
niedrigmaligne NHL
Antworten und Kommentar
hochmaligne NHL
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N :
Hodgkin-Lymphom
Infektiöse Mononukleose
Sarkoidose
Fall 44 Sjögren-Syndrom
44.1 Welche Erkrankung könnte bei der Patientin vorliegen?
쐽 Sjögren-Syndrom, denn Mundtrockenheit und
trockenes Auge (Sicca-Symptomatik) sind Leitsymptome dieses Syndroms. Die Mundtrockenheit führt zu vermehrter Karies und Zungenfissuren, das trockene Auge zu Rötung, Brennen
und Fremdkörpergefühl. Der Reizhusten ist
wahrscheinlich Folge der verminderten
Schleimproduktion durch die Tracheobronchialdrüsen. Auch die Arthralgien und die LaborFall 44 Seite 45
befunde (BSG-, CRP- und γ-Globulinerhöhung,
Autoantikörper) passen zu dieser Diagnose.
Wahrscheinlich liegt ein primäres Sjögren-Syndrom vor, da antinukleäre Antikörper nachweisbar sind.
44.2 Nennen Sie eine einfache Untersuchungstechnik zur Objektivierung der verminderten
Tränenproduktion!
쐽 Schirmer-Test: verminderte Tränenbenetzung
(⬍ 5 mm/5 min) eines in den unteren Bindehautsack eingelegten Filterpapierstreifens.
44.3 Welche 3 weiteren diagnostischen Maßnahmen können zur weiteren Abklärung durchgeführt werden?
쐽 Speicheldrüsenszintigraphie: Nachweis einer
verminderten Sekretion
쐽 Speicheldrüsenbiopsie: Nachweis einer Infiltration mit Lymphozyten und Plasmazellen
쐽 Sonographie oder MRT der Speicheldrüsen:
Vergrößerung, Strukturveränderung.
!!! 44.4 Welche weiteren Autoantikörper sind für
die vermutete Erkrankung besonders typisch?
쐽 Antikörper gegen La(SS-B)-Antigene: sehr spezifisch und typisch für das primäre Sjögren-Syndrom, bei bis zu 70% der Patienten vorhanden
쐽 Antikörper gegen Ro(SS-A)-Antigene: weniger
spezifisch, auch bei anderen Kollagenosen (z. B.
SLE) nachweisbar, bei bis zu 70% der Patienten
mit Sjögren-Syndrom vorhanden.
쐽 anti-α-Fodrin-Antikörper: sehr sensitiv
44.5 Wie kann die Erkrankung behandelt werden?
쐽 künstliche Tränen als Tropfen oder Gel
쐽 neuer Therapieansatz: Stimulation der Drüsensekretionsleistung durch Pilocarpin
쐽 Immunsuppressiva (Cyclophosphamid) nur bei
schwerer sekundärer Vaskulitis oder Beteiligung innerer Organe (z. B. Pankreatitis, interstitielle Nephritis, primäre biliäre Zirrhose, interstitielle Lungenerkrankung); geringer Effekt
auf die Sicca-Symptomatik
쐽 Antimalariamittel (z. B. Hydroxychloroquin) bei
Arthralgien.
KO M M E N TA R
Das Sjögren-Syndrom ist eine zu den Kollagenosen
zählende Autoimmunerkrankung, die vor allem
exokrine Drüsen betrifft und mit trockenem Auge
(Xerophthalmie) und Keratokonjunctivitis sicca infolge einer Dacryoadenitis sicca sowie Mundtrockenheit (Xerostomie) infolge einer Sialadenitis
sicca einhergeht.
Klinik: s. Fall. Die Entzündung der Drüsen führt zu
charakteristischen rezidivierenden, symmetrischen und schmerzhaften Schwellungen der
Speicheldrüsen, bevorzugt der Ohrspeicheldrüsen
(Abb. 44.1). Arthritiden oder Arthralgien sind häufig, Entzündungen innerer Organe (s. Frage 44.5)
selten. Nach jahrelanger Erkrankung kann ein NonHodgkin-Lymphom auftreten.
Diagnostik: s. Frage 44.1 – 44.4. Antinukleäre Antikörper werden bei primärem Sjögren-Syndrom
44
Abb. 44.1 Beidseitige
Parotisschwellung bei
Sjögren-Syndrom
fast regelhaft nachgewiesen, sind hierfür aber
nicht spezifisch; sie treten auch bei anderen Kollagenosen, z. T. auch bei klinisch Gesunden auf. Da
keiner der Antikörper für die Erkrankung zu 100%
sensitiv und spezifisch ist, muss die Diagnose durch
funktionelle Tests oder eine Biopsie gesichert werden. Eine Xerophthalmie allein reicht zur Stellung
der Diagnose nicht aus, da das Syndrom des trockenen Auges bei über 10% der Bevölkerung vorkommt.
Bei positivem Ausfall des Schirmer-Tests (s. Frage
44.2) kann das Sekretionsdefizit der Speicheldrüsen mittels Speicheldrüsenszintigraphie verifiziert werden. Der Nachweis eines Lymphozyteninfiltrats in einer Speicheldrüse (Biopsie) macht die
Diagnose „Sjögren-Syndrom“ wahrscheinlich.
Therapie: s. Frage 44.5.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Mumps
Differenzialdiagnosen der Kollagenosen
Differenzialdiagnosen des chronischen Hustens
Fall 44 Seite 45
Antworten und Kommentar
Pathogenese: Autoantikörper gegen die Epithelzellen der Ausführungsgänge von Tränen- und
Speicheldrüsen induzieren eine Immunreaktion,
die mit einer Lymphozyteninfiltration und einer
verminderten Sekretionsleistung dieser Drüsen
einhergeht. Auch andere exokrine Drüsen können
betroffen sein (z. B. Tracheobronchialdrüsen, wie
bei der beschriebenen Patientin, Pankreas).
Fall
Ätiologie: Sie ist unbekannt. Man unterscheidet
das primäre Sjögren-Syndrom, das als eigenständiges Krankheitsbild auftritt, und das sekundäre Sjögren-Syndrom, das im Rahmen anderer entzündlich-rheumatischer Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis oder anderer Kollagenosen auftritt.
233
Fall 45 Pneumonie (ambulant erworben)
45.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Pneumonie, da Fieber, Schüttelfrost und Husten bestehen und das Sputum eitrig ist. Wahrscheinlich liegt eine Lobärpneumonie im rechten Lungenunterlappen vor, da im Bereich dieses Lappens klingende Rasselgeräusche zu hören sind. Diese entstehen bei Infiltration des
Lungengewebes (infiltriertes Gewebe leitet den
Schall besonders gut), wie sie für die Pneumonie typisch ist.
234
Fall
45
45.2 Welche 4 weiteren Untersuchungen würden Sie bei diesem Patienten durchführen? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
1. Röntgenaufnahme des Thorax zum Nachweis
eines pneumonischen Infiltrates
2. Blutkultur und Sputumkultur zwecks Erregernachweis
3. Labordiagnostik zum Nachweis einer akuten
Entzündung, zur Kontrolle der Funktion wichtiger Organe (Niere, Leber) und zum Ausschluss einer parainfektiösen Gerinnungsstörung: CRP, BSG, Blutbild, Kreatinin, Harnstoff,
Elektrolyte, Glukose, GOT,GPT, Quick bzw. INR,
PTT
4. Blutgasanalyse zur Erfassung einer respiratorischen Insuffizienz.
45.3 Was ist der häufigste „Auslöser“ der vermuteten Erkrankung?
쐽 Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae),
da die Pneumonie ambulant erworben wurde.
45.4 Machen Sie einen Therapievorschlag!
쐽 Antibiotikatherapie: zunächst blind, d. h. je
nach vermutetem Erreger: Bei V. a. Pneumokokkenpneumonie ist Penicillin G Mittel der
ersten Wahl. In Abhängigkeit vom Ergebnis der
mikrobiologischen Untersuchung (Resistenz?)
ggf. auf anderes Antibiotikum umsteigen.
쐽 fiebersenkende Maßnahmen: Wadenwickel,
Paracetamol
쐽 Patienten anweisen, viel zu trinken (Fieber!),
sonst erschwerte Mukolyse und Gefahr der
prärenalen Niereninsuffizienz
쐽 bei reduziertem Allgemeinzustand oder respiratorischer Insuffizienz Klinikeinweisung zur
stationären Behandlung, dort parenterale Flüssigkeitszufuhr, Sauerstoffzufuhr, Thrombembolieprophylaxe, Atemtraining.
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Unter einer Pneumonie versteht man eine durch
Mikroorganismen verursachte Entzündung des am
Gasaustausch beteiligten Lungenparenchyms. Eine
Entzündung des Lungeninterstitiums bezeichnet
man als interstitielle Lungenerkrankung.
Einteilung: Pneumonien werden nach folgenden
Gesichtspunkten eingeteilt:
쐽 nach der Ätiologie in primäre, d. h. ohne Lungenvorschädigung auftretende, und sekundäre
Pneumonie (mit Lungenvorschädigung)
쐽 nach dem pathologischen Befund (Verteilungsmuster) in lobäre bzw. segmentale (typische)
und nichtlobäre bzw. nichtsegmentale (atypische) Pneumonie
쐽 nach epidemiologischen Gesichtspunkten in
ambulant erworbene und im Krankenhaus erworbene (nosokomiale) Pneumonie.
Ätiologie: Häufigster Erreger einer ambulant erworbenen Pneumonie ist Streptococcus pneumoniae. Die Pneumokokkenpneumonie ist eine klassische Lobärpneumonie. Weitere Erreger sind Haemophilus influenzae, Anaerobier, Legionellen,
Chlamydien und Mykoplasmen. Typische Erreger
nosokomialer Pneumonien sind gramnegative
Bakterien und Staphylococcus aureus. Bei Immunsuppression kommen neben gramnegativen Bak-
Fall 45 Seite 46
terien, Mykobakterien und Pneumocystis carinii
Viren (z. B. CMV) und Pilze (z. B. Candida, Cryptococcus neoformans) als Erreger in Betracht.
Klinik: Die Pneumokkenpneumonie beginnt akut
mit hohem Fieber, Schüttelfrost, eitrigem Sputum,
Dyspnö, Zyanose und atemabhängigen Thoraxschmerzen. Im Gegensatz dazu beginnen durch
andere Erreger (z. B. Mykoplasmen, Viren) bedingte Pneumonien eher schleichend mit trockenem
Husten (kaum Auswurf) und subfebrilen Temperaturen.
Diagnostik: s. auch Frage 45.2. Anamnese und körperliche Untersuchung geben Hinweise auf die Art
und Ursache der Erkrankung: Einseitig auskultierbare Rasselgeräusche in Projektion auf ein umschriebenes Lungensegment und ggf. gedämpfter
Klopfschall weisen zusammen mit Husten, putridem Sputum und hohem, akut einsetzenden Fieber
auf eine Pneumokokkenpneumonie hin, trockener
Husten und subfebrile Temperaturen bei geringem
Auskultationsbefund auf durch andere Erreger bedingte Pneumonien. Um die Diagnose „Pneumonie“ zu sichern und Ausmaß und Verteilung der infiltrativen Veränderungen abschätzen zu können,
muss eine Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen angefertigt werden. Bei Pneumokkenpneumo-
a
b
Abb. 45.1
a Pneumokokkenpneumonie, b Mykoplasmenpneumonie
235
Therapie: s. Frage 45.4. Mittel der Wahl bei Pneumokokkenpneumonie ist aufgrund seiner ausgeprägten bakteriziden Wirkung auch heute noch Penicillin G, da andere Antibiotika deutlich höhere
minimale Hemmkonzentrationen gegen Pneumokokken aufweisen. Da Penicillin-resistente Pneumokokken auch in Deutschland zunehmen, sollte
dem Ergebnis der Resistenztestung Beachtung geschenkt und die antibiotische Therapie ggf. umgestellt werden. Bei Penicillinallergie können Makrolide (z. B. Clarithromycin) eingesetzt werden. Makrolide gelten auch als Mittel der ersten Wahl zur
Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie, wenn kein verwertbares Grampräparat vorliegt, eine Infektion mit Streptococcus pneumoniae
weniger wahrscheinlich erscheint oder das Bild einer atypischen Pneumonie vorliegt. Zur Therapie
der nosokomialen Pneumonie s. Fall 137.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Nosokomiale Pneumonie (Erreger, Therapie)
Aspirationspneumonie (Diagnostik, Therapie)
ARDS (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Legionellose (Pathogenese, Verlaufsformen, Diagnostik, Therapie)
Fall 45 Seite 46
45
Antworten und Kommentar
Differenzialdiagnosen: In Betracht kommen Tuberkulose, Infarktpneumonie, eine Pneumonie im
Rahmen einer Bronchialobstruktion (Bronchialkarzinom) und eine Aspirationspneumonie. Im
vorliegenden Fall kommt allenfalls eine entzündliche Herzerkrankung (Myokarditis, Endokarditis)
mit konsekutiver Linksherzinsuffizienz in Frage,
die Einseitigkeit des Auskultationsbefundes sowie
das Fehlen weiterer Hinweise auf eine Herzerkrankung (z. B. Herzrhythmusstörungen, Ödeme, Orthopnö) sprechen jedoch dagegen.
Fall
nie findet sich eine scharf begrenzte lobäre
oder segmentale Infiltration (Abb. 45.1 a), bei atypischer Pneumonie (z. B. durch Mykoplasmen)
beidseitige, fleckige oder homogene Verschattungen (Abb. 45.1 b). Außerdem sollte eine Sputumdiagnostik erfolgen: Zeigt das Grampräparat reichlich grampositive Kokken, ist bei passendem klinischen und radiologischen Bild eine Pneumokokkenpneumonie sehr wahrscheinlich. Sputum ist
auch für die Resistenztestung erforderlich, um eine
gezielte Antibiotikatherapie durchführen zu können. Die Blutgasanalyse ist erforderlich, um eine
respiratorische Insuffizienz erkennen und behandeln zu können. Liegt eine Insuffizienz vor, ist in
der Regel eine Einweisung des Patienten zur stationären Behandlung (O2-Gabe, i. v.-Antibiotikatherapie) notwendig.
Fall 46 Lungenödem bei dekompensierter Linksherzinsuffizienz
236
Fall
46
46.1 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der
Dyspnö? Begründen Sie Ihre Entscheidung!
쐽 Lungenödem bei dekompensierter Linksherzinsuffizienz. Für eine Linksherzinsuffizienz und
gegen eine primär pulmonale Ursache der
Dyspnö sprechen folgende Befunde bzw. Fakten:
– Orthopnö (Luftnot, die im Liegen auftritt
und sich im Sitzen bessert)
– Rasselgeräusche über beiden Lungen
– kein Giemen, Brummen oder verlängertes
Exspirium und somit kein Anhalt für eine
höhergradige pulmonale Ventilationsstörung
– Galopprhythmus (entspricht dem sog.
3. Herzton, entsteht durch die schlagartige
Füllung des dilatierten linken Ventrikels im
Rahmen einer Tachykardie)
– Herzerkrankung in der Vorgeschichte.
Antworten und Kommentar
46.2 Welche Maßnahmen (mindestens 4, in
der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) ergreifen Sie akut? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
1. Sauerstoffgabe (4 – 8 l/min): lindert die Dyspnö
2. Glyceroltrinitrat (Nitro)-Spray: 2 Hübe sublingual, dann mittels Perfusor je nach Blutdruck:
senkt die Vorlast, verbessert die myokardiale
Durchblutung und senkt den myokardialen
Sauerstoffverbrauch
3. i. v.-Gabe von Schleifendiuretika (z. B. Furosemid 40 mg) zur akuten Diurese und Reduktion
des intravasalen Volumens
4. bei Unruhe und/oder Schmerzen i. v.-Gabe von
Morphin (5 – 10 mg)
5. Transport der Patientin in ein Krankenhaus,
und zwar in Oberkörperhochlagerung (Beine
tief lagern), um den venösen Rückstrom zum
Herzen zu minimieren
6. bei fehlendem Anstieg der Sauerstoffsättigung
und Verschlechterung des Zustands der Patientin unter o. g. Therapie Intubation und Beatmung mit PEEP zur Beseitigung der respiratorischen Insuffizienz.
46.3 Nennen Sie die weltweit gebräuchliche
klinische Stadieneinteilung dieses Krankheitszustandes! Welches Stadium liegt bei der Patientin vor?
쐽 Klinische Stadieneinteilung der Herzinsuffizienz nach der New York Heart Association
(NYHA):
– Stadium I: normale Belastbarkeit ohne Beschwerden
– Stadium II: Beschwerden bei stärkerer Belastung
– Stadium III: Beschwerden bei geringer Belastung
– Stadium IV: Beschwerden in Ruhe. Dieses
Stadium liegt bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin vor.
KO M M E N TA R
Als Herzinsuffizienz bezeichnet man das akute
oder chronische Unvermögen des Herzens, den Organismus ausreichend mit Blut zu versorgen. Sie ist
folglich keine Erkrankung, sondern ein Symptom
verschiedener Grunderkrankungen.
Einteilung: Die Herzinsuffizienz wird nach folgenden Gesichtspunkten eingeteilt:
쐽 nach der Pathogenese in Low-output-failure
(vermindertes Herzzeitvolumen [HZV]) und
High-output-failure (erhöhtes HZV)
쐽 nach der betroffenen Herzhälfte in Links-,
Rechts- und globale Herzinsuffizienz
쐽 nach dem Verlauf in akute und chronische Herzinsuffizienz.
Ätiologie: Zu den häufigsten Ursachen s. Fall
92. Weitere Ursachen sind hämodynamisch relevante Herzrhythmusstörungen (z. B. eine anhaltende ventrikuläre Tachykardie), Füllungsbehinderung der Ventrikel (z. B. bei Herzbeuteltamponade)
sowie Sauerstoffmangel (z. B. bei ausgeprägter
Anämie).
Fall 46 Seite 47
Klinik:
쐽 Bei akuter oder dekompensierter chronischer
Linksherzinsuffizienz kommt es aufgrund der
Blutstauung vor dem linken Herzen zum Lungenödem (s. Fall), bei akuter Linksherzinsuffizienz infolge des Pumpversagens außerdem
zum kardiogenen Schock. Bei kompensierter
chronischer Linksherzinsuffizienz dominieren
Belastungsdyspnö und Dyspnö im Liegen
(„Asthma cardiale“) infolge einer Lungenstauung.
쐽 Bei Rechtsherzinsuffizienz kommt es aufgrund
der Blutstauung vor dem rechten Herzen zu gestauten Halsvenen, Ödemen der abhängigen
Körperpartien, Pleuraerguss, Aszites und evtl.
Appetitlosigkeit o. a. gastrointestinalen Symptomen bei Blutstauung im Gastrointestinaltrakt.
Zur klinischen Stadieneinteilung s. Frage 46.3.
Diagnostik: Hinweise auf eine Herzinsuffizienz als
Ursache der Dyspnö bietet die Anamnese: Eine
über einen kurzen Zeitraum (mehrere Minuten bis
wenige Stunden) progrediente Dyspnö weist auf
eine akute oder dekompensierte chronische Linksherzinsuffizienz hin. Demgegenüber tritt die Dyspnö bei pulmonalen Ursachen häufiger schlagartig
ein (z. B. beim Asthmaanfall oder bei Lungenembolie) oder entwickelt sich langsam progredient mit
Begleitsymptomen wie Fieber und produktivem
Auswurf (z. B. bei Pneumonie). Häufig weist auch
die Vorgeschichte (z. B. bekannte Herz- oder Lungenerkrankung) oder die Vormedikation auf die
wahrscheinliche Ursache der Dyspnö hin. Die Abnahme der Dyspnö in aufrechter Stellung und ihre
Zunahme im Liegen deuten auf eine Linksherzinsuffizienz hin, da die liegende Körperhaltung eine
weitere Zunahme des bereits erhöhten linksventrikulären Füllungsdruckes bewirkt. Auch die körperliche Untersuchung liefert Hinweise (Ödeme,
Pleuraerguss, Rasselgeräusche?). Symptome einer
obstruktiven Ventilationsstörung wie Giemen,
Brummen oder ein verlängertes Exspirium finden
sich bei kardial bedingter Dyspnö weniger häufig
als bei pulmonal bedingter Dyspnö. Dennoch kann
bei einem Lungenödem eine Behinderung der Exspiration (z. B. durch ein Bronchialwandödem) auftreten und eine primär pulmonale Ursache der
Dyspnö vortäuschen.
Differenzialdiagnosen: Pulmonale Ursachen der
Dyspnö (s. Diagnostik).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Aortale Gegenpulsationspumpe (Wirkprinzip, Indikation)
Katecholamine (Substanzen, Indikationen, Differenzialtherapie)
Pulmonaliskatheter (Swan-Ganz-Katheter): Indikationen, Parameter, Interpretation,
therapeutische Konsequenz
Fall 47 Makrozytäre Anämie bei Intrinsic-Faktor-Mangel (perniziöse Anämie)
47.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 V. a. perniziöse Anämie, da eine makrozytäre
(megaloblastäre) Anämie sowie V. a. Polyneuropathie bestehen.
47.2 Nennen Sie die 2 „Auslöser“ einer makrozytären Anämie und deren Ursachen!
쐽 Vitamin-B12-Mangel:
– Mangel an Intrinsic-Faktor: bei perniziöser
Anämie (Vorliegen von anti-Parietalzell-,
evtl. auch anti-Intrinsic-Faktor-Antikörpern
und Autoimmungastritis Typ A [=Korpusgastritis, atrophisch]) oder nach Magenresektion
– Malabsorptionssyndrom bei Dünndarmerkrankungen
– vermehrter Verbrauch: z. B. bei Bandwurmbefall oder bakterieller Überwucherung des
Dünndarms
쐽 Folsäuremangel:
– unzureichende Folsäureaufnahme mit der
Nahrung (z. B. Alkoholiker)
– Malabsorptionssyndrom bei Dünndarmerkrankungen
– erhöhter Bedarf: Schwangerschaft
– Dauerbehandlung mit Folsäureantagonisten
(z. B. Methotrexat) oder Phenytoin.
Fall 47 Seite 48
237
47
Antworten und Kommentar
Therapie: Da eine korrekte Diagnosestellung im
Notarztwagen meist nicht möglich ist, zielt die Initialtherapie primär auf die Behandlung der Herzinsuffizienz ab. Die wichtigsten Maßnahmen bei einem Lungenödem (s. Frage 46.2) stellen die i. v.Gabe von Schleifendiuretika zur Vorlastsenkung
und die Gabe von Sauerstoff dar. Bei normalem bis
hohem Blutdruck kann die Gabe von Glyceroltrinitrat (Nitro)-Spray eine weitere Vorlastsenkung bewirken, bei bereits erniedrigtem Blutdruck die Situation aber weiter verschlechtern. Eine anhaltende Hypoxämie kann über eine relative Koronarinsuffizienz eine weitere Verschlechterung der
Pumpfunktion bewirken, sodass bei einem fehlenden Anstieg der Sauerstoffsättigung und anhaltender schwerer Ruhedyspnö eine endotracheale Intubation und Beatmung mit positivem endexspiratorischem Druck erforderlich sein können. Zur
Therapie des Pumpversagens s. Fall 150, zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz s. Fall 92.
Fall
Da die Herzinsuffizienz ein Symptom darstellt, ist
immer eine Abklärung der Grunderkrankung erforderlich. Hierzu wird ein EKG abgeleitet. Im vorliegenden Fall lässt der Ausdruck des 1-Kanal-Monitors (Tachykardie mit schmalen QRS-Komplexen,
z. B. Vorhofflimmern) im Notarztwagen keine sicheren Rückschlüsse auf die Ursache der Herzinsuffizienz zu, da nur eine Ableitung vorliegt (Beurteilung der Herzrhythmusstörung oder Erkennung
von Ischämiezeichen nicht sicher möglich), sodass
in der Klinik die sofortige Ableitung eines 12-Kanal-EKGs erforderlich ist. Zumindest kann durch
die Monitorableitung eine schwerwiegende Herzrhythmusstörung (z. B. höhergradiger AV-Block,
ventrikuläre Tachykardie), welche eine akute kausale Therapie erforderlich machen könnte, erkannt
oder ausgeschlossen werden. Zu den weiteren diagnostischen Maßnahmen in der Klinik s. Frage
92.3.
47.3 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 4, in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) veranlassen Sie zur Sicherung
Ihrer Verdachtsdiagnose und zum Ausschluss
der Differenzialdiagnosen?
쐽 Laboruntersuchungen: Differenzialblutbild
zum Ausschluss einer Leukämie, Bestimmung
der Serumkonzentrationen von Vitamin B12
und Folsäure
쐽 Untersuchung des Knochenmarks zum Nachweis von Megaloblasten bzw. zum Ausschluss
eines myelodysplastischen Syndroms
쐽 bei durch Konzentrationsbestimmung nachgewiesenem Vitamin-B12-Mangel
– Schilling-Test zur Differenzierung zwischen
einem Malabsorptionssyndrom und einem
Intrinsic-Faktor-Mangel
– Bestimmung der Antikörper gegen Parietalzellen (APCA) und gegen Intrinsic Faktor
– Magensaftanalyse zum Nachweis einer Anazidität infolge der Zerstörung von Parietalzellen
– Gastroskopie mit Biopsie zum Nachweis einer Autoimmungastritis vom Typ A.
47.4 Beschreiben Sie den Ablauf des SchillingTests und nennen Sie mögliche Resultate!
쐽 Ablauf: orale Applikation von radioaktiv markiertem Vitamin B12 erst ohne, dann mit Intrinsic-Faktor (IF) und Bestimmung der VitaminB12-Konzentration im Urin
쐽 Ergebnisse:
– Vitamin-B12-Konzentration im Urin ohne
und mit IF normal: Normalbefund
– Vitamin-B12-Konzentration im Urin ohne
und mit IF erniedrigt: Resorptionsstörung
im Dünndarm
– Vitamin-B12-Konzentration im Urin ohne IF
erniedrigt, mit IF normal: Intrinsic-FaktorMangel.
238
KO M M E N TA R
Fall
47
Antworten und Kommentar
Unter dem Begriff der makrozytären (megaloblastären) Anämie fasst man Erkrankungen mit gestörter DNA-Synthese zusammen. Die Störung der
DNA-Synthese betrifft insbesondere Zellen mit hohem Turnover, wie die Zellen der Erythropoese,
und führt zu einer verzögerten Zellteilung und so
zum Auftreten großer, hyperchromer Erythrozyten
(Megalozyten) im peripheren Blut.
Ätiologie: Ursachen einer makrozytären Anämie
sind der Vitamin-B12- und der Folsäuremangel (s.
Frage 47.2). Am häufigsten ist der Vitamin-B12Mangel und seine häufigste Ursache ist die perniziöse Anämie. Dies ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Autoantikörper gegen die Parietalzellen der Magenschleimhaut – die Produzenten des
Intrinsic-Faktor – auftreten, evtl. auch gegen Intrinsic-Faktor. Die Folgen der Einwirkung der antiParietalzell-Antikörper (ACPA) sind eine Autoimmungastritis vom Typ A, eine Anazidität und ein
Mangel an Intrinsic-Faktor, der als Vitamin-B12bindendes Protein Voraussetzung für die Resorption des Vitamin B12 im Dünndarm ist.
Klinik: Neben Allgemeinsymptomen der Anämie
wie Leistungsminderung, Blässe oder Dyspnö können Manifestationen des Vitamin-B12- oder Folsäuremangels an anderen Organen im Vordergrund
stehen.
Ein Vitamin-B12-Mangel kann Symptome einer
Polyneuropathie (Kribbeln oder Taubheitsgefühl
vor allem der Beine) verursachen. Als Folge der funikulären Spinalerkrankung (funikuläre Myelose) können eine spastische Lähmung und Pyramidenbahnzeichen (Markscheidenschwund der Pyramidenbahn) oder eine Gangunsicherheit (Markscheidenschwund der Hinterstränge) auftreten. Ei-
Fall 47 Seite 48
ne weitere typische Folge des Vitamin-B12-Mangels stellt die Hunter-Glossitis dar, die sich als
schmerzhafte Rötung der Zunge manifestiert.
Bei Folsäuremangel treten Anämiesymptome und
gastrointestinale Symptome (z. B. Diarrhö), jedoch
keine neurologischen Symptome und keine Hunter-Glossitis auf. Ein Folsäuremangel während der
Schwangerschaft kann beim Embryo zu einem
Neuralrohrdefekt führen.
Diagnostik: Der V. a. auf eine makrozytäre Anämie
ergibt sich aus der Anamnese (z. B. bei Einnahme
von Folsäureantagonisten oder Phenytoin, Alkoholabusus) und der körperlichen Untersuchung
(gerötete atrophische Zunge, reduzierte Tiefensensibilität im Stimmgabeltest). Die Diagnose „makrozytäre hyperchrome Anämie“ ergibt sich aus Laboruntersuchungen: dem verminderten Hämoglobingehalt des Blutes bei erhöhtem erythrozytärem Zellvolumen (MCV) und erhöhtem mittlerem
Hämoglobingehalt der Erythrozyten (MCH). Zu
den diagnostischen Maßnahmen zur Ursachenabklärung s. Frage 47.3 und s. Differenzialdiagnosen.
Differenzialdiagnosen: Wichtigste Differenzialdiagnose der makrozytären Anämie sind die myelodysplastischen Syndrome. Da sie mit einer isolierten makrozytären Anämie einhergehen können,
muss in jedem Fall ein zytologische bzw. histologische Untersuchung des Knochenmarks erfolgen.
Diese zeigt bei einer makrozytären Anämie typischerweise eine Hyperplasie der Erythropoese, sodass das Verhältnis von granulopoetischen Zellen
zu erythropoetischen Zellen (G/E-Index) etwa 1 : 1
ist (normal 3 : 1). Die Erythropoese ist jedoch ineffektiv (Kernreifungsstörung durch Vitamin-B12-
bzw. Folsäuremangel), sodass Megaloblasten dominieren (Abb. 47.1). Neben der ineffektiven Erythropoese liegt zudem meist eine Ausreifungsstörung der Granulo- und Thrombopoese vor, die zu
einer Leuko- und/oder Thrombopenie führen kann.
Zum Knochenmarkbefund bei myelodysplastischem Syndrom s. Fall 100.
Therapie: Eine kausale Therapie (z. B. medikamentöse Behandlung einer Wurmerkrankung) ist in der
Mehrzahl der Fälle (atrophische Autoimmungastritis) nicht möglich, sodass eine Substitution von
Vitamin B12 und/oder Folsäure erfolgen muss:
쐽 Vitamin B12: akut 100 µg Hydroxycobalamin pro
Tag i. m. für 3 Wochen, dann 500 µg i. m. alle
3 Monate als Erhaltungsdosis
쐽 Folsäure: 5 mg/d p. o.
Abb. 47.1 Megaloblastäres Knochenmark mit stark gesteigerter Erythropoese
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Myelodysplastisches Syndrom
Differenzialdiagnosen der hypochromen Anämie
Hämolytische Anämien (Ursachen, Diagnostik)
239
Fall
Fall 48 Kolorektales Karzinom
48.1 Welche diagnostischen Maßnahmen
48.2 In welchen Organen erwarten Sie zuerst
Fernmetastasen?
쐽 Als erstes in der Leber, dann in der Lunge, später in anderen Organen.
48.3 Welche Wege der lymphogenen Metastasierung sind bei einem Rektumkarzinom zu erwarten? Welchen lymphogenen Metastasierungsweg erwarten Sie bei diesem Patienten?
쐽 proximales Rektumdrittel: Metastasierung in
die paraaortalen Lymphknoten
쐽 mittleres Rektumdrittel (Patient!): zusätzlich
Metastasierung in die Lymphknoten der Beckenwand
쐽 distales Rektumdrittel: zusätzlich Metastasierung in die inguinalen Lymphknoten und die
Lymphknoten der Beckenwand.
쑸 Abb. 48.1 CT eines fortgeschrittenen Rektumkarzinoms mit Durchbruch bis zu den rektalen Hüllfaszien
zwischen 03.00 und 07.00 Uhr. Regionale Lymphknotenmetastasierung bei 05.00 Uhr. Sehr charakteristisch
für derartige fortgeschrittene Karzinome (wie auch nach
Strahlentherapie) ist die ausgeprägte Betonung der rektalen Hüllfaszien, die normalerweise kaum sichtbar sind.
Fall 48 Seite 49
48
Antworten und Kommentar
(mindestens 4, in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) schlagen Sie zum Tumorstaging und zur Komplettierung der Diagnostik
vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
1. Bestimmung des Tumormarkers CEA (karzinoembryonales Antigen), um einen prätherapeutischen Ausgangswert zwecks Vergleich mit
Verlaufskontrollen zu erhalten
2. Röntgenbild des Thorax zwecks Metastasensuche
3. Sonographie und/oder CT des Abdomens
(Abb. 48.1) und kleinen Beckens zur Erfassung
der Tumorausdehnung und Metastasensuche
4. rektale Endosonographie zur Erfassung der Tumorinfiltration der Darmwand und damit des
Tumorstadiums.
48.4 Das Staging ergibt ein Tumorstadium
T3 N0 M0 (= UICC II oder Dukes B). Machen Sie einen Therapievorschlag!
쐽 operative Therapie mit kurativem Ansatz: totale Rektumresektion
쐽 postoperative adjuvante Chemotherapie mit
5-Fluoruracil und Radiotherapie.
KO M M E N TA R
Das kolorektale Karzinom ist der zweithäufigste
maligne Tumor des Mannes (nach dem Bronchialkarzinom) und der Frau (nach dem Mammakarzinom).
240
Fall
48
Antworten und Kommentar
Ätiologie und Pathogenese: Kolorektale Karzinome entstehen meist aus dysplastischen Adenomen
(Adenom-Karzinom-Sequenz).
Ursache
der
malignen Entartung der Adenome ist eine Reihe
von Mutationen, die folgende Gene betrifft (in der
Reihenfolge ihres Auftretens): APC-Gen (Tumorsuppressor-Gen), K-RAS-Onkogen, DCC-Tumorsuppressor-Gen, p53-Tumorsuppressor-Gen. Das
Karzinomrisiko ist erhöht bei einer Größe des Adenoms von mehr als 1 cm, villösen Anteilen in der
Histologie und einem gehäuften Auftreten der
Adenome.
쐽 Risikofaktoren: hoher Konsum an tierischen
Fetten und Eiweißen, Nikotinabusus, Alkoholabusus
쐽 obligate Präkanzerosen: familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), hereditäres nichtpolypöses
Kolonkarzinom-Syndrom (HNPCC)
쐽 andere Risikoerkrankungen: chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (vor allem Colitis
ulcerosa), Z. n. kolorektalem Karzinom, Karzinome von Mamma, Ovar und Corpus uteri.
Pathologie: 4/5 aller kolorektalen Karzinome sind
Adenokarzinome; Schleim bildende und undifferenzierte Karzinome sind mit je 10% deutlich seltener. 80% der kolorektalen Karzinome finden sich
im Rektum oder Sigma. Der Tumor breitet sich per
continuitatem in der Darmwand aus. Er metastasiert hämatogen (s. Frage 48.2) – da das venöse Blut
des Dickdarms in die Pfortader abfließt, sind Lebermetastasen häufig und werden bei 25% der Patienten bereits bei Diagnosestellung gefunden –
und lymphogen (s. Frage 48.3). Dabei ist mit einer
um so ausgedehnteren Metastasierung zu rechnen,
je weiter distal der Tumor angesiedelt ist.
Stadieneinteilung: Die Infiltrationstiefe ist prognostisch relevant und Grundlage der verschiedenen Tumorklassifikationen, die zur Prognoseabschätzung und Therapieplanung eingesetzt werden (UICC-, Dukes- oder TNM-Klassifikation
[Tab.48.1]).
Klinik: Symptome treten meist erst in fortgeschrittenem Tumorstadium auf: eine Veränderung der
Stuhlgewohnheiten, wie Obstipation (s. Fall) oder
Wechsel von Obstipation und Diarrhö, Blut im
Stuhl, Anämie. Sehr spät kommt es zu Subileus
oder Ileus und Kachexie.
Fall 48 Seite 49
Tab. 48.1 Klassifikation und Prognose des
kolorektalen Karzinoms (Alexander 1999)
UICC
(DukesStadium)
TNM
5-JahresÜberlebensrate
Stadium I (A)
Stadium II
(B1, B2)
Stadium III (C)
T1 – 2 N0 M0
T3 – 4 N0 M0
95%
80 – 95%
Tx N1 M0
Tx N2 M0
Tx Nx M1
70 – 75%
45%
2 – 25%
Stadium IV (A)
T1 = Submukosa,
T2 = Muscularis
propria,
T3 = Subserosa, nichtperitonealisiertes perikolisches, perirektales Gewebe, T4 = viszerales Peritoneum/andere Organe oder Strukturen, N1 = ⬍ 3
perikolische/perirektale LK, N2 = ⬎ 3 perikolische/perirektale LK, N3 = LK an Gefäßstämmen
erfasst
Diagnostik:
쐽 Vorsorgeuntersuchungen:
– bei obligater Präkanzerose jährliche Koloskopie ab dem 10. (FAP) oder 20. Lebensjahr
(HNPCC)
– bei Nichtrisikopatienten: Koloskopie alle
10 Jahre ab dem 50. Lebensjahr (bei Verwandten 1. Grades mit kolorektalem Karzinom ab
dem 40. Lebensjahr), fäkaler Okkultblut-Test
jährlich ab dem 50. Lebensjahr
쐽 Diagnostik bei V. a. kolorektales Karzinom und
Staging-Diagnostik: s. Fall bzw. s. Frage 48.1.
Therapie: Sie besteht in der operativen Entfernung
des betroffenen Darmabschnitts unter Wahrung
eines Sicherheitsabstands im gesunden Gewebe.
Bei primär nicht kurativ resezierbaren Tumoren
kann durch eine neoadjuvante Radiochemotherapie versucht werden, ein Down-Staging zu erreichen. Bei isolierten Leber- und Lungenmetastasen
ist eine gezielte Resektion möglich. Bei lokal fortgeschrittenen Kolon- und Rektumkarzinomen
kann eine adjuvante Radiochemotherapie (5Fluoruracil) die Prognose verbessern. Nichtoperable Patienten werden palliativ behandelt (z. B. mit
Kryo- oder Lasertherapie, Umgehungsanastomosen).
Nachsorge: Die Abstände, in denen die Nachsorgeuntersuchungen erfolgen, hängen vom Tumorstadium ab (Faustregel: einmal jährlich). Etwa 70%
der Lokalrezidive treten in den ersten beiden Jahren nach der Operation auf. Nachsorgemaßnahmen:
쐽
쐽
쐽
쐽
쐽
Anamnese, körperliche Untersuchung
Koloskopie
Abdomensonographie
Röntgenaufnahme des Thorax
CEA-Bestimmung nur, wenn CEA präoperativ
erhöht war.
Prognose: Die Überlebensrate hängt wesentlich
vom Tumorstadium ab (s. Tab. 48.1).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Tumormarker: Marker, Indikation, Interpretation
Kolorektale Adenome
Fäkaler Okkultblut-Test: Prinzip, Interpretation, Stellenwert
Reizdarmsyndrom
Fall 49 Akuter arterieller Verschluss
–
–
–
–
49.3 Welche Ursache vermuten Sie und welche
3 therapeutischen Maßnahmen ergreifen Sie?
쐽 Verdachtsdiagnose: Heparin-induzierte
Thrombobzytopenie Typ II (HIT II)
쐽 therapeutische Maßnahmen:
– Heparintherapie sofort beenden
– Wechsel auf andere Antithrombotika, z. B.
Lepirudin
– Therapie der Thrombembolien (s. o.), ggf. alternativ systemische Fibrinolyse, falls multiple Embolien vorliegen oder die Emboli
nicht mit Fogarty-Katheter zu erreichen
sind.
Fall 49 Seite 50
241
49
Antworten und Kommentar
49.2 Nennen Sie die diagnostischen (mindestens 4) und therapeutischen (mindestens 5)
Maßnahmen, die in dieser Situation erforderlich
sind! Begründen Sie jede Maßnahme!
쐽 diagnostische Maßnahmen:
– Blutentnahme: Kreatinin, Blutbild, Transaminasen (Organstatus vor Therapie), Quick,
PTT (Status vor Einleitung einer Antikoagulation), CK (bereits Muskelschädigung?),
Laktat (Hinweis auf anaerobe Energiegewinnung, Zeichen der Organischämie)
– Farbduplexsonographie zur Lokalisation der
Embolie
– später: kardiologische Diagnostik zur Abklärung des Vorhofflimmerns (Belastungs-EKG,
transösophageale Echokardiographie zur Suche nach intrakardialen Thromben)
– Blutdruck- und Pulskontrolle zwecks Kontrolle der Kreislaufsituation bei Herzrhythmusstörung (Vorhofflimmern)
– Monitorüberwachung bei absoluter Arrhythmie mit schneller Überleitung zwecks
Rhythmusüberwachung
쐽 therapeutische Maßnahmen:
– Vollheparinisierung (initial etwa 25 000 IE
unfraktioniertes Heparin i. v./24 h, Ziel: PTTVerlängerung auf das Doppelte bis Dreifache
–
der Norm) zur Prophylaxe von Appositionsthromben und zur Antikoagulation bei Vorhofflimmern
Tieflagerung der Extremität (verbessert Perfusion)
Polsterung des Beins (schützt vor Druckschäden)
Watteverband (schützt vor Auskühlung)
Vorstellung in der chirurgischen Abteilung
zur Embolektomie mittels Ballonkatheter innerhalb der nächsten 6 Stunden, damit die
kritische Ischämietoleranz des Gewebes
nicht überschritten wird
später: Versuch, den Sinusrhythmus wiederherzustellen (medikamentös oder durch
Kardioversion), bei arterieller Embolie jedoch erst nach Ausschluss weiterer intrakardialer Thromben durch die transösophageale Echokardiographie und nach ausreichender Antikoagulation.
Fall
49.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Akuter arterieller Verschluss der A. femoralis
communis, da im Versorgungsgebiet dieses Gefäßes klassische Leitsymptome dieses Krankheitsbildes vorliegen: Schmerzen, Kältegefühl,
geringere Temperatur als am kontralateralen
Bein, Blässe und Pulslosigkeit. Der Verschluss
ist am ehesten embolischer Genese, da die
Symptomatik plötzlich aufgetreten ist und das
EKG Vorhofflimmern zeigt.
KO M M E N TA R
Beim akuten arteriellen Verschluss kommt es zu
einer partiellen oder kompletten Verlegung des
Gefäßlumens.
Ätiologie: Ursache ist eine Embolie oder eine
Thrombose, wobei embolische Verschlüsse etwa
viermal häufiger sind. Wesentlicher Risikofaktor
einer arteriellen Embolie ist das Vorhofflimmern,
da hierbei intrakardiale Thromben entstehen können.
Klinik: Die klassischen Leitsymptome des akuten
arteriellen Verschlusses einer Extremität sind die 6
„P“ nach Pratt: pain (akut einsetzender, starker
Schmerz), paleness (Blässe), paralysis (Bewegungsunfähigkeit), paraesthesia (Missempfindungen), pulselessness (Pulslosigkeit) und prostration
(Schock). Im vorliegenden Fall sind mit Ausnahme
von Missempfindungen und Schock alle Leitsymptome vorhanden.
242
Fall
50
Diagnostik: s. Fall und Frage 49.2. Da es sich um einen gefäßchirurgischen Notfall handelt, ist die
Farbduplexsonographie der Arteriographie zur Lokalisation des Gefäßverschlusses vorzuziehen. Im
Anschluss an die Notfalltherapie muss die Ursache
des Gefäßverschlusses geklärt werden (s. Frage
49.2). Im vorliegenden Fall besteht Vorhofflimmern, wie an den unregelmäßigen RR-Abständen,
dem Fehlen typischer P-Wellen sowie den groben
Flimmerwellen (besonders gut erkennbar in Ableitung V1) zu erkennen ist.
Therapie: s. Frage 49.2. Entscheidend ist die umgehende Einleitung einer adäquaten Therapie mit
dem Ziel, die Perfusion der verschlossenen Extremität umgehend wiederherzustellen. Therapie der
Wahl ist die möglichst schnelle Entfernung des
Embolus bzw. des thrombotischen Materials mittels Fogarty-Katheter durch einen Chirurgen. Bei
peripheren Verschlüssen, die mit dem Katheter
nicht vollständig rekanalisiert werden können, ist
eine lokale Fibrinolyse möglich.
Zur Heparin-induzierten Thrombozytopenie s.
Fall 144.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Antworten und Kommentar
Fibrinolysetherapie (Indikationen, Kontraindikationen, Substanzen, Nebenwirkungen)
Therapie des Vorhofflimmerns
Angiographie (Indikationen, Risiken)
Fall 50 Herpes zoster (Zoster, Gürtelrose)
50.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Herpes zoster (Zoster, Gürtelrose), denn die
Symptome sind für diese Erkrankung typisch:
Schmerzen im Bereich eines oder mehrerer
Dermatome (hier Th 8/9), gefolgt von einem
schmerzhaften Erythem in diesem Bereich. Im
Erythem finden sich gruppiert stehende Papeln, die sich rasch in Bläschen, später in Pusteln umwandeln und anschließend unter Krustenbildung abheilen. Herpes Zoster betrifft
häufig alte Menschen.
50.2 Was ist die Ursache der Erkrankung?
쐽 Reaktivierung einer Varizella-Zoster-Infektion.
50.3 Welche Rolle spielt die Antikörperdiagnostik bei dieser Erkrankung?
쐽 Die Bestimmung von Antikörpern gegen Varizella-Zoster-Virus (VZV) ist bei V. a. Herpes zoster nicht indiziert, da sich durch die Reaktivierung der Infektion nichts am Antikörperstatus
(VZV-IgG positiv) ändert und ein positiver IgGBefund aufgrund der hohen Prävalenz in der
Fall 50 Seite 51
Bevölkerung bei vielen klinisch Gesunden erhoben werden kann. Lediglich der Nachweis
von Antikörpern der Klasse IgM spricht – bei
zuvor negativem Befund – für eine akute VZVInfektion (z. B. Windpocken).
50.4 Wie wird die Erkrankung behandelt?
쐽 Mit Virustatika, z. B. Aciclovir oder Famciclovir.
50.5 Nennen Sie mindestens 4 typische Komplikationen der Ersterkrankung!
1. bakterielle Superinfektion der Hauteffloreszenzen, meist durch Streptococcus pyogenes oder
Staphylococcus aureus
2. Zerebellitis, Enzephalitis, transverse Myelitis
3. interstitielle Pneumonie (Varizellenpneumonie): Sie tritt häufiger bei Erwachsenen als bei
Kindern auf und hat eine hohe Letalität!
4. Hepatitis
5. Arthritis
6. Myokarditis, Otitis media
7. Embryopathie bei Infektion in der Frühschwangerschaft.
KO M M E N TA R
Der Herpes zoster (Zoster, Gürtelrose) ist die typische Manifestation der Reaktivierung einer Infektion mit dem Varizella-Zoster-Virus (VZV).
Ätiologie: Die VZV-Infektion (Varizellen = Windpocken) tritt meist im Kindesalter auf. Das Virus ist
hoch ansteckend und wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Nach Abklingen der Infektion, die
bei Erwachsenen deutlich häufiger zu Komplikationen (s. Frage 50.5) führt als bei Kindern, persistiert das Virus in den Spinalganglien. Herpes zoster
entsteht bei erneuter Virusreplikation in den Spinalganglien und Ausbreitung der Viren entlang der
Spinalnerven. Hierzu kommt es gehäuft bei einer
Schwäche des Immunsystems, z. B. bei alten Menschen, bei HIV-Infizierten oder unter immunsuppressiver Therapie.
Diagnostik: Die Diagnose wird klinisch gestellt.
Ein Erregernachweis mittels Serologie (s. Frage
50.3) oder elektronenmikroskopischer Untersuchung von Bläscheninhalt ist nur bei schweren Verläufen (z. B. bei Immunsupprimierten) indiziert.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Virustatika
Zytomegalievirusinfektionen (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Differenzialdiagnosen des Thoraxschmerzes
Fall 51 Akute Diarrhö
51.1 Versuchen Sie, durch Befragung des Patienten die Zahl der in Frage kommenden Ursachen zu reduzieren! An welche Ursachen denken Sie und wonach fragen Sie?
쐽 bakterielle, virale oder Protozoen-Infektion
(Enteritis): Auslandsaufenthalt, verdorbene Lebensmittel oder ungares Geflügel gegessen,
Kontakt zu Personen mit Durchfallerkrankung,
Fieber?
쐽 Lebensmittelvergiftung durch bakterielle Toxine (z. B. von Staphylococcus aureus, Clostridien): Übelkeit, Erbrechen, verdorbene Lebensmittel oder Inhalt alter Konserven gegessen?
쐽 chronische entzündliche Darmerkrankung
(Morbus Crohn, Colitis ulcerosa): Bauch-
schmerzen, schon früher ähnliche Symptomatik, Blut im Stuhl?
쐽 übermäßiger Konsum von schlecht resorbierbaren Kohlenhydraten (Mannit, Sorbit [Zuckerersatzstoffe], Laktulose): Nahrungsmittelanamnese inkl. Getränke (Alkohol) und Süßstoffe
쐽 Reizdarmsyndrom (Colon irritabile): Änderung von Stuhlkonsistenz und -frequenz, Ausschluss anderer Erkrankungen
쐽 Malassimilationssyndrome (Sprue, Disaccharidasemangel, Gallensäureverlustsyndrom, exokrine Pankreasinsuffizienz, Morbus Whipple;
Malassimilation = unzureichende Aufnahme
wichtiger Nahrungsbestandteile infolge einer
Fall 51 Seite 52
51
Antworten und Kommentar
Therapie: Das Exanthem bedarf abgesehen von Virustatika (s. Frage 50.4) einer effektiven Schmerztherapie. Neben klassischen Analgetika (z. B. Paracetamol) kann bei einer postherpetischen Neuralgie Carbamazepin schmerzlindernd wirken. Ist der
Schmerz mit medikamentöser Therapie nicht in
den Griff zu bekommen, können neurochirurgische Verfahren (Chordotomie, Koagulation von
Spinalganglien) zum Einsatz kommen.
243
Fall
Klinik: s. Frage 50.1. Die Hautveränderungen treten
einseitig und im Bereich eines oder mehrerer Dermatome auf; thorakale Dermatome sind häufiger
befallen als zervikale, lumbale oder sakrale. Typisch ist auch ein Befall des Dermatoms des 1. Trigeminusastes (Zoster ophthalmicus, Abb. 50.1) sowie des 3. Trigeminusastes (Zoster oticus, die Haut
des äußeren Gehörgangs betreffend), teilweise mit
Einbeziehung von Hirnnerven (Hirnnervenparese).
Das Zoster-Exanthem ist äußerst schmerzhaft.
Zwar heilt es meist nach ca. 10 Tagen ab, doch können die Schmerzen im ehemals betroffenen Dermatom persistieren (postherpetische Neuralgie).
Abb. 50.1 Zoster ophthalmicus bei einem 16 Monate
alten Jungen
Verdauungsstörung [Maldigestion] oder Resorptionsstörung [Malabsorption]): Auftreten
nach Konsum bestimmter Lebensmittel (z. B.
Getreideprodukte bei Sprue, Milchprodukte bei
Laktoseintoleranz), Begleitsymptome (z. B. Arthritis, Sakroiliitis bei Morbus Whipple)?
쐽 Medikamente: Einnahme von Laxanzien, Antibiotika?
쐽 Nahrungsmittelallergie: Auftreten nach Konsum bestimmter Nahrungsmittel, Begleitsymptome (Asthma, Rhinitis, Urtikaria), Allergien
(z. B. Heuschnupfen)?
51.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 2) sollten Sie bei einer akuten Diarrhö durchführen? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
1. mehrfache Untersuchung des Stuhlgangs auf
pathogene Keime zwecks Erregersuche
2. Labordiagnostik: Nierenretentionswerte, Elektrolyte, BSG oder CRP, Blutbild, Leberwerte und
Gerinnungsparameter, um eine Exsikkose mit
ggf. akutem prärenalen Nierenversagen, eine
Entzündungsreaktion und eine Begleithepatitis
auszuschließen bzw. nachzuweisen
3. bei vorausgegangener Antibiotikatherapie Bestimmung von Clostridium-difficile-Toxin zum
Nachweis einer pseudomembranösen Kolitis.
KO M M E N TA R
Eine Frequenz der Stuhlentleerung von dreimal pro
Woche bis dreimal täglich wird als normal angesehen, eine häufigere Stuhlentleerung als Diarrhö
definiert.
244
Fall
52
Einteilung: Um die Zahl der Differenzialdiagnosen
einzugrenzen, hat sich die Einteilung in akute Diarrhö (Dauer ⱕ 3 Wochen) und chronische Diarrhö
(Dauer ⬎ 3 Wochen) bewährt.
Antworten und Kommentar
Ätiologie: Eine akute Diarrhö hat bei jungen Patienten und sonst unauffälliger Vorgeschichte –
wie im vorliegenden Fall – am häufigsten eine infektiöse Genese (Enteritis). Typische Erreger einer
bakteriellen Enteritis sind Salmonellen, E. coli (vor
allem Enterotoxin bildende Stämme), Shigellen
und Campylobacter jejuni. Diese Erreger sind auch
typische Auslöser der „Reisediarrhö“, die nach oder
während eines Aufenthaltes in Ländern mit geringem hygienischen Standard auftritt. Seltenere Ursachen sind Lebensmittelvergiftung durch bakterielle Toxine und Medikamente.
Ursachen der chronischen Diarrhö sind chronische Darminfektionen – häufig mit Protozoen (z. B.
Askariden) – , Medikamente (Laxanzienabusus),
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und
Malabsorptionssyndrome.
Klinik: Je nach Ursache ist die Diarrhö von Übelkeit
und Erbrechen, Fieber, Blutbeimengung zum Stuhl
oder anderen Symptomen begleitet (s. Frage 51.1).
Diagnostik: Wie Frage 51.1 zeigt, ist die Anamnese
wegweisend. Je nach Verdachtsdiagnose ist eine
Stuhluntersuchung, der serologische Erregernachweis oder eine endoskopische Untersuchung mit
Biopsie indiziert.
Therapie: Bakterielle und virale Enteritiden sind
fast immer selbstlimitierend. Eine antibiotische
Behandlung ist daher nicht erforderlich und bleibt
schweren Verläufen (Sepsis, blutige Durchfälle)
vorbehalten. Dem Patienten werden daher Allgemeinmaßnahmen wie reichliches Trinken empfohlen. Bei ausgeprägten Flüssigkeitsverlusten
sollten diese durch parenterale Flüssigkeitsgabe
ausgeglichen werden, da bei zunehmender Exsikkose die Gefahr von Komplikationen (z. B. prärenales Nierenversagen, Hypokaliämie) zunimmt.
Kurzfristig kann die Gabe von Loperamid zur Reduktion der Stuhlfrequenz erforderlich sein. Eine
durch Protozoen (Lamblien, Amöben) hervorgerufene Enteritis wird mit Metronidazol behandelt.
Zur Therapie der Sprue s. Fall 136, der Laktoseintoleranz s. Fall 60, des Morbus Crohn s. Fall 145 und
der Colitis ulcerosa s. Fall 114.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Typhus abdominalis
Exokrine Pankreasinsuffizienz
Laktoseintoleranz
Fall 52 Diabetische Nephropathie
52.1 Welche 5 diagnostischen Maßnahmen
schlagen Sie zur Abklärung der Ödeme vor?
1. Konzentrationsbestimmung des Albumins im
Urin zur Erfassung einer Mikroalbuminurie
(Ausscheidung von 30 – 300 mg Albumin/d
oder 20 – 200 mg Albumin/l SpontanFall 52 Seite 53
urin = Frühzeichen der diabetischen Nephropathie!)
2. Blutdruckmessung (s. u.)
3. EKG: kardiale Erkrankung (z. B. KHK, hypertensive Herzkrankheit)
4. Echokardiographie: Kontraktilität (Herzinsuffizienz?), Dilatation der Herzhöhlen (Herzinsuffizienz?), Hypertrophie des Myokards (hypertensive Herzkrankheit?)
5. Labor: Elektrophorese (Dysproteinämie?),
Elektrolyte.
52.5 Welche Substanzklassen sollten zur Behandlung einer arteriellen Hypertonie bevorzugt eingesetzt werden, wenn gleichzeitig eine
diabetische Nephropathie vorliegt? Begründen
Sie Ihren Vorschlag!
쐽 ACE-Hemmer oder Angiotensin-II (AT1)-Rezeptorantagonist, denn beide Substanzklassen
senken den systemischen Blutdruck und haben
darüber hinaus einen nephroprotektiven Effekt, den andere Antihypertensiva (z. B. Kalziumantagonisten) nicht aufweisen.
쐽 ggf. Kombination mit Diuretika o.a. Antihypertensiva
KO M M E N TA R
Die diabetische Nephropathie ist eine progrediente
Nierenfunktionseinschränkung auf dem Boden einer Glomerulosklerose, also einer Verdickung der
Basalmembran der Glomeruli. Sie ist Folge der diabetischen Mikroangiopathie, einer der Spätkomplikationen des Diabetes mellitus (s. Fall 37).
Ätiologie und Pathogenese: Die Basalmembranverdickung der Glomeruli entsteht bei mangelhafter Blutzuckereinstellung durch Ablagerung von
Glykoproteinen in der Basalmembran. Sie führt zu
einer Störung der glomerulären Filtration und so
zum Erscheinen von Molekülen im Urin, die normalerweise nicht filtriert werden (wie Albumin).
Diese Veränderungen finden sich häufiger bei TypI- als bei Typ-II-Diabetikern. Die bei Diabetikern
häufige arterielle Hypertonie verstärkt die Glomerulosklerose. Da bei Diabetikern Harnwegsinfekte
gehäuft auftreten, können rezidivierende akute
Pyelonephritiden die Nierenschädigung beschleunigen. Die Nierenschädigung wiederum verstärkt
die arterielle Hypertonie.
Fall 52 Seite 53
245
52
Antworten und Kommentar
52.3 Welche Stadien der diabetischen Nephropathie kennen Sie? Nennen Sie typische Befunde
des jeweiligen Stadiums!
쐽 Stadium 1 (Nierenschädigung mit normaler
Nierenfunktion): S-Kreatinin im Normbereich,
Blutdruck im Normbereich oder Hypertonie,
Dyslipidämie, raschere Progression von KHK,
AVK, Retinopathie und Neuropathie
– Stadium 1a (Mikroalbuminurie): Albuminausscheidung 20 – 200 mg/l, Kreatininclearance ⬎ 90 ml/min
– Stadium 1b (Makroalbuminurie): Albuminausscheidung ⬎ 200 mg/l, Kreatininclearance ⬎ 90 ml/min
52.4 Welche 4 Maßnahmen ergreifen Sie bei
einer manifesten diabetischen Nephropathie?
1. straffe Blutdruckeinstellung; Zielwert
⬍ 130/⬍ 80 mmHg
2. Meidung nephrotoxischer Substanzen (z. B.
Röntgenkontrastmittel)
3. eiweißreduzierte Diät
4. Acetylsalicylsäure in niedriger Dosis als Prophylaxe einer Koronarthrombose (da kardiovaskuläres Risiko durch Makroangiopathie
deutlich erhöht ist).
Fall
52.2 Welche weiteren 6 diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie der Patientin vor?
쐽 Augenuntersuchung (Augenhintergrund und
Visus), am besten durch einen Augenarzt, zum
Ausschluss bzw. Nachweis einer diabetischen
Retinopathie
쐽 Blutdruckmessung an beiden Armen und 24Stunden-Blutdruckmessung zum Ausschluss
einer arteriellen Hypertonie
쐽 neurologische Untersuchung: Prüfung von Vibrations-, Temperatur- und Schmerzempfindung und Muskeleigenreflexen zum Ausschluss
bzw. Nachweis einer diabetischen Neuropathie
쐽 Inspektion und Palpation der Füße (Hyperkeratose, Ulzera, Nekrosen, Pulsstatus, Temperatur?) zum Ausschluss bzw. Nachweis eines diabetischen Fußsyndroms
쐽 Laboruntersuchungen: HbA1 c, Blutzuckertagesprofil (Blutzuckereinstellung?), Cholesterin,
HDL-Cholesterin (Arteriosklerose-Risikoprofil?)
쐽 Untersuchung der Gefäße: Pulsstatus, Belastungs-EKG und Ultraschalluntersuchung der
Karotiden (Plaques, Stenosen?) zum Ausschluss
bzw. Nachweis einer diabetischen Makroangiopathie.
쐽 Stadium 2 (Nierenschädigung mit Niereninsuffizienz): S-Kreatinin grenzwertig oder erhöht, Hypertonie, Dyslipidämie, Hypoglykämie-Neigung, rasche Progression von KHK,
AVK, Retinopathie u. Neuropathie. Anämie-Entwicklung, Störung des Knochenstoffwechsels
– Stadium 2a (leichtgradig): Albuminausscheidung ⬎ 200 mg/l, Kreatininclearance
60 – 89 ml/min
– Stadium 2b (mittelgradig): Albuminausscheidung ⬎ 200 mg/l, Kreatininclearance
30 – 59 ml/min
– Stadium 2c (hochgradig): Albuminausscheidung abnehmend, Kreatininclearance 15 – 29
ml/min
– Stadium 2d (terminal): Albuminausscheidung abnehmend, Kreatininclearance
⬍ 15 ml/min
Stadieneinteilung: s. Frage 52.3.
Klinik: Steigende Blutdruckwerte deuten auf eine
beginnende oder manifeste diabetische Nephropathie hin. Das Auftreten von Ödemen ist dann Folge
des Eiweißverlustes über die Niere. Ursache der
Ödeme ist vor allem ein Albuminmangel (Serumalbumin ⬍ 2,5 g/dl) im Rahmen eines nephrotischen
Syndroms (Proteinurie ⬎ 3 g/d, Eiweißmangel/Albuminmangel, Hypolipoproteinämie). In fortgeschrittenen Stadien sind die Patienten vermehrt
anfällig für Infektionen (IgG-Mangel durch Eiweißverlust), später treten Symptome der Niereninsuffizienz/Urämie (s. Fall 73) hinzu.
246
Diagnostik: Bei jedem Diabetiker sollte zum Zeitpunkt der Erstdiagnose des Diabetes mellitus sowie in mindestens halbjährlichem Abstand die Albuminkonzentration im Urin, und zwar im ersten
Morgenurin, bestimmt werden. Bei pathologischem Befund muss die Untersuchung wiederholt
werden. Während eine Mikroalbuminurie bei konsequenter Behandlung noch reversibel ist, liegt bei
einer nichtselektiven Proteinurie bereits eine irreversible strukturelle Nierenschädigung vor.
Zu weiteren Komponenten der Routinediagnostik
bei Diabetikern s. Fall 37.
Therapie: s. Frage 52.4 und 52.5. Die Therapie der
Wahl der diabetischen Nephropathie besteht in der
Optimierung der Blutzuckereinstellung (s. Fall
37) und in einer konsequenten Blutdrucksenkung
mit einem Zielblutdruck von ⬍ 130/⬍ 80 mmHg.
Zur Kontrolle ist eine 24-Stunden-Blutdruckmessung sinnvoll. Wegen ihrer Wirkung auf den intraglomerulären Druck und die glomeruläre Perfusion haben ACE-Hemmer und Angiotensin-II (AT1)Rezeptorantagonisten abgesehen vom blutdrucksenkenden auch einen nephroprotektiven Effekt
und sollten daher bevorzugt eingesetzt werden. βBlocker wirken lebensverlängernd, aber wohl weniger spezifisch nephroprotektiv.
Da Patienten mit diabetischer Nephropathie ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben, sind folgende weitere Therapiemaßnahmen sinnvoll: Thrombozytenaggregationshemmung (ASS 100 mg/d),
Eiweißzufuhr 0,8 – 1,0 g/kg KG/d, Nikotinverzicht,
Senkung des LDL-Cholesterins ⬍ 100 mg/dl.
Fall
Zur Therapie der chronischen Niereninsuffizienz s.
Fall 10.
53
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Antworten und Kommentar
Nephrotisches Syndrom
Differenzialdiagnosen der Proteinurie
Chronische Niereninsuffizienz (Symptome, Stadien, Therapie, Komplikationen)
Fall 53 Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom)
53.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom), da
Hypertonie, Adynamie, Gesichtsschwellung
(„Vollmondgesicht“, Abb. 53.1) und Akne,
Abb. 53.1
Patientin mit Cushing-Syndrom
Fall 53 Seite 54
stammbetonte Adipositas (Abb. 53.1), livide
breite Streifen (Striae distensae) im Bereich der
Bauchhaut (Abb. 53.1) und Diabetes mellitus
typische Symptome bzw. Befunde des CushingSyndroms sind.
53.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 3) schlagen Sie zur Sicherung der
Verdachtsdiagnose vor? Welche Befunde erwarten Sie?
1. Dexamethason-Hemm- oder Suppressionstest
(Kurztest): Nach Einnahme von 2 mg Dexamethason um Mitternacht wird am folgenden Tag
um 8.00 Uhr das Serumkortisol bestimmt. Bei
Cushing-Syndrom wird die Kortisolsynthese in
der Nebennierenrinde durch extern appliziertes Glukokortikoid nicht supprimiert, d. h. der
8-Uhr-Serumkortisolwert liegt nicht wie beim
Gesunden unter 3 µg/dl. Ggf. kann ergänzend
der Langtest durchgeführt werden: Nach Gabe
von 8 mg Dexamethason um 24.00 h über 2 Tage ist beim zentralen Cushing-Syndrom ein Abfall des Serumkortisols um mindestens 50% zu
erwarten. Diese Suppression ist bei einem
adrenalen Cushing- oder einem ektopen ACTHSyndrom nicht zu erwarten.
2. Bestimmung der Kortisolkonzentration im
24-Stunden-Urin (2⫻): bei Cushing-Syndrom
deutlich erhöht
3. Bestimmung der Kortisolkonzentration im
Serum im Tagesprofil: bei Cushing-Syndrom
aufgehobene Tagesrhythmik
4. bei pathologischem Ausfall der o. g. Tests ergänzend:
– ACTH basal (morgendliche ACTH-Serumkonzentration im Nüchternzustand): bei
zentralem Cushing-Syndrom (= Morbus Cushing) erhöht, bei adrenalem Cushing-Syndrom supprimiert
– CRH-Test (Bestimmung der ACTH-Serumkonzentration im Nüchternzustand sowie
15, 30, 60 und 90 min nach Injektion von
100 µg CRH): bei zentralem Cushing-Syndrom deutlicher Anstieg des ACTH bei bereits erhöhtem Basalwert
– Lokalisationsdiagnostik: Sonographie, ggf.
CT oder MRT der Nebennieren.
53.3 Durch welche dieser Untersuchungen
lässt sich die vermutete Erkrankung am sichersten ausschließen?
쐽 Durch den Dexamethason-Hemmtest: Wenn
im Langtest eine Suppression der Kortisolsynthese nachgewiesen werden kann, ist ein Hyperkortisolismus ausgeschlossen.
53.4 Nennen Sie mindestens 4 weitere Ursachen der sekundären Hypertonie!
1. Nierenarterienstenose
2. Conn-Syndrom (Hyperaldosteronismus)
3. Pseudohyperaldosteronismus
4. Akromegalie
5. adrenogenitales Syndrom
6. Phäochromozytom
7. primärer Hyperparathyreoidismus
8. Medikamente (z. B. Ovulationshemmer, Ciclosporin).
247
KO M M E N TA R
Klinik: Bei über 80% aller Patienten mit einem
zentralen Cushing-Syndrom findet sich eine arterielle Hypertonie, häufig aber auch bei Patienten
mit einem exogenen Cushing-Syndrom. Typischerweise treten die im Fall genannten Symptome und
Befunde, eine Anfälligkeit für eitrige Hautinfektionen (Furunkel), Wundheilungsstörungen, Muskelschwäche infolge einer Myopathie, gastrointestinale Ulzera, Osteoporose sowie bei Frauen eine
Veränderung der Körperbehaarung hin zum
männlichen Behaarungstyp (Hirsutismus) und Zyklusstörungen, bei Männern Potenzprobleme auf. Bei
verzögerter Diagnose und Therapie ist die Morbidi-
Diagnostik: s. Frage 53.2 und 53.3. Der Dexamethason-Hemm-Kurztest ist bei Vorliegen eines Hyperkortisolismus fast immer pathologisch. Allerdings ist die Spezifität des Kurztests recht gering,
da bei adipösen Patienten die Suppression der Kortisolsynthese oft inkomplett ist, auch wenn kein
Cushing-Syndrom vorliegt. Daher sollte in diesen
Fällen ein Dexamethason-Hemm-Langtest angeschlossen werden. Zeigt auch der Langtest keine
erkennbare Suppression der Kortisolsynthese, ist
das Cushing-Syndrom so gut wie gesichert. Es sollte eine weiterführende Diagnostik (s. Frage 53.2,
Punkt 2 – 4) angeschlossen werden.
Therapie: Therapie der Wahl des Cushing-Syndroms ist die Operation: bei einem Tumor der Nebennierenrinde in Form einer einseitigen Adrenalektomie, bei einem Hypophysenadenom in Form
einer transsphenoidalen Adenomektomie. In der
postoperativen Nachsorge muss durch Funktionstests geklärt werden, ob eine Nebenniereninsuffizienz (nach Adrenalektomie) oder eine Hypophyseninsuffizienz (nach transsphenoidaler Operation) vorliegt und eine Hormonsubstitution erforderlich ist.
Beim ektopen ACTH-Syndrom wird die Kortisolsynthese medikamentös blockert (Ketoconazol +
Octreotid).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Adrenogenitales Syndrom
Akromegalie
Inzidentalome
Fall 53 Seite 54
53
Antworten und Kommentar
Ätiologie: Am häufigsten ist das Cushing-Syndrom
durch eine Langzeitbehandlung mit Glukokortikoiden (z. B. bei Asthma bronchiale oder entzündlich-rheumatischen Erkrankungen) bedingt (exogenes Cushing-Syndrom). Eine weitere Ursache ist
die autonome ACTH-Produktion, entweder in der
Hypophyse (hormonell aktives Hypophysenadenom = zentrales Cushing-Syndrom = Morbus Cushing) oder durch Tumorzellen – am häufigsten
durch kleinzellige Bronchialkarzinome – im Sinne
eines paraneoplastischen Syndroms (ektopes
ACTH-Syndrom). Dritte Ursache ist die autonome
Kortisolproduktion durch Tumoren der Nebennierenrinde (bei Erwachsenen meist Adenome).
tät und Mortalität von Patienten mit Cushing-Syndrom aufgrund des kardiovaskulären Risikoprofils
(Hypertonie und Diabetes mellitus) erhöht.
Fall
Als Cushing-Syndrom fasst man die Symptome zusammen, die aufgrund eines chronischen Überangebots an Glukokortikoiden, d. h. eines Hyperkortisolismus, entstehen.
Fall 54 Chronische Hepatitis C
248
Fall
54
Antworten und Kommentar
!!! 54.5 Welche Ursache könnten die Schwer54.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
punktneuropathie und die Purpura haben?
쐽 Chronische Hepatitis C. Begründung: Der
쐽 Gemischte Kryoglobulinämie (monoklonales
Nachweis von anti-HCV-Antikörper zeigt, dass
und polyklonales IgG), eine typische systemisich der Organismus des Patienten mit dem
sche Manifestation der Hepatitis-C-Infektion:
Hepatitis-C-Virus auseinandergesetzt hat, ist
Der Patient bildet gegen Antikörper gerichtete
jedoch kein Beweis für eine aktive (replikative)
Autoantikörper, sodass Antikörperkomplexe
Infektion. Die chronische Transaminasenerhöentstehen (meist IgM-IgG). Diese präzipitieren
hung in Verbindung mit dem Nachweis von anbei niedriger Körpertemperatur und lagern
ti-HCV-Antikörpern legt den Verdacht auf eine
sich z. B. in Gelenken und Gefäßen ab. Die Folchronische Hepatitis C aber nahe.
gen sind Gelenkbeschwerden und/oder eine
Vaskulitis, die vor allem kleine Gefäße betrifft,
54.2 Welche Diagnostik schlagen Sie zur Sichetypischerweise die Hautgefäße (Purpura) und
rung Ihrer Verdachtsdiagnose vor?
die Vasa nervorum (Schwerpunktpolyneuropa쐽 Um eine aktive (replikative) Hepatitis-C-Virusthie = Mononeuropathia multiplex [Ausfälle
infektion diagnostizieren zu können, muss
einzelner peripherer Nerven] + distale symHCV-RNA im Blut nachgewiesen werden.
metrische Polyneuropathie mit sensiblen und
motorischen Ausfällen und Muskelatrophie
54.3 Welche weiteren diagnostischen Maß[Abb.54.1]). Stets sind im Serum Kryoglobuline
nahmen (4, in der Reihenfolge des praktischen
und ein Verbrauch von Komplementfaktoren
Vorgehens) schlagen Sie vor Einleitung einer
nachweisbar (s. Fall, Ursache: KomplementakTherapie vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
tivierung durch Antigen-Antikörper-Reaktion),
쐽 Bestimmung der Viruslast, d. h. Quantifiziehäufig auch der Rheumafaktor, der wie die
rung der HCV-RNA im Blut, um einen AusKryoglobuline ein Autoantikörper (gegen das
gangswert vor Therapiebeginn zu erhalten und
Fc-Fragment von IgG) ist.
anhand dieses Wertes das Ansprechen auf die
Therapie beurteilen zu können
쐽 Bestimmung des HCV-Genotyps: hat prognostische Bedeutung, ermöglicht Einschätzung des
zu erwartenden Therapieerfolges
쐽 Sonographie zum Ausschluss begleitender Lebererkrankungen (z. B. eines hepatozellulären
Karzinoms)
쐽 Leberbiopsie zur Feststellung des histologischen Schweregrades der Entzündung (Grading) und zur Beurteilung fibrotischer Veränderungen (beginnende oder fortgeschrittene
Zirrhose?).
54.4 Wie wird eine chronische Hepatitis C behandelt?
쐽 Antivirale Kombinationstherapie mit pegyliertem (PEG) Interferon-α und Ribavirin über
12 Monate (Genotypen 1 a und 1 b) oder über
6 Monate (andere Genotypen).
Abb. 54.1 Atrophie der Unterschenkelmuskulatur bei
Schwerpunktneuropathie
KO M M E N TA R
Als chronische Hepatitis bezeichnet man eine
mehr als 6 Monate dauernde Leberentzündung.
Mehr als 2/3 der chronischen Virushepatitiden sind
durch das Hepatitis-C-Virus bedingt.
ner (wichtigste Risikogruppe), Patienten, die mit
Blutprodukten behandelt werden, Hämodialysepatienten und medizinisches Personal (Nadelstichverletzungen!).
Ätiologie: Das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist ein RNAVirus (Flavivirus). Es existieren 6 Genotypen und
ca. 100 Subtypen. Die häufigsten Genotypen in
Mitteleuropa sind 1 a, 1 b, 2 und 3. Die Übertragung
erfolgt parenteral, sexuell oder perinatal. Risikogruppen sind i.v-Drogenabhängige und deren Part-
Klinik: Bei etwa 70% der Patienten mit einer akuten Hepatitis C – die meist asymptomatisch verläuft – heilt die Infektion nicht aus und die Erkrankung wird chronisch. Auch die chronische Hepatitis C verläuft häufig asymptomatisch oder geht mit
unspezifischen Allgemeinbeschwerden (z. B. Ap-
Fall 54 Seite 55
petitlosigkeit, Abgeschlagenheit) einher. Etwa 1/5
der Patienten mit chronischer Hepatitis C entwickelt im weiteren Verlauf eine Leberzirrhose. Bei
bis zu 7% dieser Patienten tritt mit einer Latenz von
20 – 30 Jahren als Folge der chronischen Hepatitis C
ein hepatozelluläres Karzinom auf. Außer diesen
die Leber betreffenden Krankheitsfolgen kann eine
gemischte Kryoglobulinämie (s. Frage 54.5), eine
Glomerulonephritis, eine Autoimmun-Thyreoiditis
oder ein Sjögren-Syndrom auftreten.
Diagnostik: s. Frage 54.2 und 54.3. Bei der Quantifizierung der HCV-RNA sollte auch der HCV-Genotyp bestimmt werden, um den Therapieerfolg abschätzen zu können: Genotyp 1 b spricht mit Abstand am schlechtesten auf die Therapie an. Die Genotypen 2 a und 3 a sprechen am besten auf eine
antivirale Therapie an.
Bei etwa 50% der Patienten sind die Transaminasen
nicht oder nur gering erhöht. Jedoch können auch
bei normaler Serumkonzentration der Transaminasen bereits erhebliche entzündliche und fibrotische Veränderungen der Leber vorliegen. Daher
sollte vor Einleitung der Therapie eine Leberbiopsie erfolgen, um den Schweregrad der Erkrankung
beurteilen zu können.
Therapie: Therapieziel bei der chronischen Hepatitis C ist die Elimination des HCV, um der Entwicklung einer Leberzirrhose vorzubeugen bzw. das
Fortschreiten einer Leberzirrhose zu verlangsamen. Patienten mit gesicherter HCV-Infektion
(HCV-RNA nachweisbar) und erhöhten Transaminasen sollten behandelt werden. Als Standardtherapie gilt die Kombinationstherapie aus rekombinantem PEG-Interferon-α2 a oder PEG-Interferonα2 b (3 ⫻ 3 Mio. IE/Woche) und Ribavirin (zur Therapiedauer s. Frage 54.4). Die Ansprechrate auf PEGInterferone ist höher als die auf nichtmodifizierte
Interferone.
Prognose: Bei etwa 30 – 40% der Patienten kann
durch die Therapie mit Interferon-α und Ribavirin
eine anhaltende Remission induziert werden. Bei
Patienten, die auf diese Therapie nicht ansprechen,
ist die Prognose durch die Entwicklung einer Leberzirrhose (etwa 20% der Patienten) reduziert.
Fall
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
55
Fall 55 Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew)
55.2 Nennen Sie mindestens 3 klinische Funktionsprüfungen, die bei der vermuteten Erkrankung typischerweise pathologisch ausfallen!
1. Messung der LWS-Beweglichkeit nach Schober: Man bringt 10 cm kranial des Dornfortsatzes S1 eine Hautmarke an und bittet den Patienten, die LWS maximal zu beugen. Bei unbeeinträchtigter Wirbelsäule vergrößert sich dabei der Abstand zwischen diesen beiden Punkten um mindestens 4 cm, nicht jedoch bei Morbus Bechterew, da die Beweglichkeit der LWS
eingeschränkt ist.
2. Messung der BWS-Beweglichkeit nach Ott:
Man bringt 30 cm kaudal des Dornfortsatzes C7
eine Hautmarke an und bittet den Patienten,
die BWS maximal zu beugen. Bei unbeeinträchtigter Wirbelsäule vergrößert sich dabei
der Abstand zwischen diesen beiden Punkten
um mindestens 3 cm, nicht jedoch bei Morbus
Bechterew, da die Beweglichkeit der BWS eingeschränkt ist.
3. Mennell-Handgriff: Patient in Bauchlage;
Überstreckung des Oberschenkels bei Fixierung von Kreuzbein und Becken; Schmerz im
Bereich der Sakroiliakal (SI)-Gelenke (MennellHandgriff positiv) hinweisend auf SI-Arthritis.
4. Messung des Thoraxumfangs bei maximaler
Inspiration (Atembreite): Man misst den Thoraxumfang bei maximaler Inspiration und bei
maximaler Exspiration, und zwar bei herabhängenden Armen in Höhe der Mamillen (bei
Männern) bzw. oberhalb des Brustansatzes (bei
Frauen). Bei Jüngeren mit unbeeinträchtigter
BWS beträgt die Differenz der Messwerte
⬎ 6 cm, bei Morbus Bechterew ist sie wegen
der eingeschränkten Beweglichkeit der BWS
geringer.
Fall 55 Seite 56
Antworten und Kommentar
Leberzirrhose
Akute Virushepatitis
Differenzialdiagnosen der Vaskulitiden
55.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Spondylitis ankylosans (ankylosierende Spondylitis, Morbus Bechterew), da über Monate
andauernde Schmerzen im Bereich der kaudalen Wirbelsäule mit nächtlichem Maximum typisch für diese Erkrankung sind (sog. entzündlicher Rückenschmerz). Im fortgeschrittenen
Krankheitsstadium ist die Beweglichkeit der
Wirbelsäule typischerweise eingeschränkt.
Auch große Gelenke (z. B. Kniegelenk) können
entzündet sein. Auch die erhöhten Werte für
BSG und CRP passen zur Verdachtsdiagnose
„Spondylitis ankylosans“.
249
5. Kinn-Jugulum- und Hinterhaupt-Wand-Abstand: Der Abstand zwischen Kinn und Jugulum ist im fortgeschrittenen Krankheitsstadium wegen zunehmender Beugung auch der
HWS vermindert, der Abstand zwischen Hinterhaupt und Wand im Vergleich zu Gesunden
erhöht.
55.3 Welche weiteren diagnostischen Maßnahmen (4, in der Reihenfolge des praktischen
Vorgehens) sind sinnvoll? Begründen Sie Ihren
Vorschlag!
쐽 Labor: Bestimmung des HLA-B 27
쐽 Röntgen des Beckens oder Zielaufnahmen der
SI-Gelenke
쐽 Röntgen der Wirbelsäule
쐽 MRT der SI-Gelenke, falls der Röntgenbefund
der SI-Gelenke unauffällig ist.
250
Fall
55
55.4 Welche therapeutischen Möglichkeiten
gibt es?
쐽 physikalische Therapie zur Erhaltung bzw. Verbesserung der Wirbelsäulenbeweglichkeit und
zum Training der Rücken- und Schultergürtelmuskulatur
쐽 nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR): wirken
antiphlogistisch und analgetisch
쐽 anti-TNF-α-Antikörper (Infliximab) oder TNFα-Rezeptor-Fusionsproteine (Etanercept): vor
allem in frühen Krankheitsstadien bei ausgeprägter klinisch und serologisch nachweisbarer
Krankheitsaktivität (falls NSAR nicht ansprechen)
쐽 Basistherapie (z. B. Methotrexat, Sulfasalazin):
nur bei chronischer peripherer Gelenkbeteiligung; keine ausreichende Wirkung auf entzündliche Prozesse der Wirbelsäule oder der
SI-Gelenke.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Die Spondylitis ankylosans (ankylosierende Spondylitis, Morbus Bechterew) ist eine entzündlichrheumatische Erkrankung mit obligater Beteiligung der SI-Gelenke und Hauptmanifestation am
Achsenskelett. Je nach Krankheitsstadium finden
sich entzündliche, destruktiv-proliferative oder ossifizierende Veränderungen vor allem im Bereich
der SI-Gelenke und der Wirbelsäule.
Ätiologie: Sie ist unbekannt. 90% der Patienten mit
Spondylitis ankylosans sind HLA-B27-positiv, was
zusammen mit der familiären Häufung der Erkrankung für eine genetische Prädisposition spricht.
Klinik: Leitsymptom, insbesondere im Frühstadium der Erkrankung, sind Kreuzschmerzen, die
durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind:
1. Chronizität (Dauer von mindestens 3 Monaten),
2. Schmerzmaximum in Ruhe, insbesondere in den
frühen Morgenstunden, 3. Besserung bei Bewegung. Im Frühstadium sind darüber hinaus die SIGelenke klopfschmerzhaft. In späteren Stadium
nimmt die Wirbelsäulenbeweglichkeit aufgrund
einer Verknöcherung von Wirbelgelenken, Bandscheiben und Bändern ab und die Kyphose der BWS
nimmt zu. Der Krankheitsverlauf ist äußerst variabel, das Spektrum reicht von blanden Verläufen bis
zu Fällen mit rasch progredienter Versteifung der
Wirbelsäule. Bei bis zu 30% der Patienten tritt eine
Oligoarthritis großer Gelenke, bei ca. 25% der Patienten eine Iridozyklitis auf. Die Iridozyklitis ist
meist einseitig und rezidiviert. Häufig treten auch
Schmerzen im Bereich der Insertionsstellen von
Sehnen oder Bändern auf (Insertionstendopathie),
die durch entzündliche Veränderungen bedingt
sind. Selten treten im Spätstadium eine Kardiomyopathie, Aortitis und eine Lungenfibrose auf.
Diagnostik: Zu Beginn der Erkrankung ist der Entzündungsprozess vor allem im Bereich der SI-Ge-
Fall 55 Seite 56
lenke nachweisbar. Typische Zeichen einer SI-Arthritis im Röntgenbild der SI-Gelenke sind initial
eine Pseudoerweiterung des Gelenkspaltes, später
Randsklerosen und Usuren (Knochendefekte)
(„Rosenkranz-“ oder „buntes Bild“, Abb. 55.1). Bei
kurzer Krankheitsdauer und unauffälligem Röntgenbild ergibt sich die Indikation zur MRT, die bei
über 70% dieser Patienten eine SI-Arthritis im
Frühstadium zeigt. Die Szintigraphie ist zum Nachweis einer SI-Arthritis nicht geeignet, da die Befunde zu unspezifisch sind. Da in fortgeschrittenen
Krankheitsstadien Veränderungen der Wirbelsäule
dominieren, sind Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule indiziert. Hochcharakteristisch für die Spondylitis ankylosans sind die Spondylitis anterior
(Schwund der Wirbelkanten = „glänzende Ecken“)
Abb. 55.1 Typisches Röntgenbild bei SI-Arthritis: Die
rechte Iliosakralfuge ist im unteren Anteil bereits knöchern überbrückt. Das linke SI-Gelenk zeigt neben einer
deutlichen Sklerosierung Knochendefekte (Pfeil).
und Syndesmophyten (Verknöcherungen des Anulus fibrosus), welche im Terminalstadium mit knöcherner Überbauung aller Zwischenwirbelräume
zum Vollbild einer „Bambusstabwirbelsäule“ führen. Der Nachweis des HLA-B27 stützt die Diagnose einer Spondylitis ankylosans, beweist diese jedoch nicht, da HLA-B27 bei bis zu 10% der Bevölkerung (in Abhängigkeit von Rasse und Region) nachweisbar ist. Andererseits schließt das Fehlen des
HLA-B27-Antigens eine Spondylitis ankylosans
nicht aus.
Therapie: s. Frage 55.4. Die Gabe nichtsteroidaler
Antirheumatika und Krankengymnastik können
den Prozess der zunehmenden Syndesmophytenbildung nicht bremsen, jedoch die Beweglichkeit
und Funktion der Wirbelsäule günstig beeinflus-
sen. Basistherapeutika wie Methotrexat oder Sulfasalazin zeigen keine Wirkung bei Spondylitis und
SI-Arthritis; ihr Einsatz ist daher ausschließlich der
Oligoarthritis peripherer Gelenke vorbehalten.
TNF-α-Antagonisten jedoch sind auch bei entzündlichen Veränderungen des Achsenskeletts
wirksam, insbesondere in frühen Krankheitsstadien mit hoher Entzündungsaktivität.
Prognose: Der Krankheitsverlauf ist variabel und
reicht von rasch progredienten Verläufen mit hoher Entzündungsaktivität und rascher Versteifung
bis zu wenig symptomatischen Verläufen mit Ausbleiben einer Versteifung. Die Mortalität ist nur
leicht (etwa 1,5fach) erhöht (z. B. durch Amyloidose).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnose der Oligoarthritis
Differenzialdiagnose des Rückenschmerzes
Indikationen und Nebenwirkungen von NSAR
251
Fall
Fall 56 Hyponatriämie
56.1 Nennen Sie die 8 Pathomechanismen und
56.2 Welche Fragen stellen Sie der Patientin
bzw. den behandelnden Ärzten, um die Zahl der
in Frage kommenden Ursachen der Hyponatriämie zu reduzieren?
쐽 Therapie mit Diuretika?
쐽 Diabetes mellitus (Hyperglykämie)?
쐽 natriumarme parenterale Ernährung?
쐽 Erbrechen, Diarrhö?
쐽 Herz-, Nieren- oder Lebererkrankung?
쐽 Gewichtszu- oder -abnahme (Natrium- und
Volumenüberschuss oder Natrium- und Wassermangel)?
쐽 Ödeme?
쐽 Symptome einer Hypothyreose (z. B. Frieren,
Müdigkeit) oder eines Morbus Addison (z. B.
Adynamie, Kollapsneigung)?
쐽 Trauma?
56.3 Worauf achten Sie bei der klinischen Untersuchung, um die Zahl der in Frage kommenden Ursachen der Hyponatriämie zu reduzieren?
쐽 Zeichen eines Volumenmangels (Hautturgor,
trockene Zunge, keine Venenfüllung)?
쐽 Zeichen einer Herzinsuffizienz (gestaute Halsvenen, Ödeme, Rasselgeräusche über den Lungen, Orthopnö)?
쐽 Zeichen einer Hypothyreose (z. B. Myxödem,
Bradykardie, trockene, kühle Haut) oder eines
Fall 56 Seite 57
56
Antworten und Kommentar
die Ursachen der Hyponatriämie!
1. renaler Natriumverlust infolge Therapie mit
Diuretika oder Hyperglykämie (osmotische
Diurese)
2. extrarenaler Natriumverlust infolge rezidivierenden Erbrechens, Diarrhö oder Pankreatitis
3. gestörte Wasserexkretion infolge chronischer
Niereninsuffizienz
4. Stimulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und der ADH-Sekretion (barorezeptorvermittelt) durch reduziertes intravasales Volumen bei Herzinsuffizienz (infolge
Ödembildung), Leberzirrhose (infolge Aszites
oder Hypalbuminämie) oder nephrotischem
Syndrom (infolge Hypalbuminämie)
5. Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH, Schwartz-Bartter-Syndrom): übermäßige ADH-Sekretion, meist infolge von ADH-Sekretion durch die Zellen eines kleinzelligen
Bronchialkarzinoms (paraneoplastisches Syndrom), seltener infolge eines Schädel-HirnTraumas, Enzephalitis, Apoplex, Hirntumors,
infolge von Medikamenten (z. B. Zytostatika,
Carbamazepin, trizyklische Antidepressiva)
oder einer ausgeprägten Hypothyreose
6. Mangel an Mineralokortikoiden bei Insuffizienz der Nebennierenrinde (Morbus Addison)
7. Überschuss an freiem Wasser bei psychogener
Polydipsie oder exzessiver Gabe elektrolytfreier Flüssigkeit (z. B. natriumarme parenterale
Ernährung)
8. Veränderung des Na+-H2O-Verhältnisses im
Serum bei Hyperlipidämie oder Hyperproteinämie (Pseudohyponatriämie).
Morbus Addison (niedriger Blutdruck, Hyperpigmentierung)?
56.4 Welche 2 weiteren diagnostischen Maßnahmen sind erforderlich, um die Zahl der in
Frage kommenden Ursachen der Hyponatriämie
zu reduzieren?
쐽 Bestimmung der Serumosmolalität:
– Hyperosmolalität ist bedingt durch Hyperglykämie oder Therapie mit natriumfreien,
glukose- oder mannitolhaltigen Infusionslösungen.
– Hypoosmolalität ist bedingt durch gesteigerte Wasserzufuhr mit Verdünnungshyponatriämie (z. B. natriumfreie Infusionen, psychogene Polydipsie), Stimulation des ReninAngiotensin-Aldosteron-Systems (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose) oder gestörte
Wasserausscheidung (SIADH, chronische
Niereninsuffizienz).
252
Fall
56
– Normale Osmolalität findet sich bei Pseudohyponatriämie.
쐽 Bestimmung der Natriumkonzentration im
Urin:
– Eine erhöhte Natriumkonzentration im
Urin weist bei gleichzeitigem Flüssigkeitsüberschuss (Hypoosmolalität) auf eine Niereninsuffizienz hin, bei gleichzeitigem Volumenmangel (Hypotonie, Tachykardie, verminderter zentralvenöser Druck, geringe Venenfüllung) sind Diuretika die häufigste Ursache.
– Eine verminderte Natriumkonzentration
im Urin weist bei gleichzeitigem Flüssigkeitsüberschuss auf eine Herzinsuffizienz
oder Leberzirrhose, bei gleichzeitigem Volumenmangel auf Natriumverlust (s. Frage
56.1) hin.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Als Hyponatriämie ist eine Serumnatriumkonzentration von ⬍ 135 mmol/l definiert. Mit Symptomen ist ab einer Serumnatriumkonzentration von
⬍ 130 mmol/l zu rechnen. Werte unter 120 mmol/l
sind gefährlich und deuten auf eine relevante
Grunderkrankung hin. Die Hyponatriämie zählt zu
den häufigsten Elektrolytstörungen, insbesondere
im Krankenhaus.
Klinik: Symptome der Hyponatriämie sind meist
auf die zugrunde liegende Erkrankung (z. B. Herzinsuffizienz) zurückzuführen. Bei schwerer und
akuter Hyponatriämie können zentralnervöse
Symptome (z. B. Somnolenz, Koma) als Folge eines
Hirnödems hinzutreten, die dann der Hyponatriämie zugeschrieben werden können (Einstrom von
freiem Wasser in die Zellen).
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 56.1. Eine im
Krankenhaus auftretende Hyponatriämie ist meist
durch therapeutische Maßnahmen (Diuretika, exzessive Gabe elektrolytfreier Flüssigkeit) oder
schwere Allgemeinerkrankungen (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz, nephrotisches Syndrom, s. u.) bedingt. Die Hyponatriämie
entsteht meist nicht durch Natriummangel oder
-verlust, sondern durch einen Überschuss an freiem Wasser. Dieser spiegelt sich in einer Hypoosmolalität wider. Ursachen des Wasserüberschusses sind eine vermehrte exogene Zufuhr oder eine
Störung der Wasserausscheidung, z. B. bei chronischer Niereninsuffizienz. Die Wasserausscheidung
wird in der Niere vor allem durch das antidiuretische Hormon (ADH) reguliert. Eine gesteigerte
Wirkung oder Sekretion von ADH führt zu Wasserretention. Eine Verdünnungshyponatriämie in Verbindung mit einer pathologisch erhöhten ADHKonzentration bei Ausscheidung eines konzentrierten hypertonen Urins (hohe Urinosmolalität)
wird als Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) bezeichnet (Ursachen s. Frage 56.1). Intravasaler Volumenmangel bei Herzinsuffizienz,
Leberzirrhose oder nephrotischem Syndrom führt
durch Stimulation von Barorezeptoren zu einer gesteigerten ADH-Sekretion. Die Wasserretention
wird durch Stimulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems verstärkt.
Diagnostik: s. Fragen 56.2 – 56.4.
Fall 56 Seite 57
Therapie: Therapeutische Maßnahmen (Diuretika, Infusionsplan) müssen angepasst, die Grunderkrankung muss behandelt werden: zu Herzinsuffizienz s. Fall 92, zu Leberzirrhose s. Fall 63, zu
nephrotischem Syndrom s. dessen häufigste Ursachen – Glomerulonephritis (s. Fall 99) und diabetische Nephropathie (s. Fall 52). Bei SIADH wird
ebenfalls die Grunderkrankung behandelt.
Die symptomatische Therapie besteht bei
쐽 Hyponatriämie und Volumenmangel in Volumensubstitution mit 0,9%iger Kochsalzlösung.
Höherkonzentrierte Kochsalzlösung sollte erst
bei ausgeprägter Symptomatik und schwerer
Hyponatriämie (Serumnatrium ⬍ 120 mmol/l)
verabreicht werden. Dabei ist auf eine langsame
Substitution zu achten, da große Mengen hypertoner Kochsalzlösung ein Hirnödem auslösen
können.
쐽 Hyponatriämie bei normalem Flüssigkeitsvolumen (z. B. bei SIADH, Morbus Addison) in
Natriumsubstitution mittels 0,9%iger Kochsalzlösung bei Gabe von Furosemid und Flüssigkeitsrestriktion
쐽 Hyponatriämie bei Flüssigkeitsüberschuss in
Flüssigkeitsrestriktion.
Bei seit längerem bestehender Hyponatriämie
darf diese nur partiell ausgeglichen, d. h. die Serumnatriumkonzentration nur um 0,5 – 1 mmol/h
bzw. 12 mmol/24 h angehoben werden, andern-
falls droht eine pontine Myelinolyse mit Bewusstseinsstörung, Krampfanfällen und/oder Tetraparese.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hypokaliämie
Hypokalzämie
Wirkungsweise der verschiedenen Diuretika
SIADH
Fall 57 Transitorische ischämische Attacke (TIA)
57.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
Transitorische ischämische Attacke (TIA), da ein
reversibles neurologisches Defizit mit Halbseitensymptomatik vorlag, welches weniger als 24
Stunden angehalten hat (= Definition der TIA).
EKG (nur Brustwandableitungen)
Fall 57 Seite 58
57
Antworten und Kommentar
Abb. 57.1
57.4 Sind bei der nun beschwerdefreien Patientin weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen erforderlich? Wenn ja, welche?
쐽 Bei der Patientin sind trotz Beschwerdefreiheit
folgende diagnostische Maßnahmen erforderlich:
– Duplexsonographie der hirnversorgenden
Arterien zum Ausschluss bzw. Nachweis von
Stenosen, Plaques oder Thromben
– CT des Schädels zwecks Suche nach hypodensen Arealen als Hinweis auf aktuelle
oder ältere ischämische Läsionen und zum
Ausschluss einer intrazerebralen Blutung
oder eines Hirntumors
– transösophageale Echokardiographie
zwecks Suche nach Thromben im linken
Vorhof.
쐽 Darüber hinaus sind folgende therapeutische
Maßnahmen erforderlich:
– orale Antikoagulation, zunächst mittels Heparin, dann überlappend mittels Cumarinderivat (Marcumar; s. Fall 62), da bei unbehandeltem Vorhofflimmern das Risiko einer
erneuten Hirnembolie sehr hoch ist
– Optimierung der Herzinsuffizienztherapie,
da die Patientin über Belastungsdyspnö
klagt: z. B. Dosisanpassung des ACE-Hemmers, zusätzlich β-Blocker.
253
Fall
57.2 Befunden Sie das bei Aufnahme der Patientin abgeleitete EKG (Abb. 57.1)!
쐽 Abb. 57.1 zeigt
– Vorhofflimmern bei einer mittleren Herzfrequenz von 120 – 140/min
– einen kompletten Linksschenkelblock mit
sekundären Erregungsrückbildungsstörungen (ST-Streckenhebung in V1 – V4, ST-Streckensenkung in V6).
57.3 Was halten Sie für die Ursache Ihrer Verdachtsdiagnose?
쐽 Arterielle Hirnembolie, da Vorhofflimmern,
d. h. ein Risikofaktor der arteriellen Embolie,
besteht und die Symptomatik plötzlich auftrat,
wie es bei arterieller Embolie der Fall ist. Die
vermutlich schlechte myokardiale Pumpfunktion und die fehlende Antikoagulation steigern
das Risiko einer arteriellen Embolie bei Vorhofflimmern.
KO M M E N TA R
Als transitorische ischämische Attacke (TIA) bezeichnet man eine neurologische Störung, die Folge einer zerebralen Durchblutungsstörung ist und
sich innerhalb von 24 Stunden komplett zurückbildet. Hält die neurologische Störung länger als 24
Stunden an, bildet sich aber vollständig zurück,
spricht man von einem prolongierten reversiblen
ischämischen neurologischen Defizit (PRIND). Bei
einem manifesten Hirninfarkt hingegen bildet sich
das neurologische Defizit nur teilweise oder gar
nicht zurück.
254
Fall
58
Antworten und Kommentar
Ätiologie: Häufigste Ursache zerebraler Ischämien
ist die Thrombose hirnversorgender Arterien auf
dem Boden einer Arteriosklerose. Typische Risikofaktoren hierfür sind arterielle Hypertonie, Nikotinabusus, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus. Diese Risikofaktoren liegen bei der oben beschriebenen Patientin nicht vor. Zudem ist die Patientin noch recht jung und eine Arteriosklerose
der Herzkranzgefäße wurde erst vor kurzem ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall ist eine zerebrale
Ischämie auf dem Boden einer Arteriosklerose
folglich nicht sehr wahrscheinlich. Den Hinweis
auf die Ursache der TIA gibt hier das EKG: Die unregelmäßigen RR-Abstände sowie die nicht abgrenzbaren P-Wellen sind die typischen Merkmale eines
Vorhofflimmerns.
Bei chronischem Vorhofflimmern beträgt das Risiko einer Hirnembolie ca. 6%, wenn keine Antikoagulation erfolgt. Bestehen zudem eine myokardiale Schädigung, wie der komplette Linksschenkelblock (QRS-Komplex ⱖ 120 ms, Verspätung des
oberen Umschlagspunktes, sekundäre Erregungs-
rückbildungsstörungen) anzeigt, und eine Pumpschwäche (Belastungsdyspnö!), ist von einem
noch höheren Risiko auszugehen. Bei Vorhofflimmern fehlt die Kontraktion des Vorhofs, sodass die
Bildung von Thromben erleichtert wird, insbesondere, wenn die Pumpfunktion des Ventrikels eingeschränkt ist (Kardiomyopathie). Daher ist in diesem Fall das Vorhofflimmern die wahrscheinlichste Ursache der TIA.
Klinik: Leitsymptome zerebraler Durchblutungsstörungen sind je nach Lokalisation der Ischämie
eine motorische und/oder sensorische Halbseitensymptomatik (Bein und/oder Arm können betroffen sein), eine Aphasie oder einseitige Sehstörungen. Ischämien im Vertebralisstromgebiet äußern sich häufig durch Schluckstörungen, Dysarthrie oder Schwindel.
Diagnostik: s. Frage 57.4. Auch wenn das EKG Vorhofflimmern zeigt, sollte stets eine höhergradige
Stenosierung hirnversorgender Arterien durch die
Duplexsonographie ausgeschlossen werden. Bei
jüngeren Patienten ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren ist Thrombophiliediagnostik (s. Fall 19)
indiziert.
Therapie: s. Frage 57.4. Bei chronischem Vorhofflimmern sollte bei Z. n. einer zerebralen Ischämie
immer eine dauerhafte orale Antikoagulation zur
Embolieprophylaxe eingeleitet werden. Zuvor
muss eine intrazerebrale Blutung mittels CT ausgeschlossen werden.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen der tachykarden Herzrhythmusstörungen
Orale Antikoagulation (Indikation, Therapieziele, Kontraindikationen)
Therapie des Vorhofflimmerns
Offenes Foramen ovale
Fall 58 Akute Pyelonephritis
58.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Akute Pyelonephritis, da die Patientin Brennen
bei der Miktion angibt und ein Klopfschmerz
im Bereich der linken Flanke auslösbar ist. Die
pulmonale Klinik erklärt sich durch die COPD.
58.2 Welche 4 Untersuchungen (in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) schlagen Sie
vor, um die Verdachtsdiagnose zu sichern und
Differenzialdiagnosen auszuschließen? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
쐽 Sonographie des Abdomens zum Ausschluss
eines Harnstaus bei Flankenschmerz, ggf.
Fall 58 Seite 59
Nachweis von Konkrementen oder Abszessen
in der Niere, Ausschluss einer Cholezystitis mit
atypischer Klinik
쐽 Untersuchung des Mittelstrahlurins zum
Nachweis von Leukozyten und Bakterien
쐽 Laboruntersuchung: Entzündungsparameter,
Kreatinin, Transaminasen, Gerinnung und Blutbild zur frühzeitigen Erkennung einer Sepsis
mit drohendem Multiorganversagen
쐽 Röntgenaufnahme des Thorax zum Ausschluss
einer Pneumonie, da atypische Pneumonien oft
ohne wesentliche Sputumproduktion ablaufen
und auskultatorisch oft unauffällig sind.
58.3 Nennen Sie die häufigsten Erreger der
vermuteten Erkrankung!
쐽 E. coli (in über 50% der Fälle), gefolgt von Proteus mirabilis und Klebsiellen. Bei komplizierten Verläufen und nosokomialer Infektion
kommen Pseudomonas, Enterokokken und Staphylokokken als Erreger in Frage.
58.4 Nennen Sie die 5 Komplikationen der vermuteten Erkrankung!
1. Urosepsis: potenziell lebensbedrohlich
2. Übergang in eine chronische Pyelonephritis
mit Entwicklung einer Niereninsuffizienz
3. paranephritischer Abszess: Auf diese Komplikation weist Flankenschmerz (wie bei der im
Fallbeispiel beschriebenen Patientin) hin!
4. eitrige Nephritis oder renaler Abszess
5. Funktionsstörung des Tubulusapparates: Behinderung der Konzentrationsfähigkeit, Natrium- und/oder Kaliumverlust, renal tubuläre
Azidose.
KO M M E N TA R
Eine akute Pyelonephritis ist eine plötzlich auftretende bakterielle Entzündung des Niereninterstitiums, die auch die Nierentubuli sowie manchmal –
nicht immer – das Nierenbecken betrifft.
Prognose: Eine unkomplizierte Pyelonephritis
heilt unter antibiotischer Therapie folgenlos aus.
Bei einer Urosepsis können Organkomplikationen
(septischer Schock, Nierenversagen) auftreten, die
dann mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sind.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Nephrolithiasis (Ursachen, Diagnostik, Therapie)
Sepsis (Komplikationen, Therapie)
Benigne Prostatahyperplasie
Fall 59 Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC, Verbrauchskoagulopathie)
59.1 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der
vermehrten Blutungsneigung?
쐽 Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC, Verbrauchskoagulopathie), da einerseits die disseminierten Hautblutungen für eine im Rahmen
der Sepsis aufgetretene Störung der Blutgerin-
nung sprechen und andererseits die beschriebenen Nekrosen Ausdruck der bei einer DIC
auftretenden Mikrothromben sein können. Die
Thrombopenie ist ein typisches Frühsymptom.
Fall 59 Seite 60
255
59
Antworten und Kommentar
Klinik: Für die akute Pyelonephritis ist hohes Fieber mit dumpfen (Klopf-)Schmerzen in der Flankengegend typisch, evtl. mit Schüttelfrost – wie
bei der beschriebenen Patientin – und Obstipation.
Häufig bestehen zusätzlich Brennen beim Wasserlassen und häufiger Harndrang, diese können aber
auch fehlen. Aufgrund der oft geringen organbezogenen Symptomatik muss bei unklarem Fieber immer an eine Pyelonephritis gedacht werden.
Therapie: Jede Pyelonephritis muss – über
7 – 10 Tage – antibiotisch behandelt werden. Aufgrund der akuten Symptomatik muss die antibiotische Therapie meist blind begonnen und nach Eingang des Antibiogramms ggf. angepasst werden.
Für die blinde Anbehandlung geeignet sind Gyrasehemmer, Cephalosporine (ab 2. Generation) und
Aminopenicilline. Nephrotoxische Antibiotika und
Analgetika sollten vermieden werden. Neben der
antibiotischen Behandlung ist reichliche Flüssigkeitszufuhr notwendig, um den Flüssigkeitsverlust durch Fieber und Schwitzen auszugleichen
und eine möglichst häufige Blasenentleerung
(„Blasenspülung“) zu bewirken. Bei ausgeprägter
Symptomatik ist Bettruhe hilfreich.
Fall
Ätiologie: Die akute Pyelonephritis ist fast immer
Folge einer aszendierenden Infektion der unteren
Harnwege, selten entsteht sie aufgrund einer Bakteriämie bei vorgeschädigter Niere. Zu den Risikofaktoren für eine aszendierende Harnwegsinfektion s. Frage 28.4. Wichtigster Risikofaktor ist eine
anatomisch oder funktionell bedingte Behinderung des Harnabflusses (z. B. Konkrement, Blasenfunktionsstörung), da sie zu einem Aufstau bakterienhaltigen Urins nach proximal führt. Bei der beschriebenen Patientin lauten die Risikofaktoren
„weibliches Geschlecht“ (anatomische Länge der
Harnröhre) und „Diabetes mellitus“ (geschwächtes
Immunsystem).
Diagnostik: s. Frage 58.2, Punkt 1 – 3, und s. Fall
28. Bei unklarem Fieber ist stets eine Urinuntersuchung erforderlich. Aufgrund möglicher Antibiotikaresistenz der Erreger, insbesondere bei rezidivierenden oder nosokomialen Harnwegsinfekten,
sollte immer ein Antibiogramm angefordert werden.
59.2 Nennen Sie mindestens 5 Laborparameter, die Sie in dieser Situation bestimmen sollten! Welche Veränderungen erwarten Sie, falls
Ihre Diagnose zutrifft?
1. INR- oder Quick-Wert: INR-Wert erhöht, QuickWert vermindert
2. partielle Thromboplastinzeit (PTT): verlängert
3. Thrombozyten: Abfall im Verlauf
4. Fibrinogen: Abfall im Verlauf
5. Fibrinmonomere: positiv
6. Fibrinogenspaltprodukte (z. B. D-Dimer): positiv bei reaktiver Hyperfibrinolyse
7. Antithrombin III (AT III): vermindert
8. Nierenretentionswerte: Anstieg im Verlauf
möglich, da Gefäßverschlüsse zu akutem Nierenversagen führen können.
256
59.3 Welche therapeutischen Möglichkeiten
gibt es? Unter welchen Umständen kommen die
einzelnen Optionen bevorzugt zum Einsatz?
쐽 Behandlung der Grunderkrankung: stets erforderlich
쐽 Heparin: sofern der Patient nicht blutet.
Zweck: Prophylaxe der Hyperkoagulabilität, die
letztendlich für den Verbrauch an Gerinnungsfaktoren verantwortlich ist; Applikation mittels
Perfusor (10 000 IE/50 ml, 2 ml/h).
쐽 AT III: bei AT-III-Mangel; 1 IE/kg KG pro Prozentpunkt, um den die AT-III-Konzentration
ansteigen soll, Substitution auf ⬎ 80% der
Norm
쐽 Fibrinogenkonzentrat: bei Fibrinogenmangel;
initial Gabe von 1 – 2 g i. v., dann ggf. weitere
Gaben (bis 8 g/d), bis die Blutung sistiert
쐽 Frischplasma (FFP): bei deutlich vermindertem Quick-Wert; 500 ml innerhalb der ersten
2 Stunden, dann Dosierung nach Quick-Wert
(Ziel: ⬎ 50%) und Fibrinogen (Ziel: ⬎ 50 mg/dl)
쐽 Thrombozytenkonzentrate: bei Abfall der
Thrombozyten auf Werte von ⬍ 30 000/µl; Ziel:
Stopp der Blutung, Anhebung der Thrombozytenzahl auf ⬎ 30 000/µl
쐽 Behandlung von Komplikationen: z. B. bei
Nierenversagen Dialyse oder Hämofiltration.
KO M M E N TA R
Fall
59
Antworten und Kommentar
Bei der – lebensbedrohlichen – disseminierten intravasalen Gerinnung (disseminated intravascular
coagulation, DIC = Verbrauchskoagulopathie) führt
eine systemische Gerinnungsaktivierung zur Bildung von Mikrothromben und zum Verbrauch von
Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten, die Blutungen zur Folge hat.
Ätiologie: Die DIC ist eine Komplikation schwerer
bakterieller Infektionen, insbesondere mit gramnegativen Erregern, bzw. einer Sepsis. Andere Ursachen, die zur Entwicklung einer DIC führen können, sind Schwangerschaftskomplikationen (z. B.
Fruchtwasserembolie, vorzeitige Plazentalösung),
Malignome, Verbrennungen, Traumata bzw. operative Eingriffe, insbesondere an thrombokinasereichen Organen, wie Pulmo, Prostata, Plazenta
oder Pankreas („4P“), sowie der Schockzustand.
Pathogenese: Die Freisetzung von Endotoxin aus
gramnegativen Bakterien führt zu einer Aktivierung verschiedener Stufen der Gerinnungskaskade. So induziert Endotoxin die Aktivierung von Faktor XII und führt zu einer Expression von Gewebefaktor (tissue factor) auf der Oberfläche von Endothelzellen und Monozyten. Bei den übrigen Ursachen der DIC – mit Ausnahme des Schockzustandes
– gelangen Prothrombinaktivatoren (Thrombokinase = Thromboplastin) in die Blutbahn. Beim
Schock wird das Gerinnungssystem durch die Störung der Mikrozirkulation aktiviert.
Die Aktivierung der Gerinnungskaskade führt zur
Entstehung von Mikrothromben, die die Mikrozirkulation beeinträchtigen und dadurch die Gerinnungskaskade zusätzlich aktivieren. Gegenregulatorisch setzt die Fibrinolyse ein. Da die Gerin-
Fall 59 Seite 60
nungsneigung aber anhält, werden Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten verbraucht, was
schließlich zu diffusen Blutungen führt.
Klinik: Im Vordergrund der klinischen Symptomatik stehen Haut- und Schleimhautblutungen sowie Blutungen in vulnerablen Arealen, z. B. Operationswunden. Als Folge der disseminierten Gerinnung können umschriebene Hautnekrosen,
aber auch Thrombosen auftreten, dies vor allem in
minderperfundierten Arealen (gestörte Mikrozirkulation!).
Diagnostik und Differenzialdiagnosen: Ein Abfall
der Thrombozytenzahl gilt als frühester Indikator
einer beginnenden DIC. Im Frühstadium kommen
differenzialdiagnostisch daher andere Ursachen
einer Thrombopenie (z. B. Knochenmarkschädigung, Heparin-induzierte Thrombopenie) in Betracht. Als Folge des Verbrauchs an Gerinnungsfaktoren zeigt sich eine Verlängerung der PTT (erfasst
das intrinsische System) sowie ein Abfall des
Quick-Wertes bzw. eine Erhöhung der INR (erfassen das extrinsische System). Die Verarmung an
Gerinnungsfaktoren lässt sich durch die Bestimmung von AT III und Fibrinogen quantifizieren. Die
Konzentrationen von AT III und Fibrinogen sowie
die Thrombozytenzahl sind somit Parameter zur
Abschätzung des Schweregrades der DIC. Als Indikator der intravasalen Gerinnung sind Fibrinmonomere nachweisbar. Die Bestimmung von Fibrinspaltprodukten (z. B. D-Dimer) ist sinnvoll, um
festzustellen, ob bereits eine reaktive Hyperfibrinolyse eingesetzt hat. Zur weiteren Diagnostik s.
Frage 59.2.
Therapie: s. Frage 59.3. Die Therapiestrategie richtet sich nach dem Schweregrad der klinischen
Symptomatik sowie dem Ausmaß der Gerinnungsstörung. Sind noch keine Blutungen aufgetreten,
sollten thrombembolische Ereignisse durch Heparin i. v. (nicht s. c., da meist eine Störung der Mikrozirkulation besteht!) in niedriger Dosis vermieden
werden. Bei Blutungen ist in der Regel die Gabe
von FFP erforderlich, das auch Gerinnungsfaktoren
enthält. Bei deutlich verminderter Konzentration
von Fibrinogen und/oder AT III sollten diese Faktoren gezielt durch AT-III- bzw. Fibrinogenkonzentrat substituiert werden. Die Gabe von Thrombozytenkonzentraten wird erst bei einer Blutung
empfohlen, die mit einem Abfall der Thrombozyten unter 30 000/µl einhergeht.
Prognose: Sie hängt von Komplikationen der DIC
(Blutungen, Thrombosen), vor allem aber von der
Grundkrankheit (Organversagen, Schock) ab.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Pathophysiologie der Sepsis
Differenzialdiagnosen der Thrombopenie
Vaskuläre hämorrhagische Diathesen
Fall 60 Laktoseintoleranz (Laktasemangel)
257
60.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
60.3 Nennen Sie die 2 wichtigsten funktionellen Tests zur Sicherung der Verdachtsdiagnose
und erläutern Sie kurz den Ablauf der Untersuchung und den zu erwartenden Befund!
쐽 H2-Atemtest: Der Patient nimmt Laktose zu
sich; anschließend wird die H2-Konzentration
in der Ausatemluft gemessen. Bei Laktaseman-
60.4 Machen Sie einen Behandlungsvorschlag!
쐽 Die Patientin soll laktosehaltige Lebensmittel,
d. h. Milchprodukte, meiden; eine spezifische
medikamentöse Therapie gibt es nicht.
KO M M E N TA R
Die Laktoseintoleranz = der Laktasemangel, eine
Verdauungsstörung (Maldigestion), lässt sich bei
jedem 10. Menschen in Europa nachweisen.
Ätiologie: Der primäre (angeborene) Laktasemangel ist genetisch bedingt, der sekundäre (erworbene) Laktasemangel Folge einer Dünndarmerkran-
kung (z. B. Sprue), einer Gastrektomie oder Magenteilresektion.
Pathogenese: s. Frage 60.2.
Klinik: s. Fall und Frage 60.1.
Fall 60 Seite 61
60
Antworten und Kommentar
60.2 Erläutern Sie kurz die Pathogenese der
Erkrankung!
쐽 Laktose (Milchzucker) wird durch das Enzym
Laktase, das im Bürstensaum der Dünndarmepithelzellen lokalisiert ist, in Glukose und Galaktose gespalten. Bei Laktasemangel gelangt
die Laktose ungespalten in den Dickdarm und
wird dort von Bakterien zu CO2, H2 und Milchsäure fermentiert. Die CO2- und H2-Bildung
führt zu Diarrhö, verstärkter Darmgasbildung
und Darmkrämpfen (Tenesmen), die Milchsäurebildung zu einer Übersäuerung des Stuhls.
Fall
쐽 Laktoseintoleranz (Laktasemangel), da die klinische Symptomatik (Diarrhöen, Meteorismus)
vor allem im Zusammenhang mit dem Konsum
von Milchprodukten auftritt und sich keine
Hinweise auf eine schwere Allgemeinerkrankung ergeben.
gel wird die Laktose im Kolon zu CO2, H2 und
Milchsäure abgebaut (s. Frage 60.2), sodass die
H2-Konzentration in der Ausatemluft im Vergleich zu Gesunden erhöht ist.
Bei V. a. Mangel anderer Disaccharidasen kann
man dem Patienten diese Zucker (z. B. Fruktose,
Xylose, Glukose) verabreichen und mittels H2Atemtest eine mangelhafte Resorption auch
dieser Zucker nachweisen. Der Xylose-H2Atemtest kann als Globaltest für die Funktion
des oberen Dünndarms eingesetzt werden. Ein
pathologischer Glukose-H2-Atemtest spricht
hingegen für eine bakterielle Fehlbesiedlung
des Darms.
쐽 Laktose-Toleranztest: Der Patient nimmt auf
nüchternen Magen 50 g Laktose in 400 ml Wasser zu sich; 30, 60, 90 und 120 min später wird
der Blutzucker gemessen. Bei Gesunden ist
nach 30 min ein Blutzuckeranstieg ⬎ 20 mg/dl
(als Folge der Hydrolysierung von Laktose zu
Glukose und Galaktose) messbar. Bei Laktasemangel beträgt die Zunahme der Blutglukosekonzentration weniger als 20 mg/dl.
Diagnostik: Hinweise auf die Lokalisation der Störung gibt die Anamnese, denn eine rezidivierende
oder chronische Diarrhö, Gewichtsabnahme oder
die Unfähigkeit, bei Untergewicht zuzunehmen
(wie bei der beschriebenen Patientin) sind Leitsymptome von Dünndarmerkrankungen bzw. einer Störung der Dünndarmfunktion. Die Diagnose
eines Laktasemangels ist durch den H2-Atemtest
und den Laktose-Toleranztest möglich (s. Frage
60.3). Die Dünndarmbiopsie bzw. der histochemische Nachweis einer geringen Laktaseaktivität beweist den Laktasemangel.
Differenzialdiagnosen: Der Laktasemangel muss
von einer Lebensmittelallergie gegen Bestandteile
von Milchprodukten, z. B. Kasein, Lactalbumin, abgegrenzt werden. Milchallergien sind jedoch deut-
lich seltener als der Laktasemangel. Die Symptome
einer Lebensmittelallergie beschränken sich jedoch meist nicht auf den Magen-Darm-Trakt; zusätzlich treten Urtikaria, Rhinitis und/oder Dyspnö
auf. Eine Lebensmittelallergie wird durch Hautund Provokationstests sowie den Nachweis antigenspezifischer Antikörper der Klasse IgE im
Radio-Immunoabsorptions-(Sorbens-)Test (RAST)
möglich.
Therapie: Da es keine spezifische Therapie gibt, ist
eine Ernährungsumstellung erforderlich. Eine Ernährungsberatung hilft dem Patienten, laktosehaltige Lebensmittel (Milchprodukte) zu meiden und
zeigt ihm Alternativen (z. B. laktosearme Milch)
auf.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
258
Differenzialdiagnosen der chronischen Diarrhö
Zollinger-Ellison-Syndrom
Gallensäureverlustsyndrom
Fall
61
Fall 61 Hyperlipidämie
Antworten und Kommentar
61.1 Nennen Sie 3 Medikamente, die Sie dieser
Patientin verordnen würden! Begründen Sie Ihren Vorschlag!
쐽 Cholesterinsynthesehemmer (z. B. Simvastatin,
Pravastatin) zur Senkung der Konzentration
von LDL-Cholesterin (und sekundär auch der
Gesamtcholesterinkonzentration)
쐽 β-Blocker (z. B. Metoprolol, Bisoprolol), da sie
den Blutdruck senken und die Prognose bei
Z. n. Myokardinfarkt günstig beeinflussen
쐽 ACE-Hemmer (z. B. Ramipril, Enalapril), da sie
den Blutdruck senken und die Prognose bei
Z. n. Myokardinfarkt günstig beeinflussen.
61.2 Welche Zielwerte für Gesamtcholesterin,
HDL-, LDL-Cholesterin und Triglyzeride streben
Sie bei dieser Patientin an?
쐽 Gesamtcholesterin ⬍ 180 mg/dl
쐽 HDL-Cholesterin ⬎ 40 mg/dl
쐽 LDL-Cholesterin ⬍ 100 mg/dl
쐽 Triglyzeride ⬍ 150 mg/dl.
61.3 Nennen Sie mindestens 2 weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren, zu denen diese Fallbeschreibung keine Informationen aufweist!
쐽 Nikotinkonsum
쐽 Diabetes mellitus
쐽 Hyperhomocysteinämie
쐽 Stress.
KO M M E N TA R
Als Hyperlipidämie bezeichnet man eine Hypercholesterinämie (Serum-Gesamtcholesterin ⬎ 240
mg/dl) und/oder eine Hypertriglyzeridämie (Serum-Triglyzeride ⬎ 20 mg/dl). Unter einer Hyperlipoproteinämie versteht man eine erhöhte Serumkonzentration der die Lipide transportierenden Lipoproteine (Chylomikronen, VLDL, LDL, HDL);
hierbei ist auch die Lipidkonzentration erhöht.
Einteilung und Ätiologie: Die Hyperlipidämie
lässt sich einteilen nach
쐽 dem Typ des vermehrt vorkommenden Lipoproteins (Klassifikation nach Frederickson,
Tab. 61.1)
Fall 61 Seite 62
쐽 ätiologischen Gesichtspunkten in
– physiologisch-reaktive Hyperlipidämie mit
geringer Konzentrationserhöhung infolge
von Nahrungsaufnahme
– primäre (hereditäre bzw. familiäre) Hyperlipidämie (Tab. 61.2)
– sekundäre (durch Erkrankungen oder Medikamente bedingte) Hyperlipidämie (Tab.
61.3).
Klinik:
쐽 klinische Zeichen: Xanthome (vor allem an Sehnen [Abb. 61.1] und interdigital), Xanthelasmen
(Augenlider), Arcus lipoides
Tab. 61.1 Klassifikation der Hyperlipidämien (Hyperlipoproteinämien, HLP) nach Frederickson (Hahn 2000)
HLPTyp
Plasmalipoproteine
Chylo
VLDL
Serumlipide
Typische Werte
(mg/dl)
LDL
Chol
TG
Chol
TG
I
앖앖
–
–
앖
앖앖
320
4000
IIa
–
–
앖앖
앖앖
–
370
90
IIb
–
앖
앖
III
chol.-reiche VLDL (IDL)
앖
앖
350
400
앖앖
앖앖
500
700
IV
–
앖
–
–
앖
220
400
V
앖앖
앖
–
앖앖
앖앖
700
5000
Tab. 61.2 Primäre Hyperlipidämien (Hahn 2000)
Erkrankung
wesentliche
LP-Erhöhung
HLP-Typ nach
Frederickson
typ. Werte
(mg/dl)
Häufigkeit
259
Hypercholesterinämie (hohes Arteriosklerose-Risiko)
IIa
C: 280
häufigste
HLP
Familiäre Hypercholesterinämie (heterozygot)
LDL
IIa
C: 350 – 600
1 : 500
Familiärer Apo-B-100Defekt (heterozygot)
LDL
IIa
C: 250 – 600
1 : 750
Kombinierte Hyperlipidämie (hohes Arteriosklerose-Risiko)
Familiäre Typ-III-HLP
(polygen)
VLDL-Remnants
III
T: 350 – 500
C: 400 – 700
1 : 5 000
Familiäre kombinierte HLP
(dominant)
VLDL/LDL
IIa/IIb/IV
T: 100 – 500
C: 250 – 400
1 : 400
Familiäre Hypertriglyzeridämie (dominant)
VLDL (Chylo)
IV (V)
T: 500
C: 200
1 : 500
Familiärer Lipoproteinlipase- oder Apo-C-II-Mangel
(rezessiv)
Chylo
VLDL
I/V
T: 10 000
C: 500
sehr
selten
Hypertriglyzeridämie
Andere Fettstoffwechselstörungen (hohes Arteriosklerose-Risiko)
Familiäre Hypoalphalipoproteinämie (dominant)
HDL-Cholesterin
⬍ 5 mg/dl
1 : 20
Lipoprotein(a) = Lp(a)Hyperlipoproteinämie
Lipoprotein(a)-Spiegel ⬎ 30 mg/dl gelten als
Risikofaktor für Arteriosklerose
häufig
Polygen = Zusammenwirken erblicher und exogener Faktoren (z. B. Ernährung)
C = Gesamtcholesterin, T = Triglyzeride, LP = Lipoprotein
Fall 61 Seite 62
61
Antworten und Kommentar
LDL
Fall
Polygene Hypercholesterinämie
Tab. 61.3 Häufige sekundäre Hyperlipidämien (Hahn 2000)
Grundkrankheit/Ursache
Wesentliche
LP-Erhöhung
HLP-Typ nach
Frederickson
Diabetes mellitus Typ II, metabolisches Syndrom
VLDL (Chylo)
IV (V)
Alkohol
VLDL
IV
Medikamente: z. B. Thiazide, β-Blocker, Kortison
VLDL/LDL
IIa/IIb/IV
Hypothyreose
LDL (IDL)
IIa (III)
Nephrotisches Syndrom
LDL (VLDL)
IIa, IIb
Cholestase (Cholesterinerhöhung)
LpX
Hepatitis
VLDL/LDL
IV/IIb
Stress: Psycho-, Herzinfarkt, Traumata, OP etc.
VLDL
IV
LpX = abnormes cholesterinreiches Lipoprotein
260
Fall
61
Antworten und Kommentar
Abb. 61.1 Tuberöse Xanthome über den Ellenbogensehnen bei einem 30-jährigen Mann mit Hypercholesterinämie vom Typ II
쐽 Folgeerkrankungen: Arteriosklerose (koronare
Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit, arterielle Verschlusskrankheit der
hirnversorgenden Arterien), Steatosis hepatis,
Pankreatitis (bei schwerer Hypertriglyzeridämie)
Diagnostik:
쐽 Anamnese: Frage nach weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Nikotinkonsum, nach Hinweisen für sekundäre Hyperlipidämie (s. Tab. 61.3)
쐽 körperliche Untersuchung: Symptome der Hyperlipidämie (s. Klinik), arterielle Hypertonie,
Symptome der Hypothyreose, periphere Durchblutungsstörung, Ödeme?
쐽 Laboruntersuchungen:
Gesamtcholesterin,
LDL- und HDL-Cholesterin mit LDL-HDL-Quotient, Triglyzeride, Lipoprotein(a), Blutzuckertagesprofil (Diabetes mellitus?), Serum-Homocystein (Hyperhomocysteinämie?)
쐽 EKG, Belastungs-EKG: Hinweise auf KHK?
Fall 61 Seite 62
Therapie: Ziel ist es, die in Frage 61.2 genannten
Zielwerte zu erreichen. Dabei ist vor allem dem
Verhältnis von LDL- zu HDL-Cholesterin Beachtung
zu schenken: Ziel: LDL/HDL ⬍ 2. Zu diesem Zweck
existieren folgende Therapieoptionen:
쐽 Allgemeinmaßnahmen:
– Diät: Alkoholkarenz, Reduktion der Kalorienzufuhr, Reduktion der Gesamtnahrungsfettmenge auf ⬍ 30%, Cholesterinreduktion (z. B.
Verzicht auf Eier), tierische Fette durch
pflanzliche Fette ersetzen, dabei Nahrung mit
hohem Gehalt an Omega-3-Fettsäuren (z. B.
Fisch) bevorzugen
– regelmäßige körperliche Bewegung (abhängig von Begleiterkrankungen)
쐽 medikamentöse Therapie, falls Allgemeinmaßnahmen keine ausreichende Wirkung zeigen:
– Cholesterinsynthesehemmer = HMG-CoAReduktasehemmer (Statine, s. Frage 61.1):
Sie senken effektiv die Cholesterinkonzentration: Die Hemmung des geschwindigkeitsbestimmenden Enzyms der Cholesterinsynthese bewirkt, dass die durch die Cholesterinkonzentration vermittelte Suppression des
LDL-Rezeptorgens aufgehoben wird, die Synthese von LDL-Rezeptoren nimmt zu. Dadurch wird LDL-Cholesterin vermehrt in die
Leberzellen transportiert und seine Serumkonzentration sinkt.
– Anionenaustauscher: Sie binden Gallensäuren, hemmen so deren Resorption und stimulieren dadurch die Synthese von Gallensäuren aus Cholesterin und die Synthese von
LDL-Rezeptoren. Infolgedessen sinkt die Cholesterinkonzentration im Serum. Anionenaustauscher werden eingesetzt, wenn die
Wirkung von Cholesterinsynthesehemmern
nicht ausreicht, um die o. g. Zielwerte zu erreichen.
– Fibrate (z. B. Gemfibrozil): Sie aktivieren die
Lipoproteinlipase und senken folglich vor allem die Serumkonzentration der Triglyzeride, weniger die des LDL-Cholesterins. Sie sind
daher bei Hypertriglyzeridämie indiziert.
– Nikotinsäurederivate (z. B. Acipimox): Sie reduzieren die Synthese von VLDL und LDL, sodass die Serumkonzentration von Triglyzeriden und Cholesterin abnimmt. Sie sind bei
Kombination von Hypertriglyzeridämie und
Hypercholesterinämie indiziert.
쐽 weitere Therapieoptionen: LDL-Apherese zur
Elimination des LDL-Cholesterins bei schweren
familiären Hypercholesterinämien.
Bei Post-Myokardinfarktpatienten ist die Therapie der Hyperlipidämie und anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren besonders wichtig, da eine
konsequente Sekundärprävention die Prognose
nach einem Myokardinfarkt deutlich verbessert.
Eine aggressive Behandlung einer Hyperlipidämie mittels Cholesterinsynthesehemmer kann
die Mortalität bei diesen Patienten um mehr als
30% senken. Darüber hinaus verbessern Acetylsalicylsäure, β-Blocker und ACE-Hemmer unabhängig
voneinander die Prognose nach einem Herzinfarkt:
Acetylsalicylsäure senkt als Thrombozytenaggregationshemmer die Re-Thromboserate. β-Blocker
vermindern die Inzidenz lebensbedrohlicher ventrikulärer Arrhyhthmien und wirken bei einer begleitenden arteriellen Hypertonie blutdrucksenkend. ACE-Hemmer beeinflussen Umbauvorgänge
im infarzierten Myokard und mindern die Entwicklung einer Dilatation und Hypertrophie des
geschädigten linken Ventrikels. ACE-Hemmer wirken sich daher vor allem bei reduzierter Myokardfunktion prognostisch günstig aus. Bei der beschriebenen Patientin beeinflusst der ACE-Hemmer zudem durch Blutdrucksenkung die Prognose
günstig. Jeder Patient mit Z. n. Myokardinfarkt sollte daher mit einem Präparat aus jeder dieser 4 Substanzgruppen behandelt werden – unter Beachtung
der Nebenwirkungen und Kontraindikationen.
261
Fall
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hyperhomocysteinämie
Anorexia nervosa
Hyperurikämie
Adipositas
62
62.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Phlebothrombose, da eine deutliche Schwellung des linken Beins mit livider Verfärbung
(Zyanose) besteht und eine Operation vorausging (Risikofaktor!). Da diese im Bereich des
Beckens stattfand, ist der Thrombus möglicherweise in der Beckenvene lokalisiert.
62.2 Welche Diagnostik schlagen Sie – in der
Reihenfolge des praktischen Vorgehens – zur Sicherung der Diagnose vor?
쐽 Kompressionssonographie und Farbduplexsonographie der Beinvenen
쐽 Angio-CT oder MRT: nur bei V. a. Beckenvenenthrombose und unklarem oder negativem Sonographiebefund
쐽 Phlebographie: falls eine Befundklärung durch
Sonographie und/oder CT bzw. MRT nicht möglich ist.
62.3 Welche Risikofaktoren für diese Erkrankung kennen Sie?
쐽 angeborene Gerinnungsstörung (bei ca. jedem
2. Patienten):
– Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz):
Eine Punktmutation im Faktor-V-Gen führt
쐽
쐽
쐽
쐽
쐽
zu mangelnder Inaktivierung des Faktors
durch aktiviertes Protein C (APC).
– Hyperhomocysteinämie (Mutation des Methyltetrahydrofolatreduktase [MTFHR]Gens): Ursache der Hyperkoagulabilität unbekannt.
– Protein-C-Mangel: Protein C ist das Proenzym des APC (s. o.); Mangel führt zu Hyperkoagulabilität.
– Protein-S-Mangel: Protein S ist der Kofaktor
von APC; Mangel führt zu Hyperkoagulabilität.
– AT-III-Mangel: AT III ist der wichtigste
Thrombininhibitor; Mangel führt zu Hyperkoagulabilität.
operative Eingriffe: Insbesondere Operationen
im Hüft- bzw. Beckenbereich bewirken Hyperkoagulabilität, vor allem, wenn keine prophylaktische Heparinisierung erfolgte.
fehlende Bewegung und Immobilisierung, z. B.
postoperativ oder bei Schwerkranken
Abknicken der V. poplitea bei langem Sitzen,
z. B. im Bus oder Flugzeug
Therapie mit Östrogenen und oralen Kontrazeptiva
Rauchen
Fall 62 Seite 63
Antworten und Kommentar
Fall 62 Phlebothrombose
쐽 maligne Tumorerkrankungen (Hyperkoagulabilität)
쐽 Antiphospholipid-Syndrom (Antikörperbildung
gegen Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren,
s. Fall 19)
쐽 Exsikkose (Hyperkoagulabilität).
262
Fall
62
62.4 Machen Sie einen Therapievorschlag!
Nennen Sie, wo möglich, „Zielwerte“ für Ihre
Therapie!
쐽 in der Akutphase
– therapeutische („Voll“-) Heparinisierung
mit unfraktioniertem oder fraktioniertem
(niedermolekularem) Heparin:
unfraktioniertes Heparin (z. B. Calciparin):
zunächst i. v.-Bolus mit 70 IE/kg KG, dann
20 000 – 35 000 IE Heparin kontinuierlich
i. v. pro 24 h; Ziel ist eine Verlängerung der
aPTT um das 1,5- bis 2,5fache des Normwertes (dieser variiert von Labor zu Labor)
fraktioniertes Heparin: Dosis an das Körpergewicht adaptiert; keine Laborparameter
als Zielwert, da Gerinnungsparameter wie
die aPTT bei therapeutischer Dosierung
nicht auf die Gabe von fraktioniertem Heparin reagieren.
– lokale Kompressionsbehandlung: initial
mit elastischen Wickeln, später mit Kompressionsstrümpfen.
쐽 im Anschluss an die Akutphase orale Antikoagulation z. B. mit Phenprocoumon (Marcumar) zur Rezidivprophylaxe: nach vorheriger
Heparinisierung überlappend; Zielwert INR
2,0 – 3,0; Therapiedauer bei Erstthrombose
6 Monate, bei permanent bestehenden Risikofaktoren oder Zweitthrombose lebenslang
쐽 systemische Fibrinolyse (s. u.)
쐽 Thrombektomie mit dem Fogarty-Katheter.
62.5 Nennen Sie mindestens 3 Indikationen für
eine systemische Fibrinolysetherapie bei der
vermuteten Erkrankung!
쐽 hämodynamisch relevante Lungenembolie (RRAbfall und/oder erhöhter pulmonalarterieller
Druck)
쐽 akute tiefe Beinvenenthrombose im Oberschenkel- oder Beckenbereich (Symptome seit weniger als 10 Tagen) mit massiver Schwellung und
Gefahr eines postthrombotischen Syndroms
쐽 Phlegmasia coerulea dolens: Minderung der
arteriellen Perfusion der Extremität durch die
massive Weichteilschwellung
쐽 zeitgleich akuter Myokardinfarkt.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Als Phlebothrombose bezeichnet man einen akuten kompletten oder inkompletten Verschluss einer tiefen Vene durch einen Thrombus. Sie tritt in
über 90% der Fälle im Bereich der Becken- oder
Beinvenen auf. Da links die A. iliaca die V. iliaca
überkreuzt und so zu einer Abflussbehinderung
führt, ist das linke Bein doppelt so häufig betroffen
wie das rechte Bein. Thrombosen der Armvenen
(Paget-von-Schroetter-Syndrom, ⬍ 2%) treten z. B.
nach Anlage eines zentralen Venenkatheters oder
bei einem Thoracic-outlet-Syndrom (Kompressionssyndrom im Bereich der oberen Thoraxapertur
z. B. infolge einer Halsrippe) auf.
Ätiologie: s. Frage 62.3.
Klinik: Leitsymptom der Phlebothrombose ist die
akut aufgetretene komplette oder partielle
Schwellung einer Extremität sowie Zyanose, begleitet von dumpfen, ziehenden Schmerzen in der
Extremität. Bei der tiefen Becken- oder Beinvenenthrombose gelten andere klinische Zeichen, wie
der Wadenkompressionsschmerz (Meyer-Zeichen), der Wadenschmerz bei Dorsalflexion im
Sprunggelenk (Homans-Zeichen) sowie der
Schmerz bei Druck auf die Fußsohle (Payr-Zeichen), zwar als typisch, können aber nur bei weniger als der Hälfte der Betroffenen ausgelöst werden
und sind daher, wie bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin, nicht zum Ausschluss der
Diagnose geeignet.
Fall 62 Seite 63
Diagnostik: Bei jedem Patienten mit einer Phlebothrombose sollte zumindest durch eine gezielte
Anamnese nach Risikofaktoren für eine Thrombembolie (s. Frage 62.3) gesucht werden; Risikofaktoren für das Paget-von-Schroetter-Syndrom sind
Handball, Basketball, Tennis und Holzhacken. Bei
familiärer Häufung, rezidivierenden Thrombosen
und allen jungen Patienten muss zudem eine weiterführende laborchemische Diagnostik zum Ausschluss der in Frage 62.3 genannten hereditären
Gerinnungsstörungen erfolgen (s. Fall 19).
Die wichtigste diagnostische Maßnahme ist die Sonographie. Typisch für eine Phlebothrombose ist
die unvollständige Komprimierbarkeit des Venenlumens im Querschnitt. Durch die Farbduplexsonographie (Methode der Wahl) kann der Thrombus als nichtperfundierte Enge in der Vene sichtbar
gemacht werden (s. Abb. 62.1); die Analyse der ve-
Abb. 62.1 Sonographischer Nachweis eines flottierenden Thrombusendes in der Beckenvene bei tiefer Inspiration
nösen Strömungsprofile (Doppler-Sonographie)
erbringt zusätzliche Informationen. Zur weiterführenden Diagnostik s. Frage 62.2.
Therapie: In der Akutphase gibt es 3 Therapieoptionen:
쐽 Vollhepariniserung (s. Frage 62.4): Standardtherapie; heute wird fraktioniertem Heparin
wegen der einfacheren Applikation (s. c. statt
i. v.), der fehlenden Notwendigkeit für ständige
Laborkontrollen und der gleichmäßigeren Wirkung (bei unfraktioniertem Heparin ist die aPTT
oft außerhalb des therapeutischen Bereichs) der
Vorzug gegeben.
쐽 Fibrinolyse: bei gegebener Indikation (s. Frage
62.5) und nach Ausschluss von Kontraindikationen (z. B. Operation vor weniger als 10 Tagen,
florides Magen- oder Darmulkus)
쐽 Thrombektomie: nur bei Phlegmasia coerulea
dolens.
Zusätzlich erfolgt eine lokale Kompressionsbehandlung (s. Frage 62.4).
Die Nachbehandlung (Rezidivprophylaxe) erfolgt
mit oralen Antikoagulanzien (Dauer s. Frage 62.4).
Bei vorheriger Heparinisierung wird die orale Antikoagulation eingeleitet, sobald 2 Tage lang ein therapeutischer INR-Wert bestanden hat. In der
Schwangerschaft und im Wochenbett sind orale
Antikoagulanzien kontraindiziert (teratogen), hier
wird Heparin eingesetzt.
Ximelagatran ist ein Thrombin-Hemmer und wurde kürzlich als orales Antikoagulans zur Prophylaxe venöser Thrombembolien zugelassen. Im Gegensatz zu Phenprocoumon ist eine regelmäßige
Gerinnungskontrolle nicht erforderlich.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Komplikationen der Phlebothrombose
Antiphospholipid-Syndrom
Postthrombotisches Syndrom
Thrombophlebitis
Phlegmasia coerulea dolens
263
Fall
Fall 63 Leberzirrhose mit Aszites und bakterieller Peritonitis
63.2 Handelt es sich bei dem Aszites-Punktat
um ein Transsudat oder ein Exsudat? Begründen
Sie Ihre Aussage!
쐽 Es handelt sich um ein Exsudat, da das spezifische Gewicht der Flüssigkeit ⬎ 1016 g/l, der Eiweißgehalt ⬎ 3,0 g/dl beträgt und die Flüssigkeit außerdem zellreich (Leukozyten ⬎ 500/µl)
ist.
쐽 Therapie des Aszites:
– Kochsalzrestriktion (⬍ 3 g/d durch salzarme
Kost, natriumarme Mineralwässer)
– Flüssigkeitsrestriktion (1 l/d)
– Diuretika: Spironolacton (Aldosteronantagonist, Beginn mit 25 mg/d, bei guter Nierenfunktion steigern auf 50 mg/d), evtl. zusätzlich Schleifendiuretikum (z. B. Furosemid)
– Wiederholung der Aszitespunktion im Verlauf, falls erforderlich
– Achtung: Aszites langsam ausschwemmen
(tägliche Gewichtsabnahme ⬍ 500 g), da es
bei schneller Ausschwemmung aufgrund der
raschen Veränderung des intraabdominellen
Druckes zu Kreislaufinstabilität kommt!
쐽 Therapie der portalen Hypertension: Indikation zur Anlage eines transjugulären portosystemischen Shunts prüfen
쐽 Therapie der Leberzirrhose: Alkoholverbot,
Meiden hepatotoxischer Medikamente
쐽 ggf. Vitamin-B-Komplex (Vitamin B1, B6, B12),
da bei Alkoholikern diesbezüglich oft Mangel
herrscht.
63.3 Machen Sie einen Therapievorschlag!
쐽 Therapie der spontanen bakteriellen Peritoni!!! 63.4 Was ist die Erklärung für den bevorzugtis: wegen der hohen Letalität der Peritonitis
ten Einsatz von Spironolacton bei Leberzirrhose
(bis zu 90%!) schon bei V. a. Peritonitis einen
mit Aszites?
Gyrasehemmer (z. B. Ciprofloxacin) oder ein
쐽 Leberzirrhose induziert einen sekundären HyCephalosporin der 3. Generation (z. B. Cefotaperaldosteronismus, dem der Aldosteronantaxim), am besten i. v., verabreichen!
gonist Spironolacton entgegenwirkt. Pathome-
Fall 63 Seite 64
Antworten und Kommentar
63.1 Was ist sehr wahrscheinlich die Ursache
der abdominellen Beschwerden?
쐽 Eine spontane bakterielle Peritonitis bei äthyltoxischer Leberzirrhose mit Aszites: Hinweise
auf eine Leberzirrhose sind der Ikterus, die Spider-Nävi, das Palmarerythem, die vergrößerte,
grobknotig verhärtete Leber, der Aszites und
die Ösophagusvarizen. Für das Vorliegen einer
spontanen bakteriellen Peritonitis, einer Komplikation des Aszites, sprechen die diffusen
Bauchschmerzen mit Übelkeit, reflektorischer
Anspannung der Bauchdecken und Fieber.
63
chanismen des sekundären Hyperaldosteronismus:
– Aszites führt zu Natrium- und Flüssigkeitsverlust in die Bauchhöhle, der das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System stimuliert und
eine vermehrte Aldosteronsynthese bewirkt.
– reduzierter Aldosteronabbau in der zirrhotischen Leber.
63.5 Welche Folgen und Komplikationen (mindestens 4) einer Leberzirrhose kennen Sie?
쐽 portale Hypertension und ihre Folgen:
– Ösophagus-, Korpus- und Fundusvarizen, bei
ca. 30% der Patienten Blutung aus Varizen
– Aszites und seine Komplikationen: spontane
bakterielle Peritonitis, Refluxösophagitis
(erhöhter intraabdomineller Druck), respiratorische Insuffizienz (Druck des Aszites auf
das Diaphragma)
– hepatorenales Syndrom = Niereninsuffizienz
bei Leberversagen, Ursachen: Volumenverlust durch Aszites und Blutungen aus Varizen
– Splenomegalie mit Hypersplenismus = übermäßiger Abbau von Blutzellen in der Milz
mit Leukopenie und Thrombopenie
쐽 hepatische Enzephalopathie
쐽 hepatozelluläres Karzinom (s. Fall 143).
KO M M E N TA R
Als Leberzirrhose bezeichnet man einen fibrosierenden und knotigen Gewebsumbau der Leber als
Folge verschiedenster chronischer Lebererkrankungen.
264
Fall
63
Antworten und Kommentar
Ätiologie und Pathophysiologie: Typische Ursachen einer Leberzirrhose sind der chronische Alkoholabusus, eine chronische Virushepatitis (meist
Hepatitis C), die Hämochromatose, die primäre biliäre Zirrhose, die primär sklerosierende Cholangitis, Autoimmunhepatitiden und eine chronische
dekompensierte Rechtsherzinsuffizienz. Die nodösen fibrosierenden Veränderungen führen zu einer
zunehmenden Zerstörung der Läppchenarchitektur und damit zu einer progredienten Funktionseinschränkung der Leber, wobei die Synthesefunktion und die Abbaufunktion der Leber gleichermaßen betroffen sind. Zudem bewirkt der Gewebsumbau eine zunehmende intrahepatische Zirkulationsstörung, die eine portale Hypertension (Pfortaderhochdruck) nach sich zieht. Diese ist eine wesentliche Teilursache der Entstehung von Aszites
bei Leberzirrhose, jedoch tragen hierzu auch ein
sekundärer Hyperaldosteronismus (s. Frage 63.4)
und eine Hypalbuminämie (Synthesestörung und
Eiweißverlust in den Aszites) bei.
Klinik: Neben Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit und Leistungsminderung finden sich ein geringgradiger Ikterus, eine Lackzunge (glatte rote
Zunge), Spider-Nävi, Palmarerythem sowie Zeichen einer verminderten Leberfunktion: periphere Ödeme (Hypalbuminämie), Neigung zu Hämatomen und Blutungen (verminderte Synthese
von Gerinnungsfaktoren) sowie beim Mann eine
Bauchglatze, Potenzstörungen, evtl. auch Hodenatrophie und Gynäkomastie, bei der Frau Zyklusstörungen (vermehrte Östrogenbildung in der Peripherie aufgrund eines verminderten Abbaus des
Östrogen-Prohormons Androstendion).
Komplikationen: s. Frage 63.5.
Insbesondere bei fortgeschrittener Leberzirrhose
mit Aszites entsteht leicht eine spontane bakterielle Peritonitis. Sie heißt „spontan“, weil sich keine Eintrittspforte der Bakterien (z. B. Darmruptur)
Fall 63 Seite 64
nachweisen lässt. Ursache der Peritonitis ist eine
Migration von Darmbakterien durch die Darmwand in den Aszites als Folge eines Aszites-bedingten Darmwandödems. Bei einer Leukozytenzahl
von ⬎ 500/µl liegt definitionsgemäß eine spontane
bakterielle Peritonitis vor. Peritonitiszeichen (diffuse Bauchschmerzen, Abwehrspannung, Fieber)
können fehlen.
Die hepatische Enzephalopathie entsteht vermutlich aufgrund verminderten Abbaus von Ammoniak und Toxinen in der Leber infolge der Leberinsuffizienz oder der Umgehungskreisläufe bei portaler
Hypertension. Sie äußert sich durch Konzentrationsstörungen sowie grobschlägigen Tremor (Flattertremor, flapping tremor) (Enzephalopathie
Grad I) bzw. mit zunehmendem Schweregrad
durch Somnolenz (Grad II), Schlaf, aus dem der Patient erweckbar ist, jedoch unzusammenhängend
spricht (Grad III) bis hin zum Koma (Grad IV).
Diagnostik:
쐽 bei V. a. Leberzirrhose:
– Anamnese: Liegt eine der Ursachen der Leberzirrhose vor?
– körperliche Untersuchung: Symptome der
Leberzirrhose bzw. ihrer Komplikationen?
– Labor: Transaminasen, γ-GT, Bilirubin (erhöht?), Albumin, Cholinesterase (Synthesestörung?), INR und AT III (vermindert?), Gesamt-Eiweiß (vermindert?), Eiweiß-Elektrophorese (Albumin vermindert, γ-Globuline
erhöht), Hepatitisserologie (chronische Hepatitis B oder C?), Ferritin (Hämochromatose?), Coeruloplasmin- und Kupfergehalt
(Morbus Wilson?)
– Abdomensonographie: Beurteilung der Leber (vergrößert, Strukturveränderung [Abb.
63.1]?), Suche nach Komplikationen (Erweiterung der Pfortader und Splenomegalie als
Zeichen der portalen Hypertension, perihepatische Flüssigkeitsansammlung bei Aszites
[Abb. 63.1], hepatozelluläres Karzinom?)
– Leberbiopsie: zur Diagnose und Beurteilung
des Aktivitätsgrades der Leberzirrhose
sion bei Leberzirrhose ohne weitere Komplikationen oder eine chronische Rechtsherzinsuffizienz hin. Bei einem Exsudat besteht
V. a. Malignität oder Entzündung, die Differenzierung ist durch zytologische und bakteriologische Untersuchung des Aszites möglich.
– hepatische Enzephalopathie: Anamnese und
körperliche Untersuchung (Symptome?),
Schriftprobe, Bestimmung des Ammoniak
i. S. (bei hepatischer Enzephalopathie erhöht)
– hepatozelluläres Karzinom: s. Fall 143.
Stadieneinteilung: Die Leberzirrhose wird nach
Child-Pugh in die Schweregrade A – C eingeteilt
(Tab. 63.1).
Abb. 63.1 Sonogramm bei Leberzirrhose: vergrößerte
Leber mit abgerundeter Oberfläche, grobknotiger Kontur
und bikonvexer Form, inhomogenes Binnenstrukturmuster. Reichlich perihepatischer Aszites
L = Leber, A = Aszites, Z = Zwerchfell
Tab. 63.1 Child-Pugh-Klassifikation in der Leberzirrhose (Hahn 2000)
Parameter
1 Punkt
2 Punkte
3 Punkte
Aszites
fehlend
sonographisch
nachweisbar
klinisch
nachweisbar
Enzephalopathie
keine
I-II
III-IV
Serum-Bilirubin (mg/dl)
⬍2
2–3
⬎3
Quick (%)
⬎ 70
40 – 70
⬍ 40
Serum-Albumin (g/dl)
⬎ 3,5
3 – 3,5
⬍3
Child A = 5 – 6 Punkte, Child B = 7 – 9 Punkte, Child C = 10 – 15 Punkte
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Maligne und benigne Raumforderungen der Leber
Differenzialdiagnosen des Aszites
Morbus Wilson
Differenzialdiagnosen der Hypergammaglobulinämie
Fall 63 Seite 64
63
Antworten und Kommentar
Prognose: Sie hängt vom Stadium der Leberzirrhose ab. Während eine Leberzirrhose im Child-Stadium A die Prognose kaum einschränkt, beträgt die
1-Jahres-Überlebensrate im Stadium Child B 85%,
im Stadium Child C nur 35%.
265
Fall
쐽 bei V. a. portale Hypertension: Abdomensonographie (s. o.), Ösophagogastroduodenoskopie
쐽 bei Komplikationen:
– Aszites und Folgen: laborchemische Untersuchung der Flüssigkeit zwecks Unterscheidung zwischen Transsudat (eiweiß- und zellarm) und Exsudat (eiweiß- und zellreich): Ein
Transsudat weist auf eine portale Hyperten-
Therapie: s. Frage 63.3 bzw. bei hepatozellulärem
Karzinom s. Fall 143. Bei hepatischer Enzephalopathie besteht die Therapie vor allem aus Maßnahmen zur Verminderung von Eiweißabbauprodukten (z. B. Ammoniak) durch verminderte Eiweißzufuhr (⬍ 50 g/d, bei Koma Eiweißkarenz) und einer Hemmung der Ammoniakbildung durch die
Darmflora durch Gabe von Laktulose. Versagen
diese Maßnahmen, muss unverzüglich die Indikation zur Lebertransplantation geprüft werden.
Fall 64 Hyperkaliämie (bei akuter Niereninsuffizienz)
64.1 Was ist die Ursache der Muskelschwäche?
쐽 Schwere Hyperkaliämie (Serumkalium
⬎ 7 mmol/l) bei akuter Niereninsuffizienz
(Hinweis: Urin-artiger Foetor ex ore, Kreatinin
⬎ 1,2 mg/dl), wahrscheinlich prärenal auf dem
Boden einer akuten Leukämie (Hinweis: massive Leukozytose bei Anämie und Thrombozytopenie). Das EKG (s. Abb. 64.1) zeigt den typischen Befund der Hyperkaliämie, das spitze
hoch-positive T.
266
Fall
64
Abb. 64.1
EKG bei Hyperkaliämie
– kaliumsalzhaltige Antibiotikalösungen
– Kaliumchlorid in Infusionen (perioperativ,
parenterale Ernährung)
쐽 „Pseudohyperkaliämie“ aufgrund von Hämolyse bei der Blutentnahme durch erhöhte Erythrozytenfragilität oder falsche Abnahmetechnik (zu viel Sog).
Antworten und Kommentar
64.3 Wie kann eine Hyperkaliämie medikamentös behandelt werden?
쐽 Glukose-Insulin-Infusion (z. B. 30 IE Normalinsulin + 500 ml Glukose 10% über 30 min): wirkt
nach etwa 20 Minuten (s. Kommentar)
쐽 Kalziumglukonat 10% 10 – 20 ml über 3 min
i. v.: Die Wirkung tritt schneller ein als bei der
Glukose-Insulin-Infusion, hält aber nur ca.
1 Stunde an. Achtung: Kalziumglukonat ist bei
Hyperkalzämie und bei digitalisierten Patienten kontraindiziert!
쐽 forcierte Diurese: parenterale Gabe von Furosemid (40 – 80 mg) und 0,9%iger Natriumchloridlösung (bei akutem Nierenversagen nur
wirksam, wenn die Urinausscheidung wieder
einsetzt)
쐽 Ionenaustauscher (Resonium A oder Sorbisterit): nur bei nicht lebensbedrohlicher Hyperkaliämie, da die Wirkung erst 8 Stunden nach Applikation einsetzt.
64.2 Welche 6 anderen Ursachen einer Hyperkaliämie kennen Sie?
쐽 Gewebstraumatisierung mit Freisetzung von
!!! 64.4 Welche weitere(n) Maßnahme(n) müssen
Kalium aus dem Gewebe (Crush-Syndrom)
Sie jetzt ergreifen, um das Leben des Patienten
쐽 schwere metabolische oder respiratorische
zu retten?
Azidose (intrazelluläre Akkumulation von H+
쐽 Anlage eines Sheldon-Katheters (großlumiger
führt zu Verschiebung von Kalium aus dem
zentralvenöser Katheter zur Dialyse) und BeIntrazellular- in den Extrazellularraum)
ginn einer Notfalldialyse mit kaliumarmem
쐽 Hypoaldosteronismus bei NebenniereninsuffiDialysat
zienz (Morbus Addison)
쐽 falls erforderlich, Fortsetzung der kardiopul쐽 chronische Niereninsuffizienz (reduzierte Kamonalen Reanimation, bis die Serumkaliumliumexkretion)
konzentration durch die Dialyse deutlich abge쐽 Medikamente:
nommen hat und eine Hyperkaliämie als Ursa– kaliumsparende Diuretika (Amilorid, Triamche der Asystolie nicht mehr in Betracht
teren, Spironolacton: Hemmung des Reninkommt
Angiotensin-Aldosteron-Systems)
쐽 ggf. Versuch mit passagerem Herzschrittma– Digitoxin, Digoxin (Hemmung der Na+-K+cher, bis die Maßnahmen zur Kaliumsenkung
ATPase!)
greifen; Herzschrittmacher ineffektiv bei
– ACE-Hemmer (Hemmung des Renin-Angioelektromechanischer Entkopplung.
tensin-Aldosteron-Systems)
KO M M E N TA R
Von einer Hyperkaliämie spricht man bei Anstieg
des Serumkaliums auf Werte über 5,5 mmol/l.
Ätiologie: s. Frage 64.1 und 64.2. Eine häufige Ursache der Hyperkaliämie – häufiger als das akute
Nierenversagen – ist die Verabreichung der in Frage 64.2 genannten Medikamente an Patienten mit
Fall 64 Seite 65
eingeschränkter Nierenfunktion, insbesondere die
Verabreichung kaliumsparender Diuretika an Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz oder Leberzirrhose und chronischer Niereninsuffizienz,
auch wenn letztere noch kompensiert ist.
Klinik: Ob Symptome auftreten, hängt von der Serumkaliumkonzentration – Symptome treten häufig erst ab einer Konzentration ⬎ 6 mmol/l auf –
und von der Schnelligkeit des Konzentrationsanstiegs ab: Bei chronischer Niereninsuffizienz ist
der Körper in der Regel gut an eine höhere Serumkaliumkonzentration adaptiert, so dass eine vorübergehende Hyperkaliämie meist nur geringe
Symptome verursacht; bei akutem Nierenversagen hingegen steigt das Serumkalium schnell
(1 mmol/l pro Tag), so dass die Symptomatik ausgeprägt ist.
Leitsymptome der Hyperkaliämie sind eine generalisierte Muskelschwäche, Paresen, Parästhesien
(periorales Kribbeln) und kardiale Überleitungsstörungen (AV-Block, Kammerflattern, Kammerflimmern, Asystolie). Eine Serumkaliumkonzentration von über 7 mmol/l ist wegen der Gefahr der
Asystolie lebensbedrohlich.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Akutes Nierenversagen (Ursachen, Therapie)
Metabolische Azidose
Pseudohyperkaliämie (Ursachen)
Fall 65 Aortenklappenstenose
65.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
쐽 Aortenklappenstenose, da
– Dyspnö, Schwindel, Synkopen und retrosternaler Druckschmerz bei Belastung typische
Symptome einer höhergradigen Aortenklappenstenose sind,
– ein raues, spindelförmiges Systolikum mit
Punctum maximum im 2. Interkostalraum
(ICR) rechts und Fortleitung in die Karotiden
ist der für diese Erkrankung typische Auskultationsbefund
– das Röntgenbild den für die Aortenklappenstenose typischen Befund zeigt (s.
Abb. 65.1): abgerundete Spitze und Verbreiterung des linken Ventrikels, Dilatation und
Abb. 65.1
stenose
Röntgen-Thorax p.a. bei Aortenklappen-
Fall 65 Seite 66
267
65
Antworten und Kommentar
Bei dem im Fallbeispiel beschriebenen Patienten
sprechen der Foetor ex ore und die Laborwerte für
ein akutes Nierenversagen auf dem Boden einer
akuten Leukämie. Allerdings ist besonders bei ho-
Therapie: s. Frage 64.3 und 64.4. Bei einer Serumkaliumkonzentration ⬎ 7 mmol/l muss wegen der
akuten Lebensgefahr durch eine Asystolie die Kaliumkonzentration schnellstmöglich gesenkt werden. Die Glukose-Insulin-Infusion senkt die Serumkaliumkonzentration innerhalb von wenigen
Stunden (Insulin stimuliert die Na+-K+-ATPase und
fördert so die Aufnahme von K+ in die Zelle; Glukose stimuliert die Insulinfreisetzung). Kalziumglukonat wirkt schneller, aber kürzer als die GlukoseInsulin-Infusion, denn Kalzium antagonisiert die
kardiale und neuromuskuläre Wirkung von K+. Die
Kontraindikationen (s. Frage 64.3) sind zu beachten! Zusätzlich lässt sich die Serumkaliumkonzentration durch forcierte Diurese (s. Frage 64.3)
senken. Ultima ratio ist die Absenkung des Kaliums
durch die Hämodialyse (s. Frage 64.4). Dies ist bei
akuter Niereninsuffizienz häufig die einzige therapeutische Option, falls die Diurese unter konservativer Therapie (Flüssigkeit, Schleifendiuretika)
nicht wieder einsetzt.
Ionenaustauscher enthalten negativ geladene Reste, die K+ mit höherer Affinität binden als Na+. Diese
Substanzen werden oral verabreicht und hemmen
die Kaliumresorption im Darm. Sie eignen sich
folglich lediglich zur Behandlung der chronischen
Hyperkaliämie.
Fall
Diagnostik:
쐽 Anamnese: Ursache der Hyperkaliämie?
쐽 Labor: Serumkalium, CK, LDH (Hämolyse?),
Kreatinin (Niereninsuffizienz?)
쐽 BGA: Azidose?
쐽 EKG: spitzes hoch-positives T (s. Abb. 64.1), verbreiterter QRS-Komplex (= schwere Hyperkaliämie), AV-Block, Kammerflattern oder -flimmern, Asystolie?
hen Leukozytenzahlen auf eine sorgfältige Blutentnahmetechnik zu achten, da bei einer Leukozytose
eine In-vitro-Hämolyse auftreten kann, welche
zu einer falsch-hohen Serumkaliumkonzentration
führt.
Elongation der Aorta ascendens mit prominentem Aortenknopf, Verkalkung der Aortenklappe.
268
Fall
65
쐽 operativer Klappenersatz: bei
– allen symptomatischen Patienten
– Zeichen der linksventrikulären Schädigung
– einem mittleren Druckgradienten über der
Aortenklappe von ⬎ 50 mmHg
쐽 Kommisurotomie: bei Kindern und Jugendlichen
쐽 körperliche Schonung: bei symptomatischen
Patienten
쐽 Prophylaxe einer bakteriellen Endokarditis
(z. B. bei zahnärztlichen Eingriffen, vor Koloskopien): bei allen Patienten.
65.2 Welche 3 weiteren diagnostischen Maßnahmen (in der Reihenfolge des praktischen
Vorgehens) schlagen Sie vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
1. EKG zwecks Suche nach Ischämiezeichen, da
der Patient Druckgefühl in der Brust und damit
ein Angina-pectoris-Äquivalent angibt
2. Echokardiographie zur Darstellung des Vitiums, Abschätzung des Gradienten und zur Beurteilung der Pumpfunktion des linken Ventri- !!! 65.4 Erläutern Sie kurz die 2 Mechanismen,
die bei dieser Erkrankung zur Entstehung der
kels
thorakalen Beschwerden führen!
3. Linksherzkatheteruntersuchung zur Beurtei1. Aortenklappenstenose 씮 erhöhte Druckbelaslung des Schweregrades der Aortenklappenstetung des linken Ventrikels 씮 konzentrische
nose durch invasive Druckmessung und zum
Hypertrophie des linken Ventrikels und erhöhAusschluss einer begleitenden koronaren Herzter linksventrikulärer enddiastolischer Druck
erkrankung.
씮 erhöhter Koronarwiderstand im subendo65.3 Nennen Sie die Therapieoptionen! Unter
kardialen Myokard 씮 relative Koronarinsuffiwelchen Umständen kommen die einzelnen Opzienz
tionen bevorzugt zum Einsatz?
2. bei höhergradiger Aortenstenose Abfall des
쐽 Diuretika: bei asymptomatischen Patienten
Drucks in der Aorta (hinter der Klappe) 씮 Abmit leicht- oder mittelgradiger Aortenklapfall des Perfusionsdrucks in den Koronargefäpenstenose
ßen 씮 relative Koronarinsuffizienz.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Unter einer Aortenklappenstenose versteht man
eine Einengung des linksventrikulären Ausflusstraktes in der Umgebung der Aortenklappe.
Einteilung und Ätiologie: Nach der Lokalisation
der Stenose unterscheidet man zwischen valvulärer, supra- und subvalvulärer Aortenklappenstenose. Die valvuläre Aortenklappenstenose ist die
häufigste Form und die zweithäufigste Herzklappenerkrankung. Eine klinisch manifeste valvuläre
Aortenklappenstenose bei jüngeren Patienten ist
in der Mehrzahl der Fälle angeboren und meist Folge einer bikuspid angelegten Aortenklappe. Bei Patienten jenseits des 60. Lebensjahres kann sie Folge
einer rheumatischen Poststreptokokken-Endokarditis sein, seit Antibiotika (Penicillin) zur Behandlung des rheumatischen Fiebers zur Verfügung stehen, sind rheumatische Herzerkrankungen jedoch
eher selten; meist liegen degenerative Klappenveränderungen zugrunde (kalzifizierende Aortenklappenstenose). Bei der supravalvulären Aortenklappenstenose ist die Stenose oberhalb der Aortenklappe lokalisiert, diese seltene Form der Aortenklappenstenose ist angeboren, wie auch die
subvalvuläre Aortenstenose , die durch eine membranöse Verdickung der Ausflussbahn des linken
Ventrikels hervorgerufen wird.
Darüber hinaus wird die Aortenklappenstenose
nach dem Schweregrad eingeteilt (s. Klinik).
Fall 65 Seite 66
Klinik: Eine leichtgradige Aortenklappenstenose
(Gradient ⬍ 50 mmHg) macht oft über viele Jahre
keine Beschwerden.
Bei mittelgradiger (Gradient 30 – 60 mmHg) und
schwerer (Gradient ⬎ 60 mmHg) Aortenklappenstenose treten bei Belastung typischerweise Dyspnö, Schwindel, Synkopen und Angina pectoris auf
(Pathogenese s. Frage 65.4).
Diagnostik:
쐽 Anamnese: s. Fall und Klinik.
쐽 körperliche Untersuchung: Leitbefund bei der
Auskultation des Herzens ist ein vom 1. Herzton
abgesetztes raues, spindelförmiges systolisches
Geräusch über dem 2. ICR rechts parasternal mit
Fortleitung in die Karotiden. Bei hochgradiger
Stenose ist der 2. Herzton oft paradox gespalten,
d. h. die Spaltung des 2. Herztons aufgrund des
verspäteten Aortenklappenschlusses ist bei Exspiration deutlicher hörbar als bei Inspiration.
쐽 Röntgen-Thorax: s. Frage 65.1
쐽 EKG: Bei länger bestehender, hämodynamisch
relevanter Aortenklappenstenose zeigt das EKG
Zeichen der konzentrischen Linksherzhypertrophie (Sokolov-Lyon-Index: S in V1 + R in V5
⬎ 3,5 mV; Kammerkomplexe noch schmal). In
fortgeschrittenen Stadien finden sich Zeichen
der linksventrikulären Schädigung (verbreiterte
Kammerkomplexe), Endstreckenveränderungen (ST-Streckensenkungen in I, aVL, V4 – V6,
T-Negativierungen) in den linkspräkordialen
Ableitungen als Folge einer relativen Koronarinsuffizienz und – prognostisch ungünstige – supraventrikuläre oder ventrikuläre Herzrhythmusstörungen.
쐽 Echokardiographie: Sie sichert die Diagnose,
denn sie zeigt die Veränderung der Herzklappe
(Verdickung, Verkalkung). Zudem gibt sie Aufschluss darüber, ob bereits eine Hypertrophie
oder Dilatation des linken Ventrikels vorliegt,
und über die Pumpfunktion des möglicherweise
bereits beschädigten Myokards. Auch die Klappenöffnungsfläche und der Druckgradient lassen sich mittels Echokardiographie abschätzen.
쐽 Linksherzkatheteruntersuchung: Sie dient der
exakten hämodynamischen Quantifizierung des
Vitiums sowie dem Ausschluss einer begleitenden Koronarsklerose, die bei einem eventuellen
operativen Eingriff ebenfalls behandelt werden
kann.
Therapie: s. Frage 65.3. Bei asymptomatischen Patienten mit einem Druckgradienten über der Aortenklappe von ⬍ 50 mmHg ist die Therapie konservativ. Die Indikation zur operativen Therapie sollte
frühzeitig, d. h. bei Zeichen der Linksherzinsuffizienz, gestellt werden, nicht erst, wenn bereits eine
linksventrikuläre Schädigung vorliegt. Die Indikation zur OP besteht auch bei asymptomatischen
Patienten mit einem Druckgradienten über der
Aortenklappe von ⬎ 50 mmHg, da diese häufig nur
asymptomatisch sind, weil sie sich körperlich
schonen.
Prognose: Ein Fünftel der Patienten verstirbt am
plötzlichen Herztod, vor allem durch maligne
Herzrhythmusstörungen (Kammerflimmern). Die
10-Jahres-Überlebensrate der operierten Patienten
beträgt über 65%.
269
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fall
Aortenaneurysma
Aortenisthmusstenose
Differenzialdiagnosen der Synkope
Herzinsuffizienz (Differenzialtherapie)
66
Antworten und Kommentar
Fall 66 Interstitielle Lungenerkrankung
66.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Interstitielle Lungenerkrankung, da
– eine langsam progrediente, von der Körperlage unabhängige Dyspnö (also keine Orthopnö = Hinweis auf dekompensierte Linksherzinsuffizienz), trockener Reizhusten und
Knisterrasseln und somit typische Symptome einer interstitiellen Lungenerkrankung
vorliegen,
– die Blutgasanalyse eine respiratorische Partialinsuffizienz (Hypoxie) mit Zeichen der
Hyperventilation (Hypokapnie) zeigt,
– der Röntgen-Thorax streifige, scharf begrenzte Verschattungen in der Lungenperipherie bei normal konfiguriertem, nicht vergrößertem Herzen, d. h. die Zeichen einer
Lungenfibrose zeigt (s. Abb. 66.1),
– die Lungenfunktionsanalyse eine restriktive
Ventilationsstörung (Vitalkapazität und Lungencompliance vermindert) mit höhergradiger Einschränkung der Diffusionskapazität
ergibt.
– sich keine Anhaltspunkte für eine zugrunde
liegende systemische Erkrankung (z. B. Kollagenose) oder Exposition gegenüber bekannten Ursachen (s. u.) ergeben, so dass
möglicherweise eine idiopathische interstitielle Pneumonitis (IIP) vorliegt.
Abb. 66.1 Röntgen-Thorax p.a. bei idiopathischer interstitieller Fibrose: Ausschnitt rechte Lungenseite. Streifenförmige Strukturvermehrung mit Schrumpfung von Mittel- und Unterlappen. Reduzierung der Lungenstruktur
im kompensatorisch überblähten Oberlappen.
Fall 66 Seite 67
66.2 Nennen Sie die typische Komplikation
dieser Erkrankung!
쐽 Cor pulmonale (s. Fall 11).
66.3 Nennen Sie 7 Ursachen dieser Erkrankung, die Sie bei der weiteren Abklärung berücksichtigen sollten!
1. anorganische Stäube, z. B. Quarzstaub, Asbeststaub, Nikotin
2. Sarkoidose
3. organische Stäube, z. B. Aktinomyzeten- oder
Vogelkot-haltiger Staub
4. Histiozytosis X
5. chronische Lungenstauung bei Linksherzinsuffizienz
6. entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen: Kollagenosen, rheumatoide Arthritis
7. Medikamente: z. B. Amiodaron, Busulfan, Bleomycin.
270
Fall
66
66.4 Nennen Sie mindestens 2 Untersuchungen, die zur weiteren Abklärung der Erkrankungsursache hilfreich sind!
1. hoch auflösendes (HR-) CT der Lunge: Verteilungsmuster der Veränderungen hinweisend
auf Subtypen der Lungenfibrose, Milchglasinfiltrate als Aktivitätshinweis
2. Bronchoskopie mit Lungenbiopsie und bronchoalveolärer Lavage (BAL): Differenzialzytologie in
der BAL hinweisend auf Subtypen
3. offene Lungenbiopsie: Goldstandard zur Differenzierung von Subtypen der idiopathischen
Lungenfibrose.
66.5 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es,
sofern keine Ursache zu finden ist?
쐽 Glukokortikoide und Azathioprin
쐽 Behandlung des Cor pulmonale: SauerstoffLangzeittherapie (s. Fall 11), Diuretika und ACEHemmer (s. Fall 92) zur Therapie der Rechtsherzinsuffizienz, Endothelinrezeptor-Antagonist Bosentan zur Reduktion des pulmonalarteriellen Druckes bei pulmonalarterieller Hypertonie
쐽 bei terminaler respiratorischer Insuffizienz Lungentransplantation oder, falls bereits ein dekompensiertes Cor pulmonale vorliegt, HerzLungen-Transplantation.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
„Interstitielle Lungenerkrankung“ ist der Oberbegriff für Erkrankungen, die zu einer Lungenfibrose,
d. h. einer Bindegewebsproliferation im Lungeninterstitium, führen. Neben den interstitiellen Lungenerkrankungen mit bekannter Ursache (s. Frage
66.3) werden 5 Subtypen der idiopathischen interstitiellen Pneumonitis (IIP) unterschieden, die sich
bezüglich des klinischen Bildes, des Verteilungsmusters der pulmonalen Veränderungen, dem Ansprechen auf eine Steroidtherapie und der Prognose unterscheiden (Tab. 66.1).
Ätiologie: s. Frage 66.3. Lässt sich keine der dort
genannten Ursachen nachweisen, spricht man von
einer IIP. Als mögliche Ursache der idiopathischen
interstitiellen Fibrose (IPF) wird eine Mutation des
Surfactant-Protein-C diskutiert.
Pathogenese: Den zahlreichen Ursachen einer interstitiellen Lungenerkrankung (s. Frage 66.3) ist
gemeinsam, dass sie eine akute oder chronische
Schädigung des Lungenparenchyms verursachen,
die dann fibrotische Umbauprozesse zur Folge hat.
Oft liegt der Gewebereaktion auf die diversen kausalen Faktoren eine Entzündungsreaktion zugrunde, die dann als Alveolitis klinisch manifest wird.
Die Alveolitis kann aber auch im Rahmen einer autoimmunen Entzündungsreaktion (z. B. Kollagenosen, Sarkoidose) auftreten.
Klinik: s. Fall. Typischerweise ist die Symptomatik
langsam – über viele Monate – progredient. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien besteht Ruhedyspnö, im Spätstadium aufgrund einer hypoxisch
Fall 66 Seite 67
bedingten pulmonalen Vasokonstriktion (EulerLiljestrand-Mechanismus) zusätzlich ein Cor pulmonale, evtl. auch eine respiratorische Insuffizienz.
Diagnostik: s. Fall und s. Frage 66.1. Zusätzlich sind
indiziert:
쐽 Laboruntersuchungen zum Ausschluss bzw.
Nachweis der in Frage 66.3 genannten Ursachen: BSG, antinukleäre Antikörper (Kollagenose?), Rheumafaktor (rheumatoide Arthritis?)
쐽 HR-CT (= Dünnschicht-CT) der Lunge: Hiermit
lässt sich die Ausdehnung der fibrotischen Veränderungen beurteilen und lässt bei einer IIP
(Tab. 66.1) Rückschlüsse auf den Subtyp zu
(prognostisch und therapeutisch relevant). Der
Nachweis einer milchglasartigen Trübung im
HR-CT der Lunge deutet zudem auf eine entzündliche Aktivität der interstitiellen Lungenerkrankung hin, die möglicherweise durch eine
antientzündliche Therapie (z. B. Glukokortikoide) günstig beeinflusst werden kann.
쐽 bronchoalveoläre Lavage (BAL): Sie ermöglicht
eine Beurteilung des entzündlichen Infiltrats
und weist somit oft den Weg zur Diagnose
(Tab. 66.1): So weisen CD8-positive Zellen in der
BAL-Flüssigkeit auf eine exogen-allergische Alveolitis hin, CD4-positive Zellen z. B. auf eine
Sarkoidose.
쐽 Die idiopathische interstitielle Pneumonitis ist
immer eine Ausschlussdiagnose. Besteht V. a. eine idiopathische interstitielle Pneumonitis, ist
eine Lungenbiopsie indiziert. Sie ist therapeu-
Tab. 66.1 Subtypen der idiopathischen interstitiellen Pneumonitis
IPF (UIP)
DIP
RB-ILD
AIP
NSIP
Verlauf
schleichend
schleichend
schleichend
akut
schleichend
bis akut
Nikotinkonsum relevant
ja
ja
ja, immer
nein
nein
BAL
Neutrophilie
normal oder
unspezifisch
normal oder
Neutrophilie
Neutrophilie
Neutrophilie
+ Lymphozytose
HR-CTBefund
Lokalisation
peripher,
basal,
subpleural
peripher,
basal
diffus
diffus
peripher,
basal,
subpleural
Milchglasinfiltrate
kaum
ja
fleckförmig
ja
ja
Zeichnung
retikulär
retikulär
nodulär
keine
keine oder
retikulär
Ansprechen
auf Steroide
gering
ja
ja
gering
ja
Mittlere
Überlebenszeit
3–5 J
12 J
K.A.
1–2 M
17 J
Differenzialdiagnosen
Sarkoidose,
Kollagenose,
EAA,
Asbestose
EAA, Pneumo- DIP, NSIP, EAA
cystis carinii
Pneumonie,
RB-ILD
Pneumonie,
Lungenödem,
eosinophile
Pneumonie
UIP, EAA, DIP
271
Fall
Subtyp
tisch und prognostisch und relevant, da die einzelnen Subtypen der idiopathischen interstitiellen Pneumonitis (z. B. Bronchiolitis obliterans
mit organisierender Pneumonie oder akute interstitielle Pneumonitis) unterschiedlich auf eine Steroidtherapie ansprechen und eine deutlich unterschiedliche Prognose aufweisen.
Therapie: Behandlung der Ursachen:
쐽 anorganische und organische Stäube, z. B.
Quarzstaub, Asbeststaub, Vogelkot: Exposition
meiden, Arbeitsplatzwechsel
쐽 Sarkoidose: s. Fall 104
쐽 bei Alveolitis Glukokortikoide
쐽 Histiozytosis X: Glukokortikoide
쐽 chronische Lungenstauung bei Linksherzinsuffizienz: s. Fall 46; Therapie der Herzinsuffizienz
sowie deren Ursachen
쐽 entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen (Kollagenosen, rheumatoide Arthritis): bei
neutrophiler Alveolitis Cyclophosphamidtherapie zeitlich begrenzt (6 – 12 Monate)
쐽 Medikamente (z. B. Amiodaron, Busulfan, Bleomycin): weglassen.
Zur Therapie der idiopathischen Lungenfibrose s.
Frage 66.5.
Prognose: Sie hängt von einer zugrunde liegenden
Erkrankung (s. o.), bei der IIP von deren Subtyp (s.
Tab. 66.1) ab.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Cor pulmonale
Systemische Sklerodermie
Sarkoidose
Exogen-allergische Alveolitis
Fall 66 Seite 67
Antworten und Kommentar
Abkürzungen: IPF = idiopathische interstitielle Fibrose, DIP = desquamative interstitielle Pneumonitis, RB-ILD = „respiratory bronchiolitis interstitial lung disease“ (= Kondensatpneumopathie), AIP =
akute interstitielle Pneumonitis, NSIP = nicht-spezifische interstitielle Pneumonitis, BAL = bronchoalveoläre Lavage, EAA = exogen allergische Alveolitis, J = Jahre, k.A. = keine Angabe, M = Monate
66
Fall 67 Sepsis (septischer Schock) bei infiziertem diabetischen Ulkus
67.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Septischer Schock bei infiziertem neuropathischen Ulkus bei insulinpflichtigem Diabetes
mellitus. Für eine Sepsis sprechen die Rötung
und Schwellung des Fußballens in der Umgebung des Ulkus, das Fieber, die warme, trockene Haut, die CRP-Erhöhung und Leukozytose.
Das Verhältnis von Herzfrequenz zu systolischem arteriellem Blutdruck (Schockindex) beträgt weniger als 1, so dass ein Schockzustand
besteht.
272
Fall
67
Antworten und Kommentar
67.3 Welche therapeutischen Maßnahmen
(mindestens 6) schlagen Sie vor? Begründen Sie
Ihren Vorschlag!
1. parenterale Volumenzufuhr mit kristalloiden
Lösungen (z. B. Ringer-Lösung) und kolloidalen
Lösungen (z. B. HAES) – unter Kontrolle des
ZVD (normal 4 – 8 mmHg) – , um das intravasale Flüssigkeitsvolumen zu steigern
2. falls der Blutdruck unter Flüssigkeitsgabe nicht
ansteigt, Gabe von Katecholaminen parenteral
als Perfusor (Noradrenalin, Dosis abhängig vom
Effekt auf den Blutdruck), um den Blutdruck zu
normalisieren
3. Antibiotika zur Elimination der Erreger: Initialtherapie z. B. mit Aminopenicillin + Aminoglykosid (z. B. Amoxicillin + Gentamycin), nach
Erhalt der Blutkulturergebnisse bzw. der Resistenztestung ggf. Anpassung
4. Heparinisierung zur Prophylaxe der disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC, s. Fall 59),
bei DIC mit Blutungen Substitution von Gerinnungsfaktoren
5. bei respiratorischer Insuffizienz Beatmung
6. frühzeitige Sanierung des Infektionsherdes
(hier antibiotische Therapie, ggf. operative Sanierung)
7. parenterale Ernährung (falls der Patient nicht
ausreichend Nahrung zu sich nehmen kann,
z. B. bei Koma)
8. Stressulkusprophylaxe mit Protonenpumpenhemmer, z. B. Omeprazol.
67.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 6) schlagen Sie vor? Begründen Sie
Ihren Vorschlag!
1. Verlegung des Patienten auf die Intensivstation
zwecks kontinuierlicher Überwachung von
EKG, Puls, Sauerstoffsättigung, Urinausscheidung und Blutdruck
2. Anlage eines zentralen Venenkatheters zur
Messung des zentralvenösen Drucks (ZVD)
zwecks ZVD-gesteuerter Volumenzufuhr. Bei
Zunahme der Schocksymptomatik ggf. Anlage
eines Pulmonalarterienkatheters zum hämodynamischen Monitoring.
3. wiederholte Abnahme von Blutkulturen (aerob
und anaerob), vor allem im Fieberanstieg, zum
Erregernachweis und zur Resistenztestung
4. regelmäßige Laborkontrollen im Verlauf:
– Gerinnungsparameter (Thrombozyten,
Quick, PTT, AT III, Fibrinogen), um eine Verbrauchskoagulopathie frühzeitig zu diagnos67.4 Welche 4 Formen des Schocks kennen
tizieren (Thrombozyten sind bereits ernieSie?
drigt = Warnsignal!)
1 Volumenmangelschock
– Nierenretentionsparameter und Elektrolyte,
2 kardiogener Schock
um ein akutes Nierenversagen, das bei septi3 septischer Schock
schem Schock häufig auftritt, frühzeitig zu
4 anaphylaktischer Schock.
diagnostizieren
– Serumglukose, um eine Hyperglykämie
frühzeitig zu diagnostizieren und durch In- !!! 67.5 Wie verhalten sich Herzzeitvolumen, peripherer Gefäßwiderstand und pulmonalkapilläsulinzufuhr beheben zu können (bei einer
rer Verschlussdruck (PCWP) bei diesen 4 Schockschweren Infektion ist der Insulinbedarf
formen?
durch Überwiegen kontrainsulinärer Hor1. Volumenmangelschock: Herzzeitvolumen und
mone erhöht)
PCWP vermindert, peripherer Gefäßwider– Laktat, um eine anaerobe Stoffwechsellage,
stand erhöht
wie sie in der Spätphase des septischen
2. kardiogener Schock: Herzzeitvolumen stark
Schocks auftritt, diagnostizieren zu können
vermindert, PCWP und peripherer Gefäßwider5. Blutgasanalyse zur Erfassung einer respiratoristand stark erhöht
schen Insuffizienz. Möglicherweise liegt be3. septischer Schock:
reits eine metabolische Azidose vor, da der Pa– Frühphase (hyperdynam): Herzzeitvolumen
tient hyperventiliert.
normal bis erhöht, PCWP noch normal, peri6. Röntgen des rechten Vorfußes zum Ausschluss
pherer Gefäßwiderstand vermindert
bzw. Nachweis einer knöchernen Mitbeteili– Spätphase (hypodynam): Herzzeitvolumen
gung (Osteomyelitis).
vermindert, PCWP normal bis erhöht, peripherer Gefäßwiderstand normal bis erhöht
4. anaphylaktischer Schock: Herzzeitvolumen
und peripherer Gefäßwiderstand vermindert,
PCWP normal.
Fall 67 Seite 68
KO M M E N TA R
Als Sepsis bezeichnet man eine massive, systemische Entzündungsreaktion infolge der Zirkulation
von Mikroorganismen im Blut.
Ätiologie: Eine Sepsis wird meist durch das Eindringen gramnegativer Bakterien in die Blutbahn
verursacht, jedoch kann eine Vielzahl fakultativ
oder obligat menschenpathogener Bakterien und
Pilze eine Sepsis auslösen.
Die Freisetzung von Endotoxin (Lipopolysaccharid = Teil der Zellwand gramnegativer Bakterien)
beim Zerfall gramnegativer Bakterien im Zuge der
Entzündungsreaktion führt durch Aktivierung der
Gerinnungskaskade zur disseminierten intravasalen Gerinnung.
Diagnostik und Therapie: Außer den in Frage 67.2
genannten Maßnahmen sollte man versuchen, den
Infektionsherd zu identifizieren (bei dem beschriebenen Patienten ist dies das Ulkus), um diesen
frühzeitig lokal sanieren zu können.
Jeder septische Schock ist ein Notfall und sollte daher intensivmedizinisch anhand der in Frage 67.2
und 67.3 genannten Grundregeln versorgt werden,
wobei das Vorgehen im Einzelfall – je nach Infektionsherd und den im Rahmen des Schocks betroffenen Organsystemen – deutlich variiert. Eine spezifische Therapie, die in die Pathogenese der Sepsis
eingreift, z. B. die Gabe von Antikörpern gegen
Komplementfaktoren oder Zytokine, wird derzeit
erprobt.
Fall 68 Chronisch-venöse Insuffizienz bei postthrombotischem Syndrom
68.1 Was ist am ehesten Ursache der Beinbzw. Fußschwellung?
쐽 Eine chronisch-venöse Insuffizienz (CVI), denn
die Patientin weist mit einem Schweregefühl
und einer Weichteilschwellung einer distalen
unteren Extremität, Hyperpigmentierung und
Atrophie der Haut mit Depigmentierung im Bereich des betroffenen Unterschenkels und einer
Dermatitis mit Juckreiz am betroffenen Bein
typische Symptome und Befunde einer chronischen venösen Stauung auf. Für diese ist typisch, dass die Symptome bei Hochlegen der
Beine zurückgehen. Die chronisch-venöse Insuffizienz ist wahrscheinlich durch ein postthrombotisches Syndrom bedingt. Dieses ist
wahrscheinlich auf eine nichtdiagnostizierte
tiefe Beinvenenthrombose zurückzuführen, da
die Beschwerden wenige Tage nach einer längeren Busfahrt, d. h. nach längerer Immobilität,
eingesetzt haben und längere Immobilität ein
Risikofaktor der tiefen Beinvenenthrombose
ist.
68.2 Nennen Sie 6 Differenzialdiagnosen einer
Schwellung des Unterschenkels und Fußes sowie die typischen Leitbefunde!
1. kardial bedingtes Ödem (Rechtsherzinsuffizienz): beidseitige Schwellung, kardiale
Grunderkrankung, außer Beinödemen weitere
Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (Leberstauung, Pleuraergüsse), Abnahme der Schwellung
durch Hochlegen der Beine
2. Eiweißmangelödem: beidseitige Schwellung,
tief eindrückbar (Delle bleibt), Hypalbuminämie
3. Ödem bei Niereninsuffizienz: ähnlicher Befund wie bei Eiweißmangelödem, zusätzlich
Niereninsuffizienz
Fall 68 Seite 69
68
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Formen des Schocks
Therapie des diabetischen Fußes
Disseminierte intravasale Gerinnung
273
Fall
Pathogenese und Klinik: Die bakteriellen bzw.
Pilz-Antigene induzieren die systemische Freisetzung verschiedener Mediatoren (z. B. Zytokine, Kinine, Prostaglandine, Leukotriene), die kaskadenartig die Immunantwort triggern, welche häufig
überschießend ist. Die systemische Freisetzung der
Mediatoren führt zu Fieber und Vasodilatation mit
warmer, trockener Haut und starkem Blutdruckabfall (Schock). Als Gegenregulation steigen Herzfrequenz und Herzzeitvolumen (frühe, hyperdyname Phase des septischen Schocks). Die Gegenregulationsmechanismen reichen angesichts der
massiven Mediatorfreisetzung jedoch nicht aus,
um die Peripherie mit Blut zu versorgen. Dies führt
zu einer Störung der Mikrozirkulation, die in die
späte, hypodyname Phase des septischen Schocks
mit Kaltschweißigkeit überleitet und durch Hypoxie und metabolische Azidose (daher die Tachy-
pnö des beschriebenen Patienten, Kompensationsmechanismus, s. Fall 96!) zu einer Organinsuffizienz führt, z. B. zu akutem Nierenversagen oder –
im Fall des Gehirns – zu Bewusstseinsstörungen
wie Somnolenz (s. Fall).
4. Lymphödem: diffuse teigige Konsistenzvermehrung, Nichtabhebbarkeit der Haut (Stemmer-Zeichen), tiefe Querfalte über dem Grundgelenk der Zehen
5. Lipödem: beidseitige Schwellung von Oberund Unterschenkel, betont perimalleolär, nicht
auf dem Fußrücken, nicht eindrückbar
6. Gelenkerguss: einseitige, streng gelenkbezogene Schwellung (z. B. im Bereich des oberen
oder unteren Sprungggelenks), schmerzhaft,
Bewegungseinschränkung in allen Freiheitsgraden (Kapselmuster), prall-elastisch eindrückbar (es bleibt keine Delle).
68.3 Welches diagnostische Verfahren schlagen Sie vor, um Ihre Verdachtsdiagnose zu
sichern?
쐽 Duplex- und Farbduplexsonographie: Geprüft
werden die Durchgängigkeit und Klappenfunktion der tiefen und oberflächlichen Beinvenen
274
Fall
68
sowie der Perforansvenen (Duplexsonographie). Die Farbduplexsonographie erleichtert
die morphologische Darstellung des Thrombus.
In der Regel können alte thrombotische Verschlüsse so identifiziert werden; eine Phlebographie ist daher meist nicht erforderlich.
68.4 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
쐽 konservative Therapie:
– Kompressionsstrümpfe
– Kompressionsverbände
– Allgemeinmaßnahmen, z. B. Gehen oder
Liegen statt Sitzen bzw. Stehen
쐽 invasive Therapie:
– operative Therapie: Varizenstripping (nur
wenn tiefe Beinvenen frei durchgängig sind,
also nicht bei einem postthrombotischen
Syndrom)
– Sklerosierungsbehandlung (nur bei Varikose).
KO M M E N TA R
Als chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) bezeichnet
man Symptome, die als Folge einer chronischen venösen Abflussstörung auftreten.
Antworten und Kommentar
Ätiologie: Ursache der CVI ist entweder eine Insuffizienz der Venenklappen (höhergradige Varikosis) oder ein thrombotischer Verschluss tiefer
Beinvenen (postthrombotisches Syndrom).
Pathogenese und Klinik: Die venöse Abflussstörung führt zu einer Zunahme des hydrostatischen
Drucks und so zum Übertritt von Flüssigkeit aus
den Venen in das Interstitium (einseitiges Ödem).
Bei stark erhöhtem hydrostatischen Druck treten
auch Erythrozyten in das Interstitium über. Diese
werden von Makrophagen phagozytiert, die das Eisen speichern und dadurch dem Gewebe eine
bräunliche Färbung verleihen (Hämosiderose mit
Hyperpigmentierung im Versorgungsgebiet distal
der Abflussstörung). Das Ödem behindert die Zufuhr von Sauerstoff und Nährstoffen in das betroffene Gebiet und ruft so zunächst eine Atrophie der
Haut mit Depigmentierung (Atrophie blanche),
evtl. auch eine nässende Dermatitis, später eine
Verhärtung und Verdickung der Haut (Lipodermatosklerose) und schließlich Ulzerationen (Ulcus cruris) hervor.
Stadieneinteilung: Die CVI wird nach Widmer in
3 Stadien (Schweregrade) eingeteilt:
쐽 Stadium I: kranzartige Erweiterung der Hautvenen (Corona phlebectatica), typischerweise
am medialen und lateralen Fußrand, und leichtgradige perimalleoläre Ödeme (reversibel)
쐽 Stadium II: persistierende perimalleoläre und
prätibiale Ödeme, Hyperpigmentierung, Depigmentierung (Atrophie blanche, Abb. 68.1), Lipodermatosklerose, evtl. mit Stauungsdermatitis
Fall 68 Seite 69
Abb. 68.1
Atrophie blanche mit Ulcus cruris
쐽 Stadium III: zusätzlich florides (Abb. 68.1) oder
narbig verheiltes Ulcus cruris.
Diagnostik: s. Frage 68.3. Zur Diagnose einer CVI ist
der Nachweis einer venösen Abflussstörung erforderlich. Hierzu sind die Duplex- und die Farbduplexsonographie am besten geeignet, die einerseits
die Insuffizienz der Venenklappen im betroffenen
Gefäßabschnitt darstellen können und andererseits den Ausschluss oder Nachweis eines Abflusshindernisses (Thrombose) ermöglichen. Andere
Verfahren wie die Venenverschlussplethysmographie oder die Phlebodynamometrie liefern in der
Regel keinen therapeutisch relevanten Erkenntniszugewinn.
Therapie: Als erstes sollte der Patient über einfache Maßnahmen informiert werden, die bei konsequenter Beachtung die Beschwerden häufig wesentlich lindern: Regelmäßige Bewegung fördert
durch Aktivierung der Wadenmuskelpumpe den
venösen Abstrom und reduziert so den Druck im
venösen System. Der Patient sollte längeres Sitzen
oder Stehen vermeiden, da dies den hydrostatischen Druck erhöht und das Abknicken der Beine
bei längerem Sitzen den venösen Abstrom zusätzlich behindert. Ergänzend sollten Patienten in allen
Krankheitsstadien – außer bei floridem Ulcus cru-
ris oder höhergradiger pAVK – Kompressionsstrümpfe tragen, wobei diese morgens vor dem
Aufstehen angelegt werden sollten, um einer
Ödementwicklung im Tagesverlauf vorzubeugen.
Invasive Therapieverfahren (s. Frage 68.4) bleiben
schweren Verlaufsformen einer Varikosis vorbehalten.
Auch das Ulcus cruris wird mittels einer konsequenten Kompressionstherapie behandelt. Die lokale Anwendung von Zinkpaste kann die Abheilung der Ulzera begünstigen.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Phlegmasia coerulea dolens
Lymphgefäßerkrankungen (primär und sekundär)
Rechtsherzinsuffizienz
275
Fall 69 Agranulozytose
69.3 Welche therapeutischen Maßnahmen
(mindestens 5) schlagen Sie vor ?
쐽 sofortiges Absetzen aller bisher eingenommenen Medikamente
쐽 Isolierung des Patienten in keimarmer Umgebung (Umkehrisolation) und Beachtung
strengster Hygienemaßnahmen
쐽 Gabe von Breitbandantibiotika, z. B. Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Cefotaxim) oder
Piperacillin/Tazobactam, jeweils in Kombination mit einem Aminoglykosid, nach Abnahme
von Material (Blutkulturen, Abstriche) für die
mikrobiologische Diagnostik
쐽 Gabe von granulopoetischen Wachstumsfaktoren, z. B. G-CSF (granulocyte colony-stimulating
factor) oder GM-CSF (granulocyte-macrophage
colony-stimulating factor)
쐽 Gabe von Folsäure in hohen Dosen, um die folsäureantagonistische Wirkung von Methotrexat aufzuheben
쐽 parenterale Zufuhr von reichlich Flüssigkeit
(z. B. physiologische Kochsalzlösung), da es sich
möglicherweise um eine prärenale Niereninsuffizienz handelt.
Fall 69 Seite 70
69
Antworten und Kommentar
69.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 6) ordnen Sie an?
쐽 täglich Differenzialblutbild: Die Neutrophilenzahl ist prognostisch und therapeutisch relevant.
쐽 Blutkulturen aerob und anaerob zum Ausschluss einer Bakteriämie
쐽 Urinstatus zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion als Auslöser der Bakteriämie
쐽 Röntgen-Thorax in 2 Ebenen: V. a. Pneumonie
(die Patientin hustet!)
쐽 bakteriologische Sputumuntersuchung
zwecks Erregernachweis
쐽 bei Nachweis einer Pneumonie ggf. Bronchoskopie zwecks Erregerdiagnostik (opportunistische Infektion, z. B. durch Pneumocystis carinii)
쐽 Knochenmarkpunktion und -analyse zum
Ausschluss eines myelodysplastischen Syndroms, einer Leukämie mit aleukämischem
Verlauf (hier finden sich leukämische Blasten
nur im Knochenmark) und eines Felty-Syndroms (einer schweren Verlaufsform der rheumatoiden Arthritis mit Lymphknotenschwellung, Splenomegalie und Leukopenie).
Fall
69.1 Nennen Sie mindestens 3 Faktoren, die
zur Entwicklung der Leukopenie beigetragen
haben!
1. Methotrexat: wirkt dosisabhängig myelosuppressiv und die Dosis ist für das Alter der Patientin zu hoch
2. Diclofenac: verstärkt die Myelotoxizität von
Methotrexat
3. Cotrimoxazol: verstärkt die Myelotoxizität von
Methotrexat erheblich, da beide Substanzen
Folsäureantagonisten sind
4. Niereninsuffizienz: Sowohl Methotrexat als
auch nichtsteroidale Antirheumatika wie Diclofenac werden renal eliminiert, so dass bei
einer Niereninsuffizienz wesentlich höhere
Plasmaspiegel vorliegen.
KO M M E N TA R
Eine Abnahme der Granulozytenzahl auf Werte
unter 2000/µl ist nach WHO als Granulozytopenie
definiert, eine Abnahme auf Werte unter 500/µl als
Agranulozytose.
Ätiologie und Pathogenese: Ursache sind Medikamente. Nach der Pathogenese unterscheidet man
zwischen medikamentös-allergischer und medikamentös-toxischer Agranulozytose.
Bei der medikamentös-allergischen Agranulozytose wird das Medikament an Plasmaproteine gebunden, und es werden Antikörper gegen den Protein-Medikament-Komplex gebildet. Antigen-Antikörper-Komplexe lagern sich an der Oberfläche
zirkulierender Granulozyten an und bewirken
durch Komplementaktivierung eine Lyse der Granulozyten. Typische Auslöser einer medikamentös-allergischen Agranulozytose sind Thyreostatika (z. B. Carbimazol, Thiamazol), Metamizol, Sulfonamide, aber auch Cotrimoxazol.
276
Fall
69
Antworten und Kommentar
Bei der medikamentös-toxischen Agranulozytose
schädigt das Medikament, z. B. ein Zytostatikum
wie Methotrexat, das Knochenmark und führt so
zu einer dosisabhängigen Hemmung der Granulopoese. Methotrexat gilt derzeit als das Mittel der
Wahl zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis;
es wird in einer Dosis von 7,5 – 25 mg/Woche eingesetzt. Der myelosuppressive Effekt von Methotrexat wird durch seine Wirkung als Folsäureantagonist verstärkt. Wegen der Myelotoxizität muss
das Differenzialblutbild regelmäßig kontrolliert
werden. Aufgrund der vorwiegend renalen Elimination ist die Gabe von Methotrexat bei Niereninsuffizienz kontraindiziert. Die Myelotoxizität von
Methotrexat wird potenziert, wenn es mit anderen
Substanzen verabreicht wird, die ein Folsäuredefizit erzeugen, wie z. B. Trimethoprim im Kombinationspräparat Cotrimoxazol (Trimethoprim hemmt
auch die menschliche Dihydrofolatreduktase, allerdings ist die Affinität zum bakteriellen Enzym
wesentlich höher). NSAR wie Diclofenac reduzie-
ren die Clearance von Methotrexat und können so
über höhere Methotrexat-Plasmaspiegel myelotoxisch wirken.
Bei Agranulozytose treten aufgrund der wenigen
verbliebenen Neutrophilen, d. h. einer ausgeprägten Immunschwäche akut und relativ symptomlos
schwere Infektionen auf.
Klinik: Eine Agranulozytose kann asymptomatisch
verlaufen oder aber nach unterschiedlicher Latenz
symptomatisch werden. Das Risiko für einen
symptomatischen Verlauf steigt mit der Dauer der
Neutropenie. Symptome der Agranulozytose sind
hohes (sog. neutropenisches) Fieber, Schüttelfrost
und Schleimhautentzündung im Mund- und Rachenraum, aber auch im Gastrointestinaltrakt
(daher die Diarrhö bei der beschriebenen Patientin). Die Tonsillen als Bollwerk der Infektionsabwehr sind besonders betroffen und können Ulzera
aufweisen (Angina agranulocytotica).
Komplikationen: Häufig tritt eine Sepsis auf.
Diagnostik: s. Frage 69.2. Bei Agranulozytose mit
Fieber muss eine rasche und umfassende Erregerdiagnostik im Vordergrund der diagnostischen
Maßnahmen stehen, um sofort nach Entnahme
von Blutkulturen und Abstrichen eine Antibiotikatherapie einleiten zu können.
Differenzialdiagnosen: In Betracht kommen hämatologische Systemerkrankungen und, bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, das Felty-Syndrom (s. Frage 69.2). Bei letzterem ist die Neutropenie Folge einer Autoimmunerkrankung (Antikörper gegen G-CSF), weshalb die Gabe von Methotrexat hier sogar zu einem Anstieg der Leukozyten
führen kann.
Therapie: s. Frage 69.3. Zur Therapie bei Sepsis s.
Fall 67.
Prognose: Sie hängt wesentlich vom Auftreten lebensbedrohlicher Infektionen ab.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Immundefekte
Aplastische Anämie
Myelodysplastische Syndrome
Osteomyelosklerose
Fall 69 Seite 70
Fall 70 Viraler Atemwegsinfekt
쐽 körperliche Schonung bis zum Ausschluss einer
Influenza für den Fall, dass eine InfluenzaMyokarditis vorliegt
쐽 bei hohem Fieber physikalische Maßnahmen
wie Wadenwickel
쐽 zunächst keine Antibiotika, da keine Hinweise
für eine bakterielle Superinfektion vorliegen.
70.2 Welche weitere Diagnostik ist zu diesem
Zeitpunkt erforderlich? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Aktuell ist keine weitere Diagnostik erforderlich, da
– die Klinik einem typischen viralen Infekt
entspricht
– die unauffälligen serologischen Entzündungsparameter und das klare Sputum gegen eine bakterielle Superinfektion sprechen. Bei erhöhten Entzündungsparametern
und putridem Sputum wäre bei Rasselgeräuschen eine Röntgenaufnahme der Lunge
zum Ausschluss einer Pneumonie ratsam.
쐽 Aufgrund der kurzen Dauer der Beschwerden
kann der spontane Krankheitsverlauf abgewartet werden.
70.4 Welche 2 Ratschläge geben Sie der Patientin im Hinblick auf ihr Verhalten in den nächsten Tagen?
쐽 Sie raten zur Wiedervorstellung, falls die Beschwerden zunehmen oder nach einigen Tagen
nicht abgenommen haben, um dann ggf. weiterführende Untersuchungen vornehmen zu
können.
쐽 Sie empfehlen engmaschige Blutzuckerkontrollen, da im Rahmen von Infektionen der Insulinbedarf steigt (Überwiegen kontrainsulinärer
Hormone) und ggf. die Insulintherapie angepasst werden muss.
70.3 Machen Sie einen Therapievorschlag!
KO M M E N TA R
Der virale Atemwegsinfekt zählt zu den häufigsten
Gründen einer ärztlichen Konsultation.
Ätiologie: Typische Erreger viraler Atemwegsinfekte (der „Erkältungskrankheiten“) sind Rhinoviren, Adenoviren, Respiratory-syncytial-Viren (RSV)
und Coronaviren. Erreger der epidemischen Grippe
(Influenza) sind die Influenzaviren (Myxovirus influenzae), wobei von den drei Typen (Typ A, B und
C) vor allem die Subtypen des Typ A für Pan- und
Epidemien verantwortlich sind.
Klinik: Infektionen durch Rhino-, Adeno-, Coronaviren oder RSV verursachen meist Halsschmerzen,
Schnupfen und Husten, jedoch kein Fieber. Im Gegensatz dazu treten bei Influenza regelhaft plötzlich hohes Fieber, Myalgien und ein ausgeprägtes
Krankheitsgefühl auf. Eine seltene, ernste Komplikation ist die (hämorrhagische) Influenzapneumonie. Jedoch ist eine bakterielle Superinfektion im
Rahmen einer Influenza wesentlich häufiger als eine Influenzapneumonie. Typische Erreger einer
bakteriellen Superinfektion sind Streptokokken
(Strept. pyogenes oder Strept. pneumoniae), Sta-
phylokokken oder Haemophilus influenzae. Hinweise auf eine bakterielle Superinfektion sind putrider Auswurf, eitriger Schnupfen oder Zeichen
der respiratorischen Insuffizienz. Sie können bereits nach kurzer Krankheitsdauer auftreten.
Diagnostik: Bei V. a. „Erkältung“ ist keine umfangreiche Diagnostik erforderlich (s. Frage 70.2). Die
Verdachtsdiagnose „Influenza“ kann durch Nachweis des Virus im Rachenspülwasser oder retrospektiv anhand eines signifikanten Anstiegs der Influenzaantikörper im Serum, d. h. eines Anstiegs
um mindestens vier Titerstufen, diagnostiziert
werden. Jedoch hat diese sichere Abgrenzung zu
anderen viralen Erkältungskrankheiten keine therapeutische Konsequenz und bleibt schweren Verläufen vorbehalten, z. B. bei V. a. atypische Viruspneumonie. Bei Zeichen einer respiratorischen
Insuffizienz (Dyspnö, Zyanose) sollte zum Ausschluss einer Influenzapneumonie eine Röntgenaufnahme des Thorax angefertigt werden. Wie andere atypische Viruspneumonien fällt die Influenzapneumonie durch diffuse fleckförmige Infiltrationen auf. Während der virale Atemwegsinfekt
Fall 70 Seite 71
70
Antworten und Kommentar
쐽 Analgetika und Antipyretika, z. B. Paracetamol
oder Acetylsalicylsäure
쐽 reichliche Flüssigkeitszufuhr (viel trinken) zum
Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes bei Fieber
70.5 Würden Sie der Patientin zu einer späteren Grippeimpfung raten? Begründen Sie Ihre
Aussage!
쐽 Eine Grippeimpfung ist sinnvoll, da die Patientin an einer chronischen Krankheit mit erhöhter Infektanfälligkeit leidet und zudem durch
ihren Beruf vermehrt gegenüber Krankheitserregern exponiert ist.
277
Fall
70.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Viraler Atemwegsinfekt, da die Symptome
(Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Fieber)
für einen viralen Infekt typisch sind und das
normale CRP gegen einen bakteriellen Infekt
(z. B. Pneumonie) spricht. Influenza möglich, da
hochsymptomatischer und fieberhafter Verlauf.
meist nicht mit einer serologischen Entzündungsreaktion einhergeht, findet sich bei bakterieller Superinfektion regelhaft eine beschleunigte BSG, ein
erhöhtes CRP und/oder eine Leukozytose. Bei klinischen oder laborchemischen Hinweisen auf eine
bakterielle Superinfektion sollte eine Röntgenaufnahme des Thorax zum Ausschluss einer Pneumonie erfolgen.
Therapie: Sprechen Klinik und Labordiagnostik gegen eine bakterielle Superinfektion, ist eine antibiotische Therapie nicht sinnvoll; zu den Therapie-
maßnahmen s. Frage 70.3. Bei bakterieller Superinfektion verabreicht man Antibiotika (z. B. Makrolide wie Clarithromycin).
Influenzaprophylaxe: Eine Grippeimpfung (aktive
Immunisierung mit Totvakzine) ist bei älteren
Menschen, Patienten mit Beeinträchtigung der Infektabwehr und stark exponierten Personen sinnvoll. Wegen der jährlich wechselnden Subtypen ist
eine jährliche Impfung – vor Beginn der kalten Jahreszeit – erforderlich.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Diphtherie
Leptospirosen
Mumps
Masern
278
Fall
71
Fall 71 Osteoporose mit Wirbelkörperfraktur
Antworten und Kommentar
71.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Sinterungsfraktur des 5. Brustwirbelkörpers bei
V. a. Osteoporose. Zeichen der Sinterungsfraktur sind die Höhenminderung und die keilförmige Verformung des Wirbelkörpers; der
schlagartige Beginn der Rückenschmerzen
passt zur Diagnose „Wirbelkörperfraktur“. Für
eine Osteoporose spricht die hohe Strahlentransparenz der Wirbelsäule.
71.2 Welche diagnostische(n) Maßnahme(n)
(mindestens 1) schlagen Sie zur Sicherung Ihrer
Verdachtsdiagnose vor?
쐽 obligat: Osteodensitometrie (Quantifizierung
der Knochendichte)
쐽 fakultativ:
– ergänzende Röntgenaufnahmen der Lendenund Brustwirbelsäule bei V. a. weitere Frakturen
– Knochenbiopsie (Beckenkamm): keine Routinediagnostik, jedoch zur Ursachenabklärung in unklaren Fällen (hier: Mann mittleren Alters, kein adäquates Trauma) hilfreich.
71.3 Welche Formen und Ursachen dieser Erkrankung kennen Sie?
쐽 primäre Osteoporose:
– postmenopausale Osteoporose; Ursache:
Östrogenmangel
– Altersosteoporose
쐽 sekundäre Osteoporose; Ursachen:
– Hyperkortisolismus, entweder durch Medikamente bedingt (steroidinduzierte Osteoporose, häufig) oder endogen (adrenales,
zentrales oder ektopes Cushing-Syndrom,
eher selten)
– Hyperthyreose
Fall 71 Seite 72
–
–
–
–
–
–
–
–
–
primärer Hyperparathyreoidismus
Hypogonadismus, Androgenmangel
Akromegalie
Vitamin-D-Mangel: z. B. bei gastroenterologischen Erkrankungen mit Malabsorption
oder rezidivierender Diarrhö
chronische Niereninsuffizienz (renale Osteopathie): Vitamin-D-Mangel, sekundärer Hyperparathyreoidismus (s. Fall 10)
Inaktivität, z. B. bei längerer Immobilisation
Langzeittherapie mit Heparin
chronisch-entzündliche Gelenkerkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis)
Plasmozytom.
71.4 Welche Möglichkeiten der medikamentösen Therapie gibt es?
쐽 Kalzium (1 g/d): essenziell für die Mineralisierung der Knochengrundsubstanz, daher Basisversorgung für alle Osteoporosepatienten
쐽 Vitamin D (1000 IE/d): fördert die Kalziumresorption im Darm und die -rückresorption in
der Niere, Basisversorgung für alle Osteoporosepatienten (Beseitigung eines latenten Vitamin-D-Mangels, der insbesondere bei Älteren
häufig ist)
쐽 Bisphosphonate (z. B. Alendronat): hemmen
die Osteoklastenaktivität, d. h. den Knochenabbau, erhöhen somit die Knochendichte und
senken die Frakturrate
쐽 Kalzitonin: aktiviert die Osteoblasten und damit die Neubildung von Knochen, erhöht also
die Knochendichte, jedoch ist der Effekt auf die
Frakturrate weniger gut dokumentiert als für
die Bisphosphonate. Kalzitonin ist gut geeignet
bei schmerzhaften Wirbelkörperfrakturen, da
es in höheren Dosen zentral analgetisch wirkt.
쐽 Fluoride: fördern die Neubildung von Knochen,
ihre Wirksamkeit ist jedoch geringer als die
der Bisphosphonate.
쐽 rekombinantes Parathormon: neuer Therapieansatz, bezüglich des Knochenaufbaus und der
Reduktion der Frakturrate mindestens so effektiv wie Bisphosphonate, Wirkung tritt schneller ein, sehr teuer.
쐽 Strontiumranelat: wirkt osteoanabol, senkt
Frakturrate
71.5 Welche Möglichkeiten der Prophylaxe
gibt es?
쐽 Kalzium (1 g/d): Wirkung s. Frage 71.4, daher
für alle Bevölkerungsgruppen Basis der Osteoporoseprophylaxe
쐽 Östrogene: Prophylaxe der postmenopausalen
Osteoporose; nur bei Langzeitanwendung sinnvoll, jedoch möglicherweise vermehrte
Thrombembolieneigung. Alternative: Raloxifen
(Östrogen-Rezeptoragonist).
쐽 Sport
KO M M E N TA R
Osteoporose ist eine generalisierte Skeletterkrankung, die durch eine verminderte Knochenmasse
und eine veränderte Knochenstruktur charakterisiert ist.
Ätiologie: s. Frage 71.3. Risikofaktoren der Osteoporose sind weibliches Geschlecht (die Knochenmasse von Frauen ist geringer als die der Männer,
und sie nimmt in der Postmenopause ab), hohes
Lebensalter und das Vorkommen von Osteoporose in der Familie.
ner Osteopenie, bei einem T-Score von kleiner –2,5
von einer Osteoporose.
Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule dienen vor
allem der Erkennung von Frakturen. Typische Zeichen der Osteoporose an der Wirbelsäule sind
Keil-, Fisch- oder Plattwirbel sowie Deckplatteneinbrüche (Abb. 71.1).
279
71
Antworten und Kommentar
Diagnostik: Bei Vorliegen einer Fraktur, bei der
kein adäquates Trauma als Auslöser zu eruieren ist,
sollte immer eine Osteoporose ausgeschlossen
werden. Dies ist durch Messung der Knochendichte (Osteodensitometrie) möglich. Am besten evaluiert ist die Dual X-Ray Absorptiometry (DEXA),
da die wichtigsten Therapiestudien mit dieser Methode überwacht wurden und sie überall verbreitet ist. Die DEXA wird ab dem 65. Lebensjahr bevorzugt am Oberschenkelhals durchgeführt, da degenerative Veränderungen die Messung an der
LWS verfälschen können. Sonographisch kann ergänzend eine Messung der Knochensteifigkeit erfolgen. Da nicht sicher belegt ist, dass die Knochensteifigkeitsmessung das Frakturrisiko zuverlässig vorhersagt, kann diese die DEXA-Messung
nicht ersetzen.
Man bestimmt die Abweichung des Knochendichtemesswertes vom Mittelwert der Knochendichte
junger Erwachsener, ausgedrückt als Standardabweichung (sog. T-Score). Nach WHO-Richtlinien
spricht man bei einem T-Score kleiner –1,0 von ei-
Fall
Klinik: Aufgrund der verminderten Knochenmasse
und der veränderten Knochenstruktur sinken die
Wirbelkörper in sich zusammen, was zu Rückenschmerzen, vor allem im Bereich der Brust- und
Lendenwirbelsäule, Abnahme der Körpergröße
und Entstehung eines Rundrückens führt. Aus
demselben Grund ist das Frakturrisiko erhöht; es
kommt zu Spontanfrakturen (d. h. Frakturen ohne
adäquates Trauma). Besonders betroffen sind Wirbelsäule und Femur. Eine Wirbelkörperfraktur
(wie im vorliegenden Fall) äußert sich durch akut
einsetzende Rückenschmerzen im betroffenen Bereich, meist mit Klopfschmerzhaftigkeit und Stauchungsschmerz.
Abb. 71.1 Hochgradige Osteoporose. Bikonkavform
der Lendenwirbelkörper (Fischwirbel). Verbreiterung der
Zwischenwirbelräume. Kompressionsfraktur des 1. LWK
(Pfeil).
Bei Erstdiagnose einer Osteoporose sollten zum
Ausschluss einer sekundären Form der Osteoporose (s. Frage 71.3) als Minimalprogramm die Serumkonzentrationen von Kalzium (Hyperparathy-
Fall 71 Seite 72
reoidismus?), alkalischer Phosphatase (erhöht bei
Morbus Paget) und Phosphat (chronische Niereninsuffizienz?) sowie die BSG gemessen, ein Differenzialblutbild und eine Serumelektrophorese
durchgeführt und nach Bence-Jones-Protein i.U. gesucht werden (Plasmozytom?). Zudem ist die Konzentrationsbestimmung des Vitamin D (Hydroxycholekalziferol) sinnvoll (Vitamin-D-Mangel?). Er-
gibt sich klinisch ein Hinweis auf das Vorliegen anderer zu einer Osteoporose prädisponierender Erkrankungen (z. B. Hypogonadismus, Hyperthyreose), müssen diese weiter abgeklärt werden.
Therapie: s. Frage 71.4.
Prophylaxe: s. Frage 71.5.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Primärer Hyperparathyreoidismus
Osteomalazie
Morbus Paget
Renale Osteopathie
Fall 72 Symptomatische Cholezystolithiasis
280
Fall
72
Antworten und Kommentar
72.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Symptomatische Cholezystolithiasis (Gallenkolik), da akut einsetzende Schmerzen im rechten Oberbauch, oft mit Ausstrahlung in die
rechte Schulter und in den Rücken, das Leitsymptom der Gallenkolik sind und das Sonogramm zwei Gallenblasensteine zeigt (die
echoreichen Signale mit dorsaler Schallauslöschung). Die vergrößerte Gallenblase deutet
auf einen Verschluss des Ductus cysticus durch
ein weiteres Konkrement hin.
72.2 Nennen Sie mindestens 5 Risikofaktoren
für diese Erkrankung!
1. Adipositas („fat“)
2. weibliches Geschlecht: Frauen sind doppelt so
häufig betroffen wie Männer („female“).
3. Einnahme von Östrogenpräparaten
4. Alter (Risiko steigt mit zunehmendem Alter)
(„forty“)
5. cholesterinreiche Kost
6. parenterale Ernährung
7. hereditäre Faktoren („family“).
쐽 „6 ⫻ F-Regel“: female, fair, fat, forty, fertile,
family
72.3 Nennen Sie 5 typische Komplikationen
der Erkrankung!
1. Gallenblasenhydrops bei Verschluss des Ductus
cysticus durch Konkrement
2. akute Cholezystitis, evtl. komplizierend:
– Perforation
– Abszessbildung, bei Verschluss des Ductus
cysticus durch Konkrement Gallenblasenempyem
3. chronisch-rezidivierende Cholezystitis (Porzellangallenblase)
4. akute Cholangitis
5. biliäre Pankreatitis bei Verschluss des Ductus
choledochus durch Konkrement(e).
72.4 Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt
es?
쐽 Die Indikation zur Therapie ist nur bei symptomatischen Patienten gegeben. Die Therapieoptionen lauten:
– symptomatische Therapie: Analgetika,
Spasmolytika (Butylscopolamin), zunächst
Nahrungskarenz, bis eine klinische Besserung eintritt, dann fettreduzierte Kost; bei
Cholezystitis, Cholangitis und Empyem Antibiotika (Fluorchinolone, bei Anareobierinfektion zusätzlich Metronidazol)
– konservative Therapie: orale Litholyse mittels Chenodesoxycholsäure oder Urodesoxycholsäure, ggf. anschließend extrakorporale Stoßwellenlithotrypsie (ESWL) s. Kommentar
– operative Therapie: Cholezystektomie
(laparoskopisch oder konventionell).
72.5 Welches Analgetikum verordnen Sie der
Patientin?
쐽 Pethidin oder Pentazocin, denn diese Substanzen steigern im Gegensatz zu anderen Opioiden den Tonus des Sphinkter Oddi nicht und
lösen daher keinen Sphinkterspasmus aus.
KO M M E N TA R
Das Vorliegen von Gallensteinen bezeichnet man
als Cholelithiasis. Die Steine können in der Gallen-
Fall 72 Seite 73
blase und/oder im Ductus choledochus lokalisiert
sein (Cholezystolithiasis bzw. Choledocholithia-
sis). Gallensteine sind bei etwa 12% der Bevölkerung nachweisbar.
Ätiologie und Pathogenese: Voraussetzung für die
Bildung von Gallensteinen ist ein Überschreiten
des Löslichkeitsproduktes für Cholesterin oder Pigment in der Gallenflüssigkeit. Der häufigste Risikofaktor hierfür ist die Adipositas (weitere Risikofaktoren s. Frage 72.2). Meist handelt es sich um reine
oder gemischte Cholesterinsteine, seltener um
braune oder schwarze Pigmentsteine (Bilirubinsteine).
Abb. 72.1
Therapie: Die Gallenkolik wird symptomatisch
mit Analgetika, Spasmolytika sowie Nahrungskarenz behandelt (s. Frage 72.4 und 72.5). Ist eine
Cholezystolithiasis symptomatisch geworden, besteht die Indikation zur Beseitigung der Gallensteine. Für eine konservative Therapie mit oraler
Litholyse oder ESWL kommen nur Patienten mit
reinen Cholesterinsteinen (die im Röntgenbild
Sonographie bei Cholezystolithiasis: Steine und Gallenblasenhydrops
Fall 72 Seite 73
281
72
Antworten und Kommentar
Komplikationen: Bei Einklemmung eines Steins
im Ductus cysticus kann die Gallenflüssigkeit, die
in unveränderter Menge in die Gallenblase gelangt,
nicht abfließen, so dass sich die Gallenblase allmählich vergrößert (Gallenblasenhydrops) und
als prall-elastischer, wenig druckschmerzhafter
Tumor unter dem rechten Rippenbogen zu tasten
ist. Die akute Cholezystitis ist eine Folge des Gallenblasenhydrops: Dieser führt aufgrund des
wachsenden Drucks in der Gallenblase zu Durchblutungsstörungen der Gallenblasenwand, die ein
Eindringen von Bakterien (häufig E. coli, Enterokokken) in die Gallenblasenwand begünstigen. Die
akute Cholezystitis äußert sich durch Fieber und
Schmerzen im Bereich des rechten Rippenbogens.
Im Rahmen der Entzündung kann es zur Gallen-
Diagnostik: Die Diagnose „Cholelithiasis“ wird
durch den Nachweis eines oder mehrerer Konkremente in der Gallenblase bzw. im Ductus choledochus in der Abdomensonographie gestellt. Mit
diesem Verfahren lassen sich auch die Komplikationen (z. B. Gallenblasenhydrops, Abb. 72.1) diagnostizieren. Laborchemisch zeigt sich meist eine
Erhöhung des CRP, oft auch eine Cholestase (Erhöhung der γ-GT, GOT und GPT). Eine Erhöhung der
Lipase weist auf eine Begleitpankreatitis hin. Bei
V. a. ein Konkrement im Gallengang kann die
Durchführung einer ERCP indiziert sein, mit dem
Ziel, das Konkrement zu entfernen (Papillotomie
und Extraktion). Bei Komplikationen wie einem
rupturierten Gallenblasenempyem oder einer Begleitpankreatitis kommt die CT zum Einsatz.
Fall
Klinik: Nur ca. 25% der Gallensteinträger haben
Beschwerden, in der Regel in Form von Gallenkoliken. Leitsymptom der Gallenkolik ist ein schlagartig einsetzender, starker Schmerz im rechten Oberbauch, nicht selten mit Ausstrahlung in die rechte
Schulter und in den Rücken, welcher typischerweise nach Verzehr fettiger Speisen auftritt (Kontraktionsreiz für die Gallenblase) und nach 30 Minuten
bis 4 Stunden sistiert. Häufigster Auslöser ist die
Einklemmung eines Steins im Ductus cysticus, seltener im Ductus choledochus im Bereich der Papille. Manche Gallensteinträger verspüren lediglich
ein Druck- oder Völlegefühl im rechten Oberbauch nach Verzehr fettiger Speisen.
blasenperforation mit Peritonitis kommen. Bei Infektion mit Eitererregern kann sich ein Empyem
ausbilden (Symptom: Fieber, Schüttelfrost, Peritonitis). Rezidivierende Entzündungsschübe führen
zu narbigen Veränderungen und zu Einlagerung
von Kalk in die Gallenblasenwand (Porzellangallenblase). Bei Steineinklemmung im Ductus
cysticus oder Ductus choledochus kann es zu einer
aszendierenden bakteriellen Infektion (Cholangitis; Erreger s. akute Cholezystitis) kommen, die
Schmerzen im Sinne einer Gallenkolik, Fieber und
Ikterus auslöst. Bei Verschluss des Ductus choledochus führt der Gallerückstau in das Pankreas zu einer Entzündungsreaktion (biliäre Pankreatitis,
Klinik s. Fall 27). Bei Steineinklemmung kann es darüber hinaus zur freien Steinperforation (meist in
das Duodenum) kommen, evtl. mit Gallensteinileus.
nicht zu sehen sind), guter Compliance, Steinen
⬍ 1 cm, maximal halbgefüllter Gallenblase in Frage. Steine mit anderer Zusammensetzung sprechen auf diese Behandlung weniger gut an.
Zudem muss die Gallenblase ausreichend kontraktil sein. Bei Patienten mit rezidivierenden Gallenkoliken ist eine orale Litholyse oder ESWL wegen
der langen Therapiedauer ungeeignet. Die Rezidivrate beider Verfahren liegt bei 60 bzw. 31%. Für die
Mehrzahl der Patienten mit symptomatischer Cholezystolithiasis ist daher die laparoskopische Cholezystektomie die Therapie der Wahl.
Bei einer akuten Cholezystitis sollte nach konservativer Vorbehandlung mit Nahrungskarenz,
Analgetika und Antibiotika innerhalb von 48 Stunden eine sog. Frühcholezystektomie erfolgen. Diese ist auch bei Gallenblasenhydrops, Empyem und
Perforation indiziert. Eine reine Cholangitis ohne
Konkrement wird antibiotisch (z. B. Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin) behandelt. Bei Nachweis eines Konkrementes sollte dieses entfernt werden
(konservativ über ERCP/Papillotomie, ggf. Operation).
Bei biliärer Pankreatitis sind eine Papillotomie
und Steinextraktion aus dem Ductus choledochus
(therapeutische ERC) indiziert.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Pankreatitis
Pankreaskarzinom
Primär sklerosierende Cholangitis
Primär biliäre Zirrhose
282
Fall 73 Terminale chronische Niereninsuffizienz bei diabetischer Nephropathie
Fall
73
Antworten und Kommentar
73.1 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der
von der Patientin beklagten Beschwerden?
쐽 Urämie bei terminaler chronischer Niereninsuffizienz auf dem Boden der diabetischen
Nephropathie. Als Urämie bezeichnet man ein
Syndrom, das durch Funktionsstörungen zahlreicher Organe (Tab. 73.1) aufgrund der Akku-
mulation von Harnstoff und toxischen Metaboliten im Blut bedingt ist. Die Patientin weist einige dieser Symptome auf: Abgeschlagenheit,
Übelkeit, Juckreiz, bräunlich-gelbliches Hautkolorit, Belastungsdyspnö, perikardiales Reiben, renale Anämie. Außerdem sind das Kreatinin und Harnstoff i. S. stark erhöht, auch das
Tab. 73.1 Urämisches Syndrom
betroffenes Organ
bzw. System
pathologisches
Substrat
Symptome
ZNS
Hirnödem (urämische
Enzephalopathie)
anfangs Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen,
Schlaflosigkeit; später Bewusstseinstrübung
bis Koma
PNS
urämische Polyneuropathie
eingeschränktes Vibrationsempfinden, abgeschwächte Muskeleigenreflexe, später
Lähmungen und Muskelatrophie (symmetrische distale sensomotorische Polyneuropathie), restless legs, burning feet, Impotenz
(autonome Neuropathie)
Skelettmuskulatur
urämische Myopathie
Muskelschwäche, Muskelkrämpfe
Herz
urämische (fibrinöse)
Perikarditis
retrosternale Schmerzen, Fieber, Leukozytose, perikardiales Reiben
Lunge
interstitielles Lungenödem („fluid lung“)
urämische (serofibrinöse) Pleuritis
fluid lung: Dyspnö, Husten, Zyanose
Fall 73 Seite 74
je nach Ausprägung des Pleuraergusses
Belastungs- bis Ruhedyspnö
Tab. 73.1 Fortsetzung
betroffenes Organ
bzw. System
pathologisches
Substrat
Symptome
Foetor ex ore (Uringeruch, urämischer
Foetor), Übelkeit, Erbrechen, Sodbrennen,
Durchfall
Stoffwechsel
Kohlenhydratintoleranz, Fettstoffwechselstörungen
Hyperglykämie, Hyperlipidämie
Blut
renale Anämie
(s. Fall 10)
urämische hämorrhagische Diathese
Müdigkeit, Blässe, bei ausgeprägter Anämie
Dyspnö
Nasen- und Zahnfleischbluten, gastrointestinale Blutung, Ekchymosen
Immunsystem
Störung der zellulären
Immunität (mangelhafte Aktivierung von
T-Lymphozyten)
Infektanfälligkeit
Knochen
renale Osteopathie
(s. Fall 10)
Knochenschmerzen, Spontanfrakturen
endokrine Organe
Keimzellaplasie
Infertilität
Haut
Pigmentierung, evtl.
bullöse Hautveränderungen
bräunlich-gelbliches Hautkolorit, Juckreiz,
evtl. bullöse Hautveränderungen
73.2 Nennen Sie die 4 Stadien und die zugehörigen Leitbefunde der die Beschwerden verursachenden Erkrankung!
1. kompensierte Niereninsuffizienz: verminderte Kreatininclearance, Serumkreatinin aber
noch normal; Isosthenurie (Ausscheidung eines Harns mit einem spezifischen Gewicht um
1010 g/l aufgrund einer verminderten Konzentrationsfähigkeit der Nieren 씮 Polyurie, Nykturie)
2. kompensierte Retention: Serumkreatinin erhöht (bis 6 mg/dl), keine klinischen Symptome
3. dekompensierte Retention = präterminale
Niereninsuffizienz: Serumkreatinin ⬎ 6 mg/dl,
meist auch klinische Symptome (z. B. Müdigkeit, Leistungsschwäche, Hypertonie, Ödeme,
Herzinsuffizienz)
4. terminale Niereninsuffizienz = Urämie:
Serumkreatinin ⬎ 10 mg/dl trotz konservativer
Therapie, klinische Symptome der Urämie.
73.3 Welche 5 Ratschläge geben Sie der Patientin bezüglich ihrer Ernährung?
쐽 Eiweißrestriktion (0,8 – 1,0 g/kg KG pro Tag)
zur Verminderung des anfallenden Harnstoffs
und Phosphats
쐽 ausreichende Kalorienzufuhr, im Hinblick auf
den Diabetes mellitus vor allem schwer resorbierbare Kohlenhydrate zuführen, um rasche
postprandiale Blutzuckeranstiege zu vermeiden
쐽 natriumchloridarme Kost (arterielle Hypertonie!)
쐽 cholesterinarme Kost, vor allem da aufgrund
der Niereninsuffizienz potente Lipidsenker
nicht verabreicht werden können; besser:
mehrfach ungesättigte Fettsäuren
쐽 viel trinken: mindestens 2 l/d.
73.4 Würden Sie die Patientin zur Shuntanlage
anmelden? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Eine Indikation zur Shuntanlage besteht in jedem Fall aufgrund der fortschreitenden, irreversiblen Niereninsuffizienz. Selbst wenn
durch konservative Maßnahmen eine vorübergehende Besserung der Situation erreicht werden könnte, ist ein weiteres Fortschreiten der
Niereninsuffizienz mittelfristig so gut wie sicher. Zudem bestehen bei dieser Patientin
gleich mehrere Indikationen zur Hämodialyse:
urämische Symptome (Juckreiz, Übelkeit [urämische Gastroenteritis]), V. a. urämische Perikarditis, Serumkreatinin ⬎ 8 mg/dl, Harnstoff
⬎ 160 mg/dl, renale Anämie, Hyperkaliämie,
schwer einstellbare Hypertonie.
Fall 73 Seite 74
73
Antworten und Kommentar
Serumkalium ist erhöht und es besteht eine arterielle Hypertonie, alles Anzeichen für eine
ausgeprägte Nierenfunktionseinschränkung.
283
Fall
Gastrointestinaltrakt urämische Gastritis,
Enteritis
KO M M E N TA R
Als chronische Niereninsuffizienz bezeichnet man
eine progrediente irreversible Einschränkung der
Nierenfunktion.
Ätiologie und Pathophysiologie: s. Fall 10.
Stadieneinteilung und Klinik: s. Frage 73.2. und
Tab. 73.1.
Diagnostik:
쐽 spezifisches Gewicht des Urins, Serumnatrium,
-kalzium, -phosphat, Blutgasanalyse (metabolische Azidose?), Kreatininclearance zur genaueren Beurteilung der Nierenfunktion
쐽 EKG, Echokardiographie zum Nachweis einer
Perikarditis
쐽 Ausschluss einer renalen Osteopathie: Bestimmung des Parathormons (sekundärer Hyperparathreoidismus?), Bestimmung des 1,25-Dihydroxycholekalziferols (Vitamin D3).
284
Fall
74
Therapie: Die Geschwindigkeit, mit der die
Niereninsuffizienz fortschreitet, kann durch diätetische und medikamentöse Maßnahmen verringert werden. Gesichert ist der positive Effekt einer guten Blutdruckeinstellung (Zielblutdruck:
⬍ 130/80 mmHg). Speziell bei Patienten mit Diabetes mellitus haben ACE-Hemmer und AngiotensinII (AT1)-Rezeptorantagonisten einen nephroprotektiven Effekt, der über den blutdrucksenkenden
Effekt hinausgeht. Die Blutdruckeinstellung sollte
durch eine 24-Stunden-Blutdruckmessung kontrolliert werden. In dem oben beschriebenen Fall
ist die Empfehlung zu einer Diät (s. Frage 73.3) dadurch erschwert, dass ein Diabetes mellitus vorliegt. Prinzipiell sollte aber auch hier auf bilanzierte Eiweißzufuhr geachtet werden, da man vermutet, dass eine verstärkte Eiweißaufnahme die verbliebenen funktionstüchtigen Glomerula durch
vermehrte Hyperfiltration schädigen kann. Eine
negative Eiweißbilanz sollte jedoch wegen der Gefahr des Muskelabbaus vermieden werden. Die
Energiezufuhr sollte dem Verbrauch angemessen
sein und richtet sich vor allem nach der körperlichen Aktivität des Patienten (Berufsanamnese!).
Bei Patienten mit Diabetes mellitus sollten langsam resorbierbare Kohlenhydrate bevorzugt werden. Zur Förderung der Harnstoffauscheidung sollten die Patienten angehalten werden, reichlich zu
trinken (mindestens 2 l/d). Geht die Diurese trotz
adäquater Flüssigkeitszufuhr zurück, kann die
Ausscheidung durch Schleifendiuretika stimuliert
werden. Eine Hyperlipidämie wird mit Cholesterinsynthesehemmern behandelt (s. Fall 61), zur
Therapie der renalen Anämie und Osteopathie s.
Fall 10. Wichtig ist die Dosisanpassung aller Medikamente an die Nierenfunktion. Bei Urämie ist
Dialysebehandlung indiziert.
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Formen des Hyperparathyreoidismus
Differenzialdiagnosen der akuten Niereninsuffizienz
Renale Hypertonie (Pathogenese, Diagnostik, Therapie)
Fall 74 Akuter Gichtanfall bei Gicht (Arthritis urica)
74.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Akuter Gichtanfall, da für diesen schlagartig
einsetzende (häufig nächtliche), sehr starke
Schmerzen im Bereich eines Gelenks, häufig
des Großzehengrundgelenks, mit Rötung und
Schwellung typisch sind. Oft bestehen bei Hyperurikämie auch eine Adipositas und eine arterielle Hypertonie (wie bei diesem Patienten)
sowie weitere Zeichen eines metabolischen
Syndroms (Diabetes mellitus und Hyperlipidämie, hier noch nicht untersucht).
74.2 Welche 4 diagnostischen Maßnahmen
schlagen Sie vor?
쐽 Laboruntersuchungen:
– Serumharnsäure (meist ⬎ 7 mg/dl)
– Blutbild (Leukozytose im Gichtanfall)
– CRP, BSG (im Gichtanfall erhöht)
Fall 74 Seite 75
– Glukose, Cholesterin (Metabolisches Syndrom?)
– Kreatinin (bei Uratnephropathie möglicherweise erhöht)
– Urinstatus (Nierensteinleiden?)
– Harnsäure im 24-Stunden-Urin (erhöht?)
쐽 bei starkem Erguss Gelenkpunktion und Nachweis von Harnsäurekristallen (Fluoreszenzmikroskop)
쐽 Abdomensonographie (Nephrolithiasis?)
쐽 Röntgen der Vorfüße (Tophi, destruierende Arthropathie?).
74.3 Nennen Sie 3 weitere Manifestationen der
Grunderkrankung!
1. Nephrolithiasis
2. Weichteiltophi
3. Gelenktophi, chronische Gichtarthropathie.
74.4 Machen Sie einen Therapievorschlag!
쐽 Therapie des akuten Gichtanfalls:
– Colchicin, alle 1 – 2 Stunden 1 mg
– nichtsteroidale Antirheumatika (z. B. Diclofenac 3 ⫻ 50 mg, Indometacin 3 ⫻ 50 mg) in
hohen Dosen
– lokal Kühlung
쐽 Therapie der Hyperurikämie:
– purinarme Kost (Fleisch-, Innereien- und
Alkoholkonsum reduzieren), Gewichtsreduktion
– harnsäuresenkende Therapie (Urikosurika
[z.B. Benzbromaron, Probenecid], Urikostatika [z.B. Allopurinol]).
KO M M E N TA R
Als Hyperurikämie bezeichnet man eine Zunahme der Harnsäure-Serumkonzentration über
6,4 mg/dl, als Gicht oder Arthritis urica die klinisch manifeste Hyperurikämie.
Klinik: Die Gicht verläuft in 4 Stadien:
쐽 Hyperurikämie: symptomlos
쐽 akuter Gichtanfall: schlagartig einsetzende
Monarthritis mit Rötung und Schwellung des betroffenen Gelenks, die aufgrund der akuten Dehnung der Gelenkkapsel als äußerst schmerzhaft
empfunden wird. In über 50% der Fälle ist das
Großzehengrundgelenk betroffen.
쐽 interkritisches Stadium (zwischen Gichtanfällen): symptomlos
쐽 chronische Gicht: Sie ist durch Tophi (Uratablagerungen) gekennzeichnet. Die chronische
Gichtarthropathie ist durch Harnsäuretophi in
Knochen und Gelenken (Abb. 74.1) bedingt, die
zu einer schweren destruierenden Arthropathie
mit polyartikulärem Befall führen. Die chronische Gichtarthropathie kann bei oberflächlicher
Betrachtung mit einer rheumatoiden Arthritis
oder einer aktivierten Polyarthrose verwechselt
werden. Harnsäuretophi können aber auch im
Weichteilgewebe ausfallen, typischerweise z. B.
74
Abb. 74.1 Arthritis urica am rechten Fuß. Ausgestanzte
Lochdefekte in den Zehenstrahlen I und II durch Gichttophi (Pfeile).
in der Bursa olecrani und den Ohrmuscheln. Die
Ausfällung von Uratkristallen im Urin führt zu
Uratnephrolithiasis, die interstitielle Ablagerung von Uratkristallen zur Uratnephropathie ,
einer abakteriellen interstitiellen Nephritis. Sie
äußert sich durch Proteinurie, evtl. auch Hypertonie.
Diagnostik: s. Frage 74.2. Ein akuter Gichtanfall
legt eine Hyperurikämie nahe. Bei bis zu 5% der Betroffenen liegt die Serumharnsäure jedoch im
Normbereich. Eine Sicherung der Diagnose ist
durch den Nachweis von Harnsäurekristallen im
Gelenkpunktat möglich. Harnsäurekristalle stellen sich in der polarisationsmikroskopischen Untersuchung als doppeltbrechende Kristalle dar. Die
Manifestationen der chronischen Gicht müssen
durch Röntgenaufnahmen der betroffenen Gelenke, Urindiagnostik und Abdomensonographie
ausgeschlossen werden. Auch ein metabolisches
Syndrom sollte ausgeschlossen werden (s. Frage
74.1 und 74.2).
Therapie: Typisch für den akuten Gichtanfall und
daher auch ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium ist das prompte Ansprechen der
Fall 74 Seite 75
Antworten und Kommentar
Pathogenese: Die Harnsäurekonzentration ist
nicht nur im Blut, sondern auch in der Synovialflüssigkeit und im Urin erhöht. Wird das Löslichkeitsprodukt überschritten, fallen Harnsäurekristalle (Uratkristalle) aus und lagern sich im Gelenk
und in Nierentubuli ab. Die Fremdkörperreaktion
auf Uratkristalle löst den akuten Gichtanfall aus.
285
Fall
Ätiologie: Man unterscheidet eine genetisch bedingte primäre und eine durch Erkrankungen oder
Medikamente bedingte sekundäre Hyperurikämie.
Die primäre Hyperurikämie wird in ⬎ 99% der Fälle durch eine renale Störung der Harnsäuresekretion verursacht, in den restlichen Fällen durch eine
vermehrte Harnsäuresynthese (z. B. beim LeschNyhan-Syndrom). Ursachen der sekundären Hyperurikämie sind vermehrter Anfall von Harnsäure bei hämolytischer Anämie, Polyzythämie, Leukämie oder Zytostatikatherapie sowie verminderte
Harnsäureausscheidung bei Nierenerkrankungen,
metabolischer Azidose oder Therapie mit Thiaziddiuretika.
Häufig finden sich neben Hyperurikämie andere
Zeichen eines metabolischen Syndroms (s. Frage
74.1).
Schmerzen auf Colchicin, das folglich bei V. a.
Gichtanfall unverzüglich verabreicht werden sollte
(s. Frage 74.4). Die Colchicintherapie kann durch
Gabe nichtsteroidaler Antirheumatika unterstützt
werden. Im akuten Gichtanfall sollte eine urikosurische oder urikostatische Therapie (s. Frage 74.4)
weder begonnen noch hinsichtlich der Dosis verändert werden, da dies das Löslichkeitsprodukt der
Harnsäure verändern und so einen erneuten Gichtanfall provozieren kann. Eine solche Behandlung
sollte daher erst nach Abklingen der akuten Arthritis begonnen werden und muss zur Rezidivprophylaxe in der Regel lebenslang durchgeführt werden.
Eine Hyperurikämie wird zunächst durch Diät (s.
Frage 74.4) und Gewichtsreduktion behandelt. Eine medikamentöse Therapie (z. B. mit Allopurinol)
ist erst erforderlich, wenn die Serumharnsäurekonzentration dauerhaft 9 mg/dl übersteigt. Bei
chronischer Gichtarthropathie sollte die Pharmakotherapie mit Allopurinol und ggf. auch Colchicin
dauerhaft erfolgen. Besonders große Tophi können
operativ entfernt werden. Das Vorgehen bei der
Uratnephropathie entspricht dem bei einer Nephrolithiasis anderer Genese (s. Fall 32).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Chondrokalzinose
Hämochromatose
Ochronose (Alkaptonurie)
286
Fall 75 Bronchialkarzinom
Fall
75
Antworten und Kommentar
75.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Bronchialkarzinom, da das Röntgenbild eine
einseitige (rechtsseitige) Hilusverbreiterung
(Tumor, evtl. auch zusätzlich Lymphknotenpaket) und Verschattungen im rechten oberen
Mediastinum (vergrößerte Lymphknoten) zeigt
(s. Abb. 75.1). Die vom rechten Hilus nach peripher reichende streifige Verdichtung spricht
für eine partielle Belüftungsstörung (Dystelektase) des rechten Oberlappens. Husten, Aus-
Abb. 75.1 Röntgen-Thorax p.a. bei Bronchialkarzinom
des rechten Oberlappens. Lymphknotenvergrößerungen
rechts hilär und im rechten oberen Mediastinum. Partielle Belüftungsstörung des rechten Oberlappens.
Fall 75 Seite 76
wurf und Gewichtsabnahme sind häufige unspezifische Symptome eines Bronchialkarzinoms.
75.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 5) schlagen Sie vor? Begründen Sie
Ihren Vorschlag!
쐽 CT des Thorax zur Darstellung von Morphologie und Ausdehnung des Primärtumors und
zur Suche nach Metastasen, bei peripheren
Herden evtl. CT-gesteuerte Punktion und Biopsie zur Diagnosesicherung
쐽 Bronchoskopie zwecks Biopsie der Raumforderung zur Diagnosesicherung – falls
möglich – und zwecks Suche nach endoluminalem Tumorwachstum
쐽 bei Nachweis vergrößerter Lymphknoten im
Röntgenbild Endosonographie oder Mediastinoskopie bzw. Thorakoskopie zwecks Biopsie,
falls Biopsie mit o. g. Methoden nicht möglich
oder Ergebnis unklar
쐽 Abdomensonographie, evtl. ergänzend Abdomen-CT zwecks Suche nach Metastasen
(Staging)
쐽 Skelettszintigraphie (bei gesicherter Diagnose)
zwecks Suche nach Metastasen (Staging)
쐽 CT des Schädels (bei gesicherter Diagnose)
zwecks Suche nach Metastasen (Staging)
쐽 Bestimmung der Tumormarker NSE, SCC,
CYFRA, CEA (bei gesicherter Diagnose), um einen Ausgangsbefund vor Einleitung der Therapie zu erhalten (kein Suchtest!)
쐽 Lungenfunktionsanalyse und Blutgasanalyse,
um einen Ausgangsbefund der Lungenfunktion
vor Einleitung einer Therapie zu erhalten.
75.3 Welche 2 histologischen Typen der vermuteten Erkrankung kennen Sie und wie sind
diese prognostisch zu bewerten?
쐽 kleinzelliges Bronchialkarzinom: frühzeitige
Metastasierung und schnelles Wachstum, daher schlechte Prognose
쐽 nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (Adenokarzinom, Plattenepithelkarzinom, großzelliges Karzinom): Diese Tumortypen metastasieren nicht so frühzeitig wie das kleinzellige
Bronchialkarzinom, daher ist bei regional begrenztem Tumor evtl. ein kurativer Therapieansatz möglich, somit insgesamt bessere Prognose.
KO M M E N TA R
Das Bronchialkarzinom ist ein hochmaligner Tumor, der sich vom Epithel der Bronchialwand herleitet. Es ist das häufigste Malignom des Mannes
(Männer sind 10-mal häufiger betroffen als Frauen,
jedoch steigt die Inzidenz bei Frauen). Der Altersgipfel liegt zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr.
Ätiologie: Die wichtigste Ursache sind inhalierte
Karzinogene, insbesondere die beim Zigarettenrauchen inhalierten Verbrennungsprodukte. Ein
weiteres Karzinogen ist Asbest. Die Latenzzeit bis
zum Auftreten des Karzinoms beträgt ca. 15 – 30
Jahre.
Diagnostik: s. Frage 75.2. Bei V. a. Bronchialkarzinom fertigt man Röntgenaufnahmen des Thorax in
2 Ebenen an. Eine ausgedehnte pulmonale Raumforderung wie in Abb. 75.1 bedarf, da fast jede
2. pulmonale Raumforderung auf ein Malignom
(Primärtumor oder Metastase) zurückgeführt werden kann, einer definitiven Abklärung. Bei einer
Größe der Raumforderung wie in Abb. 75.1 und
beim Vorliegen von Risikofaktoren (Rauchen) und
den o. g. Symptomen ist der Röntgenbefund bis zum
Beweis des Gegenteils als Malignom anzusehen.
Die weiterführende Diagnostik dient der Sicherung der Diagnose und der Festlegung des Tumorausbreitungsstadiums. Eine Diagnosesicherung ist
nur durch Biopsie der Raumforderung möglich.
Stadieneinteilung: Für das Staging des Bronchialkarzinoms wird heute die UICC-Klassifikation eingesetzt (Tab. 75.1).
Tab. 75.1 Stadieneinteilung des Bronchialkarzinoms nach UICC
Stadium 0
Stadium I
T 1S
T1
oder
T2
Stadium II
T1
oder
T2
Stadium IIIa T1
oder
T2
T3
Stadium IIIb T1 bis
T4
T4
Stadium IV T1 bis
T4
Carcinoma
in situ
N0
M0
N1
M0
N2
N0 oder N1
M0
M0
N3
N0 bis N3
M0
M0
N0 bis N3
M1
Fall 75 Seite 76
75
Antworten und Kommentar
Klinik: Im Frühstadium sind – insbesondere periphere – Bronchialkarzinome meist asymptomatisch. In späteren Stadien äußern sie sich meist
durch unspezifische Symptome wie Husten, Auswurf, Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit. Eventuell treten Hämoptysen auf, bei Verschluss eines
Bronchus durch das Karzinom Atelektase und
Pneumonie. Ein Pancoast-Tumor kann durch Infiltration des Grenzstrangs ein Horner-Syndrom hervorrufen. Bronchialkarzinomzellen sezernieren
häufig Hormone, z. B. ACTH oder PTHrP, ein Parathormon-ähnliches Peptid (s. Fall 7; paraneoplastisches Syndrom). Leitsymptome des Bronchialkarzinoms sind Hämoptysen, Gewichtsverlust,
Schwäche und Dyspnö.
Ist ein maligner Lungentumor histologisch gesichert, muss unter Anwendung der in Frage 75.2 genannten Untersuchungen die Ausbreitung des Tumors festgelegt werden (Staging). Häufigste Metastasierungsorte sind Lymphknoten, Leber, Gehirn, Nebennieren, Lunge (kontralateral zum Primarius) und Skelett.
287
Fall
Einteilung: Nach der Lokalisation unterscheidet
man zentrale (häufigste Form, s. beschriebener Patient) und periphere Bronchialkarzinome (Sonderform: Pancoast-Tumor = in der Lungenspitze lokalisiertes Bronchialkarzinom). Zur Einteilung nach
dem histologischen Typ s. Frage 75.3. Zur Stadieneinteilung s. u.
Große, zentral gelegene Tumoren sind oft bronchoskopisch erreichbar, entweder durch transbronchiale Biopsie (unter Röntgen-Durchleuchtung)
oder – bei Tumoreinbruch in das Bronchialsystem –
direkt. Periphere Raumforderungen können von extern punktiert werden, z. B. CT-gesteuert. Gelingt eine histologische Sicherung unter Anwendung dieser Methoden nicht, sollte eine Probethorakotomie
zur histologischen Sicherung angestrebt werden. Zu
den Alternativen bei Nachweis von Lymphknotenvergrößerungen im Röntgenbild s. Frage 75.2. Tumormarker sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung nur bei 50% der Bronchialkarzinome erhöht
und somit zur Diagnosesicherung nicht geeignet.
Therapie: Sie erfolgt in Abhängigkeit vom histologischen Typ, von Größe und Lage des Primärtumors sowie dem Vorhandensein und der Lokalisation von Metastasen. Operation, Chemotherapie
und Radiatio stehen zur Verfügung. Unter Berücksichtigung des bei Diagnosestellung oft bereits
fortgeschrittenen Tumorstadiums ist der Therapieansatz meist palliativ. Ein kurativer Therapieansatz
mit Lobektomie wird in der Regel nur bei lokalisierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen
gewählt.
Nachsorge: Nachsorgeuntersuchungen sollten abhängig vom therapeutischen Vorgehen mindestens
halbjährlich erfolgen. Dabei sollten eine Röntgen-
aufnahme des Thorax oder, bei besonderen Fragestellungen, eine CT durchgeführt werden. Die Indikation zur Bestimmung von Tumormarkern (NSE,
SCC, CYFRA, CEA) ergibt sich bei präoperativ erhöhten Werten.
Prognose: Sie hängt vom klinischen Tumorstadium und dem histologischen Typ ab. Bei lokalisierten Tumoren, die mit kurativem Ansatz (ca. 10% der
Patienten) operiert werden können, beträgt die 5Jahres-Überlebensrate über 60%. Nicht kurativ
operable Patienten haben eine deutlich schlechtere Prognose (5-Jahres-Überlebensrate im Stadium IV 1%).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
288
Morbus Wegener
Pleuramesotheliom
Differenzialdiagnosen der Atelektase
Fall
Fall 76 Mitralklappenprolapssyndrom
76
Antworten und Kommentar
76.1 Wie bezeichnet man den in der Echokardiographie auffälligen Befund?
쐽 Als Mitralklappenprolaps.
76.2 Welche 2 diagnostischen Maßnahmen
schlagen Sie bezüglich der Beschwerden vor?
1. 24-Stunden-EKG zur Abklärung der paroxysmalen Tachkardien (Ruhe-EKG unauffällig)
2. Belastungs-EKG zur Klärung der Frage, ob die
Tachykardien durch Belastung provozierbar
sind.
76.3 Nennen Sie die 2 häufigsten Komplikationen dieser Erkrankung!
1. plötzlicher Herztod, vor allem infolge ventrikulärer Arrhythmien
2. Progression der Mitralinsuffizienz
Seltenere Komplikationen sind arterielle Embolien
(Quelle: deformierte Mitralsegel) und Endokarditis.
76.4 Die Patientin fragt Sie, ob eine Therapie
erforderlich ist. Wie lautet Ihre Antwort?
쐽 Dies hängt vom individuellen Risiko sowie vom
Vorliegen von Komplikationen ab:
– Bei einem asymptomatischen Patienten ohne Mitralinsuffizienz oder höhergradige Arrhythmien – also bei der beschriebenen Patientin – ist das individuelle Risiko niedrig.
Empfehlung: keine Therapie erforderlich,
Befundkontrolle in 5 Jahren.
– erhöhtes individuelles Risiko bei höhergradiger Mitralinsuffizienz. Empfehlung: Endokarditisprophylaxe bei Risikoeingriffen (z. B.
2 – 3 g Amoxicillin oral 1 h vor dem Eingriff),
normales Körpergewicht einhalten, 1- bis 2jährliche fachkardiologische Kontrolle.
– Bei symptomatischen supraventrikulären
Arrhythmien ist die Gabe eines β1-selektiven β-Blockers (z. B. Nebivolol) indiziert.
– erhöhtes individuelles Risiko bei höhergradigen ventrikulären Arrhythmien. Ggf. elektrophysiologische Untersuchung, bei maligner Arrhythmie oder überlebtem plötzlichen
Herztod Implantation eines automatischen
Kardioverter-Defibrillators.
– Bei höhergradiger Mitralklappeninsuffizienz
ist eine Klappenrekonstruktion oder ein
Klappenersatz indiziert.
KO M M E N TA R
Der Mitralklappenprolaps (Syn.: Barlow-Syndrom) ist durch eine Vergrößerung eines oder beider Mitralsegel charakterisiert, die während der
Ventrikelsystole in den linken Ventrikel zurückschlagen. Dabei kann durch unvollständigen
Fall 76 Seite 77
Schluss der vergrößerten Mitralsegel eine Mitralklappeninsuffizienz unterschiedlichen Schweregrades entstehen. Ein Mitralklappenprolapssyndrom liegt vor, wenn bei einem Mitralklappenpro-
laps Symptome auftreten, die auf diesen zurückgeführt werden können (s. Klinik).
Der Mitralklappenprolaps ist mit einer Prävalenz
von bis zu 4% in der erwachsenen Bevölkerung der
häufigste Herzklappenfehler in Westeuropa.
Ätiologie: Ein Mitralklappenprolaps kann als eigenständige Erkrankung (primärer bzw. idiopathischer Mitralklappenprolaps) oder im Rahmen einer strukturellen Herzerkrankung (sekundärer
Mitralklappenprolaps) auftreten. Bei einem primären Mitralklappenprolaps findet sich eine Verdickung und Vergrößerung eines oder beider Mitralsegel, z. T. mit Einbeziehung der Chordae tendineae und des Mitralklappenrings. Ein sekundärer
Mitralklappenprolaps kann u. a. im Rahmen einer
dilatativen oder hypertrophen Kardiomyopathie,
einer KHK oder eines Vorhofseptumdefektes auftreten.
Komplikationen: s. Frage 76.3. Bei Mitralklappenprolaps mit ventrikulären Herzrhythmusstörungen oder höhergradiger Mitralklappeninsuffizienz
ist das Risiko, an einem plötzlichen Herztod zu versterben, erhöht.
Diagnostik: Die Diagnose „Mitralklappenprolaps“
wird durch Auskultation des Herzens anhand des
typischen mittsystolischen Klicks gestellt. Bei Patienten mit Palpitationen sollte ein (wenn nötig
auch mehrere) Langzeit-EKG(s), ggf. auch elektrophysiologische Untersuchungen durchgeführt
werden, um das Risiko ventrikulärer Herzrhythmusstörungen abschätzen zu können (s. Komplikationen). Zudem sollte bei allen Patienten echokardiographische Kontrolluntersuchungen erfolgen, um die Entwicklung oder Progredienz einer
Mitralinsuffizienz diagnostizieren zu können.
Therapie: s. Frage 76.4.
289
Prognose: Sie ist in der Regel gut, nur bei weniger
als 10% der Patienten entwickelt sich eine mitteloder schwergradige Mitralinsuffizienz.
77
Differenzialdiagnosen eines Systolikums
Differenzialdiagnosen und Therapie tachykarder Herzrhythmusstörungen
Vorhofmyxom
Fall 77 Typhus abdominalis
77.2 Welche Untersuchung(en) schlagen Sie
vor, um die Diagnose zu sichern?
쐽 Erregernachweis:
– Kulturen von Blut (mehrfach in der septischen Episode), Stuhl und Urin: Sensitivität
bis 70%
– höhere Sensitivität (⬎ 90%), wenn zusätzlich
Duodenalsaft oder Knochenmark kultiviert
wird
쐽 Serologische Tests (Antikörpersuche mittels
Gruber-Widal-Agglutinationsreaktion) sind
wegen unzureichender Sensitivität und Spezifität zum Beweis bzw. Ausschluss des Typhus
abdominalis nicht geeignet.
77.3 Nennen Sie mindestens 4 typische Komplikationen der Erkrankung (z. B. bei verzögerter
Therapie)!
쐽 untere gastrointestinale Blutung
쐽 Darmperforation mit Peritonitis
쐽 Sepsis mit Multiorganversagen
쐽 Abszessbildung (Haut)
쐽 septische Arthritis.
77.4 Wie wird die Erkrankung behandelt und
was müssen Sie nach Diagnosestellung zusätzlich noch tun?
쐽 antibiotische Therapie, bevorzugt mit Fluorchinolonen (z. B. Ciprofloxacin oder Ofloxacin)
쐽 umgehende Meldung an das Gesundheitsamt:
Verdacht auf, Erkrankung an und Tod durch Typhus abdominalis sowie Ausscheidung von Typhuserregern sind meldepflichtig!
Fall 77 Seite 78
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
77.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Septische Durchfallerkrankung nach Auslandsaufenthalt, wahrscheinlich Typhus abdominalis. Für diese Erkrankung spricht, dass typischerweise in der 2. Erkrankungswoche anhaltend hohes Fieber mit steigender Tendenz auftritt (Kontinua), welches mit Durchfällen mit
breiiger Konsistenz, makulopapulösen Effloreszenzen (Roseolen) und einer Leukopenie einhergeht und im Anschluss an eine Reise in ein
Risikoland aufgetreten ist.
Fall
Klinik: Ein Mitralklappenprolaps wird meist als
Zufallsbefund im Rahmen einer Echokardiographie diagnostiziert. Dann hat der Befund keine
weitere Bedeutung. Nur 10% der Patienten beklagen Beschwerden, die sich auf den Mitralklappenprolaps zurückführen lassen, wie Palpitationen
(Herzklopfen, Herzrasen, Herzstolpern), Schwin-
del oder Luftnot. Die Beschwerden sind Folge
supraventrikulärer oder ventrikulärer Herzrhythmusstörungen.
KO M M E N TA R
Typhus abdominalis ist eine systemische Infektionskrankheit, die durch das gramnegative Stäbchenbakterium Salmonella typhi hervorgerufen
wird. Typhus ist eine in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen typische und häufige infektiöse Durchfallerkrankung und muss daher bei
allen Patienten mit fieberhaftem Krankheitsbild
(auch ohne Durchfall, s. u.!) nach einer Reise in Risikoländer in die Differenzialdiagnostik einbezogen werden. Typhus tritt gehäuft in Asien, Südamerika und Afrika auf. In Mitteleuropa und den
USA sind Typhuserkrankungen fast ausschließlich
Folge einer Infektion während einer Reise in Endemiegebiete.
290
Fall
77
Antworten und Kommentar
Ätiologie und Pathogenese: Salmonella typhi ist
ausschließlich für den Menschen pathogen. Das
Bakterium wird durch von Dauerausscheidern
kontaminierte Nahrungsmittel bzw. kontaminiertes Trinkwasser oder durch Schmierinfektion
übertragen. Die Inkubationszeit beträgt 1 – 3 Wochen, meist 2 Wochen. Die Bakterien gelangen von
der Dünndarmschleimhaut in die regionalen
Lymphknoten, wo sie sich vermehren. Über den
Lymph- und Blutweg gelangen sie dann in die
Peyer-Plaques des Dünndarms, in Milz, Leber, Haut
und andere Organe, wo sie eine Entzündungsreaktion auslösen. Da Salmonella typhi vor allem über
den Stuhl verbreitet wird, muss der Patient im Einzelzimmer mit eigener Toilette untergebracht werden.
Klinik: Der beschriebene Patient zeigt die typischen Leitsymptome des Typhus abdominalis. Die
Erkrankung beginnt meist mit treppenförmig ansteigendem Fieber und uncharakteristischen Beschwerden wie Arthralgien, Nachtschweiß, Abgeschlagenheit und Somnolenz. Oft besteht zunächst
eine Obstipation. In der 2. Erkrankungswoche treten Diarrhöen von erbsbreiartiger Konsistenz auf.
Typisch für Typhus sind die Roseolen, makulopapulöse Effloreszenzen, die an verschiedenen Körperpartien auftreten können und Zeichen einer
septischen Hautbeteiligung sind. Hingegen ist die
auch bei diesem Patienten vorhandene relative
Bradykardie (Puls 68/min trotz Fieber von ⬎ 39 ⬚C)
für Typhus weder sehr spezifisch noch sensitiv, findet aber in der älteren Literatur noch Erwähnung.
Regelhaft tritt hingegen eine Leukopenie auf – im
Gegensatz zu anderen bakteriellen Infektionserkrankungen, die meist mit einer Leukozytose einhergehen.
Komplikationen: s. Frage 77.3.
Diagnostik: Diagnostische Hinweise geben Anamnese und körperliche Untersuchung (s. o.). Die Diagnose lässt sich nur durch kulturellen Nachweis
des Erregers (s. Frage 77.2) sichern.
Differenzialdiagnosen: Bei kulturellem Nachweis
des Erregers ist die Diagnose klar. Andere fieberhafte Durchfallerkrankungen (z. B. durch Vibrio
cholerae, E. coli, Yersinien oder Salmonella enteritidis) können durch den Nachweis des Erregers
oder von Erregerbestandteilen im Stuhl oder der
Blutkultur abgegrenzt werden.
Therapie: Aufgrund einer zunehmenden Resistenzentwicklung werden zur Initialtherapie heute
vor allem Fluorchinolone eingesetzt. Trotz antibiotischer Therapie werden einige Patienten
(⬍ 5%) zu Dauerausscheidern von Salmonella typhi
(Persistenz des Bakteriums in Dünndarm oder Gallenblase). Eine Dauerausscheidung liegt vor, wenn
10 Wochen nach Symptombeginn noch Salmonellen im Stuhl nachweisbar sind. Da das Risiko einer
Dauerausscheidung besteht, muss jeder Patient auf
die Wichtigkeit hygienischer Maßnahmen (am
wichtigsten: Händedesinfektion) – insbesondere
bei einem Krankenhausaufenthalt (s. o.) – hingewiesen werden. Bei Dauerausscheidern sollte eine
Sanierung des Erregerreservoirs, z. B. mittels
Langzeitantibiotikatherapie (Chinolone, Cotrimoxazol) oder – bei Galleausscheidern – eine Entfernung der Gallenblase erfolgen.
Prophylaxe: Bei einer Reise in Risikogebiete sollte
eine aktive Immunisierung mit einem oralen Lebendimpfstoff (Typhoral) durchgeführt werden.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Cholera
Morbus Crohn
Pseudomembranöse Kolitis
Fall 77 Seite 78
Fall 78 Hypoglykämie
78.1 Nennen Sie die 3 Formen und die Ursachen (mindestens 8) der Hypoglykämie!
쐽 primäre Hypoglykämie:
– Medikamente (Einnahme zur Therapie eines
Diabetes mellitus oder in suizidaler Absicht): Insulin, Sulfonylharnstoffe
– Insulinom
– Mangelernährung oder Anorexia nervosa
쐽 sekundäre Hypoglykämie:
– Hyperinsulinämie im Frühstadium eines
Diabetes mellitus Typ II
– Hypokortisolismus bei schwerer Nebennierenrindeninsuffizienz
– Ausfall von ACTH oder STH bei partieller
oder kompletter Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
– Glykogenspeicherkrankheit
– schwere Lebererkrankung
쐽 reaktive Hypoglykämie:
– Postgastrektomiesyndrom (Spät-Dumping)
– Fruktose- oder Galaktoseintoleranz.
Klinik: Die typischen Hypoglykämiesymptome
sind entweder Folge einer adrenergen Gegenregulation des autonomen Nervensystems (z. B. Tremor, Schweißausbruch, Nervosität) oder einer
Neuroglukopenie (z. B. Schwindel, Sehstörungen,
Somnolenz, Koma).
weiteren Abklärung. Zum Ausschluss eines Insulinoms ist die Durchführung eines Hungerversuchs
über 72 Stunden erforderlich. Zu den Abbruchkriterien s. Frage 78.2. Die Diagnose eines Insulinoms
gilt biochemisch als gesichert, wenn eine Hypoglykämie mit einer Blutglukosekonzentration von
⬍ 50 mg/dl und einer Erhöhung von Insulin und
C-Peptid objektiviert werden kann, wobei der Quotient aus Insulin- und Blutglukosekonzentration
während der Hypoglykämie größer als 0,3 sein
sollte. Bei biochemisch gesichertem Insulinom ist
eine Lokalisationsdiagnostik mittels Sonographie
und CT des Abdomens anzustreben. Da jedoch bis
zu 40% der Insulinome sich durch diese bildgebenden Verfahren nicht darstellen lassen, ist häufig ergänzend die Durchführung einer selektiven Zöliakographie erforderlich. Der Ausschluss anderer
Erkrankungen gelingt mit Hilfe des oralen Glukosetoleranztests über 5 Stunden sowie des Fruktose- bzw. Galaktosebelastungstests (s. Frage 78.2).
Diagnostik: Bei Nachweis eines verminderten
Blutzuckerwertes ergibt sich die Indikation zur
Therapie: Die Therapie der Wahl bei Insulinom ist
die operative Exstirpation; ist diese nicht möglich,
Als Hypoglykämie wird eine Verminderung der
Blutglukose auf ⬍ 45 mg/dl bezeichnet.
Einteilung und Ätiologie: Um die Abklärung einer
Hypoglykämie in Anbetracht der Vielzahl bekannter Ursachen (s. Frage 78.1) zu vereinfachen, wird
im klinischen Alltag zunächst unterschieden, ob eine Nüchternhypoglykämie (nach mehr als 5 Stunden Nahrungskarenz), eine reaktive (postprandiale) Hypoglykämie oder eine medikamentös induzierte Hypoglykämie vorliegt. In 90% der Fälle ist
eine Hypoglykämie Folge einer medikamentösen
Behandlung eines Diabetes mellitus mit Insulin
oder oralen Antidiabetika.
Fall 78 Seite 79
78
Antworten und Kommentar
Kommentar
291
Fall
78.2 Welche 2 funktionellen Untersuchungen
sind zur Abklärung einer Hypoglykämie besonders hilfreich? Welche Information liefern diese
Tests?
쐽 Hungerversuch: Der Patient ist – abgesehen
von kalorienfreien Getränken – nüchtern. Bestimmung von Glukose, Insulin und C-Peptid
i. S. alle 4 Stunden bei Blutglukosekonzentration ⬎ 60 mg/dl, alle 2 Stunden bei Blutglukosekonzentration von 50 – 60 mg/dl bzw. stündlich
bei Blutglukosekonzentration ⬍ 50 mg/dl. Abbruch nach 72 Stunden, bei Symptomen der
Hypoglykämie (s. Kommentar) und einer Blutglukosekonzentration von ⬍ 45 mg/dl oder –
bei asymptomatischen Patienten – bei zweimaligem Absinken der Blutglukosekonzentration unter 40 mg/dl. Der Nachweis einer Hypoglykämie bei inadäquat hohem Seruminsulin
und C-Peptid sichert die Diagnose eines Insulinoms. Ist nur das Insulin, nicht aber das C-Peptid erhöht, besteht der Verdacht auf eine faktitielle, d. h. eine durch exogene Insulinzufuhr
herbeigeführte Hypoglykämie (MünchhausenSyndrom), die einer psychiatrischen Behandlung bedarf.
쐽 oraler Glukosetoleranztest über 5 Stunden
(Dauer bei Diabetesdiagnostik: lediglich 2
Stunden):
– bei Frühform eines Diabetes mellitus Typ II
mit Hyperinsulinämie: Blutzucker nach
30 – 120 Minuten leicht bis deutlich erhöht,
dann reaktive Hypoglykämie zwischen der
3. und 5. Stunde. Ähnlicher Verlauf bei Postgastrektomiesyndrom, jedoch geringere
Hyperglykämie.
– bei funktioneller Hypoglykämie: Hypoglykämie zwischen der 2. und 4. Stunde, kein
Blutzuckeranstieg
– bei unklaren Fällen Fruktose- und Galaktosebelastungstest: Hypoglykämie bei hereditärer Fruktose- bzw. Galaktoseintoleranz.
kann Diazoxid verabreicht werden (hemmt die Insulinsekretion). Bei sekundären Formen der Hypoglykämie erfolgt eine Therapie der Grundkrankheit
(diätetische Beratung, Antidiabetika bei Diabetes
mellitus, Hormonsubstitution bei Hypophysen-
oder Nebennierenrindeninsuffizienz, Meidung von
Fruktose/Galaktose bei Intoleranz, Einnahme mehrerer kleiner Mahlzeiten und ggf. Reoperation bei
Postgastrektomiesyndrom mit Spätdumping).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Morbus Addison
Neuroendokrine Tumoren (Differenzialdiagnosen, Klinik)
Formen des Postgastrektomiesyndroms
Fall 79 Varikosis
292
Fall
79
79.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Stammvarikose der V. saphena magna rechts,
da eine einseitige Schwellung des Beines (DD:
bei Rechtsherzinsuffizienz beidseitig), die im
Tagesverlauf zunimmt und bei Hochlagern abnimmt (DD Phlebothrombose: Schwellung persistiert), typisch für eine chronisch-venöse Insuffizienz ist, die Erweiterung der V. saphena
magna bei der klinischen Untersuchung auffällt und die Patientin durch ihre berufliche
Tätigkeit viele Stunden am Tag stehen muss
(Risikofaktor).
Antworten und Kommentar
79.2 Wie wird der Trendelenburg-Test durchgeführt und welche Aussage ermöglicht er?
쐽 Das betroffene Bein wird hochgelagert, damit
sich die Venen entleeren. Dann wird die V. saphena magna an der Mündungsstelle mit dem
Finger oder Daumen komprimiert. Nachdem
sich der Patient hingestellt hat, wird der Druck
auf die Vene gelöst. Füllt sich die Vene daraufhin schlagartig von proximal nach distal, liegt
eine Insuffizienz der Venenklappen der V. saphena magna vor.
79.3 Welche 3 weiteren diagnostischen Verfahren schlagen Sie vor, um die Verdachtsdiagnose zu sichern? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
쐽 Doppler-Sonographie: Nachweis eines Refluxes
beim Valsalva-Manöver (Pressen bei geschlossenem Mund nach tiefer Inspiration, stoppt durch
intraabdominelle und intrathorakale Druckerhöhung den venösen Rückstrom zum Herzen)
(Abb. 79.1), Bestimmung des Insuffizienzpunktes (hier endet das Refluxgeräusch)
쐽 Duplexsonographie: ermöglicht die Lokalisation der insuffizienten Venenklappen – insbesondere der Perforansvenen – aufgrund von
Fall 79 Seite 80
Abb. 79.1 Doppler-Sonogramm der V. femoralis superficialis (proximales Drittel) bei Valsalva-Manöver. a suffiziente Venenklappen: Im Dopplerfrequenz-Zeit-Spektrum
ist der Klappenschluss während des Valsalva-Manövers
durch ein Sistieren der Strömung zu erkennen; b insuffiziente Venenklappen: lang dauernder Reflux während
des Valsalva-Manövers mit reaktiver Steigerung des venösen Rückstroms zum Herzen nach Ende des Manövers.
Reflux beim Valsalva-Manöver (s. o.) sowie den
Ausschluss thrombotischer Verschlüsse
쐽 Phlebographie: ist indiziert, wenn eine Operation geplant ist, sich die Lokalisation der insuffizienten Venenklappen jedoch sonographisch
nicht sicher klären lässt.
79.4 Welche Therapieverfahren gibt es und
wann kommen diese bevorzugt zum Einsatz?
쐽 Tragen von Kompressionsstrümpfen: Primärtherapie bei den meisten Patienten (relative
Kontraindikation bei schlecht heilenden Hautulzera oder schwerer pAVK)
쐽 operative Verfahren (Varizenexhairese, Crossektomie): bei symptomatischer Stammvarikose
쐽 Varizensklerosierung: bei symptomatischer
Seitenastvarikosis oder Restvarizen nach operativer Therapie.
KO M M E N TA R
Als Varikosis bezeichnet man eine Erweiterung der
Venen der unteren Extremität. Diese ist bei bis zu
50% der sonst gesunden Bevölkerung nachweisbar,
verursacht jedoch nur bei ca. jedem 5. Betroffenen
Symptome.
lung bei einer Varikosis oft nur einseitig auf. Anders als bei einer Phlebothrombose entwickeln
sich die Beschwerden langsam – über Wochen und
Monate – und sind bei Hochlegen der Beine und
über Nacht stets rückläufig.
Ätiologie und Pathogenese: Ursache der Varikosis
ist eine Insuffizienz der Venenklappen, meist aufgrund einer Schwäche der Venenwand (primäre
Varikosis), selten aufgrund einer Phlebothrombose
(sekundäre Varikosis). Aufgrund der Insuffizienz
der Venenklappen strömt das venöse Blut nach distal zurück. Besteht lediglich eine Insuffizienz der
oberflächlichen Beinvenen (z. B. V. saphena magna), kann das retrograd strömende Blut über die
Perforansvenen in die tiefen Beinvenen (z. B. V. femoralis) abfließen. Sind jedoch auch die Klappen
der Perforansvenen und der tiefen Beinvenen insuffizient, kommt es zur Strömungsumkehr in den
Perforansvenen, so dass sich das Blut bis zum distalen Insuffizienzpunkt (= distalster Punkt mit insuffizienter Venenklappe) staut. Dies wird als chronisch-venöse Insuffizienz bezeichnet.
Diagnostik:
쐽 Anamnese: Jeder Patient mit einer Varikosis
sollte nach seinen Lebensgewohnheiten und
dem Arbeitsplatz befragt werden. So begünstigen lang dauernde Tätigkeiten im Sitzen oder
Stehen (z. B. als OP-Schwester) die Ausbildung
einer Varikose.
쐽 körperliche Untersuchung und Funktionstests: s. Fall und s. Frage 79.2
쐽 bildgebende Verfahren: s. Frage 79.3. Da sich
die Lokalisation und Ausdehnung tiefer und
oberflächlicher Venen mittels farbkodierter Duplexsonographie genau erfassen lässt, ist eine
Phlebographie meist überflüssig. Eine exakte
Lokalisationsdiagnostik ist ohnehin nur sinnvoll, wenn aufgrund der Schwere der klinischen
Symptomatik eine Operation oder Varizensklerosierung geplant ist.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Phlebothrombose
Extremitätenschwellung: Differenzialdiagnosen
Primäres und sekundäres Lymphödem
Fall 80 HIV mit Herpes zoster
80.1 Welches Stadium/welche Kategorie der
HIV-Erkrankung liegt bei der Patientin vor? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Kategorie B, AIDS-related complex (ARC).
쐽 Begründung: Symptome (Nachtschweiß, Fieber) bestehen seit mehr als 3 Monaten. Somit
scheidet Kategorie A (Patient asymptomatisch)
aus. Zudem ist die Zahl der Helferzellen vermindert (Normwert: ⬎ 1000/µl). Das Blutbild
zeigt eine Anämie und Thrombopenie. Somit
liegt mindestens ein AIDS-related complex
(ARC) im Sinne der Kategorie B vor. Bei der klinischen Untersuchung finden sich eine oropha-
ryngeale Candidiasis sowie eine Herpes-zosterInfektion. Beide Erkrankungen zählen nicht zu
den AIDS-definierenden Erkrankungen, eine
AIDS-Erkrankung (= Kategorie C) liegt also
(noch) nicht vor.
80.2 Nennen Sie mindestens 5 AIDS-definierende Erkrankungen!
쐽 AIDS-definierende opportunistische Infektionen: Pneumocystis-carinii-Pneumonie, Toxoplasmose, Kryptosporidiose, disseminierte
Kryptokokkose oder Kryptokokken-Meningitis,
disseminierte Kokzidioidomykose oder Histo-
Fall 80 Seite 81
80
Antworten und Kommentar
Therapie: Oft kann die Schwellneigung durch das
Tragen von Kompressionsstrümpfen minimiert
werden. Reicht dies nicht aus oder werden die
Strümpfe aus kosmetischen Gründen nicht gewünscht, können operative Verfahren oder eine
Sklerotherapie durchgeführt werden. Eine operative Entfernung oberflächlicher Venen wegen insuffizienter Klappen ist nur indiziert, wenn das tiefe
Venensystem durchgängig ist.
Fall
Klinik: Besenreiservarizen (kleine intradermale
Varizen, meist am Oberschenkel) machen meist
keine Beschwerden und werden allenfalls als kosmetisch störend empfunden. Bei Insuffizienz der
Venenklappen oberflächlicher und tiefer Beinvenen besteht ein Spannungsgefühl im Bereich des
Ober- und Unterschenkels. Oft kann auch eine
Schwellung der betroffenen Extremität dokumentiert werden. Zu den Symptomen bei chronisch-venöser Insuffizienz s. Fall 68. Im Gegensatz zu kardial bedingten Ödemen tritt die Weichteilschwel-
293
!!! 80.4 3 Monate später wird die Patientin
plasmose, Lungentuberkulose, atypische Myschwanger. Welche Maßnahmen sollten zur Mikobakteriose, Candida (Soor)-Ösophagitis, Cannimierung des Infektionsrisikos des Neugeboredida-Sepsis, Zytomegalie-, Herpes-simplex-Vinen ergriffen werden und wie hoch ist dieses Rirusinfektion, rezidivierende Salmonellensepsis.
siko bei Beachtung dieser Maßnahmen?
쐽 AIDS-definierende Tumorerkrankungen: Ka쐽 Maßnahmen zur Senkung des Infektionsrisikos
posi-Sarkom, B-Zell-Lymphome, ZNS-Lymphodes Neugeborenen sind:
me, Zervixkarzinom (invasiv).
– antiretrovirale Therapie (Zidovudin = AZT)
쐽 andere AIDS-definierende Erkrankungen:
bei der Patientin ab der 32. SSW
schwere Kachexie, interstitielle lymphoide
– Tokolyse bei Wehen vor der 34. SSW (VerPneumonie (bei Kindern).
meidung einer möglicherweise komplikationsträchtigen Frühgeburt)
80.3 Nennen Sie die 2 wichtigsten Laborpara– Geburt durch Sectio
meter zur Beurteilung der Effektivität einer
– antiretrovirale Prophylaxe mit AZT beim
antiretroviralen Therapie!
Neugeborenen für 6 Wochen
쐽 Viruslast: Virusmenge im Blut, gemessen an– Verzicht auf Stillen.
hand der RNA-Kopien/ml Plasma. Bestimmung
쐽 Bei Beachtung dieser Maßnahmen beträgt das
durch quantitative PCR.
HIV-Übertragungsrisiko weniger als 5%, ohne
쐽 Zahl der CD4-positiven Zellen (T-Helferzellen)
diese prophylaktischen Maßnahmen bis zu
im peripheren Blut.
35%.
294
Fall
80
KO M M E N TA R
Die HIV-Infektion ist eine chronische Erkrankung,
deren Endstadium AIDS (acquired immunodeficiency syndrome) darstellt.
Antworten und Kommentar
Ätiologie: Erreger ist das Retrovirus Human Immunodeficiency Virus (HIV). Es gibt zwei Virustypen:
HIV-1 und HIV-2. In Europa kommt fast ausschließlich HIV-2 vor.
Pathogenese: HIV wird durch Blut und Körpersekrete übertragen. Typische Risikogruppen sind i. v.Drogenabhängige und Prostituierte. Das Virus infiziert selektiv Zellen der Infektabwehr, insbesondere die CD4-positiven T-Lymphozyten (T-Helferzellen). Der Befall der T-Helferzellen führt zu ihrer
Zerstörung. Die sinkende Zellzahl geht mit einer
progredienten Störung der Infektabwehr einher.
Jedoch läuft dieser Prozess mit interindividuell
sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit ab. Während bei einigen Patienten bereits wenige Wochen
nach der Infektion klinische Symptome als Folge
der Immundefizienz auftreten und ein Übergang in
das Vollbild AIDS erfolgt, bleiben andere Patienten
mehr als 10 Jahre asymptomatisch.
Stadieneinteilung und Klinik: Die HIV-Infektion
wird nach dem Schweregrad in drei Kategorien
eingeteilt (CDC 1993): In Kategorie A sind die Patienten asymptomatisch, können aber vergrößerte
Lymphknoten aufweisen (Lymphadenopathiesyndrom, persistierende generalisierte Lymphadenopathie). Treten anderweitig nicht erklärbare Symptome wie Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust
oder Diarrhö über einen Zeitraum von mehr als
1 Monat auf, liegt definitionsgemäß eine fortgeschrittene HIV-Erkrankung entsprechend Kategorie B oder C vor. In Kategorie C weisen die Patienten
das Vollbild AIDS (Acquired Immunodeficiency
Syndrome) auf, welches durch das Auftreten defi-
Fall 80 Seite 81
nierter Folgeerkrankungen der Immundefizienz
(insbesondere Tumoren und opportunistische Infektionen, s. Frage 80.2) definiert ist. In Kategorie B
passen die Symptome bzw. Befunde weder in Kategorie A noch in Kategorie C, so bei der beschriebenen Patientin.
Diagnostik:
쐽 HIV-Diagnostik:
– Antikörpersuchtests (s. Fall 3)
– Bei positivem Befund der Antikörpersuchtests wird HIV mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) im Blut des Patienten nachgewiesen. Die Menge der im Blut nachweisbaren HIV-RNA (Viruslast) korreliert direkt mit
dem Schweregrad und der Prognose der Erkrankung.
– Bestimmung der T-Helferzellzahl
– Beurteilung der zellvermittelten Immunität
mittels Multitest Mérieux
쐽 Diagnostik von Folgeerkrankungen: Labor
(BSG, Blutbild und Differenzialblutbild, Bestimmung der Immunglobulinkonzentration, Transaminasen, alkalische Phosphatase, Kreatinin,
Urinstatus, Hepatitis-, Toxoplasmose-, CMV-Serologie, TPHA-Test), Röntgen-Thorax, EKG, Lungenfunktion, Abdomensonographie, Fundoskopie, gynäkologische Untersuchung, Endoskopie.
Therapie und Betreuung: Zur antiviralen Therapie
steht eine Vielzahl von Substanzen zur Verfügung
(z. B. Zidovudin, Efavirenz, Saquinavir). Die Therapie erfolgt meist innerhalb klinischer Studien.
Da fast alle HIV-positiven Frauen im gebärfähigen
Alter sind, ist das Thema Schwangerschaft bei einer
HIV-Infektion praxisrelevant. Jeder Arzt sollte die
oben genannten Maßnahmen zur Minimierung
des Infektionsrisikos des Neugeborenen kennen
und beachten. Bei asymptomatischer HIV-Infektion ist der Schwangerschaftsverlauf nicht beeinträchtigt. Bei symptomatischer HIV-Infektion (Ka-
tegorie B oder C) ist die perinatale Sterblichkeit
(Kind) und Frühgeburtenrate hingegen erhöht.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
HIV-Diagnostik und weiterführende Untersuchungen nach Diagnosestellung
Pneumocystis-carinii-Pneumonie
Lungentuberkulose
Formen der Zytomegalievirusinfektion bei Immunkompromittierten
Fall 81 Ösophagusvarizenblutung bei Leberzirrhose
81.3 Nennen Sie mindestens 3 Therapieverfahren, durch die die Blutung bei der vermuteten
Ursache behandelt werden kann!
쐽 endoskopische Therapie: Ösophagoskopie mit
– Sklerosierung der Varizen (mittels Ethoxysklerol)
– Verschluss der Varizen mit Histoacrylkleber
– Ligatur blutender Varizen mit Gummiband
쐽 medikamentöse Therapie der portalen Hypertension: Drucksenkung mit Hilfe von β-Blockern, Octreotid (Somatostatin-Analogon) oder
Terlipressin (Vasopressin-Analogon)
쐽 Ballontamponade (bei Versagen aller endoskopischer und medikamentöser Therapieverfahren): Kompression der Varizen zur Blutstillung
mittels
– Sengstaken-Blakemore-Sonde: bei Ösophagus- und Kardiavarizen
– Linton-Nachlas-Sonde: bei Fundusvarizen
쐽 invasive Therapie der portalen Hypertension:
notfallmäßige Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts
(TIPS) als Ultima ratio nach Versagen aller anderen Maßnahmen.
KO M M E N TA R
Als Ösophagusvarizen bezeichnet man eine Erweiterung von Ösophagusvenen als Folge einer portalen Hypertension (Abb. 81.1).
Abb. 81.1 Endoskopisches
Bild bei multiplen Ösophagusvarizen
Ätiologie: Die häufigste Ursache einer portalen
Hypertension und somit der Ösophagusvarizen ist
die Leberzirrhose. Da etwa 1/3 aller Patienten mit
einer Leberzirrhose eine klinisch relevante Ösophagusvarizenblutung erlebt, ist die Ösophagusvarizenblutung bei o. g. Patienten schon rein statistisch am wahrscheinlichsten. Andere Ursachen
sind die Kompression der V. portae z. B. durch einen
Tumor, die Schistosomiasis, das Budd-Chiari-Syndrom (Verschluss der Lebervenen z. B. durch einen
Thrombus oder Tumor) und die Infiltration der V.
cava inferior durch einen Tumor.
Fall 81 Seite 82
295
81
Antworten und Kommentar
81.2 Welche anderen Ursachen (mindestens 5)
kommen bei dem Patienten noch in Betracht?
쐽 Blutung aus Fundus- oder Kardiavarizen
쐽 blutendes Ulcus ventriculi oder duodeni
쐽 erosive Gastritis
쐽 Mallory-Weiss-Syndrom (längliche Schleimhauteinrisse im gastroösophagealen Übergang
infolge einer plötzlichen Druckerhöhung im
Magen, z. B. bei Erbrechen, mit z. T. massiver
Blutung)
쐽 Angiodysplasie (arteriovenöse Gefäßveränderung im Darmtrakt)
쐽 Blutung aus dem Nasen-/Rachenraum
쐽 diffuse Schleimhautblutung bei Gerinnungsstörung durch inadäquate Synthese von Gerinnungsfaktoren als Folge der Leberzirrhose.
Fall
81.1 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der
Hämatemesis?
쐽 Blutung aus Ösophagusvarizen, da bei dem Patienten eine Leberzirrhose bekannt ist, entsprechende klinische Zeichen (Sklerenikterus)
vorliegen und die Spider-Nävi auf eine portale
Hypertension hindeuten, so dass die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von Ösophagusvarizen sehr hoch ist. Die hellrote Farbe des
Blutes spricht eher gegen eine Blutungsquelle
im Magen (Schwarzfärbung durch Magensäure), schließt aber eine Blutungsquelle im Magen nicht aus.
Klinik: Der plötzliche Beginn des Bluterbrechens
und das Erbrechen von hellrotem Blut (kein Kontakt mit Magensaft) sind typisch für die Ösophagusvarizenblutung.
Diagnostik und Therapie: Bei der Akutbehandlung ist die Kreislaufstabilisierung durch Volumensubstitution (s. Fall 8) vorrangig. Da aufgrund
der Leberzirrhose oft eine Gerinnungsstörung vorliegt (Bestimmung des Quick- oder INR-Wertes!),
kann die endogene Blutstillung erheblich beeinträchtigt sein, so dass der Patient in kurzer Zeit große Mengen Blut verliert. Liegt eine Gerinnungsstörung vor, sollten daher neben Erythrozytenkonzentraten frühzeitig Frischplasmapräparate oder
Gerinnungsfaktorenkonzentrate verabreicht werden.
296
Fall
82
Da aufgrund der oft erheblichen Gerinnungsstörung die Ösophagusvarizenblutung häufig nicht
spontan sistiert, ist in jedem Fall die umgehende
Durchführung einer Gastroskopie zur endoskopischen Blutstillung erforderlich. Durch Injektion
von Ethoxysklerol (Varizensklerosierung), Gummibandligatur oder Verschluss der blutenden Varizen mit Histoacrylkleber gelingt es in der Mehrzahl
der Fälle, die Blutung zu stillen.
Zur Prophylaxe einer Rezidivblutung sollte dann
versucht werden, den Druck im Pfortadersystem
zu senken. Hierzu kann Octreotid oder Terlipressin
i. v. appliziert werden. Zur Langzeitprophylaxe
kommen β-Blocker zur Anwendung.
Hält eine Ösophagusvarizenblutung nach dem
Versuch der endoskopischen Blutstillung weiter an
und zeigt auch die medikamentöse Senkung des
Pfortaderdruckes keinen Erfolg, können die blutenden Varizen durch eine Ballonsonde komprimiert werden. Diese den Patienten belastende
Maßnahme (Gefahr von Drucknekrosen der Ösophagusschleimhaut) kann aber höchstens 24 Stunden angewandt werden. Als Ultima ratio gilt die
notfallmäßige Anlage eines TIPS, die jedoch aufgrund der hohen Letalität bei Durchführung in einer Notsituation ausgewählten Fällen vorbehalten
ist.
Prognose: Das Risiko einer Rezidivblutung innerhalb der 1. Woche beträgt über 70%, bei einer Sklerosierungsprophylaxe langfristig noch 30 – 50%.
Die Letalität hängt vor allem vom Stadium der Leberzirrhose ab und beträgt z. B. im Child-Stadium C
50% (Stadieneinteilung nach Child-Pugh s. Fall 63).
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Endokrine und metabolische Komplikationen bei Leberzirrhose
Ursachen der Leberzirrhose
Pathophysiologie der portalen Hypertension
Differenzialdiagnosen des Aszites
Fall 82 Hypokalzämie
82.1 Was ist bei dieser Patientin die wahrscheinlichste Ursache der Hypokalzämie? Nennen Sie auch andere Ursachen der Hypokalzämie!
쐽 Wahrscheinlichste Ursache ist ein Hypoparathyreoidismus nach Schilddrüsenoperation
(Kocher-Kragenschnitt, Substitution mit Schilddrüsenhormon).
쐽 andere Ursachen:
– Vitamin-D3-Mangel infolge verminderter
Zufuhr (Fehlernährung) oder verminderter
Aufnahme von Vitamin D (Malabsorption,
z. B. bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung), verminderter Umwandlung in
der Haut zu Vitamin D3, Störung des Stoffwechsels von Vitamin D3 (z. B. genetisch bedingt [Vitamin-D-abhängige Rachitis] oder
bei Leber- oder chronischer Niereninsuffizienz)
– nach Parathyreoidektomie (wegen primärem Hyperparathyreoidismus)
Fall 82 Seite 83
– Hyperphosphatämie: Gewebszerfall bei
Chemotherapie, Niereninsuffizienz
– Therapie mit Thiaziddiuretika (Kalziumverlust über die Nieren)
– akute Pankreatitis (Ursache der Hypokalzämie unklar)
– Hyperventilation (Abfall des freien Serumkalziums bei Alkalose, s. Fall 17).
82.2 Welche Parameter sollten zur Klärung der
Ursache einer Hypokalzämie bestimmt werden?
쐽 freies Serumkalzium
쐽 Phosphat i. S.
쐽 Albumin i. S.
쐽 Gesamtprotein i. S., falls nur Gesamtkalzium
gemessen werden kann, da der größte Teil des
Gesamtkalziums an Protein (vor allem Albumin) gebunden ist und der GesamtkalziumWert bei Hypalbuminämie korrigiert werden
muss
쐽 Parathormon i. S.
쐽 25-OH-Vitamin-D3
쐽 1,25-(OH)2-Vitamin-D3
쐽 Kalzium und Phosphat im 24-StundenSammelurin.
82.3 Welche dieser Parameter sind bei der Patientin wahrscheinlich verändert? Beschreiben
Sie den Befund!
쐽 Kalzium i. S. vermindert
쐽 Phosphat i. S. erhöht
쐽 Albumin und Gesamtprotein i. S. normal
쐽 Parathormon i. S. vermindert
쐽 25-OH-Vitamin-D3 und 1,25-(OH)2-Vitamin-D3
vermindert oder normal (durch Mangel an Parathormon verminderte Bildung von 1,25(OH)2-Vitamin-D3)
쐽 Kalzium im 24-Stunden-Urin normal oder vermindert
쐽 Phosphat im 24-Stunden-Urin normal.
82.4 Wie würden Sie die Patientin behandeln,
falls Ihre Verdachtsdiagnose zutrifft? Geben Sie
bei Medikamenten auch die Dosis an!
쐽 Kalzium hochdosiert: 1000 – 3000 mg/d
쐽 Vitamin D3 hochdosiert: 50 000 – 100 000 IE/d.
KO M M E N TA R
Unter Hypokalzämie versteht man ein Absinken
der Serumkonzentration des Gesamtkalziums unter 2,2 mmol/l bzw. des ionisierten (freien) Kalziums unter 1 mmol/l.
Ätiologie: s. Frage 82.1.
Diagnostik: Bei der körperlichen Untersuchung
zeigen sich bei Hypokalzämie folgende Befunde:
Zucken des Mundwinkels bei temporaler Perkussion des N. facialis (Chvostek-Zeichen) und Pfötchenstellung bei aufgepumpter Blutdruckmanschette (Trousseau-Zeichen). Zur Labordiagnostik
s. Frage 82.2 und 82.3.
Therapie: Sie besteht in der Gabe von Kalzium und
Vitamin D3 (Cholekalziferol, alternativ Kalzitriol)
in hohen Dosen (s. Frage 82.4).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Pseudohypoparathyreoidismus (Typen, Diagnostik)
Komplikationen der Schilddrüsenoperation
Vitamin-D-resistente Rachitis
Renale Osteopathie (Pathophysiologie, Diagnostik)
Fall 82 Seite 83
82
Antworten und Kommentar
Der Kalzium- und der Phosphatstoffwechsel werden vor allem durch Parathormon und Vitamin D3
geregelt. Parathormon wird in den Gll. parathyreoideae (Epithelkörperchen) gebildet und stimuliert die Phosphatausscheidung in der Niere. Vitamin D3 (Cholekalziferol) entsteht in der Haut
(durch UV-Bestrahlung) aus dem Provitamin 7-Dehydrocholesterol und wird in der Leber hydroxyliert. 25-OH-Vitamin-D3 gelangt in die Niere und
Klinik: Leitsymptome der Hypokalzämie sind
Muskelkrämpfe und die hypokalzämische Tetanie
(s. Fall 17).
297
Fall
Pathophysiologie: Hauptspeicher des Kalziums im
menschlichen Körper ist der Knochen. Nur ca. 0,1%
des gesamten Kalziumbestandes im Körper befinden sich im Extrazellulärraum. Im Serum sind ca.
40% des Kalziums an Eiweiß (vor allem Albumin)
gebunden, 10% komplexgebunden (z. B. Phosphat)
und 50% liegen frei vor.
Die Eiweißbindung des Serumkalziums hängt
vom pH-Wert ab: Bei (respiratorischer) Alkalose,
z. B. bei Hyperventilation, sinkt die Konzentration
des freien Kalziums (da die Proteinbindung zunimmt), bei Azidose steigt die Konzentration des
freien Kalziums.
wird dort zu 1,25-(OH)2-Vitamin-D3 (Kalzitriol),
dem biologisch aktiven Vitamin D3, metabolisiert.
Das Absinken des Serumphosphats als Folge der
Parathormonwirkung fördert die Bildung von Kalzitriol in der Niere. Die Folgen sind eine vermehrte
enterale Kalziumabsorption und die Freisetzung
von Kalzium aus dem Knochen. Werden bei einer
Schilddrüsenresektion versehentlich alle Epithelkörperchen entfernt, sinkt der Parathormonspiegel
und mit ihm die Phosphatausscheidung, die Serumphosphatkonzentration steigt an. Dadurch
nimmt die Kalzitriolsynthese ab und freies Kalzium bindet vermehrt an Phosphat. Beide Mechanismen führen schließlich zur Hypokalzämie.
Fall 83 Akutes Nierenversagen
298
Fall
83
83.1 Nennen Sie die 3 Formen des akuten Nierenversagens sowie jeweils Auslöser und Beispiele!
쐽 prärenales akutes Nierenversagen (prärenales
ANV); Auslöser:
– Hypovolämie, z. B. durch Fieber, Schwitzen
(wie im vorliegenden Fall), mangelnde Flüssigkeitszufuhr; führt zu einer akuten ischämischen Schädigung der Niere
– Hämolyse bzw. Rhabdomyolyse (Crush-Niere; Mechanismus unbekannt)
쐽 renales ANV; Auslöser: akute rapid-progressive Glomerulonephritis, akute interstitielle
Nephritis, hämolytisch-urämisches Syndrom,
embolischer oder thrombotischer Verschluss
der Nierenarterien, Verstopfung der Tubuli
durch Paraproteine (beim Plasmozytom),
nephrotoxische Medikamente, z. B. Aminoglykoside (Gentamicin, s. Fall) und andere Antibiotika, nichtsteroidale Antirheumatika, Zytostatika; jodhaltige Röntgenkontrastmittel
쐽 postrenales ANV: Folge einer Obstruktion der
ableitenden Harnwege (z. B. bei Urolithiasis)
oder Kompression derselben durch einen Tumor oder ein Koagel.
Antworten und Kommentar
83.2 Nennen Sie die 4 Stadien des akuten Nierenversagens und beschreiben Sie, wie sich die
Harnproduktion jeweils verhält!
쐽 Stadium I: Schädigung der Niere durch Ischämie oder toxische Substanzen; Urinproduktion normal
쐽 Stadium II: Oligurie oder Anurie; Glomerulumfiltrat und Harnproduktion reduziert
쐽 Stadium III: Polyurie; Glomerulumfiltrat steigt,
tubuläre Rückresorption noch gestört, daher
gesteigerte Harnproduktion
쐽 Stadium IV: Normurie.
83.3 Durch welche 4 im Urin bestimmbaren
Parameter lässt sich ein akutes Nierenversagen
von einer funktionellen Oligurie abgrenzen?
쐽 spezifisches Gewicht: bei ANV vermindert
(Unfähigkeit der Nieren, der Urin zu konzentrieren), bei funktioneller Oligurie erhöht
(Volumenmangel)
쐽 Osmolalität: bei ANV vermindert (Unfähigkeit
der Nieren, der Urin zu konzentrieren, daher
geringe Konzentration gelöster Teilchen), bei
funktioneller Oligurie erhöht (Volumenmangel,
daher erhöhte Konzentration gelöster Teilchen)
쐽 Harnstoff: bei ANV vermindert, bei funktioneller Oligurie erhöht (s. o.)
쐽 Natrium: bei ANV vermindert, bei funktioneller Oligurie erhöht (s. o.).
83.4 Welche 4 therapeutischen Maßnahmen
schlagen Sie bei der Patientin vor?
쐽 Absetzen des Gentamicins, Dosisanpassung des
Cephalosporins an die Nierenfunktion
쐽 Anpassung der Antikoagulation an die Nierenfunktion (niedermolekulare Heparine werden
renal eliminiert und müssen bei ANV zugunsten von unfraktioniertem Heparin abgesetzt
werden)
쐽 reichliche parenterale Flüssigkeitsgabe unter
Flüssigkeitsbilanzierung (Flüssigkeitsverlust
durch Fieber bzw. Schwitzen berücksichtigen)
und ggf. Messung des zentral-venösen Drucks,
der im Normbereich liegen sollte (4 – 12 cm
H2O).
쐽 Schleifendiuretika erst nach Ausgleich des
Flüssigkeitshaushalts, da diese nicht die glomeruläre Filtration, sondern nur die Rückresorption beeinflussen.
KO M M E N TA R
Unter einem akuten Nierenversagen (ANV) versteht man eine rasch fortschreitende Einschränkung – bis hin zum Verlust – der Nierenfunktion.
Sie ist häufig reversibel.
Formen und Ätiologie: s. Frage 83.1. Das ANV hat
meist eine prärenale Ursache: Sehr häufig ist es
Folge einer Minderperfusion der Niere bei Hypovolämie, z. B. im Rahmen von Operationen oder eines septischen oder kardiogenen Schocks. Eine
weitere häufige Ursache des ANV sind Röntgenkontrastmittel, Antibiotika und die oft rezeptierten nichtsteroidalen Antirheumatika. Letztere
werden häufig älteren Patienten verabreicht, deren
Nierenfunktion oft durch Allgemeinerkrankungen
(z. B. Diabetes mellitus) eingeschränkt ist und die
daher besonders anfällig für die Entwicklung eines
ANV sind.
Fall 83 Seite 84
Stadieneinteilung: s. Frage 83.2.
Klinik: Zunächst verläuft das ANV symptomlos;
evtl. sind Symptome der zum ANV führenden
Grunderkrankung vorhanden. In Stadium II sind
die Oligurie bzw. Anurie, Abgeschlagenheit und
Zeichen der Überwässerung (Konzentrationsstörungen, Somnolenz [Hirnödem], Dyspnö, Husten
[Lungenödem], in Stadium III die Polyurie und Urämiesymptome Leitsymptome, jedoch fehlen diese Stadien bei bis zu 15% der Patienten.
Diagnostik: Wegweisend ist ein progredienter Anstieg der Nierenretentionswerte (Kreatinin und
Harnstoff i. S.) innerhalb weniger Tage. Bei unklarer
Genese des ANV muss nach der Grunderkrankung
gefahndet werden. Zur Abklärung einer renalen
Ursache sollten eine Urinuntersuchung (Hämaturie, Leukozyturie? Proteine quantitativ) mit Proteindifferenzierung (glomeruläre und/oder tubuläre Schädigung?) und mikroskopischer Untersuchung (dysmorphe Erythrozyten oder Akanthozyten bei Glomerulonephritis [GN]), eine erweiterte
Labordiagnostik (c-ANCA bei Morbus Wegener,
p-ANCA bei mikroskopischer Polyangiitis, anti-Basalmembran-Antikörper bei Goodpasture-Syndrom) und eine Nierensonographie (kleine Niere
bei chronischer Schädigung, vergrößerte Niere bei
akuter GN) erfolgen. Bei V. a. GN (glomeruläre Proteinurie, dysmorphe Erythrozyturie) ist in der Regel eine Nierenbiopsie zur Typisierung erforderlich, da die kausale Therapie vom Typ der GN abhängt.
Ein postrenales ANV lässt sich in der Regel leicht
durch eine Sonographie ausschließen (z. B. gestautes Nierenbecken).
Therapie: Während beim prärenalen Nierenversagen der Ausgleich eines Flüssigkeitsdefizits ausreicht, um die Nierenfunktion wieder anzustoßen,
sind bei einem renalen ANV neben dem Weglassen
nephrotoxischer Substanzen Maßnahmen zur Behandlung der Grunderkrankung (z.B immunsuppressive Therapie bei GN, zytostatische Therapie
bei Plasmozytom) vorrangig. Bei einem postrenalen ANV muss das den Harnfluss behindernde Substrat (z. B. Nierenstein, Koagel) entfernt werden
(frühzeitig Urologen hinzuziehen).
Die Indikation zur Notfalldialyse ergibt sich nach
Ausschöpfen der Allgemeinmaßnahmen (Flüssigkeitsrestriktion/-bilanzierung, Weglassen nephrotoxischer Substanzen, Kreislaufstabilisierung),
wenn der Harnstoff i. S. über 150 mg/dl ansteigt, eine schwere metabolische Azidose oder Hyperkaliämie auftritt oder eine Überwässerung mit Diuretika nicht beherrscht werden kann.
Prognose: Die Nierenfunktion normalisiert sich
bei adäquater kausaler Behandlung eines prä- oder
postrenalen ANV in der Regel rasch. Bei renalem
ANV ist die Wiederherstellung der Nierenfunktion
von der Grunderkrankung und dem Ansprechen
auf eine mögliche kausale Therapie abhängig.
Fall
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Chronisches Nierenversagen
Glomerulonephritis (Formen)
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
84
!!! 84.3 Welche molekulargenetische Verände84.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
rung liegt dieser Abnormalität zugrunde?
쐽 Chronisch myeloische Leukämie (CML), da das
쐽 Eine reziproke Translokation von DNA der lanAusmaß der Leukozytose nur durch eine Neogen Arme der Chromosomen 9 und 22. Aus der
plasie erklärbar ist, das Fehlen einer VermehTranslokation resultiert ein bcr-abl-Fusionsgen.
rung von Lymphozyten eine chronisch lymphatische Leukämie ausschließt (und somit nur ein
84.4 Welche 2 weiteren diagnostischen MaßUrsprung der Zellen aus der myeloischen Reihe
nahmen schlagen Sie bei dem Patienten zur Dibleibt) und das Fehlen von Blasten gegen eine
agnosesicherung vor? Welches Ergebnis erwarakute und für eine chronische Leukämie
ten Sie?
spricht.
쐽 Knochenmarkpunktion und -analyse: hyperplastische Myelopoese, jedoch keine qualitati84.2 Welche zytogenetische Abnormalität liegt
ven Veränderungen (z. B. exzessive Vermehbei dieser Erkrankung vor und dient als diagrung von undifferenzierten Blasten wie bei
nostischer Marker?
akuter Leukämie)
쐽 Philadelphia-Chromosom.
쐽 zytochemische Untersuchung des Blutausstrichs: stark verminderte Aktivität der alkalischen Leukozytenphosphatase (ALP).
KO M M E N TA R
proliferativen Erkrankungen und tritt bevorzugt
zwischen der 4. und 6. Lebensdekade auf.
Ätiologie: Die Ursache ist unbekannt. Prädisponierend wirkt die Exposition gegenüber Benzol, ionisierender Strahlung sowie gegenüber Zytostatika.
Fall 84 Seite 85
Antworten und Kommentar
Fall 84 Chronisch myeloische Leukämie (CML)
Als chronisch myeloische Leukämie (CML) bezeichnet man eine unkontrollierte Proliferation eines Klons der myeloischen Zellreihe, die auf einer
malignen Entartung einer hämatopoetischen
Stammzelle beruht. Die CML zählt zu den myelo-
299
Klinik: Die Symptomatik ist oft gering. Neben Allgemeinsymptomen wie einer ungewollten Gewichtsabnahme und Nachtschweiß geben die Patienten häufig Schmerzen im linken Oberbauch
als Folge der regelhaft auftretenden massiven
Splenomegalie (Folge der ausgeprägten extramedullären Blutbildung) an.
300
Diagnostik: Bei CML zeigt das Blutbild meist – wie
bei o. g. Patienten – eine massive Leukozytose mit
Linksverschiebung. Im Verlauf der Erkrankung
kann jedoch eine Blastenkrise, d. h. eine Zunahme
der Blasten im peripheren Blut auftreten. Mittels
zytogenetischer Untersuchung des Blutausstrichs
lässt sich bei über 90% der CML-Patienten in den
Zellen des autonom proliferierenden Klons das
Philadelphia-Chromosom nachweisen, das durch
reziproke Translokation von DNA der langen Armen der Chromosomen 9 und 22 zustande kommt.
Dadurch entsteht ein bcr-ab-Fusionsgen. Der
Nachweis des bcr/abl-Rearrangements mittels
molekularbiologischer Methoden ist nicht nur
zur Diagnosestellung sinnvoll, sondern dient auch
der Therapiekontrolle (s. u.). Im Gegensatz zu allen
anderen myeloproliferativen Erkrankungen ist bei
der CML die Aktivität der alkalischen Leukozytenphosphatase (ALP; messbar mittels zytochemischer Untersuchung von Leukozyten des Blutausstrichs) vermindert, was auf die Diagnose CML
hinweist. Die Knochenmarkuntersuchung ergibt
bei der CML eine Vermehrung der mittleren Entwicklungsstufen (Promyelozyten, Myelozyten. Vor
Einleitung einer Therapie sollten die Größe von Leber und Milz sonographisch dokumentiert
(Abb. 84.1) und die Leberwerte und Nierenretentionswerte bestimmt werden.
Differenzialdiagnosen: Eine Leukozytose von
mehr als 30 000/µl ist immer auf das Vorliegen einer Leukämie verdächtig, insbesondere wenn sich
klinisch keine Hinweise auf eine schwere bakterielle Infektion mit Sepsis ergeben. Die akuten
Leukämien (ALL, AML) sind durch das massenhafte
Auftreten von Blasten im peripheren Blut und im
Knochenmark, die chronisch lymphatische Leukämie ist vor allem durch eine massive Lymphozytose gekennzeichnet. Bei Osteomyelofibrose, die
wie die CML zu den myeloproliferativen Erkrankungen zählt, sind die Leukozytenzahlen geringer
als bei CML und die Aktivität der ALP ist gesteigert.
Fall
Therapie: Eine Heilung der CML ist nur durch eine
allogene Knochenmarktransplantation möglich.
Voraussetzung hierzu ist ein HLA-kompatibler
Spender. Da eine Graft-versus-host-disease (GVHD)
bei Patienten über 55 Jahren meist deutlich schwerer verläuft, werden Patienten ab dem 55. Lebensjahr nur in wenigen Zentren transplantiert.
85
Antworten und Kommentar
Abb. 84.1 Sonogramm: Splenomegalie bei CML. Die
Milz überdeckt die linke Niere vollständig.
Kommt eine Knochenmarktransplantation nicht in
Frage, ist eine zytoreduktive Therapie mit Hydroxyurea oder Interferon-α möglich. Ein Ansprechen
auf diese Therapie lässt sich mittels molekularbiologischer Methoden anhand der verminderten Expression des bcr-abl-Fusionsgens nachweisen und
dokumentieren. Der neue bcr-abl-TyrosinkinaseInhibitor Imatinib bedingt im Vergleich zu den bisherigen zytoreduktiven Therapien längere Kurzzeitüberlebensraten.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Akue Leukämien
Chronisch lymphatische Leukämie
Osteomyelofibrose
Fall 85 Atelektase
85.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Atelektase des rechten Oberlappens bei V. a.
Fremdkörperaspiration. Die Röntgenaufnahme
des Thorax (s. Abb. 85.1) zeigt eine homogene,
gut abgrenzbare Verschattung ohne Aerobronchogramm. Diese Konfiguration entspricht ei-
Fall 85 Seite 86
ner Atelektase. Differenzialdiagnostisch muss
eine Pneumonie ausgeschlossen werden. Bei
der hier beschriebenen Patientin sprechen jedoch der abrupte Beginn der Beschwerden sowie die fehlenden Entzündungszeichen (kein
Fieber) gegen eine Pneumonie.
85.2 Welche Untersuchung sollte zur Klärung
der Ursache der Beschwerden und aus therapeutischen Erwägungen heraus durchgeführt werden?
쐽 Bronchoskopie mit Entfernung des Fremdkörpers.
Abb. 85.1 Röntgen-Thorax p.a. bei Atelektase des
Oberlappens
85.3 Welche anderen 4 Ursachen für den oben
beschriebenen Befund kennen Sie?
쐽 obstruierendes Bronchialkarzinom
쐽 Verlegung durch Schleimpropf
쐽 Kompression von außen, z. B. durch Pleuraerguss oder Tumor
쐽 Hypoventilation, z. B. postoperativ.
KO M M E N TA R
Unter einer Atelektase versteht man luftleeres
Lungengewebe ohne entzündliche Veränderungen.
Bei einer Atelektase ist das Atemgeräusch über
dem betroffenen Lungenabschnitt abgeschwächt.
Rasselgeräusche wie bei einer Pneumonie sind für
eine reine Atelektase untypisch, können aber Ausdruck einer Retentionspneumonie bei Atelektase
sein.
Diagnostik und Therapie: Im vorliegenden Fall
deuten die anamnestischen Angaben auf eine Verlegung des Bronchialsystems nach Aspiration von
Nahrungsbestandteilen hin. Bei V. a. Aspiration er-
Prognose: Gelingt eine Wiedereröffnung des verschlossenen Bronchialabschnitts, z. B. durch Entfernung eines Fremdkörpers, entfaltet sich der
ehemals poststenotische atelektatische Lungenbezirk meist spontan. Die Prognose ist daher im Allgemeinen gut, wird aber vor allem durch eine mögliche Grunderkrankung oder Komplikationen (z. B.
Pneumonie) bestimmt.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N :
Bronchialkarzinom (Komplikationen)
Mukoviszidose
Bronchiektasen
Fall 85 Seite 86
85
Antworten und Kommentar
Klinik: Die fehlende Ventilation von einzelnen
Lungenabschnitten bei einer Atelektase kann zu
Dyspnö führen. Bei einer Fremdkörperaspiration
(s. Fall) als Ursache der Atelektase besteht zudem
fast immer ein nicht-produktiver Husten.
301
Fall
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 85.3. Eine
Atelektase entsteht, wenn bei Verlegung eines
Bronchus die Luft im poststenotischen Segment resorbiert wird (Resorptionsatelektase) oder wenn
Lungengewebe komprimiert wird (Kompressionsatelektase).
gibt sich die Indikation zur Bronchoskopie, um den
aspirierten Fremdkörper zu bergen und somit
die Ventilation des verschlossenen Bronchialsegments wiederherzustellen. Auch bei Atelektasen
unklarer Ursache sollte die Indikation zur Bronchoskopie großzügig gestellt werden, da sich hinter
der durch die Atelektase verursachten Verschattung im Röntgenbild oder CT ein Bronchialkarzinom verbergen kann, das dann nur bronchoskopisch darstellbar ist. Bei Patienten mit chronischer
Bronchitis können Bronchien auch durch einen
Schleimpfropf verschlossen sein, was zur Ausbildung einer Resorptionsatelektase führt. In diesem
Fall ist eine bronchoskopische Absaugung sinnvoll.
Bei V. a. sekundäre bakterielle Infektion im poststenotischen Lungensegment muss eine antibiotische Behandlung eingeleitet werden.
Fall 86 Hiatushernie
302
Fall
86
86.1 Was ist am ehesten Ursache der Refluxösophagitis bei dieser Patientin?
쐽 Hiatushernie: Auf dem Röntgenbild (s.
Abb. 86.1) erkennt man eine Verlagerung des
gastroösophagealen Übergangs (Kardia) durch
den Hiatus oesophageus in den Brustkorb. Folglich handelt es sich um eine axiale Gleithernie.
86.3 Wie würden Sie die Patientin behandeln?
쐽 Gabe eines Protonenpumpeninhibitors bis
zum Sistieren der Beschwerden
쐽 Allgemeinmaßnahmen empfehlen: keine
schweren Mahlzeiten am Abend, nicht unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme hinlegen,
wenig bzw. am besten kein Alkoholkonsum.
86.2 Welche 4 Formen dieser Erkrankung bzw.
Anomalie kennen Sie?
쐽 axiale Gleithernie: s. o.
쐽 paraösophageale Hernie: Teile von Magenfundus und großer Kurvatur schieben sich unter
Mitnahme des Peritoneums neben dem Ösophagus in den Thorax. Der gastroösophageale
Übergang verbleibt an typischer Stelle unterhalb des Hiatus oesophageus.
쐽 kardiofundale Fehlanlage: Vorstufe der axialen Gleithernie mit vergrößertem ösophagogastralen Winkel ohne vollständige Herniation
쐽 Mischformen.
86.4 Bei welcher Form dieser Anomalie sollte
ein operatives Vorgehen erwogen werden?
쐽 Bei der paraösophagealen Hernie sollte wegen
möglicher lebensbedrohlicher Komplikationen
(Strangulation, Inkarzeration der hernierten
Magenanteile) prophylaktisch eine operative
Korrektur erfolgen.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Als Hiatushernie bezeichnet man eine Verlagerung
von Magenbestandteilen in den Thorax. Die Prävalenz der Hiatushernie beträgt etwa 5 pro 1000 Einwohner; sie nimmt mit steigendem Lebensalter
deutlich zu.
äußern sich z. B. durch Völlegefühl, Übelkeit, linksthorakale Schmerzen oder fallen erst durch die Folgen von Komplikationen auf (z. B. Eisenmangelanämie bei Ulkus mit Sickerblutung, akutes Abdomen bei Inkarzeration).
Formen: s. Frage 86.2. Bei der axialen Gleithernie
kann Zylinderepithel wie im Magen oder Dünndarm das Plattenepithel des distalen Ösophagus
ersetzen (Barrett-Ösophagus). Mit einem Anteil
von über 90% sind axiale Gleithernien mit Abstand
am häufigsten, paraösophageale Hernien folgen
mit deutlichem Abstand.
Diagnostik: Zunächst ist eine Thorax-Übersichtsaufnahme indiziert, evtl. ist die Hernie bereits darauf sichtbar. Zur Diagnosesicherung dienen der
Röntgen-Ösophagusbreischluck (ggf. in Kopftieflage) bzw. die Ösophagogastroskopie.
Ätiologie und Pathogenese: Mögliche Ursachen
der Entstehung von Hernien sind Druckunterschiede zwischen Thorax und Abdomen oder eine Lockerung des Halteapparates im Bereich der Kardia.
Klinik: Bei axialen Gleithernien sind Symptome
meist Folge einer konsekutiven Refluxkrankheit
(wie im vorliegenden Fall) und eher die Ausnahme,
so dass die Gleithernie meist Zufallsbefund im
Rahmen einer Gastroskopie ist. Paraösophageale
Hernien dagegen sind häufiger symptomatisch. Sie
Therapie: Bei axialen Gleithernien, kardiofundaler Fehlanlage und Mischformen besteht eine Behandlungsindikation nur bei symptomatischer Refluxkrankheit (Therapie s. Frage 86.3). Paraösophageale Hernien dagegen sollten operativ korrigiert werden, auch wenn keine Symptome vorliegen (s. Frage 86.4). Aufgrund einer Abflussbehinderung in den hernierten Anteilen des Magens ist das
Risiko von Erosionen und Ulzera hier deutlich erhöht. Besonders gefährlich sind Inkarzeration und
Strangulation. Die Therapie besteht in einer Reposition und Fixierung des Magens an der vorderen
Bauchwand.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Ösophaguskarzinom
Achalasie
Gastroösophageale Refluxkrankheit
Ösophagusdivertikel
Fall 86 Seite 87
Fall 87 Struma
87.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Struma multinodosa mit euthyreoter Stoffwechsellage, da eine knotige Vergrößerung
beider Schilddrüsenlappen vorliegt, der langsam progrediente Verlauf und die Gewichtszunahme gegen ein Schilddrüsenkarzinom sprechen und die Schilddrüsenstoffwechsellage
euthyreot ist.
87.2 Was ist die häufigste Ursache für diese Erkrankung?
쐽 Jodmangel.
87.3 Welche 3 weiteren diagnostischen Maßnahmen schlagen Sie vor? Begründen Sie Ihren
Vorschlag!
쐽 Schilddrüsensonographie zur Bestimmung des
Schilddrüsenvolumens und zur Suche nach
und Größenbestimmung von Schilddrüsenknoten (Abb. 87.1)
쐽 Schilddrüsenszintigraphie: vermehrte oder
verminderte Speicherung von Radionuklid
(Ausdruck der Jodaktivität; warmer bzw. heißer Knoten, diffuse Autonomie oder kalter
Knoten)?
쐽 Feinnadelpunktion von kalten Knoten.
KO M M E N TA R
Unter einer Struma versteht man eine Vergrößerung der Schilddrüse. Bei normaler Hormonproduktion bezeichnet man sie als euthyreot oder
blande, bei verstärkter bzw. verminderter Hormonproduktion als hyper- bzw. hypothyreot.
Ätiologie und Pathogenese: Die blande Struma ist
fast immer auf einen alimentären Jodmangel zurückzuführen. Der intrathyreoidale Jodmangel
führt zur vermehrten Bildung verschiedener
Wachstumsfaktoren, die die Proliferation der
Schilddrüse stimulieren und zur Hyperplasie des
Organs führen.
Klinik: Die Schilddrüse ist tastbar bzw. sichtbar
vergrößert (Stadieneinteilung s. Tab. 87.1). Bei großen Strumen können durch Druck auf benachbarte
Strukturen Symptome auftreten, z. B. Stridor oder
Dyspnö (Trachea), Globusgefühl oder Dysphagie
Tab. 87.1 Stadieneinteilung
(nach WHO) (Hahn 2000)
der
Struma
Stadium I
Struma bei normaler Kopfhaltung nur tastbar:
a: Struma auch bei zurückgebeugtem Hals nicht sichtbar
b: Struma bei zurückgebeugtem Hals sichtbar
Stadium II
sichtbare Struma bei normaler Kopfhaltung
Stadium III
sehr große, aus der Entfernung sichtbare Struma
Fall 87 Seite 88
87
Antworten und Kommentar
Abb. 87.1 Sonogramm bei Struma multinodosa. Mehrere, überwiegend echoärmere Knoten mit umgebendem „Halo“ (echoarmer Saum).
303
Fall
87.4 Welche Möglichkeiten der Therapie gibt
es? Führen Sie auf, unter welchen Bedingungen
die einzelnen Therapieformen besonders geeignet oder ungeeignet sind!
쐽 Jodidtherapie: kausale Therapie, da bei Beseitigung des Jodmangels der Stimulus für die
Schilddrüsenproliferation entfällt. Vor allem
bei Jugendlichen wirksam. Kontraindiziert bei
Hyperthyreose oder Autoimmunthyreopathie
(Schilddrüsenantikörper positiv), da Jod eine
Hyperthyreose auslöst oder verstärkt.
쐽 Schilddrüsenhormontherapie (L-Thyroxin):
Suppression des TSH und damit des Stimulus
für die Schilddrüsenproliferation durch Gabe
von Schilddrüsenhormon. Besonders günstig
ist die Kombination mit Jodid.
쐽 Schilddrüsenteilresektion: Indikationen:
– trotz medikamentöser Therapie sichtbare
Struma
– lokale mechanische Komplikationen (z. B.
Trachealeinengung, Halsvenenstauung)
– V. a. Malignität: kalter Knoten, Nachweis
maligner Zellen oder einer follikulären Neoplasie in der Aspirationszytologie.
(Ösophagus), Heiserkeit (N. laryngeus recurrens).
Je nach Hormonproduktion finden sich außerdem
Symptome der Hyperthyreose (s. Fall 30) oder der
Hypothyreose (z. B. Müdigkeit, Verlangsamung,
Frieren, Gewichtszunahme, trockene, kühle Haut
und trockenes, brüchiges Haar).
Diagnostik: Eine Struma muss immer abgeklärt
werden. Das basale TSH gibt Auskunft über die
Schilddrüsenfunktion. Die Bestimmung der peripheren Schilddrüsenhormone T3 und T4 ist eigentlich nur bei pathologisch verändertem TSH
sinnvoll:
쐽 erhöhtes TSH 씮 latente (T3/T4 normal) oder manifeste (T3/T4 erniedrigt) Hypothyreose
쐽 erniedrigtes TSH 씮 latente (T3/T4 normal) oder
manifeste (T3/T4 erhöht) Hyperthyreose
쐽 TSH und T3/T4 im Normbereich 씮 euthyreote
Struma (häufigster Fall).
304
Fall
87
Bei hyperthyreoter Struma lässt sich durch Bestimmung der Schilddrüsenantikörper sowie
Schilddrüsenszintigraphie (s. Frage 87.3) zwischen Morbus Basedow (TRAK positiv), autonomem Schilddrüsenadenom und diffuser Autonomie differenzieren. Bei hypothyreoter Struma, die
nicht Folge einer Schilddrüsenoperation, Radiojododer thyreostatischen Therapie ist, müssen zum
Ausschluss einer Hashimoto-Thyreoiditis die TPOAntikörper und die Thyreoglobulin-Antikörper
(TAK) bestimmt werden.
Antworten und Kommentar
Nach Überprüfung der Schilddrüsenstoffwechsellage sollte bei jeder Struma jedoch zunächst mit
Hilfe der Sonographie festgestellt werden, ob eine
diffuse oder/und durch lokalisierte Knoten bedingte Vergrößerung der Schilddrüse vorliegt. Sind
Schilddrüsenknoten nachweisbar, dann ist auch
bei euthyreoter Stoffwechsellage die Durchführung einer Szintigraphie zum Ausschluss kalter
Knoten sinnvoll, da bei euthyreoter Struma das Risiko eines Schilddrüsenkarzinoms erhöht ist.
Schilddrüsenknoten (insbesondere kalte Knoten)
von mehr als 1 cm Durchmesser sollten durch eine
Schilddrüsenpunktion weiter abgeklärt werden.
Therapie: Bei hyperthyreoter Struma mit funktioneller Autonomie verabreicht man Thyreostatika,
bis eine euthyreote Stoffwechsellage erreicht ist.
Dann ist bei großen Schilddrüsenknoten eine subtotale Resektion der Schilddrüse, bei kleineren
Knoten die Radiojodtherapie indiziert. Zur Therapie bei Morbus Basedow s. Fall 30.
Bei hypothyreoter Struma erfolgt eine lebenslange
Substitution mit L-Thyroxin.
Bei euthyreoten Strumen ohne funktionelle Autonomie sollte eine medikamentöse Therapie mit
Jodid und/oder Schilddrüsenhormon durchgeführt werden, wobei von einer Jodgabe vor allem
jüngere Patienten profitieren. Die Jodidtherapie
und die Schilddrüsenhormongabe sind bezüglich
der Volumenreduktion der Struma gleichwertig.
Die Gefahr eines Rezidivs nach Absetzen der Therapie scheint jedoch bei Schilddrüsenhormontherapie etwas höher zu sein. Die medikamentöse Therapie sollte im Verlauf immer sonographisch kontrolliert werden. Die Schilddrüsenoperation (subtotale Schilddrüsenresektion) führt schneller zum
gewünschten Erfolg, ist aber wegen der zwar seltenen, aber typischen Komplikationen (Rekurrensparese, Hypoparathyreoidismus, Blutung) nicht
unproblematisch. Die Indikation zur Operation
stellt sich daher vor allem bei Versagen der medikamentösen Therapie, lokalen Komplikationen
durch das Strumawachstum und in allen Fällen, in
denen eine Malignität von suspekten Schilddrüsenknoten nicht sicher ausgeschlossen werden
kann. Vor allem bei rascher Größenzunahme kalter
Knoten sollte eine Schilddrüsenoperation erwogen
werden, da ein Malignom durch die Punktionszytologie nicht zu 100% ausgeschlossen werden
kann.
Eine Radiojodtherapie kann bei autonomen Adenomen mit hyperthyreoter Stoffwechsellage indiziert sein, vor allem bei älteren Patienten, wenn eine operative Therapie aufgrund von Begleiterkrankungen problematisch erscheint.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Schilddrüsenkarzinom
Multiple endokrine Neoplasie
Hyperparathyreoidismus
Autonomes Schilddrüsenadenom
Fall 87 Seite 88
Fall 88 Perikarditis
– die CK-Erhöhung ist gering (am ehesten
durch Mitbeteiligung von an das Epikard
grenzendem Myokard bedingt)
– der Auskultationsbefund ist für ein Perikardreiben typisch
– das Alter der Patientin ist für eine klinisch
relevante KHK ungewöhnlich.
88.2 Nennen Sie mindestens 6 ätiologische
Faktoren!
쐽 Infektion: Viren (Coxsackie, Echo), Bakterien
(Mykobakterien), Pilze, Parasiten
쐽 Traumen: Thoraxtrauma, Herzoperation, Radiatio
쐽 Niereninsuffizienz (Urämie)
쐽 Myokardinfarkt (Postmyokardinfarkt- = Dressler-Syndrom)
쐽 rheumatische Erkrankungen, vor allem Kollagenosen (SLE, Polymyositis, Sklerodermie,
rheumatoide Arthritis, Vaskulitis)
쐽 andere Autoimmunerkrankungen: Sarkoidose,
Amyloidose
쐽 Stoffwechselerkrankungen: Hypothyreose
(Myxödem), Morbus Addison
쐽 Neoplasien: Karzinome, Lymphome, Metastasen.
Als Perikarditis bezeichnet man eine Entzündung
des Herzbeutels; bei Beteiligung des Myokards –
wie im vorliegenden Fall – spricht man von einer
Perimyokarditis.
Ätiologie: s. Frage 88.2.
Formen: Man unterscheidet zwischen trockener
(fibrinös, kein Erguss), feuchter (exsudativ, mit Erguss) und konstriktiver (narbiger Folgezustand;
selten) Perikarditis.
Klinik: Typisch ist ein präkordialer Schmerz unterschiedlicher Intensität, der durch tiefe Inspiration,
Husten oder Schlucken verstärkt werden kann.
Häufig wird der Schmerz im Liegen am stärksten
empfunden. Aufgrund der Schmerzverstärkung
beim Atmen sind die Thoraxexkursionen häufig
vermindert, dafür fällt eine kompensatorische Tachypnö auf.
Diagnostik: Um eine akute Perikarditis diagnostizieren zu können und nicht vorschnell als Angina
pectoris oder Myokardinfarkt zu verkennen, ist eine sorgfältige Anamneseerhebung sowie eine systematische Analyse aller Ableitungen des EKGs erforderlich. Insbesondere die im Vergleich zu einem
Myokardinfarkt zwar morphologisch ähnliche,
aber doch typischerweise andere EKG-Morphologie führt in der Regel zur korrekten Diagnose. Zu
beachten ist, dass die ST-Hebungen bei der akuten
Perikarditis fast immer Vorder- und Hinterwand
betreffen und somit in allen Ableitungen erkennbar sind. Zudem geht die ST-Hebung typischerweise konkavbogig aus dem aufsteigenden Schenkel
der S-Zacke hervor und nicht konvexbogig aus dem
absteigenden Teil der R-Zacke. Ein weiteres Kennzeichen ist die Persistenz der EKG-Veränderungen
über mehrere Tage (s. Frage 88.1).
Typischer klinischer Befund der Perikarditis ist das
Perikardreiben, ein ohrnahes systolisches oder
sytolisch-diastolisches Reibegeräusch. Ein unauffälliger Auskultationsbefund schließt eine Perikarditis aber nicht aus, da vor allem bei der exsudativen Verlaufsform bereits ein relevanter Perikarderguss vorliegen und das Perikardreiben dann nicht
mehr auskultiert werden kann. Umgekehrt dazu
stellt sich der diagnostische Wert der Echokardiographie dar. Diese zeigt im akuten Stadium einer
fibrinösen Perikarditis (Perikardreiben häufig)
noch einen unauffälligen Befund. Mit Beginn der
Exsudation lässt sich im weiteren Verlauf dann
meist doch ein Perikarderguss dokumentieren
(jetzt meist kein Perikardreiben mehr auskultierbar). Die Röntgenaufnahme des Thorax zeigt oft
eine Vergrößerung des Herzschattens, bei ausgedehnten Ergüssen zeigt sich eine Zelt- oder Dreiecksform („Bocksbeutel“). Bei Perikardtamponade
oder zur ätiologischen Klärung bei unklaren Peri-
Fall 88 Seite 89
88
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
305
Fall
88.1 Benennen Sie die wahrscheinlichste Ursache für die thorakale Beschwerdesymptomatik!
Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Am wahrscheinlichsten ist eine Perikarditis,
denn
– im EKG (s. Abb. 88.1) findet sich eine STStreckenhebung in allen Ableitungen (beim
Myokardinfarkt lokalisiert)
– die ST-Streckenhebung ist konkavbogig und
geht vom aufsteigenden Teil der S-Zacke ab
(beim Myokardinfarkt ist die ST-Streckenhebung konvexbogig und geht vom absteigenden Schenkel der R-Zacke ab, kontralateral
findet sich eine ST-Streckensenkung)
– der EKG-Befund bleibt über 24 Stunden konstant (beim Myokardinfarkt verändert er
sich im Verlauf: Ausbildung einer Q-Zacke
und R-Reduktion)
– es ist eine entzündliche, derzeit unbehandelte Grunderkrankung (SLE) bekannt mit
klinischen (Schwäche, Nachtschweiß, Arthralgien) und serologischen Zeichen für eine neu aufgetretene Aktivität
kardergüssen kann eine Perikardpunktion durchgeführt werden. Die Beurteilung des Punktats entspricht der bei der Pleurapunktion (s. Fall 135).
Therapie: Sie wird entscheidend von der Ätiologie
der Perikarditis (s. Frage 88.2) beeinflusst. So heilt
eine virale Perikarditis oft nach wenigen Wochen
unter körperlicher Schonung und Gabe von Antiphlogistika aus. Andere Erkrankungen (z. B. Niereninsuffizienz, Tumorleiden) erfordern eine kausale Therapie. In dem hier beschriebenen Fall eines
SLE erfolgt die Therapie der Perikarditis primär immunsuppressiv (Glukokortikoide), sofern keine
Begleitinfektion vorliegt. Die Indikation zur therapeutischen Ergusspunktion ergibt sich bei großen
Ergüssen, wenn diese hämodynamisch relevant
sind. Eine operative Perikarddekortikation kann
bei einer chronisch konstriktiven Perikarditis erforderlich sein, es besteht jedoch die Gefahr einer
postoperativen Dilatation des nicht mehr im Perikard fixierten Ventrikels, so dass hierzu die Indikation nicht zu spät gestellt werden sollte.
Prognose: Die Prognose und die Rezidivrate hängen von der zugrunde liegenden Erkrankung und
dem individuellen Verlauf ab.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Systemischer Lupus erythematodes: mögliche Organmanifestationen, Diagnostik, Therapie
Differenzialdiagnosen des Thoraxschmerzes
Ergusspunktatanalyse
306
Fall
89
Fall 89 Diabetes mellitus
Antworten und Kommentar
89.1 Nennen Sie mindestens 2 Kriterien, anhand derer die Diagnose eines Diabetes mellitus
gestellt werden kann! Kann bei Anwendung dieser Kriterien bei der Patientin bereits ein Diabetes mellitus diagnostiziert werden?
1. aktueller Blutzucker ⬎ 200 mg/dl + Diabetessymptome (z. B. Durst, Polyurie)
2. oder: Nüchternblutzucker (kapillär, 8 h nüchtern) ⬎ 126 mg/dl
3. oder: 2-h-Blutzuckerwert im oralen Glukosetoleranztest (75 g) ⬎ 200 mg/dl
Da bei der Patientin 2-mal Nüchternblutzuckerwerte über 126 mg/dl gemessen wurden, liegt formal ein Diabetes mellitus vor.
89.2 Welche Formen eines Diabetes mellitus
kennen Sie? Nennen Sie den jeweils im Vordergrund stehenden pathophysiologischen Mechanismus!
1 Diabetes mellitus Typ I: Autoimmunerkrankung, Versagen der Insulinsekretion in den Inselzellen des Pankreas
2 Diabetes mellitus Typ II: Insulinresistenz, später sekundäres β-Zellversagen möglich
3 andere spezifische Diabetes-Typen
– MODY-Diabetes (maturity onset diabetes of
the young): autosomal-dominant vererbter
Insulinsekretionsdefekt unterschiedlicher
Ursache (3 Formen)
– genetische Defekte der Insulinwirkung (Insulinrezeptordefekt; selten)
– pankreopriver Diabetes mellitus: endokrine
Pankreasinsuffizienz, z. B. nach Pankreatitis
oder Pankreasresektion
– Überwiegen von kontrainsulinären Hormonen (Katecholamine, Kortisol), z. B. bei
Fall 89 Seite 90
Cushing-Syndrom, Akromegalie oder bei
Stress
– medikamentös induzierter Diabetes mellitus, z. B. durch Glukokortikoide (fördern die
Glukoneogenese)
4. Gestationsdiabetes (schwangerschaftsinduzierte Insulinresistenz + reduzierte Insulinsekretionskapazität).
89.3 Nennen Sie mindestens 3 orale Antidiabetika mit unterschiedlichem Wirkmechanismus
und geben Sie jeweils den Wirkmechanismus
und eine typische Indikation zum Einsatz der
Substanzklassen an!
쐽 Sulfonylharnstoffe (z. B. Glibenclamid): fördern die Insulinsekretion der β-Zellen. Indikation: keine ausreichende Blutzuckersenkung
durch Diät bei Diabetes mellitus Typ II.
쐽 Biguanide (z. B. Metformin): hemmen die hepatische Glukosefreisetzung und steigern die
Glukoseaufnahme in die Muskulatur. Indikation: keine ausreichende Blutzuckersenkung
durch Diät und/oder Sulfonylharnstoffe bei
Diabetes mellitus Typ II, vor allem bei Adipositas mit Insulinresistenz.
쐽 α-Glukosidase-Hemmer (z. B. Acarbose): hemmen die Glukoseaufnahme im Darm und damit
den postprandialen Glukoseanstieg. Indikation:
nicht ganz ausreichende Blutzuckersenkung
durch Diät bei Diabetes mellitus Typ II; geringere Wirksamkeit als Sulfonylharnstoffe oder
Metformin.
쐽 Insulinsensitizer (Glitazone): verbessern Insulinsensitivität und vermindern Hyperinsulinämie. Indikation: Diabetes mellitus Typ II,
wenn andere orale Antidiabetika nicht ausrei-
chen und Insulintherapie noch vermeidbar erscheint; teuer.
쐽 Sulfonylharnstoff-Rezeptoragonisten (z. B. Repaglinide): wirken wie Sulfonylharnstoffe auf
den Sulfonylharnstoffrezeptor der β-Zelle, jedoch geringeres Hypoglykämierisiko. Indikation: vermehrte Hypoglykämieneigung unter
Therapie mit Sulfonylharnstoffen.
KO M M E N TA R
Unter dem Begriff „Diabetes mellitus“ fasst man
Stoffwechselstörungen zusammen, die mit einer
erhöhten Blutzuckerkonzentration einhergehen.
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 89.2.
Klinik: Zur Symptomatik des Diabetes mellitus s.
Fall 37 und 132.
Komplikationen: s. Fall 37 und 52.
Zur Therapie des Diabetes mellitus Typ I (und des
pankreopriven Diabetes mellitus) s. Fall 37.
Zusatzthemen für Lerngruppen:
Exokrine Pankreasinsuffizienz
Cushing-Syndrom
Typische Nebenwirkungen oraler Antidiabetika
Fall 90 Polymyalgia rheumatica mit Arteriitis temporalis
90.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Polymyalgia rheumatica (PMR) mit Arteriitis
temporalis, da proximal betonte Myalgien angegeben werden, die für die Erkrankung typisch sind, eine serologische Entzündungsreaktion nachweisbar ist, die verhärtete Temporalarterie auf eine Arteriitis temporalis hinweist,
die mit der PMR assoziiert ist, und die negativen Autoantikörper sowie das Fehlen einer Gelenkbeteiligung andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen weniger wahrscheinlich
macht.
90.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 2) schlagen Sie vor, um die Diagnose zu sichern?
쐽 Farbduplexsonographie der A. temporalis
(Wandödem bzw. -verdickung?)
쐽 Biopsie der A. temporalis zum Nachweis einer
Riesenzellarteriitis
쐽 Ausschluss anderer entzündlich-rheumatischer
Erkrankungen: z. B.
– Polymyositis/Dermatomyositis (führend:
Muskelschwäche, weniger Myalgien, ANA
positiv, pathologisches EMG-Muster, Sicherung durch Muskelbiopsie)
Fall 90 Seite 91
307
90
Antworten und Kommentar
Therapie und Prognose: Orale Antidiabetika (s.
Frage 89.3) werden zur Behandlung eines Diabetes
mellitus Typ II mit zumindest noch partieller Rest-
Prognostisch besonders günstig wirkt bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ II eine Behandlung
mit ACE-Hemmern, Angiotensin-II (AT1)-Rezeptorantagonisten und β-Blockern, da der günstige Effekt dieser Substanzen auf Prognose und Nierenfunktion über den alleinigen Effekt der Blutdrucksenkung hinausgeht.
Fall
Diagnostik: Zur primären Diagnosestellung s. Frage 89.1. Patienten mit Diabetes mellitus weisen eine höhere (bei Diabetes Typ II doppelt so hohe)
Mortalität als die Normalbevölkerung auf. Für die
ungünstige Prognose sind vor allem kardiovaskuläre Komplikationen verantwortlich. Es ist daher
entscheidend, nicht nur auf den Glukosestoffwechsel zu achten, sondern auch auf andere prognostisch relevante kardiovaskuläre Risikofaktoren,
wie arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie und Nikotinabusus, die bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ II überdurchschnittlich häufig vorliegen. Zu
Häufigkeit und Art der Kontrolluntersuchungen s.
Fall 37.
sekretion von Insulin eingesetzt, keinesfalls aber
beim Diabetes mellitus Typ I oder pankreoprivem
Diabetes mellitus (hier muss Insulin eingesetzt
werden). Metformin ist vor allem bei übergewichtigen Patienten geeignet, da es den günstigen Effekt einer Gewichtsreduktion unterstützt. Demgegenüber vermindern Sulfonylharnstoffe allein die
Insulinresistenz nicht, sondern verstärken die Hyperinsulinämie. Unter Therapie mit Sulfonylharnstoffe treten vor allem bei älteren Patienten gehäuft Hypoglykämien auf. Wichtigste Nebenwirkung der Biguanide (z. B. Metformin) ist die Laktatazidose, die vor allem bei schwerer Herzinsuffizienz oder schweren Infektionen (z. B. Sepsis) auftritt.
– rheumatoide Arthritis: symmetrische Polyarthritis, Myalgien können aber begleitend
bestehen (dann schwierige Differenzialdiagnose, vor allem beim alten Menschen),
Rheumafaktor oft positiv, typische Zeichen
im Röntgenbild
– andere systemische Vaskulitiden (z. B. Morbus Wegener, Panarteriitis nodosa): zusätzliche klinische Manifestationen (z. B. Glomerulonephritis, borkige Rhinitis, akrale Nekrosen).
90.3 Was sollte vor definitiver Diagnose dieser
Erkrankung immer ausgeschlossen werden?
쐽 Eine parainfektiöse oder paraneoplastische Polymyalgie. Ausschluss durch Eiweißelektrophorese (Plasmozytom?), Abdomensonographie,
Röntgenuntersuchung des Thorax und bei klinischem Verdacht (Stuhlunregelmäßigkeiten,
starker Gewichtsverlust, Übelkeit) auch Gastroskopie und Koloskopie.
90.4 Wie wird die Erkrankung behandelt?
쐽 Mit Glukokortikoiden in hohen Dosen.
KO M M E N TA R
308
Fall
90
Die Polymyalgia rheumatica (PMR) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des hohen Alters.
Bei Erstmanifestation sind die Patienten meist älter als 60 Jahre. In bis zu 20% der Fälle tritt die Polymyalgia rheumatica zusammen mit einer Arteriitis
temporalis (Riesenzellarteriitis = Morbus Horton)
auf. Dies ist eine Vaskulitis großer Gefäße, die neben den Temporalarterien vor allem den Aortenbogen und die von ihm abgehenden großen Gefäße
befällt. Im Gegensatz zur Takayasu-Arteriitis, einer
Riesenzellarteriitis der vom Aortenbogen abgehenden Gefäße, tritt die Arteriitis temporalis (wie
die PMR) fast ausschließlich im höheren Alter auf.
Ätiologie: Die Ursache der PMR ist unbekannt.
Antworten und Kommentar
Klinik: Leitsymptom der PMR sind stammbetonte
Myalgien vor allem der Schulter-, Nacken-, Oberarm- und Oberschenkelmuskulatur, die im Gegensatz zur Polymyositis nicht mit einer ausgeprägten
Muskelschwäche einhergehen. Gelenkbezogene
Schwellungen treten bei bis zu 20% der Patienten
auf, eine erosive Arthritis kommt aber definitionsgemäß nicht vor (dann DD rheumatoide Arthritis).
Leitsymptom der Arteriitis temporalis ist der einoder beidseitige, temporal betonte Kopfschmerz,
oft in Verbindung mit einer prominenten, verhärteten Temporalarterie. Sehstörungen sind als Hinweis auf einen Befall der zum Auge führenden temporalen Gefäße zu interpretieren.
Diagnostik: Die PMR geht typischerweise mit einer ausgeprägten BSG-Beschleunigung (meist
über 80 mm n. W.) bei meist nur gering erhöhtem
CRP einher. Im Gegensatz zur Polymyositis ist die
CK nur gering erhöht. Autoantikörper und Rheumafaktoren sind typischerweise negativ. Die PMR
ist daher immer eine Ausschlussdiagnose. Insbesondere muss eine paraneoplastische Polymyalgie
durch aktive Tumorsuche (bei älteren Patienten
zumindest Röntgen-Thorax, Koloskopie, Gastroskopie, Abdomensonographie, Eiweißelektrophorese) ausgeschlossen werden.
Bei der Arteriitis temporalis ist die BSG ebenfalls
massiv erhöht, wie bei der PMR fehlen charakteristische Autoantikörper. Die Diagnose kann – im
Gegensatz zur isolierten PMR – histologisch durch
eine Biopsie der A. temporalis gesichert werden
(histologisch Vaskulitis mit Riesenzellen). Bei der
Auswahl der Biopsiestelle kann die Duplexsonographie hilfreich sein (typischer Befund: Halo [perivaskulärer echoarmer Ring] als Hinweis auf
Wandödem oder Stenosen).
Therapie: Da ein Befall der temporalen Gefäße bei
der Arteriitis temporalis zur Erblindung führen
kann, ist bei einer progredienten Visusminderung
eine umgehende hochdosierte Glukokortikoidtherapie erforderlich. Typisch für Arteriitis temporalis und PMR ist das prompte Ansprechen der
Symptome und der BSG auf diese systemische Glukokortikoidtherapie. Die Höhe und Dauer dieser
Therapie richtet sich nach Manifestationsmuster
(begleitende Temporalarteriitis?) und Schweregrad (Visusstörung?). Immunsuppressiva wie Methotrexat oder Azathioprin kommen bei PMR und
Temporalarteriitis in der Regel erst zur Anwendung, wenn über einen längeren Zeitraum Glukokortikoiddosen benötigt werden, die deutlich
oberhalb der Cushing-Schwellendosis liegen.
Prognose: Die Lebenserwartung von Patienten mit
PMR ist nicht eingeschränkt.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N :
Morbus Wegener (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Panarteriitis nodosa (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Rheumatoide Arthritis (Klinik, Diagnostik, Therapie)
Fall 90 Seite 91
Fall 91 Alkoholische Fettleberhepatitis
91.1 Was ist die wahrscheinlichste Ursache der
massiv erhöhten Transaminasen?
쐽 Alkoholische Fettleberhepatitis. Hierfür sprechen die Angaben der Schwester des Patienten,
die Halluzinationen und die Desorientiertheit
des Patienten (Zeichen eines Delirs, d. h. eines
Alkoholentzugssyndroms, die Desorientiertheit
ist aber auch Symptom einer hepatischen Enzephalopathie, wie die Konzentrationsstörung), der Intentionstremor (Zeichen einer bei
chronischem Alkoholabusus häufigen Kleinhirndegeneration), der Ikterus (hier Zeichen einer Bilirubin-Konjugationsstörung), die (bei
Fettleber oft) stark erhöhte γ-GT und die vergrößerte Leber mit echoreichem Parenchym
(Zeichen einer Fettleber).
KO M M E N TA R
Bei dem im Fallbeispiel beschriebenen Patienten
liegt eine alkoholtoxische Leberschädigung vor.
Ätiologie und Pathogenese: Ab einem täglichen
Alkoholkonsum von 60 g (Männer) bzw. 20 g (Frauen) besteht ein erhöhtes Risiko für eine alkoholtoxische Leberschädigung (20 g reiner Alkohol = 1
Glas Rotwein oder 1 Flasche Bier). Bei chronischem
Alkoholabusus kommt es fast immer zu einer Leberverfettung, da Alkohol die Fettsäuresynthese
steigert und den Abbau von Fettsäuren hemmt. Auf
dem Boden einer bereits bestehenden alkoholtoxischen Fettleber kann eine kurzzeitige Aufnahme
großer Mengen Alkohols (wie im hier beschriebenen Fall) zu einer akuten entzündlichen Reaktion
führen, der alkoholischen Fettleberhepatitis.
Klinik: In der Mehrzahl der Fälle verläuft die Fettleberhepatitis symptomlos und geht bei einem
Drittel der Patienten über eine zunehmende Fibrosierung in eine Leberzirrhose über. Bei einem Teil
der Patienten kann (s. Fallbeispiel) das Bild einer schwer verlaufenden Hepatitis dominieren.
Schwere Verläufe einer Alkoholhepatitis gehen mit
einer erheblichen Hyperbilirubinämie einher und
sind durch die Entwicklung einer hepatischen En-
zephalopathie und von Aszites charakterisiert. Dabei besteht die Gefahr eines Leberversagens, so dass
den Lebersyntheseparametern besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.
Diagnostik: Laborchemisch stehen neben einer
Einschränkung der Lebersyntheseparameter (s.
Frage 91.2) die einer Virushepatitis ähnliche massive Erhöhung der Transaminasen bei negativer Virusserologie im Vordergrund. Eine Sonographie
des Abdomens bzw. der Leber gibt Aufschluss über
deren Größe, Konsistenz, Rundherde sowie das
Vorliegen von Aszites. Sonographische Zeichen einer Leberverfettung sind eine Vergrößerung und
eine homogene Verdichtung des Leberparenchyms
Abb. 91.1 Sonogramm bei alkoholischer Leberverfettung: Das Leberparenchym ist
dichter als das
Nierenparenchym.
Fall 91 Seite 92
309
91
Antworten und Kommentar
91.4 Welche therapeutischen Maßnahmen
(mindestens 5) schlagen Sie vor?
쐽 sofortige Alkoholkarenz
쐽 Clomethiazol: zur Therapie des Delirs
쐽 Laktulose: zur Senkung der erhöhten Ammoniakkonzentration, da klinisch Zeichen einer hepatischen Enzephalopathie (Desorientiertheit,
Konzentrationsstörungen) vorliegen
쐽 Substitution von Vitamin-B-Komplex (B1, B6, B12)
쐽 ausreichende Ernährung, ggf. parenteral
쐽 Spironolacton und Schleifendiuretikum, um
den Aszites auszuschwemmen.
Fall
91.2 Welche 3 Parameter würden Sie bei diesem Patienten bestimmen, um die Synthesefunktion der Leber abzuschätzen?
쐽 Quick oder INR: indirekte Information über die
Produktion von Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren (Faktor II, VII, IX und X)
쐽 Albumin (wird in der Leber gebildet)
쐽 Cholinesterase: wird in der Leber gebildet.
Konzentrationsabnahmen korrelieren gut mit
einer Lebersynthesestörung.
91.3 Welche weiteren extrahepatischen Manifestationen des chronischen Alkoholismus kennen Sie?
쐽 peripheres und zentrales Nervensystem: Polyneuropathie (z. B. durch Vitamin B6- und/oder
B12-Mangel), Wernicke-Korsakow-Syndrom,
pontine Myelinolyse
쐽 Magen-Darm-Trakt: Aspiration, Refluxösophagitis, chronische Gastritis, Motilitätsstörungen,
Malabsorption
쐽 Blut und Immunsystem: megaloblastäre Anämie, Thrombozytopenie, erhöhte Infektanfälligkeit
쐽 chronische Pankreatitis
쐽 Kardiomyopathie
쐽 Stoffwechselstörungen: Hyperurikämie, Hypoglykämie, Hypogonadismus.
(Abb. 91.1). Neben den hepatischen Manifestationen – akute Hepatitis, Leberzirrhose mit ihren Folgen – sollte auch auf extrahepatische Folgen des Alkoholismus geachtet werden (s. Frage 91.3). Hierzu
sollten zumindest eine klinisch-neurologische Untersuchung (Polyneuropathie, Wernicke-Korsakow-Syndrom, pontine Myelinolyse?), eine Sonographie des Abdomens und Lipasebestimmung
(Pankreatitis?) und eine Ösophagogastroduodenoskopie (Ösophagusvarizen?) durchgeführt werden.
Therapie: s. Frage 91.4. Da eine spezifische Therapie der alkoholischen Fettleberhepatitis nicht existiert, kommt der Beachtung und Behandlung die-
ser extrahepatischen Manifestationen besondere
Bedeutung zu. So kann eine rasch begonnene Substitution von Vitamin B1, B6, B12 oder auch Folsäure
rasch zu einer Besserung neurologischer Symptome führen. Bei V. a. Korsakow-Syndrom erleichtert
sie darüber hinaus die Abgrenzung zu einem Alkoholentzugssyndrom oder einer hepatischen Enzephalopathie, da diese nicht auf eine Vitaminsubstitution ansprechen.
Prognose: Auch bei Alkoholabstinenz tritt eine
Normalisierung der Transaminasen nur bei 20%
der Patienten ein, die Mortalität beträgt bis zu 40%.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Andere toxische Hepatitiden
Parasitosen mit Leberbeteiligung
Differenzialdiagnosen der portalen Hypertension
Chronische Pankreatitis
310
Fall
Fall 92 Globale Herzinsuffizienz
92
Antworten und Kommentar
92.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Globale Herzinsuffizienz NYHA-Stadium II. Begründung: 1. Belastungsdyspnö bei V. a. kardiale Erkrankung (Digitalismedikation, Systolikum, Hypertonie, pathologisches EKG), 2.
Nykturie, 3. der unauffällige Lungenauskultationsbefund und die Anamnese sprechen gegen
eine schwere Lungenerkrankung.
92.2 Nennen Sie mögliche Ursachen!
쐽 Als Ursache einer Herzinsuffizienz kommen
vor allem in Betracht:
– hypertensive Herzkrankheit: hier aufgrund
der Anamnese und Hypertrophiezeichen mit
Erregungsrückbildungsstörung im EKG bei
schlecht eingestellter arterieller Hypertonie
die wahrscheinlichste Differenzialdiagnose
– koronare Herzkrankheit: hier weniger
wahrscheinlich, da keine typischen Symptome (keine Angina pectoris) bestehen; aufgrund des Risikoprofils und der Erregungsrückbildungsstörungen aber nicht auszuschließen. Im EKG kein Hinweis auf alten
Myokardinfarkt.
– Vitium: hier durchaus möglich. Hierfür
sprechen der Auskultationsbefund (Systolikum), Zeichen der Linksherzhypertrophie
im EKG als möglicher Hinweis auf eine
Druckbelastung des linken Ventrikels (z. B.
durch eine Aortenklappenstenose).
Fall 92 Seite 93
92.3 Ihr Praxisbudget lässt 3 technische Untersuchungen zu. Welche diagnostischen Maßnahmen veranlassen Sie? Begründen Sie für jede gewünschte Untersuchung, weshalb Sie diese veranlassen wollen!
쐽 Röntgen-Thorax zwecks Suche nach Hinweisen auf eine Lungenerkrankung (z. B. Infiltrate,
tief stehendes Zwerchfell, vermehrte Strahlentransparenz) und auf ein Vitium (Herzkonfiguration, Herzgröße?), nach Pleuraergüssen und
Lungenstauung
쐽 Echokardiographie: Suche nach Hinweisen auf
Linksherzhypertrophie (da Hypertrophiezeichen im EKG und arterielle Hypertonie bekannt), Beurteilung der Kontraktilität (da anamnestische Hinweise auf mögliche Herzinsuffizienz), Ausschluss eines Vitiums (Systolikum), Suche nach regionalen Kontraktilitätsstörungen (als Hinweis auf einen alten Myokardinfarkt bei KHK)
쐽 Belastungs-EKG: Ausschluss einer Belastungsischämie bei Kammerendteilveränderungen
(S-/T- oder ST-Strecke) im Ruhe-EKG, Beurteilung des Blutdruckverhaltens, der körperlichen
Leistungsfähigkeit und der Symptomentwicklung unter Belastung.
92.4 Was ist die wahrscheinlichste Ursache für
das 2/6-Sytolikum?
쐽 Eine relative Mitralklappeninsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit.
KO M M E N TA R
Als Herzinsuffizienz bezeichnet man das akute
oder chronische Unvermögen des Herzens, den Organismus ausreichend mit Blut zu versorgen. Sie ist
folglich keine Erkrankung, sondern ein Symptom
verschiedener Grunderkrankungen.
Einteilung: Nach der betroffenen Herzhälfte unterscheidet man Links-, Rechts- und globale Herzinsuffizienz; zu weiteren Einteilungskriterien s.
Fall 46.
Ätiologie und Pathogenese: Zu typischen Ursachen s. Frage 92.2; weitere Ursachen s. Fall 46.
Klinik: Bei dem im Fallbeispiel beschriebenen Patienten liegen als typische Symptome einer Linksherzinsuffizienz Leistungsminderung und Belastungsdyspnö vor, jedoch auch Nykturie, ein typisches Symptom einer Globalinsuffizienz. Nykturie
entsteht durch Rückresorption der für Rechtsherzinsuffizienz typischen Ödeme (horizontale Lage!).
Zu weiteren Symptomen der Herzinsuffizienz s.
Fall 46.
Die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz
erfolgt in Abhängigkeit vom Schweregrad der Herzinsuffizienz sowie unter Berücksichtigung von Begleiterkrankungen. Patienten mit einem Myokardinfarkt sollten bereits im NYHA-Stadium I mit
ACE-Hemmer und β-Blocker behandelt werden.
Liegt kein Myokardinfarkt vor, wird eine Herzinsuffizienz üblicherweise erst ab NYHA-Stadium II
medikamentös behandelt. Im vorliegenden Fall
(NHYA-Stadium II) ist die Gabe eines ACE-Hemmers oder AT-II-Rezeptor-Antagonisten besonders geeignet, da diese Substanzen sowohl den
Blutdruck senken als auch die Symptome der Herzinsuffizienz lindern und eine Reduktion der Sterblichkeit (bei schwerer Herzinsuffizienz) bewirken.
Wirkmechanismus ist die Hemmung der Bildung
bzw. der Wirkung von Angiotensin II. Sie führt zu einer verminderten präsynaptischen Noradrenalinfreisetzung, reduzierter Wasser- und Salzeinlagerung und Vasodilatation. Letztere bewirkt eine Senkung des peripheren Gefäßwiderstands und dadurch eine Steigerung des Herzzeitvolumens und
Abnahme der Herzfrequenz. ACE-Hemmer haben
darüber hinaus einen nephroprotektiven Effekt, da
sie den intraglomerulären Druck reduzieren. Bei
klinisch stabiler Herzinsuffizienz kann die zusätzliche Gabe von β-Blockern ohne intrinsische sympathomimetische Aktivität (z. B. Metoprolol, Carvedilol, Bisoprolol) lebensverlängernd wirken. Die
Digitalismedikation sollte belassen werden, da die
Mortalität nach Beendigung einer Digitalistherapie
erhöht ist. Bei ausgeprägten Ödemen und ab
NYHA-Stadium III werden zusätzlich Diuretika
verabreicht.
Prognose: Die 5-Jahres-Mortalität beträgt im
NYHA-Stadium II/III 42% bei Frauen und 62% bei
Männern, im Stadium IV leben nach 1 Jahr nur
noch 35% der Patienten.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Therapie der akuten Herzinsuffizienz
Indikationen der Herztransplantation
Faktoren, die zur Dekompensation einer Herzinsuffizienz führen können
Fall 92 Seite 93
311
92
Antworten und Kommentar
Bei mehrfacher Messung erhöhter Blutdruckwerte
besteht bei dem Patienten offensichtlich eine
schlecht eingestellte arterielle Hypertonie. Typische klinische Befunde der hypertensiven Herzkrankheit sind der nach links verlagerte hebende
Herzspitzenstoß, ein verstärkter klingender 2. Aortenton und ein Systolikum über der Herzspitze (als
Ausdruck einer relativen Mitralinsuffizienz) sowie
in fortgeschrittenen Krankheitsstadien ein Galopprhythmus. Im EKG weist der positive Sokolov-Lyon-Index (S in V1 + R in V5 ⱖ 3,5 mV) auf eine Hypertrophie des linken Ventrikels hin. Die Kammerendteilveränderungen über der Vorderwand (V5 +
Therapie: Bei Herzinsuffizienz mit Ödemen sind
kochsalzarme Kost und Flüssigkeitsrestriktion
(2 – 2,5 l pro Tag) indiziert.
Fall
Diagnostik: Bei fehlenden klinischen und anamnestischen Hinweisen für das Bestehen einer
Lungenerkrankung, aber Vorliegen von klinischen,
anamnestischen und elektrokardiographischen
Zeichen einer Herzerkrankung ist eine Belastungsdyspnö am ehesten Ausdruck einer Herzinsuffizienz. Durch die weiterführende Diagnostik (s. Frage 92.3) muss einerseits die Herzinsuffizienz objektiviert werden (z. B. Lungenstauung im ThoraxRöntgenbild, Kontraktilitätsstörung im Echokardiogramm), andererseits sollte die Ursache (s. Frage 92.2) der Herzinsuffizienz geklärt werden, um
möglichst eine kausale Therapie einleiten zu können.
V6) entsprechen am ehesten einer beginnenden
myokardialen Schädigung als Folge einer hypertensiven Herzkrankheit, können aber auch Ausdruck einer koronaren Herzerkrankung sein. Eine
weiterführende Abklärung des Befundes durch ein
Belastungs-EKG und eine Echokardiographie ist
daher notwendig (s. Frage 92.3).
Fall 93 Magenkarzinom
312
Fall
93
93.1 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 5) schlagen Sie für das Staging des
Magenkarzinoms vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag!
쐽 Sonographie und ggf. CT des Abdomens: Suche nach Metastasen (vor allem in Leber und
Lymphknoten)
쐽 Endosonographie des Magens, um festzustellen, welche Schleimhautschichten bereits
durchbrochen sind (Infiltrationstiefe) und ob
Lymphknotenmetastasen vorliegen
쐽 Röntgen-Thorax: Suche nach pulmonalen Metastasen
쐽 CT des Schädels: Suche nach Hirnmetastasen
쐽 Skelettszintigraphie: Suche nach Knochenmetastasen
쐽 Laboruntersuchungen: zur Erfassung von
Standardparametern (Leber, Niere, Elektrolyte,
Blutbild), um Begleiterkrankungen und Therapiefähigkeit abzuschätzen. Erhöhte Transaminasen können auf Lebermetastasen hinweisen
(unspezifisch). Spezifische Tumormarker existieren nicht.
93.2 Welche 6 Präkanzerosen des Magenkarzinoms kennen Sie?
쐽 chronische Gastritis (Typ B) bei Helicobacterpylori-Infektion
쐽 chronisch-atropische Gastritis (Typ A)
쐽 intestinale Metaplasie
쐽 adenomatöse Magenpolypen
쐽 Zustand nach Magenresektion
쐽 Morbus Ménétrier (Riesenfaltengastritis).
93.3 Welche anderen deutlich selteneren malignen Raumforderungen können im Magen
gefunden werden?
쐽 primäres Lymphom des Magens (MALT-Lymphom)
쐽 Sarkom des Magens (z. B. Kaposi-Sarkom bei
AIDS)
쐽 Metastasen eines nichtgastralen Karzinoms
쐽 Karzinoide.
93.4 Was ist die Therapie der Wahl des Magenkarzinoms bei einem kurativen Therapieansatz
(z. B. Stadium IA oder B nach UICC)?
쐽 Magenresektion mit Lymphknotenexstirpation.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Das Magenkarzinom, ein von der Magenschleimhaut ausgehendes Malignom, ist der häufigste Tumor des Magens.
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 93.2.
Einteilung: Magenkarzinome sind in der Mehrzahl
der Fälle (in absteigender Reihenfolge) im Antrum,
Korpus oder der Kardia lokalisiert. Histologisch
werden Adenokarzinome (papillär, tubulär, muzinös), Siegelringzellkarzinome, Plattenepithelkarzinome und undifferenzierte Karzinome unterschieden. Diese werden von anderen selteneren
malignen Tumoren des Magens (s. Frage 93.3) abgegrenzt.
Klinik: Magenkarzinome werden häufig erst in
fortgeschrittenen Krankheitsstadien entdeckt,
weil Symptome in der Regel spät auftreten, wenig
typisch sind oder ganz fehlen können. Dabei
stehen uncharakteristische Oberbauchbeschwerden, Übelkeit und allgemeine Abgeschlagenheit
im Vordergrund. Typische „Magensymptome“ wie
rezidivierendes Erbrechen sind die Ausnahme und
meist Folge von Komplikationen (Stenosierung).
Eine ungewollte Abnahme des Körpergewichts
liegt aber bei den meisten Patienten vor und sollte
Grund für eine weitere Abklärung sein.
Diagnostik: Für die exakte Diagnosestellung ist die
Gastroskopie mit Biopsie (und histologischer Untersuchung) entscheidend. Für die prognostische
Fall 93 Seite 94
Bewertung des Magenkarzinoms sind neben dem
histologischen Typ (s. o.) vor allem die lokale Ausbreitung sowie die Lymphknoten- und Fernmetastasierung bedeutsam. Die lokale Ausbreitung in
der Magenschleimhaut (polypös, ulzerierend, ulzerös-infiltrierend oder diffus infiltrierend) und
der Befall regionaler Lymphknoten lassen sich besonders gut mittels Endosonographie darstellen.
Zur Metastasensuche kommen ergänzend bildgebende Verfahren zur Anwendung (s. Frage 93.1).
Die Labordiagnostik (s. Frage 93.1) liefert keine
spezifischen Informationen, sondern ist lediglich
zur Therapieplanung hilfreich. Die Bestimmung
von Tumormarkern wie CEA, CA 724 oder CA 19 – 9
ist daher zur Diagnose des Magenkarzinoms nicht
sinnvoll, sondern nur im Rahmen eines Restagings
bei prätherapeutisch erhöhten Werten indiziert.
Therapie: Eine kurative Behandlung ist nur durch
Gastrektomie und Lymphadenektomie (ggf. mit
Entfernung des kleinen und großen Netzes sowie
der Milz) möglich und bleibt lokal begrenzten Tumoren ohne Fernmetastasierung vorbehalten. Bei
primär nicht kurativ operablen Patienten kann eine präoperative neoadjuvante Chemotherapie eingeleitet werden. Palliative Therapieverfahren beinhalten eine Resektion von Tumorteilen, die sich
intraoperativ als nicht kurativ resektabel erweisen,
sowie endoskopische Therapieverfahren (z. B. Laserkoagulation von Stenosen, Anlage von Ernährungssonden).
Prognose: Die Prognose des Magenkarzinoms
hängt entscheidend vom Tumorstadium und somit
von der Möglichkeit eines kurativen Therapieansatzes ab (5-Jahres-Überlebensrate bei Carci-
noma in situ 100%, Frühkarzinom ca. 90%,
T1N1M0/T2N1M0 60 – 70%, weiter fortgeschrittene
Karzinome 20 – 30%).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
MALT-Lymphome
Postgastrektromiesyndrome
Enterale Ernährung: Indikation, Zugangswege (Sonden etc.)
Chronische Gastritis: Formen, Differenzialdiagnose, Therapie
Fall 94 CMV-Pneumonie
94.2 Ist zum Nachweis einer floriden CMV-Infektion eine ergänzende Diagnostik erforderlich?
쐽 Ja, es muss nachgewiesen werden, dass die
CMV-Infektion floride ist, und zwar durch:
– Nachweis des pp65-Antigens im EDTA-Blut,
in der bronchoalveolären Lavage (BAL)-Flüssigkeit oder im Urin,
– Nachweis von CMV-DNA in Blut, BAL-Flüssigkeit oder Urin oder
– Nachweis von IgM-Antikörpern gegen CMV.
94.3 Welche 4 Befunde fallen im Blutbild und
94.4 Wie kann eine CMV-Infektion medikamentös behandelt werden?
쐽 mit Virustatika: Ganciclovir, alternativ Valganciclovir oder Foscarnet
쐽 mit Anti-CMV-Immunglobulin.
KO M M E N TA R
Die Zytomegalievirus (CMV)-Infektion ist sehr
häufig: Die Durchseuchung der Bevölkerung beträgt in Europa etwa 50%, in Ländern der dritten
Welt bis über 90%.
Ätiologie und Pathogenese: CMV ist ein humanpathogenes DNA-Virus aus der Gruppe der Herpesviren. Es wird über Speichel, parenteral oder beim
Sexualkontakt übertragen und führt zu einer lymphoplasmazellulären Entzündung vor allem im
Respirations-, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt mit Auftreten von Riesenzellen mit charakteristischen intrazellulären Einschlusskörperchen
(„Eulenaugenzellen“).
Klinik und Diagnostik: Bei immunkompetenten
Menschen verläuft die CMV-Infektion meist
asymptomatisch. Die stattgehabte Infektion ist
durch den Nachweis von anti-CMV-Antikörpern
der Subklasse IgG nachweisbar. Nach der Primärinfektion persistiert das Virus in den befallenen Organen. Im Fall einer Immunsuppression (z. B. HIVInfektion, Knochenmarktransplantation, medikamentöse Immunsuppression) wird eine Reaktivierung der CMV-Infektion ermöglicht, die oft symptomatisch verläuft.
Primärinfektionen bei Immunsupprimierten verlaufen hingegen sehr häufig symptomatisch und
schwer.
Fall 94 Seite 95
94
Antworten und Kommentar
Differenzialblutbild bei einer CMV-Infektion,
unabhängig von einer Begleiterkrankung, häufig
auf?
쐽 Leukopenie mit relativer Neutropenie
쐽 reaktive Lymphozytose mit Nachweis atypischer Lymphozyten
쐽 hämolytische Anämie (seltener Lymphozytose)
쐽 Thrombopenie (seltener Lymphozytose).
313
Fall
94.1 Können Sie bereits eine Diagnose stellen?
Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich nur eine Verdachtsdiagnose stellen. Sie lautet „interstitielle Pneumonie, am ehesten opportunistische Infektion“, denn die Konstellation von Fieber, nicht-produktivem Husten und interstitieller pulmonaler Infiltration (Ursache: verdickte
Interlobärsepten) spricht für eine interstitielle
Pneumonie. Da der Patient nach einer allogenen Stammzelltransplantation immunsupprimiert ist, muss von einer opportunistischen Infektion ausgegangen werden. Zwar ist die
CMV-Infektion die häufigste Ursache einer
Pneumonie nach allogener Stammzelltransplantation, der Nachweis von IgG-Antikörpern
beweist jedoch nur eine zurückliegende Auseinandersetzung des Organismus mit dem Erreger und ist kein Marker für eine floride Infektion. Eine floride CMV-Infektion kann deshalb
aufgrund der bisher vorliegenden Befunde
(noch) nicht diagnostiziert werden, die Reaktivierung einer früheren Infektion ist jedoch
möglich.
Die CMV-Pneumonie zählt zu den häufigsten Ursachen einer Pneumonie bei Immunsupprimierten. Aufgrund ihrer Häufigkeit (häufigste Pneumonieursache nach allogener Knochenmarktransplantation überhaupt), der hohen Letalität (bis zu
50%) sowie der Möglichkeit einer Therapie (im Gegensatz zu vielen anderen Virusinfektionen) muss
die CMV-Infektion immer in die Differenzialdiagnose bei immunsupprimierten Patienten mit vermuteter oder wahrscheinlicher Pneumonie einbezogen werden. Weitere typische Manifestationen
einer CMV-Infektion sind Retinitis (häufigste Manifestation der CMV-Infektion bei AIDS), Enzephalitis, Gastritis, Kolitis, Splenomegalie und Hepatitis
(Transaminasenerhöhung bei über 90% der Patienten).
314
Fall
95
Aufgrund der hohen Durchseuchung der Bevölkerung mit dem CMV sind IgG-Antikörper gegen
CMV häufig nachweisbar und keinesfalls diagnostisch wegweisend für eine akute Infektion. Wichtigster diagnostischer Marker einer floriden Infektion ist das bereits in der Frühphase der Infektion nachweisbare CMV-pp65-Antigen („CMV early
antigen“). Auch der Nachweis von CMV-DNA in
Sputum, BAL-Flüssigkeit, Blut oder Urin kann eine
floride Infektion anzeigen, jedoch nur bei der Primärinfektion (anti-CMV-IgG negativ). Sehr häufig,
jedoch weniger spezifisch, sind Blutbildveränderungen: Eine reaktive Lymphozytose ist in der
Frühphase der Infektion bei bis zu 80% der Patienten nachweisbar und tritt im Verlauf bei fast allen
Patienten auf. Ebenfalls typisch sind Granulozytopenie, hämolytische Anämie und Verbrauchsthrombopenie (s. Frage 94.3).
Therapie: Eine medikamentöse Therapie ist bei
symptomatisch erkrankten und gleichzeitig immunsupprimierten Patienten indiziert. Zur Verfügung stehen Virustatika (am gebräuchlichsten ist
Ganciclovir) und CMV-Immunglobulin (s. Frage
94.4).
Prognose: Eine interstitelle Pneumonie durch CMV
bei immunsupprimierten Patienten ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung. Ist die Therapie erfolgreich, sind prognostisch relevante Folgeschäden nicht zu erwarten.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Antworten und Kommentar
Epstein-Barr-Virusinfektion
Ebolafieber
SARS-Virusinfektion
Fall 95 Lungentuberkulose
95.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Begründen Sie Ihre Vermutung!
쐽 Verdachtsdiagnose: Lungentuberkulose
쐽 Begründung:
– Lungenspitzeninfiltrat
– kein Ansprechen auf antibiotische Behandlung
– B-Symptomatik (unklare Gewichtsabnahme,
Nachtschweiß, erhöhte Körpertemperatur)
– Beginn eher schleichend
– Vorliegen resistenzmindernder Faktoren, die
zur Tuberkulose prädisponieren: Alkoholabusus, Lebererkrankung, Glukokortikoidtherapie.
쐽 Anmerkung: Die Vortherapie mit Prednisolon
und Antibiotikum erfolgte ohne eine sorgfältig
dokumentierte Diagnose und war somit nicht
indiziert. Insbesondere bei atypischem Verlauf
sollten daher Vordiagnosen (insbesondere,
wenn von fachfremden Kollegen quasi „über
den Zaun“ gestellt) und Vortherapien immer
kritisch hinterfragt und überprüft werden.
95.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 3) schlagen Sie zur Sicherung der
Diagnose vor?
Fall 95 Seite 96
쐽 mikrobiologische Diagnostik:
– an drei aufeinanderfolgenden Tagen Untersuchung von Sputum und Magensaft mittels
mikroskopischer Untersuchung, Kultur und
ggf. Nachweis von mykobakterieller DNA
– Tuberkulintest
쐽 bei negativem bakteriologischen Befund und
bleibendem klinischen Verdacht Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) und
bakteriologische Untersuchung der BAL-Flüssigkeit
쐽 Histologie: Nachweis epitheloidzelliger verkäsender Granulome (transbronchiale Biopsie);
bei eindeutigem mikrobiologischen Befund
entbehrlich
쐽 CT-Thorax: bei unklarem nativ-radiologischen
Befund und zum Ausschluss eines Bronchialkarzinoms.
95.3 Wie wird die Erkrankung üblicherweise
behandelt?
쐽 Antituberkulöse Vierfachtherapie (Isoniazid +
Rifampicin + Pyrazinamid + Streptomycin oder
Ethambutol) über 2 Monate, dann Zweifachkombination über mindestens weitere 4 Monate (Isoniazid + Rifampicin).
95.4 Welche 2 typischen Nebenwirkungen der
eingesetzten Medikamente machen eine fachärztliche Untersuchung vor Einleitung der Therapie und im Verlauf erforderlich?
쐽 Retrobulbärneuritis durch Ethambutol: augenärztliche Kontrolle
쐽 Ototoxizität von Streptomycin: Audiogramm
und HNO-ärztliche Kontrolle.
KO M M E N TA R
Die Lungentuberkulose ist eine Infektionskrankheit der Lunge, die durch Mycobacterium tuberculosis hervorgerufen wird.
Diagnostik: Klinik, Anamnese und Röntgen-Thorax-Befund sind sehr unspezifisch. Die sichere Di-
Prognose: Bei adäquater antituberkulöser Therapie heilt eine Tuberkulose fast immer aus, endogene Reinfektionen können jedoch bei bis zu 5% der
erfolgreich behandelten Patienten auftreten.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Atypische Mykobakteriosen
Sarkoidose
Berylliose
Differenzialdiagnosen von Lungenrundherden
Fall 95 Seite 96
95
Antworten und Kommentar
Klinik: Eine Pneumonie im Bereich der Lungenoberfelder, die auf eine konventionelle antibiotische Therapie nicht anspricht, ist immer hochverdächtig auf eine Lungentuberkulose. Auch bei einer
B-Symptomatik (unklare Gewichtsabnahme und
Nachtschweiß), die mit chronischem Husten unklarer Ursache einhergeht, sollte an eine Tuberkulose gedacht werden, insbesondere wenn resistenzmindernde Faktoren (s. o.) erfragbar sind. Dennoch
ist die Klinik der Tuberkulose nicht für die Erkrankung spezifisch und kann ebenso Ausdruck einer
anderen konsumierenden Erkrankung (Malignom,
chronische Lungenerkrankung, Pneumonie) sein.
Therapie: Die Applikation von Tuberkulostatika
ermöglicht es dem Immunsystem des Patienten,
die Mykobakterien zu eliminieren. Aufgrund der
langen Generationszeit und langer Phasen der metabolischen Inaktivität der Mykobakterien muss
eine antituberkulöse Therapie mindestens 6 Monate dauern. Unter der Therapie mit einzelnen Tuberkulostatika tritt rasch Resistenz auf. Daher wird
die Behandlung als Kombinationstherapie mit zunächst 4 Präparaten durchgeführt (s. Frage 95.3).
Nach 2 Monaten kann die Therapie bei unkompliziertem Verlauf auf eine Zweifachkombination
umgestellt werden. Die häufigen Nebenwirkungen der antituberkulösen Therapie (häufig Transaminasenanstieg) erfordern eine regelmäßige
ärztliche Überwachung, insbesondere bei eingeschränkter Nierenfunktion, da einige Substanzen
(Ethambutol, Streptomycin, Pyrazinamid) potenziell nephrotoxisch sind. Aufgrund der nicht seltenen Ototoxizität von Streptomycin müssen bei
Einsatz dieser Substanz regelmäßige audiometrische Kontrollen erfolgen. Ethambutol kann eine
Retrobulbärneuritis induzieren, weshalb eine augenärztliche Untersuchung vor Therapiebeginn
und im Verlauf obligat ist (s. Frage 95.4).
315
Fall
Pathogenese: Mycobacterium tuberculosis ist ein
säurefestes, obligat aerobes Stäbchenbakterium,
dessen Virulenz durch Behinderung der Phagozytose durch Makrophagen bedingt ist. Erst die von aktivierten T-Helferzellen freigesetzten Zytokine ermöglichen es Makrophagen, das Bakterium unschädlich zu machen. Folglich prädisponieren resistenzmindernde Faktoren wie Alkoholabusus,
Immundefekt oder schwere Allgemeinerkrankung
zur Tuberkulose. Weitere prädisponierende Faktoren sind höheres Alter (⬎ 60 Jahre), vorbestehende
Lungenerkrankung (z. B. Silikose), Kontakt zu tuberkulosekranken Personen oder eine frühere Tuberkuloseerkrankung.
Die Tröpfcheninfektion mit Mycobacterium tuberculosis führt zu einer Bronchopneumonie bevorzugt in den sauerstoffreichsten (= apikalen) Lungenarealen (Primärtuberkulose). Bei schlechter Abwehrlage kommt es zur hämatogenen Generalisation, die sich an der Lunge als Miliartuberkulose äußert, bei guter Abwehrlage wird der Infektionsherd
bindegewebig abgekapselt und verkalkt, kann jedoch noch vitale Mykobakterien enthalten. Bei endogener Reinfektion infolge Verschlechterung der
Abwehrlage kommt es zur postprimären Tuberkulose, die sich meist an der Lunge, seltener am Urogenital- oder Gastrointestinaltrakt, am ZNS (tuberkulöse Meningitis) oder an der Wirbelsäule (tuberkulöse Spondylitis) manifestiert.
agnose einer Tuberkulose ist daher nur durch den
Nachweis von Mycobacterium tuberculosis in der
Kultur (Dauer mindestens 1 Woche) zu stellen. Der
Nachweis säurefester Stäbchen in der mikroskopischen Untersuchung (Ziehl-Neelsen-Färbung)
macht aber die Diagnose bereits so gut wie sicher.
Wichtig ist die Abnahme des Materials (Sputum
bei V. a. Lungentuberkulose, Urin bei V. a. Urogenitaltuberkulose) in ausreichender Menge und Qualität an 3 aufeinanderfolgenden Tagen. Bei unzureichender Sputumproduktion kann versucht werden, provoziertes Sputum (nach Inhalation) zu gewinnen. Bei pneumonischen Infiltraten mit unklarem Erreger sollte im Zweifelsfall immer eine
Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage erfolgen, um den Erreger in der BAL-Flüssigkeit nachweisen zu können. Dabei sollte immer eine Tbc-Diagnostik durchgeführt werden.
Fall 96 Metabolische Azidose
316
Fall
96
Antworten und Kommentar
96.1 Interpretieren Sie die Blutgasanalyse im
Hinblick auf den Gasaustausch und den SäureBasen-Haushalt! Begründen Sie Ihre Interpretation anhand der Messwerte!
쐽 respiratorische Partialinsuffizienz: deutlich
verminderter Sauerstoffpartialdruck bei gleichzeitig vermindertem CO2-Partialdruck. Dies
spricht für eine aktive Hyperventilation als
Versuch, die Hypoxämie durch Steigerung der
Ventilation teilweise zu kompensieren. Es liegt
somit eine Diffusionsstörung (z. B. Pneumonie,
Lungenfibrose) oder eine Zirkulationsstörung
(hier Lungenembolie, alternativ: Herzinsuffizienz) vor.
쐽 respiratorisch teilkompensierte metabolische
Azidose: 1. pH vermindert = manifeste Azidose.
2. HCO3– vermindert, da durch die metabolische Azidose vermehrt H+ anfällt, sich mit
HCO3– verbindet und zu CO2 und H2O umgewandelt wird. 3. Der pCO2 ist vermindert, da
der Organismus versucht, durch Hyperventilation bzw. durch Abatmung von CO2 den pH anzuheben (daher keine respiratorische Azidose),
was hier aber nicht vollständig gelingt (daher
teilkompensierte Azidose).
쐽 Verdachtsdiagnose: durch Niereninsuffizienz
bedingte Retentionsazidose
쐽 Begründung: Die Gewebshypoxämie infolge
der Lungenembolie führt zur Bildung von Laktat, das akkumuliert, da seine renale Elimination aufgrund der Niereninsuffizienz reduziert
ist. Die Laktatbildung wird durch die Minderperfusion infolge der Herzinsuffizienz, die periphere Vasokonstriktion (Noradrenalin) und
die Hypotonie verstärkt.
쐽 diagnostischer Test: Bestimmung der Laktatkonzentration im Blut.
96.2 Was ist bei der beschriebenen Patientin
die wahrscheinlichste Ursache der Störungen
des Säure-Basen-Haushaltes? Begründen Sie Ihre Vermutung! Welcher diagnostische Test würde Ihre Verdachtsdiagnose wahrscheinlicher
machen?
96.4 Wie nennt man den Atemtyp der Patientin?
쐽 Kussmaul-Atmung.
96.3 Welche anderen 4 Ursachen für diese Störung des Säure-Basen-Haushaltes kennen Sie?
쐽 Ketoazidose: Anfall von Ketonkörpern bei entgleistem Diabetes mellitus Typ I infolge des absoluten Insulinmangels (liegt hier nicht vor, da
der Diabetes mellitus Typ II [!] der Patientin
nicht insulinpflichtig ist)
쐽 chronische Diarrhö (Verlust von HCO3–)
쐽 renal tubuläre Azidose: Typ I mit Störung der
Ausscheidung von H+, Typ II mit vermehrter
Ausscheidung von HCO3–
쐽 Intoxikation mit Salicylaten.
KO M M E N TA R
Als Azidose bezeichnet man ein Absinken des pHWerts unter einen Wert von 7,35.
Ätiologie und Pathogenese: Zwei Mechanismen
sind möglich: 1. eine gestörte Abatmung von CO2
infolge alveolärer Hypoventilation (respiratorische Azidose), 2. ein vermehrter Anfall von Säureäquivalenten (metabolische Azidose). Der vermehrte Anfall von Säureäquivalenten bei einer metabolischen Azidose kann durch vermehrte endogene Bildung (oder exogene Zufuhr) oder eine verminderte Ausscheidung (Niereninsuffizienz) von
Säureäquivalenten oder einen Verlust von Puffersubstanzen wie Bikarbonat (HCO3–) bedingt sein.
In dem beschriebenen Fall kommen gleich mehrere Mechanismen in Frage: Die Hypoxämie (pO2
50,2 mmHg) fördert die anaerobe Energiegewinnung (Zitratzyklus) mit vermehrtem Anfall von
Laktat. Herzinsuffizienz und Hypotonie bewirken
eine Reduktion der pulmonalen Durchblutung
(vermindertes Herzzeitvolumen) und somit eine
zusätzliche Reduktion der Sauerstoffaufnahme
und des Sauerstofftransports ins Gewebe. Letzterer
Fall 96 Seite 97
wird durch die Applikation von Noradrenalin (periphere Vasokonstriktion) zusätzlich reduziert.
Schließlich ist durch die Niereninsuffizienz die
Ausscheidung der Puffersubstanz Phosphat gestört. Daher nimmt die Anionen-Lücke (Differenz
zwischen Natriumbikarbonat und Chloridkonzentration) zu.
Klinik: Typisch sind eine vertiefte, beschleunigte
Atmung (Kussmaul-Atmung) und infolge der Vasodilatation eine Hypotonie, Symptome der Herzinsuffizienz und Anurie (Niereninsuffizienz).
Diagnostik: Neben Anamnese und klinischer Untersuchung (inkl. RR-Messung) ist die Blutgasanalyse wegweisend, weil durch sie die Azidose und
der Azidosetyp (respiratorisch versus metabolisch)
nachgewiesen werden können. Weitere wichtige
Laborparameter (auch auf dem Weg zur Ermittlung der Ursache) sind z. B. Kreatinin, Blutzucker,
Elektrolyte, Laktat.
Therapie: Die beste Therapie besteht in einer Behandlung der Ursache(n). Im Notfall kann Bikar-
bonat unter regelmäßiger BGA-Kontrolle infundiert werden (Bedarf in mmol = negativer base excess ⫻ 0,3 ⫻ kg KG; zunächst nur 50% des errechneten Bedarfs substituieren, um eine Überkorrektur
zu vermeiden). Bei einer chronischen metaboli-
schen Azidose, z. B. bei chronischer Niereninsuffizienz (wie bei der hier beschriebenen Patientin),
kann HCO3– substituiert werden, um die azidotische Stoffwechsellage zu puffern.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Therapie der chronischen Niereninsuffizienz
Respiratorische Azidose
Herzinsuffizienz (Diagnostik, Therapie)
Fall 97 Akutes Koronarsyndrom (Vorderwandinfarkt)
97.4 Was ist die Therapie der Wahl zur Behandlung dieser Herzrhythmusstörung?
쐽 Magnesium i. v.
KO M M E N TA R
Unter dem Begriff „Akutes Koronarsyndrom“ fasst
man die instabile Angina pectoris und den Myokardinfarkt zusammen.
Ätiologie, Pathogenese und Klinik: s. Fall 6.
Komplikationen: Der Myokardinfarkt führt zu
Früh- und Spätkomplikationen.
Frühkomplikationen sind akute Linksherzinsuffizienz und kardiogener Schock infolge Mangels
an funktionsfähigem Myokard sowie – häufig
ventrikuläre – Herzrhythmusstörungen, z. B. die
bei dem Patienten des Fallbeispiel bestehende Torsade-de-pointes-Tachykardie (= Schraubentachykardie): Der Terminus beschreibt eine Sonderform
der ventrikulären Tachykardie, die durch einen periodischen Wechsel der Amplitude der Kammeraktionen um die Nulllinie herum gekennzeichnet
ist, welcher optisch einer Schraube ähnelt. Die Frequenz der Torsade-de-pointes-Tachykardie liegt
typischerweise bei 200 Schlägen pro Minute. Zur
sicheren Abgrenzung der Torsade-de-pointes-Tachykardie von einer polymorphen ventrikulären
Tachykardie sollte ein Mehrkanal-EKG abgeleitet
werden. Neben der typischen Morphologie ist die
Torsade-de-pointes-Tachykardie durch eine erhebliche Verlängerung der QT-Zeit im tachykardiefreien Intervall charakterisiert. Mögliche Ursachen einer QT-Verlängerung sind Antiarrhythmika der Klassen Ia, Ic und III (pro-arrhythmogen).
Andere Medikamente, die die QT-Zeit verlängern
können, sind Antibiotika (z. B. Erythromycin, Cotrimoxazol, Pentamidin), Antimalariamittel (Chinin,
Halofantrin), Antimykotika (Ketokonazol, Itrakonazol) und Drogen wie Kokain. Weitere mögliche
Ursachen sind eine Myokardischämie (meist nicht
sehr ausgeprägt), eine Hypokaliämie (Diuretikatherapie?) sowie angeborene Formen (sog. Syndrome der langen QT-Zeit, z. B. das Romano-WardSyndrom, welche sich in der Regel aber bereits in
der Kindheit durch Synkopen und Kammertachykardien manifestieren).
Spätkomplikationen des Myokardinfarkts sind
das Rezidiv, eine akute Mitralklappeninsuffizienz
infolge Papillarmuskeldysfunktion, Herzwandaneurysma, Wandruptur, das Dressler-Syndrom
(Perikarditis), persistierende Herzrhythmusstörungen und persistierende Herzinsuffizienz.
Fall 97 Seite 98
317
97
Antworten und Kommentar
97.2 Welche Herzrhythmusstörung zeigt der
Monitorausdruck (Abb. 97.1 b)?
쐽 Torsade-de-pointes-Tachykardie
(s. Kommentar).
97.3 Nennen Sie 3 Ursachen, die möglicherweise zur Entwicklung dieser Herzrhythmusstörung beigetragen haben, und erläutern Sie den
jeweiligen Pathomechanismus!
쐽 Sotalolmedikation: extreme Verlängerung der
QT-Zeit
쐽 Diuretika (Furosemid): Elektrolytstörung (vor
allem Hypokaliämie)
쐽 koronare Herzkrankheit: Ischämie.
Fall
97.1 Beschreiben Sie kurz die wesentlichen
Befunde des zuerst abgeleiteten EKGs
(Abb. 97.1 a) und stellen Sie eine Verdachtsdiagnose!
쐽 Sinusrhythmus, Steillagetyp, fehlende R-Progression von V1 nach V3, terminal negative TWellen in I, aVL und V1 – V4, präterminal negative T-Wellen in V5 und V6. Die QT-Dauer ist
stark verlängert (0,6 s).
쐽 Verdachtsdiagnose: akutes Koronarsyndrom
mit frischer Ischämie anteroseptal und apikal.
Diagnostik: Die Ableitung eines EKGs trägt ganz
entscheidend zur Diagnosefindung bei. In dem hier
dargestellten Fall weisen die terminal negativen
T-Wellen in den Ableitungen I, aVL und V1 – V4 auf
eine anteroseptale und apikale Ischämie hin, so
dass auch unter Berücksichtigung der typischen
Angina-pectoris-Symptomatik ein akutes Koronarsyndrom vorliegt. Zur weiteren Diagnostik s.
Fall 6.
Therapie: Zur Therapie des Myokardinfarktes s.
Fall 6. Die Komplikationen werden wie folgt behandelt:
쐽 Frühkomplikationen: Zur akuten Herzinsuffizienz und zum kardiogenen Schock s. Fall 150.
Therapie der Wahl der Torsade-de-pointesTachykardie ist primär die intravenöse Gabe
von Magnesium und nicht die Gabe von Antiarrhythmika. Die Abgrenzung der Torsade-depointes-Tachykardie gegenüber einer monomorphen oder polymorphen ventrikulären Ta-
chykardie ist daher therapeutisch relevant, da
diese Formen primär mit Antiarrhythmika bzw.
durch Kardioversion/Defibrillation behandelt
werden.
쐽 Spätkomplikationen: Die akute Mitralklappeninsuffizienz wird bei hämodynamischer Relevanz operativ behandelt (Klappenersatz), sonst
medikamentös (wie andere Formen der Herzinsuffizienz). Bei Herzwandaneurysma ist zur Prophylaxe einer Thrombembolie eine orale Antikoagulation indiziert. Bei Dressler-Syndrom
verabreicht man Glukokortikoide. Zur Therapie
von Herzrhythmusstörungen s. o., zur Therapie
der Herzinsuffizienz s. Fall 92.
Prognose: Die Torsade-de-pointes-Tachykardie ist
eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung, die
bei fehlender oder falscher Behandlung in Kammerflimmern übergehen und zum Tod des Patienten führen kann. Zur Prognose des Myokardinfarkts s. Fall 6.
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Fall
98
Differenzialdiagnosen tachykarder Herzrhythmusstörungen
Ursachen des plötzlichen Herztodes
Kardiopulmonale Reanimation: praktisches Vorgehen
Antworten und Kommentar
Fall 98 Untere gastrointestinale Blutung bei Hämorrhoiden
98.1 Nennen Sie die 6 häufigsten Ursachen einer peranalen Blutung in dieser Altersklasse!
1. Hämorrhoiden
2. Angiodysplasien
3. Divertikulose bzw. Divertikulitis
4. kolorektales Karzinom
5. Polypen
6. ischämische Kolitis.
98.2 Welchen 2 Untersuchungen räumen Sie
zur weiteren Abklärung oberste Priorität ein?
쐽 rektale digitale Untersuchung (Hämorrhoiden?)
쐽 komplette Koloskopie (Nachweis anderer Blutungsquellen).
98.3 Welche 3 diagnostischen Methoden stehen zur Verfügung, falls diese Untersuchungen
keinen pathologischen Befund zeigen?
쐽 Gastroskopie zum Ausschluss einer Blutungsquelle im oberen Gastrointestinaltrakt
쐽 Radionuklidsequenzszintigraphie zum Nachweis von blutenden Angiodysplasien im Dünndarm
쐽 bei starker Blutung ggf. selektive Angiographie.
98.4 Nennen Sie mögliche Verfahren zur Behandlung von Hämorrhoiden! Wann kommen
die jeweiligen Verfahren bevorzugt zum Einsatz?
쐽 keine Therapie : keine Beschwerden und keine
oder eine nur geringe Blutungsneigung
쐽 Analtampons/-salbe : Hämorrhoiden Grad I mit
nur sporadischen Beschwerden
쐽 Sklerosierung : symptomatische Hämorrhoiden Grad I und II
쐽 Gummibandligatur: symptomatische Hämorrhoiden Grad II
쐽 Operation (Hämorrhoidektomie): Hämorrhoiden Grad III und IV.
KO M M E N TA R
Als Hämorrhoiden bezeichnet man knotenförmige
Erweiterungen des arteriellen Plexus haemorrhoidalis des Rektums. Hämorrhoidalblutungen sind
die weitaus häufigste Ursache einer sichtbaren
Fall 98 Seite 99
peranalen Blutung. Hämorrhoiden sind bei bis zu
80% aller Menschen über 30 Jahren nachweisbar.
Ätiologie und Pathogenese: Hämorrhoiden entstehen durch eine Hyperplasie des hämorrhoidalen Plexus. Mögliche Ursachen sind sitzende Lebensweise, Thrombosen und verstärktes Pressen
bei der Defäkation (Obstipation).
Klinik: Leitsymptome des Hämorrhoidalleidens
sind peranale Blutabgänge, Nässen und Juckreiz.
Viele Betroffene sind jedoch symptomlos. Die Ausprägung von Hämorrhoiden wird in Schweregrade
eingeteilt (Tab. 98.1).
Diagnostik: Eine Hämorrhoidalblutung kann
durch die rektal-digitale Untersuchung, Inspektion und ggf. eine Rektoskopie leicht diagnostiziert
werden. Hämorrhoiden lassen sich im Gegensatz
zu Marisken ausdrücken. Thrombosierte Hämorrhoiden sind druckdolent und verhärtet. Bei Angabe oder Feststellung eines peranalen Blutabgangs
muss immer eine komplette Koloskopie durchgeführt werden, um kein kolorektales Karzinom zu
übersehen, da dieses natürlich auch gemeinsam
mit einem Hämorrhoidalleiden auftreten kann.
Schweregrad
Kennzeichen
Grad I
nicht tastbare Hämorrhoiden, die nur proktoskopisch darstellbar
sind
Grad II
Hämorrhoiden, die
bei der Defäkation
prolabieren
Grad III
dauerhaft prolabierte
Hämorrhoiden, die
nur noch manuell
reponierbar sind
Grad IV
nicht reponible
Knoten
319
cum) auf und können endoskopisch mittels Sklerosierung behandelt werden.
Therapie: Die Behandlung erfolgt in Abhängigkeit
vom Krankheitsstadium (s. Frage 98.4).
99
Fall 99 IgA-Nephropathie
99.2 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose bei
diesem Patienten?
쐽 Glomerulonephritis, da der Nachweis dysmorpher Erythrozyten und der Erythrozytenzylinder auf eine glomeruläre Genese der Erythrozyturie hinweist, eine Proteinurie vorliegt, der
Sonographiebefund (vergrößerte Nieren mit
echoarmem Parenchym) für eine Glomerulonephritis typisch ist und die Sonographie kei-
nen Anhalt für andere renale oder extrarenale
Ursachen einer Erythrozyturie gibt.
99.3 Sie fordern zur weiteren Abklärung eine
Urinproteinelektrophorese an. Der Nachweis
welcher Proteine spricht für eine glomeruläre
bzw. eine tubuläre Proteinurie?
쐽 Nachweis von Albumin: selektiv glomeruläre
Proteinurie bei leichter glomerulärer Schädigung (z. B. beginnende Glomerulonephritis,
diabetische Nephropathie im Stadium III)
쐽 Nachweis von Albumin und IgG: unselektive
glomeruläre Proteinurie bei schwerer glomerulärer Schädigung
쐽 Nachweis von β2-Mikroglobulin: tubuläre Proteinurie, z. B. bei Pyelonephritis
쐽 alle Fraktionen vermehrt = gemischte Proteinurie: glomeruläre-tubuläre Mischproteinurie,
z. B. Glomerulopathie mit tubulärer Beteiligung
Fall 99 Seite 100
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Rektumkarzinom
Divertikulose
Chronische Obstipation
99.1 Nennen Sie Formen und Ursachen einer
Erythrozyturie!
쐽 prärenal: Gerinnungsstörung, Behandlung mit
Marcumar oder Heparin
쐽 renal: Glomerulonephritis, Nierenzellkarzinom, Pyelonephritis, Niereninfarkt
쐽 postrenal: Urolithiasis, Harnwegsinfektion,
Urothelkarzinom, Prostatakarzinom, Trauma
(z. B. Blasenkatheter), Kontamination: Menstruation (bei Frauen).
Fall
Differenzialdiagnose: s. Frage 98.1. Angiodysplasien sind bei alten Menschen häufiger Ursache einer unteren gastrointestinalen Blutung als kolorektale Karzinome. Sie treten vor allem in den proximalen Kolonabschnitten (Colon ascendens, Cae-
Tab. 98.1 Gradeinteilung der Hämorrhoiden
쐽 Nachweis von Leichtketten (bei monoklonaler
Gammopathie), Hämoglobin (bei Hämolyse)
oder Myoglobin (bei Muskeltrauma): prärenale Proteinurie (durch Überschreitung der tubulären Rückresorptionskapazität).
!!! 99.4 Zur definitiven Ursachenklärung führen
Sie eine Nierenbiopsie durch. Welche Informationen liefert Ihnen die Immunhistochemie?
쐽 Ablagerung von IgA im Mesangium: IgA-Nephropathie
쐽 Ablagerung von IgG und C3 an der Basalmembran: Anti-Basalmembran-Glomerulonephritis
(meist als Goodpasture-Syndrom mit Lungenbeteiligung)
쐽 Immunkomplexablagerung in Glomeruli:
Immunkomplex-Glomerulonephritis (bei systemischem Lupus erythematodes)
쐽 Glomerulonephritis ohne Immunkomplexablagerungen: Pauci-immune Glomerulonephritis, bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden (z. B.
Morbus Wegener, mikroskopische Polyangiitis).
KO M M E N TA R
Die IgA-Nephropathie ist die häufigste Glomerulonephritis im Erwachsenenalter.
320
Fall
99
Ätiologie und Pathogenese: Bezüglich einer Erythrozyturie s. Frage 99.1, bezüglich einer Proteinurie s. Frage 99.3. Pathomorphologisch zeigen sich
bei der IgA-Nephropathie eine Ablagerung von IgAImmunkomplexen im Mesangium sowie eine
mesangiale Zell- und Matrixvermehrung. Ursächlich wird eine Störung der IgA-Homöostase vermutet.
Antworten und Kommentar
Klinik: Im Gegensatz zu anderen Glomerulonephritiden ist bei der IgA-Nephropathie ein akuter Beginn mit Ödemen, Hypertonie und akuter Niereninsuffizienz die Ausnahme. Meist fällt eine Makrohämaturie auf, oder es wird eine Mikrohämaturie
als Zufallsbefund entdeckt.
Diagnostik: Jede unklare Erythrozyturie und jede
unklare Proteinurie muss ernst genommen und
weiter abgeklärt werden. Sehr häufig kommt es im
Rahmen einer Harnwegsinfektion zu Erythrozyturie. Besteht die Mikrohämaturie nach Behandlung der Infektion fort, so ergibt sich die Indikation
zu einer weiterführenden Diagnostik. Sowohl bei
der Abklärung einer Mikrohämaturie als auch bei
der Diagnostik einer Proteinurie sollte zunächst
möglichst nichtinvasiv geklärt werden, ob eine glomeruläre oder eine tubuläre Schädigung vorliegt.
Durch diese Differenzierung zwischen glomerulärer und tubulärer Schädigung lässt sich die Zahl
der in Frage kommenden Ursachen bzw. Differenzialdiagnosen deutlich reduzieren. Methoden zur
Differenzierung sind:
쐽 die Untersuchung des Urins im Phasenkontrastmikroskop: Der Nachweis von dysmorphen Erythrozyten und/oder Erythrozytenzylindern deutet auf eine glomeruläre Schädigung
hin, während normal geformte Erythrozyten als
unspezifisch zu bewerten sind.
쐽 die Urinproteinelektrophorese (s. Frage 99.3):
Sie bietet ergänzende Informationen über eine
glomeruläre oder tubuläre Schädigung: Die Ausscheidung vor allem normalerweise nicht glomerulär filtrierter kleiner Proteine (z. B. Albumin) spricht für eine glomeruläre Genese.
Demgegenüber ist eine isolierte Ausscheidung
noch kleinerer Proteine (β2-Mikroglobulin), die
normalerweise glomerulär filtriert und tubulär
rückresorbiert werden, ein Hinweis auf eine
Rückresorptionsstörung, die folglich auf eine
tubuläre Schädigung hinweist.
Ergeben die Protein- und Urindiagnostik Hinweise
auf eine Glomerulonephritis, sollte eine Nierenbiopsie erwogen werden, da aufgrund der unterschiedlichen Pathogenese und Prognose der einzelnen Glomerulopathien erhebliche Unterschiede
in den therapeutischen Konsequenzen bestehen.
Wie bei Frage 99.4 aufgeführt ist bei dieser Unterscheidung die immunhistochemische Färbung des
Nierenbiopsats von besonderer Bedeutung. Die Sonographie dient vor allem dem Ausschluss anderer
Ursachen einer Hämaturie (z. B. Nephrolithiasis,
Nierenkarzinom). Zum Ausschluss einer Einschränkung der Nierenfunktion sollten bei einer
akuten Glomerulonephritis im Verlauf regelmäßig
die Retentionsparameter und Elektrolyte kontrolliert werden.
Therapie: Bei Vorliegen einer Hypertonie oder einer Proteinurie von mehr als 1 g/d im Rahmen einer Glomerulonephritis sollte immer ein ACEHemmer oder ein AT1-Rezeptorantagonist gegeben
werden. Die Notwendigkeit einer immunsuppressiven Therapie hängt vom Typ der Glomerulonephritis und somit vom Ergebnis der Nierenbiopsie ab.
Prognose: Etwa 40% der Patienten mit einer IgANephropathie weisen im Verlauf eine Verschlechterung der Nierenfunktion auf. Nach einer Krankheitsdauer von 20 Jahren liegt bei etwa 20% der Patienten eine terminale Niereninsuffizienz vor.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Formen der primären Glomerulonephritis
Erkrankungen mit sekundärer Glomerulonephritis
Hanta-Virus-Infektion
Amyloidose
Fall 99 Seite 100
Fall 100 Myelodysplastisches Syndrom (MDS)
100.1 Nennen Sie Ihre primäre Verdachtsdiagnose sowie Differenzialdiagnosen!
쐽 Verdachtsdiagnose: myelodysplastisches Syndrom, da eine Panzytopenie mit Hinweisen auf
eine Dyserythropoese (MCV erhöht) besteht,
die Anamnese typisch ist (Z. n. Radiatio und
Chemotherapie) und keine Anhaltspunkte für
eine akute Leukämie (keine Blasten) vorliegen
쐽 Differenzialdiagnosen:
– megaloblastäre Anämie; eine ausgeprägte
Thrombozytopenie ist hier jedoch ungewöhnlich
– chronisch myeloproliferative Erkrankung
(z. B. Osteomyelofibrose); Ausschluss durch
Knochenmarkzytologie
– medikamentös-toxischer Knochenmarkschaden; hält jedoch meist nicht über Wochen an
– Immunthrombozytopenie mit Blutungsanämie; geht jedoch nicht mit Leukozytopenie einher.
100.3 Wie wird die Erkrankung klassifiziert?
Nennen Sie die Subtypen!
쐽 FAB-Klassifikation der myelodysplastischen
Syndrome (s. Kommentar):
– refraktäre Anämie
– refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten
– refraktäre Anämie mit Blastenexzess
– refraktäre Anämie mit Blasten in Transformation
– chronisch myelomonozytäre Anämie.
KO M M E N TA R
Die myelodysplastischen Syndrome (MDS) sind
durch eine qualitative und quantitative Veränderung der Hämatopoese gekennzeichnet. Die Ausreifungsstörung betrifft meist alle drei Zellreihen
und hat eine refraktäre Anämie, Neutropenie und
Thrombozytopenie zur Folge. Die Inzidenz liegt
bei ca. 3/100 000, im Alter über 70 Jahren bei
20/100 000 jährlich.
Ätiologie und Pathogenese: Meist ist die Ursache
des MDS unklar (primäre MDS). Typischerweise
können MDS durch eine Therapie mit myelosuppressiven Substanzen (z. B. Zytostatika), Radiatio,
Lösungsmittel (Benzol) und Pestizide induziert
werden (sekundäre MDS).
Einteilung: Die MDS werden nach der Klassifikation der French-American-British Cooperative
Group (FAB) eingeteilt (s. Frage 100.3). Ähnlich wie
die WHO-Klassifikation der MDS von 1999 orientiert sich die FAB-Klassifikation am Blastenanteil in
Blut und Knochenmark sowie an morphologischen
Veränderungen wie dem Nachweis von Ringsideroblasten oder einer peripheren Monozytose. Die
Subtypen der FAB und WHO-Klassifikation gehen
mit einer unterschiedlichen Prognose einher und
sind daher klinisch relevant.
Klinik: Initial sind MDS häufig asymptomatisch
(Zufallsbefund bei Blutbilduntersuchung). In späteren Stadien treten aufgrund der Zytopenie Müdigkeit, allgemeines Schwächegefühl, Infektanfälligkeit und Blutungsneigung auf.
Diagnostik und Differenzialdiagnosen: Der Nachweis passender Veränderungen im Blut (Anämie,
Neutropenie und Thrombozytopenie) und Knochenmark (s. Frage 100.2) sowie ggf. prädisponierende Faktoren in der Vorgeschichte (z. B. Chemotherapie, Radiatio) sichern die Diagnose. Trotz der
peripheren Zytopenie zeigt das Knochenmark typischerweise eine erhöhte oder zumindest norma-
Fall 100 Seite 101
100
Antworten und Kommentar
logie erwarten Sie, falls Ihre primäre Verdachtsdiagnose zutrifft?
쐽 Dyserythropoese: Typische Befunde sind Ringsideroblasten (Abb. 100.1), Makrozytose, Kernausreifungsstörungen, erhöhter Gehalt an Speichereisen
쐽 Dysgranulopoese: Vermehrung von Blasten,
Pelger-Huet-Kernanomalie (Hyposegmentierung der Granulozyten), Fehlen von Peroxidase
und Esterase
쐽 Dysthrombopoese: Mikromegakaryozyten,
mononukleäre Megakaryozyten.
321
Fall
100.2 Welchen Befund der Knochenmarkzyto-
Abb. 100.1 Ringsideroblast mit ringförmig um den
Zellkern angeordneten Mitochondrien (Pfeil). Diese sind
aufgrund ihrer Speicherung von Eisen, das nicht in Häm
eingebaut werden kann, elektronendicht (EM, Vergr.
1 : 10 000).
le Zellularität. Jedoch weist die Hämatopoese
morphologische Störungen auf (z. B. Ringsideroblasten, Blasten, Mikromegakaryozyten; s. Frage
100.2), was eine verminderte Freisetzung ausgereifter Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten zur Folge hat. Im peripheren Blut weisen die
Makrozytose der Erythrozyten (MCV erhöht), Megakaryozyten und hypersegmentierte Granulozyten auf ein MDS hin, sind jedoch nicht spezifisch.
Daher müssen andere hämatologische Erkrankungen, insbesondere chronisch-myeloproliferative
Erkrankungen, akut-toxische Knochenmarkschädigung, aber auch ein Vitamin-B12- oder Folsäuremangel ausgeschlossen werden. Die Untersuchung
von Knochenmark (Zytologie und Histologie) ist
hierzu essenziell.
Therapie und Prognose: Eine allogene Knochenmarktransplantation ist der einzige kurative Therapieansatz und sollte bei Patienten im Alter unter
322
50 Jahren erwogen werden, da die Prognose bei unbehandelten Patienten vor allem durch Zytopenieassoziierte Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen deutlich reduziert ist. Die Knochenmarktransplantation führt bei 40% der Patienten zu einer Heilung des MDS. Die transplantationsassoziierte Mortalität ist allerdings hoch, vor allem bei
älteren Patienten (Überlebenswahrscheinlichkeit
bei älteren Patienten nach 4 Jahren 17%). Die
symptomatische Therapie (z. B. bei älteren oder
nicht transplantablen Patienten) besteht im Zellersatz (Erythrozytenkonzentrate) und der frühzeitigen Behandlung von Infektionen. Blastenkrisen
können durch Chemotherapie behandelt werden.
Die Prognose kann über einen internationalen
Score abgeschätzt werden, in welchen die Zellmorphologie, das Ausmaß der Zytopenie und das Vorliegen von Chromosomenaberrationen eingehen.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fall
Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation
Vorgehen bei einer Erythrozytentransfusion (Blutgruppenbestimmung etc.)
Aplastische Anämie
101
Antworten und Kommentar
Fall 101 Cholera
101.1 Was ist die Ursache der Cholera?
쐽 Infektion durch Vibrio cholerae, ein kommaförmiges gramnegatives Stäbchenbakterium. Dieses bildet ein Enterotoxin, welches die Adenylatzyklase hemmt. Die erhöhte cAMP-Konzentration führt zu Hypermotilität und Hypersekretion im Dünndarm.
101.2 Bei welchen Symptomen muss an eine
Cholera gedacht werden?
쐽 Diarrhö: zunächst breiiger Stuhlgang mit rascher Zunahme der Stuhlfrequenz, dann wässrige Diarrhö mit Schleimfetzen („Reiswasserdiarrhö“)
쐽 Begleitend ist Erbrechen möglich.
쐽 Exsikkose aufgrund des massiven Flüssigkeitsverlustes durch die Diarrhö
쐽 Wadenkrämpfe, ggf. auch akutes prärenales
Nierenversagen und Hypotonie als Folge der
Exsikkose.
101.3 Was empfehlen Sie dem Patienten für
den Fall, dass diese Symptome auftreten?
쐽 Aufsuchen einer geeigneten Klinik bzw. eines
geeigneten Arztes in Nordindien
쐽 Diagnosesicherung: Nachweis des Erregers Vibrio cholerae im Direktpräparat aus dem Reiswasserstuhl
Fall 101 Seite 102
쐽 Therapie:
– Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten: z. B. Kochsalz in Glukoselösung (sog.
WHO-Lösung) oral, in schweren Fällen oder
bei Erbrechen parenterale Gabe
– Antibiotika: verkürzen die Erregerausscheidung und reduzieren die Stuhlfrequenz;
Mittel der Wahl sind Tetrazykline p. o., bei
schwerer Diarrhö i. v.
101.4 Wie ist die Prognose der Erkrankung?
쐽 gut bei rechtzeitiger Flüssigkeitssubstitution
(Letalität ⬍ 1%)
쐽 schlecht bei schweren Vorerkrankungen (z. B.
konsumierende Erkrankung wie Tuberkulose
oder Tumorleiden) oder verzögerter Therapie
(Letalität bis ⬎ 30%).
101.5 Sollte sich der Patient zum Schutz vor einer Cholera impfen lassen?
쐽 Ja, eine Impfung ist bei der Einreise in bestimmte Länder sogar vorgeschrieben. Der
Impfschutz ist jedoch nicht vollständig, schützt
nicht vor dem Biovar Bengal und hält nur etwa
6 Monate an.
쐽 Durchführung: Oraler Tot- oder Lebendimpfstoff.
KO M M E N TA R
Die Cholera ist eine vor allem in Asien häufig vorkommende infektiöse Durchfallerkrankung.
Ätiologie und Pathogenese: Erreger ist Vibrio cholerae, ein gramnegatives Stäbchenbakterium, das
anhand von Lipopolysaccharid (O)-Antigenen in
Serovare eingeteilt wird, die wiederum anhand
physiologischer Merkmale in Biovare unterteilt
werden. Infektionen mit dem Biovar El Tor verlaufen weniger schwer als die mit dem klassischen
Biovar Cholerae, der für die Cholera asiatica verantwortlich ist. Seit Anfang der 1990er-Jahre ist zudem der Biovar O139 „Bengal“ bekannt, der regional begrenzt in Indien und Bangladesh auftritt. In
Europa hat die Cholera keine Bedeutung, da sie hier
nicht endemisch ist und Reisende in Endemiegebiete meist nicht erkranken, weil sich in der Regel
nur minderernährte oder anderweitig kranke
Menschen infizieren.
Meldepflicht: In Deutschland sind Verdacht auf
Cholera, Erkrankung an und Tod durch Cholera
meldepflichtig.
Prophylaxe: Eine Impfung ist bei Einreise in einige
Länder mit Endemiegebieten vorgeschrieben, abgesehen von gesetzlichen Vorschriften für „normale“ Touristen aufgrund des geringen Infektionsrisikos aber nicht regelhaft erforderlich. Aufgrund der
langen Aufenthaltsdauer und der geplanten Tätigkeit als Entwicklungshelfer in einem Endemiegebiet ist bei o. g. Patienten von einem erhöhten Risiko auszugehen, so dass eine Immunisierung empfehlenswert ist. Die verfügbaren Impfstoffe bieten
jedoch keinen vollständigen Schutz, die Variante
„Bengal“ wird gar nicht erfasst (vgl. Frage 101.5).
Wichtigste Prophylaxe ist daher die konsequente
Beachtung hygienischer Maßnahmen („cook it,
peel it or leave it“).
Prognose: s. Frage 101.4.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Impfungen im Erwachsenenalter (Indikationen, Durchführung)
Differenzialdiagnosen der Diarrhö
Botulismus (Pathogenese)
Fall 102 Hypokaliämie
102.1 Was ist sehr wahrscheinlich Ursache der
von der Patientin beklagten Beschwerden? Begründen Sie Ihre Vermutung!
쐽 Verdachtsdiagnose: schwere Hypokaliämie
쐽 Begründung:
– Bei ungerechtfertigter Einnahme sehr hoher
Diuretikadosen (500 mg Furosemid/d) und
Polyurie ist eine starke Kaliumausscheidung
und somit eine Hypokaliämie sehr wahrscheinlich.
– Auch chronischer Laxanzienabusus (wie im
hier geschilderten Fall) ist eine häufige Ursache für eine chronische Hypokaliämie.
– Ventrikuläre Herzrhythmusstörungen und
Obstipation sind typische Manifestationen
einer Hypokaliämie.
Fall 102 Seite 103
323
102
Antworten und Kommentar
Klinik: Meist verläuft die Infektion asymptomatisch. Bei symptomatischem Verlauf beginnen die
Diarrhöen meist akut und gehen mit Erbrechen
einher. Typisch ist die sog. „Reiswasserdiarrhö“,
ein wässriger Stuhlgang mit kleinen Schleimpartikeln. Bei schweren Verläufen kommt es nicht selten täglich zu Flüssigkeitsverlusten, die das Körpergewicht des Patienten weit übersteigen. Kreislaufprobleme und die Gefahr eines prärenalen Nierenversagens (vgl. Frage 101.2) sind die Folge.
Therapie: Werden nicht umgehend ausreichende
Mengen Flüssigkeit substituiert, ist die Gefahr lebensbedrohlicher Komplikationen hoch. Neben einer adäquaten Zufuhr von Elektrolyten und Flüssigkeit sollte eine antibiotische Therapie erfolgen,
da diese die Erregerausscheidung verkürzt und
sich günstig auf die klinische Symptomatik auswirken kann. Tetrazykline werden als Mittel der Wahl
angesehen.
Fall
Die Übertragung erfolgt oral durch kontaminiertes Wasser oder kontaminierte Lebensmittel.
Falls die Vibrionen nicht durch die Magensäure
zerstört werden, vermehren sie sich im Darmtrakt
und produzieren ein Enterotoxin. Dieses bewirkt
eine permanente Aktivierung der Adenylatzyklase, was zu einer vermehrten Bildung von zyklischem AMP und dadurch zu einer Steigerung der
Motilität und Sekretion im Dünndarm mit massiven Diarrhöen führt.
Diagnostik: Voraussetzung für eine kausale Therapie ist die Sicherung der Diagnose. Aufgrund der
Vielzahl von Erregern von Durchfallerkrankungen
in tropischen Ländern sollte sie unbedingt angestrebt werden. Sie gelingt nur durch den direkten
mikroskopischen Nachweis des Erregers im
Stuhl.
– Das EKG (s. Abb. 102.1) zeigt eine horizontale ST-Streckensenkung, ein biphasisches T
und eine U-Welle, die mit der T-Welle verschmilzt. Somit liegen die typischen EKGZeichen einer Hypokaliämie vor.
102.2 Welche weiteren 6 Ursachen für diese
„Störung“ kennen Sie?
쐽 primärer Hyperaldosteronismus; sekundärer
Hyperaldosteronismus (chronische Herzinsuffizienz, dekompensierte Leberzirrhose)
쐽 Cushing-Syndrom
쐽 Nierenerkrankungen: polyurisches Stadium
des akuten Nierenversagens, Tubulopathien
(z. B. renal tubuläre Azidose)
쐽 Diarrhöen
쐽 schwere Alkalose
324
Fall
102
쐽 Medikamente: Diuretika, Glukokortikoide, Laxanzien, Insulin, Antibiotika (Penicilline, Aminoglykoside, Amphotericin B).
102.3 Wie würden Sie die Patientin behandeln,
falls Ihre Verdachtsdiagnose zutrifft?
쐽 parenterale Kaliumgabe:
– bei peripher-venöser Gabe maximal
40 mmol Kaliumchlorid pro Liter
– Cave: hohe Kaliumkonzentrationen nicht zu
schnell verabreichen, sonst besteht die Gefahr von Kammerflimmern; maximal
40 mmol/h (z. B. über zentralvenösen Katheter)!
쐽 parenterale Gabe kaliumreicher Flüssigkeit
(z. B. Ringer-Lösung oder 1000 ml NaCl 0,9%
+ 20 mval KCl), um das Volumendefizit durch
die Diuretikaeinnahme auszugleichen
쐽 zunächst Überwachung am EKG-Monitor.
KO M M E N TA R
Eine Hypokaliämie besteht ab einer Serumkaliumkonzentration von ⬍ 3,5 mmol/l. Die Hypokaliämie
ist die häufigste Elektrolytentgleisung.
Antworten und Kommentar
Ätiologie: s. Frage 102.1 und 102.2. Die Einnahme
von Diuretika, auch in therapeutischen Dosen, ist
die häufigste Ursache einer Hypokaliämie. Zu einer
iatrogenen Hypokaliämie kommt es, wenn bei einem entgleisten Diabetes mellitus Typ I mit Ketoazidose Insulin infundiert wird, ohne dass
gleichzeitig Kalium appliziert wird. Ursache der
Hypokaliämie ist dann zum einen die Wirkung des
Insulins (fördert den Kaliumeinstrom in die Zellen), zum anderen der Ausgleich der metabolischen Azidose.
Klinik: Eine leichte Hypokaliämie verläuft oft
asymptomatisch. Symptome treten bei schwerer
Hypokaliämie bzw. bei einem sehr raschen Abfall
des Serumkaliumspiegels auf. Typische Symptome
sind Muskelschwäche, Obstipation (bis hin zum
Ileus), Harnverhalt infolge Blasenschwäche sowie
Herzrhythmusstörungen. Bei Herzrhythmusstörungen in Form ventrikulärer Extrasystolen und
Tachykardien bis zum Kammerflimmern sind die
Patienten vital gefährdet.
Diagnostik: Zur Diagnosestellung muss Kalium im
Serum bestimmt werden. Typischer EKG-Befund
der Hypokaliämie ist eine Abflachung oder biphasische Veränderung der T-Welle und die Ausbildung einer U-Welle, die mit der T-Welle verschmilzt. Bei einer schweren Hypokaliämie kann
eine ST-Streckensenkung hinzutreten. Kann eine
medikamentöse oder iatrogene Hypokaliämie sicher ausgeschlossen werden, müssen andere Ursachen geprüft werden (s. Frage 102.2). Dabei sollte
zunächst geprüft werden, ob ein renaler Kaliumverlust vorliegt. Daher ist zur weiteren Abklärung
eine Bestimmung der Kaliumausscheidung im 24Stunden-Urin sinnvoll. Zudem sollte mittels einer
Blutgasanalyse eine Störung des Säure-BasenHaushalts ausgeschlossen werden. Liegt eine unklare Hypertonie vor, muss ein primärer Hyperaldosteronismus ausgeschlossen werden (Aldosteronbestimmung i. S. ). Chronische Diarrhöen oder
Erbrechen als Ursache einer Hypokaliämie können
in der Regel durch gezielte Befragung identifiziert
werden.
Therapie: Neben der Kaliumsubstitution (Verfahren und Probleme s. Ätiologie und Frage 102.3)
sollte immer eine kausale Behandlung angestrebt
werden, die im Falle der Diuretika-induzierten Hypokaliämie vor allem in einer Information des Patienten (oder dessen betreuenden Arztes) besteht.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hyperkaliämie
Hyperaldosteronismus (Formen, Diagnostik)
Kammerflimmern: Ursachen, Therapie
Renal tubuläre Azidose
Fall 102 Seite 103
Fall 103 Ösophaguskarzinom
103.1 Welche Erkrankung könnte bei diesem
Patienten vorliegen?
쐽 Ösophaguskarzinom, da der erhebliche ungewollte Gewichtsverlust auf ein Tumorleiden
hinweist, retrosternale Schmerzen in Verbindung mit Schluckstörungen auf eine Erkrankung des Ösophagus hinweisen, zwei wichtige
Risikofaktoren vorliegen (Rauchen, Alkoholabusus) und die Anämie eine Tumoranämie
sein kann.
103.3 Welche 4 Untersuchungen sind bei gesicherter Diagnose noch sinnvoll?
쐽 Staging des Ösophaguskarzinoms:
– CT von Thorax und Abdomen: lokale Infiltration, Metastasen?
– Abdomensonographie: Metastasen?
– Endosonographie: lokale Ausbreitung,
Lymphknotenstatus?
– Skelettszintigraphie: Metastasen?
– Röntgen-Thorax: Metastasen?
103.2 Was ist die wichtigste Untersuchung zur
Diagnosesicherung?
쐽 Ösophagogastroduodenoskopie (Abb. 103.1)
mit Entnahme multipler Biopsien zur histologischen Untersuchung = Diagnosesicherung
103.4 Wie breitet sich die Erkrankung typischerweise im Körper aus?
쐽 frühzeitig lokale Infiltration angrenzender
Strukturen und submuköse Ausbreitung
쐽 frühzeitig lymphogene Metastasierung
쐽 hämatogene Metastasierung seltener und
meist erst präfinal, dann am häufigsten in die
Leber.
Fall
Abb. 103.1 Endoskopisches
Bild eines flächigen
Ösophaguskarzinoms
103
Ätiologie und Pathogenese: Prädisponierende
Faktoren zur Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms sind ein chronischer Alkoholabusus, Nikotinabusus und Mangelernährung, z. B. Folsäureoder Eisenmangel (vor allem Plummer-VinsonSyndrom). Eine typische Präkanzerose des Adenokarzinoms ist der Barrett-Ösophagus, eine Zylinderepithel-Metaplasie der Ösophagusschleimhaut
als Folge einer chronischen Refluxkrankheit. Ösophaguskarzinome treten bevorzugt an den 3 physiologischen Engen des Ösophagus auf: dem Ösophaguseingang, der Trachealbifurkation und der
Hiatusenge.
Klinik: Leitsymptome des Ösophaguskarzinoms
sind Schluckbeschwerden und ein rascher Gewichtsverlust. Diese Symptome stellen immer eine Indikation zur endoskopischen Diagnostik dar.
Diagnostik: Wichtigste Untersuchung zur Diagnosesicherung ist die Ösophagoskopie mit Biopsie
suspekter Läsionen oder Stenosen. Aufgrund der
schlechten Prognose (s. u.) ist eine möglichst frühe
Diagnosestellung besonders wichtig. Die Endosonographie ist hier besonders hilfreich, weil mit ihr
der 5-schichtige Aufbau der Ösophaguswand gut
dargestellt werden kann und intramukös wachsende Tumoren erkannt werden können, die bei
der endoskopischen Diagnostik nicht zur Darstellung kommen. Aufgrund der geringen Sensitivität
und Spezifität spielen Tumormarker in der Diagnostik des Ösophaguskarzinoms keine Rolle. Zu
weiteren Untersuchungen im Rahmen des Stagings
s. Frage 103.3.
Therapie: Therapie der Wahl des Ösophaguskarzinoms ist bei einem kurativen Therapieansatz die
Ösophagusresektion mit Lymphadenektomie.
Die operative Therapie ist jedoch nur mit dem Ziel
einer kompletten Tumorresektion sinnvoll und daher nur bei Tumorstadien mit geringer Eindringtiefe möglich (z. B. UICC-Stadium I und IIA bzw. T1N0
bis T2N0). Der Nutzen einer adjuvanten oder neoadjuvanten Radiochemotherapie ist derzeit noch unklar und daher zur Zeit kein Therapiestandard. Für
die überwiegende Zahl der Patienten kommen lediglich palliative Therapieverfahren in Frage. Ziel
dieser Verfahren ist vor allem eine Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Schluckvermögens. So kann durch endoskopische Bougierung
oder Lasern von Tumoranteilen die Nahrungspassage im Bereich von Stenosen zumindest vorübergehend wiederhergestellt bzw. erleichtert werden.
Fall 103 Seite 104
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Das Ösophaguskarzinom ist ein meist vom Plattenepithel des Ösophagus, selten von den Ösophagusdrüsen ausgehendes Malignom. Demzufolge unterscheidet man Plattenepithel- von Adenokarzinomen, wobei Plattenepithelkarzinome in Westeuropa mit einem Verhältnis von etwa 3 : 2 etwas
häufiger sind.
325
Alternativ kann eine perkutane endoskopische
Gastrostomie (PEG) zur Sondenernährung durchgeführt werden. Eine palliative Chemotherapie
wirkt beim Ösophaguskarzinom nicht lebensverlängernd und ist somit nicht indiziert.
Prognose: Aufgrund der frühzeitigen Infiltration
des Ösophaguskarzinoms in benachbarte Strukturen (bedingt durch die fehlende Serosa) und der
frühzeitigen Lymphknotenmetastasierung ist die
Prognose des Ösophaguskarzinoms ausgesprochen
schlecht. Weniger als 1/3 der Patienten kommt für
einen kurativen Therapieansatz in Frage.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Achalasie
Ösophagusdivertikel
Barrett-Ösophagus
Ursachen und Diagnose von Ösophagusmotilitätsstörungen
Fall 104 Sarkoidose
326
Fall
104
104.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Akute Sarkoidose (Löfgren-Syndrom), da bei
gleichzeitigem Vorliegen einer bihilären
Lymphadenopathie, einer Sprunggelenkarthritis und eines Erythema nodosum die 3 typischen klinischen Zeichen der akuten Sarkoidose nachweisbar sind und auch eine Hyperkalzämie für eine Sarkoidose typisch ist.
104.2 Welche pulmonalen und extrapulmona-
Antworten und Kommentar
len Manifestationen der Erkrankung kennen
Sie?
쐽 pulmonale Sarkoidose:
– Typ 0: unauffälliger pulmonaler Befund bei
extrapulmonaler Sarkoidose
– Typ I: bihiläre Lymphadenopathie
– Typ II: bihiläre Lymphadenopathie + retikulonoduläre Zeichnungsvermehrung
– Typ III: Lungenbefall ohne Lymphadenopathie
– Typ IV: Lungenfibrose
쐽 extrapulmonale Sarkoidose:
– Augen: Uveitis, Tränendrüsenbefall, Iridozyklitis
– Parotitis
– Knochen: typisch Daktylitis bei Nachweis
von intraössären Zysten
– Haut: Erythema nodosum, Lupus pernio
– Skelett- und Herzmuskulatur (z. B. Knochensarkoidose [Morbus Jüngling])
– Nervensystem: Meningitis granulomatosa,
Hirnnervenlähmungen.
104.3 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 3) schlagen Sie zur Sicherung der
Diagnose vor und welches Ergebnis erwarten
Sie?
쐽 histologische Sicherung: Biopsie aus befallenen Organen (z. B. Lunge, Lymphknoten). Typischer Befund: nicht verkäsende epitheloidzellhaltige Granulome.
쐽 Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage
(BAL): Typisch ist eine lymphozytäre Alveolitis
mit erhöhtem CD4/CD8-Quotienten (⬎ 2, oft
⬎ 5)
쐽 Tuberkulin-Test und Multi-Merieux-Test:
negativ
쐽 Angiotensin converting enzyme (ACE) und
löslicher Interleukin-2-Rezeptor (s-IL-2 R): bei
Sarkoidose im Serum häufig erhöht, jedoch
nicht sarkoidosespezifisch.
KO M M E N TA R
Die Sarkoidose ist eine Systemerkrankung mit epitheloidzelligen, nicht verkäsenden Granulomen.
Sie manifestiert sich in über 90% der Fälle an der
Lunge.
Ätiologie: Die Ursache ist unbekannt.
Klinik: Die Konstellation aus einer Sprunggelenkarthritis, einem Erythema nodosum und einer bihilären Lymphadenopathie ist hochverdächtig auf
das Vorliegen einer akuten Verlaufsform der Sarkoidose. Diese Trias wird auch als Löfgren-Syndrom bezeichnet. Auch die leichtgradige Hyper-
Fall 104 Seite 105
kalzämie ist eine typische Manifestation der Sarkoidose und auf eine vermehrte Produktion von
1,25-(OH2)-Vitamin-D3 in den Epitheloidzellen zurückzuführen. Die chronische Sarkoidose ist wie
die akute Sarkoidose durch die fast immer vorhandene pulmonale Beteiligung charakterisiert, die
anfangs häufig asymptomatisch ist und sich später
durch Husten und Dyspnö äußert. Eine rein extrathorakale Sarkoidose ist eine Rarität. Bei chronischer Sarkoidose finden sich evtl. die in Frage 104.2
genannten extrapulmonalen Manifestationen.
Diagnostik: Die Diagnose einer Sarkoidose sollte
aufgrund der vielen möglichen Differenzialdiagnosen (s. u.) immer histologisch durch eine Biopsie
aus einem der befallenen Organe (meist Lymphknoten oder Lunge) gesichert werden. Für die Differenzialdiagnose kann neben der Histologie und
Bakteriologie (Ausschluss einer Tuberkulose) der
Befund der bronchoalveolären Lavage hilfreich
sein. Die BAL-Zytologie bei einer Sarkoidose zeigt
typischerweise eine lymphozytäre Alveolitis mit
deutlichem Überwiegen der CD4-positiven T-Helferzellen. Der CD4/CD8-Quotient liegt meist über
2 (normal 2).
Therapie: Aufgrund der guten Prognose der akuten Sarkoidose ist eine Therapie mit Glukokortikoiden nicht grundsätzlich erforderlich. Bei starken Gelenkbeschwerden können nichtsteroidale
Antirheumatika verabreicht werden.
Bei einer chronischen Sarkoidose bedarf eine isolierte Lymphadenopathie ohne Veränderungen des
Lungenparenchyms keiner Therapie. Die Indikation zu einer Glukokortikoidtherapie ergibt sich bei
einer funktionell relevanten (d. h. mit einer Verschlechterung der Lungenfunktion einhergehenden) pulmonalen Sarkoidose ab Typ II (s. Frage
104.2), da es bei einer Progression der Erkrankung
zu einer dann irreversiblen Lungenfibrose kommen kann.
Prognose: Die akute Sarkoidose hat eine gute Prognose und heilt in der Regel innerhalb weniger Monate spontan aus. Bei mehr als jedem 4. Patienten mit
einer Sarkoidose vom Typ II oder III tritt im Verlauf
eine restriktive Ventilationsstörung auf. Bis zu 10%
der Patienten sterben an Folgen der Erkrankung.
105
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fall 105 Supratentorieller Hirninfarkt
105.2 Welche Diagnose ist in Anbetracht des
EKG-Befundes am wahrscheinlichsten?
쐽 Verdachtsdiagnose: Hirnembolie bei Vorhofflimmern. EKG-Befund: Das Vorhofflimmern ist
aufgrund der unregelmäßigen RR-Abstände
und der fehlenden Abgrenzbarkeit von P-Wellen gut zu erkennen.
105.3 Welche weiteren diagnostischen Maßnahmen (mindestens 7) sind erforderlich? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 ausführliche klinisch-neurologische Untersuchung, um keine Symptome oder Befunde zu
übersehen
쐽 CT des Schädels (CCT): Differenzierung zwischen Hirninfarkt und intrazerebraler Blutung
쐽 Labor (der Blutzucker ist ja bereits bestimmt,
s. o.):
– als Minimalprogramm Blutbild, Elektrolyte,
Gerinnung im Hinblick auf eine mögliche
therapeutische Intervention
– Cholesterin, HDL, LDL, Triglyzeride zur Erfassung des kardiovaskulären Risikoprofils
– HbA1 c zur Kontrolle der Blutzuckereinstellung
– Digitoxinspiegel, da leichte ST-Senkungen
im EKG erkennbar sind (möglicher Hinweis
auf Überdosierung)
쐽 Blutgasanalyse zum Ausschluss einer respiratorischen Insuffizienz, z. B. durch Beteiligung
des Atemzentrums
쐽 Röntgen-Thorax zum Ausschluss einer Aspiration
쐽 Doppler- oder Duplexsonographie der hirnversorgenden Gefäße zwecks Suche nach Stenosen und Plaques
Fall 105 Seite 106
Antworten und Kommentar
Morbus Wegener
Lymphome
Interstitielle Lungenerkrankungen
Histiocytosis X
105.1 Welchen laborchemischen Test müssen
Sie bei dem Patienten sofort durchführen?
쐽 Bestimmung der Glukose, um eine protrahierte
Hypoglykämie unter einer Therapie mit einem
Sulfonylharnstoffpräparat auszuschließen.
327
Fall
Differenzialdiagnosen: Eine bihiläre Lymphadenopathie kann auch Ausdruck einer Lymphknotentuberkulose (hier Lymphadenopathie meist
einseitig, Tuberkulintest positiv), eines malignen
Lymphoms oder einer Metastase eines Bronchialkarzinoms sein. Bei einer pulmonalen Sarkoidose
Typ II oder Typ IV müssen andere interstitielle Lungenerkrankungen wie eine exogen allergische Alveolitis (hier typischerweise CD8-Alveolitis mit
Überwiegen der T-Suppressorzellen), eine idiopathische Lungenfibrose (neutrophile Alveolitis), eine Pneumokoniose (Quarzstaubexposition) und
eine Miliartuberkulose (Nachweis säurefester
Stäbchen) ausgeschlossen werden.
쐽 transösophageale Echokardiographie (TEE)
zum Ausschluss von Thromben im linken Vorhof, da im EKG Vorhofflimmern erkennbar ist.
In der transthorakalen Echokardiographie ist
dies weniger gut beurteilbar.
105.4 Unter welchen Umständen würden Sie
eine Thrombolysetherapie durchführen?
쐽 Beginn der Lysetherapie innerhalb von 3 Stunden nach Beginn der Symptome
쐽 zuvor Ausschluss einer intrazerebralen Blutung
durch ein CCT
쐽 weniger als 1/3 des Mediastromgebietes vom Infarkt betroffen
쐽 keine Kontraindikation gegen eine Lysebehandlung, z. B. Operation vor wenigen Tagen,
Hirnarterienaneursyma, Gerinnungsstörung,
Pankreatitis, Z. n. Liquorpunktion, schwere Leber- oder Niereninsuffizienz, schwere diabetische Retinopathie, schwere Allgemeinerkrankung wie Tumorleiden.
105.5 Was unternehmen Sie?
쐽 regelmäßige Blutdruckkontrolle
쐽 zunächst keine antihypertensive Therapie
(s. Kommentar)
쐽 Oberkörperhochlagerung von 30⬚.
KO M M E N TA R
328
Fall
105
Als Hirninfarkt bezeichnet man ein neurologisches
Defizit, das Folge einer zerebralen Durchblutungsstörung ist und sich nicht oder nur teilweise zurückbildet. Zu den übrigen Verlaufsformen einer
zerebralen Ischämie s. Fall 57.
Antworten und Kommentar
Ätiologie: Häufigste Ursache eines Hirninfarkts ist
eine Thrombose hirnversorgender Arterien. Aufgrund des kardiovaskulären Risikoprofils des Patienten (arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus)
ist daher eine Atherosklerose als Ursache eines
ischämischen Insults sehr gut möglich. Zweithäufigste Ursache ist eine Embolie aus dem linken Vorhof auf dem Boden eines Vorhofflimmerns (auch
dies liegt bei dem hier vorgestellten Patienten vor).
Weitere, eher seltene Ursachen sind Gefäßanomalien, Vaskulitiden oder ein Subclavian-steal-Syndrom.
Klinik: Das klinische Bild hängt vom betroffenen Gefäßstromgebiet ab. Typische Leitsymptome
eines supratentoriellen Hirninfarkts sind eine
Hemisymptomatik (Halbseitenlähmung, halbseitige Sensibilitätsstörung) sowie eine Sprachstörung
(Aphasie) bei Affektion des Sprachzentrums.
Komplikation: Ein erhöhter Hirndruck ist bei einem ischämischen Insult nicht primär Folge einer
arteriellen Hypertonie, sondern beruht meist auf
einem Hirnödem oder einer sekundären Einblutung mit raumfordernder Wirkung. Da die Schädelkalotte keine Ausdehnung zulässt, steigt der
Hirndruck.
Diagnostik: Eine protrahierte Hypoglykämie kann
durch eine Neuroglukopenie durchaus Symptome
eines zerebralen ischämischen Insults imitieren.
Daher sollte insbesondere bei Patienten mit Diabetes mellitus immer umgehend eine Blutzuckerbestimmung erfolgen. Da nach erfolgreicher Behandlung einer Hypoglykämie der Patient in wenigen
Minuten völlig beschwerdefrei sein kann, sollte
diese Behandlung nicht verzögert werden, zumal
sich eine intensive Diagnostik (z. B. CT) dann erübrigen kann. Nach Ausschluss einer Hypoglykämie
Fall 105 Seite 106
(s. Frage 105.1) ist wahrscheinlich ein Hirninfarkt
oder eine intrazerebrale Blutung Ursache der Hemiparese und der Aphasie (typische Leitsymptome). In einer kraniellen CT (CCT) würde sich eine
intrazerebrale Blutung als hyperdense, raumfordernde Struktur darstellen, andernfalls ist ein
Hirninfarkt anzunehmen; dieser ist aber in der
Frühphase im CT häufig noch nicht demarkiert (die
MRT bietet hier Vorteile, da Veränderungen schon
eher als 2 Stunden nach Symptombeginn erkennbar sind), sondern erst nach 8 – 12 Stunden.
Zur Abklärung der Ursachen des Hirninfarkts sollten eine ausführliche Labordiagnostik (s. Frage
105.3), eine Doppler- oder Duplexsonographie
der hirnversorgenden Gefäße durchgeführt sowie
ein EKG abgeleitet werden. Bei auffälligen EKG-Befunden (wie in diesem Fall das Vorhofflimmern)
sollte eine transösophageale Echokardiographie
durchgeführt werden (Thromben im linken Vorhof
als Emboliequelle?).
Therapie: Therapie der Wahl ist die Gabe von Acetylsalicylsäure bereits in der Akutphase (nach Ausschluss einer Blutung), wenn eine thrombotische
Genese möglich ist, sowie eine Antikoagulation
mit Heparin (Vollheparinisierung). Bei dem hier
vorgestellten Patienten ist aufgrund des Vorhofflimmerns zudem später eine orale Antikoagulation erforderlich.
Bei einem ischämischen Insult sollte immer an die
Möglichkeit einer Thrombolysetherapie gedacht
werden. Aufgrund des engen Zeitfensters von
3 Stunden ist hierzu eine zügige Diagnostik erforderlich (s. Frage 105.4).
Da bei einem frischen Hirninfarkt eine rasche medikamentöse Blutdrucksenkung die Perfusion und
Sauerstoffversorgung im Infarktgebiet verschlechtern kann, ist zunächst eine engmaschige Blutdruckkontrolle empfehlenswert. Lediglich bei
sehr hohen Werten (⬎ 200/110 mmHg) oder Komplikationen (z. B. dekompensierte Linksherzinsuffizienz) kann der Blutdruck vorsichtig medika-
mentös gesenkt werden (maximal um 20%).
Zur Prophylaxe eines erhöhten intrakraniellen
Drucks sollte eine Oberkörperhochlagerung um
30⬚ erfolgen. Zudem sollte engmaschig der Blutzucker (vor allem bei einem Diabetiker, wie im vorliegenden Fall) kontrolliert werden, da eine Hyperglykämie den intrakraniellen Druck steigern kann.
Prognose: Sie hängt von der Lokalisation und Größe des Infarkts sowie von der adäquaten Therapie
und Betreuung des Patienten ab. Pauschale Aussagen sind nicht möglich.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Therapie des Vorhofflimmerns
Vorgehen bei intrazerebraler Blutung
Kardiovaskuläre Risikofaktoren
!!!
Fall 106 Karzinoid(syndrom)
106.4 Wo ist die vermutete Erkrankung am
häufigsten lokalisiert?
쐽 Im Gastrointestinaltrakt (90% der Fälle), vor allem in der Appendix und im terminalen Ileum.
106.5 Was muss eintreten, damit die vermutete Erkrankung symptomatisch wird?
쐽 Eine Metastasierung in die Leber. Das von Karzinoiden des Darms sezernierte Serotonin gelangt über die V. portae in die Leber und wird
dort durch Enzyme (Monoaminooxidasen) abgebaut, so dass keine Flushsymptomatik auftritt. Erst bei einer Leberfilialisierung wird
durch die Lebermetastasen Serotonin freigesetzt, welches unverändert in die Lebervenen
und somit in die Zirkulation gelangt.
KO M M E N TA R
Das Karzinoid ist ein von neuroendokrinen Zellen
ausgehender Tumor. Es tritt vor allem im Gastrointestinaltrakt (90%, s. Frage 106.4), seltener im
Bronchialsystem (10%) auf und produziert und sezerniert wie die Ausgangszellen biogene Amine
und/oder Peptide, z. B. Serotonin, Kallikrein. Es metastasiert relativ frühzeitig, zuerst lymphogen,
dann hämatogen.
Klinik: Nicht metastasierte Karzinoide verursachen keine Symptome (s. Frage 106.5); solche Karzinoide der Appendix werden meist als Zufallsbefund in histologischen Präparaten der Appendix
nach einer Appendektomie entdeckt. Serotonin
freisetzende Karzinoidmetastasen in der Leber
führen zum Karzinoidsyndrom, das durch eine
anfallsartig auftretende, mit Wärmegefühl und
Tachykardie
einhergehende
Gesichtsrötung
(„Flush“), intermittierende Diarrhöen und kolikartige Bauchschmerzen charakterisiert ist. Ebenfalls
typisch für das Karzinoidsyndrom sind die Erstmanifestation einer arteriellen Hypertonie und asthmaähnliche Beschwerden. Gelegentlich kommt es
zu einer Endokardfibrose.
Fall 106 Seite 107
329
106
Antworten und Kommentar
106.2 Welche Untersuchung schlagen Sie als
Suchtest zur weiteren Abklärung vor?
쐽 Bestimmung der 5-Hydroxyindolessigsäure im
24-Stunden-Urin.
106.3 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 4) sind erforderlich, wenn der
Suchtest positiv ausfällt?
쐽 Abdomensonographie, ggf. CT
쐽 Endosonographie
쐽 Thorax-CT, ggf. Bronchoskopie
쐽 Somatostatinrezeptor-Szintigraphie.
Fall
106.1 Nennen Sie mindestens eine Erkrankung, welche die Symptomatik des Patienten erklären könnte!
쐽 Karzinoid: Die anfallsartige Gesichtsrötung
(Flush) in Verbindung mit den Diarrhöen, den
abdominellen Schmerzen und der Tachykardie
sowie der Gewichtsabnahme sind typische
Symptome eines Karzinoidsyndroms.
쐽 systemische Mastozytose: tritt paraneoplastisch auf, so dass ein Primärtumor zu erwarten
ist. Die Hautrötung betrifft nicht nur das Gesicht.
쐽 evtl. schwere Nahrungsmittelallergie: Abhängigkeit der Beschwerden von der Nahrungsaufnahme.
쐽 evtl. schwere Hyperthyreose: Ausschluss
durch Bestimmung des basalen TSH.
Diagnostik: Liegt die oben beschriebene Symptomatik (klassische Trias Flush, Diarrhö, Tachykardie) in mehr oder weniger typischer Form vor, sollte eine weiterführende Diagnostik zum Ausschluss
eines Karzinoids erfolgen. Hierzu wird der Serotoninmetabolit 5-Hydroxyindolessigsäure im 24Stunden-Sammelurin bestimmt. Bei deutlich erhöhten Werten ist eine bildgebende Diagnostik erforderlich. Eine Szintigraphie unter Verwendung
des Tracers 131J-Metajodbenzylguanidin (MIBG)
kann Karzinoide sehr spezifisch nachweisen. Allerdings ist die Sensitivität der MIBG-Szintigraphie
für Karzinoide mit ca. 70% nicht sehr hoch, so dass
bei unauffälliger Szintigraphie weitere bildgebende Verfahren (Endoskopie, CT, Sonographie) eingesetzt werden sollten. Ergänzend zur Primärtumorsuche sollten hepatische Filiae ausgeschlossen
werden (Sonographie, MRT, CT der Leber).
330
Differenzialdiagnosen: s. Frage 106.1.
Therapie: Therapie der Wahl des Karzinoids ist die
operative Entfernung des Tumors mit kurativem
Ansatz. Eine Chemotherapie wird derzeit als wenig
sinnvoll angesehen. Symptomatisch kann bei inoperablen Patienten mit Octreotid (Somatostatinanalogon) die Serotoninsekretion vermindert
werden.
Prognose: Sie ist abhängig vom Ausbreitungsstadium: Bei lokalisierten Appendixkarzinoiden (beste Prognose) beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate
bis zu 99%, bei metastasierten Bronchialkarzinoiden (schlechteste Prognose) nur 30 – 70%. Rezidive können auch noch lange nach einer primär erfolgreichen Therapie auftreten. Jährliche Kontrollen (5-Hydroxyindolessigsäure im 24-StundenSammelurin) sind daher erforderlich.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fall
Phäochromozytom
Cushing-Syndrom
Systemische Mastozytose
Nahrungsmittelallergien: diagnostisches Vorgehen
107
Antworten und Kommentar
Fall 107 Vorhofflattern
107.1 Welche Diagnose stellen Sie? Begründen
Sie Ihre Aussage anhand des EKG-Befundes!
쐽 Diagnose: Vorhofflattern (gewöhnlicher Typ)
쐽 Begründung: Das EKG (s. Abb. 107.1) zeigt eine
rhythmische Tachykardie mit schmalen Kammerkomplexen. Zwischen den einzelnen QRSKomplexen sind mehrere P-Wellen sichtbar,
wobei eine regelmäßige 2 : 1-Überleitung der
Vorhofaktionen erkennbar ist. Differenzialdiagnostisch kommt eine schnelle ektope Vorhofta-
Abb. 107.1 EKG bei Vorhofflattern: regelmäßige 2 : 1Überleitung der Vorhofaktionen, Vorhofflatterwellen mit
einer Frequenz von 250/min, schmale QRS-Komplexe
mit einer Frequenz von 125/min
Fall 107 Seite 108
chykardie in Frage. Diese ist durch kleine, spitz
konfigurierte P-Wellen auf einer isoelektrischen Grundlinie charakterisiert. Demgegenüber ist der vorliegenden EKG aufgezeichnete
sägezahnförmige Stromkurvenverlauf typisch
für Vorhofflattern. Eine eigentliche isoelektrische Grundlinie fehlt hier. Die P-Wellen in Ableitung II und III sind negativ. Somit liegt ein
Vorhofflattern vom gewöhnlichen Typ vor.
107.2 Welche Therapiemöglichkeiten bestehen?
쐽 beim hämodynamisch stabilen Patienten:
– bei Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung (z.B ohne KHK) Antiarrhythmika der
Klasse I (z. B. Flecainid) oder der Klasse III
(Sotalol oder Amiodaron)
– alternativ oder bei Tachykardie β-Blocker
oder Verapamil oder Digitalis zur Frequenzsenkung
쐽 beim hämodynamisch instabilen Patienten:
– elektrische Kardioversion, R-Zacken-getriggert mit niedriger Energie (50 – 100 J)
– alternativ atriale Überstimulation über passager angelegtes Elektrodenkabel im rechten Vorhof; nur beim gewöhnlichen Typ erfolgreich, da hier die kreisende Erregung
ihren Ursprung ausschließlich im rechten
Vorhof hat (Erfolgsrate hier 80%).
쐽 Cave: Besteht das Vorhofflattern seit mehr als
48 Stunden, sollte vor jedem Rhythmisierungsversuch eine transösophageale Echokardiographie zum Ausschluss linksatrialer Thromben
erfolgen (dann Antikoagulation)!
107.3 Welche therapeutische Maßnahme ergreifen Sie, wenn die Herzrhythmusstörung wiederholt auftritt?
쐽 Katheterablation.
KO M M E N TA R
Das Vorhofflattern ist durch eine Vorhoffrequenz
von 250 – 350/min und gleichmäßige Überleitung
der Vorhofaktionen auf den Ventrikel charakterisiert.
Einteilung: Man unterscheidet das häufigere Vorhofflattern vom „gewöhnlichen Typ“ (common
type oder Typ I) vom selteneren „ungewöhnlichen
Typ“ des Vorhofflatterns (uncommon type oder
Typ II).
Diagnostik: Die Diagnose wird anhand des EKGs
gestellt (s. Frage 107.1). Die Flatterwellen beim gewöhnlichen Typ des Vorhofflatterns sind in den
Ableitungen II, II und aVF in der Regel negativ, selten aber auch positiv bei gleichartigem Sägezahnmuster (sog. „reversed type“ des Typ I).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Präexzitationssyndrome
Präoperative Vorbereitung auf eine aortokoronare Bypassoperation, mögliche peri- und
postoperative Komplikationen
Mögliche Nebenwirkungen von Amiodaron
Fall 108 Infarktpneumonie
108.1 Stellen Sie eine Verdachtsdiagnose!
쐽 Infarktpneumonie bei hämorrhagischem Lungeninfarkt, da erhebliche Risikofaktoren für eine Thrombembolie bestehen (postoperativer
Zustand/Immobilisation nach Hüftoperation,
weibliches Geschlecht, Adipositas), die akut
einsetzenden rechtsthorakalen Schmerzen für
eine pulmonale und gegen eine kardiale Gene-
se der Beschwerden sprechen, eine respiratorische Partialinsuffizienz besteht (wie bei
Lungenembolie), die Hämoptysen typisch für
einen Lungeninfarkt sind, ein fieberhaftes
Krankheitsbild nach Einsetzen der Schmerzsymptomatik aufgetreten ist und das Röntgenbild ein typisches keilförmiges Infiltrat im Mittel- und Unterfeld der rechten Lunge zeigt.
Fall 108 Seite 109
331
108
Antworten und Kommentar
Klinik: Die klinische Symptomatik hängt individuell von der Kammerfrequenz und der Pumpleistung des Herzens ab. Häufig werden Palpitationen
(„Herzrasen“), Schwindel und Dyspnö angegeben.
Synkopen sind möglich. Thrombembolien (z. B.
Hirninfarkt) können das klinische Bild dominieren.
Bei erkennbarer hämodynamischer Relevanz des
Vorhofflatterns sollte eine Wiederherstellung eines Sinusrhythmus durch elektrische Kardioversion angestrebt werden. Vorhofflattern vom gewöhnlichen Typ kann zudem in über 90% der Fälle
mittels atrialer Überstimulation unter Verwendung eines Elektrodenkatheters beendet werden.
Sowohl bei der elektrischen Kardioversion als auch
bei der atrialen Überstimulation resultiert oft zunächst ein Vorhofflimmern, welches meist nach
kurzer Zeit spontan in einen Sinusrhythmus konvertiert. Langzeittherapie der Wahl des Vorhofflatterns vom gewöhnlichen Typ ist die Hochfrequenzablation des posterioren Isthmus. Durch
diese definitive Therapie ist der Patient in über 90%
der Fälle anfallsfrei, so dass eine dauerhafte medikamentöse Therapie nicht erforderlich ist.
Fall
Ätiologie: Ursache des Vorhofflatterns ist eine
kreisende Erregung im rechten Atrium (gewöhnlicher Typ) oder im rechten und linken Atrium (ungewöhnlicher Typ). Diese kann als Folge einer organischen Herzerkrankung, aber auch bei Gesunden auftreten. Typisch ist das Vorhofflattern nach
Herzoperationen (wie im vorliegenden Fall), vor allem wenn im Rahmen des Eingriffs eine Atriotomie
erfolgte.
Therapie: Eine medikamentöse Akuttherapie (s.
Frage 107.2) kommt nur für Patienten mit geringen
Beschwerden in Frage, bei denen keine akzessorische atrioventrikuläre Leitungsbahn, d. h. kein Präexzitationssyndrom vorliegt, denn die vor allem
auf den AV-Knoten gerichtete Wirkung der Antiarrhythmika kann bei einem Präexzitationssyndrom
den Übergang der Erregung auf die akzessorische
Bahn und somit eine 1 : 1-Überleitung der Vorhofaktionen auf den Ventrikel bewirken. Dies hat eine
Ventrikelfrequenz von 250 – 350/min zur Folge, die
zum myokardialen Pumpversagen führt.
332
Fall
108
108.2 Welche 5 Untersuchungen (in der Reihenfolge des praktischen Vorgehens) schlagen
Sie zur Sicherung Ihrer Verdachtsdiagnose vor?
Begründen Sie Ihren Vorschlag!
쐽 Laboruntersuchungen: Ausschluss von zu einer Lungenembolie prädisponierenden Faktoren, z. B. durch Bestimmung der Protein-C- und
Protein-S-Aktivität (Protein-C- oder Protein-SMangel?), Suche nach der Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz?)
쐽 EKG: Suche nach Rechtsherzbelastungszeichen,
Ausschluss konkurrierender Ursachen für den
initialen Thoraxschmerz
쐽 Doppler-Sonographie der Beinvenen: Suche
nach einer tiefen Beinvenenthrombose als Ursache der Lungenembolie
쐽 Sputumuntersuchung auf pathogene Keime
mit Resistenzprüfung
쐽 Spiral-CT oder Angio-MRT des Thorax oder,
falls dies nicht verfügbar ist, Lungenperfusions- und Ventilationsszintigraphie zur Sicherung einer Lungenembolie.
108.3 Welche therapeutischen Maßnahmen
schlagen Sie vor, falls Ihre Verdachtsdiagnose
zutrifft?
쐽 Sauerstoffgabe (2 – 3 l/min), dann Kontrolle der
Blutgasanalyse
쐽 Antibiotikatherapie, z. B. Cephalosporin 2.
oder 3. Generation oder Acylaminopenicillin
mit oder ohne β-Laktamaseinhibitor
쐽 Vollheparinisierung mit niedermolekularem
(fraktioniertem) Heparin (gewichtsadaptierte
Dosierung) oder mit unfraktioniertem Heparin
(Ziel: Verlängerung der PTT auf das 1,5- bis 2fache der Norm)
쐽 später überlappend orale Antikoagulation.
108.4 Erklären Sie in wenigen Stichworten die
Pathogenese dieser Lungenerkrankung! Was ist
die Ursache der „roten Stippchen“ in der Anamnese?
쐽 Embolie kleiner peripherer Pulmonalarterien
distal der Anastomosen zum Bronchialkreislauf
씮 keine kompensatorische Blutversorgung
über die Bronchialarterien 씮 Lungeninfarkt
mit Untergang von Lungengewebe 씮 Einblutung in die Nekrosezone und von dort in den
umgebenden Alveolarraum (bei Husten rote
Stippchen) 씮 Minderperfusion 씮 Hypoventilation und Atelektasenbildung 씮 Infektion 씮
Pneumonie im minderperfundierten Areal 씮
keilförmiges Infiltrat im Röntgenbild.
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Als Infarktpneumonie bezeichnet man eine Lungenentzündung auf dem Boden einer zuvor abgelaufenen (peripheren) Lungenembolie, die zu einer
Minderdurchblutung und konsekutiver Minderbelüftung des betroffenen Lungenareals führt.
Pathogenese: Da bei einem embolischen Verschluss der großen und mittelgroßen Pulmonalarterien die Bronchialarterien die Blutversorgung
kompensatorisch übernehmen können, tritt bei einer Embolie dieser Gefäße kein Lungeninfarkt auf.
In der peripheren Lungenstrombahn jedoch besteht keine Ausgleichsversorgung seitens der
Bronchialarterien, so dass bei einem embolischen
Verschluss peripherer Äste der Pulmonalarterien
eine ischämische Nekrose des Lungengewebes
(= Lungeninfarkt) die Folge ist.
Klinik und Diagnostik: Für die Verdachtsdiagnose
einer Lungenembolie sprechen bei der im Fallbeispiel beschriebenen Patientin die anamnestischen
Angaben (akuter Beginn mit thorakalen Schmerzen) und das Risikoprofil (Z. n. endoprothetischem
Gelenkersatz, Adipositas), die deutliche respirato-
rische Partialinsuffizienz mit Zeichen der Hyperventilation (pCO2 erniedrigt – BGA!), für den Lungeninfarkt die anamnestische Angabe blutig tingierten Sputums und das keilförmige Infiltrat im
Röntgen-Thorax. Cave: Periphere Lungenembolien sind in der Regel auf einen peripheren Lungenabschnitt begrenzt und nicht hämodynamisch relevant. Eine akute Dyspnösymptomatik kann daher
bei immobilen, nicht körperlich belasteten Patienten fehlen, so dass lediglich die thorakale Schmerzsymptomatik im Vordergrund stehen kann. Zur
weiteren Abklärung s. Frage 108.2.
Die im Verlauf hinzukommenden Symptome und
Befunde (Fieber, eitriges Sputum, zunehmende
Dyspnö) deuten hingegen mehr auf eine Pneumonie hin. Wertet man jedoch die initialen Leitsymptome der Lungenembolie im Kontext mit den später hinzutretenden Beschwerden und dem aktuellen Röntgenbefund (keilförmiges Infiltrat), ist die
Diagnose einer Infarktpneumonie auf dem Boden
eines hämorrhagischen Lungeninfarktes sehr
wahrscheinlich.
Therapie: s. Frage 108.3.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Orale Antikoagulation: praktisches Vorgehen
Erregerspektrum und antibiotische Therapie nosokomialer Pneumonien
Risikofaktoren für venöse Thrombembolien
Fall 108 Seite 109
Fall 109 Hepatitis B
109.1 Welche Formen und Ursachen einer Hepatitis kennen Sie?
쐽 akute oder chronische Virushepatitis; Ursachen:
– Hepatitis-A-Virus
– Hepatitis-B-Virus
– Hepatitis-C-Virus
– Hepatitis-D-Virus
– Hepatitis-E-Virus
쐽 Begleithepatitis bei systemischer Virusinfektion; Ursachen: Zytomegalievirus, EbsteinBarr-Virus, Coxsackie-Virus, Herpesviren, Varizella-Zoster-Virus, Adenoviren, HIV, Gelbfiebervirus, Rubellaviren
쐽 Hepatitis bei bakteriellen Infektionen; Ursachen: Leptospiren (Morbus Weil mit Hepatitis
+ Nephritis), Brucellen (Q-Fieber)
쐽 Arzneimittel-induzierte Hepatitis
쐽 Alkoholhepatitis
쐽 Autoimmunhepatitis.
109.4 Welche Formen einer Hepatitis-B-Impfung gibt es? Nennen Sie die Indikationen!
쐽 aktive Immunisierung mit Hbs-Antigen; indiziert bei medizinischem Personal, Dialysepatienten, Patienten mit chronischer Lebererkrankung, i. v.-Drogenabhängigen, Homosexuellen. Die aktive Impfung wird mittlerweile als
Standardimpfung bei allen Säuglingen/Kindern
empfohlen.
쐽 passive Immunisierung: Applikation von Hepatitis-B-Immunglobulin innerhalb von 6 Stunden nach der Infektion; indiziert z. B. als Postexpositionsprophylaxe nach Nadelstichverletzung (Hbs-Ag-positiver Patient), bei Neugeborenen Hbs-Ag-positiver Mütter.
KO M M E N TA R
Die akute Hepatitis-B-Infektion zählt zu den weltweit häufigsten Virusinfektionen, die Endemierate
in Afrika und Südostasien beträgt bis zu 20%, in
Westeuropa 0,1 – 1%.
Die Hepatitis B ist eine meldepflichtige Erkrankung (Krankheitsverdacht, Erkrankung, Tod).
Ätiologie und Pathogenese: Das Hepatitis-B-Virus
(HBV) ist ein DNA-Virus. Die Übertragung erfolgt
auf parenteralem Weg, sexuell oder perinatal. In
Ländern mit hoher HBV-Durchseuchung wird die
Erkrankung in der Mehrzahl der Fälle bereits perinatal übertragen.
Klinik: Die Inkubationszeit beträgt 1 – 3 Monate. In
/3 der Fälle verläuft die Infektion asymptomatisch
und die Diagnose wird später retrospektiv anhand
positiver Antikörpertiter gestellt. In den anderen
2
Fällen werden vor allem grippeähnliche Beschwerden, z. B. Gelenk- und/oder Muskelschmerzen und
subfebrile Temperaturen mit Übelkeit und Druckgefühl im rechten Oberbauch angegeben. In 30%
der Fälle tritt ein Ikterus mit hellem Stuhl, dunklem Urin und Juckreiz auf. Häufig besteht eine Hepatomegalie. Ein fulminanter Verlauf einer Hepatitis B ist sehr selten (1%), aber durch das akute Leberversagen prognostisch ungünstig.
Diagnostik: Laborchemisch ist die akute Hepatitis
B vor allem durch eine Erhöhung der Transaminasen (De-Ritis-Quotient GOT : GPT ⬍ 1) und den
Nachweis des Hbs-Ag charakterisiert. Infektiosität
besteht, solange das Hbs-Ag nachweisbar ist. Ist
das Hbs-Ag bereits nicht mehr nachweisbar, kann
eine akute Infektion durch Nachweis von antiHBc-IgM gelingen. Der früheste und sensitivste
Fall 109 Seite 110
109
Antworten und Kommentar
109.5 Woran „erkennen“ Sie einen infektiösen
Patienten, einen chronischen Verlauf bzw. einen
asymptomatischen Hbs-Ag-Träger?
쐽 Infektiosität: Hbs-Ag positiv, Hbe-Ag positiv,
HBV-DNA positiv
쐽 chronischer Verlauf: Hbs-Ag ⬎ 6 Monate nach
Infektion nachweisbar, HBV-DNA positiv
쐽 asymptomatischer Hbs-Ag-Träger: Hbs-Ag,
HBV-DNA, anti-Hbc und anti-Hbe positiv, HbeAg und anti-Hbs negativ.
333
Fall
109.2 Welche Laborparameter bestimmen Sie
bei V. a. Hepatitis B und welches Ergebnis erwarten Sie bei einer akuten (!) Infektion?
쐽 Hbs-Antigen (Hbs-Ag): positiv
쐽 Hbe-Antigen (Hbe-Ag): positiv
쐽 HBV-DNA: positiv (sensitivster Parameter zum
Nachweis der Virämie)
쐽 anti-Hbc-IgM: positiv
쐽 anti-Hbc-IgG: negativ
쐽 anti-Hbs: negativ, kann ca. 5 Wochen nach der
Infektion positiv werden
쐽 anti-Hbe: negativ, kann ca. 4 Wochen nach der
Infektion positiv werden.
109.3 Wie wird eine akute (!) Hepatitis B behandelt?
쐽 symptomatisch: körperliche Schonung, Vermeidung aller potenziell leberschädigenden
Dinge (z. B. Alkohol, Medikamente)
쐽 bei akuter Hepatitis B besteht keine Indikation
zur antiviralen Therapie!
쐽 bei fulminanter Hepatitis B (ca. 1% der Fälle)
mit akutem Leberversagen Indikation zur Lebertransplantation.
Marker einer replikativen Hepatitis-B-Infektion ist
der Nachweis von HBV-DNA mit Hilfe der PCR (s.
Frage 109.2). Zur Abschätzung der Lebersyntheseleistung sollten die Gerinnungsparameter (insbesondere die INR), eine Eiweißelektrophorese und
die Cholinesterase (CHE) bestimmt werden. Sonographisch zeigt sich oft eine vergrößerte Leber mit
verdichtetem Parenchym.
Differenzialdiagnosen: Ausschluss einer systemischen Virusinfektion mit Begleithepatitis (z. B. EBV,
CMV, HSV) durch Klinik und Serologie (s. Frage
109.1) und Ausschluss einer toxischen Hepatitis
(Alkohol, Medikamente, Nahrungsmittel/Pilze)
durch eine gezielte Anamnese.
Therapie: Im Gegensatz zur aktiven Hepatitis-CInfektion wird die akute Hepatitis-B-Infektion
nicht primär antiviral behandelt (Therapie s. Frage
109.3).
Prognose: Bei etwa jedem 10. Patienten heilt die
Infektion nicht innerhalb weniger Wochen aus und
es entwickelt sich ein chronischer Hbs-Ag-Trägerstatus. Nur bei 2% der Patienten mit chronischem
Verlauf der Hepatitis-B-Infektion (bei ca. 10%, insgesamt also bei 0,2% aller inifizierten Personen)
wird eine Progredienz der histologisch erkennbaren Veränderungen (z. B. Leberzirrhose) gefunden.
Zum fulminanten Verlauf s. Klinik.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
334
Toxische Hepatitis
Chronische Hepatitis D und E
Therapie der chronischen Hepatitis B
Klinik und Erreger des Gelbfiebers
Fall
110
Fall 110 Analgetikanephropathie
Antworten und Kommentar
110.1 Welche Erkrankung liegt wahrscheinlich
vor und was ist die Ursache?
쐽 Tubulointerstitielle Nephritis mit chronischer
Niereninsuffizienz; Ursache: Analgetikaabusus
(Analgetikanephropathie), da eine tubuläre
Proteinurie mit Erythrozyturie und steriler
Leukozyturie in Vebindung mit den erhöhten
Nierenretentionsparametern und dem neu aufgetretenen Hypertonus auf eine interstitielle
Nephritis hinweist, die massive und langjährige Analgetikaeinnahme ein erhebliches Risiko
für eine interstitielle Nephritis darstellt und
der sonographische Befund typisch für eine interstitielle Nephritis bei Analgetikabusus ist.
Bei einer Glomerulonephritis würde man eine
glomeruläre Proteinurie (Albumin), dysmorphe
Erythrozyten im Urin und vergrößerte Nieren
mit verwaschener Parenchym-Pyelon-Grenze
erwarten.
110.2 Nennen Sie mindestens 3 weitere mögliche Ursachen dieser Erkrankung!
쐽 Zu einer chronischen interstitiellen Nephritis
führen:
– Stoffwechselerkrankungen (Hyperurikämie,
Hyperparathyreoidismus)
– Chemikalien (Blei, Cadmium)
– Amyloidose
– Plasmozytom
– ionisierende Strahlung
Fall 110 Seite 111
쐽 Zu einer akuten interstitiellen Nephritis führen:
– Virusinfektion (z. B. Hantavirus)
– immunologische Prozesse im Anschluss an
bakterielle Infektionen (z. B. Streptokokkeninfektion)
– Medikamente (z. B. Antibiotika).
110.3 Die Patientin fragt Sie, wie die Erkrankung behandelt werden soll. Wie lautet Ihre
Antwort?
쐽 Beendigung der Einnahme von Paracetamol
und Acetylsalicylsäure und Wechsel auf andere
Analgetika (z. B. Tramadol, Opiate)
쐽 symptomatische Behandlung der chronischen
Niereninsuffizienz (s. Fall 10).
110.4 Wie ist die Prognose einzuschätzen?
쐽 Kreatininwert bei Erstdiagnose unter 3 mg/dl:
in der Regel Stabilisierung, gelegentlich auch
Besserung der Nierenfunktion nach Beendigung des Analgetikaabusus
쐽 Kreatininwert bei Erstdiagnose über 3 mg/dl
(vorliegender Fall): meist Progredienz der Niereninsuffizienz auch nach Beendigung des
Analgetikaabusus
쐽 Es besteht ein erhöhtes Risiko für Urothelkarzinome.
KO M M E N TA R
Als Analgetikanephropathie bezeichnet man eine
chronische abakterielle interstitielle Nephritis, die
durch langjährige Einnahme von nichtsteroidalen
Analgetika – insbesondere von Kombinationspräparaten – in hohen Dosen bedingt ist.
Therapie und Prognose: Eine spezifische Therapie
gibt es nicht (s. Frage 110.3). Bei Absetzen der auslösenden Medikamente kommt die Erkrankung in
der Regel zum Stillstand, sofern noch keine höhergradige Niereninsuffizienz vorliegt. Bei schwerer
Niereninsuffizienz (Serumkreatinin ⬎ 3 mg/dl) ist
eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion
im Verlauf eher wahrscheinlich und ein Übergang
in eine terminale Niereninsuffizienz möglich. Aufgrund des erhöhten Risikos für Urothelkarzinome
sollte der Urin der Patienten zweimal pro Jahr zytologisch untersucht werden.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Diagnostisches Vorgehen zur Abklärung einer Proteinurie
Patientenaufklärung bei einer Nierenbiopsie
Komplikationen einer Nierenbiopsie
Urothelkarzinom, Nierenzellkarzinom
Fall 111 Pankreaskarzinom
111.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Pankreaskarzinom, da die Allgemeinsymptome
wie der massive Gewichtsverlust auf ein Tumorleiden hinweisen und sonographisch eine
tumorverdächtige Raumforderung im Bereich
des Pankreaskopfes darstellbar ist.
쐽 V. a. Verschluss des Ductus choledochus durch
den Tumor, da ein Ikterus vorliegt, die extrahepatischen Gallengänge sonographisch gestaut
zur Darstellung kommen und eine tumorbedingte Kompression des im Bereich des vergrößerten Pankreaskopfes verlaufenden Ductus
choledochus wahrscheinlich ist.
111.2 Welche weitere Diagnostik schlagen Sie
vor? Begründen Sie jede von Ihnen vorgeschlagene Maßnahme. Unter welcher Fragestellung
führen Sie die Maßnahmen durch?
쐽 Magnetresonanztomographie mit Kontrastmitteldarstellung des Gallengangsystems
(MRCP):
– Begründung: Pankreas- und Gallengangdarstellung in einer Untersuchung, erspart aufwendige und komplikationsträchtigere endoskopische Untersuchung (ERCP) und CT.
Ist eine endoskopisches therapeutisches
Vorgehen (z. B. Steinextraktion, Papillotomie) von vornherein wahrscheinlich, sollte
primär eine ERCP durchgeführt werden.
Fall 111 Seite 112
335
111
Antworten und Kommentar
Klinik: Die Erkrankung verläuft im Frühstadium
oft asymptomatisch, in fortgeschrittenen Stadien
dominieren die Symptome der chronischen Nie-
Diagnostik: Die Diagnose ergibt sich aus der typischen Anamnese, dem Nachweis einer Niereninsuffizienz, dem Bild einer interstitiellen Nephritis
und dem Ausschluss anderer Ursachen einer interstitiellen Nephritis (s. Frage 110.2). Eine interstitielle Nephritis (im Gegensatz zur Glomerulonephritis) ist bei Vorliegen folgender Befunde
wahrscheinlich: sterile Leukozyturie + tubuläre
Proteinurie + nichtdysmorphe Erythrozyturie. Für
die Analgetikanephropathie im Speziellen ist zudem der Nachweis von Verkalkungen der Papillenregion in Abdomensonographie oder CT-Abdomen typisch.
Fall
Ätiologie und Pathogenese: Häufigste Ursache der
Analgetikanephropathie war früher die chronische
Einnahme von Phenacetin („Phenacetinniere“), das
daher 1986 in Deutschland verboten wurde. Paracetamol, der Hauptmetabolit von Phenacetin, zählt
auch in höheren Dosen von bis zu 3 g/d zu den am
besten verträglichen Analgetika. Bei Einnahme hoher Dosen (deutlich über 3 g/d) und in Kombination mit anderen nichtsteroidalen Analgetika (z. B.
Phenazon, Propyphenazon) kommt es zu einer
Hemmung der renalen Prostaglandinsynthese und
somit zu einer Drosselung der Markdurchblutung
der Nieren. Abbauprodukte der Analgetika können
sich dann in der Mark- und Papillenregion ablagern
und dort über einen toxischen Effekt eine interstitielle Nephritis induzieren. Wird der Entzündungsprozess durch eine langjährige Fortführung
des Analgetikaabusus unterhalten, bildet sich eine
fortschreitende interstitielle Fibrose aus. Die Entwicklung einer nur teilweise oder gar nicht reversiblen chronischen Niereninsuffizienz ist die Folge.
reninsuffizienz (z. B. Müdigkeit und Leistungsminderung durch renale Anämie, wie bei der beschriebenen Patientin; weitere Symptome s. Fall 10 und
73).
336
Fall
111
staseparameter); Lipase und Amylase (Begleit– Fragestellung: Anatomie des Pankreas, anpankreatitis?); Cholinesterase, INR und Albugrenzende Strukturen, Gallengangsystem,
min (Lebersynthesefunktion – Leberzirrhose?);
Kompression des Ductus choledochus durch
Tumormarker CA 19 – 9 und CA 50 (Ausgangsden Tumor, Lymphknotenmetastasen, Fernmessung vor Therapie); Blutbild
metastasen?
쐽 CT des Pankreas (falls MRCP nicht verfügbar):
쐽 ergänzende Staginguntersuchungen zur Pla– Begründung: Pankreas und umgebende
nung eines operativen Vorgehens (kurativ
Strukturen können sicherer als mittels Sonoversus palliativ): Gastroskopie, Röntgenuntergraphie dargestellt werden, bessere Versuchung des Thorax
쐽 bei operativem Vorgehen: intraoperativ Bioplaufsbeurteilung als durch Sonographie; zur
sie/Schnellschnitt zur Diagnosesicherung; bei
Darstellung des Gallengangsystems ergänInoperabilität keine Biopsie.
zend ERCP erforderlich
– Fragestellung: Anatomie des Pankreas, an111.3 Wie schätzen Sie die Prognose des Pagrenzende Strukturen, Kompression,
tienten ein?
Lymphknotenmetastasen, Fernmetastasen?
쐽 endoskopische retrograde Cholangio-Pan쐽 Die Prognose ist ausgesprochen schlecht (5kreatikographie (ERCP):
Jahres-Überlebensrate insgesamt 0,2%) und die
– Begründung: Darstellung des Gallengangungünstigste aller Tumoren des Gastrointestisystems ergänzend zum CT; ermöglicht ggf.
naltraktes. Grund ist die meist späte Diagnose,
in einer Sitzung diagnostische und therada in den Frühstadien Symptome fast immer
peutische Maßnahmen
fehlen.
– Fragestellung: Stenosen im Ductus Wirsun!!! 111.4 Wie bezeichnet man die Konstellation
gianus und Ductus choledochus (doubleaus Ikterus und schmerzloser prallelastisch
duct-sign)?
palpabler Gallenblase?
쐽 Labor: Kreatinin, Elektrolyte (Ausschluss einer
쐽 Courvoisier-Zeichen.
Niereninsuffizienz vor Kontrastmittelgabe);
GOT und GPT; γ-GT, AP und Bilirubin (Chole-
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Das Pankreaskarzinom geht meist vom Epithel des
Pankreasganges, selten vom Epithel der Papilla
duodeni major aus und ist die dritthäufigste maligne Neoplasie des Verdauungstraktes.
Klinik und Diagnostik: Bei einigen Patienten wird
das Pankreaskarzinom als Zufallsbefund, z. B. im
Rahmen einer Abdomensonographie festgestellt.
Die bei einem Pankreaskarzinom geäußerten Beschwerden sind Spätsymptome und meist uncharakteristisch: Sie umfassen Oberbauchschmerzen,
Übelkeit, allgemeine Schwäche sowie häufig auch
einen schmerzlosen Ikterus. Ein ausgeprägter Gewichtsverlust besteht fast immer.
Das Courvoisier-Zeichen (s. Frage 111.4) ist ein
wichtiger klinischer Hinweis auf ein Karzinom im
Pankreaskopfbereich mit Kompression der ableitenden Gallenwege. Bei bis zu 80% der Patienten
kann eine gestörte Glukosetoleranz nachgewiesen werden, so dass auch eine diabetische Stoffwechsellage Erstsymptom eines Pankreaskarzinoms sein kann. Bei Erstmanifestation eines Diabetes mellitus sollte deshalb immer eine Abdomensonographie (Abb. 111.1) durchgeführt werden. Die bei Frage 111.2 aufgeführte bildgebende
Diagnostik hat zum Ziel, zum einen die Diagnose
durch typische Befunde zu sichern, zum anderen
das Ausmaß der Erkrankung (lokale Ausbreitung,
Übergriff auf andere Organe, Lymphknoten- und
Fernmetastasen) festzustellen, was wiederum für
die Planung der Therapie wichtig ist.
Fall 111 Seite 112
Abb. 111.1 Sonogramm bei Pankreaskopfkarzinom:
Der erweiterte Ductus choledochus wird durch einen
kleinen, echoarmen Tumor verschlossen.
Therapie: Kleine, nicht fernmetastasierte Pankreaskarzinome ohne größere Gefäßwandarrosion
können operiert werden. Standardverfahren ist die
partielle Duodenopankreatektomie (WhippleOperation). Chemotherapie oder Strahlentherapie
führen nach heutigem Kenntnisstand nicht zu einer Lebensverlängerung. Palliative Therapieverfahren bestehen z. B. in einer endoskopischen Rekanalisation des Ductus choledochus durch Stents.
Prognose: Die mittlere Lebenserwartung bei Diagnosestellung beträgt nur 4 – 6 Monate. Grund der
schlechten Prognose ist das Fehlen von Frühsymp-
tomen, wodurch die Erkrankung meist erst in fortgeschrittenen und nicht mehr kurativ behandelbaren Krankheitsstadien diagnostiziert wird. Doch
auch bei Patienten, die mit kurativem Ansatz ope-
riert werden, treten in der Mehrzahl der Fälle Frührezidive auf, so dass auch in dieser Patientengruppe nur noch 1/4 der Patienten nach 5 Jahren lebt.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Chronische Pankreatitis
Pankreaszysten
Zollinger-Ellison-Syndrom
Retroperitoneale Fibrose
Fall 112 Kammerflattern/Kammerflimmern
112.4 Was ist, unabhängig von der zugrunde
liegenden Erkrankung, die Therapie der Wahl,
um nach erfolgreicher Therapie der Herzrhythmusstörung die Prognose des Patienten zu verbessern?
쐽 Implantation eines Kardioverter-Defibrillators
(AICD).
KO M M E N TA R
Als Kammerflattern bezeichnet man regelmäßige
Haarnadelwellen im EKG mit einer Frequenz von
250 – 400/min, als Kammerflimmern einen unregelmäßigen, zackenförmigen EKG-Kurvenverlauf.
Ätiologie und Pathogenese: Häufigste Ursache eines Kammerflimmerns ist eine Myokardischämie,
meist im Rahmen eines akuten Myokardinfarkts.
Arrhythmogenes Substrat kann aber auch eine alte
Narbe nach stattgehabtem Myokardinfarkt sein.
Fall 112 Seite 113
337
112
Antworten und Kommentar
112.2 Nennen Sie mindestens 4 Ursachen, welche die Entstehung einer solchen Herzrhythmusstörung begünstigen!
쐽 Hypoxie durch absolute oder relative Koronarinsuffizienz (akutes Koronarsyndrom [instabile
Angina pectoris oder Myokardinfarkt], Aortenstenose)
쐽 Hypoxie durch respiratorische Insuffizienz
쐽 Elektrolytstörung (z. B. Hypokaliämie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie)
쐽 verlängerte QT-Zeit:
– durch Medikamente, z. B. durch Klasse-Ioder Klasse-III-Antiarrhythmika wie Sotalol,
durch Antibiotika oder tri- oder tetrazyklische Antidepressiva
– angeboren (z. B. Romano-Ward-Syndrom,
Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom)
쐽 Myokarditis
쐽 Kardiomyopathie
쐽 WPW-Syndrom mit Vorhofflimmern und
schneller Überleitung über die akzessorische
Leitungsbahn.
112.3 Machen Sie einen Therapievorschlag und
begründen Sie die Reihenfolge Ihres Vorgehens!
1. einmaliger präkordialer Faustschlag, ist jedoch
meist erfolglos
2. sofortige Defibrillation (200 J), wenn der präkordiale Faustschlag erfolglos ist. Eine zeitliche
Verzögerung verlängert die Hypoxiedauer des
Myokards und vermindert somit die Erfolgsaussichten für eine Defibrillation. Bei Erfolglosigkeit der ersten Defibrillation Wiederholung
mit 200 J, bei fortbestehendem Kammerflimmern dritte Defibrillation mit 360 J
3. zügige Intubation und Anlage eines i. v.-Zugangs bei fortbestehendem Kammerflimmern
nach dreimaliger Defibrillation
4. Gabe von Adrenalin (1 mg i. v.)
5. Herzdruckmassage und Beatmung im Verhältnis 15 : 2, insgesamt 10 Zyklen
6. erneute Defibrillation, falls Kammerflimmern
persistiert
7. bei anhaltendem oder rezidivierendem Kammerflimmern Gabe von Antiarrhythmika, z. B.
Ajmalin, Lidocain oder Amiodaron i. v.
Fall
112.1 Welche Herzrhythmusstörung liegt vor?
쐽 Kammerflattern mit Übergang in Kammerflimmern: Das EKG (Abb. 112.1) zeigt in der linken
Bildhälfte eine noch regelmäßige Tachykardie
mit breitem QRS-Komplex von initial einheitlicher, im weiteren Verlauf wechselnder Morphologie und einer Frequenz von ⬎ 250/min.
Dies entspricht einem Kammerflattern. In der
rechten Bildhälfte finden sich nur noch völlig
irregulär einfallende, von Aktion zu Aktion unterschiedlich konfigurierte Wellen, d. h. hier
liegt Kammerflimmern vor.
Auch andere Erkrankungen des Myokards (s. Frage 112.2) gehen mit einem erhöhten Risiko für
Kammerflimmern einher. In wenigen Fällen (5%)
ist keine morphologisch fassbare Grunderkrankung nachweisbar. Die Flimmerschwelle wird jedoch auch durch Medikamente, z. B. über eine Verlängerung der QT-Zeit (s. Frage 112.2) oder – bei
forcierter Diuretikatherapie – durch Hypokaliämie
reduziert.
Klinik: Aufgrund der ineffektiven Ventrikelkontraktionen wird der Organismus nicht mit Blut versorgt und es kommt zu Bewusstlosigkeit und
Atemstillstand. Puls und Blutdruck sind nicht
messbar.
338
Fall
113
Vorgehen: Nach Empfehlung der Fachgesellschaften kann bei Kammerflattern oder Kammerflimmern primär ein präkordialer Faustschlag versucht werden. Da durch diese Maßnahme jedoch in
der Regel eine sofortige Rhythmisierung nicht zu
erreichen ist, sollte bei Misserfolg eine umgehende externe Defibrillation erfolgen. Hält das Kammerflattern bzw. -flimmern nach maximal 3 Defibrillationsversuchen an, muss umgehend eine kardiopulmonale Reanimationsbehandlung nach
dem ABC-Schema eingeleitet werden. Eine medi-
kamentöse antiarrhythmische Therapie sollte
erst dann begonnen werden, wenn mehrere Defibrillationsversuche fehlgeschlagen sind, da die zur
Verfügung stehenden Substanzen (s. Frage 112.3)
blutdrucksenkend und proarrhythmisch wirken
können.
Prognose und Sekundärprophylaxe: Die Rezidivrate nach primärem Kammerflimmern ist mit bis
zu 40% innerhalb der ersten 2 Jahre nach erfolgreicher Reanimation sehr hoch. Nach ausreichender
Behandlung einer zugrundeliegenden Erkrankung
(z. B. Lyse oder PTCA bei akutem Myokardinfarkt)
erfolgt eine Risikoabschätzung für das Wiederauftreten eines Kammerflimmerns, meist durch eine
elektrophysiologische Untersuchung. Der automatische implantierbare Kardioverter-Defibrillator
(AICD) hat sich als effektives Instrument zur Sekundärprophylaxe des plötzlichen Herztodes nach
stattgehabtem Kammerflimmern erwiesen. Die
Reduktion der Gesamtmortalität nach einem Herzstillstand durch den AICD ist ausgeprägter als durch
Antiarrhythmika der Klasse III. Die 5-Jahres-Überlebensrate hinsichtlich eines plötzlichen Herztodes
beträgt nach AICD-Implantation ca. 90%.
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Ursachen tachykarder Herzryhthmusstörungen
Karotis-Druckversuch
Supraventrikuläre Arrhythmien
Fall 113 Respiratorische Azidose
113.1 Interpretieren Sie die Blutgasanalyse im
Hinblick auf den Gasaustausch und den SäureBasen-Haushalt!
쐽 respiratorische Globalinsuffizienz, da der
pCO2 massiv erhöht, der pO2 vermindert ist.
Dies ist als Folge einer alveolären Hypoventilation (vermindertes Atemminutenvolumen) zu
interpretieren und deutet auf eine Erschöpfung
der Atemmuskulatur infolge einer Exazerbation der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung hin.
쐽 respiratorische Azidose, da der pH vermindert,
der pCO2 erhöht ist. Das erhöhte HCO3– deutet
auf den Versuch einer metabolischen Kompensation hin, die aber nicht ausreicht, um die
durch den massiven Anfall von CO2 entstehenden Säurevalenzen zu puffern.
113.2 Welche therapeutische Maßnahme hat
in der beschriebenen Situation Vorrang? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Endotracheale Intubation und maschinelle Beatmung
Fall 113 Seite 114
쐽 Begründung:
– Es liegt eine symptomatische (Somnolenz!)
respiratorische Globalinsuffizienz infolge
der Hyperkapnie vor. Da von einer Erschöpfung der Atemmuskulatur auszugehen ist,
muss die Ventilation vorübergehend unterstützt werden, bis sich die Atemmuskulatur
erholt hat und die Ursache der respiratorischen Verschlechterung (z. B. Infektexazerbation, Pneumonie) behandelt wird.
– Die fehlende metabolische Kompensation
der respiratorischen Azidose deutet darauf
hin, dass die Verschlechterung kurzfristig
eingetreten ist.
– Hypoxämie und Hyperkapnie trotz hochdosierter medikamentöser Therapie (Steroide,
Theophyllin)
– Bei weiterer Zunahme von Hypoxämie, Hyperkapnie und Azidose ist ein Herz-KreislaufStillstand zu erwarten. Das Warten auf einen
möglichen Erfolg einer Fortführung bzw. Intensivierung der medikamentösen Therapie
darf die Intubation nicht verzögern.
113.3 Nennen Sie 3 mögliche Ursachen für die
Herzrhythmusstörungen des Patienten! Woraus
leiten Sie Ihre Vermutung ab?
쐽 respiratorische Azidose: lässt sich aus der Blutgasanalyse ableiten
쐽 Hypoxämie (mit relativer Koronarinsuffizienz):
lässt sich aus der Blutgasanalyse ableiten
쐽 Theophyllinintoxikation: Bestimmung des
Theophyllinspiegels. Die Dosis von 4 ⫻ 500 mg
pro Tag ist viel zu hoch.
KO M M E N TA R
Als respiratorische Azidose wird eine Abnahme des
pH infolge eines Anstiegs des CO2-Partialdrucks bei
alveolärer Hypoventilation bezeichnet. Der massive Anfall von CO2 führt zur vermehrten Bildung
von H+ und damit zur Entwicklung einer Azidose.
Vollzieht sich der Anstieg des CO2 über Jahre (chronisch), z. B. bei COPD, dann erfolgt eine Anpassung
des Säure-Basen-Haushalts an die Hyperkapnie.
Die Patienten tolerieren dann durchaus deutlich
erhöhte CO2-Partialdrucke.
Ätiologie: Häufige Ursachen einer alveolären Hypoventilation (und somit der respiratorischen Azidose) sind insbesondere obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD, Asthma bronchiale), außerdem restriktive Lungenerkrankungen (z. B. Silikose), neuromuskuläre Erkrankungen mit Befall der
Atemmuskulatur (z. B. Guillain-Barré-Syndrom)
und muskuläre Erschöpfung bei schwerer akuter
respiratorischer Insuffizienz (z. B. bei Lungenödem
oder Pneumonie).
Diagnostik: Die Diagnose der respiratorischen Azidose wird anhand der Blutgasanalyse gestellt: pH
niedrig, pCO2 erhöht.
Fall 114 Colitis ulcerosa
114.1 Welche Erkrankungen werden als „chronisch-entzündliche Darmerkrankungen“ bezeichnet?
쐽 Morbus Crohn
쐽 Colitis ulcerosa.
114.2 Wie unterscheidet sich das klinische Bild
dieser Erkrankungen? Denken Sie z. B. an das
Befalls- und Ausbreitungsmuster, eine eventuelle Fistelbildung und den radiologischen und
endoskopischen Befund!
쐽 Diarrhöen: bei Morbus Crohn nicht blutig, bei
Colitis ulcerosa blutig
쐽 Befall: Beim Morbus Crohn ist der gesamte
Gastrointestinaltrakt befallen, jedoch bevorzugt
쐽
쐽
쐽
쐽
das terminale Ileum (Ileitis terminalis), bei Colitis ulcerosa das Kolon (gelegentlich auch das
terminale Ileum = sog. Backwash-Ileitis).
Ausbreitungsmuster: beim Morbus Crohn diskontinuierlich an verschiedenen Stellen des
Gastrointestinaltrakts, bei der Colitis ulcerosa
kontinuierlich vom Rektum nach proximal
Fistelbildung: beim Morbus Crohn häufig, bei
der Colitis ulcerosa selten
Abszedierung: beim Morbus Crohn häufig, bei
der Colitis ulcerosa selten
Röntgen: beim Morbus Crohn segmentale Stenosen und Pflastersteinrelief, bei Colitis ulcerosa Rarefizierung der Haustren (dadurch Bild
des „Fahrradschlauchs“, Abb. 114.1)
Fall 114 Seite 115
114
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Praktisches Vorgehen bei endotrachealer Intubation
Respiratortherapie: Grundlagen
Medikamentöse Therapie der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD)
339
Fall
Klinik: Aufgrund der Hypoventilation sind typische Symptome und Befunde der Grunderkrankung (z. B. Giemen, Brummen) nicht mehr vorhanden. Die schwere Hyperkapnie führt über eine Vasodilatation der hirnversorgenden Arterien zu einer intrazerebralen Drucksteigerung und diese zu
zunehmender Somnolenz. Cave: Daher ist es als
Alarmzeichen zu werten, wenn ein zuvor stark
dyspnöischer Patient zunehmend ruhiger wird.
Therapie: Die respiratorische Azidose lässt sich
nur durch Behebung der Ursache, d. h. Steigerung
der alveolären Ventilation behandeln. Bei weniger
schweren Verläufen ist dies z. B. durch intensive
medikamentöse Therapie einer bronchialen Obstruktion möglich (z. B. β2-Sympathomimetika,
Glukokortikoide, Theophyllin). Bei schwerer Hyperkapnie ist eine maschinelle Beatmung zur Steigerung der alveolären Ventilation erforderlich. Bei
noch auf Ansprache reagierenden und kooperativen Patienten kann dies auch durch Maskenbeatmung erfolgen. Ist die Mitarbeit des Patienten
durch Bewusstlosigkeit oder Somnolenz beeinträchtigt, muss er endotracheal intubiert werden.
Parallel muss die Ursache der respiratorischen Insuffizienz beseitigt werden.
쐽 Endoskopie: beim Morbus Crohn diskontinuierlicher Befall, Aphthen und Pflastersteinrelief,
bei Colitis ulcerosa ubiquitäre Schleimhautrötung-/schwellung mit kontinuierlicher Ausbreitung und Kontaktvulnerabilität
쐽 begleitende primär-sklerosierende Cholangitis: bei der Colitis ulcerosa häufiger.
쐽 andere extraintestinale Manifestationen (s. Frage 114.3) bei Morbus Crohn viel häufiger als bei
Colitis Ulcerosa.
114.3 Nennen Sie typische extraintestinale Manifestationen der chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen!
쐽 Gelenke: asymmetrische Oligoarthritis vor allem großer Gelenke, Bild wie bei einer Spondylarthritis: Beteiligung von Sakroiliakalgelenken
und Wirbelsäule, HLA-B27 häufig positiv
쐽 Augen: Episkleritis, Iridozyklitis
쐽 Haut: Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum
쐽 Leber: primär-sklerosierende Cholangitis.
340
Fall
114
Abb. 114.1 Magen-Darm-Passage: fortgeschrittene
Colitis ulcerosa mit Ausbreitung vom Rektum bis zur
Flexura coli sinistra und Verlust der Haustren (Bild des
„Fahrradschlauchs“)
114.4 Welche mit der „chronisch-entzündlichen Darmerkrankung“ assoziierte Erkrankung
ist wahrscheinlich für die Erhöhung der alkalischen Phosphatase verantwortlich?
쐽 Die primär-sklerosierende Cholangitis, die bei
ca. 3% aller Patienten mit einer Colitis ulcerosa
auftritt.
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Colitis ulcerosa und Morbus Crohn werden, da sie
durch eine chronische Darmentzündung charakterisiert sind, als „chronisch-entzündliche Darmerkrankungen“ zusammengefasst. Bei der Colitis ulcerosa ist die Entzündung auf die Mukosa und Submukosa beschränkt. Die Colitis ulcerosa tritt in Europa etwa doppelt so häufig auf wie der Morbus
Crohn. Bei beiden liegt das Alter der Erstmanifestation in der Regel zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr.
Ätiologie und Pathogenese: Die Ursache der Colitis ulcerosa – wie auch des Morbus Crohn – ist unbekannt. Der fehlende Nachweis eines auslösenden Erregers, die immunologischen und histologischen Befunde sowie das Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie sprechen jedoch für die
Annahme, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt.
Klinik: In 85% der Fälle wechseln sich Entzündungsschübe mit Phasen der Remission ab, selten
verläuft die Entzündung kontinuierlich (10%) oder
akut und fulminant (5%). Leitsymptom der Colitis
ulcerosa sind blutig-schleimige Durchfälle. Sie gehen mit meist krampfartigen Bauchschmerzen (Tenesmen) einher. Darüber hinaus treten extraintestinale Manifestationen (s. Frage 114.3) auf. Der
Fall 114 Seite 115
Schweregrad der Erkrankung lässt sich anhand der
in Tab. 114.1 gezeigten Parameter abschätzen.
Diagnostik und Differenzialdiagnosen: Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese und Klinik sowie den typischen radiologischen, endoskopischen
und histologischen Befunden (ohne Biopsie keine
Diagnosestellung einer Colitis ulcerosa) (s. Frage
114.2). Die Abgrenzung vom Morbus Crohn gelingt
mittels einiger typischer Befunde (s. Frage 114.2),
allerdings meist noch nicht im Anfangsstadium,
weil klassische Merkmale dann noch nicht vorliegen (z. B. bei einem Morbus Crohn mit ausschließlichem Dickdarmbefall). Die Abgrenzung einer Colitis ulcerosa von einem Morbus Crohn hat aber wesentliche therapeutische und prognostische Konsequenzen und sollte daher immer angestrebt
werden. Kolitiden anderer Ursache (infektiöse Kolitis, pseudomembranöse Kolitis) verlaufen akut
und nicht chronisch. Eine pseudomembranöse Kolitis kann zudem durch die Bestimmung der Clostridium-difficile-Toxine im Stuhl abgegrenzt werden.
Therapie: Im Entzündungsschub werden Mesalazin (5-Aminosalicylsäure = 5-ASA) und Glukokortikoide (bei leichtem Schub topisch, bei mittlerem
bis schwerem Schub systemisch), bei fulminan-
Tab. 114.1 Schweregradbestimmung der Colitis ulcerosa (nach Rachmilewitz) (Hahn 2000)
Parameter
Schweregrad
leicht
mittel
schwer
Stuhlfrequenz/d
⬍4
4–6
⬎ 6 (blutig)
⬎ 100
Pulsfrequenz
⬍ 90
90 – 100
Hämatokrit (%)
normal
30 – 40
⬍ 30
Gewichtsabnahme (%)
keine
1 – 10
⬎ 10
Temperatur (⬚C)
normal
⬍ 38
⬎ 38
BSG (mm/h)
⬍ 20
20 – 30
⬎ 30
Serum-Albumin (g/dl)
normal
3,0 – 3,5
⬍ 3,0
(Proktokolektomie). Häufig ist die Erkrankung
nach Entfernung des entzündeten Darmabschnitts
beseitigt, die Erkrankung somit durch die Operation heilbar.
Prognose: Das Risiko eines kolorektalen Karzinoms ist erhöht. Die Patienten müssen deshalb
mindestens alle 2 Jahre koloskopiert werden, auch
wenn keine Beschwerden vorliegen.
341
Fall
tem Verlauf auch Immunsuppressiva (Ciclosporin)
eingesetzt. Je nach Entzündungsaktivität ist ballaststofffreie Flüssignahrung oder sogar parenterale Ernährung indiziert. Bei chronischer kontinuierlicher Entzündung verabreicht man Immunsuppressiva (vor allem Azathioprin). Bei schweren
Verlaufsformen einer Colitis ulcerosa, die auf eine
immunsuppressive Therapie nicht ausreichend ansprechen, besteht die Indikation zur Operation
115
Pseudomembranöse Kolitis
Aufklärungsgespräch zur Koloskopie
Akutes Megakolon
Fall 115 Nahrungsmittelallergie
115.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Nahrungsmittelallergie, möglicherweise gegen
Fischeiweiß, da die Beschwerden in Abhängigkeit vom Konsum bestimmter Lebensmittel
(Fisch) auftreten und Herzrasen, Husten, Brennen der Mundschleimhaut, Übelkeit und vermehrter Tränenfluss sowie das juckende
Exanthem typische Symptome einer allergischen Reaktion sind.
positionen (z. B. Kontakt mit Tierhaaren, Auftreten zu bestimmten Jahreszeiten wie bei Pollenflug im Frühjahr)
쐽 im anfallsfreien Intervall Kutantest
쐽 Allergensuchkost bzw. Eliminationsdiät: gezielte orale Provokation mit verschiedenen isolierten Nahrungsbestandteilen (z. B. bestimmte
Früchte, Fisch, Ei, Getreide)
쐽 Nachweis spezifischer IgE-Antikörper.
115.2 Welche 4 diagnostischen Maßnahmen
schlagen Sie vor?
쐽 gezielte Anamnese (z. B. mit Allergiefragebogen): Dauer und Art der Beschwerden, Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme, Auftreten nach Konsum bestimmter Nahrungsmittel,
Assoziation mit anderen Begleitumständen/Ex-
115.3 Der Patient fragt Sie nach einer Therapie.
Wie beraten Sie ihn?
쐽 Strikte Allergenkarenz ist die beste Prophylaxe.
쐽 Eine dauerhafte medikamentöse Therapie ist
nicht erforderlich.
쐽 Versuch einer De- oder Hyposensibilisierung.
Fall 115 Seite 116
Antworten und Kommentar
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Als Allergie (immunologische Überempflindlichkeits- oder Hypersensitivitätsreaktion) bezeichnet
man eine krankmachende, überschießende Immunreaktion. Häufige Auslöser (Allergene) sind
Pollen und Nahrungsmittel. Bis zu 5% der Bevölkerung leiden an einer Nahrungsmittelallergie. Die
meisten Betroffenen haben zusätzlich eine Pollenallergie.
342
Fall
115
Antworten und Kommentar
Ätiologie und Pathogenese: Ursache einer Allergie
ist die Sensibilisierung des Immunsystems gegen
primär apathogene Antigene (Allergene). Nach den
pathogenetischen Mechanismen werden vier Formen der Allergie unterschieden: Die Typ-I-Allergie wird durch IgE-Antikörper vermittelt (humorale = Antikörper-vermittelte Reaktion). Da die allergische Reaktion innerhalb von Minuten nach Allergenexposition auftritt, wird die Typ-I-Allergie auch
als Reaktion vom Soforttyp oder Anaphylaxie bezeichnet. Typische Beispiele sind das extrinsische
(allergische) Asthma, die Urtikaria und der anaphylaktische Schock. Bei der Typ-II-Allergie findet
sich das Allergen auf der Zelloberfläche. Die Allergen-induzierte Bildung von Antikörpern (IgG)
führt zur Zerstörung der Zellen, die das Allergen
tragen. Zwischen Allergenkontakt und Reaktion
liegt ein längeres Intervall von bis zu mehreren
Stunden. Beispiele für die Typ-II-Allergie sind die
autoimmunhämolytische Anämie und das Goodpasture-Syndrom. Pathogenetisches Agens bei der
Typ-III-Allergie sind zirkulierende Immunkomplexe, die sich in verschiedenen Geweben ablagern
und durch Komplementaktivierung eine Entzündung hervorrufen können. Beispiele sind die glutensensitive Enteropathie und die Kollagenosen.
Typ-IV-Allergien werden durch T-Lymphozyten
vermittelt und treten daher frühestens 20 Stunden
nach Allergenkontakt auf (verzögerte Reaktion).
Beispiele sind der Diabetes mellitus Typ I und die
Autoimmunhepatitis. Zu einer Manifestation einer
Allergie bedarf es einer Sensibilisierung. Diese ist
jedoch nicht zwangsläufig Folge eines Antigenkontaktes, sondern es sind bestimmte äußere Umstände (häufiger Antigenkontakt) und körpereigene
Faktoren erforderlich. Trotz der unterschiedlichen
Pathomechanismen ist das klinische Bild der Allergieformen relativ gleichförmig.
Nahrungsmittelallergien sind häufig Typ-I-, TypIII- oder Typ-IV-Allergien.
Klinik: Eine Nahrungsmittelallergie manifestiert
sich häufig an mehreren Organsystemen, so
am Gastrointestinaltrakt (Übelkeit, krampfartige
Bauchschmerzen, Diarrhö), an der Haut (Urtikaria,
Quincke-Ödem, Exanthem, Juckreiz) und am Respirationstrakt (allergische Rhinitis, Asthmaanfall,
Larynxödem).
Diagnostik: s. Frage 115.2. An eine allergische Reaktion muss man immer denken, wenn eine bestimmte klinische Symptomatik nur unter bestimmten äußeren Bedingungen auftritt (z. B. Aufenthalt in bestimmten Räumen oder am Arbeitsplatz, Konsum von bestimmten Lebensmitteln, saisonal [bei Pollenallergie]), die Dauer der Beschwerden im Wesentlichen auf den Kontakt mit
dem vermuteten Allergen beschränkt ist und die
Beschwerden bei Allergenkarenz sistieren. Allerdings kann die klinische Symptomatik auch nach
Allergenentzug noch eine gewisse Zeit weiterbestehen.
Grundlage der Diagnostik von Allergien ist eine
sorgfältige Anamnese (z. B. mit einem standardisierten Allergiefragebogen), an die sich eine gezielte Diagnostik anschließt. Der Nachweis einer Sensibilisierung kann zunächst durch Austestung der
suspekten Antigene an der Haut erfolgen, da die
Haut das Organ ist, an dem bei allergischen Reaktionen am häufigsten Symptome auftreten, und
hier mehrere Allergene gleichzeitig aufgetragen
werden können. Bei Typ-I-Allergie tritt bereits
nach 20 Minuten eine Quaddelbildung auf, bei
Typ-IV-Allergie nach mehr als 20 Stunden ein
Knötchen. Bei Typ-III-Allergie muss die Sensibilisierung durch Nachweis allergenspezifischer Antikörper mittels RAST (Radioallergosorbent-Test)
nachgewiesen werden. Ist die Haut nicht das
Hauptmanifestationsorgan, sind vor allem bei gutachterlichen Fragestellungen organbezogene Expositionstests (Provokation) erforderlich. Nahrungsmittelallergien sind durch einen Hauttest
deutlich schlechter zu erfassen als z. B. Pollenallergien. Jedoch sind Provokationstests (z. B. bronchial)
nicht ungefährlich und bedürfen daher einer sorgfältigen Indikationsstellung und Überwachung.
Therapie: Die beste Therapie ist eine Prophylaxe
durch Allergenkarenz. Bei IgE-vermittelten Prozessen kann eine De- oder Hyposensibilisierung versucht werden. Dies ist sinnvoll, wenn nur wenige
Allergene identifiziert wurden, die Sensibilisierung erst kurze Zeit besteht und der Sensibilisierungsgrad nicht sehr hoch ist.
Prognose: Bei Meidung des Allergens sistieren die
Symptome. Eine sorgfältige Diagnostik ist daher
zwingend erforderlich.
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Therapie des allergischen Schocks
Sprue
Praktisches Vorgehen bei einer Hypo- oder Desensibilisierung
Fall 115 Seite 116
Fall 116 AV-Block
116.1 Welche Diagnose stellen Sie?
쐽 AV-Block Grad III, da das EKG (s. Abb. 116.2) eine Bradykardie mit mehreren nacheinander
einfallenden P-Wellen und wechselnden PRAbständen zeigt, was darauf hinweist, dass keine der Vorhofaktionen auf die Kammer übergeleitet wird und somit die Definition des AVBlocks Grad III erfüllt ist.
Abb. 116.2 EKG bei AV-Block Grad III. Frequenz der Vorhofaktionen 100/min, Frequenz der Kammeraktionen
32/min. Es besteht keine Beziehung zwischen Vorhofund Kammeraktionen (P = P-Wellen, T = T-Wellen,
E = Eichzacke).
einzelnen Schweregrade der Herzrhythmusstörung vor?
쐽 AV-Block Grad I: Wegen fehlender hämodynamischer Relevanz ist keine spezielle Therapie
erforderlich. Vermeidung von Medikamenten,
welche die AV-Überleitung verzögern.
쐽 AV-Block Grad II Typ Mobitz 1: nur bei klinischer Symptomatik oder drohendem AV-Block
Grad III Schrittmachertherapie (DDD- oder
DDDR-Modus)
쐽 AV-Block Grad II Typ Mobitz 2: bei klinischer
Symptomatik oder drohendem AV-Block Grad
III Schrittmachertherapie (DDD- [nach Bedarf
automatischer Funktionswechsel zwischen einer Vorhofstimulation, sequenzieller Vorhofund Kammerstimulation, vorhofsynchroner
Kammerstimulation bei Rhythmuserkennung
in Vorhof und Ventrikel] oder DDDR- [zusätzlich frequenzadaptativ] Modus). Bei asymptomatischer Bradykardie relative Indikation zur
Schrittmachertherapie.
쐽 AV-Block Grad III: Schrittmachertherapie (DDD
oder DDDR-Modus) bei symptomatischen und
asymptomatischen Patienten.
KO M M E N TA R
Als AV-Block bezeichnet man eine Störung der Erregungsleitung zwischen Vorhof und Ventrikel aufgrund einer Funktionsstörung des AV-Knotens.
Ätiologie, Pathogenese und Einteilung: s. Frage
116.2 und 116.3. Der AV-Block Grad III (wie bei der
im Fall beschriebenen Patientin) ist durch eine totale Leitungsunterbrechung zwischen Vorhof und
Ventrikel auf der Ebene des AV-Knotens, des HisBündels oder der Tawara-Schenkel gekennzeich-
net. Vorhof und Ventrikel schlagen unabhängig
voneinander. Die Erregung der Ventrikel übernehmen sekundäre Reizbildungszentren im AV-Knoten oder im His-Bündel (dann schmaler QRS-Komplex mit Frequenz der ventrikulären Erregung von
meist ⬎ 40/min) oder aber tertiäre Reizbildungszentren im Ventrikel (breiter, schenkelblockartig
deformierter QRS-Komplex, Frequenz der ventrikulären Erregung ⬍ 40/min). Bei Manifestation ei-
Fall 116 Seite 117
116
Antworten und Kommentar
116.3 Welche Schweregrade dieser Herzrhythmusstörung gibt es und wie unterscheiden sich
diese im EKG?
쐽 AV-Block Grad I: Verlängerung der PQ-Zeit auf
⬎ 200 ms mit regelmäßiger Überleitung aller
Vorhofaktionen auf den Ventrikel. Dieser
Schweregrad liegt bei Ausdauersportlern vor.
쐽 AV-Block Grad II Typ Mobitz 1 (WenckebachPeriodik): zunehmende Verlängerung der PQZeit bis zur fehlenden Überleitung einer Vorhoferregung (QRS-Komplex fällt aus). Dann erneuter Beginn der Periodik mit normaler oder
verlängerter PQ-Zeit.
343
116.4 Welche Therapie schlagen Sie für die
Fall
116.2 Nennen Sie 5 Ursachen dieser Herzrhythmusstörung!
쐽 Elektrolytentgleisung, z. B. Hyperkaliämie
쐽 Überdosierung von Medikamenten, z. B. von
Digitalis, Kalziumantagonisten, β-Blockern
쐽 strukturelle Herzerkrankung: KHK, vor allem
Myokardinfarkt, Myokarditis, Kardiomyopathie
쐽 funktionell, z. B. bei Vorhofflattern
쐽 erhöhter Vagustonus (bei Ausdauersportlern).
쐽 AV-Block Grad II Typ Mobitz 2: Im Gegensatz
zur Wenckebach-Periodik ist hier die AV-Überleitung fixiert blockiert, d. h. nur jede zweite,
dritte oder vierte P-Welle wird auf die Kammer
übergeleitet. Die RR-Abstände sind bei fixierter
Blockierung regelmäßig, z. B. entspricht bei
2 : 1-Überleitung der RR-Abstand dem doppelten PP-Abstand.
쐽 AV-Block Grad III: Die Überleitung der Vorhoferregung auf den Ventrikel ist unterbrochen.
Die P-Wellen sind regelmäßig, zeigen aber keine Beziehung zu den QRS-Komplexen (unregelmäßige PQ-Abstände). Es zeigt sich entweder
ein junktionaler oder ein Kammerersatzrhythmus. Je nach Lage des Erregungsbildungszentrums des ventrikulären Ersatzrhythmus resultiert eine mäßige bis schwere Bradykardie.
Springt kein sekundäres Erregungsbildungszentrum ein, kommt es zu einer Asystolie.
nes AV-Blocks 3. Grades kann zwischen der vollständigen Leitungsblockierung und dem Einsetzen
eines Kammerersatzrhythmus eine längere Asystolie eintreten (sog. präautomatische Pause), was
auch als hypodyname Form eines MorgagniAdams-Stokes-Anfalls bezeichnet wird. Besonders
häufig tritt ein AV-Block Grad III bei einem akuten
Hinterwandinfarkt mit Infarzierung des AV-Knotens auf. AV-Leitungsstörungen im Rahmen eines
Vorderwandinfarktes mit Infarzierung des Septums
(Ischämie der Tawara-Schenkel) treten deutlich seltener auf, sind aber prognostisch ungünstiger.
Klinik: Die klinische Symptomatik reicht von
leichtem Schwindel über hypotone Kreislaufdysregulation bis zur Synkope.
344
Fall
117
Diagnostik: Die Diagnose wird anhand des Langzeit-EKGs gestellt. Die Lokalisation des Blocks (AVKnoten, His-Bündel oder Tawara-Schenkel) gelingt
mittels His-Bündel-EKG. Das His-Bündel-EKG ist
eine intrakardiale Ableitung des EKGs mittels Katheter.
Therapie: s. Frage 116.4. Bei jedem AV-Block sollte
immer nach Möglichkeiten einer kausalen Therapie gesucht werden. Insbesondere sollte die Möglichkeit einer Überdosierung von Medikamenten
mit leitungsverzögernder Wirkung, z. B. von Digitalispräparaten (Spiegelkontrolle!) oder Antiarrhythmika, geprüft werden und diese sollten abgesetzt werden. Auch die Therapie einer kardialen
Grunderkrankung (z. B. Myokarditis, akuter Myokardinfarkt) kann zu einer Aufhebung der Überleitungsstörung führen. Bei höhergradigem AV-Block
sollte zunächst eine Monitorüberwachung erfolgen. Bei hämodynamischer Relevanz des AV-Blocks
(oft bei AV-Block Grad III, seltener bei AV-Block
Grad II Typ 2) ergibt sich die Indikation zur Anlage
eines passageren Herzschrittmachers. Bei anhaltendem AV-Block erfolgt dann die Anlage eines
permanenten Herzschrittmachers.
Prognose: Bei stadiengerechter Therapie (z. B.
Schrittmacheranlage) ist die individuelle Prognose
durch den AV-Block per se nicht limitiert.
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Aufklärungsgespräch zur Anlage eines permanenten Herzschrittmachers
Anlage eines passageren Herzschrittmachers: praktisches Vorgehen
Typen/Funktionsmodi von Herzschrittmachern
SA-Blockierungen
Antworten und Kommentar
Fall 117 Hämochromatose
117.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Welche klinischen und laborchemischen Befunde
unterstützen Ihre Vermutung?
쐽 Hereditäre Hämochromatose, denn das klinische Bild ist typisch: V. a. Leberzirrhose (mäßige Konsistenzvermehrung der vergrößerten Leber) + Diabetes mellitus + bräunliche Hyperpigmentierung. Auch die Veränderungen des
Eisenstoffwechsels (Ferritin erhöht, Eisen erhöht, Transferrinsättigung [(Serumeisen: totale
Eisenbindungskapazität) ⫻ 100] ⬎ 70%) passen
zu dieser Verdachtsdiagnose.
117.2 Wie können Sie Ihre Verdachtsdiagnose
sichern?
쐽 durch eine Leberbiopsie mit Bestimmung der
Eisenkonzentration im Biopsat
쐽 durch Mutationsanalyse des HFE-Gens (s. Kommentar).
117.3 Was ist die Therapie der Wahl?
쐽 Aderlass (1 ⫻ wöchentlich 500 ml, bis Ferritin
innerhalb des Normbereichs liegt)
쐽 bei fortgeschrittener Leberzirrhose: Lebertransplantation.
117.4 Welche 5 Parameter werden zur Einteilung des Schweregrades einer Leberzirrhose
nach Child-Pugh herangezogen?
쐽 Serum-Bilirubin
쐽 Serum-Albumin
쐽 Aszites (nicht vorhanden, sonographisch oder
klinisch nachweisbar)
쐽 hepatische Enzephalopathie (Stadium)
쐽 Blutgerinnung (Quick-Wert in %), nach älterer
Einteilung alternativ Ernährungszustand
(s. Tab. 63.1).
KO M M E N TA R
Die Hämochromatose ist eine Eisenstoffwechselstörung mit gesteigerter intestinaler Eisenresorption und pathologisch erhöhter Eisenspeicherung in
Organen.
Fall 117 Seite 118
Einteilung, Ätiologie und Pathogenese: Die hereditäre (primäre) Hämochromatose ist mit einer
Häufigkeit homozygoter Merkmalsträger von 1:
300 – 400 die häufigste autosomal-rezessive Erb-
krankheit. Ursache ist eine Mutation des HFEGens, wodurch es zu einer um den Faktor 3 gesteigerten Eisenresorption im Dünndarm kommt. Die
vermehrte und nicht mehr vom Eisenbedarf regulierte intestinale Eisenresorption führt zur Ablagerung von Eisen in Leber, Haut, Pankreas, Gelenken,
Herz und anderen Organen mit Schädigung der betroffenen Gewebe. Die sekundäre Hämochromatose (Hämosiderose) ist Folge einer jahrelangen
Transfusionstherapie bei kongenitalen hämolytischen Anämien (z. B. Thalassämie). Das aus dem
Abbau von Häm stammende Eisen wird in den o. g.
Organen abgelagert und schädigt sie.
Therapie: Aus prognostischer Sicht ist eine konsequente Therapie essenziell. Die Therapie der Wahl
besteht in regelmäßigen Aderlässen mit dem Ziel,
eine Transferrinsättigung von ⬍ 50% bzw. eine Serum-Ferritinkonzentration von 50 µg/l zu erreichen. Bei bereits fortgeschrittener Leberzirrhose
muss die Indikation zu einer Lebertransplantation
geprüft werden.
Prognose: Entscheidend ist das Vorhandensein
bzw. der Schweregrad einer Leberzirrhose.
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Indikationen und Voraussetzungen für eine Lebertransplantation
Praktisches Vorgehen bei der Parazentese
Hämolytische Anämien
Fall 118 Asthma bronchiale
118.1 Welche Diagnose stellen Sie?
쐽 Asthmaanfall bei Asthma bronchiale, da anfallsweise auftretende Atemnot das Leitsymptom des Asthma bronchiale ist. Auch die Expektoration glasigen, zähen Schleims, das
Atemgeräusch mit verlängertem exspiratorischen Anteil und das exspiratorische Giemen
und Brummen sprechen für die Diagnose
„Asthma bronchiale“. Das Auftreten der
Luftnotattacken ab Anfang April (hoher Pollengehalt in der Luft) und der Heuschnupfen der
Patientin legen eine allergische Genese des
Asthma bronchiale nahe.
118.2 Welche Formen dieser Erkrankung gibt
es? Nennen Sie auslösende Faktoren!
쐽 intrinsisches (nichtallergisches) Asthma
bronchiale; Auslöser:
– Atemwegsinfektionen
– chemisch-reizend oder toxisch wirkende
Substanzen
– pseudoallergische Reaktion (Analgetikaintoleranz)
– gastroösophageale Refluxkrankheit
– Anstrengungsasthma
쐽 extrinsisches (allergisches) Asthma bronchiale; Auslöser: Umweltallergene (z. B. Pollen,
Gräser, Tierepithelien).
Fall 118 Seite 119
345
118
Antworten und Kommentar
Diagnostik: Hinweisend auf eine hereditäre Hämochromatose ist die typische klinische Symptom-Trias in Verbindung mit den typischen Laborbefunden: deutliche Erhöhung des Eisens und
des Ferritins. Charakteristisch für die hereditäre
Bei einer Hämosiderose muss die Ursache des vermehrten Eisenanfalls gesucht werden. Sehr häufig
findet sich laborchemisch eine chronische Hämolyse (LDH erhöht, Haptoglobin erniedrigt, Retikulozyten erhöht) oder in der Anamnese häufige
Transfusionen.
Fall
Klinik: Die typische klinische Symptom-Trias der
hereditären Hämochromatose (jeweils bei etwa
75% der Patienten) besteht aus Leberzirrhose, insulinpflichtigem Diabetes mellitus und Melaninbedingter dunkler Hautpigmentierung (daher die
Bezeichnung „Bronzediabetes“). Weitere typische
Manifestationen sind eine Arthropathie, eine Kardiomyopathie und die Insuffizienz endokriner Organe (z. B. Hypophyse, Nebennieren, Gonaden). Bei
einer Hämosiderose findet sich eine Eisenablagerung im retikuloendothelialen System (Milz, Leber) ohne Gewebsschädigung oder wesentliche
klinische Symptome.
Hämochromatose ist eine Transferrinsättigung
⬎ 70%. Moderne kernspintomographische Techniken ermöglichen eine Abschätzung des Eisengehaltes der Leber. Dennoch ist zur Sicherung der Diagnose und zur Einschätzung der Prognose eine
Leberbiopsie mit Bestimmung der Eisenkonzentration und des Eisenindex (Eisenkonzentration :
Lebensalter) im Leberbiopsat erforderlich, da gelegentlich auch andere Lebererkrankungen eine ähnliche Veränderung des Eisenstatus zeigen können.
Der zugrunde liegende Gendefekt (C-282 Y-Mutation des HFE-Gens) kann durch eine Mutationsanalyse nachgewiesen werden, was vor allem zur
Abgrenzung von der Hämosiderose hilfreich sein
kann.
346
Fall
118.3 Welche Untersuchungen sollten zur Diagnosesicherung und zur Suche nach Auslösern
erfolgen?
쐽 zur Diagnosesicherung:
– Lungenfunktionsprüfung: Nachweis einer
obstruktiven Ventilationsstörung durch Bodyplethysmographie oder Spirometrie
– Peak-Flow-Protokoll: Nachweis des episodischen Charakters der Obstruktion
– Metacholin-Provokationstest: Nachweis eines hyperreagiblen Bronchialsystems, falls
die Lungenfunktionsprüfung im anfallsfreien Intervall unauffällig ist
쐽 zur Suche nach Auslösern = Allergiediagnostik:
– Hauttestung (Intrakutantest, Pricktest):
Suchtest mit häufigen Allergenen
– Bestimmung des Gesamt-IgE im Serum, ergänzend Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper gegen verdächtige Allergene (Anamnese, Hauttest) mittels RAST (Radioallergosorbent-Test)
– inhalativer Allergen-Provokationstest (nur
bei unklaren Befunden und bei gutachterlichen Fragestellungen, vor allem bei allergisierenden Stoffen im Beruf).
118
118.4 Welche Therapie schlagen Sie in Abhängigkeit von der Aktivität der Erkrankung vor?
쐽 Stufentherapie des Asthma bronchiale (deutsche Atemwegsliga):
– Stufe I: kurz wirksame β2-Sympathomimetika bei Bedarf für alle Patienten
– Stufe II: wenn nicht ausreichend, ergänzend
inhalative Glukokortikoide als Dauermedikation
– Stufe III: wenn nicht ausreichend, ergänzend
langwirksame β2-Sympathomimetika als
Dauermedikation, evtl. zusätzlich Theophyllin
– Stufe IV: wenn nicht ausreichend, ergänzend
Glukokortikoide systemisch als Dauermedikation
쐽 Leukotrienrezeptor-Antagonisten (z. B. Montelukast): nur zur Anfallsprophylaxe geeignet (ab
Stufe II).
118.5 Kann man bei dieser Patientin ohne weitere Diagnostik einen Therapievorschlag machen?
쐽 Gabe von Sauerstoff (2 – 4 l/min)
쐽 kurz wirksames β2-Sympathomimetikum inhalieren lassen (2 – 4 Hübe)
쐽 Gabe von Glukokortikoiden (z. B. 50 – 100 mg
Prednisolon i. v.)
쐽 falls nach wenigen Minuten kein Effekt, Gabe
von Theophyllin 200 mg i. v.
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Als Asthma bronchiale bezeichnet man eine anfallsweise auftretende Atemnot, die auf eine variable obstruktive Ventilationsstörung auf dem Boden eines hyperreagiblen Bronchialsystems zurückzuführen ist.
Ätiologie und Pathogenese: Ursache der akuten
Atemwegsobstruktion bei Asthma bronchiale ist
entweder eine allergische Reaktion (IgE-vermittelter Soforttyp) oder aber ein nichtallergischer unspezifischer Reiz (Infektion, Kälte, Anstrengung, s.
Frage 118.2).
Klinik: Leitsymptom ist die anfallsweise auftretende Atemnot, die sich bei ausgeprägter Bronchialobstruktion auch als Orthopnö (Luftnot, die im Liegen
auftritt und sich im Sitzen bessert) äußern kann.
Häufig besteht Husten mit zähem, glasigem
Schleim, bei Infektion gelb-eitriger Auswurf. Im
Asthmaanfall besteht eine reaktive Tachykardie,
bei starkem Anfall auch ein deutlich erhöhter Blutdruck.
Diagnostik: Auskultatorisch sind typischerweise
Giemen und Brummen nachweisbar. Zur Diagnosesicherung s. Frage 118.3. Die Röntgenaufnahme
des Thorax ist in der Regel unauffällig und dient
dem Ausschluss einer Pneumonie oder anderer Ursachen einer Dyspnö (z. B. Asthma cardiale). Zur Erfassung der Auslöser des Asthma bronchiale ist ei-
Fall 118 Seite 119
ne sorgfältige allergologische Diagnostik erforderlich (s. Frage 118.3). Zu Beginn der Diagnostik
sollte eine ausführliche Anamnese (z. B. mit Hilfe
von Fragebögen) erhoben sowie eine globale Hauttestung mit häufigen Standardallergenen (z. B. Pollen, Milben) durchgeführt werden. Anamnestisch
verdächtige oder in der Hauttestung auffällige Allergene können dann im beschwerdefreien Intervall genauer untersucht werden.
Differenzialdiagnosen:
쐽 Asthma cardiale: Ist die Ursache einer anfallsweise auftretenden Luftnot eine Lungenstauung
infolge einer Linksherzinsuffizienz, bezeichnet
man dies als Asthma cardiale. Während die anfallsweise auftretende Luftnot dem Asthma
bronchiale und Asthma cardiale gemeinsam ist,
finden sich bei einem Asthma cardiale klinische
Zeichen der Linksherzinsuffizienz (z. B. Orthopnö mit feuchten Rasselgeräuschen, gelegentlich auch rostbraunes Sputum [sog. Herzfehlerzellen] als Zeichen eines Lungenödems) sowie
typische radiologische Befunde (vergrößertes
Herz, Nachweis einer Lungenstauung), die bei
einem reinen Asthma bronchiale fehlen. Klinische Zeichen der Atemwegsobstruktion können
auch bei einem Asthma cardiale bestehen, wenn
als Folge der Lungenstauung eine reflektorische
Bronchokonstriktion eintritt, so dass Giemen
und Brummen in diesem Fall kein Kriterium für
die Differenzialdiagnose darstellen.
쐽 chronische Bronchitis, Lungenemphysem: Im
Gegensatz zu Patienten mit chronischer Bronchitis oder Lungenemphysem sind Patienten
mit Asthma bronchiale im anfallsfreien Intervall
völlig beschwerdefrei und die Lungenfunktionsanalyse zeigt einen unauffälligen Befund. In diesem Fall sollte bei unklarer Befundlage der
Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität
durch einen Metacholin-Provokationstest angestrebt werden.
Therapie: Zur empfohlenen Stufentherapie s. Frage
118.4. Bei leichteren Formen des allergischen Asth-
mas kann zur Mastzellstabilisierung Cromoglicin
verabreicht werden (weniger wirksam als inhalative Glukokortikoide). Zudem sollte bei allergischem
Asthma die Möglichkeit einer Hypo- oder Desensibilisierung geprüft werden. Zur Therapie im Asthmaanfall s. Frage 118.5. Bei medikamentös nicht
beherrschbarem Asthmaanfall Intubation und Beatmung.
Prognose: Die Prognose kann individuell schlecht
vorhergesagt werden. Allgemein hat gerade das allergische Asthma oft eine günstige Prognose, da
durch Allergenmeidung und Desensibilisierung oft
eine Linderung im Verlauf erreicht werden kann.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
COPD
Lungenemphysem
Diagnostik bei Allergien
347
Fall 119 Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison)
119.3 Wie wird die Erkrankung behandelt?
쐽 Substitution der Glukokortikoide: Hydrokortison p. o.
쐽 Substitution der Mineralokortikoide: Fludrokortison p. o.
!!! 119.4 Was ist ein Schmidt-Syndrom?
쐽 Kombination aus primärer Nebennierenrindeninsuffizienz und Hypothyreose.
KO M M E N TA R
Als primäre Nebennierenrindeninsuffizienz oder
Morbus Addison wird ein Kortisol- und Aldosteronmangel als Folge einer Erkrankung der Nebennierenrinde (NNR) bezeichnet. Hiervon abzugrenzen ist die sekundäre NNR-Insuffizienz, die
Folge einer Hypothalamus- oder Hypophysenerkrankung ist. Daher findet sich hier meist auch
ein Mangel anderer Hormone (Sexualhormone,
Schilddrüsenhormone).
Fall 119 Seite 120
119
Antworten und Kommentar
119.2 Mit welchen 5 Untersuchungen können
Sie Ihre Verdachtsdiagnose sichern?
쐽 Bestimmung des basalen ACTH: Dieses ist bei
Hypokortisolismus immer erhöht (indirekter
Hinweis)
쐽 ACTH-Kurztest: Ein fehlender oder verminderter Anstieg des Kortisols nach ACTH-Gabe bei
vermindertem ACTH-Ausgangswert beweist die
Endorganinsuffizienz der Nebennierenrinde und
erlaubt somit die Diagnose „Morbus Addison“.
쐽 Bestimmung der Plasmareninaktivität: Diese
ist erhöht – empfindlichster Test für den Mineralokortikoidmangel
쐽 Bestimmung der Kortisol- und Aldosteronkonzentration im 24-Stunden-Sammelurin:
Nachweis eines Hypokortisolismus und Hypoaldosteronismus
쐽 Bestimmung der Kortisol- und Aldosteronkonzentration im Serum: zu ungenau, da starke Schwankungen im Tagesverlauf (vor allem
bei Kortisol) und unter Orthostase (bei Aldosteron) auftreten. Einzelwerte sind deshalb
niemals aussagekräftig.
Fall
119.1 Welche Erkrankung könnte hier vorliegen? Welche Symptome und Befunde sprechen
für Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Verdachtsdiagnose: chronische primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison)
쐽 Begründung:
– Abgeschlagenheit, Hypotonie mit Kollapsneigung und Hyperpigmentierung sind die
klassischen Symptome des Morbus Addison.
– Hyponatriämie und Hyperkaliämie sind die
Folgen des Hypoaldosteronismus. Der Hypoaldosteronismus ist Ausdruck der mineralokortikoiden Insuffizienz und wird in diesem
Fall sogar schon durch den niedrigen Serumaldosteronspiegel angedeutet.
– Der sonst unauffällige Befund der körperlichen Untersuchung, das normale EKG, das
normale Blutbild und das normale TSH machen andere häufige Ursachen (z. B. Herzinsuffizienz, Hypothyreose, Leukämie) einer
Hypotonie und Abgeschlagenheit unwahrscheinlich.
Ätiologie und Pathogenese: Meist wird der Morbus Addison durch Autoimmunprozesse verursacht – häufig findet sich gleichzeitig eine Hashimoto-Thyreoiditis als Ursache einer Schilddrüseninsuffizienz (s. Frage 119.4) – , seltener durch Infektionen (z. B. Tuberkulose) oder Malignome (NNRMetastasen).
Klinik: Wichtige Leitsymptome der primären
chronischen NNR-Insuffizienz sind die Hypotonie,
eine Hyperpigmentation der Haut (vor allem
Handfurchen) sowie der Schleimhäute. Begleitend
werden häufig uncharakteristische Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Gewichtsverlust angegeben. Unter Belastung kann es
zur Addison-Krise mit Exsikkose, Blutdruckabfall,
Schock und Oligurie kommen.
348
Fall
120
Antworten und Kommentar
Diagnostik und Differenzialdiagnosen: Für die Diagnosestellung ist es am wichtigsten, bei einer
Kombination von vegetativen Beschwerden (Müdigkeit, Gewichtsverlust) und Hypotonie gezielt
auf den Hautbefund zu achten und dann bei einer
auffälligen Hyperpigmentierung (die natürlich
auch bei NNR-Gesunden vorkommen kann) an die
Möglichkeit eines Morbus Addison zu denken (bei
sekundärer NNR-Insuffizienz ist die Haut blass).
Bei V. a. Morbus Addison kann die Nebennierenrindeninsuffizienz leicht durch einen ACTH-Test bewiesen oder ausgeschlossen werden (s. Frage
119.2). Eine Stimulation der Nebenniere mit exogenem ACTH führt bei vorhandenen Funktionsreserven der NNR zu einer deutlichen Kortisolfreisetzung. Diese deutliche Reaktion bleibt bei einer
NNR-Insuffizienz aus. Bei einer Störung der Steroidbiosynthese, z. B. bei einem 21-Hydroxylasemangel im Rahmen eines adrenogenitalen Syndroms, kommt es dagegen zu einer verstärkten
Freisetzung von Steroidpräkursoren.
Die (auch in dem hier beschriebenen Fall) durchgeführte Bestimmung einzelner Aldosteron- oder
Kortisolspiegel im Serum ist wegen der starken
Schwankung der Werte in Abhängigkeit von Orthostase und Tageszeit für die Diagnostik einer
NNR-Insuffizienz nicht geeignet. Methode der
Wahl ist die Bestimmung von Renin (erhöht bei
primärer NNR-Insuffizienz) und Aldosteron (vermindert bei primärer NNR-Insuffizienz) im 24Stunden-Urin oder im Rahmen eines OrthostaseTests.
Therapie: Die Substitutionsbehandlung (s. Frage
119.3) orientiert sich bezüglich der mineralokortikoiden Achse an den Elektrolyten und dem Wasserhaushalt und bezüglich der glukokortikoiden
Achse vor allem am Allgemeinbefinden des Patienten sowie am Blutdruck. Bei Stress, Operation und
schweren Infektionen ist der Glukokortikoidbedarf
deutlich erhöht, so dass in diesen Situationen die
Hydrokortisondosis verdoppelt oder verdreifacht
werden muss. Bei einer Addison-Krise ist zudem
die Gabe von Glukoselösung und 0,9%iger NaCl
zwingend erforderlich.
Prognose: Bei einer adäquaten Substitutionstherapie ist die Prognose günstig; bei begleitenden bzw.
ursächlichen Erkrankungen (z. B. Metastasen) je
nach Schwere der Erkrankung weniger günstig.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Cushing-Syndrom
Adrenogenitales Syndrom
Hypoaldosteronismus
Fall 120 Divertikulitis
120.1 Nennen Sie die 3 Ihrer Ansicht nach
wahrscheinlichsten Differenzialdiagnosen!
쐽 Divertikulitis: am wahrscheinlichsten, da ein
entzündliches Krankheitsbild vorliegt und die
Schmerzlokalisation im linken Unterbauch in
Verbindung mit den Stuhlunregelmäßigkeiten
auf eine Erkrankung des Kolons hindeutet
쐽 Kolonkarzinom: weniger wahrscheinlich, da
die Beschwerden akut begonnen haben und die
entzündliche Symptomatik mit Fieber und
CRP-Erhöhung für ein Kolonkarzinom eher ungewöhnlich ist
쐽 chronisch-entzündliche Darmerkrankung
(Morbus Crohn, Colitis ulcerosa): weniger
wahrscheinlich, da das Alter des Patienten für
Fall 120 Seite 121
eine Erstmanifestation einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ungewöhnlich ist
und die Erkrankungen chronisch verlaufen.
120.2 Welche Untersuchung hat Ihrer Ansicht
nach die höchste Priorität bei der weiteren Abklärung? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Ein CT des Abdomens, da der Verdacht auf das
Vorliegen einer Divertikulitis besteht. Solange
eine Divertikulitis bei verdächtiger Klinik nicht
durch ein CT ausgeschlossen ist, ist die Durchführung einer Koloskopie relativ kontraindiziert, da durch die Luftinsufflation die Gefahr
der Perforation besteht. Die Röntgenuntersuchung des Darms mit (wasserlöslichem) Kon-
trastmittel ist im Vergleich zum CT weniger
spezifisch für Divertikulitis, da zwar die Divertikel dargestellt werden können, nicht aber die
entzündliche Wandverdickung.
120.3 Nennen Sie mindestens 5 Komplikationen einer Divertikulitis!
쐽 gedeckte oder offene Perforation des Darms
쐽 Abszessbildung
쐽 Fisteln in andere Darmabschnitte oder in die
Blase
쐽 entzündliche Stenosen
쐽 Blutung (auch bei Divertikulose)
쐽 seltener: Pyoderma gangraenosum (ulzerierende Hautmanifestation, vor allem an der unteren Extremität).
120.4 Welche Therapieoptionen gibt es bei Divertikulitis?
쐽 konservativ:
– Breitbandantibiotika parenteral, z. B. Piperacillin/Tazobactam, Ciprofloxacin, bis zur klinischen Besserung und Normalisierung des
CRP
– Nahrungskarenz und parenterale Ernährung,
bei leichten Verläufen ist eine ballaststofffreie Elementardiät ausreichend
쐽 operativ:
– notfallmäßig bei Komplikationen (Perforation, Blutung)
– elektiv bei rezdivierender Divertikulitis.
KO M M E N TA R
Darmdivertikel sind umschriebene Ausbuchtungen der Darmwand. Meist stülpt sich die Darmschleimhaut durch Lücken in der Muskelschicht
nach außen (sog. falsche oder Pseudodivertikel; erworben), selten ist die gesamte Darmwand beteiligt (echte, angeborene Divertikel infolge Wandfehlbildung). Im höheren Lebensalter finden sich
sehr häufig – bei etwa 2/3 aller über 80-Jährigen –
multiple falsche Divertikel (Divertikulose). Eine
Entzündung eines oder mehrerer Divertikel wird
als Divertikulitis bezeichnet.
Bei der Divertikelblutung kommt es zu einem peranalen Blutabgang.
Diagnostik: Die Symptome und Befunde
(Schmerz und Resistenz im linken Unterbauch) in
Verbindung
mit
dem
Sonographiebefund
(Abb. 120.1) sprechen für einen krankhaften Prozess im Bereich des Dickdarms, zumal sich keine
Hinweise für eine urogenitale Erkrankung ergeben
(Urinstatus, Sonographie). Zur Diagnosesicherung
s. Frage 120.2. Durch die Computertomographie
kann nicht nur die Diagnose einer Divertikulitis
recht zuverlässig gestellt werden, es können
gleichzeitig auch Komplikationen (z. B. Abszesse,
s. Frage 120.3) erfasst und Differenzialdiagosen
120
Abb. 120.1 Sonogramm: Divertikel (mit kurzen weißen
Pfeilen markiert) mit beginnender Divertikulitis: In der
Umgebung des Divertikels ist die Darmwand verdickt.
*: Divertikelhals.
(z. B. infiltrierendes Karzinom, s. u.) ausgeschlossen werden. Bei unklarem Befund und unter konservativer Therapie fortbestehender Darmsymptomatik kann ggf. später eine Koloskopie zum definitiven Ausschluss eines Karzinoms durchgeführt
werden.
Differenzialdiagnosen: Für eine Divertikulitis und
gegen ein Kolonkarzinom sprechen in diesem Fall
die klinischen (Fieber) und serologischen (CRP,
Leukozytose, Thrombozytose) Entzündungszeichen. Bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ist sonographisch in der Regel keine tumorartige Wandverdickung nachweisbar. Zudem
manifestieren sich Morbus Crohn und Colitis ulcerosa meist in früheren Lebensabschnitten (Häufigkeitsgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr),
während die Divertikulose und Divertikulitis typischerweise Erkrankungen des älteren Menschen
sind (s. o.).
Therapie: Zunächst ist eine konservative Therapie
indiziert: körperliche Schonung, Nahrungskarenz,
Fall 120 Seite 121
Antworten und Kommentar
Klinik: Divertikel sind in den meisten Fällen klinisch stumm. Nur bei 10% der Patienten kommt es
zu Komplikationen wie einer Divertikulitis oder einer Divertikelblutung. Leitsymptom der Divertikulitis ist der linksseitige Unterbauchschmerz. Zu
Komplikationen der Divertikulitis s. Frage 120.3.
Fall
Pathogenese: Divertikel entstehen aufgrund eines
erhöhten intrabdominellen Drucks, z. B. erschwerter Stuhlgang bei Obstipation (ballaststoffarme Ernährung), bevorzugt an Durchtrittsstellen von Gefäßen durch die Darmwand (Schwachstelle). Infolge einer Verlegung des Lumens der Divertikel, z. B.
durch Kotsteine, wird die Entwicklung einer Entzündung der Divertikel (Divertikulitis) begünstigt.
349
Stuhlregulierung (Laktulose oder andere Laxanzien), parenterale Ernährung oder Flüssigkeitssubstitution und antibiotische Behandlung (s. Frage
120.4). Die operative Therapie bleibt der Behandlung von Komplikationen vorbehalten. Bei rezidivierenden Divertikulitiden sollte aber eine Entfernung des betroffenen Darmabschnitts diskutiert
werden, um künftigen Komplikationen (z. B. Strik-
turen) vorzubeugen, da die Letalität bei einer Notoperation im Falle von Komplikationen hoch ist.
Prognose: Bei Umstellung der Lebensweise (ballaststoffreiche Ernährung) und adäquater Stuhlregulierung kann das Risiko für die Entstehung von
Divertikel-Komplikationen (Blutung, Divertikulitis) deutlich vermindert werden.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Laxanzien
Untere gastrointestinale Blutung: Differenzialdiagnosen
Hämorrhoiden
Kolorektale Adenome
Fall 121 Synkope
350
Fall
121
Antworten und Kommentar
121.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Synkope bei Hypotonie und V. a. orthostatische
Dysregulation: Das Auftreten der Bewusstlosigkeit im Stehen nach sportlicher Tätigkeit
(Schwitzen, Hypovolämie), die in der Anamnese angegebene Neigung zu Schwindel und Palpitationen bei orthostatischem Reiz sowie der
erniedrigte Blutdruck sprechen für eine orthostatische Dysregulation als Ursache der Synkope.
121.2 Welche Differenzialdiagnosen müssen
Sie berücksichtigen? Nennen Sie zu jeder Differenzialdiagnose die wichtigste weiterführende
Untersuchung!
쐽 vaskuläre Synkope:
– orthostatische Dysregulation: Diagnose und
Differenzierung (sympathikoton, hyposympathikoton, asympathikoton) durch Schellong-Test
– vasovagale Synkope (neurokardiogene Dysregulation): Diagnose durch Kipptischuntersuchung
– Hypotonie, z. B. durch Medikamente (z. B.
Antihypertonika) bedingt
– Karotissinussyndrom: Diagnose durch Karotis-Druckversuch
– pressorisch-postpressorische Synkope (bei
Husten, Heben schwerer Lasten, Defäkati-
쐽
쐽
쐽
쐽
on): Diagnose durch Anamnese und Provokationstest
– transitorisch-ischämische Attacke (TIA): bei
junger Patientin ungewöhnlich, aber nicht
unmöglich (z. B. bei Takayasu-Arteriitis oder
Embolie bei Vitium). Abklärung durch Duplexsonographie.
– Subclavian-steal-Syndrom: Diagnose durch
Duplexsonographie (Strömungsumkehr in
der A. vertebralis)
kardiogene Synkope:
– Herzrhythmusstörung (bradykard oder tachykard): Abklärung durch Langzeit-EKG
– Vitium (Aorten- oder Mitralklappenstenose): hier eher unpassend, da unauffälliger
Auskultationsbefund. Diagnose durch Echokardiographie.
zerebrale Synkope (z. B. Epilepsie): Diagnose
durch Anamnese, Klinik und EEG
psychogene Synkope: Hyperventilationssyndrom (typische Anamnese, BGA), hysterischer
Anfall
andere:
– Intoxikation (Drogen, Medikamente): Anamnese, bei Verdacht Drogenscreening
– Hypoglykämie: bei Verdacht Blutzucker-Bestimmung.
KO M M E N TA R
Als Synkope bezeichnet man eine akut einsetzende, reversible Bewusstlosigkeit für Sekunden bis
Stunden mit Tonusverlust der Muskulatur.
Ätiologie und Einteilung: Es werden vaskuläre,
kardiogene, zerebrale und psychogene Synkopen
unterschieden (s. Frage 121.2).
Fall 121 Seite 122
Klinik: Die Betroffenen geben an, dass ihnen
schwarz vor Augen wurde oder die Umwelt sich
entfernte. Begleitend treten Übelkeit und Schweißausbruch auf. Augenzeugen berichten von Blasswerden oder Zyanose und schlaffem Tonusverlust
der Muskulatur (die Betroffenen sinken zu Boden).
Diagnostik: Wichtigste basisdiagnostische Maßnahme ist die Eigen- bzw. Fremdananmnese, die
evtl. auf die möglichen Ursachen hinweist (s. Frage
121.1). Darüber hinaus kommt der eingehenden
körperlichen Untersuchung, inkl. einer kompletten neurologischen Untersuchung, eine große Bedeutung zu. Zur apparativen Basisdiagnostik gehören ein Ruhe-EKG, ein Röntgen-Thorax sowie die
Bestimmung einiger wesentlicher Laborparameter
(Blutbild, Blutzucker, BGA). Je nach Verdachtsdiagnose bzw. vermuteter Ursache sind weitere diagnostische Maßnahmen notwendig (s. Frage 121.2).
Therapie: Sie ist abhängig von der Ursache, eine
möglichst kausale Therapie ist anzustreben. Bezüglich der orthostatischen Dysregulation kommen
folgende Maßnahmen in Frage: regelmäßiges
körperliches Training, ausreichende Trinkmenge
(3 l/d), Tragen von Kompressionsstrümpfen, Vermeidung abrupter Änderungen der Körperlage.
Sind diese Allgemeinmaßnahmen nicht ausreichend wirksam, können Sympathomimetika (z. B.
Etilefrin 3 ⫻ 25 mg/d oral) oder Sekalealkaloide
(z. B. Dihydergot 2 ⫻ 2,5 mg /d p.o) verabreicht werden.
122
Fall 122 Malaria
122.2 Welche Formen der Erkrankung kennen
Sie, wodurch werden diese ausgelöst und wie
unterscheiden sie sich klinisch?
쐽 Malaria tertiana:
– Auslöser: Plasmodium vivax oder Plasmodium ovale
– Klinik: regelmäßig auftretendes Fieber mit
einem fieberfreien Intervall von jeweils
1 Tag
쐽 Malaria quartana:
– Auslöser: Plasmodium malariae
– Klinik: regelmäßig auftretendes Fieber mit
einem fieberfreien Intervall von jeweils 2 Tagen
쐽 Malaria tropica:
– Auslöser: Plasmodium falciparum
– Klinik: schwankend hohes Fieber ohne erkennbare Rhythmik, häufiger schwere Verläufe mit Bewusstseinstrübung, zerebralen
Krampfanfällen (zerebrale Malaria), Hypoglykämie, Thrombozytopenie, akutem Nierenversagen, Hypotonie oder Vebrauchskoagulopathie.
122.3 Wie kann die Diagnose gesichert werden?
쐽 Durch mikroskopischen Nachweis der Plasmodien im Blutausstrich (dicker Tropfen).
Fall 122 Seite 123
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Chronisch-venöse Insuffizienz
Schwindel: Differenzialdiagnosen
Insulinom: Klinik, Diagnostik
122.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Malaria, da Fieber unklarer Ursache (kein eindeutiges Organsymptom) mit zirkadianer
Rhythmik besteht, welches in zeitlichem Zusammenhang mit der Rückkehr aus einem Malariaendemiegebiet aufgetreten ist. Zudem
spricht die Erniedrigung des Hb bei Erhöhung
der LDH für eine hämolytische Anämie, die bei
einer Malaria typisch ist. Wahrscheinlich Malaria tertiana, denn das Fieber tritt regelmäßig an
jedem 2. Tag auf.
351
Fall
Zur Abklärung einer (auch im vorliegenden Fall
vermuteten) orthostatischen Dysregulation stehen folgende diagnostische Methoden zur Verfügung: Im Rahmen des Schellong-Tests werden
Pulsfrequenz und Blutdruck im Liegen, nach dem
Aufstehen (ca. 10 Minuten lang) und während einer erneuten Liegephase registriert. Bei der Kipptischuntersuchung ist der orthostatische Reiz verstärkt, da hier die Wadenmuskelpumpe nicht der
Verlagerung des Blutvolumens entgegenwirkt. Beiden Tests ist gemeinsam, dass durch den plötzlichen orthostatischen Reiz die Kreislaufregulation
einsetzt und durch Registrierung von Blutdruck
und Puls sowie ggf. auch des EKGs verschiedene
Formen der orthostatischen Dysregulation abge-
grenzt werden können. Die hyposympathikotone
Form ist die häufigste orthostatische Regulationsstörung und ist durch einen Anstieg von Herzfrequenz und diastolischem Blutdruck bei gleichzeitigem Abfall des systolischen Blutdruck s gekennzeichnet. Bei der hypersympathikotonen Form
führt die vermehrte Verlagerung von Blutvolumen
in das venöse System über eine vermehrte Katecholaminfreisetzung zu einem überschießenden
Anstieg von diastolischem Blutdruck und Puls.
Demgegenüber findet sich bei der asympathikotonen Form unter Orthostasebedingungen kein reflektorischer Anstieg der Herzfrequenz, der diastolische sowie der systolische Blutdruck fallen.
122.4 Nennen Sie mindestens 3 Medikamente,
die zur Therapie der Erkrankung geeignet sind!
쐽 Mefloquin (z. B. Lariam)
쐽 Chloroquin (z. B. Resochin), Hydroxychloroquin
(z. B. Quensyl)
쐽 Halofantrin (z. B. Halfan)
쐽 Pyrimethamin-Sulfadoxin (z. B. Fansidar)
쐽 Chinin.
122.5 Bei Vorliegen welcher Begleiterkrankungen tritt die vermutete Erkrankung weniger
häufig auf?
쐽 Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel
(Favismus)
쐽 Sichelzellanämie (Hämoglobinopathie).
KO M M E N TA R
Die Malaria ist die weltweit häufigste durch Parasiten übertragene Infektionserkrankung.
352
Fall
122
Ätiologie, Pathogenese und Klinik: Erreger der
Malaria sind einzellige Parasiten (Plasmodien), die
von Stechmücken (Anopheles) auf den Menschen
übertragen werden. Vier Plasmodienarten sind bekannt: Plasmodium falciparum (씮 Malaria tropica), Plasmodium vivax und ovale (씮 Malaria tertiana) sowie Plasmodium malariae (씮 Malaria
quartana).
Antworten und Kommentar
Die Erreger befallen zunächst die Leber, dann die
Erythrozyten. Nach Vermehrung der Plasmodien in
den Erythrozyten platzen diese und setzen die
Plasmodien in die Zirkulation frei. Diese schubweise Freisetzung von Plasmodien aus den Erythrozyten führt zum Auftreten von Fieber sowie zur
Hämolyse. Der nächste Fieberschub erfolgt nach
erneutem Befall von Erythrozyten und deren Ruptur. Die Vermehrungszeit der Parasiten in den Erythrozyten ist abhängig von der Plasmodienart und
beträgt 3 Tage für P. malariae, 2 Tage für die anderen Arten. Durch eine Synchronisation des intraerythrozytären Parasitenwachstums erklärt sich
der typische Verlauf mit Auftreten von Fieberschüben alle 2 (Malaria tertiana) bzw. 3 (Malaria
quartana) Tage. Bei der Malaria tropica tritt keine
Synchronisation auf, allerdings ist hier der
schwerste klinische Verlauf zu beobachten. Teilweise durch Mikrozirkulationsstörungen bedingt
kommt es bei der Malaria tropica gehäuft zu z. T. lebensbedrohlichen Komplikationen wie akutem
Nierenversagen, Thrombozytopenie, Verbrauchskoagulopathie, Hypotonie bis zum Schock oder zerebralen Krampfanfällen (zerebrale Malaria; s. Frage 122.2).
Diagnostik: Entscheidend ist die Anamnese. Um
z. B. in dem hier geschilderten Fall die richtige Verdachtsdiagnose stellen zu können, muss aus der
Vielzahl der dargebotenen Informationen die einzig zielführende (der nebenbei erwähnte Aufenthalt in einem Malariagebiet) herausgefiltert werden. Da die Inkubationszeit der Malaria in Einzelfällen mehrere Monate betragen kann, muss bei jedem Fieber unklarer Genese nach einen Aufenthalt
in Malariagebieten (Afrika, Asien) gefragt werden.
Fall 122 Seite 123
Kann ein Auslandsaufenthalt in einem Malariagebiet innerhalb der vorangegangenen 2 Jahre erfragt
werden, sollte in jedem Fall eine Malariadiagnostik
veranlasst werden. Diese besteht im Nachweis der
Plasmodien durch direkte mikroskopische Untersuchung von Blutausstrichen. Hierzu ist die Untersuchung von Vollblutpräparaten („dicker Tropfen“) an mindestens 3 Zeitpunkten im Abstand von
8 – 12 Stunden erforderlich, da aufgrund der zyklischen Freisetzung der Erreger aus den Erythrozyten nicht immer Erreger in der Zirkulation nachweisbar sind und bei nur einmaliger Untersuchung
die Erkrankung fälschlicherweise nicht erkannt
wird. Andere Diagnoseverfahren (Antikörper, PCR)
sind vergleichsweise wenig sensitiv und zur Diagnose der akuten Malaria nicht geeignet.
Im Rahmen der zunächst intensivmedizinischen
Überwachung (s. u.) sollten regelmäßig sowohl klinische als auch Laborparameter bestimmt werden:
Temperatur, Blutdruck, Herzfrequenz, ZVD, Bilanz,
Blutbild, Blutzucker, Kreatinin, Elektrolyte, Transaminasen, LDH, Bilirubin, Gerinnungsparameter,
BGA.
Röntgen-Thorax und Abdomensonographie dienen
zur Abklärung einer eventuellen Organbeteiligung
(Pneumonie, Leber- und/oder Milzvergrößerung?).
Therapie: Eine intensivmedizinische Überwachung in den ersten Krankheitstagen ist wegen der
potenziellen Komplikationen (s. o.) in jedem Fall
gerechtfertigt. Zur Therapie der Malaria stehen eine Reihe von Medikamenten zur Verfügung (s. Frage 122.4). Die Auswahl des Präparates zur Primärtherapie oder Prophylaxe richtet sich nach dem
Plasmodientyp, der Schwere der Erkrankung sowie
der Resistenzlage im Land der Infektion.
Prophylaxe: Wichtig sind eine Expositionsprophylaxe (z. B. lange Kleidung, Moskitonetze) sowie eine Chemoprophylaxe (Empfehlungen eines Tropeninstituts beachten!).
Prognose: Bei der Malaria tropica besteht eine hohe Letalität, wenn die Therapie zu spät eingeleitet
wird. Bei der Malaria tertiana und quartana sind
Todesfälle selten, Spontanheilungen sind möglich
(bei der Malaria quartana seltener als bei der Malaria tertiana).
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fieber unklarer Ursache: Differenzialdiagnosen
Trypanosomiasis
Differenzialdiagnosen der Hämolyse
Sichelzellanämie
Fall 123 Refluxkrankheit
– typischer Befund: pH-Abfall unter 4,0 während ⬎ 3% der Aufzeichnungszeit im Liegen
und ⬎ 3% der Aufzeichnungszeit in aufrechter Haltung.
123.3 Wie lautet Ihre Therapieempfehlung,
falls die Verdachtsdiagnose zutrifft?
쐽 Protonenpumpeninhibitor (z. B. Omeprazol,
alternativ Pantoprazol) für 4 – 6 Wochen
쐽 Allgemeinmaßnahmen:
– Beendigung des Alkohol- und Nikotinkonsums
– Gewichtsreduktion
– Vermeiden voluminöser Speisen
– keine Mahlzeiten unmittelbar vor dem
Schlafengehen bzw. Hinlegen
– Schlafen mit leicht erhöhtem Oberkörper.
123.2 Welche 2 diagnostischen Maßnahmen
123.4 Was ist ein Barrett-Syndrom und was ist
bei der Betreuung der Patienten zu beachten?
쐽 Barrett-Syndrom = Barrett- oder Endobrachyösophagus: Ersatz des Plattenepithels im
Ösophagus durch Zylinderepithel bei chronischer Refluxkrankheit
쐽 Problematik:
– Barrett-Ösophagus ist eine Präkanzerose des
Adenokarzinoms
– bei histologisch gesichertem Befund daher
mindestens 1 ⫻ pro Jahr endoskopische
Kontrolle (Stufenbiopsien), Langzeittherapie
mit Protonenpumpeninhibitoren.
Tab. 123.1 Stadieneinteilung der Refluxösophagitis nach Savary und Miller
Stadium
Befunde
Stadium 0
normale Mukosa
Stadium I
vereinzelte Schleimhautläsionen, nicht konfluierend
Stadium II
konfluierende, aber nicht zirkuläre (= nicht
die gesamte Zirkumferenz einnehmende)
Erosionen
Stadium III
zirkulär konfluierende Schleimhautläsionen
Stadium IV
Strikturen, Ulzera, Barrett-Ösophagus
Fall 123 Seite 124
123
Antworten und Kommentar
schlagen Sie zur weiteren Abklärung vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag und nennen Sie typische Befunde bei der vermuteten Erkrankung!
쐽 Ösophagogastroduodenoskopie:
– Begründung: Nachweis einer Ösophagitis,
Beurteilung des Schweregrades (Erosionen,
Ulzera?), Ausschluss von Differenzial- oder
Begleitdiagnosen (Ösophaguskarzinom,
peptische Stenose, sekundäre Achalasie)
– typische Befunde: s. Tab. 123.1
쐽 24-Stunden-Langzeit-pH-Metrie:
– Begründung: Nachweis, dass die Ösophagitis
durch Reflux bedingt ist (vor allem bei atypischem Befund), Diagnose der Refluxkrankheit im Stadium 0
353
Fall
123.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Refluxkrankheit, denn auch wenn der beschriebene Patient in der Ergometrie formal nicht
vollständig ausbelastet wurde (maximale
Herzfrequenz = 220 – Lebensalter), so erscheint
eine hochgradige koronare Herzkrankheit, welche thorakale Beschwerden in Ruhe (= Angina
pectoris Stadium IV) erklären könnte, als unwahrscheinlich. Vielmehr liegt die typische
Anamnese einer gastroösophagealen Refluxkrankheit vor: retrosternaler Schmerz von
brennendem Charakter (KHK: Druck), Auftreten der Beschwerden im Liegen, vor allem
nachts (KHK: Beschwerden bei Belastung, die
in Ruhe sistieren) und Reizhusten durch ösophagotrachealen Reflux.
KO M M E N TA R
Als Refluxkrankheit bezeichnet man den symptomatischen Rückfluss von saurem Mageninhalt in
den Ösophagus aufgrund einer Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters. Häufig verwendete
Abkürzungen: GERD = „gastroesophageal reflux
disease“ (gastroösophageale Refluxkrankheit mit
endoskopischem Nachweis erosiver Veränderungen, also einer Refluxösophagitis); NERD = non
erosive esophageal reflux disease (keine erosiven
Veränderungen).
Ätiologie und Pathogenese: Ursache der Refluxkrankheit ist ein gestörter Verschluss des unteren
Ösophagussphinkters. Prädisponierend sind ein
erhöhter intraabdomineller Druck, Adipositas, Nikotin- und Alkoholabusus, eine Hiatushernie und
Motilitätsstörungen von Ösphagus und Magen.
354
Fall
124
Klinik: Leitsymptome sind ein retrosternaler, als
Brennen empfundener Schmerz („Sodbrennen“),
vor allem im Liegen und nachts, sowie Reizhusten
(durch ösophagotrachealen Reflux).
Diagnostik: In den meisten Fällen reicht bei typischer Klinik ein passender Befund bei der Gastroösophagoskopie (Refluxösophagitis = Stadium I –
IV der Klassifikation nach Savary und Miller, s.
Tab. 123.1) zur Diagnosestellung aus. Besonders bei
unklaren Fällen kann der Säurereflux mittels Langzeit-pH-Metrie nachgewiesen werden.
Antworten und Kommentar
Differenzialdiagnosen: Abzugrenzen sind nicht
durch einen Reflux verursachte Ösophagitiden wie
Soorösophagitis, Herpesösophagitis oder Ösophagitis durch chemische (z. B. Medikamente, Alkohol)
oder physikalische (z. B. Verbrühung, Magensonde)
Noxen.
Therapie: Zu Allgemeinmaßnahmen s. Frage 123.3.
Medikamentöse Therapie der Wahl ist die Gabe eines Protonenpumpeninhibitors (z. B. Omeprazol,
alternativ Pantoprazol) für 4 – 6 Wochen, ggf. auch
in reduzierter Dosis (entscheidend ist die Beschwerdefreiheit des Patienten) auf Dauer. Die anderen medikamentösen Therapieformen (wie H2Blocker, Antazida und Prokinetika) sind bezüglich
der Abheilung der Erosionen und der symptomatischen Beschwerdelinderung deutlich unterlegen.
Operative Therapieverfahren (z. B. Fundoplicatio
nach Nissen) bleiben der Behandlung von therapierefraktären Verläufen und Komplikationen vorbehalten.
Prognose: Bei adäquater Therapie ist die Prognose
gut. Bei fehlender oder unzureichender Therapie
kann bei bis zu 20% der Patienten durch Strikturen
im Verlauf eine Stenosierung des Ösophaguslumens auftreten. Bei bis zu 20% aller Patienten mit
einer Refluxösophagitis tritt im Verlauf ein BarrettÖsophagus auf (s. Frage 123.4). Endoskopisch zeigt
sich die Barrett-Schleimhaut als leicht rötlich im
Vergleich zur gräulichen Schleimhaut des Ösophagus. Als „short Barrett’s Ösophagus“ bezeichnet
man zungenartige Ausläufer von Magenschleimhaut im ösophagogastralen Übergang. Die Zylinderepithelmetaplasie erhöht das Risiko, ein Adenokarzinom des Ösophagus zu entwickeln, im Vergleich zur Normalbevölkerung um das 30- bis
125fache. Alle Patienten mit einem Barrett-Ösophagus müssen daher regelmäßig endoskopisch
und bioptisch kontrolliert werden. Bei kompletter
Ausheilung einer Refluxösophagitis ohne BarrettSchleimhaut sind weitere endoskopische Kontrollen nicht erforderlich.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Differenzialdiagnosen des retrosternalen Schmerzes
Soor-Ösophagitis
Ösophaguskarzinom
Fall 124 Polycythaemia vera
124.1 Welche Erkrankung liegt wahrscheinlich
vor?
쐽 Polycythaemia vera, da eine erhebliche Polyglobulie und Thrombozytose vorliegen ohne
Hinweis auf eine chronische Herz- oder Lungenerkrankung.
쐽 paraneoplastische Produktion von Erythropoetin, z. B. bei Nierenzellkarzinom
쐽 langdauernder Aufenthalt in Höhenregionen
쐽 körperliches Ausdauertraining
쐽 endokrine Erkrankungen, z. B. Cushing-Syndrom.
124.2 Nennen Sie mindestens 4 Differenzialdiagnosen!
쐽 reaktive Polyglobulie bei chronischer Herzoder Lungenerkrankung oder Hämoglobinopathie (z. B. Methämoglobinämie)
124.3 Nennen Sie 4 weitere typische Befunde
bei dieser Erkrankung!
쐽 Knochenmark:
– hyperzellulär, Proliferation der Erythropoese, Thrombopoese und Granulopoese
Fall 124 Seite 125
– Überwiegen der Erythropoese, Verhältnis
Erythropoese zu Granulopoese ⱖ 1
– Eisenverarmung
쐽 Index der alkalischen Leukozytenphosphatase
(ALP) erhöht (⬎ 100)
쐽 Hyperurikämie
쐽 Erythropoetin vermindert (bei reaktiver Polyglobulie erhöht!).
124.4 Welche Therapieverfahren kennen Sie?
Was ist die Therapie der ersten Wahl?
쐽 wiederholte Aderlässe = Therapie der ersten
Wahl
쐽 Interferon-α; Therapie der ersten Wahl bei
Thrombozytose von ⬎ 800 000/ µl
쐽 Hydroxyurea; vor allem bei nicht ausreichendem Effekt von Aderlass und/oder Interferon-α.
KO M M E N TA R
Die Polycythaemia vera ist eine myeloproliferative
Erkrankung mit autonomer Proliferation der Zellen
der Erythro-, Granulo- und Thrombopoese. Sie bildet zusammen mit der chronisch myeloischen
Leukämie, der essenziellen Thrombozytose und
der Osteomyelosklerose die Gruppe der chronisch
myeloproliferativen Erkrankungen.
Ätiologie: Die Ursache ist unbekannt.
Therapie: s. Frage 124.4. Ziel der Behandlung der
Polycythaemia vera ist eine Linderung der Symptome. Indikationen zur Therapie sind ein Hämatokrit
von ⬎ 50%, eine Thrombozytose von ⬎ 800 000/µl
mit thrombembolischen Komplikationen oder Blutungen oder eine symptomatische Splenomegalie.
Als schonendstes und primär zu bevorzugendes
Therapieverfahren gelten wiederholte Aderlässe,
die einen Eisenmangel induzieren. Interferon-α ist
hingegen Therapie der ersten Wahl, wenn eine
symptomatische Thrombozytose vorliegt, da diese
durch Aderlässe nicht beeinflusst wird. Eine myelosuppressive Therapie mit Hydroxyurea wirkt
ebenfalls zytoreduktiv, erhöht aber bei Polycythaemia vera das Risiko der Entwicklung einer Leukämie deutlich und ist daher nicht Therapie der ersten Wahl.
Prognose: Die mittlere Überlebenszeit unter Therapie beträgt ca. 15 Jahre, ohne Therapie ca. 2 Jahre.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Myeloproliferative Erkrankungen
Leukozytose: Differenzialdiagnosen
Praktisches Vorgehen bei einer Knochenmarkuntersuchung und Biopsie
Fall 124 Seite 125
355
124
Antworten und Kommentar
Diagnostik: Wegweisend ist der typische Blutbild-Befund mit Erythrozytose, Leukozytose und
Thrombozytose; Hämatokrit, Hb und Harnsäure
sind erhöht (vermehrter Anfall von Harnsäure aufgrund des Abbaus einer erhöhten Zellzahl). Die
Sauerstoffsättigung in der BGA ist normal. Die Erythropoetinproduktion ist aufgrund der autonomen
Vermehrung der Zellen der Erythropoese vermindert. Zum typischen Knochenmarkbefund s. Frage
124.3. Diagnosekriterien (Polycythaemia vera study group) sind neben der erhöhten Erythrozytenzahl bei normaler Sauerstoffsättigung eine
Differenzialdiagnosen: Bei einer reaktiven Polyglobulie, z. B. als Folge einer chronischen Herzoder Lungenerkrankung, liegt immer eine verminderte Sauerstoffsättigung vor und die Erythropoietinspiegel sind erhöht. Die chronisch verminderte
Sauerstoffsättigung führt zu einer vermehrten Erythropoetinproduktion, die die Polyglobulie induziert. Zu weiteren Differenzialdiagnosen s. Frage
124.2.
Fall
Klinik: Die erhöhte Viskosität des Blutes und
die Hypervolämie führen zu kardiovaskulären
Symptomen (Belastungsdyspnö), Kopfschmerzen,
Schwindel, einer rötlich-zyanotischen Färbung
von Gesicht und Extremitäten und Thrombembolien, die oft tödlich enden. Da die Funktion der vermehrt gebildeten Thrombozyten meist gestört ist,
tritt gehäuft eine hämorrhagische Diathese auf
(daher ist der Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern meist ungünstig!). Der Übergang in
eine Osteomyelofibrose mit konsekutiver Zytopenie oder die Entwicklung einer akuten Leukämie
ist möglich.
Thrombozytose, eine Leukozytose, ein erhöhter
ALP-Index (s. Frage 124.3, Ausdruck der Enzymaktivität, messbar durch zytochemische Untersuchung des Blutausstrichs) und eine Splenomegalie
(klinisch, sonographisch).
Fall 125 Mitralklappenstenose
356
Fall
125
125.1 Stellen Sie eine Verdachtsdiagnose und
begründen Sie Ihre Vermutung!
쐽 Verdachtsdiagnose: Mitralklappenstenose
쐽 Begründung:
– typischer Auskultationsbefund (s. Fall)
– im dorsoventralen Röntgenbild Mitralkonfiguration des Herzens („stehende Eiform“)
mit Vergrößerung des linken Vorhofs (Doppelkontur des rechten Herzrandes, verstrichene Herztaille, im Seitenbild Kontakt des
Vorhofs zum Sternum), Verkalkungsstrukturen in Projektion auf die Mitralklappe und
diskreten Zeichen der rechtsventrikulären
Hypertrophie (Betonung des rechten Herzrandes)
– typische Kombination aus Belastungsdyspnö
und Orthopnö als Hinweis auf kardiale Erkrankung
– Arrhythmie als Hinweis auf das bei einer höhergradigen Mitralklappenstenose typische
Vorhofflimmern.
Antworten und Kommentar
125.2 Welche weiteren Untersuchungen (mindestens 3) sind bei dieser Patientin erforderlich?
Begründen Sie, weshalb Sie die jeweilige Untersuchung veranlassen!
쐽 EKG zur Überprüfung der Arrhythmie. Bei Vorhofflimmern Indikation zur Antikoagulation.
쐽 Echokardiographie zur Darstellung des Vitiums und Quantifizierung des Druckgradienten
über der Mitralklappe zur Abschätzung des
Stenosegrades. Information über Vorhof- und
Ventrikeldurchmesser, Beurteilung der Kontraktilität.
쐽 Einschwemmkatheteruntersuchung (Pulmonaliskatheter = Swan-Ganz-Katheter) zur direkten Messung der hämodynamischen Parameter. Bei der Mitralstenose ist besonders der
linksventrikuläre Füllungsdruck (pulmonalka-
pillärer Verschlussdruck) interessant, da dieser
den funktionellen Schweregrad der Mitralstenose widerspiegelt.
쐽 Linksherzkatheteruntersuchung, wenn aufgrund der Ergebnisse der o. g. Untersuchungen
eine operative Therapie diskutiert wird. Ziel:
invasive Messung des Druckgradienten über
der Mitralklappe und Berechnung der Mitralöffnungsfläche, präoperativer Ausschluss oder
Nachweis einer koronaren Herzerkrankung, die
bei einem eventuellen operativen Eingriff ggf.
mitbehandelt werden kann.
125.3 Welche Therapieverfahren kommen bei
den verschiedenen Manifestationen und Schweregraden der Erkrankung bevorzugt zur Anwendung?
쐽 Mitralklappen-Valvuloplastie („Sprengung“
der Klappenstenose, meist mit Ballonkatheter):
Indikation schon in frühen Krankheitsstadien,
um Vorhofflimmern und pulmonalarterielle
Hypertonie zu verhindern
쐽 bei Herzinsuffizienz Therapie mit Diuretika
(Thiazide, Schleifendiuretika). ACE-Hemmer
sind kontraindiziert, weil eine zu starke Vorlastsenkung zu Hypotonien führen kann. Bei
symptomatischen Patienten ab NYHA-Stadium
II und mindestens mittelgradiger Mitralstenose
mit nur wenig verkalkter Mitralklappe operative Mitralklappenrekonstruktion, bei symptomatischen Patienten ab NYHA-Stadium II und
mindestens mittelgradiger Mitralstenose sowie
allen Patienten ab NYHA-Stadium III operativer
Mitralklappenersatz.
쐽 bei Vorhofflimmern medikamentöse Frequenzreduktion (Digitalis, Verapamil oder βBlocker) und Antikoagulation
쐽 bei allen Patienten Endokarditisprophylaxe bei
Risikoeingriffen (z. B. Zahnextraktion).
KO M M E N TA R
Als Mitralklappenstenose bezeichnet man eine
Einengung der Mitralklappenöffnungsfläche.
Ätiologie: Häufigste Ursache ist ein rheumatisches
Fieber mit rheumatischer (= abakterieller) Endokarditis. Selten ist eine bakterielle Endokarditis die
Ursache.
Pathophysiologie: Die Mitralstenose verursacht
eine Druckerhöhung im linken Vorhof, die sich in
die Pulmonalstrombahn fortsetzt. Der pulmonalkapilläre Verschlussdruck (gemessen über einen
Swan-Ganz-Katheter) ist daher erhöht. Ursache
der Belastungsdyspnö ist somit eine Lungenstauung bei Druckzunahme im linken Vorhof und in
den Pulmonalgefäßen. Ein Vorhofflimmern ent-
Fall 125 Seite 126
steht vor allem dann, wenn als Folge der Mitralstenose der hohe Druck im linken Vorhof zu einer Dilatation des Vorhofs führt. Diese Gefügedilatation
stört dann die Erregungsbildung.
Klinik: Typische Symptome sind Leistungsminderung, Belastungsdyspnö und Orthopnö sowie die
Facies mitralis (rötliche Wangen). Das häufig vorliegende Vorhofflimmern kann zur Thrombenbildung im linken Vorhof, diese zu arteriellen Embolien, z. B. Hirninfarkt, Extremitätenarterienverschluss oder Mesenterialinfarkt führen.
Diagnostik: Bei der körperlichen Untersuchung
fallen u. U. eine Halsvenenstauung, Stauungsleber,
Ödeme sowie die Facies mitralis (s. o.) auf. Der typi-
Therapie: Bei der Betreuung von Patienten mit einer Mitralstenose ist es besonders wichtig, den für
den Patienten optimalen Zeitpunkt für eine operative Therapie zu ermitteln. Bei der Indikationsstellung zu einer Operation (Klappenersatz, -rekonstruktion oder -sprengung, s. Frage 125.3) sind
der Schweregrad der Symptomatik (NHYA-Klassifikation der Herzinsuffizienz), der Schweregrad
des Vitiums (s. o.), die Hämodynamik (linksventrikulärer Füllungsdruck, pulmonalarterieller Druck)
sowie begleitende Probleme (z. B. Vorhofflimmern)
zu berücksichtigen (s. Frage 125.3). Eine Operation
sollte erfolgen, bevor eine (irreversible!) sekundäre pulmonalarterielle Hypertonie vorliegt (Rechtsherzkatheter zur Verlaufsbeobachtung geeignet,
s. o.). Liegt bereits Vorhofflimmern vor, so kann im
Rahmen eines operativen Eingriffs an der Mitralklappe durch die sog. Maze-Operation (gezielte
Lenkung der Vorhoferregung zum AV-Knoten
durch Bildung von „Korridoren“ mittels multipler
Inzisionen in den Vorhöfen) der Sinusrhythmus
wiederhergestellt werden.
Bis zur Operation müssen die Patienten möglichst
optimal konservativ, d. h. medikamentös behandelt werden. Die hierfür geeigneten bzw. notwendigen Maßnahmen sind bei Frage 125.3 beschrieben.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Swan-Ganz-Katheter (Pulmonaliskatheter): praktische Durchführung, Indikation, Aussage
Mitralinsuffizienz
Therapie des Lungenödems
Fall 126 Chronische Pankreatitis mit exokriner Pankreasinsuffizienz
126.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Chronische Pankreatitis bei chronischem Alkoholabusus mit V. a. exokrine Pankreasinsuffizienz, da ein gürtelförmiger Oberbauchschmerz typisch für eine Pankreaserkrankung
(insbesondere Pankreatitis) ist, eine Fettintoleranz ein häufiges Symptom einer exokrinen
Pankreasinsuffizienz ist, der Alkoholabusus die
weitaus häufigste Ursache einer chronischen
Pankreatitis darstellt und ein Druckschmerz
mit leichter Abwehrspannung („Gummibauch“) im Oberbauch besteht.
126.2 Nennen Sie mindestens einen Test, der
zum Nachweis der naheliegendsten Ursache der
chronischen Diarrhö geeignet ist!
쐽 Pankreolauryl-Test (Fluorescein-Dilaurat-Test)
쐽 Bestimmung von Elastase oder Chymotrypsin
im Stuhl
쐽 Bestimmung der Pankreasenzyme Trypsin,
Chymotrypsin, Amylase und Lipase im Duodenalsaft nach Stimulation der Pankreassekretion mit Sekretin (Sekretin-Pankreozymin-Test)
oder einer standardisierten Testmahlzeit.
Fall 126 Seite 127
126
Antworten und Kommentar
Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt ohne
Operation bei einer mittelgradigen Stenose bei etwa 60%, bei einer hochgradigen Stenose bei etwa
10%. Bei rechtzeitiger operativer Versorgung einer
Mitralstenose ist die Prognose nicht wesentlich
eingeschränkt.
357
Fall
sche kardiale Auskultationsbefund bei einer Mitralklappenstenose liegt auch bei der hier vorgestellten Patientin vor: paukender 1. Herzton sowie
diastolisches Decrescendogeräusch mit Punctum
maximum über der Herzspitze. Über der Lunge
sind ggf. feuchte Rasselgeräusche auskultierbar
(im vorliegenden Fall nicht). Im EKG ist vor allem
auf Rechtsherzbelastungszeichen, einen evtl. Steiloder Rechtstyp und eine absolute Arrhythmie bei
Vorhofflimmern zu achten. Die Echokardiographie gibt nichtinvasiv Aufschluss über die Morphologie der Klappe (z. B. verdickt, verkalkt, Stellung?),
über Vorhof- und Ventrikelgröße sowie über den
Druckgradienten über der Klappe. Letzterer ermöglicht die Abschätzung des Stenosegrades. Vor
allem im Hinblick auf die Indikationsstellung zu einer Operation sind jedoch invasive Katheteruntersuchungen notwendig. Die Einschwemmkatheteruntersuchung (Rechtsherzkatheter) zur invasiven Messung der Drücke im kleinen Kreislauf ist
ein gutes Instrument zur Verlaufsbeurteilung, weil
eine korrekte Abschätzung der Druckverhältnisse
durch die Echokardiographie nicht immer möglich
ist. Mit dem Linksherzkatheter können der Druckgradient über der Mitralklappe sowie die Mitralöffnungsfläche exakt bestimmt werden. Der Gradient und die Öffnungsfläche bestimmen den
Schweregrad der Mitralklappenstenose (leichtgradig, mittelgradig, hochgradig). Bei der Linksherzkatheteruntersuchung können auch die Herzkranzgefäße beurteilt werden, um diese bei einem
evtl. Klappeneingriff ebenfalls operieren zu können.
358
Fall
126
126.3 Beschreiben Sie kurz das Prinzip dieses/
dieser Tests!
쐽 Pankreolauryl-Test (Fluorescein-DilauratTest): Der Patient nimmt Fluorescein-Dilaurat
zu sich. Bei Gesunden wird Fluorescein durch
Arylesterasen des Pankreas abgespalten, im
Darm resorbiert, in der Leber konjugiert und
mit dem Urin ausgeschieden. Bei einem Mangel an Arylesterasen (= exokrine Pankreasinsuffizienz) ist die Konzentration des Fluoresceins
im Urin vermindert.
쐽 Bestimmung von Elastase oder Chymotrypsin
im Stuhl: Chymotrypsin und Elastase werden
im Pankreas gebildet. Eine verminderte Ausscheidung mit dem Stuhl deutet auf eine verminderte Produktion im Pankreas (= exokrine
Pankreasinsuffizienz) hin.
쐽 Sekretin-Pankreozymin-Test: Zunächst wird
durch i. v.-Gabe von Sekretin die Wasser- und
Bikarbonatsekretion des Pankreas stimuliert,
der Duodenalsaft mittels einer Sonde in Fraktionen gewonnen und die Bikarbonatkonzentration der Fraktionen bestimmt. Dann wird
durch Applikation von Pankreozymin die Enzymsekretion des Pankreas stimuliert, wiede-
rum der Duodenalsaft gewonnen und die Konzentration von Trypsin, Chymotrypsin, Amylase
und Lipase in den Fraktionen bestimmt. Eine
verminderte Bikarbonat- und Enzymkonzentration im Duodenalsaft ist ein direkter Hinweis
auf eine exokrine Pankreasinsuffizienz.
126.4 Welche Maßnahmen empfehlen Sie dem
Patienten zur Behandlung der Diarrhö, falls sich
Ihre Verdachtsdiagnose bestätigt und einer der
Tests positiv ausfällt?
쐽 Beendigung des Alkoholabusus, Teilnahme an
einem Alkoholentwöhnungsprogramm
쐽 Substitution mit Pankreasenzymen, Dosis angepasst an Nahrungsaufnahme und klinischen
Effekt
쐽 Substitution fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K,
i. m.-Applikation; bei Alkoholikern oft Vitaminmangel!)
쐽 kohlenhydratreiche, fettreduzierte Ernährung
(max. 70 g Fett pro Tag), ggf. Zufuhr mittelkettiger Triglyceride, da diese ohne Aufspaltung
resorbiert werden können
쐽 5 – 7 kleine Mahlzeiten am Tag.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Als chronische Pankreatitis bezeichnet man eine
schubweise verlaufende oder anhaltende nichtinfektiöse Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Bei
langjährigem Verlauf tritt als Folge der chronischen Pankreatitis eine exokrine, später oft auch
eine endokrine Pankreasinsuffizienz auf.
kalkungen (Abb. 126.1, beweisend für die Diagnose!), -steine, -gangstenosen, Abszesse oder Pseudozysten.
Ätiologie: Die mit Abstand häufigste Ursache einer
chronischen Pankreatitis ist der chronische Alkoholabusus. Deutlich seltener sind chronisch-hereditäre Pankreatitiden (Mutation des Trypsinogenoder CFTR-Gens) und die chronische Pankreatitis
bei primärem Hyperparathyreoidismus (Folge einer Hyperkalzämie).
Klinik: Leitsymptome der chronischen Pankreatitis sind der rezidivierende nichtkolikartige gürtelförmige Oberbauchschmerz, die Zeichen der exokrinen Pankreasinsuffizienz – Übelkeit nach dem
Verzehr fetter Speisen und fettige Durchfälle (s.
Fall) infolge Mangels an Pankreasenzymen und Gewichtsverlust. Später treten infolge des Insulinmangels bei endokriner Pankreasinsuffizienz Hyperglykämien auf. Das Auftreten von Hyperglykämien bei chronischer Pankreatitis, d. h. in Abwesenheit diabetesspezifischer Autoantikörper (ICA,
GADII etc.) bezeichnet man als pankreopriven Diabetes mellitus.
Diagnostik: Die Diagnose „chronische Pankreatitis“ ist gesichert, wenn bei passender Anamnese
und Klinik (s. o.) die Serumlipase erhöht ist und
bildgebende Verfahren (Sonographie, CT, ERCP)
Pankreasveränderungen zeigen, z. B. Pankreasver-
Fall 126 Seite 127
Abb. 126.1 Sonogramm bei chronischer Pankreatitis:
Der Pankreaskopf (Marker) ist massiv aufgetrieben und
weist multiple Verkalkungen auf (echodichte Strukturen). Der Ductus choledochus ist erweitert und im intrapankreatischen Verlauf durch ein Konkrement verschlossen.
Hinweise auf eine exokrine Pankreasinsuffizienz
geben die Anamnese und Funktionstests (s. Fragen
126.2 und 126.3): Der Pankreolauryltest und die
Bestimmung von Elastase und Chymotrypsin im
Stuhl sind relativ unspezifisch und können auch
bei Malabsorption und Diarrhöen anderer Ursache
positiv ausfallen. Dennoch kann eine exokrine Pankreasinsuffizienz als gesichert gelten, wenn bei ge-
sicherter chronischer Pankreatitis diese Tests positiv ausfallen.
Therapie: Entzündungsschübe werden wie eine
akute Pankreatitis behandelt (s. Fall 27). Die
Schmerzen bei chronischer Pankreatitis lassen sich
häufig durch endoskopische oder operative Besei-
tigung von Drainagehindernissen lindern. Zur Therapie der exokrinen Pankreasinsuffizienz s. Frage
126.4. Eine endokrine Pankreasinsuffizienz wird
analog zu einem Diabetes mellitus mit Versagen
der Insulinsekretion durch Gabe von Insulin behandelt.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Folgeerkrankungen und Komplikationen des chronischen Alkoholabusus
Insulintherapie (intensiviert, konventionell)
Differenzialdiagnose der Diarrhö
Fall 127 Heroinintoxikation
127.1 Wie lautet Ihre primäre Verdachtsdiagnose?
쐽 Respiratorische Insuffizienz (O2-Sättigung 앗)
bei V. a. Heroinintoxikation mit Hypoventilation (Einstichstellen, Miosis beidseits, Atemdepression) und Bewusstlosigkeit.
tuation mit dem Patienten geschehen?
쐽 zügiger Transport in ein Krankenhaus
쐽 dort Überwachung der Vitalfunktionen, da die
Wirkdauer des Naloxons auf weniger als
45 min beschränkt ist und eine erneute Hypoventilation eintreten kann (dann erneute Gabe
von Naloxon)
쐽 bei unvollständiger Vigilanz nach Behandlung
mit Naloxon Drogenscreening (Benzodiazepine, Alkohol im Serum/Urin) bei V. a. Mischintoxikation
쐽 bei i. v.-Drogenabusus Untersuchung auf Hepatitis-B/C- und HIV-Infektion (in der Regel nur
mit Einverständnis des Patienten)
쐽 ggf. Einleitung einer Drogenentzugsbehandlung
쐽 soziale Hilfestellung (z. B. Drogenberatungsstelle).
KO M M E N TA R
Die Heroinintoxikation ist bei jungen Menschen eine häufige Ursache der respiratorischen Globalinsuffizienz.
Klinik und Diagnostik: Bewusstlosigkeit, Hypoventilation und beidseitige Miosis sind typische
Symptome einer Opiatüberdosierung, so dass bei
Patienten mit diesem Symptomkomplex an eine
Heroinintoxikation gedacht werden muss, insbesondere wenn sich klinisch oder anamnestisch zusätzliche Hinweise auf einen i.v-Drogenabusus
(hier: Einstichstellen und Hautinduration in den
Ellenbeugen) ergeben.
Differenzialdiagnosen: Eine Bewusstlosigkeit bei
jungen Menschen kann passager auch postiktal
nach einem zerebralen Krampfanfall oder einer
intrazerebralen Blutung auftreten, wobei im ersten Fall weitere Begleitsymptome (z. B. Zungenbiss,
Einnässen), im letzteren Fall eine Herdsymptomatik (z. B. Streck- oder Beugekrampf) zu erwarten
wäre. Gegen eine kardiale Genese der Bewusstlosigkeit sprechen die stabile Kreislaufsituation und
das Alter des Patienten.
Weiteres Vorgehen: In dem beschriebenen Fall ist
aufgrund der schweren respiratorischen Insuffi-
Fall 127 Seite 128
127
Antworten und Kommentar
127.3 Was unternehmen Sie akut?
쐽 Gabe des Opiatantagonisten Naloxon i. v. (dose
by effect)
쐽 bis zum Wiedereinsetzen einer ausreichenden
Eigenatmung Beatmung über Maske mit Ambubeutel
359
127.4 Was soll nach Beherrschung der Akutsi-
Fall
127.2 Welche 3 Differenzialdiagnosen sind
denkbar?
쐽 postiktaler Zustand nach zerebralem Krampfanfall: typische Symptome wie Einnässen oder
Zungenbiss fehlen
쐽 Hirnblutung, z. B. Subarachnoidalblutung: kein
Ansprechen auf Antidote (Naloxon), enge
Pupillen sind nicht typisch
쐽 Mischintoxikation (z. B. Alkohol, Alkylphosphate): kann nur im Verlauf sicher ausgeschlossen
werden, kein Ansprechen auf Antidote (Naloxon), enge Pupillen sind nicht typisch.
쐽 bei fehlendem Wiedereinsetzen der Eigenatmung nach Naloxongabe endotracheale Intubation und Beatmung.
zienz (Sauerstoffsättigung 54%!) und der Bewusstlosigkeit sofortiges Handeln erforderlich, zumal
als Folge der Hypoxämie eine beginnende Bradykardie (Gefahr der Asystolie!) erkennbar ist. Wenn
eine Opiatintoxikation auch nur in Erwägung gezogen wird, muss der Opiatantagonist Naloxon sofort verabreicht werden. In der beschriebenen Situation darf diese Therapie nicht bis zur laborchemischen Sicherung der Diagnose im Krankenhaus
verzögert werden. Typischerweise kann bei einer
Heroinintoxikation die Vigilanz des Patienten innerhalb von Minuten wiederhergestellt werden.
Zur Sicherung der Atmung kann bis zum Einsetzen
der Naloxonwirkung (wenige Minuten) überbrückend manuell mit einer Maske gearbeitet werden.
Eine endotracheale Intubation ist nur bei primärer
Aspiration oder fehlendem oder unzureichendem
Ansprechen auf eine ausreichend dosierte Naloxongabe erforderlich.
Eine stationäre Überwachung (Intensivstation)
des Patienten ist unbedingt erforderlich, da die
Halbwertzeit des antagonisierten Opiates die Naloxonwirkung überdauern kann. Den Patienten fehlt
in dieser Situation häufig die notwendige Krankheitseinsicht, so dass hier eine ausführliche Aufklärung und Beratung erforderlich ist. Den Patienten kann man nur dann zum Verbleib in der Klinik
zwingen, wenn eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt und wenn dies per Gerichtsbeschluss (Amtsrichter kommt in die Klinik) im Eilverfahren bestätigt ist. Zum Ausschluss einer
Mischintoxikation sollte immer ein Drogenscreening erfolgen. Zudem sollten vitale Laborparameter wie Nieren- und Leberwerte kontrolliert werden. Bei inadäquater Reaktion auf die Naloxongabe
sollten Differenzialdiagnosen (s. o.) in Betracht gezogen werden (mit entsprechender Diagnostik).
Prognose: Bei rechtzeitiger Therapieeinleitung mit
Naloxon ist die kurzfristige Prognose der akuten
Heroinintoxikation gut. Die langfristige Prognose
hängt vor allem von der Motivation des Patienten
für eine Entzugsbehandlung ab.
360
Fall
128
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
E-605-Intoxikation
Indikationen für eine Magenspülung
Vorgehen bei einer Magenspülung
Antidote
Antworten und Kommentar
Fall 128 Achalasie
128.1 Nennen Sie mindestens 3 Differenzialdiagnosen und nennen Sie zu jeder Diagnose die
jeweils sinnvollsten Untersuchungen zur weiteren Abklärung!
쐽 Ösophagusmotilitätsstörung (Achalasie, diffuser Ösophagusspasmus, hyperkontraktiler Ösophagus, Motilitätsstörung bei Sklerodermie):
Ösophagusmanometrie
쐽 Ösophagus- oder Kardiakarzinom: Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD)
쐽 peptische Stenose: ÖGD
쐽 Ösophagusdivertikel: ÖGD oder Röntgen-Ösophagusbreischluck
쐽 Chagas-Krankheit mit gastrointestinaler Manifestation: ÖGD oder Röntgen-Ösophagusbreischluck, Erregernachweis.
128.2 Welche typischen Befunde der Achalasie
in der Ösophagusmanometrie und dem Röntgen
des Ösophagus (Breischluck) kennen Sie?
쐽 Ösophagusmanometrie:
– fehlende oder unvollständige Relaxation des
unteren Ösophagussphinkters während des
Schluckaktes
– Kontraktion läuft simultan, nicht peristaltisch ab
– erhöhter Ruhedruck
Fall 128 Seite 129
쐽 Ösophagusbreischluck:
– verbreitertes Mediastinum durch den erweiterten Ösophagus mit spitz zulaufender Stenose (Sektglasform, Abb. 128.1)
– keine Magen-Luftblase.
Abb 128.1 Röntgen-Ösophagusbreischluck bei Achalasie: spitz zulaufende Stenose des distalen Ösophagus mit
Dilatation des Ösophagus proximal der Stenose (Sektglasform)
128.3 Nennen Sie mindestens 3 Verfahren zur
Therapie der Achalasie!
쐽 pneumatische Dilatation: Therapie der Wahl
쐽 lokale Injektion (endoskopisch) von Botulinustoxin in den unteren Ösophagussphinkter
쐽 Medikamente: Nifedipin oder Molsidomin,
wirken nur kurzzeitig, daher nur zur Überbrü-
ckung, d. h. bis andere Maßnahmen ergriffen
werden, indiziert; nicht zur Dauertherapie geeignet
쐽 operativ: longitudinale Myotomie nach Gottstein-Heller (bei Versagen der anderen Verfahren).
KO M M E N TA R
Als Achalasie bezeichnet man eine neuromuskuläre Erkrankung der glatten Ösophagusmuskulatur,
die durch das Ausbleiben der reflektorischen Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters im
Rahmen des Schluckakts und das Fehlen einer propulsiven Peristaltik gekennzeichnet ist. Sie manifestiert sich typischerweise zwischen dem 3. und
6. Lebensjahrzehnt.
Ätiologie: Als Ursache der Achalasie wird eine immunologisch bedingte Degeneration von Neuronen des Plexus myentericus diskutiert.
Therapie der Wahl der Achalasie ist die endoskopische Ballondilatation. Ähnlich effektiv ist die Injektion von Botulinustoxin in den UÖS, die Wirkung lässt jedoch nach, so dass die Behandlung
meist nach 6 Monaten wiederholt werden muss.
Die Indikation zur operativen Therapie ergibt sich
beim Versagen der Ballondilatation sowie der Injektionsbehandlung mit Botulinustoxin. Versuche
einer medikamentösen Behandlung sind meist
nicht ausreichend effektiv.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hyperkontraktiler Ösophagus
Ösophagusspasmus
Ösophaguskarzinom
Fall 128 Seite 129
361
128
Antworten und Kommentar
Diagnostik und Differenzialdiagnosen: Das
Symptom einer persistierenden Dysphagie bedarf
immer einer weiterführenden Abklärung durch eine Ösophagogastroduodenoskopie. Wichtig ist
dabei der sichere Ausschluss eines Ösophagusoder Kardiakarzinoms. Bei unklaren Befunden ist
es ratsam, eine Endosonographie zum Ausschluss
eines intramukös wachsenden Tumors durchzuführen, um noch operable Frühstadien eines Ösophaguskarzinoms nicht zu übersehen. Andere häufige Ursachen einer ösophagealen Dysphagie wie
nichtmaligne Stenosen, z. B. entzündlicher Genese
(peptische Stenose), eine Ösophagitis oder Divertikel können durch die Ösophagoskopie ebenfalls
leicht erkannt werden. Werden die Schluckbeschwerden weniger nach retrosternal als vielmehr
nach weiter proximal lokalisiert, sollten Erkrankungen im Oropharynx (z. B. Tonsillitis, Hypopharynxkarzinom, Mundbodenphlegmone) und neu-
Die verschiedenen Ösophagusmotilitätsstörungen können durch die Ösophagusmanometrie sicher voneinander abgegrenzt werden, so dass die
Durchführung der früher üblichen Röntgenuntersuchung (Beobachtung der Ösophaguspassage des
Kontrastmittels) heute meist entbehrlich ist.
쐽 Achalasie: Typisch ist zum einen die reduzierte
oder fehlende Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) während des Schluckaktes,
zum anderen das Fehlen peristaltischer Kontraktionen, an deren Stelle meist nur schwache
simultane Kontraktionen im distalen Ösophagus abgeleitet werden können.
쐽 diffuser Ösophagusspasmus: Nach dem
Schluckakt treten intermittierende nichtperistaltische Ösophaguskontraktionen auf; die
Funktion des UÖS ist nicht gestört.
쐽 hyperkontraktiler Ösophagus (Nussknackerösophagus): Hier laufen die Kontraktionen peristaltisch ab, sind aber deutlich verstärkt.
Fall
Klinik: Typisch ist – wie bei dem hier beschriebenen Patienten – eine Dysphagie für feste und im
Verlauf auch flüssige Nahrungsmittel. Vor allem im
Liegen kommt es zur Regurgitation unverdauter
Nahrung und zu Husten.
romuskuläre Funktionsstörungen (z. B. nach
Schlaganfall oder bei Myasthenia gravis) ausgeschlossen werden. Nach Ausschluss dieser Differenzialdiagnosen ist das Vorliegen einer Ösophagusmotilitätsstörung wahrscheinlich.
Fall 129 Vorhofflimmern
129.1 Beschreiben Sie die wesentlichen Befunde des EKGs!
쐽 Das EKG (s. Abb. 129.1) zeigt eine Tachykardie
mit schmalen QRS-Komplexen und unregelmäßigen Abständen zwischen den QRS-Komplexen. P-Wellen sind nicht abgrenzbar. Zwischen
den Kammerkomplexen sind flimmerförmige
Ausschläge der isoelektrischen Linie erkennbar.
Damit liegt eine Tachyarrhythmia absoluta bei
Vorhofflimmern vor. Das EKG zeigt keine Zeichen einer myokardialen Ischämie, Schädigung
oder Hypertrophie.
362
Fall
129
Antworten und Kommentar
129.2 Nennen Sie mindestens 5 Ursachen für
diese Herzrhythmusstörung!
쐽 Herzerkrankung:
– koronare Herzkrankheit
– Herzklappenerkrankungen mit Vorhofbelastung: Mitralvitium (bei jungen Menschen
die häufigste Ursache), Aortenvitien
– Myokarditis, Perikarditis
– Kardiomyopathien
– Z. n. Herzoperation
– Präexzitationssyndrom
쐽 extrakardiale Erkrankung:
– Hyperthyreose
– Elektrolytstörung (z. B. Hypokaliämie)
– Lungenembolie
쐽 Toxine: Medikamente (z. B. β-Mimetika), Alkohol
쐽 keine erkennbare Ursache (idiopathisch) bei
Herzgesunden (ca. 15% der Fälle).
129.3 Wie gehen Sie therapeutisch vor?
쐽 Therapie der Grunderkrankung (sofern möglich)
쐽 Antikoagulation: initial Vollheparinisierung
(Ziel: Verlängerung der PTT auf das 1,5- bis 2fache der Norm)
쐽 Senkung der Herzfrequenz: Digitalis, β-Blocker
oder Verapamil (cave: Verapamil bei i. v.-Gabe
nicht mit β-Blocker kombinieren, sonst Gefahr
des AV-Blocks!).
쐽 Konversionsbehandlung zur Überführung des
Vorhofflimmerns in einen Sinusrhythmus (s.
Kommentar!)
– medikamentös: bei Herzgesunden Klasse-IAntiarrhythmikum (z. B. Flecainid), bei Herzkranken Amiodaron
– bei hämodynamischer Instabilität oder Versagen der medikamentösen Therapie elektrische Kardioversion.
129.4 Was ist die bedeutendste Komplikation
dieser Herzrhythmusstörung? Muss bezüglich
dieser Komplikation eine Prophylaxe erfolgen?
Wenn ja, welche?
쐽 Arterielle Embolien (in 80% zerebral) sind die
häufigste Komplikation und treten bei bis zu
35% der Patienten mit einem Vorhofflimmern
auf.
쐽 Prophylaxe:
– als Primärprophylaxe Antikoagulation mit
Cumarin (z. B. Marcumar) mit Ziel-INR von
2–3
– bei Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung („Lone-VHF“) mit guter ventrikulärer
Pumpfunktion und einer Vorhofgröße
⬍ 47 mm im Alter von ⬍ 65 Jahren kein Marcumar; hier sind 300 mg Acetylsalicylsäure
ausreichend
– als Sekundärprophylaxe nach Embolie Cumarintherapie mit Ziel-INR von 3 – 4.
KO M M E N TA R
Als Vorhofflimmern bezeichnet man eine unregelmäßige Vorhoferregung (mit einer Frequenz von
mehr als 350/min) mit unregelmäßigem Kammerrhythmus (absolute Arrhythmie). Das Vorhofflimmern ist mit einer altersabhängigen Inzidenz (2%
bei 60-Jährigen, bis 15% bei über 70-Jährigen) die
häufigste Herzrhythmusstörung im Erwachsenenalter.
Ätiologie und Pathogenese: Ursache ist häufig eine Dilatation des Vorhofs, z. B. als Folge einer Mitralstenose, welche eine ungeordnete Vorhoferregung zur Folge hat.
Klinik: Typische Symptome sind Palpitationen und
Dyspnö. Andere Symptome (z. B. Ödeme, Angina
pectoris) einer zugrunde liegenden Erkrankung
(z. B. KHK, Vitium) können verstärkt werden.
Fall 129 Seite 130
Diagnostik:
Bei der klinischen Untersuchung fällt die absolute
Arrhythmie auf. Zur Diagnosestellung entscheidend ist ein EKG. Zu den typischen Befunden s.
Abb. 129.1 und Frage 129.1.
Differenzialdiagnosen: Wichtig ist die Abgrenzung von anderen tachykarden Herzrhythmusstörungen mit schmalem Kammerkomplex:
쐽 Vorhofflattern und Vorhoftachykardie: Hier
sind die P-Wellen klar abgrenzbar und niederfrequenter.
쐽 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie: Hier sind die
RR-Intervalle regelmäßig, die P-Wellen aber
meist nicht abgrenzbar.
쐽 Orthodrome Reentry-Tachykardie bei Präexzitationssyndrom (z. B. WPW-Syndrom): Hier
sind die P-Wellen ebenfalls abgrenzbar und die
Kammerkomplexe folgen regelmäßig aufeinander.
Vorgehen: Erste Maßnahmen bei Vorhofflimmern
mit schneller Überleitung sind eine Normalisierung der Kammerfrequenz (mit Digitalis oder βBlocker oder Verapamil) sowie eine Antikoagulation zur Thrombembolieprophylaxe (s. Frage 129.3).
Erst danach kann der Versuch einer medikamentösen oder elektrischen Kardioversion zur Konversion des Vorhofflimmerns in einen Sinusrhythmus
erwogen werden (s. Frage 129.3). Bei bereits länger
als 48 Stunden bestehendem Vorhofflimmern ist
das Risiko für die Bildung von Thromben im akinetischen Vorhof deutlich erhöht. In diesem Fall muss
daher zunächst eine Antikoagulanzientherapie
über mindestens 4 Wochen durchgeführt werden.
Zudem muss vor einem Konversionsversuch eine
Thrombenbildung im Vorhof durch eine transösophageale Echokardiographie (TEE) ausgeschlossen
werden. Günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kardioversion sind ein normal großer linker
Vorhof, das Fehlen einer kardialen Grunderkrankung und eine kurze Dauer des Vorhofflimmerns.
Bei der medikamentösen Therapie ist zu beachten,
dass bei einem Präexzitationssyndrom Verapamil,
Digitalis oder Adenosin nicht verabreicht werden
dürfen, da diese Substanzen die AV-Überleitung
bremsen und somit einen Übergang der Erregung
auf die akzessorische Bahn begünstigen, was dann
eine 1 : 1-Überleitung des Vorhofflimmerns zur
Folge hat. Bei erfolgreicher Konversion eines kurzfristig bestehenden Vorhofflimmerns ist keine
weitere Antikoagulation mehr erforderlich. Bei nur
passager erfolgreicher Konversion mit intermittierenden Episoden von Vorhofflimmern muss eine
Antikoagulation (INR 2 – 3) erfolgen, da das Embolierisiko erhöht ist.
Prognose: Das Risiko einer Thrombembolie beträgt bei chronischem Vorhofflimmern etwa 5%
pro Jahr, bei paroxysmalem Vorhofflimmern bis 2%
pro Jahr.
363
Fall
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Praktisches Vorgehen bei elektrischer Kardioversion
Diagnostik bei V. a. kardiogene Embolie
Kardiale Tumoren
130
130.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und
was ist die Ursache der Erkrankung?
쐽 Mononucleosis infectiosa = infektiöse Mononukleose = (= Pfeiffer-Drüsenfieber)
쐽 Ursache ist eine Infektion mit dem EpsteinBarr-Virus (EBV).
130.2 Wie kann die Diagnose erhärtet werden?
Nennen Sie mindestens 2 Tests!
쐽 im Blutbild Reizformen von Lymphozyten
(= aktivierte T-Zellen) bei allen Patienten
쐽 Sicherung einer akuten EBV-Infektion durch
serologische Tests:
– Anti-EBV-VCA-Antikörper der Subklasse IgM
– Anti-EA-D-Antikörper der Subklasse IgM
– heterophile Antikörper: sind definiert als
anti-Schafserythrozyten-Antikörper, die
durch vorherige Absorption mit Rind-Erythrozyten, nicht aber mit Nierenzellen des
Meerschweinchens entfernt werden können. Heterophile IgM-Antikörper im Patientenserum weisen auf eine akute EBV-Infektion hin. Als Schnelltest dient heute der „Mo-
nospot-Test“, früher wurde die klassische
Paul-Bunnell-Reaktion durchgeführt.
130.3 Nennen Sie typische Komplikationen
und Folgeerkrankungen dieser Erkrankung!
쐽 Komplikationen:
– Meningitis, Meningoenzephalitis
– Hepatitis
– Myokarditis, Perikarditis
– Mononeuritis, Guillain-Barré-Syndrom
– Anämie, Thrombopenie, Leukopenie
– Milzruptur: selten, aber gefährlich
쐽 mögliche Folgeerkrankungen (vor allem EBVassoziierte Tumoren): Nasopharynxkarzinom,
Burkitt-Lymphom, Lymphome bei HIV-Infektion, orale Haarzell-Leukoplakie (bei AIDS-Patienten).
130.4 Worauf ist das Exanthem am ehesten zurückzuführen?
쐽 Auf die Gabe von Ampicillin: typisches Arzneimittelexanthem!
Fall 130 Seite 131
Antworten und Kommentar
Fall 130 Mononucleosis infectiosa
KO M M E N TA R
Die Mononucleosis infectiosa ist eine virale Infektionskrankheit, die vor allem im Kindes- und Jugendalter bzw. bei jungen Erwachsenen auftritt.
Ätiologie und Pathogenese: Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist ein humanpathogenes DNA-Virus der
Herpesgruppe. Das Virus wird mit dem Speichel
übertragen („kissing disease“).
364
Fall
131
Klinik und Komplikationen: Typische Leitsymptome der infektiösen Mononukleose sind die akut
aufgetretene Pharyngitis und Angina tonsillaris in
Verbindung mit Fieber und einer generalisierten
Lymphadenopathie. Außerdem können die bei
Frage 130.3 genannten Komplikationen wie Hepatitis, Anämie, Thrombopenie auftreten; schwere
Komplikationen (z. B. Myokarditis, Meningitis)
sind selten. Die EBV-Infektion ist für die Entstehung des in Afrika endemischen Burkitt-Lymphoms mitverantwortlich. Auch das in vor allem in
Südchina verbreitete nichtverhornende Nasopharynxkarzinom ist mit einer EBV-Infektion assoziiert (s. auch Frage 130.3).
Diagnostik: Im Blutbild sind die typischen mononukleären Zellen (Virozyten = aktivierte T-Lymphozyten: große mononukleäre Zellen mit polymorphem Kern, Abb. 130.1) nachweisbar. Die Diag-
nose kann durch serologische Tests leicht gesichert werden, wobei aufgrund der hohen Durchseuchung mit dem EBV (über 90% der erwachsenen Bevölkerung sind EBV-IgG positiv) nur Antikörper der Subklasse IgM auf eine akute Infektion
hinweisen. Zur EBV-Diagnostik werden Antikörper
gegen VCA (virales Capsid-Antigen) und EA-D (early antigen diffuse) bestimmt. Die Paul-Bunnell-Reaktion ist heute weniger üblich, als Schnelltest
wird heute der einfachere und sensitivere „Monospot-Test“ durchgeführt.
Differenzialdiagnosen: Abgegrenzt werden müssen eine akute Leukämie (Blasten im Blutausstrich, Knochenmarkbefund) sowie andere Infektionserkrankungen mit Befall des Nasen-Rachenraums, wie eine Streptokokkenangina (Streptokokken-Schnelltest), die Angina Plaut-Vincent (oft einseitig, kaum beeinträchtigtes Allgemeinbefinden)
oder eine Diphtherie (Impfstatus, Pseudomembranen, süßlicher Foetor).
Antworten und Kommentar
Therapie: Sie erfolgt symptomatisch und umfasst
während der akuten Erkrankung vor allem Bettruhe und körperliche Schonung – auch bei dem beschriebenen Patienten ist diese Schonung wegen
der deutlich vergrößerten Milz zur Vermeidung einer Milzruptur sehr wichtig. Die Schmerzsymptomatik kann mit Analgetika wie Paracetamol behandelt werden. Die bisher bekannten Virustatika
zeigen keinen Einfluss auf den Verlauf einer EBVInfektion. Cave: Nach Ampicillingabe tritt bei 75%
der Patienten mit akuter EBV-Infektion ein Arzneimittelexanthem auf. Die Verordnung von Aminopenicillinen bei einer akuten EBV-Infektion ist daher nicht nur nicht sinnvoll (es liegt ja eine virale
Infektion vor), sondern sogar kontraindiziert.
Prognose: Bei immunkompetenten Patienten ist
die Prognose gut.
Abb. 130.1
Virozyten bei Mononucleosis infectiosa
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hämorrhagische Fiebersyndrome
Leptospirose
Listeriose
Fall 131 Pseudomembranöse Kolitis
131.1 Worauf ist die erneute Verschlechterung
des Zustands der Patientin wahrscheinlich zurückzuführen?
쐽 Auf eine pseudomembranöse Kolitis, da
schmerzhafte blutige Diarrhöen bei sonst unauffälligem Sonographiebefund des Abdomens
Fall 131 Seite 132
primär auf eine Kolitis hinweisen und der Beginn der Symptomatik nach einer Antibiotikatherapie typisch für eine pseudomembranöse
Kolitis ist.
131.2 Was ist die Ursache der vermuteten Erkrankung?
쐽 Überwucherung des Darms durch das gegen
viele Antibiotika resistente Clostridium difficile, nachdem die physiologische Darmflora
durch das Antibiotikum zerstört wurde. Clostridium difficile produziert zwei Toxine: Toxin
A führt zu vermehrter Sekretion von Flüssigkeit und Elektrolyten in den Darm, Toxin B
schädigt die Darmschleimhaut.
131.3 Wie kann die Erkrankung diagnostiziert
werden?
쐽 Nachweis der Clostridium-difficile-Toxine im
Stuhl
쐽 Koloskopie: typisches Bild: Kolitis mit leicht
vulnerabler Schleimhaut und typischen erhabenen gelblichen – membranartigen (daher der
Name) – Plaques. Bei Nachweis der Toxine im
Stuhl und typischer Klinik ist die Diagnose jedoch gesichert, so dass man auf die – bei Kolitis
besonders schmerzhafte – Koloskopie verzichten kann.
131.4 Wie wird die Erkrankung behandelt?
쐽 Absetzen der zuvor bestehenden Antibiotikatherapie (hier Amoxicillin und Clavulansäure)
쐽 Elimination der Clostridien mittels Metronidazol (bei Rezidiven mittels Vancomycin oder Teicoplanin).
KO M M E N TA R
Therapie: Wichtigste therapeutische Maßnahme
ist das Absetzen der vorbestehenden Antibiotikatherapie. Zur Elimination der Clostridien können
sowohl Metronidazol als auch Glykopeptid-Antibiotika (Vancomycin, Teicoplanin) verabreicht
werden, wobei Metronidazol wegen der erheblich
geringeren Kosten bei gleicher Wirksamkeit meist
der Vorzug gegeben wird. Wichtig ist die perorale
Einnahme der Antibiotika, damit am Ort der Infektion möglichst hohe Wirkspiegel erreicht werden.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Untere gastrointestinale Blutung: Differenzialdiagnose
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Lebensmittelvergiftungen
Wurmerkrankungen
Fall 131 Seite 132
365
131
Antworten und Kommentar
Diagnostik und Differenzialdiagnose: Der Schlüssel zur Diagnose liegt in der aufmerksamen Wertung der Symptome. So deuten bei der beschriebenen Patientin die Entfieberung sowie der Rückgang
der pulmonalen Symptome nach Einleitung der
antibiotischen Behandlung auf eine Effektivität
dieser Therapie hin. Dass die erneute Verschlechterung des Zustands nicht mit pulmonalen Symptomen, sondern mit eindeutig gastrointestinalen
Symptomen einhergeht, deutet darauf hin, dass
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 131.2. Clostridium difficile ist ein sporenbildendes grampositives Stäbchenbakterium, dessen 2 Toxine zusammen eine Zell- und Gewebsschädigung im Darm
induzieren, die zur Kolitis führt. Clostridium difficile ist für über 20% aller antibiotikaassoziierten
Diarrhöen verantwortlich (solche Diarrhöen entstehen häufig schon ohne Überwucherung durch
Zerstörung der physiologischen Darmflora).
Fall
Klinik: Leitsymptome dieser – wie jeder – Kolitis
sind blutige Diarrhöen, Fieber und nichtlokalisierte Tenesmen.
kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Pneumonie besteht. Die gastrointestinalen Symptome
sind Leitsymptome der Kolitis (s. o.). Da eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung bei der zuvor gesunden Patientin wenig wahrscheinlich ist,
ist eine infektiöse Ursache naheliegend. Das Fehlen
von Übelkeit oder Brechreiz spricht gegen eine
bakterielle oder virale Gastroenteritis oder eine
Lebensmittelvergiftung durch toxinbildende Bakterien. Vielmehr spricht der unmittelbare zeitliche
Zusammenhang mit der Einleitung einer antibiotischen Therapie und die typische Klinik für die Diagnose einer pseudomembranösen Kolitis. Die Diagnose wird durch den Nachweis der ClostridienToxine im Stuhl gesichert, bei typischer Klinik ist
dann keine Koloskopie zum Nachweis der Pseudomembranen (s. Frage 131.3) mehr erforderlich.
Die (antibiotikaassoziierte) pseudomembranöse
Kolitis ist eine Dickdarmentzündung infektiös-toxischer Genese, die während oder nach einer Antibiotikatherapie auftritt.
Fall 132 Coma diabeticum
132.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Ketoazidotisches Coma diabeticum, da eine
massive Hyperglykämie vorliegt und die vertiefte Atmung typisch für die wahrscheinlich
vorliegende metabolische Azidose (durch Laktatbildung als Folge des absoluten Insulinmangels) ist. Hinweise für andere Ursachen eines
Komas können aus den genannten Befunden
nicht abgeleitet werden.
132.2 Welche 2 Untersuchungen müssen Sie
bei dieser Verdachtsdiagnose unbedingt noch
ergänzend anfordern?
쐽 Blutgasanalyse: zur Beurteilung des Schweregrades der Azidose
쐽 Urinstatus: zum Nachweis von Ketonkörpern.
366
Fall
132
132.3 Nennen Sie mindestens 4 Punkte, die bei
der Therapie dieses Zustandes beachtet werden
müssen!
쐽 ausreichender Flüssigkeitsersatz: bevorzugt
isotone Kochsalzlösung, ca. 10% des Körpergewichts in den ersten 12 Stunden, davon 1 l in
der 1. Stunde
쐽 Insulin-Infusion (Perfusor) bei initial stündlicher Blutzuckerkontrolle; subkutane Applikation wegen Wirkungsverzögerung und vermin-
쐽
쐽
쐽
쐽
derter Resorption aus der Haut bei Koma nicht
indiziert
Kaliumsubstitution: Da der Kaliumspiegel unter Insulin- und Flüssigkeitsgabe schneller
sinkt als der Blutzuckerspiegel, bereits zu Beginn Kalium substituieren, auch bei normalem
Serumkalium (5 – 20 mval KCl/h i. v., bei hohem
Substitutionsbedarf über zentralvenösen Katheter, da K+ die Gefäße reizt).
Azidosekorrektur: nur bei pH unter 7,0 erforderlich, regelmäßige Kontrolle des pH unter
Therapie
Nachweis oder Ausschluss einer Infektion
(häufigste Ursache eines Coma diabeticum)
durch klinische Untersuchung, Röntgenuntersuchung des Thorax, Urinstatus und CRP-Bestimmung, ggf. antibiotische Therapie
bei gefülltem Magen und rezidivierendem Erbrechen Magensonde legen.
132.4 Welche andere Form dieses Zustandes
kennen Sie und wann tritt dieser auf?
쐽 Hyperosmolares Coma diabeticum: bei entgleistem Diabetes mellitus Typ II mit geringer
Insulinrestsekretion, daher keine Azidose, aber
oft ausgeprägte Hyperglykämie (bis ⬎ 100 mg/
dl) und starke Dehydrierung.
Antworten und Kommentar
KO M M E N TA R
Als Coma diabeticum bezeichnet man eine Bewusstseinseinschränkung infolge einer schweren
Stoffwechselentgleisung bei Diabetes mellitus.
Einteilung und Ätiologie: Es gibt zwei Formen: das
ketoazidotische und das hyperosmolare Coma diabeticum. Das ketoazidotische Coma diabeticum
ist Folge eines absoluten Insulinmangels und betrifft vor allem Patienten mit Diabetes mellitus Typ
I. Das hyperosmolare Coma diabeticum ist Folge
eines relativen Insulinmangels und tritt vor allem
bei älteren Patienten mit Diabetes mellitus Typ II
auf.
Beide werden verursacht durch fehlende oder ungenügende exogene Zufuhr von Insulin (Erstmanifestation eines Diabetes, unterlassene Injektion,
Dosierungs- oder Applikationsfehler) oder erhöhten Insulinbedarf (z. B. bei Infektion, Operation,
Diätfehler). So können in mehr als 50% der Fälle
von ketoazidotischem Coma diabeticum Infekte als
auslösende oder begleitende Ursache der Stoffwechselentgleisung identifiziert werden.
Pathogenese: Beim ketoazidotischen Coma diabeticum führt die nicht durch Insulin gebremste
Wirkung der kontrainsulinären Hormone (z. B.
Glukagon) zu einer Stimulation der Glukoneogenese bei verminderter peripherer Glukoseutilisation
Fall 132 Seite 133
und so zu einer Hyperglykämie, außerdem zu einer Stimulation der Lipolyse und Hemmung der
Lipidsynthese. Dadurch wird die Synthese von
Ketonkörpern induziert, die eine metabolische
Azidose hervorrufen.
Beim hyperosmolaren Coma diabeticum verhindert die Restsekretion von Insulin die Ketonkörpersynthese, aber das Überwiegen der kontrainsulinären Hormone führt zu einer oft sehr ausgeprägten
Hyperglykämie (s. Frage 132.4).
Klinik: Beim ketoazidotischen Coma diabeticum
treten aufgrund von Elektrolytverschiebungen,
Azidose und Flüssigkeitsmangel zunächst Übelkeit, Erbrechen, evtl. Bauchschmerzen und – infolge einer osmotischen Diurese – Polyurie auf. Letztere führt zu Dehydratation (verminderter Hautturgor, trockene Schleimhäute) und Gewichtsabnahme. Das Erbrechen und die vertiefte, beschleunigte (Kussmaul-)Atmung infolge der metabolischen Azidose (Kompensationsversuch) verstärken die Dehydratation. Wird die Dehydratation
nicht beseitigt, kommt es zu Bewusstseinseinschränkung.
Beim hyperosmolaren Coma diabeticum führt die
ausgeprägte Hyperglykämie zu einer starken osmotischen Diurese und starker Dehydratation mit
Bewusstseinseinschränkung.
Diagnostik: Die massive Hyperglykämie in Verbindung mit typischen Symptomen der Dehydratation, in beschriebenen Fall auch die Hyperventilation sind der Schlüssel zur Diagnose. Die Unterscheidung der beiden Formen des Coma diabeticum ist durch die Blutgasanalyse (Azidose ja/nein)
und die Bestimmung der Ketonkörper im Urin
möglich. Des Weiteren werden die im Fall beschriebenen Laborparameter bestimmt.
Therapie: s. Frage 132.3. Ein Coma diabeticum ist
ein lebensbedrohlicher Zustand und bedarf daher
einer intensivmedizinischen Überwachung. Der
Flüssigkeitsverlust beträgt bis zu 10 l. Daher steht
an erster Stelle in der Therapie eine ausreichende
Flüssigkeitszufuhr (Merkregel: 10% des Körpergewichts in den ersten 12 Stunden). Aufgrund des
ausgeprägten Natriumdefizits sollte vor allem isotonische (0,9%ige) Natriumchloridlösung verabreicht werden. Bei komatösen Patienten empfiehlt
sich eine Steuerung der zu applizierenden Flüssigkeitsmenge anhand des ZVD. Ein Verzicht auf Flüssigkeitszufuhr oder die Gabe einer unzureichende
Menge (z. B. 1 oder 2 l) bei einem Coma diabeticum
ist ein Kunstfehler. Erst an zweiter Stelle steht die
Insulintherapie, die immer intravenös erfolgen
sollte (s. Frage 132.3). Der Mangel an Insulin akzentuiert den durch die Azidose bedingten intrazellulären Kaliumverlust. Das Kaliumdefizit wird durch
einen sekundären Hyperaldosteronismus als Folge
der Dehydratation verstärkt. Daher muss immer
(Ausnahme: vorbestehende Hyperkalämie von
⬎ 5,5 mmol/l) begleitend Kalium zugeführt werden, da ein Absinken des Serumkaliumspiegels unter Therapie mit NaCl-Lösung und Insulin vorprogrammiert ist. Die metabolische Azidose bedarf
erst dann einer Gabe von Pufferlösungen (z. B.
Natriumbicarbonat), wenn ein pH-Wert von unter
7,0 vorliegt.
367
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Fall
Ernährungsberatung für Patienten mit Diabetes mellitus Typ I
Zentralvenöse Katheter: Indikation, praktisches Vorgehen bei der Anlage
Metabolische und respiratorische Azidose: Diagnostik, Ursachen
133
133.1 Stellen Sie eine Diagnose!
쐽 Akute Hepatitis A: anti-HAV-IGM positiv, massiv erhöhte Transaminasen, de-Ritis-Quotient
[GOT/GPT] ⬍ 1
쐽 Z. n. Hepatitis B: Der Nachweis von anti-Hbc
spricht für eine frühere Infektion. Eine Reaktivierung der Hepatitis B liegt nicht vor, da HBsAg und die HBV-DNA negativ sind.
133.2 Falls Ihnen das Ergebnis der oben aufgeführten Antikörperdiagnostik nicht bekannt wäre, welche Differenzialdiagnosen kämen in Frage?
쐽 akute Virushepatitis: Hepatitis A, Hepatitis B,
Hepatitis C
쐽 akuter Schub einer chronischen Hepatitis
쐽 andere Virusinfektionen mit primärer Hepatitis
oder Begleithepatitis: Epstein-Barr-Virus (EBV),
Zytomegalievirus (CMV), Coxsackie-Virus, Herpes-simplex-Virus (HSV)
쐽 bakterielle Infektion mit Hepatitis: Leptospirose, Brucellose, Typhus abdominalis, Salmonellose mit Begleithepatitis
쐽 parasitäre Infektionen: Malaria, Amöbiasis
쐽 nutritiv-toxische Hepatitis (z. B. durch Alkohol),
Fettleberhepatitis
쐽 medikamentös-toxischer Leberschaden
쐽 Stoffwechselerkrankungen: Hämochromatose,
Morbus Wilson
쐽 Tumoren: hepatozelluläres Karzinom, Pankreaskarzinom
쐽 Gallenwegserkrankung: z. B. Choledocho- oder
Cholezystolithiasis.
133.3 Sollte eine Leberbiopsie durchgeführt
werden? Falls ja, welches Ergebnis würden Sie
erwarten?
쐽 Die im Fallbeispiel genannten serologischen
Befunde weisen auf eine akute Hepatitis A und
eine abgelaufene Hepatitis B hin (s. Frage
133.1). Die kurz zuvor normalen Transaminasen schließen eine chronische Lebererkrankung und eine Leberzirrhose quasi aus. Eine
Leberbiopsie ist daher bei dieser Patientin
nicht sinnvoll – weder zur Diagnosesicherung
noch aus prognostischen Gründen. Aufgrund
der beginnenden Gerinnungsstörung ist sogar
mit einem erhöhten Blutungsrisiko zu rechnen.
Bei einer dennoch durchgeführten Biopsie wäre das Bild einer akuten Hepatitis zu erwarten
(panlobuläre Infiltration mit mononukleären
Zellen, Leberzellnekrosen, Hyperplasie der
Kupffer-Zellen und Cholestase).
Fall 133 Seite 134
Antworten und Kommentar
Fall 133 Hepatitis A
133.4 Wie ist die Prognose der Erkrankung
und wie lautet Ihre Therapieempfehlung?
쐽 Prognose: in ⬎ 99% der Fälle spontane Restitutio ad integrum nach 4 – 8 Wochen; fulminante
Verläufe mit Leberzerfallskoma sind ausgesprochen selten
쐽 deshalb keine spezifische medikamentöse Therapie.
KO M M E N TA R
Die Hepatitis A ist eine virale akute Leberentzündung.
Ätiologie und Pathogenese: Das Hepatitis-A-Virus
(HAV), ein hepatotropes RNA-Enterovirus, wird fäkal-oral durch kontaminiertes Wasser oder Nahrungsmittel übertragen. Die Hepatitis A kann als
Einzellfall, aber auch pan- oder epidemisch auftreten. Die Inzidenz liegt in Deutschland bei etwa 30
Neuerkrankungen jährlich pro 100 000 Einwohner,
ist aber in Ländern mit niedrigeren hygienischen
Standards weitaus höher.
368
Fall
134
Antworten und Kommentar
Klinik: Bei der Mehrzahl der Patienten geht der eigentlichen Hepatitis ein Prodromalstadium von
etwa 3 Wochen Dauer mit unspezifischen gastrointestinalen Symptomen (Übelkeit, Diarrhö) und
grippeähnlichen Beschwerden (Fieber, Arthralgien) voraus. Diese Beschwerden sistieren oft mit
Auftreten des Ikterus. Dieser tritt – zusammen mit
Abgeschlagenheit und Fieber – nach ca. 3 – 4 Wochen auf. Begleitend kann eine Hepatomegalie bestehen. Die klinischen Symptome bilden sich nach
etwa 2 – 3 Wochen zurück. Die durchschnittliche
Inkubationszeit beträgt etwa 15 – 45 Tage.
Diagnostik: Im Vordergrund stehen zunächst
Anamnese (Risikofaktoren wie Essen ungewaschener Lebensmittel, Reiseanamnese?) und klinische
Untersuchung (Ikterus, Hepatomegalie, Leberkonsistenz?). Darüber hinaus ist die Labordiagnostik
entscheidend. Neben allgemeinen, richtungsweisenden Parametern wie GPT, GOT (typischerweise
ist der Quotient GOT/GPT [de-Ritis-Quotient] ⬍ 1),
γ-GT, AP, CHE und Quick bzw. INR ist die Serologie
entscheidend. Antikörper der Klasse IgM (antiHAV-IgM-AK) sind im Serum zeitgleich mit den klinischen Symptomen nachweisbar und beweisen in
Verbindung mit (massiv) erhöhten Transaminasen
die Hepatitis A-Infektion. Anti-HAV-IgG-Antikörper persistieren lebenslang und sprechen daher
nur in Verbindung mit erhöhten IgM-Antikörpern
für eine akute Erkrankung. Sind nur die anti-HAVIgG positiv, müssen andere Differenzialdiagnosen
geprüft werden (s. Frage 133.2). Aufgrund des
selbstlimitierenden Verlaufs ist eine Leberbiopsie
nicht indiziert.
Therapie: Eine spezifische (z. B. antivirale Therapie) der Hepatitis A gibt es nicht. Da die Erkrankung selbstlimitierend ist, kann der Spontanverlauf abgewartet werden. Symptomatische Maßnahmen bestehen in körperlicher Schonung, Vermeidung direkten Körperkontakts, Händedesinfektion und Benutzung getrennter Toiletten.
Prophylaxe: Vor einer Hepatitis-A-Infektion kann
eine aktive oder passive Immunisierung schützen.
Die aktive Immunisierung führt zu einer lebenslangen Immunität und wird empfohlen für Personen in Endemiegebieten (z. B. auch bei Reisen), Beschäftigte im Gesundheitswesen oder Schuldienst
(bei der oben genannten Patientin ist sie wohl dennoch nicht erfolgt). Die passive Immunisierung
(anti-HAV Immunglobuline) wirkt hingegen nur
wenige Monate und kann zur Prophylaxe postexpositionell innerhalb von 6 Tagen oder perinatal
eingesetzt werden.
Prognose: s. Frage 133.4.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hepatitis B
Hepatitis C
Akutes Leberversagen
Fall 134 Lues (Syphilis)
134.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und
was ist die Ursache der vermuteten Erkrankung?
쐽 Lues (= Syphilis), Stadium I, da der klinische
Befund am Genitale typisch für ein Ulcus durum ist, welches zusammen mit den beschriebenen Lymphknotenschwellungen das Stadium
I einer Lues klinisch definiert.
쐽 Ursache: Infektion mit Treponema pallidum.
Fall 134 Seite 135
134.2 Welche diagnostischen Maßnahmen
(mindestens 2) schlagen Sie vor?
쐽 Nachweis von Antikörpern gegen Treponema
pallidum im Serum (IgM und IgG) mittels
– Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest (TPHA) als Suchtest
– Fluoreszenz-Treponema-pallidum-Antikörper-Absorptionstest (FTA-Abs-Test) als Bestätigungstest
– VDRL (Venereal Disease Research Laboratory
Test): Nachweis von Phospholipid-Antikörpern; dient als Verlaufsparameter, um das
Ansprechen auf die Therapie zu beurteilen
쐽 Erregernachweis aus der Tiefe einer Läsion, z. B.
des Genitalulkus: gelingt oft nicht; eine Kultur
ist nicht möglich.
쐽 Stadium III (Latenz- oder Tertiärstadium): –
nach 3 Jahren bis zu Jahrzehnten: meist keine
Beschwerden, selten „Gummen“ (zentral verkäsende Granulome in verschiedenen Geweben, z. B. Haut, Knochen)
쐽 Stadium IV – nach vielen Jahren (chronischentzündliche Prozesse):
– Aortitis, Aorteninsuffizienz, Aneurysma der
Aorta ascendens
– Tabes dorsalis (Demyeliniserung der Hinterstränge)
– Argyll-Robertson-Phänomen (Miosis, fehlender Pupillenreflex bei erhaltender Konvergenzreaktion).
134.3 Welche Stadien der Erkrankung kennen
Sie? Nennen Sie zu jedem Stadium mindestens
ein Leitsymptom!
쐽 Stadium I (Primärstadium) – 2 – 6 Wochen
nach der Infektion:
– Ulcus durum
– regionale Lymphknotenschwellungen
134.4 Wie wird die Erkrankung behandelt?
쐽 Stadium II (Sekundärstadium) – 3 Wochen bis
쐽 Mit Penicillin G parenteral, Mitbehandlung des
Monate nach der Infektion:
Partners (Dosierung + Dauer s. Kommentar).
– Exanthem
– Lymphknotenschwellungen
!!! 134.5 Was versteht man unter der Hutchinson– Condyloma lata
Trias?
– eitrige Angina (Angina specifica)
쐽 Eine klinische Symptomkonstellation bei kon– weißliche Papeln an der Mundschleimhaut
nataler Lues: Innenohrschwerhörigkeit, Ton(Plaques muqueuses) oder Händen und Fußnenzähne, Keratitis parenchymatosa.
sohlen
Fall
KO M M E N TA R
Pathogenese: Der Erreger wird vor allem durch
den Geschlechtsverkehr übertragen.
Klinik: Wenige Wochen nach der Infektion entsteht im Genitalbereich eine Papel, die im Verlauf
in ein typischerweise schmerzloses, nässendes
und induriertes Ulkus übergeht (Stadium I). Dieses
Ulcus durum ist hoch kontagiös, geht mit regionalen Lymphknotenschwellungen einher und heilt
nach einigen Wochen aus. Erfolgt keine Behandlung (s. u.), tritt nach etwa 3 Monaten das Stadium
II auf. Typischerweise manifestiert sich die Lues im
Stadium II mit einem polymorphen Exanthem,
Condyloma lata, derben Lymphknotenschwellungen und den Plaques muqueuses (s. Frage 134.3).
Papeln an den Fußsohlen und Handflächen sind
Zeichen eines Rezidivs. Das Stadium III wird auch
als Latenzstadium bezeichnet, da meist keine Beschwerden vorliegen. Bleibt eine Behandlung weiterhin aus, können einige Patienten Stadium IV erreichen, welches durch chronisch-entzündliche
Gefäßveränderungen gekennzeichnet ist. Diese
können sich als Vaskulitis der Aorta (mit/ohne
Aneurysmabildung), progressive Paralyse oder Tabes dorsalis manifestieren.
Diagnostik: s. Frage 134.2. Die Diagnose „Lues“
kann bereits im Stadium der frischen Infektion
durch den Nachweis von Anti-Treponemen-Antikörpern der Klasse IgM gesichert werden. Im Stadium II sind IgM- und IgG-Antikörper nachweisbar.
Als Suchtest sollte der TPHA durchgeführt werden.
Der FTA sollte als Bestätigungstest erst bei positivem TPHA angefordert werden. Der VDRL ist aufgrund unzureichender Spezifität zur Primärdiagnostik ungeeignet, kann aber zur Therapieüberwachung eingesetzt werden (Titerabfall bei Ansprechen auf die Therapie).
Therapie: Therapie der Wahl ist Penicillin G (1 Mega/d i. v. über 3 Wochen, höhere Dosen bei ZNS-Befall). Nicht selten treten bei Therapiebeginn Fieber,
Muskel- und Kopfschmerzen auf (sog. HerxheimerReaktion). Ursache ist die Freisetzung bakterieller
Antigene durch die Zerstörung der Treponemen.
Die Erkrankung ist meldepflichtig (anonym, bei
Therapieverweigerung namentlich).
Prognose: Unter einer Therapie mit Penicillin G ist
eine Ausheilung der Infektion zu erwarten.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Skabies
Herpes simplex
Erysipel
Leishmaniose
Fall 134 Seite 135
134
Antworten und Kommentar
Die Lues (Syphilis) ist eine zu den Geschlechtskrankheiten zählende bakterielle Infektionserkrankung durch die Spirochäte Treponema pallidum. Die Erkrankung ist in Westeuropa selten geworden, kommt in Asien und Osteuropa jedoch
noch häufig vor (Inzidenz in Russland bis
300/100 000/Jahr).
369
Fall 135 Pleuraerguss
135.1 Was ist die wahrscheinlichste Ursache
der Dyspnö?
쐽 Pleuraerguss, da das Röntgenbild, passend zur
klinisch auffälligen Klopfschalldämpfung und
Abschwächung des Atemgeräusches, eine homogene, nach lateral ansteigende Verschattung
im unteren Abschnitt der rechten Lunge zeigt,
die mit dem Zwerchfell abschließt, womit der
typische radiologische Befund eines Pleuraergusses vorliegt.
135.2 Was ist die wichtigste diagnostische
Maßnahme zur Klärung der Ursache dieses Befundes? Was muss dabei im Einzelnen untersucht werden?
쐽 Pleurapunktion mit zytologischer, bakteriologischer (einschließlich Tbc) und laborchemischer
Untersuchung der Punktatflüssigkeit.
135.3 Definieren Sie die Begriffe „Transsudat“
und „Exsudat“ und nennen Sie jeweils 3 häufige
Ursachen im Hinblick auf den Befund dieser Patientin!
쐽 Transsudat: zell- und eiweißarme Flüssigkeit
(s. Tab. 135.1), die infolge erhöhten hydrostatischen Drucks aus dem Intravasalraum in die
Umgebung (Interstitium, Körperhöhlen) abgepresst wird; Ursachen s. Tab. 135.1
쐽 Exsudat: zell- und eiweißreiche Flüssigkeit (s.
Tab. 135.1), die im Rahmen einer Entzündungsreaktion aus dem Intravasalraum in die Umgebung (Interstitium, Körperhöhlen) austritt; Ursachen s. Tab. 135.1.
370
Tab 135.1 Pleuraerguss
Fall
135
Transsudat
Exsudat
Charakteristika
Antworten und Kommentar
Gesamteiweiß (GE)
⬍ 30 g/l
⬎ 30 g/l
GE Punktat/Serum
⬍ 0,5
⬎ 0,5
spezifisches Gewicht
⬍ 1015
⬎ 1015
LDH
⬎ 200 U/l
⬍ 200 U/l
Leukozyten
⬍ 1000/µl
meist ⬎ 1000/µl
häufigste Ursachen
앫 dekompensierte Linksherzinsuffizienz
앫 Lungenembolie
앫 Leberzirrhose
앫 nephrotisches Syndrom
앫 Pankreatitis
앫 Kollagenose (z. B. SLE)
앫
앫
앫
앫
Pneumonie
Bronchialkarzinom
Mesotheliom
Lungenembolie
KO M M E N TA R
Als Pleuraerguss bezeichnet man eine Flüssigkeitsansammlung in der Pleurahöhle.
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 135.3.
Klinik: Das häufigste Symptom eines Pleuraergusses ist Dyspnö, seltener besteht ein atemabhängiger thorakaler Schmerz. Häufig verlaufen Pleuraergüsse auch asymptomatisch oder es steht die
Symptomatik der zugrunde liegenden Erkrankung
(z. B. Herzinsuffizienz, Tumorleiden) im Vordergrund.
Fall 135 Seite 136
Diagnostik: Aufgrund der breiten Differenzialdiagnose (s. Tab. 135.1) muss jeder Pleuraerguss bezüglich seiner Ätiologie abgeklärt werden. Im Fall einer
ergussverdächtigen Verschattung im Röntgenbild
(s. Frage 135.1) sollte zunächst sonographisch geklärt werden, ob tatsächlich eine Flüssigkeitsansammlung (= Pleuraerguss), eine Verschwartung
oder gar eine solide Raumforderung (z. B. Mesotheliom) der Pleura vorliegt. Im Falle eines Ergusses
muss dieser punktiert und zytologisch sowie labor-
chemisch untersucht werden. Nach der Beschaffenheit der Flüssigkeit lassen sich unterscheiden:
쐽 ein vorwiegend seröser Pleuraerguss (Transsudat oder Exsudat; Differenzierung anhand der
Kriterien in Tab. 135.1, vor allem dem Eiweißgehalt)
쐽 Pleuraempyem (eitriges Exsudat mit ⬎ 15 000
Leukozyten/ µl, Keimnachweis)
쐽 Hämatothorax (Blutansammlung in der Pleurahöhle infolge der Eröffnung eines Gefäßes, postoperativ oder traumatisch bedingt)
쐽 Chylothorax (Ansammlung von Lymphflüssigkeit infolge der Eröffnung des Ductus thoracicus
oder der Cisterna chyli, traumatisch bedingt).
Bei einem Transsudat infolge einer Linksherzinsuffizienz findet sich meist ein beidseitiger, selten
ein einseitiger Pleuraerguss.
Jedes Exsudat ist bis zum Beweis des Gegenteils
verdächtig auf das Vorliegen eines malignen Neoplasie (z. B. Bronchialkarzinom, Pleuramesotheliom, Lymphom, Metastase eines extrapulmonalen
Tumors). Bei Nachweis eines Exsudates ist daher
eine weiterführende Diagnostik (z. B. Thorax-CT,
Bronchoskopie) gerechtfertigt. Im Falle eines unklaren entzündlichen Exsudates sollte im Rahmen
der bakteriologischen Untersuchung auch eine
Ziehl-Neelsen-Färbung erfolgen, um eine Tuberkulose ausschließen zu können. Aber auch seltenere
Ursachen eines Pleuraergusses wie eine Pankreatitis (Bestimmung von Lipase, Amylase, Abdomensonographie) oder entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen (rheumatoide Arthritis, Kollagenosen) sollten bei ätiologisch unklaren Pleuraergüssen in die Differenzialdiagnose einbezogen
werden.
Therapie: Sie sollte immer eine möglichst effektive
Behandlung der Grunderkrankung einschließen.
Symptomatisch ist zunächst eine Abpunktion des
Ergusses sinnvoll. Im Falle rezidivierender Ergüsse,
die auf eine kausale Therapie nur unzureichend ansprechen (z. B. maligne Pleuraergüsse), kann eine
Pleurodese (Pleuraverklebung mit Talkum-Puder
oder Tetrazyklin) durchgeführt werden.
371
Fall
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Bronchialkarzinom
Herzinsuffizienz
Pleurapunktion: Indikation, praktisches Vorgehen, Komplikationen
136
136.1 Ist die Symptomatik der Patientin hochcharakteristisch, passend oder untypisch für eine Sprue? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 Alle oben beschriebenen Befunde und Symptome sind vereinbar („passend“) mit der Diagnose
„Sprue“, jedoch nicht hochcharakteristisch für
eine Sprue, sondern lediglich für eine globale
Malassimilation (breite Differenzialdiagnose!)
mit konsekutiven Mangelerscheinungen.
136.2 Nennen Sie mindestens 7 Differenzialdiagnosen der Sprue!
쐽 Laktasemangel
쐽 exogene Pankreasinsuffizienz
쐽 chronisch-entzündliche Darmerkrankung
쐽 kollagene Kolitis
쐽 Morbus Whipple
쐽 Nahrungsmittelallergie
쐽 Hyperthyreose
쐽 Darminfektionen
쐽 Karzinoid, VIPom
쐽 Z. n. Dünndarmresektion
쐽 tropische Sprue
쐽 Amyloidose.
136.3 Wie lässt sich die Diagnose „glutensensitive Enteropathie“ sichern?
쐽 spezifisch:
– Dünndarmbiopsie + Histologie: Typisch sind
Zottenatrophie, verlängerte Krypten, erhöhte Anzahl von Lymphozyten in der Lamina
propria
– IgA-Antikörper gegen Gewebetransglutaminase i. S. : Die Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchung für die glutensensitive
Enteropathie beträgt nahezu 100%.
– Besserung unter glutenfreier Diät (relativ
spezifisch)
쐽 unspezifisch:
– D-Xylose-H2-Atem-Test: Nachweis der Malabsorption (Xylose wird nicht resorbiert und
daher von der Dickdarmflora verstoffwechselt, was zu einem Anstieg der H2-Konzentration in der Ausatemluft führt)
– Anti-Gliadin-Antikörper.
136.4 Was ist am ehesten die Ursache des geringfügig verminderten Serumkalziums und der
Knochenschmerzen?
쐽 Vitamin-D3-Mangel als Folge der chronischen
Malabsorption.
Fall 136 Seite 137
Antworten und Kommentar
Fall 136 Sprue (glutensensitive Enteropathie)
KO M M E N TA R
Die glutensensitive Enteropathie (= [einheimische]
Sprue des Erwachsenen = Zöliakie des Kindes) ist
eine chronische, mit Malabsorption einhergehende Erkrankung, die durch Intoleranz des Kleberproteins Gluten bzw. seiner alkohollöslichen Komponente Gliadin aus Weizen, Roggen, Hafer, Gerste,
Dinkel und Grünkern charakterisiert ist. Die Prävalenz in Europa beträgt bis zu 0,5%.
Ätiologie und Pathogenese: Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung. Bei glutensensitiven
Personen vernetzt die Gewebetransglutaminase
im Dünndarm Gliadin mit Bindegewebsproteinen,
so dass neue antigene Strukturen entstehen, gegen
die (anti-Gliadin-)Antikörper gebildet werden. Darüber hinaus werden IgA-Antikörper gegen die Gewebetransglutaminase gebildet. Es kommt zu einer chronischen Entzündung, die im Jejunum am
stärksten ausgeprägt ist.
372
Fall
137
Antworten und Kommentar
Klinik: Die Beschwerden sind variabel und wenig
charakteristisch. Im Vordergrund stehen die Leitsymptome der chronischen Malabsorption (Gewichtsverlust, voluminöse Durchfälle, evtl. Fettstuhl), die oft seit der Kindheit besteht und Wachstumsstörungen zur Folge haben kann. Typische
Folgen der chronischen Malabsorption sind das
Untergewicht, eine Anämie durch Eisen-, Folsäureoder Vitamin-B12-Mangel, eine Rachitis durch
mangelhafte Vitamin-D3-Aufnahme und Hypokalzämie, Polyneuropathie infolge eines VitaminB12-Mangels und Nachtblindheit infolge eines
Vitamin-A-Mangels. Oft besteht ein sekundärer
Laktasemangel.
Diagnostik: Seit Beschreibung der Gewebetransglutaminase als Zielantigen der glutensensitiven
Enteropathie hat sich deren Diagnostik gewandelt.
War früher der Biopsiebefund Voraussetzung zur
Diagnose, ist eine Vielzahl von Experten der Ansicht, dass eine Bestimmung von Antikörpern gegen Gewebetransglutaminase der Subklasse IgA
im Serum zur Diagnose oder zum Ausschluss einer
glutensensitiven Enteropathie ausreichend ist. Die
diagnostische Aussagekraft dieser Antikörperbestimmung (s. Frage 136.3) ist bedeutend höher als
die vieler anderer Antikörperbestimmungen in der
medizinischen Diagnostik. Es scheint zumindest
vertretbar, bei Patienten mit passender Klinik und
anti-Gewebetransglutaminase-Antikörpern,
die
von einer glutenfreien Diät profitieren, auf eine
Dünndarmbiopsie zu verzichten. Anti-Gliadin-Antikörper sind weniger spezifisch für die glutensensitive Enteropathie, so dass ein positiver Befund allein nicht die Diagnose sichert.
Therapie: Sie besteht in glutenfreier Kost (Verzicht
auf die o. g. Getreidesorten, Ersatz durch Kartoffeln,
Mais, Reis, Hirse u.a). Oft müssen zusätzlich die
Folgen des chronischen Mangelzustands ausgeglichen werden, z. B. in Form einer Vitaminsubstitution. Bei unbefriedigendem Ansprechen auf glutenfreie Kost sollte ein sekundärer Laktasemangel
ausgeschlossen werden (s. Fall 60).
Prognose: Bei Einhaltung der glutenfreien Diät
sollten alle Patienten symptomfrei werden. Das
Überleben unterscheidet sich nicht von dem der
Normalbevölkerung.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Morbus Whipple
Verner-Morrison-Syndrom
Kollagene Kolitis
Tropische Sprue
Fall 137 Nosokomiale Pneumonie
137.1 Welche Diagnose stellen Sie?
쐽 Nosokomiale Pneumonie, da Fieber, Schüttelfrost und Husten bestehen und das Röntgenbild eine Infiltration im Lungenunterlappen
zeigt. Zudem liegen mit dem längeren Krankenhausaufenthalt, der Immobilität der Patientin sowie den Rippenprellungen (schmerzbedingte Einschränkung der Atemexkursion)
mehrere Risikofaktoren für die Entwicklung einer Pneumonie vor. Da die Pneumonie über
72 Stunden nach Aufnahme der Patientin in die
Klinik begonnen hat, liegt definitionsgemäß eine nosokomiale Pneumonie vor.
Fall 137 Seite 138
137.2 Welche 4 diagnostischen Maßnahmen
empfehlen Sie ?
쐽 körperliche Untersuchung (Auskultation, Perkussion), Blutdruck- und Pulsmessung
쐽 Blutgasanalyse
쐽 Erregernachweis:
– aus Sputum oder Bronchialsekret, im Zweifelsfall bronchoskopische Sekretgewinnung
– mittels Blutkultur (aerob und anaerob) bei
Schüttelfrost und Fieber, da dann die Bakteriämie am ausgeprägtesten und somit die
„Trefferquote“ am höchsten ist
쐽 Labordiagnostik: Blutbild, CRP, Gerinnung, Nierenretentionsparameter, Transaminasen, LDH.
137.3 Welche therapeutischen Maßnahmen
empfehlen Sie in dieser Situation?
쐽 Antibiotika (nach Materialentnahme zur Erregerdiagnostik): bei mittelschwerer nosokomialer Pneumonie z. B. ungezielte Anbehandlung
mit einem Cephalosporin der 2. oder 3. Generation (z. B. Cefuroxim) oder Acylaminopenicillin
+ Betalaktamaseinhibitor (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure). Nach Erhalt der Resistenzbestimmung ggf. Wechsel des Antibiotikums.
쐽 an den Flüssigkeitsverlust (Fieber, Schwitzen)
und die Kreislaufsituation angepasste Flüssig-
쐽
쐽
쐽
쐽
쐽
keitszufuhr und ggf. antipyretische Maßnahmen (z. B. Wadenwickel)
Sauerstoffgabe unter regelmäßiger Kontrolle
der Blutgase
Atemgymnastik zur Prophylaxe von Atelektasen bei schmerzbedingter Hypoventilation
analgetische Medikation (Rippenprellung!)
ohne atemdepressive Eigenschaften (z. B. Paracetamol oder Metamizol)
Thrombembolieprophylaxe (Low-dose-Heparinisierung)
evtl. mukolytische Maßnahmen (z. B. Acetylcystein).
KO M M E N TA R
Unter einer Pneumonie versteht man eine durch
Mikroorganismen verursachte Entzündung des am
Gasaustausch beteiligten Lungenparenchyms. Zur
Definition der nosokomialen Pneumonie s. Frage
137.1.
Diagnostik: s. Frage 137.2. Aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung bei den o. g. „Hospitalkeimen“ muss vor Einleitung einer antibiotischen Therapie stets eine Erregerdiagnostik erfolgen. Hierzu muss Material in ausreichender Menge
entnommen werden.
Therapie: s. Frage 137.3. Die antibiotische Therapie kann zunächst ungezielt erfolgen (unter Berücksichtigung der örtlichen Resistenzlage), sollte
aber nach Erhalt der Ergebnisse der bakteriologi-
Prognose: Die Prognose der nosokomialen Pneumonie hängt stark von der Schwere der Erkrankung, dem Alter des Patienten und einer möglichen
Grunderkrankung ab. Angaben zur Mortalität reichen von 15% bis über 80%, abhängig vom untersuchten Kollektiv.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Pneumonien bei Immundefizienz: Erreger, diagnostisches Vorgehen
Ambulant erworbene Pneumonie
Viruspneumonie
Fall 137 Seite 138
137
Antworten und Kommentar
Klinik: Symptome sind Fieber, Schüttelfrost, eitriges Sputum, Husten, bei ausgedehnter Pneumonie
Dyspnö. Achtung: Da die Patienten häufig multimorbide sind, können die Symptome durch die der
Begleiterkrankungen maskiert werden!
373
Fall
Ätiologie: Typische Erreger einer nosokomialen
Pneumonie sind gramnegative Bakterien wie Klebsiellen, Pseudomonas, Enterobacter oder E. coli,
seltener grampositive Bakterien (vor allem Staph.
aureus).
schen Untersuchung ggf. modifiziert werden. Die
Auswahl des Antibiotikums zur Initialbehandlung
richtet sich nach dem individuellen Risiko des Patienten (Grunderkrankung, pulmonale Vorerkrankung, Schwäche der Infektabwehr [angeboren oder
erworben, z.B. durch Immunsuppressiva], intensivmedizinische Behandlung, schwere respiratorische Insuffizienz/maschinelle Beatmung oder Z. n.
Aspiration?). Neben der antibiotischen Therapie ist
die effektive Behandlung einer respiratorischen
Insuffizienz mittels Sauerstoffgabe und mukolytischer Maßnahmen von Bedeutung. Um einem prärenalen akuten Nierenversagen als Folge des hohen
Flüssigkeitsverlustes (Fieber) vorzubeugen, muss
zudem eine adäquate Flüssigkeitszufuhr erfolgen.
Um die Entwicklung einer Sepsis frühzeitig zu erkennen, müssen der Kreislauf und zentrale Laborparameter (insbesondere Nierenfunktion, Leber,
Gerinnung, Blutbild) regelmäßig kontrolliert werden.
Fall 138 Rheumatisches Fieber
138.1 Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?
Begründen Sie Ihre Vermutung!
쐽 Rheumatisches Fieber: klassische Konstellation
aus einer Polyarthritis großer Gelenke mit akutem Beginn, hohem Fieber und typischen Hautveränderungen (s. Frage 138.4) bei vorausgegangener vermutlich bakterieller Tonsillitis (weißliche Beläge als Hinweis auf eitrige Infektion).
138.2 Was ist die Ursache der Erkrankung?
쐽 Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A mit nachfolgender immunologischer Reaktion. Der Mechanismus ist ungeklärt, möglicherweise spielen zytotoxische TZellen und/oder Immunkomplexe eine Rolle.
374
Fall
138
138.3 Wie behandeln Sie?
쐽 Therapie der Wahl ist Penicillin G (4 ⫻ 1 Mio. IE
Penicillin G i. v. für 10 – 14 Tage).
쐽 zur Linderung der Gelenkschmerzen nichtsteroidale Antirheumatika (z. B. Acetylsalicylsäure).
138.4 Nennen Sie 4 typische Befunde einer
Hautbeteiligung dieser Erkrankung!
쐽 subkutane Knötchen an Knochenvorsprüngen,
vor allem in der Nähe von Gelenken, am Unterarm und Darmbeinkamm; sehr typisch, daher
diagnostisches Kriterium des rheumatischen
Fiebers (Jones-Kriterien)
쐽 Erythema anulare marginatum: bläulich-rote
ringförmige Maculae, vor allem am Rumpf;
hochcharakteristisch und daher ebenfalls diagnostisches Kriterium des rheumatischen Fiebers (Jones-Kriterien)
쐽 Erythema exsudativum multiforme: kokardenförmige Plaques mit bläulichem Zentrum
und hellrotem Rand an den Streckseiten der
Extremitäten und Fußsohlen; recht typisch,
aber selten
쐽 Erythema nodosum; nicht spezifisch für das
rheumatische Fieber.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Das rheumatische Fieber ist eine Systemerkrankung infolge einer Immunreaktion auf Streptokokkenantigene. Bis vor etwa 50 Jahren war das rheumatische Fieber die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung des Jugendalters. Durch Verbesserung der hygienischen Verhältnisse und ubiquitäre Verfügbarkeit von Antibiotika ist das rheumatische Fieber heute eher selten und tritt am
häufigsten noch bei beengten Wohnverhältnissen
(s. Fall) auf (schlechtere hygienische Bedingungen).
Ätiologie und Pathogenese: s. Frage 138.2.
Klinik und Diagnostik: Die Diagnostik-Kriterien
nach Jones sind in Tab. 138.1 aufgeführt.
Tab. 138.1 Diagnose-Kriterien des Rheumatischen den Fiebers nach Jones
Hauptkriterien
앫 Polyarthritis
앫 Karditis (Endo-,
Myokarditis)
앫 Erythema anu
lare marginatum
앫 subkutane
Knötchen
앫 Chorea minor
(Dyskinesien,
Spätkomplikation)
Fall 138 Seite 139
Nebenkriterien
앫 Fieber
앫 Arthralgien
앫 serologische
Entzündungsreaktion (BSG/CRP 앖)
앫 verlängerte PQZeit im EKG
앫 rheumatisches
Fieber in der
Vorgeschichte
Zur Diagnosestellung müssen 2 Hauptkriterien
oder 1 Haupt- und 2 Nebenkriterien erfüllt sein.
Darüber hinaus sollte zusätzlich eine aktive Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der
Gruppe A, meist in Form einer Tonsillitis, bewiesen
(z. B. Keimnachweis im Rachenabstrich) oder doch
sehr wahrscheinlich sein.
Bezüglich des Gelenkbefalls ist beim rheumatischen Fieber eine Polyarthritis großer Gelenke charakteristisch (DD: bei rheumatoider Arthritis und
Kollagenosen sind vor allem kleine Gelenke betroffen) mit Migration der Beschwerden (Arthritis
„springt“ von Gelenk zu Gelenk). Im Gegensatz zu
Polyarthritiden anderer Genese klingt die Gelenksymptomatik innerhalb von 2 – 3 Wochen ab. Chronische Verläufe oder erosive Veränderungen kommen nicht vor, sondern sprechen dann für eine andere Diagnose.
Differenzialdiagnosen: Abzugrenzen sind der juvenile oder adulte Morbus Still (rheumatoide Arthritis mit akutem systemischem Beginn, hier keine Streptokokkeninfektion), Löfgren-Syndrom
(akute Sarkoidose, hier pulmonale Veränderungen) und andere reaktive Arthritiden.
Therapie: Aufgrund der hohen Penicillinempfindlichkeit der Streptokokken erfolgt die Therapie
auch heute noch mit Penicillin G. Die Arthritis wird
symptomatisch mit nichtsteroidalen Antirheumatika behandelt, wobei Acetylsalicylsäure wegen
des fiebersenkenden Effektes in der Regel der Vorzug gegeben wird. Nach Ausheilung der Erkran-
kung wird eine Rezidivprophylaxe empfohlen, die
bei unkompliziertem Verlauf über 5 Jahre, bei einer
Herzbeteiligung lebenslang durchgeführt werden
sollte. Bei einer Tonsillitis ist zudem eine Tonsillektomie zur Fokussanierung ratsam.
Prognose: Das rheumatische Fieber heilt in der Regel innerhalb von 2 – 3 Monaten folgenlos aus. Die
Gelenkerkrankung bleibt ohne Folgen für das Gelenk.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Rheumatoide Arthritis
Reaktive Arthritis
Septische Arthritis
Fall 139 Kolorektales Adenom
139.1 Welche Adenomtypen kennen Sie?
쐽 tubuläres gestieltes Adenom
쐽 villöses Adenom
쐽 tubulovillöses Adenom.
139.2 Von welchen Faktoren hängt bei kolo-
KO M M E N TA R
Eine Vorwölbung der Schleimhaut im Gastrointestinaltrakt wird deskriptiv als Polyp bezeichnet.
Polypen zählen entzündliche und hamartomatöse
(s. Frage 139.4) Polypen.
Einteilung: Man unterscheidet neoplastische und
nichtneoplastische Polypen. Die meisten neoplastischen Polypen sind epitheliale Tumoren, neuroendokrine und nichtepitheliale Tumoren (z. B.
Lymphome, Lipome) sind selten. Über 70% der epithelialen Tumoren sind Adenome, der Rest kolorektale Karzinome. Zu den nichtneoplastischen
Pathophysiologie: Etwa 85% aller kolorektalen
Karzinome entwickeln sich aus dysplastischen
Adenomen (Adenom-Karzinom-Sequenz). Ursache der zunehmenden Dysplasie und malignen
Entartung der Adenome ist eine Reihe von Mutationen, die mehrere Gene (z. B. APC-Gen, K-ras-Onkogen) betrifft. Der Schweregrad der Dysplasie
Fall 139 Seite 140
139
Antworten und Kommentar
139.3 Ist bei der beschriebenen Patientin eine
weitere Verlaufskontrolle des Adenoms erforderlich? Wenn ja, wie sollte diese aussehen? Begründen Sie Ihre Aussage!
139.4 Was ist ein Polyposis-Syndrom? Nennen
Sie mindestens 3 Erkrankungen, auf die diese
Bezeichnung zutrifft!
쐽 Polyposis-Syndrome sind hereditäre oder
nichthereditäre Erkrankungen, bei denen multiple Polypen im Gastrointestinaltrakt auftreten. Nach der Genese der Polypen unterscheidet man
– adenomatöse Polyposis: Hereditäre Formen
sind die familiäre adenomatöse Polyposis,
das Gardner- und das Turcot-Syndrom,
nichthereditäre Formen das Cronkhite-Canada-Syndrom, die hyperplastische und die
lymphomatoide Polyposis.
– hamartomatöse Polyposis (hamartomatöse
Polypen sind Fehlbildungen der intestinalen
Mukosa; hereditär): Peutz-Jeghers-Syndrom, Cowden-Syndrom, generalisierte
Neurofibromatose, familiäre juvenile Polyposis.
375
Fall
rektalen Adenomen die Entwicklung zu einem
Karzinom ab?
쐽 Adenomtyp:
– tubuläres gestieltes Adenom: geringstes Risiko
– villöses Adenom: höchstes Risiko
– tubulovillöses Adenom: mittleres Risiko
쐽 Größe des Adenoms: Beispiel tubuläres Adenom: Karzinomrisiko bei kleinen Adenomen
(⬍ 1 cm) 1%, bei großen Adenomen (⬎ 2 cm)
bis 10 – 50%. Allgemein ist das Entartungsrisiko
bei einer Adenomgröße von ⬎ 1 cm um den
Faktor 3,6 erhöht.
쐽 Dysplasiegrad: Das Entartungsrisiko steigt mit
dem Dysplasiegrad.
쐽 Zahl der Adenome: bei gehäuften Adenomen
deutlich (um den Faktor 6,6) erhöhtes Entartungsrisiko
쐽 Tiefen-Ausbreitung in der Darmschleimhaut.
쐽 Die baldige Durchführung einer kompletten
Koloskopie ist erforderlich. Diese hätte schon
nach rektoskopischer Abtragung des Adenoms
im Rektum erfolgen müssen, da Polypen meist
multipel auftreten und die Prognose entscheidend von der Zahl der gefundenen Adenome
abhängt (s. Frage 139.2).
korreliert mit dem Karzinomrisiko. Ein weiteres
bedeutsames Prognosekriterium ist die Ausbreitung des Adenoms in der Darmschleimhaut. Bei Invasion der dysplastischen Veränderungen in die
Muscularis mucosae liegt definitionsgemäß ein invasives Karzinom vor. Villöse Adenome neigen früher zur Infiltration als die gestielten tubulären
Adenome und sind daher mit einer schlechteren
Prognose assoziiert. Ein wesentlicher Gesichtspunkt im Hinblick auf das Entartungsrisiko ist die
Zahl der vorhandenen Adenome (s. Frage 139.2).
Die familiäre adenomatöse Polyposis ist eine obligate Präkanzerose.
Klinik: Die meisten Adenome sind asymptomatisch. Größere Adenome bluten.
376
Fall
140
Diagnostik und Therapie: Wichtige diagnostische
Methoden zur Erfassung von Adenomen sind
Anamnese (Blut im Stuhl?), die rektal digitale Untersuchung (Schleimhautvorwölbung tastbar?),
der
Okkultbluttest
und
die
Koloskopie
(Abb. 139.1). Eine Röntgenaufnahme des Kolons
(Kolonkontrasteinlauf) ist sinnvoll, wenn die Koloskopie technisch nicht vollständig durchführbar ist
(z. B. bei Stenosen).
Antworten und Kommentar
Aufgrund der Adenom-Karzinom-Sequenz müssen alle kolorektalen Adenome abgetragen und
histologisch untersucht werden. Kleine Adenome
(⬍ 5 mm) können mit der Biopsiezange abgetragen
werden, größere Adenome werden mit einer
Schlinge entfernt. Waren bei der Rekto- bzw. Koloskopie mehrere Adenome sichtbar, ist das Risiko
Abb. 139.1
Rektoskopie: multiple Polypen im Rektum
für ein erneutes Auftreten und eine spätere Entartung besonders hoch (s. Frage 139.2), so dass diese
Patienten 1 – 3 Jahre nach der Abtragung besonders
sorgfältig nachuntersucht werden müssen (Koloskopie).
Patienten mit familiärer adenomatöser Polyposis
und gesichertem genetischem Befund (Mutation
des APC-Tumorsuppressorgens) müssen ab dem
12. Lebensjahr jährlich untersucht werden.
Bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres sollte eine
prophylaktische Proktokolektomie erfolgen.
Prognose: s. Frage 139.2.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Kolonkarzinom
Strahlenkolitis
Laxanzienkolon
Fall 140 Kardiomyopathie
140.1 Welche Formen einer Kardiomyopathie
gibt es? Nennen Sie zu jeder Form die im Vordergrund stehende Ursache der Herzinsuffizienz!
쐽 dilatative Kardiomyopathie (DCM): systolische
Pumpschwäche
쐽 hypertrophische Kardiomyopathie:
– mit Obstruktion (HOCM): diastolische Compliancestörung + Obstruktion des Ausflusstrakts
– ohne Obstruktion (HCM): diastolische Compliancestörung
쐽 restriktive Kardiomyopathie: diastolische
Compliancestörung
Fall 140 Seite 141
쐽 arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie/Dysplasie (ARVCM): systolische
und diastolische Pumpschwäche mit ventrikulären Tachykardien
쐽 nicht klassifizierbare Kardiomyopathie:
Pumpschwäche bei nur geringer Dilatation,
keine Hypertrophie.
140.2 Welche Form der Kardiomyopathie liegt
bei dem Patienten wahrscheinlich vor?
쐽 Hypertrophische Kardiomyopathie ohne Obstruktion, da eine ventrikuläre Hypertrophie
ohne arterielle Hypertonie vorliegt (daher keine hypertensive Herzerkrankung), die ausgeprägte Septumhypertrophie typisch für eine
hypertrophische Kardiomyopathie ist und eine
ischämische Kardiomyopathie (durch eine
KHK) durch Koronarangiographie ausgeschlossen wurde.
!!! 140.3 Wodurch sind Patienten mit rechtsventrikulärer Dysplasie potenziell gefährdet?
쐽 Ventrikuläre Tachykardien.
140.4 Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
쐽 medikamentös:
– Therapie der Herzinsuffizienz: ACE-Hemmer
(alle Patienten), β-Blocker (vor allem bei tachykarden Herzrhythmusstörungen oder
Hypertonie), Diuretika (vor allem bei Ödemen und Lungenstauung), Digitalis (vor allem bei DCM, jedoch nicht bei HOCM!)
– Antiarrhythmika: bei rechtsventrikulärer
Dysplasie prophylaktisch
– Thrombembolieprophylaxe: bei Ejektionsfraktion von ⬍ 40% orale Antikoagulation
wegen der Gefahr der Thrombenbildung in
den dilatierten und hypokontraktilen Herzhöhlen
쐽 elektrophysiologisch:
– Schrittmachertherapie: Programmierte Stimulation des ventrikulären Septums kann
bei HOCM die Obstruktion des Ausflusstrakts vermindern; positiver Effekt auch bei
Linksschenkelblock
– antitachykarder Schrittmacher (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator [AICD]): bei
Nachweis lebensbedrohlicher ventrikulärer
Tachykardien im Langzeit-EKG oder im Rahmen einer elektrophysiologischen Untersuchung
쐽 operativ:
– perkutane transluminale Septumablation
bei HOCM
– Herztransplatation als Ultima Ratio.
377
KO M M E N TA R
Klinik: Oft sind die Patienten über lange Jahre
symptomlos. Später dominieren die Symptome der
Herzinsuffizienz wie Belastungsdyspnö, Orthopnö
und Ödeme.
Diagnostik: Um die Diagnose Kardiomyopathie
stellen zu können, müssen zuvor alle Differenzialdiagnosen (s. Definition) ausgeschlossen werden.
Während die hypertrophische Kardiomyopathie
häufig schon echokardiographisch durch die typische isolierte und massive Verdickung des Septums erkannt wird, ist zur Diagnose anderer Kardiomyopathieformen meist eine invasive Diagnostik erforderlich. So ist es sinnvoll, beim Bild einer
dilatativen Kardiomyopathie mit akutem Beginn
der Symptomatik eine Myokardbiopsie durchzuführen, um eine Myokarditis auszuschließen. Bei
Therapie: s. Frage 140.4. Die Kenntnis der verschiedenen Kardiomyopathieformen sowie der jeweils
zugrunde liegenden Störung ist klinisch und therapeutisch relevant. Während bei einer DCM aufgrund der systolischen Pumpstörung eine Verstärkung der Pumpkraft durch positiv inotrope Substanzen angestrebt werden sollte, sind diese z. B. bei
der HOCM kontraindiziert, da hierdurch die Verlegung der linksventrikulären Ausflussbahn am Ende
der Systole verstärkt wird. Neben einer Unterstützung der myokardialen Funktion sollte auch immer
an die Prophylaxe von Komplikationen wie Thrombembolie und maligne Herzrhythmusstörungen
gedacht werden, da diese die Prognose der Patienten mit einer Kardiomyopathie wesentlich bestimmen.
Prognose: Ab der 3. Dekade nimmt die Septumhypertrophie nicht weiter zu. Dennoch kommt es bei
einem Drittel der Patienten im Verlauf noch zu einer Zunahme der Beschwerdesymptomatik.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Dilatative Kardiomyopathie
Myokarditis
Endokarditis
Fall 140 Seite 141
140
Antworten und Kommentar
Einteilung: s. Frage 140.1.
älteren Patienten sollte darüber hinaus eine koronare Herzkrankheit durch eine Koronarangiographie ausgeschlossen werden.
Fall
Als Kardiomyopathien im engeren Sinne werden
Erkrankungen des Herzmuskels weitestgehend
unbekannter Ursache bezeichnet, die nicht Folge
einer ischämischen Herzerkrankung, einer entzündlichen Herzerkrankung (Myokarditis), eines
Vitiums oder einer arteriellen Hypertonie sind.
Fall 141 Gastroduodenales (Stress-)Ulkus
378
Fall
141
141.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Gastroduodenales (Stress-)Ulkus, da der Patient einen epigastrischen Schmerz mit Akzentuierung nach Nahrungsaufnahme und leichte
Übelkeit angibt und mit dem Polytrauma ein
Risikofaktor für ein Stressulkus vorliegt.
141.4 Wo finden sich gastrointestinale Ulzera
am häufigsten?
쐽 Am häufigsten sind Ulcera duodeni (Prävalenz
ca. 1,4%), wobei meistens der Bulbus duodeni
und hier vor allem die Hinterwand betroffen
ist.
141.2 Die Durchführung welcher Untersuchung ist nun vorrangig?
쐽 Ösophagogastroduodenoskopie.
141.5 Wie reagieren Sie?
쐽 Sie weisen den Patienten darauf hin, dass zuvor
oder im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung die Durchführung einer Kontrollgastroskopie (mit erneuter Biopsie) unbedingt erforderlich ist, da ein florides Ulcus ventriculi ein
Magenkarzinom maskieren kann, welches
dann möglicherweise erst nach Therapie des
Ulkus erkennbar ist.
141.3 Nennen Sie mindestens 3 Ursachen gastroduodenaler Ulzera!
쐽 chronische Gastritis mit Helicobacter-pyloriInfektion
쐽 Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika
(z. B. Diclofenac, Indometacin, Ibuprofen)
쐽 Schleimhauthypoxie bei Schockzuständen aller
Art, Polytrauma, Verbrennungen, Sepsis, nach
ausgedehnten Operationen („Stress“)
쐽 erhöhter Vagustonus
쐽 Zollinger-Ellison-Syndrom (Gastrinom)
쐽 Motilitätsstörungen (z. B. diabetische Gastroparese).
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Als Ulkus bezeichnet man einen umschriebenen
Schleimhautdefekt, der über die Muscularis mucosae hinausgeht. Bei der Erosion dagegen betrifft
der Defekt nur die Mukosa, die Muscularis mucosae ist intakt.
Gastrointestinale Ulzera finden sich am häufigsten
im Duodenum (s. Frage 141.4). Ulcera ventriculi
sind seltener (Prävalenz ca. 0,5%), typisch ist die
Lage an der kleinen Kurvatur (Antrum, Angulusfalte). Sie können einmalig auftreten, wie z. B. das
Stressulkus oder das Arzneimittelulkus, oder rezidivieren. Bei rezidivierenden gastroduodenalen
Ulzera spricht man von Ulkuskrankheit.
Ätiologie und Pathogenese: Zu den Ursachen
gastrointestinaler Ulzera s. Frage 141.3. Gemeinsamer pathogenetischer Faktor ist ein Ungleichgewicht zwischen schleimhautprotektiven Faktoren (Durchblutung, die aus tight junctions bestehende Mukosabarriere, Prostaglandine, der Bikarbonat-Ionen enthaltende Magenschleim) und
schleimhautschädigenden Faktoren (Helicobacter pylori, Säure, Gallereflux, Schleimhauthypoxie, Hemmung der Prostaglandinsynthese). Bei
akuten (einmaligen) Ulzera wie dem Stressulkus
besteht dieses Ungleichgewicht nur vorübergehend, bei der Ulkuskrankheit jedoch dauernd. Die
Helicobacter-pylori-Infektion ist der bedeutendste
ulzerogene Faktor bei der Ulkuskrankheit. Helicobacter pylori lässt sich bei über 90 % der Patienten
Fall 141 Seite 142
mit einem Ulcus duodeni und mehr als 70% der Patienten mit einem Ulcus ventriculi in der Magenschleimhaut nachweisen. Die Erkennung und antibiotische Sanierung einer Helicobacter-pylori-Infektion stellt somit eine zentrale Maßnahme bei
Ulkuskrankheit dar.
Klinik: Bei einem akuten Ulkus wie dem Stressulkus stehen meist Symptome von Komplikationen
(Hämatemesis und/oder Melaena bei Blutung, Peritonitis bei Perforation) im Vordergrund. Schmerzen können gänzlich fehlen (vor allem bei NSARinduzierten Ulzera, weil NSAR ja analgetisch wirken). Bei der Ulkuskrankheit sind Schmerzen dagegen das Leitsymptom: Sie sind im Oberbauch lokalisiert und treten besonders bei Ulcus duodeni
vor allem im Nüchternzustand und nachts auf. Begleitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit.
Komplikationen: Die wesentlichen Komplikationen gastrointestinaler Ulzera sind Blutung, Penetration (Einbruch in benachbarte Organe), Perforation (Durchbruch in die Bauchhöhle), Stenose (z. B.
Magenausgangsstenose bei Ulcus ventriculi) und –
beim Ulcus ventriculi – das Magenkarzinom.
Diagnostik: Aufgrund der Häufigkeit und potenziellen Gefährlichkeit gastrointestinaler Ulzera
sollte bei hinreichenden Verdachtsmomenten die
Indikation zur Ösophagogastroduodenoskopie
frühzeitig gestellt werden, insbesondere dann,
wenn ein erhöhtes Risiko für eine Ulkuserkrankung vorliegt (wie hier wegen Z. n. Polytrauma).
Zur Ursachenklärung ist neben der gezielten
Anamnese (frühere Ulzera, Einnahme von NSAR
oder Glukokortikoiden, Stresssituation?) eine
Biopsieentnahme aus der Ulkusregion im Rahmen
der endoskopischen Untersuchung zum Ausschluss eines Magenkarzinoms (s. Frage 141.5) notwendig. Weitere Biopsien sollten aus nicht befallener Schleimhaut (Antrum und Korpus) zur Untersuchung auf eine Besiedlung mit Helicobacter
pylori entnommen werden. Helicobacter pylori
kann durch den Urease-Schnelltest und auch histologisch nachgewiesen werden.
Therapie: Gastroduodenale Ulzera – egal ob akut
oder rezidivierend - werden bei Nachweis einer
Helicobacter-pylori-Infektion mittels Clarithromycin + Amoxicillin (alternativ Metronidazol) (Eradikationstherapie) und zwecks Säurereduktion mit
einem Protonenpumpeninhibitor (PPI, z. B. Omeprazol) behandelt. PPI sind insbesondere bei floriden Ulzera Mittel der Wahl, da sie den H2-Blockern,
Pirenzepin und Misoprostol deutlich überlegen
sind. Wichtige begleitende Allgemeinmaßnahmen
sind Nikotin- und Koffeinabstinenz und das Meiden ulzerogener Medikamente. Bei endoskopisch
nicht stillbaren Ulkusblutungen muss eine operative Therapie (z. B. Ulkusumstechung) erfolgen. Die
Vagotomie oder Hemigastrektomie spielen als
Therapieverfahren von Magenulcera heute keine
Rolle mehr.
Prognose: Die Therapie mit einem Protonenpumpeninhibitor, ggf. ergänzt durch eine Eradikationstherapie, führt zu einer Heilungsrate von nahezu
100%. Werden Risikofaktoren wie Rauchen und
Stress gemieden und war die Eradikationstherapie
im Falle einer Helicobacter-Infektion erfolgreich,
liegt das Risiko eines Rezidivulkus bei unter 2,5%
pro Jahr.
Fall 142 Hypothyreose
142.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Hypothyreose, da das TSH massiv erhöht ist,
was Ausdruck einer erheblichen Hypothyreose
ist. Die Zunahme des Körpergewichts und die
Hyperlipoproteinämie sind typische Symptome
der Hypothyreose.
쐽 sekundäre Hypothyreose (fehlende thyreotrope Stimulation, bei Hypophysenvorderlappeninsuffizienz): liegt hier nicht vor, TSH wäre
dann nicht messbar oder vermindert
쐽 tertiäre Hypothyreose: TSH-Mangel als Folge
eines TRH-Mangels.
142.2 Nennen Sie mindestens 4 Ursachen hierfür! Welche ist bei der Patientin die wahrscheinlichste Ursache?
쐽 Hashimoto-Thyreoiditis (chronische Autoimmunthyreopathie): am wahrscheinlichsten, da
in dieser Altersgruppe am häufigsten
쐽 iatrogene Hypothyreose: z. B. nach Einwirkung
ionisierender Strahlen, Medikamente (Thyreostatika, Lithium, Interferon-α), unzureichende
Substitution nach Strumektomie
쐽 kongenitale (angeborene) Hypothyreose:
Schilddrüsenaplasie oder- dysplasie und bei
endemischer Struma
142.3 Welche weiteren 5 Untersuchungen halten Sie für sinnvoll? Welche Befunde erwarten
Sie?
쐽 Konzentrationsbestimmung der freien und gebundenen peripheren Schilddrüsenhormone
(T3/T4): bei manifester Hypothyreose vermindert, bei latenter Hypothyreose normal
쐽 Bestimmung der Thyreoglobulin- (TAK) und
der mikrosomalen (anti-Peroxidase) Antikörper (MAK oder TPO-Antikörper): erhöht bei
Hashimoto-Thyreoiditis
쐽 Schilddrüsensonographie: kleine echoarme
Schilddrüse bei Hashimoto-Thyreoiditis, feh-
Fall 142 Seite 143
142
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Formen der chronischen Gastritis
Aufklärungsgespräch zur Gastroskopie
Zollinger-Ellison-Syndrom
379
Fall
Differenzialdiagnosen: Wichtige Differenzialdiagnosen des Oberbauchschmerzes wie eine Cholezystolithiasis, eine Pankreatitis oder ein Ileus sind
in dem hier beschriebenen Fall durch die im Rahmen des Klinikaufenthaltes erfolgte Diagnostik
(Sonographie, Labor, klinischer Befund) bereits
ausgeschlossen. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen sind das Magenkarzinom, eine akute oder
chronische Gastritis und ein Myokardinfarkt mit
atypischer Schmerzprojektion. Rezidivierende Ulzera nach erfolgreicher Therapie einer Helicobacter-pylori-Infektion und Ausschalten anderer
Risikofaktoren sollten an andere, seltenere UlkusUrsachen denken lassen, z. B. ein Zollinger-Ellison-
Syndrom (Abklärung durch Bestimmung des Serumgastrinspiegels nach Sekretinstimulation).
lende Darstellbarkeit der Schilddrüse bei
Schilddrüsenaplasie
쐽 Bestimmung des Nüchternblutzuckers wiederholen, ggf. oraler Glukosetoleranztest
쐽 Bestimmung von HDL- und LDL-Cholesterin.
142.5 Was unternehmen Sie wegen der erhöhten Blutfettwerte?
쐽 Ausreichende Therapie der Hypothyreose, dann
Kontrolle von Cholesterin und Triglyceriden
(erst dann ggf. Therapie mit Cholesterinsynthese-Hemmer).
142.4 Wie wird die Erkrankung behandelt?
쐽 Durch Substitution von Schilddrüsenhormon
(T4, Levothyroxin).
KO M M E N TA R
Als Hypothyreose bezeichnet man eine Unterfunktion bis hin zum Funktionsausfall der Schilddrüse
mit verminderten Schilddrüsenhormonspiegeln
im Blut.
380
Fall
142
Ätiologie: Die eindeutig häufigste Ursache einer
Hypothyreose bei erwachsenen Frauen ist eine
Schilddrüsenatrophie im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis (Autoimmunerkrankung). Diese Erkrankung ist mit einer Reihe anderer endokriner
und Autoimmunerkrankungen assoziiert, z. B. dem
Morbus Addison, dem Turner-Syndrom und der
rheumatoiden Arthritis. Zu weiteren Ursachen s.
Frage 142.2.
Antworten und Kommentar
Klinik: Typische klinische Beschwerden einer manifesten Hypothyreose (s. u.) sind Adynamie, ungewollte Gewichtszunahme, Kälteintoleranz, Haarausfall und Ödembildung. Im Rahmen manifester
Hypothyreosen werden als Folge der Schilddrüsenstoffwechselstörung sehr häufig Fettstoffwechselstörungen (vor allem Hypertriglyceridämie) beobachtet.
Diagnostik: Eine Erhöhung des basalen TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) ist der empfindlichste Marker zur Erkennung einer Hypothyreose
in der Routinelabordiagnostik. Ein Abfall des freien
T4 (fT4) um den Faktor 2 führt zu einem Anstieg des
TSH um den Faktor 100. Bei grenzwertig normalen
peripheren Schilddrüsenhormonen deutet ein erhöhtes basales TSH bereits auf eine Unterfunktion
der Schilddrüse hin (latente Hypothyreose). Bei ei-
ner deutlichen Erhöhung des TSH (wie im vorliegenden Fall) sind auch die peripheren Schilddrüsenhormone in der Regel vermindert. In diesem
Fall liegt dann eine manifeste Hypothyreose vor.
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist laborchemisch
durch den Nachweis von Thyreoglobulin-(TAK)
und mikrosomalen (anti-Peroxidase) Antikörpern
(MAK oder TPO-Antikörper) gekennzeichnet. Zum
Ausschluss einer Schilddrüsenaplasie sollte vor allem im Kindesalter immer eine Schilddrüsensonographie durchgeführt werden. Sonographisch
sieht man bei einer Hashimoto-Thyreoiditis eine
kleine echoarme Schilddrüse.
Therapie: Bei einer Hypothyreose wird lebenslang
T4 (Levothyroxin) substituiert. Die Dosis wird so
gewählt, dass der TSH-Wert stabil im Normbereich
liegt. Beklagt der Patient trotz ausreichend langer
und effektiver (TSH normal) Therapie weiterhin
Symptome im Sinne einer Hypothyreose, muss
nach alternativen Ursachen für die Beschwerdesymptomatik gesucht werden. Bei Fettstoffwechselstörungen (s. Klinik) sollte vor Einleitung einer
dauerhaften medikamentösen lipidsenkenden
Therapie zunächst der Effekt einer Therapie der
Hypothyreose abgewartet werden: Durch den Ausgleich der Hypothyreose wird nicht nur die Fettstoffwechselstörung direkt günstig beeinflusst,
sondern auch der Erfolg diätetischer Maßnahmen
begünstigt, da eine Gewichtsreduktion durch eine
euthyreote Stoffwechsellage erleichtert wird.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Hyperthyreose: Ursachen, Therapie
Struma nodosa
Endokrine Orbitopathie
Fall 142 Seite 143
Fall 143 Lebertumor
143.2 Welche diagnostischen Verfahren (mindestens 3) sind zur Abklärung einer Raumforderung der Leber hilfreich?
쐽 Sonographie (Farbduplex- oder Power-Doppler-Sonographie mit Kontrastmittel): ermöglicht eine Beurteilung der Vaskularisation des
Tumors
쐽 CT der Leber mit Kontrastmittel: ermöglicht
eine Differenzierung durch den Vergleich der
Dichtewerte
쐽 MRT der Leber
쐽 definitive Abklärung durch sonographisch gesteuerte Biopsie, laparoskopisch oder im Rahmen einer explorativen Laparotomie.
143.3 Welche Ursachen des hepatozellulären
Karzinoms kennen Sie und welche davon ist die
häufigste?
쐽 Leberzirrhose: bei über 80% der Patienten, somit am häufigsten; das Risiko ist bei chronischer Hepatitis B und C sowie Hämochromatose besonders hoch, bei Hepatitis D geringer.
쐽 Autoimmunhepatitis
쐽 toxische Leberschädigung durch Aflatoxin B1
(Toxin des Aspergillus flavus), Alkohol oder
Medikamente (z. B. Methotrexat).
KO M M E N TA R
Die häufigsten benignen soliden Raumforderungen der Leber sind das hepatozelluläre Adenom,
die fokal noduläre Hyperplasie und das Hämangiom.
durch Abgeschlagenheit, eine Hepatomegalie oder
Aszitesbildung. Neben der Aszitesbildung treten
oft auch andere Symptome einer Leberzirrhose
(Splenomegalie, Caput medusae) verstärkt auf.
Die häufigsten malignen Raumforderungen der
Leber sind Metastasen extrahepatischer Tumore
(vor allem Kolon-, Magen- und Bronchialkarzinom). Sie können solitär oder multipel auftreten.
Diagnostik: Die konventionelle Sonographie eignet sich gut zur Erkennung hepatischer Tumoren,
eine sichere Differenzierung zwischen benignen
und malignen Läsionen ist jedoch meist nicht möglich. Bessere Resultate sind – bei erfahrenen Untersuchern – mit der hochauflösenden Power-Doppler-Sonographie möglich, insbesondere bei Verwendung von Kontrastmittel, da die unterschiedliche Perfusion und Kontrastmittelaufnahme der
suspekten Areale differenzialdiagnostisch hilfreich
ist. Für eine ausreichend sichere Differenzierung
wird zusätzlich zur Sonographie die Anwendung
weiterer Techniken empfohlen: Die Computertomographie, die Kernspintomographie, die Blutpoolszintigraphie und die hepatobiliäre Sequenzszintigraphie können je nach Verdachtsdiagnose zur Klärung beitragen, wobei die Kernspintomographie in Verbindung mit dem Sonographie-
Häufigster maligner Primärtumor der Leber ist
das hepatozelluläre Karzinom (HCC). Es tritt in Europa jedoch deutlich seltener auf als in Asien oder
Afrika. Über 80% aller HCC entstehen auf dem Boden einer Leberzirrhose, insbesondere wenn dieser
eine chronische Virushepatitis zugrunde liegt. Zu
weiteren Ursachen des HCC s. Frage 143.3.
Klinik: Patienten mit gutartigen Raumforderungen
der Leber sind meist asymptomatisch. In der Regel
wird die Raumforderung als Zufallsbefund bei einer sonographischen oder computertomographischen Untersuchung aus anderer Indikation entdeckt. Maligne Lebertumoren äußern sich häufig
Fall 143 Seite 144
143
Antworten und Kommentar
143.4 Unter welchen Umständen tritt eine fokal noduläre Hyperplasie der Leber besonders
häufig auf?
쐽 Bei Einnahme östrogenhaltiger oraler Kontrazeptiva.
381
Fall
143.1 Nennen Sie jeweils mindestens 3 benigne, 3 maligne und 3 nichtneoplastische Raumforderungen in der Leber!
쐽 benigne Lebertumoren:
– hepatozelluläres Adenom
– fokal noduläre Hyperplasie
– Leberhämangiom
– intrahepatisches Gallengangszystadenom
– intrahepatische Gallengangspapillomatose
– Gallengangsadenom
쐽 maligne Lebertumoren:
– hepatozelluläres Karzinom
– Lebermetastasen (vor allem Karzinome im
Magen-Darm-Trakt, Bronchialkarzinom)
– cholangiozelluläres Karzinom (kein primärer Lebertumor)
– Angiosarkom der Leber
쐽 nichtneoplastische Raumforderungen:
– Leberzysten: angeboren – isoliert oder multipel (dann meist hereditär mit Zystennieren) – oder durch Besiedlung mit Fuchsoder Hundebandwurm erworben
– Leberhämatom: nach Trauma
– Leberabszess: durch Amöben oder pyogen
(aszendierend über die Pfortader bei entzündlichen Darmerkrankungen oder Cholangitis)
– nodöse Transformation bei einer Leberzirrhose.
befund in vielen Fällen zur Klärung der Befunde
ausreicht. Bei unklaren Befunden in der bildgebenden Diagnostik sowie bei einer Größenzunahme
sollte eine Biopsie zur histologischen Diagnosesicherung durchgeführt werden (cave: nicht bei
dringendem Verdacht auf ein HCC, s. Therapie!).
Das Alpha-Fetoprotein im Serum ist bei über 90%
aller Patienten mit einem HCC erhöht und somit
ein sensitiver und spezifischer Tumormarker. CT
und MRT ermöglichen eine Differenzierung gegenüber anderen Entitäten.
Therapie: Lässt sich der Verdacht auf ein HCC
durch die bildgebende Diagnostik erhärten, sollte
bei isolierten Tumoren oder solitären Metastasen
(bei kurativem Therapieansatz des Primärtumors)
eine Leberteilresektion erfolgen, da bei einer Feinnadelpunktion eines HCC die Gefahr einer Aussaat
382
Fall
144
von Tumorzellen im Punktionskanal besteht. Ist
der Patient aufgrund einer fortgeschrittenen oder
multilokulären Tumorausbreitung oder aufgrund
von Kontraindikationen (höhergradige Leberzirrhose) inoperabel, kann palliativ eine Chemotherapie oder eine Chemoembolisation durchgeführt
werden. Zur Vermeidung von Komplikationen (insbesondere Ruptur) sollten Leberadenome und sehr
große Hämangiome reseziert werden. Kleine Hämangiome und eine fokale noduläre Hyperplasie
werden nicht operiert, sondern sonograpisch kontrolliert.
Prognose: Die mittlere Überlebenszeit des nicht
operablen HCC (Mehrzahl der Fälle) beträgt 6 Monate. Benigne Lebertumoren haben eine günstige
Prognose.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Leberzirrhose
Tumoren mit Lebermetastasen
Aszitespunktion: praktisches Vorgehen, Indikation
Fall 144 Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT)
Antworten und Kommentar
144.1 Nennen Sie mindestens 6 Ursachen einer
Thrombozytopenie!
쐽 durch Antikörper gegen Thrombozyten gesteigerter Thrombozytenumsatz in der Peripherie:
– idiopathische thrombozytopenische Purpura
– sekundäre autoimmune Thrombozytopenie,
z. B. bei Felty-Syndrom oder SLE
– medikamentös induzierte Thrombozytopenie, z. B. Heparin-induzierte Thrombozytopenie
– Posttransfusionsthrombozytopenie
쐽 hämolytisch-urämisches Syndrom
쐽 Thrombozytenverbrauch, z. B. bei Verbrauchskoagulopathie
쐽 Thrombozytenzerstörung, z. B. an künstlichen
Herzklappen, bei Dialyse oder extrakorporaler
Zirkulation
쐽 Störung der Thrombopoese im Knochenmark
durch
– Knochenmarkschädigung (durch Medikamente, ionisierende Strahlung [Radiotherapie!], Infektionen)
– Verdrängung, z. B. bei Leukämien
– Reifungsstörung der Zellen der Thrombopoese, z. B. bei Myelodysplasie (Dysplasien
der Megakaryopoese) oder perniziöser Anämie (Megakaryozyten betroffen).
Fall 144 Seite 145
144.2 Was ist die wahrscheinlichste Ursache
der Thrombozytopenie bei diesem Patienten?
쐽 Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT).
144.3 Welche 2 Subtypen dieser Thrombozytopenie kennen Sie und welche Form liegt bei dem
Patienten vor? Begründen Sie Ihre Aussage!
쐽 HIT I (nichtimmunologischer Typ): tritt innerhalb der ersten 2 Tage nach Beginn der Heparintherapie auf. Die Thrombozytenzahl fällt
meist nicht unter 100 000/µl. Wahrscheinlich
liegt diese Form bei dem Patienten vor.
쐽 HIT II (immunologischer Typ): tritt in der Regel erst 6 Tage nach Beginn der Heparintherapie auf und verläuft deutlich schwerer mit raschem Absinken der Thrombozytenzahl auf
Werte deutlich unter 100 000/µl.
144.4 Was unternehmen Sie? Begründen Sie
Ihre Entscheidung für beide Subtypen!
쐽 HIT I: Da die Thrombozytenzahl typischerweise spontan wieder zunimmt, kann die Heparintherapie unter Kontrolle des Blutbildes und der
PTT weitergeführt werden und muss nicht unterbrochen werden.
쐽 HIT II: bei nachgewiesener (antithrombozytäre
Antikörper) oder wahrscheinlicher HIT II muss
die Heparintherapie sofort beendet werden.
Die Antikoagulation kann mit Heparinoid (Orgaran) oder rekombinantem Hirudin (z. B. Refludan) fortgeführt werden.
KO M M E N TA R
Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT),
d. h. das Absinken der Thrombozytenzahl im peripheren Blut auf Werte unter 150 000/µl unter Therapie mit Heparin, ist eine wichtige Nebenwirkung
der Heparintherapie, da die immunologische Form
der HIT (s. u.) u. U. lebensbedrohlich werden kann.
Einteilung: Man unterscheidet eine nichtimmunologische Form (HIT Typ I) und eine immunologische Form (HIT Typ II). Die HIT Typ I tritt bei bis
zu 10% aller mit unfraktioniertem Heparin und bei
ca. 2% aller mit fraktioniertem (niedermolekularem) Heparin behandelten Patienten auf. Die HIT
Typ II ist wesentlich seltener als die HIT Typ I: Sie
wird bei bis zu 3% aller mit unfraktioniertem Heparin und weniger als 1% aller mit fraktioniertem Heparin behandelten Patienten beobachtet.
Differenzialdiagnosen: s. Frage 144.1. Ein wesentliches Kriterium zur Abgrenzung ist die Anamnese
(Grunderkrankung, Infekt, Einnahme anderer Medikamente?).
Therapie: Bei der HIT Typ I ist es in der Regel nicht
erforderlich, die Heparintherapie auf wesentlich
teurere Ersatzpräparate (s. u.) umzustellen. Bei begründetem V. a. HIT Typ II muss die Heparintherapie jedoch sofort beendet und die Antikoagulation
sowie ggf. die Therapie einer Thrombembolie mit
Heparinanaloga wie Heparinoid (Orgaran) oder rekombinantem Hirudin (z. B. Refludan) fortgeführt
werden. Wird sie nicht beendet, kann die Thrombozytenzahl weiter sinken.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Praktisches Vorgehen bei einer Heparintherapie: Dosierungen, Indikationen,
Komplikationen, Überwachung
Arterielle Embolien
Diagnose der Lungenembolie
Fall 145 Morbus Crohn
145.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Führen Sie auf, welche Angaben oder Befunde für
die Verdachtsdiagnose bzw. gegen andere Differenzialdiagnosen sprechen!
쐽 Verdachtsdiagnose: Morbus Crohn
쐽 Für eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa)
sprechen Charakter und Lokalisation der Unterbauchbeschwerden, die Diarrhöen, die sero-
logischen Entzündungszeichen, die entzündlichen Veränderungen in Magen und Darm und
die Gelenkbeteiligung.
– Dabei sprechen für einen Morbus Crohn der
Befall des Magens, die diskontinuierliche
Ausbreitung der Entzündung im Kolon und
die perianale Fistel sowie die segmentalen
Stenosen.
Fall 145 Seite 146
383
145
Antworten und Kommentar
Die HIT Typ II wird durch Autoantikörper gegen
den Plättchenfaktor 4 an der Zelloberfläche der
Thrombozyten verursacht. Die antikörperbeladenen Zellen werden vermehrt abgebaut und es
kommt zur Entwicklung einer Thrombozytopenie.
Das Ausmaß der Thrombozytopenie ist unabhän-
Diagnostik: Ergeben sich aus der Anamnese keine
Anhaltspunkte für eine zu einer Thrombozytopenie prädisponierenden Grunderkrankung und besteht ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang des Auftretens der Thrombopenie mit dem
Beginn der Heparintherapie, ist eine HIT sehr
wahrscheinlich. Die Verdachtsdiagnose HIT II sollte durch Bestimmung der Heparin-induzierten
antithrombozytären Antikörper gesichert werden.
Fall
Ätiologie, Pathogenese und Klinik: Die HIT Typ I
tritt typischerweise innerhalb von 48 Stunden
nach Beginn der Heparintherapie auf. Ursache der
HIT I ist eine Hemmung des Enzyms Adenylatzyklase. Der Schweregrad der Thrombozytopenie
hängt direkt von der applizierten Heparindosis ab.
Eine Abnahme der Thrombozytenzahl unter
100 000/µl ist selten. Typische Symptome einer
Thrombopenie (z. B. Purpura) treten aufgrund des
geringen Thrombozytenabfalls meist nicht auf. Gewöhnlich steigt die Thrombozytenzahl nach wenigen Tagen wieder bis in den Normbereich an, auch
wenn die Heparintherapie fortgesetzt wird.
gig von der Heparindosis. Typischerweise kommt
es 5 – 15 Tage nach dem Beginn der Heparintherapie zu einem Absinken der Thrombozyten auf Werte deutlich unter 100 000/µl oder weniger als 50%
des Ausgangswertes, wobei die Thrombozytenzahl
nur selten auf Werte unter 50 000/µl sinkt. Bei etwa 20% der Patienten treten dann (meist bei einer
Thrombozytenzahl unter 50 000/µl), trotz adäquat
verlängerter PTT, z. T. multiple potenziell lebensbedrohlich verlaufende arterielle und venöse Thrombosen auf.
384
Fall
145
– Bei einer Colitis ulcerosa würde man hinge쐽 immunsuppressive Therapie:
gen folgende Befunde erwarten: ausschließ– 5-Aminosalicylsäure (5-ASA): Langzeittheralicher Dickdarmbefall (ggf. mit terminaler
pie, ausschließlich bei Kolonbefall wirksam
– Azathioprin: bei schweren Verläufen mit
Ileitis), kontinuierliche Ausbreitung der EntDünndarmbefall
zündung im Darm, keine segmentalen Ste– Glukokortikoide, systemisch (z. B. Prednisonosen, im Röntgen Haustrenschwund, keine
lon) und/oder topisch (z. B. BudesonidFisteln.
schaum): in Abhängigkeit von der Krank쐽 Gegen eine bakterielle Enteritis spricht die lanheitsaktivität
ge Dauer der Beschwerden.
– Infliximab (Anti-TNF-α-Antikörper): bei
쐽 Gegen andere Darmerkrankungen (ischämischweren Verläufen (Entzündungsschub),
sche oder kollagene Kolitis, Tumor, Polyp, Morvor allem bei Fisteln
bus Whipple, Divertikulitis) spricht der Endo– operative Therapie bei Komplikationen.
skopiebefund.
쐽 Gegen eine Appendizitis (von der Klinik her
!!! 145.3 Was sind die Hauptursachen der Anämie
passend) sprechen der Z. n. Appendektomie
bei der vermuteten Erkrankung? Was ist bei der
und die Dauer der Beschwerden.
Therapie der Anämie zu beachten?
쐽 Gegen eine Meckel-Divertikulitis spricht der
쐽 Hauptursachen: Eisenmangel durch Resorptiendoskopische Befund (keine entzündeten
onsstörung und Entzündung
Meckel-Divertikel).
쐽 Therapie: Eisen sollte bei schwerem Befall par145.2 Welche Therapieverfahren kennen Sie?
enteral verabreicht werden, da enteral verab쐽 Ernährungstherapie: Elementardiäten (Nährreichtes Eisen bei aktiver Entzündung des Gasstoffe angereichert) oder parenterale Ernähtrointestinaltraktes nur unzureichend aufgerung bei ausgeprägter Malabsorption, Kachexie
nommen wird.
oder im akuten Schub
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Der Morbus Crohn gehört wie die Colitis ulcerosa
zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.
Ätiologie: Wie bei der Colitis ulcerosa unbekannt,
zahlreiche Befunde sprechen aber für Autoimmunmechanismen, welche die Krankheitsaktivität unterhalten. Aktuelle Untersuchungen weisen auf einen genetischen Hintergrund hin (Variationen im
NOD2-Gen).
Klinik und Differenzialdiagnosen: Der Morbus
Crohn verläuft meist schubweise, selten in Form einer chronisch-kontinuierlichen Entzündung. Leitsymptome des Morbus Crohn sind nichtblutige Diarrhöen und krampfartige Schmerzen im rechten
Unterbauch, die bei erst kurzer Beschwerdedauer
leicht mit einer Appendizitis verwechselt werden
können, insbesondere wenn Fieber auftritt. Im Vergleich zu vielen anderen mikrobiell bedingten und
tumorösen Darmerkrankungen sind bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen extraintestinale Manifestationen besonders häufig. Eine
Gelenkbeteiligung, typischerweise in Form einer
asymmetrischen Oligoarthritis, tritt bei etwa 20%
aller Patienten mit einem Morbus Crohn auf. Ebenfalls typisch sind okuläre Manifestationen (Episkleritis, Iridozyklitis) und eine Hautbeteiligung
(Pyoderma gangraenosum: chronische Hautulzera, vor allem an der unteren Extremität). Seltener
als bei der Colitis ulcerosa tritt der Morbus Crohn
gemeinsam mit einer primär-sklerosierenden
Cholangitis auf. Eine typische Manifestation sind
Fisteln an verschiedenen Stellen des Gastrointesti-
Fall 145 Seite 146
naltraktes (z. B. perianal, entero-enteral, enterovesikal). Solche Fisteln sowie Abszesse werden bei
bis zu 50% aller Patienten beobachtet und stellen
ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Colitis ulcerosa dar, für die Fisteln untypisch sind (s. auch Frage 145.1).
Der Schweregrad der Erkrankung lässt sich anhand
des Aktivitätsindex nach Best abschätzen
(Tab. 145.1).
Diagnostik: Die Diagnose eines Morbus Crohn ergibt sich aus dem typischen endoskopischen (s.
Fall) und radiologischen Bild (diskontinuierlicher
Befall, Pflastersteinrelief durch die tiefen längsgestellten Ulzerationen und die umgebenden ödematösen Schleimhautareale [Abb. 145.1], segmentale
Stenosen), dem histologischen Befund (transmurale entzündliche Infiltrate, häufig Granulome; bei
Colitis ulcerosa nicht transmural, keine Granulome) sowie dem passenden klinischen Bild. Zur Erfassung einer Manifestation im oberen Verdauungstrakt sollten bei Erstdiagnostik immer eine
Ösophagogastroduodenoskopie und eine RöntgenDopplerkontrastuntersuchung des Dünndarms
durchgeführt werden. Die Labordiagnostik zeigt
meist eine Erhöhung der Entzündungsparameter
(BSG, CRP).
Therapie: Sie hängt von der Lokalisation und der
Aktivität der Entzündung ab (s. Frage 145.2).
Die operative Therapie ist vor allem der Behandlung von Komplikationen (z. B. segmentale Stenosen) vorbehalten, da aufgrund des diskontinuierli-
Tab. 145.1 Bestimmung des Aktivitätsindex des Morbus Crohn (CDAI nach Best) (Hahn
2000)
Parameter
Multiplikationsfaktor
Stuhlfrequenz: Anzahl der Stühle in der letzten Woche
2
Grad der Bauchschmerzen (Wochenbericht des Pat., Summe der 7
Tageswerte): 0 = keine, 1 = leicht, 2 = mäßig, 3 = stark
5
Allgemeinbefinden (Wochenbericht, Summe der Tageswerte): 0 = gut,
1 = mäßig, 2 = schlecht, 3 = sehr schlecht, 4 = unerträglich
7
Andere Symptome: Iridozyklitis/Uveitis, Erythema nodosum, Pyoderma 20
(je Symptom)
gangr., Stomatitis aphthosa, Arthralgien, Analfissur, -fisteln, -abszesse,
Temp. ⬎ 37,5 ⬚C in der letzten Woche
Symptomatische Durchfallbehandlung: nein = 0, ja = 1
30
Resistenz im Abdomen: nein = 0, fraglich = 2, sicher = 5
10
Hämatokrit: Subtraktion bei Frauen von 42, bei Männern von 47
6
Körpergewicht: (1–(Gewicht/Standardgewicht)) ⫻ 100
1
385
Aktivitätsindex = Summe (Parameterwerte ⫻ Multiplikationsfaktor)
Prognose: Der Morbus Crohn ist eine chronische
Erkrankung, die eine oft lebenslange immunsuppressive Therapie erfordert.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Colitis ulcerosa
Kollagene Kolitis
Pseudomembranöse Kolitis
Fall 145 Seite 146
145
Antworten und Kommentar
Abb. 145.1 Kolonkontrasteinlauf in Doppelkontrasttechnik bei Morbus Crohn: Befall des Darms vom Rektosigmoid bis zur linken Flexur. Man erkennt eine langstreckige Stenose mit Pflastersteinrelief.
Neben der immunsuppressiven und operativen
Therapie sind zusätzliche supportive Maßnahmen bedeutsam: Bei der Behandlung einer Anämie im Rahmen eines Morbus Crohn ist zu beachten, dass diese häufig als Folge einer Eisenmangelanämie auftritt. Durch eine Eisenresorptionsstörung im Entzündungsschub ist eine enterale Eisengabe oft unzureichend, so dass dreiwertiges Eisen
(z. B. Eisenglukonat) vorübergehend parenteral
appliziert werden muss, um die Eisenspeicher aufzufüllen und einen Anstieg des Hämoglobinwertes
zu ermöglichen. Trotz der Risiken einer parenteralen Eisengabe (lokale Reaktion bei paravasaler Injektion, Herzrhythmusstörungen), kann durch die
effektive Behandlung einer Anämie das Wohlbefinden von Morbus-Crohn-Patienten oft deutlich
verbessert werden.
Fall
chen Befalls und der Möglichkeit einer Ausbreitung auf den gesamten Gastrointestinaltrakt die
Erkrankung auch nach Entfernung eines Darmabschnitts in anderen Teilen des Gastrointestinaltraktes fortbesteht und durch den operativen Eingriff nicht geheilt wird.
Fall 146 Exogen allergische Alveolitis
146.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Welche Differenzialdiagnosen sind denkbar?
쐽 Verdachtsdiagnose: exogen allergische Alveolitis – „Farmerlunge“. Begründung: Die beidseitige interstitielle Infiltration (Milchglasinfiltrate) sowie die restriktive Ventilationsstörung
deuten auf einen interstitiellen Lungengerüstprozess hin, wobei die Berufsanamnese des Patienten an eine exogen-allergische Alveolitis
denken lässt.
쐽 Differenzialdiagnosen:
– Alveolitis anderer Genese (z. B. bei einer Kollagenose)
– Pneumonie
– toxisches Lungenödem
– idiopathische Lungenfibrose.
386
Fall
146
146.2 Nennen Sie 2 Untersuchungen, die zur
Sicherung der Diagnose beitragen und nennen
Sie das zu erwartende Ergebnis!
쐽 Suche nach präzipitierenden Antikörpern (IgG)
im Serum gegen Aktinomyzeten und andere
verdächtige Antigene
쐽 bronchoalveoläre Lavage (BAL):
– im Akutstadium: neutrophile Alveolitis
– im subakuten und chronischen Stadium typischerweise CD8-Alveolitis mit Lymphozytose
und einem CD4/CD8-Quotienten von ⬍ 1,0.
146.3 Wie beraten Sie den Patienten bezüglich
Therapie und Prognose der Erkrankung?
쐽 Im Akutstadium sind kurzfristig Glukokortikoide systemisch erforderlich.
쐽 Am wichtigsten ist die Vermeidung des Antigens, im Falle des Patienten also
– Maßnahmen zur Vermeidung von Schimmelbildung
– Kontakt mit Heu meiden, Heuarbeiten durch
andere erledigen lassen, falls dies nicht
möglich ist, Atemschutzmaske tragen.
쐽 Die Prognose im Akutstadium (reine Alveolitis,
keine Fibrose) ist günstig: Bei Allergenkarenz
kommt es in der Regel zu einer raschen Rückbildung der Alveolitis.
쐽 Bei manifester Lungenfibrose ist die Prognose
abhängig vom Schweregrad der Lungenfibrose,
da diese irreversibel ist.
KO M M E N TA R
Antworten und Kommentar
Die exogen allergische Alveolitis ist eine interstitielle Lungenerkrankung infolge einer allergischen
Reaktion auf organische Stäube.
Ätiologie und Pathogenese: Durch Inhalation verschiedener im Staub enthaltener organischer Antigene kommt es zu einer allergischen Reaktion
(meist Typ II, seltener Typ I oder IV) mit Ausbildung
einer Alveolitis. Typische Auslöser einer exogen allergischen Alveolitis sind mikrobielle Antigene
wie Aktinomyzeten (in schimmeligem Heu 씮 „Farmerlunge“) und Bacillus cereus („Befeuchterlunge“), aber auch tierische Antigene („Vogelhalterlunge“), Chemikalien (Isocyanat-Alveolitis) und
Medikamente (z. B. Methotrexat).
Klinik: Die exogen allergische Alveolitis kann sich
als akutes Krankheitsbild manifestieren – mit Husten, Fieber und Dyspnö wenige Stunden nach Antigenexposition – oder subakut verlaufen. Bei chronischen Verläufen ist eine langsame Progredienz
der Beschwerden typisch.
Diagnostik: Wichtig sind die Berufsanamnese (s.
Ätiologie), der Röntgen-Thorax und die Lungenfunktionsanalyse (s. Frage 146.1). Die Blutgasanalyse zeigt häufig eine respiratorische Partialinsuffizienz (pO2 erniedrigt, pCO2 erniedrigt). Bei der differenzialdiagnostischen Einordnung einer Alveolitis unklarer Ätiologie kann die bronchoalveoläre
Lavage (BAL) wichtige Hinweise liefern. Ist die bakteriologische Untersuchung der BAL-Flüssigkeit
negativ und somit eine infektiöse Genese unwahr-
Fall 146 Seite 147
scheinlich, ist eine immunologische Genese der Alveolitis anzunehmen. Im akuten Schub der exogen
allergischen Alveolitis zeigt die BAL meist eine
neutrophile Alveolitis, ein Befund, der auch bei anderen aktiven interstitiellen Lungenerkrankungen
gefunden wird, z. B. bei der idiopathischen Lungenfibrose oder der Sklerodermie. Im chronischen Stadium liegt meist eine lymphozytäre Alveolitis vor
mit deutlicher Dominanz der CD8-positiven TSuppressorzellen (CD8-Alveolitis). Typischer Befund der Lymphozytensubtypisierung der BALFlüssigkeit ist daher ein CD4/CD8-Verhältnis von
⬍ 1,0 (normal 2,0). Weiter gesichert werden kann
die Diagnose einer exogen allergischen Alveolitis
durch den Nachweis von präzipitierenden Antikörpern der Subklasse IgG gegen das verdächtige
Antigen.
Differenzialdiagnosen: s. Frage 146.1.
Therapie: s. Frage 146.3.
Prognose: Die Prognose der akuten exogen allergischen Alveolitis ist günstig, da sich die pulmonalen
Veränderungen unter Allergenkarenz meist nach
kurzer Zeit zurückbilden, so dass eine langfristige
medikamentöse Therapie nicht erforderlich ist. Eine Lungenfibrose als Folge einer chronischen Alveolitis dagegen ist irreversibel. Eine fortgeschrittene Lungenfibrose kann die Entwicklung eines
Cor pulmonale begünstigen, welches die Prognose
deutlich verschlechtert.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Idiopathische interstitielle Lungenerkrankungen/Pneumonien (IIP)
Sarkoidose
Atypische Pneumonien
Fall 147 Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)
147.1 Welche Erkrankung müssen Sie bei dieser Symptom- und Befundkonstellation ausschließen?
쐽 Einen primären Hyperaldosteronismus (ConnSyndrom). Richtungsweisend ist der klinische
Leitbefund einer hypokaliämischen Hypertonie.
147.2 Anhand welcher 2 Laborparameter kann
die Diagnose gestellt werden?
쐽 Aldosteron ist erhöht, Renin ist erniedrigt (im
Gegensatz zum sekundären Hyperaldosteronismus: Hier ist Renin stark erhöht).
KO M M E N TA R
Als primären Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) bezeichnet man eine erhöhte Aldosteronproduktion und -sekretion der Nebennierenrinde,
die nicht auf einer Stimulation des Renin-Angiotensin-Systems beruht.
Ätiologie: Ursache einer vermehrten Aldosteronproduktion in der Nebenniere kann ein aldosteronproduzierendes Adenom der NNR, eine beidseitige NNR-Hyperplasie oder eine Stoffwechelstörung (Dexamethason-supprimierbarer Hyperaldosteronismus) sein.
Klinik und Diagnostik: s. Frage 147.3. Die hypokaliämische Hypertonie ist das klassische Leitsymptom des primären Hyperaldosteronismus und sollte immer Anlass zur Bestimmung von Renin und
Aldosteron i. S. geben: Die Bestimmung von Aldosteron kann Hinweise auf einen Hyperaldosteronismus geben, die Bestimmung des Renins ermöglicht
die Differenzierung zwischen der primären und
der sekundären Form (s. Differenzialdiagnose).
Beim primären Hyperaldosteronismus ist das Renin vermindert, da es durch die autonome Aldosteronproduktion supprimiert wird. Bei einem aldosteronproduzierenden NNR-Adenom ist die Aldosteronproduktion autonom und fixiert, so dass
bei Eingriffen in den Regelkreis, z. B. durch Orthostase oder Gabe von Captopril, die Aldosteronproduktion nicht beeinflusst wird. Im Gegensatz dazu
ist der Hyperaldosteronismus als Folge einer bilateralen NNR-Hyperplasie regulierbar, so dass das
Aldosteron unter Orthostase ansteigt und nach
Captoprilgabe abfällt. Bei unklaren Fällen (Funktionstests grenzwertig, kein Adenomnachweis in CT
oder MRT) sollte eine selektive Katheterisierung
der Nebennierenvenen durchgeführt werden. Die
Unterscheidung der 3 Formen des primären Hyperaldosteronismus ist von erheblicher klinischer
Fall 147 Seite 148
147
Antworten und Kommentar
147.4 Nennen Sie mindestens 2 mögliche Therapieverfahren!
쐽 chirurgische Therapie: Exstirpation eines unilateralen Adenoms
쐽 medikamentöse Therapie:
– Spironolacton: bei bilateraler Hyperplasie
oder Patienten mit hohem OP-Risiko bei
NNR-Adenom
– Dexamethason: bei Dexamethason-supprimierbarem Hyperaldosteronismus.
387
Fall
147.3 Welche 3 Formen der primären Variante
dieser Erkrankung gibt es und mit welchen Tests
können diese unterschieden werden?
쐽 aldosteronproduzierendes Adenom der Nebennierenrinde (NNR):
– Orthostasetest: fixierter Hyperaldosteronismus – kein Anstieg des Aldosterons nach
Aufstehen nach nächtlichem Liegen
– Nachweis eines NNR-Adenoms durch bildgebende Verfahren (CT, MRT)
– selektive Katheterisierung: Bestimmung von
Aldosteron und Renin im Nebennierenvenenblut – bei Adenom Seitendifferenz
쐽 bilaterale NNR-Hyperplasie:
– Orthostasetest oder Captopriltest: regulierbarer Hyperaldosteronismus – Anstieg des
Aldosterons nach dem Aufstehen am Morgen bzw. Abfall des Aldosterons nach Applikation des ACE-Hemmers Captopril
– selektive Katheterisierung: Bestimmung von
Aldosteron und Renin im Nebennierenvenenblut – keine Seitendifferenz
쐽 Dexamethason-supprimierbarer Hyperaldosteronismus: erhöhtes Aldosteron, aber auch
erhöhtes 18-Hydroxykortikosteron, 18-Hydroxykortisol und 18-Oxokortisol; nach Therapie
mit Dexamethason normalisieren sich Blutdruck und Aldosteronproduktion.
Relevanz, da sich das therapeutische Vorgehen
deutlich unterscheidet.
Differenzialdiagnosen: Bei einem sekundären
Hyperaldosteronismus ist die Reninproduktion
erhöht. Mögliche Ursachen sind z. B. eine Therapie
mit Diuretika (Anamnese!), eine Herzinsuffizienz
(Klinik!) oder eine Nierenarterienstenose (Doppler-Sonographie!).
Therapie: Nach Vorbehandlung mit dem Aldosteronantagonisten Spironolacton sollten bei einem
primären Hyperaldosteronismus alle NNR-Adenome operativ entfernt werden (einseitige Adrenalektomie). Bei einer bilateralen NNR-Hyperplasie
muss eine medikamentöse Langzeittherapie mit
Spironolacton (100 – 200 mg/d p.o) erfolgen.
Prognose: Bei adäquater Therapie ist die Prognose
in der Regel gut, da die Hypertonie kausal behandelt werden kann.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Cushing-Syndrom
Nebennierenrindeninsuffizienz
Phäochromozytom
Fall 148 Candida-Sepsis
388
Fall
148
Antworten und Kommentar
148.1 Nennen Sie die 2 wichtigsten Gründe für
die Entwicklung einer Candidiasis und führen
Sie Beispiele an!
쐽 Verschiebung und/oder Eliminierung der
Darmflora durch eine antibiotische Therapie
쐽 Beeinträchtigung der Infektabwehr:
– Agranulozytose, Neutropenie (z. B. im Rahmen von hämatologischen Neoplasien, nach
Chemotherapie)
– Immundefektsyndrome, AIDS
– Niereninsuffizienz
– Diabetes mellitus
– Kortikosteroidtherapie.
148.2 Nennen Sie 2 weitere systemisch verlaufende Pilzinfektionen!
쐽 Kryptokokkose
쐽 Aspergillose.
148.3 Was ist die häufigste Manifestation einer
Candida-Infektion?
쐽 Soor: weiße, fleckige Beläge auf geröteter
Mund- und Rachenschleimhaut.
148.4 Wie sollte die Therapie des Patienten ergänzt werden?
쐽 Durch ein Antimykotikum: Fluconazol oder –
bei Neutropenie – Amphotericin B.
148.5 Halten Sie bei dem Patienten eine Untersuchung der Augen für sinnvoll, wenn ja, welche
Untersuchung? Welchen Befund erwarten Sie?
쐽 Spiegelung des Augenhintergrundes zum Ausschluss eines Augenbefalls
쐽 Befund: Cotton-wool-Herde. Cotton-wool-Herde sind gelblich oder weißlich schimmernde,
unscharf begrenzte Herde und Folge eines
Ödems in der Nervenfaserschicht, also unspezifisch (kommen z. B. auch bei diabetischer Retinopathie, Retinopathie bei HIV, Zentralvenenverschluss vor).
KO M M E N TA R
Eine Candida-Sepsis ist eine massive, systemische
Entzündungsreaktion infolge der Zirkulation von
Candida albicans im Blut.
Ätiologie und Pathogenese: Der Hefepilz Candida
albicans zählt zu den opportunistischen Krankheitserregern und besiedelt bei einem Teil der gesunden Bevölkerung verschiedene Bereiche des
Organismus, ohne dass klinische Symptome auftreten. Bei Gesunden ist Candida albicans u. a. im
Stuhlgang, auf den Schleimhäuten von Mund und
Rachen oder auf der Vaginalschleimhaut nachweisbar. Eine klinisch relevante Candida-Infektion
tritt erst auf, wenn sich der Pilz ungehindert ausbreiten kann. Ursache hierfür kann eine Verschie-
Fall 148 Seite 149
bung oder Verminderung der natürlichen Bakterienflora (z. B. im Darm) als Folge einer intensiven
antibiotischen Therapie sein (wie bei dem beschriebenen Patienten). Eine massive Vermehrung
von Candida im Darm kann eine Durchwanderung
der Darmwand zur Folge haben. Dies begünstigt
dann eine hämatogene Streuung und kann zu einer
Candida-Sepsis führen. Ein weiterer Grund für eine
Ausbreitung von Candida ist eine Immundefizienz, z. B. im Rahmen einer Leukämie, eines Lymphoms, einer immunsuppressiven Therapie mit
Zytostatika, Glukokortikoiden oder eines Diabetes
mellitus. Besonders häufig ist eine Candida-Infektion bei Patienten mit HIV-Infektion, jedoch zählt
nur die Candida-Ösophagitis, nicht die oropharyngeale Besiedlung durch Candida zu den AIDS-definierenden Erkrankungen. Kommen wie bei dem
beschriebenen Patienten mehrere Risikofaktoren
zusammen (Antibiotikatherapie + Diabetes mellitus + COPD), besteht die Gefahr einer Candida-Sepsis. Als Folge der hämatogenen Streuung können
verschiedene Organe befallen werden.
Klinik: Die klinische Symptomatik der CandidaSepsis ist uncharakteristisch und entspricht der
der bakteriellen Sepsis: Fieber, Tachykardie, Hypotonie, bei Candida-Pneumonie Husten und Dyspnö.
Therapie: Als Therapie der Wahl bei lebensbedrohlichen Candida-Infektionen gilt Amphotericin B.
Allerdings ist eine Therapie mit Amphotericin B
aufgrund der häufigen Nebenwirkungen (vor allem
Nephrotoxizität) nicht unproblematisch. Kürzlich
wurde liposomales Amphotericin B in die Therapie der schweren Candida-Infektion eingeführt,
welches bei besserer Verträglichkeit möglicherweise auch stärker wirksam ist. Aufgrund der immensen Kosten der Substanz bleibt liposomales
Amphotericin B jedoch vorerst Einzelfällen vorbehalten, die auf Amphotericin B nicht ausreichend
ansprechen oder es wegen Nebenwirkungen nicht
tolerieren. Als deutlich günstigere und meist gut
verträgliche Alternative bei ähnlicher Wirksamkeit
wird zunehmend Fluconazol als Therapie der ersten Wahl empfohlen. Lediglich bei einer Neutropenie sollte die Therapie immer mit Amphotericin B
begonnen werden.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Therapie der Sepsis
Verbrauchskoagulopathie
Aspergillose
Fall 149 Wegener-Granulomatose (Morbus Wegener)
149.1 Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
쐽 Wegener-Granulomatose (Morbus Wegener),
da der Patient die klassische Symptom- bzw.
Befund-Trias dieser Erkrankung aufweist: blutiger Schnupfen mit Borken infolge einer chronischen granulomatösen Entzündung des oberen Respirationstraktes, Husten und Lungenrundherde (Granulome) sowie eine sterile Erythrozyturie mit Proteinurie und Knöchelödemen infolge einer Glomerulonephritis. Die Rötung der Sklera spricht für eine Episkleritis, das
schmerzhafte feinfleckige Exanthem (Purpura)
für eine Vaskulitis der kleinen Hautgefäße.
Diese Befunde sind, wie auch die Arthritis
(schmerzhafte Gelenkschwellungen!), typische
Organmanifestationen der Wegener-Granulomatose.
149.2 Welche 2 serologischen Tests machen im
Falle eines positiven Resultats die Diagnose sehr
wahrscheinlich?
쐽 Die immunfluoreszenzmikroskopische Untersuchung von mit Patientenserum inkubierten
Ethanol-fixierten Granulozyten: Der Nachweis
antineutrophiler zytoplasmatischer Antikörper
(ANCA) im Zytoplasma der Granulozyten (anhand des Fluoreszenzmusters) macht die Diagnose sehr wahrscheinlich, insbesondere wenn
sich gleichzeitig anti-Proteinase-3-Antikörper
nachweisen lassen.
쐽 ELISA zwecks Suche nach anti-Proteinase-3Antikörpern im Patientenserum.
Fall 149 Seite 150
149
Antworten und Kommentar
Prognose: Die Mortalität der Candida-Sepsis ist
hoch (je nach untersuchtem Kollektiv über 50%),
da die Erkrankung meist bei immunsupprimierten
Patienten (z. B. nach Chemotherapie) oder Patienten mit konsumierenden Begleiterkrankungen
(Tumorleiden) auftritt.
389
Fall
Diagnostik: Einen Befall des Auges erkannt man,
bei Ausschluss anderer Ursachen, anhand der Cotton-wool-Herde (s. Frage 148.5) am Augenhintergrund. Die Spiegelung des Augenhintergrundes
ist deshalb bei vermuteter oder gesicherter systemischer Candidiasis unbedingt erforderlich. Ein
Befall der Niere kann durch eine gezielte Urinuntersuchung erkannt werden. Eine Candida-Pneumonie zeigt sich im Röntgenbild des Thorax in
Form fleckiger Infiltrationen mit diffuser Verteilung und kann durch einen Nachweis der Pilze in
der Bronchiallavage-Flüssigkeit gesichert werden.
Ein Nachweis von Candida im Sputum ist hingegen
wegen der häufigen oropharyngealen Besiedlung
nicht aussagekräftig. Um eine akute Candida-Infektion serologisch diagnostizieren zu können,
muss ein Anstieg der Candida-Antikörper um
mindestens 4 Titerstufen vorliegen und/oder müs-
sen IgM-Antikörper nachweisbar sein. Unter einer
immunsuppressiven Therapie kann die Antikörperbildung hingegen vermindert sein, so dass ein
negativer Befund eine Candida-Infektion nicht
ausschließt.
149.3 Nennen Sie mindestens 3 diagnostische
Maßnahmen, die zur Diagnosesicherung und Erfassung der Krankheitsausdehnung wichtig
sind!
쐽 histologische Untersuchung (Nasenschleimhautbiopsie, Hautbiopsie, Lungenbiopsie, evtl.
Nierenbiopsie)
쐽 Überprüfung der Nierenfunktion: Kreatinin,
Urinsediment (dysmorphe Erythrozyten), Bestimmung der Proteinkonzentration im Urin
쐽 Röntgen-Thorax, Thorax-CT, Bronchoskopie
쐽 neurologische Untersuchung, kranielle Kernspintomographie (Abb. 149.1).
149.4 Wie wird die Erkrankung üblicherweise
behandelt?
쐽 Glukokortikoide in Kombination mit Immunsuppressiva, bei hoher Krankheitsaktivität initial meist Cyclophosphamid.
Abb. 149.1 Kranielles Kernspintomogramm (axial, T2gewichtet, Spinecho-Sequenz) bei Wegener-Granulomatose: Multiple Läsionen in der weißen Substanz subkortikal beidseits als Hinweis auf ZNS-Beteiligung
390
KO M M E N TA R
Fall
149
Die Wegener-Granulomatose (Morbus Wegener)
ist eine systemische nekrotisierende Vaskulitis vor
allem kleiner Gefäße. Sie tritt bevorzugt in der
4. Lebensdekade auf.
Antworten und Kommentar
Ätiologie und Pathogenese: Die Ursache ist unbekannt. Man vermutet, dass die Betroffenen die Serinprotease Proteinase-3, die sich in NeutrophilenGranula befindet, im Rahmen einer Infektion auf
der Zelloberfläche überexprimieren, so dass das
Enzym zum Zielantigen wird. Nach dieser Hypothese aktiviert die Reaktion der Autoantikörper mit
dem Antigen die Granulozyten und löst so die nekrotisierende Vaskulitis aus.
Klinik: Die Wegener-Granulomatose verläuft in
2 Stadien:
쐽 Initialstadium („Granulomstadium“) mit lokal
begrenzter Erkrankung: Symptome treten insbesondere am Kopf (Rhinitis [s. Frage 149.1],
Sinusitis, Otitis, Ulzerationen an der Mund- und
Rachenschleimhaut) und an den Atemwegen
auf (Husten, Stridor [Folge einer subglottischen
Larynx- oder einer Bronchialstenose])
쐽 Generalisationsstadium (generalisierte Vaskulitis): Zusätzlich zu den Organmanifestationen
des Initialstadiums finden sich Allgemeinsymptome (Fieber, alveoläre Hämorrhagie bei
Kapillaritis), Nachtschweiß, Gewichtsverlust)
und ein pulmorenales Syndrom, das durch Hämoptysen und eine rapid-progressive Glomerulonephritis charakterisiert ist. Außerdem
können eine Arthritis, Myositis, Polyneuropathie und neurologische Defizite infolge zerebraler Durchblutungsstörungen bei ZNS-Vaskulitis (s. Abb. 149.1) auftreten. Dieses Stadium liegt
Fall 149 Seite 150
bei dem im Fallbeispiel beschriebenen Patienten vor.
Diagnostik: Die Wegener-Granulomatose zählt zu
den wenigen entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen, die relativ sensitiv und spezifisch
mit einem Seromarker erfasst werden können: Bei
über 95% der Patienten können bei aktiver generalisierter Erkrankung ANCA nachgewiesen werden.
Werden die sog. klassischen ANCA (C-ANCA =
ANCA mit zytoplasmatischem Fluoreszenzmuster)
im Immunfluoreszenztest (s. Frage 149.2) und
gleichzeitig im ELISA Antikörper gegen Proteinase-3 nachgewiesen, ist die Wahrscheinlichkeit für
das Vorliegen einer Wegener-Granulomatose besonders hoch. Da einerseits im Frühstadium der Erkrankung der C-ANCA-Test oft noch negativ ausfällt und andererseits C-ANCA selten auch bei anderen Erkrankungen (z. B. Infektionen) nachweisbar sind, sollte die Diagnose durch eine Biopsie aus
einem der befallenen Organe und histologische
Untersuchung (typischer Befund: Granulome und/
oder Vaskulitis) gesichert werden. Nach Diagnosesicherung ist eine umfangreiche Diagnostik zur
Erfassung der Krankheitsausdehnung erforderlich (s. Frage 149.3), um auch klinisch inapparente
Organmanifestationen frühzeitig zu erkennen.
Prognostisch besonders bedeutsam ist die Lungenund die Nierenbeteiligung.
Therapie: Die Behandlung ist immunsuppressiv
und umfasst bei aktiver Erkrankung in der Regel
Glukokortikoide und Cyclophosphamid. Zur Planung und Überwachung der Therapie sollte ein
Rheumatologie, Nephrologe oder Pneumologe mit
Erfahrung im Umgang mit Vaskulitispatienten hin-
zugezogen werden, da die häufigen Begleiterscheinungen der Therapie (z. B. Infektionen, hämorrhagische Zystitis) leicht mit Manifestationen der Vaskulitis verwechselt werden können und somit ein
sehr differenziertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen erforderlich ist.
Prognose: Seit Einführung der Cylophosphamidtherapie als Standardbehandlung zur Remissionsinduktion hat sich die Prognose der Erkrankung
deutlich verbessert. Die mittlere Überlebensrate
nach 6 – 8 Jahren beträgt heute über 80 %. Rezidive
sind aber häufig (50 – 70%), sprechen dann aber
meist auf eine intensivierte Immunsuppression an.
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Churg-Strauss-Syndrom
Panarteriitis nodosa
Purpura Schoenlein-Henoch
Fall 150 Respiratorische Globalinsuffizienz bei dekompensierter
Linksherzinsuffizienz
150.3 Nennen Sie mindestens 4 weitere Ursachen für eine Ruhedyspnö sowie jeweils
1 – 2 Untersuchungen, um diese abzuklären!
쐽 andere kardiale Erkrankung (z. B. Vitium):
Echokardiographie, Röntgen-Thorax
쐽 pulmonale Erkrankung:
– Pneumonie: Röntgen-Thorax
– Lungenembolie: Spiral-CT des Thorax
– Pneumothorax: Röntgen-Thorax
– pulmonale obstruktive Ventilationsstörung
(z. B. Asthmaanfall, COPD): Auskultation,
Röntgen-Thorax
쐽 neuromuskuläre Erkrankung mit Erschöpfung
der Atemmuskulatur (z. B. Guillain-Barré-Syndrom, Myasthenia gravis): Anamnese, neurologische Untersuchung.
391
150.4 Wie würden Sie den Patienten akut behandeln? Begründen Sie kurz die einzelnen
Maßnahmen!
쐽 Sedierung, endotracheale Intubation und maschinelle Beatmung.
Begründung: 1. respiratorische Globalinsuffizienz mit respiratorischer Azidose, 2. ausgeprägte klinische Symptomatik (Ruhedyspnö,
Tachykardie), 3. Vigilanzminderung (Aspirationsgefahr!), 4. bei KHK rasche Reoxygenierung
erforderlich, da sonst eine erneute Myokardischämie droht (Hypoxämie, erhöhter Sauerstoffverbrauch durch Tachykardie)
쐽 Gabe von Schleifendiuretika i. v. (z. B. Furosemid 40 – 80 mg i. v.): Vor- und Nachlastsenkung
zur Therapie des Lungenödems
쐽 bei erhöhtem Blutdruck Gabe von Glyceroltrinitrat i. v. (Perfusor, Dosis nach RR) zur Vorlastsenkung
쐽 bei prolongierter Herzinsuffizienz evtl. Phosphodiesterasehemmer i. v. (z. B. Milrinon)
쐽 bei Blutdruckabfall Katecholamine (Dopamin,
Dobutamin oder Adrenalin) i. v.
쐽 ACE-Hemmer (z. B. Enalapril), falls keine
schwere Hypotonie besteht.
KO M M E N TA R
Als respiratorische Globalinsuffizienz bezeichnet
man die Kombination aus Hypoxämie (verminderter arterieller pO2) und Hyperkapnie (erhöhter arterieller pCO2).
beidseitigen Rasselgeräusche) infolge der dekompensierten Linksherzinsuffizienz bedingt. Die Lungenstauung hat zu Ruhedyspnö und hierdurch zu
einer Erschöpfung der Atemmuskulatur geführt.
Ätiologie: Zugrunde liegt eine alveoläre Hypoventilation. Sie hat zahlreiche Ursachen (s. Frage
150.3). Im vorliegenden Fall ist sie durch eine Lungenstauung (hierfür sprechen der Husten und die
Klinik: Bei akuter respiratorischer Globalinsuffizienz treten wie bei dem beschriebenen Patienten
Zeichen der Hyperkapnie (Schläfrigkeit, evtl. auch
Kopfschmerzen, Folgen eines erhöhten Hirn-
Fall 150 Seite 151
150
Antworten und Kommentar
150.2 Was ist die wahrscheinlichste Ursache
der Beschwerden und Befunde dieses Patienten?
쐽 Dekompensierte Linksherzinsuffizienz bei Z. n.
zweimaligem Myokardinfarkt (s. Anamnese
und EKG-Befund).
쐽 Obstruktion der oberen Luftwege (z. B. Glottisödem): Lokalbefund, Laryngoskopie.
Fall
150.1 Wie bewerten Sie die Blutgasanalyse?
쐽 Bei einem deutlich verminderten pO2 und einem erhöhten pCO2 mit vermindertem pH liegt
eine respiratorische Globalinsuffizienz mit
nichtkompensierter respiratorischer Azidose
vor.
drucks) und der Hypoxämie (Luftnot, Tachykardie)
auf. Bei chronischer respiratorischer Globalinsuffizienz finden sich nur Zeichen der Hypoxämie
(Dyspnö, Tachykardie, Polyglobulie, Trommelschlegelfinger), da eine Anpassung des Säure-Basen-Haushalts an die Hyperkapnie erfolgt: Die Hyperkapnie-bedingte respiratorische Azidose wird
durch eine Bikarbonatrückresorption in der Niere
ausgeglichen.
Diagnostik: Die respiratorische Globalinsuffizienz
wird anhand der Blutgasanalyse diagnostiziert.
Bei dem im Fallbeispiel beschriebenen Patienten
zeigt die Blutgasanalyse eine schwergradige respiratorische Insuffizienz. Diese ist akut, da eine metabolische Kompensation der respiratorischen Azidose noch nicht erkennbar ist (Bikarbonat wäre erhöht und nicht erniedrigt/negativ, pH wäre normal
oder grenzwertig niedrig), und hat bereits zu einer
respiratorischen Azidose geführt.
392
Fall
150
Therapie: Bei akuter respiratorischer Globalinsuffizienz wäre durch alleinige Gabe von Sauerstoff zwar ein Anstieg des pO2 und der Sauerstoffsättigung denkbar, ein Rückgang des erhöhten
pCO2 ist jedoch nicht zu erwarten. Vielmehr ist bei
alleiniger Sauerstoffgabe eine rasche Verschlechte-
rung der Situation zu erwarten, da bei einer schweren Hyperkapnie der CO2-Atemreiz bereits ausgefallen ist. Beseitigt man nun durch eine Sauerstoffgabe die Hypoxämie als letzten verbliebenen
Atemreiz, ist eine Zunahme der Hypoventilation
und eine weitere Verschlechterung der respiratorischen Situation (Hyperkapnie, Azidose) die Folge.
Daher sind eine Intubation (Sicherung der Atemwege bei einem bewusstseinsgetrübten Patienten)
und eine maschinelle Beatmung erforderlich.
Durch die Beatmung wird vermehrt CO2 abgeatmet
und ein Ausgleich der respiratorischen Azidose ist
die Folge. Die Beatmung muss durch Maßnahmen
zur kausalen Therapie ergänzt werden (hier Therapie der Linksherzinsuffizienz, s. Frage 150.4).
Bei chronischer respiratorischer Globalinsuffizienz hat die Behandlung der Ursache höchste
Priorität und führt z. B. bei einer adäquaten Therapie einer Herzinsuffizienz zur Symptomlinderung.
Hat die chronische respiratorische Insuffizienz
strukturelle Ursachen (z. B. Lungenemphysem,
COPD) kann neben einer Sauerstoffgabe (cave:
CO2-Retention) eine intermittierende nichtinvasive Beatmung zur Entlastung der Atempumpe
(= Atemmuskulatur) erforderlich werden.
Antworten und Kommentar
Z U S AT Z T H E M E N F Ü R L E R N G R U P P E N
Metabolische Azidose
Therapie der chronischen Herzinsuffizienz
Maschinelle Beatmung
Fall 150 Seite 151
Anhang
Anhang
393
Quellenverzeichnis der Abbildungen
Anhang
394
Alexander, K., et al., Thiemes Innere Medizin TIM,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1999
Fall 4 (modifiziert), 22, 37, 62, 91
Horacek, T., Der EKG-Trainer, Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, New York 1998
Fall 97, 129
Augustin, N., Schwarze Reihe Chirurgie, 15. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2001
Fall 38
Jung, E. G. (Hrsg.), Duale Reihe Dermatologie,
4. Auflage, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1998
Fall 23, 24, 61
Baenkler, H.-W., et al., Duale Reihe Innere Medizin,
Sonderausgabe, Georg Thieme Verlag, Stuttgart
2001
Fall 2 (2 ⫻), 11, 12, 22, 31
Klinge, R., Das Elektrokardiogramm, 8. Auflage,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2002
Fall 76, 107, 116 (2 ⫻)
Delorme, S., Debus, J., Duale Reihe Ultraschalldiagnostik, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1998
Fall 84, 87, 111, 126
Füeßl, H., Middeke, M., Duale Reihe Anamnese und
Klinische Untersuchung, 2. Auflage, Georg Thieme
Verlag, Stuttgart 2002
Fall 17
Grehl, H., Reinhardt, F., Neuberger, J., Checkliste
Neurologie, 2. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2002
Fall 149
Greten, H. (Hrsg.), Innere Medizin, 11. Auflage,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2002
Fall 10, 13, 29 (2 ⫻), 34
Prof. Dr. med. Wolfgang L. Gross, Poliklinik für
Rheumatologie, Universitätsklinikum SchleswigHolstein, Campus Lübeck
Fall 104
Hahn, J.-M., Checkliste Innere Medizin, 3. Auflage,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2000
Fall 3, 9, 32, 45
Hamm, Ch. W., Willems, S., Checkliste EKG, 2. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York
2001
Fall 15, 16, 40 (2 ⫻), 57, 112
Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B., Duale Reihe
Chirurgie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New
York 2001
Fall 81, 103
Dr. med. Christoph Heyer, Institut für Radiologie,
Diagnostik und Nuklearmedizin (Direktor: Prof. Dr.
med. V. Nicolas), BG Kliniken Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
Fall 39 (2 ⫻), 125
Hofer, M., Sono Grundkurs, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2002
Fall 63, 120
Leps, W., Lohr M., Schwarze Reihe Innere Medizin,
13. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New
York 2001
Fall 6, 7, 21, 30, 53, 88, 92, 139
Lissner J., Fink, U. (Hrsg.), Radiologie II, 3. Auflage,
Enke Verlag, Stuttgart 1990
Fall 86
Lorenz, J., Checkliste XXL Pneumologie, Georg
Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2003
Fall 137
Neuerburg-Heusler, D., Hennerici, M., Gefäßdiagnostik mit Ultraschall, 3. Auflage, Georg Thieme
Verlag, Stuttgart, New York 1999
Fall 35, 79
Oestmann, J. W., Radiologie, Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, New York 2002
Fall 55, 65, 85, 94, 114
Reiser, M., Kuhn, F.-P., Debus, J., Duale Reihe Radiologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York
2004
Fall 135
Riede, U.-N., Schaefer, H.-E. (Hrsg.), Allgemeine und
spezielle Pathologie, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1999/2001
Fall 25, 100
Schmidt, G. (Hrsg.), Checkliste Sonographie, 2. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York
1999
Fall 18, 19, 27, 28, 43
Schumpelick, V., Bleese, N. M., Mommsen, U.
(Hrsg.), Lehrbuch Chirurgie, 5. Auflage, Enke Verlag, Stuttgart 2000
Fall 8, 20, 36, 48, 72
Schuster, H.-P., Trappe, H.-J., EKG-Kurs für Isabel, 3.
Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York
2001
Fall 6
Siegenthaler, W., Differentialdiagnose innerer
Krankheiten, 18. Auflage, Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, New York 2000
Fall 33, 44, 47, 73, 108
Sterry, W., Paus, R., Checkliste Dermatologie, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York
2000
Fall 68, 80
Siegenthaler, W. et al. (Hrsg.), Lehrbuch der Inneren Medizin, 3. Auflage, Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, New York, 1992
Fall 21
Thurn, P., et al., Einführung in die radiologische Diagnostik, 10. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1998
Fall 1, 66, 71, 74, 75
Sitzmann, F. C., Duale Reihe Pädiatrie, 2. Auflage,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2002
Fall 14, 50
Vetter, S., Strecker, E.-P., Schwarze Reihe Klinische
Radiologie, 10. Auflage, Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, New York 2001
Fall 128, 145
Anhang
395
Quellenverzeichnis der Tabellen
Alexander, K., et al., Thiemes Innere Medizin TIM,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1999
Fall 4, 40, 41 (2 ⫻), 48
Greten, H. (Hrsg.), Innere Medizin, 11. Auflage,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2002
Fall 43
Anhang
396
Hahn, J.-M., Checkliste Innere Medizin, 3. Auflage,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2000
Fall 4, 9, 13, 15 (2 ⫻), 25, 32, 35 (2 ⫻), 37, 43
(2 ⫻), 61 (3 ⫻), 63, 87, 114, 145
Laborwerte – Normalbereiche
Parameter
Normwerte
konventionell
x Faktor = SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
ACTH
S
0,2202
2 – 11 pmol/l
10
35 – 55 g/l
0,59
m: 11 – 48 µmol/l
w: 15 – 55 µmol/l
17,1
3,4 – 18,8 µmol/l
0,9 – 5,1 µmol/l
⬍ 13,7 µmol/l
0,133
0,133
4,67 – 6,00 kPa
12 – 13,3 kPa
0,01
0,92 – 0,96
Albumin
S
3,5 – 5,5 g/dl
α-Amylase
P/S
U
⬍ 140 U/l
⬍ 600 U/l
α1-Fetoprotein (AFP)
S
⬍ 10 ng/ml
Alkalische Phosphatase (AP)
P/S
65 – 220 U/l
Ammoniak
P/S
m: 19 – 80 µg/dl
w: 25 – 94 µg/dl
Antistreptolysintiter
S
⬍ 200 IU/ml
Antithrombin (AT III)
S
75 – 120%
Bilirubin
P/S
P/S
P/S
0,2 – 1,1 mg/dl
0,05 – 0,3 mg/dl
⬍ 0,8 mg/dl
gesamt
direkt
indirekt
Blutgase
(arteriell)
pH
pCO2
pO2
BE
Standard-Bikarbonat
O2-Sättigung
7,36 – 7,44
35 – 45 mmHg
90 – 100 mmHg
– 2 bis + 2 mmol/l
22 – 26 mmol/l
92 – 96%
Blutungszeit
C
m: 3 – 10 mm (1 h)
w: 6 – 20 mm (1 h)
Calcium
S
U
2,3 – 2,6 mmol/l
4,0 – 5 mmol/l
Carcinoembryonales Antigen (CEA)
S
Chlorid
P/S
U
98 – 112 mmol/l
160 – 178 mmol/24 h
P/S
P/S
P/S
120 – 240 mg/dl
⬎ 50 mg/dl
⬍ 150 mg/dl
Cholesterin
397
⬍ 2 – 8 Min.
BSG (BKS)
gesamt
DL
LDL
⬍ 3 µg/l
0,026
3,1 – 6,2 mmol/l
⬎ 1,3 mmol/l
⬍ 3,87 mmol/l
Cholinesterase (CHE)
S
3000 – 8000 U/l
Coeruloplasmin
S
20 – 60 mg/dl
0,063
1,26 – 3,7 µmol/l
C-Peptid
S
0,37 – 1,2 nmol/l
2,97
1,1 – 3,6 µg/l
C-reaktives Protein (CRP)
P/S
⬍ 5 mg/l
Creatinkinase (CK)
P/S
⬍ 80 U/l
Creatinkinase-Isoenzym MB (CK-MB)
P/S
⬍ 6% der CK
Differenzialblutbild:
– stabkernige neutrophile Granulozyten
– segmentkernige neutrophile Granulozyten
– eosinophile Granulozyten
– basophile Granulozyten
– Monozyten
– Lymphozyten
E
0 – 5%
50 – 70% (1800 – 7000/µl)
0 – 5% (⬍ 450/µl)
0 – 2% (⬍ 200/µl)
2 – 6% (⬍ 800/ µl)
25 – 45% (1000 – 4800/µl)
Laborwerte – Normalbereiche Fortsetzung 왘
Anhang
9 – 52 ng/dl
Parameter
Normwerte
konventionell
x Faktor = SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
Anhang
398
Digoxin
S
0,8 – 2,0 ng/ml
1
0,8 – 2,0 µg/l
Digitoxin
S
15 – 25 ng/ml
1
15 – 25 µg/l
Eisen
S
m: 80 – 150 µg/dl
w: 60 – 140 µg/dl
0,179
m: 14 – 27 µmol/l
w: 11 – 25 µmol/l
Eiweiße
– Albumin
– α1-Globulin
– α2-Globulin
– β-Globulin
– γ-Globulin
S
(Elektrophorese)
3,6 – 5,0 g/dl (45 – 65%)
0,1 – 0,4 g/dl (2 – 5%)
0,5 – 0,9 g/dl (7 – 10%)
0,6 – 1,1 g/dl (9 – 12%)
0,8 – 1,5 g/dl (12 – 20%)
10
10
10
10
10
36 – 50 g/l
1 – 4 g/l
5 – 9 g/l
6 – 11 g/l
8 – 15 g/l
0,03
5,9 – 11,8 µmol/l
Elastase-1
St
⬎ 200 µg/g Stuhl
Erythrozyten
E
m: 4,5 – 5,9 Mio./µl
w: 4,0 – 5,2 Mio./µl
Ferritin
S
30 – 200 µg/l
Fibrinogen
P
200 – 400 mg/dl
Folsäure
P
3 – 15 ng/ml
Gastrin
S
⬍ 100 pg/ml
Gesamteiweiß
S
6 – 8,4 g/dl
10
60 – 84 g/l
Glukose nüchtern
B/S
55 – 110 mg/dl
0,0555
3,05 – 6,1 mmol/l
γGT
S
m: 6 – 28 U/l
w: 4 – 18 U/l
GOT (AST)
S
m: ⬍ 18 U/l
w: ⬍ 15 U/l
GPT (ALT)
S
m: ⬍ 22 U/l
w: ⬍ 17 U/l
HbA1 C
E
⬍ 6% des Hb
Hämatokrit
E
m: 41 – 50%
w: 37 – 46%
Hämoglobin
E
m: 14 – 18 g/dl
w: 12 – 16 g/dl
0,62
8,7 – 11,2 mmol/l
7,5 – 9,9 mmol/l
Haptoglobin
S
20 – 204 mg/dl
0,01
0,2 – 2,04 g/l
⬍ 100 ng/l
Harnsäure
S
2,6 – 6,4 mg/dl
60
155 – 384 µmol/l
Harnstoff
S
10 – 55 mg/dl
0,17
1,7 – 9,3 mmol/l
α-HBDH
S
55 – 140 U/l
Immunglobulin G
S
0,8 – 1,8 g/dl
10
8 – 18 g/l
Immunglobulin A
S
0,09 – 0,45 g/dl
10
0,9 – 4,5 g/l
Immunglobulin M
S
0,06 – 0,26 g/dl
10
0,6 – 2,6 g/l
INR (international normalized ratio)
C
Kalium
S
U
3,5 – 5 mmol/l
30 – 100 mmol/24 h
Kalzium
S
U
2,3 – 2,6 mmol/l
4,0 – 5 mmol/l
Kortisol
– 8.00 Uhr
– 16.00 Uhr
S
Kortisol
U
27,59
140 – 690 nmol/l
80 – 330 nmol/l
5 – 25 µg/dl
3 – 12 µg/dl
20 – 100 µg/24 h
2,750
55 – 275 nmol/
24 h
Laborwerte – Normalbereiche Fortsetzung 왘
Parameter
Normwerte
konventionell
x Faktor = SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
Kreatinin
S
Kreatinin-Clearance
Kupfer
0,5 – 1,2 mg/dl
88,4
44 – 106 µmol/l
m: 70 – 140 µg/dl
m: 85 – 155 µg/dl
0,157
m: 11 – 22 µmol/l
m: 13 – 24 µmol/l
0,111
1 – 1,8 mmol/l
80 – 160 ml/min
S
S
9 – 16 mg/dl
LDH
S
120 – 240 U/l
LAP
S
16 – 32 U/l
Leukozyten
E
4000 – 10 000/µl
Lipase
S
30 – 180 U/l
Lipoprotein (a)
S
⬍ 30 mg/dl
10
⬍ 300 mg/l
Magnesium
S
1,75 – 4 mg/dl
0,41
0,7 – 1,6 mmol/l
MCH (mittlerer Hb-Gehalt des
Erythrozyten)
E
27 – 34 pg
MCHC (mittlere Hb-Konzentration
der Erythrozyten)
E
30 – 36 g/dl
MCV (mittlere Erythrozytenvolumen)
E
85 – 98 fl
Natrium
S
U
135 – 150 mmol/l
120 – 220 mmol/24 h
Osmolalität
S
U
280 – 300 mosm/kg
800 – 1400 mosm/kg
Partielle Thromboplastinzeit (PTT)
C
20 – 38 Sek.
Prolaktin
S
m: ⬍ 11 ng/l
w: ⬍ 15 ng/l
Phosphat
S
0,77 – 1,55 mmol/l
Prostataspez. Antigen (PSA)
S
⬍ 3 ng/ml
Quick
C
siehe Thromboplastinzeit
Retikulozyten
E
4 – 15‰
(20 000 – 75 000/µl)
Rheumafaktor (Latex)
S
⬍ 20 IU/ml
Spezifisches Uringewicht
U
1,002 – 1,035
STH (GH)
S
⬍ 5 ng/l
Stuhlfett
St
⬍ 7 g/24 h
Theophyllin
S
10 – 20 µg/ml
Thrombinzeit (TZ)
C
14 – 20 Sek.
Thromboplastinzeit (Quick)
C
70 – 100%
Thrombozyten
E
150 000 – 350 000/µl
TSH basal
– 30 Min. nach Injektion von
200 mg TRH
S
0,3 – 4,0 mU/l
399
1
m: ⬍ 11 µg/ml
w: ⬍ 15 µg/ml
1
⬍ 3 µg/l
1
⬍ 5 µg/ml
1
10 –20 mg/l
Anstieg ⬎ 2 mU/l
freies Thyroxin (fT4)
S
0,5 – 2,3 ng/dl
14
7 – 30 pmol/l
freies Trijodthyronin (fT3)
S
3,0 – 6,0 pg/ml
1,53
4,6 – 9,2 pmol/l
TBG
S
12 – 30 µg/ml
Thyreoglobulin
S
⬍ 50 ng/ml
Transferrin
S
200 – 400 mg/dl
0,01
2,0 – 4,0 g/l
Triglyzeride
S
75 – 200 mg/dl
0,0112
0,83 – 2,3 mmol/l
Laborwerte – Normalbereiche Fortsetzung
Anhang
Laktat
Sachverzeichnis
A
Sachverzeichnis
400
Abdomen, akutes 180
Achalasie 360
Acrodermatitis chronica
atrophicans 193
Addison, Morbus 347
Adenom, kolorektales 375
Agranulozytose 275
AIDS 158, 293
Alkalose
– metabolische 186
– respiratorische 185
ALL 197
Allergie 341
Alveolitis, exogen allergische
386
AML 197
Anämie
– makrozytäre 3, 237
– megaloblastäre 237
– mikrozytäre 211
– perniziöse 237
Analgetikanephropathie 334
Angina, pectoris 163
Angioödem 194
Antiphospholipid-Syndrom
188
Aortenaneurysma, Ruptur 163
Aortenklappenstenose 267
APL-Syndrom 188
Arteriitis temporalis 307
Arteriosklerose 215
Arthritis
– reaktive 162, 176
– rheumatoide 176
– septische 176
Arthritis urica 285
Asthma bronchiale 345
Aszites 263
Atelektase 300
Atemwegsinfekt, viraler 277
Atemwegsobstruktion, akute
154
AV-Block 343
AV-Knoten-ReentryTachykardie 224
Azidose
– metabolische 316
– respiratorische 338
Crohn, Morbus 383
Cushing-Syndrom 186, 246
CVI 273
D
B
Barrett-Ösophagus 353
Barrett-Syndrom 353
Bartter-Syndrom 186
Basedow, Morbus 206
Bechterew, Morbus 249
Beinvenenthrombose 188, 261
Blutung, gastrointestinale,
obere 167
Blutung, gastrointestinale,
untere 318
Boerhaave-Syndrom 163
Bronchialkarzinom 165, 286
Bronchitis, chronische 172,
174
bulky disease 170 f
C
Candida-Sepsis 388
Child-Pugh-Klassifikation 265
Cholangitis 281
Choledocholithiasis 280
Cholelithiasis 280
Cholera 322
Cholestase 216
Cholezystitis 281
Cholezystolithiasis 280
CML 299
CMV 313
Colitis ulcerosa 339
Colon irritabile 226
Coma diabeticum 366
Conn-Syndrom 186, 387
COPD 172, 174
Cor pulmonale 172, 174
Darmerkrankungen,
chronisch-entzündliche
339, 383
Dermatomyositis 199
Diabetes insipidus 221
Diabetes mellitus 159, 218,
245, 306, 366
Diarrhö 243
DIC 255
Divertikulitis 348
Divertikulose 349
E
Embolie, arterielle 242
Endobrachyösophagus 353
Endokarditis
– bakterielle 204
– akute 204
– subakute 204
– lenta 204
Enzephalopathie, hepatische
264
Erythema chronicum migrans
193
F
Fettleberhepatitis, alkoholische 309
Fieber, rheumatisches 176, 374
Frederickson-Klassifikation 259
Frühsommermeningoenzephalitis 228
FSME 228
Fußsyndrom, diabetisches 219
G
H
Haarzell-Leukämie 229
Hämochromatose 176, 344
Hämolyse 216
Hämorrhoiden 318
Harnwegsinfekt 202
Hepatitis A 367
Hepatitis B 333
Hepatitis C, chronische 248
Heroinintoxikation 359
Herpes zoster 242
Herzinfarkt 163, 317
Herzinsuffizienz 236, 310, 391
Herzkrankheit, koronare 183,
218
Hiatushernie 302
Hirninfarkt 327
HIV-Infektion 81, 158, 293
– Schwangerschaft 294
– Stadieneinteilung 294
Hodgkin, Morbus 169
Hodgkin-Lymphom 169
Hydronephrose 210
Hyperaldosteronismus 387
Hypercholesterinämie 258
Hyperkaliämie 266
Hyperkalzämie 165
Hyperkortisolismus 246
Hyperlipidämie 258
Hyperlipoproteinämie 258
Hypersplenismus 264
Hypertension, portale 263
Hyperthyreose 206
Hypertonie, arterielle 159, 218
Hypertriglyzeridämie 258
Hyperventilationssyndrom
185
I
IgA-Nephropathie 319
Ikterus 216
Infarktpneumonie 331
Influenza 277
Insuffizienz
– chronisch-venöse 273
– zerebrovaskuläre 218
Lues 368
Lungenembolie 154, 163, 332
Lungenemphysem 191
Lungenerkrankung, interstitielle 269
Lungenfibrose 270
Lungeninfarkt 331
Lungenödem 236
Lungentuberkulose 314
Lupus erythematodes 212
Lyme-Borreliose 192
Lymphadenosis cutis benigna
193
Lymphatisches Gewebe 170 f
M
Kammerflattern 337
Kammerflimmern 337
Kardiomyopathie 376
Karzinoid 329
Karzinoidsyndrom 329
Karzinom
– hepatozelluläres 249
– kolorektales 239
Keimzentrumslymphom 231
KHK 183
Kolitis, pseudomembranöse
364
Kollagenosen 176
Koronarsyndrom, akutes 154,
317
Krise, thyreotoxische 207
Magenkarzinom 312
Malaria 351
MALT-Lymphom 231
Malum perforans 220
Mantelzellenlymphom 231
Marginalzonen-Lymphom
231
Markschwammnieren 187
Meningitis, akute 179
Mesenterialinfarkt 180
Mitralklappenprolaps 288
Mitralklappenprolapssyndrom 288
Mitralklappenstenose 356
Mönckeberg-Mediasklerose
215
Mononucleosis infectiosa 363
Myelom, multiples 156
Myokardinfarkt 163, 317
L
N
Laktasemangel 257
Laktoseintoleranz 257
Leberschädigung, alkoholtoxische 309
Lebertumor 381
Leberzirrhose 249, 263, 295
Leukämie
– akute lymphatische 197
– akute myeloische 197
– chronisch myeloische 299
Lipoprotein(a) 259
Löfgren-Syndrom 326
Nahrungsmittelallergie 341
Nebennierenrindeninsuffizienz 347
Nephritis, interstitielle 334
Nephrolithiasis 209
Nephronophthise, familiäre
juvenile 187
Nephropathie, diabetische
218, 245, 282
Neuropathie, diabetische 218
Nierenarterienstenose 186
K
Sachverzeichnis
Gerinnung, disseminierte
intravasale 255, 273
Gewebe, lymphatisches 170 f
Gicht 285
Gichtarthropathie, chronische
176
Globalinsuffizienz, respiratorische 391
glutensensitive Enteropathie
371
Gürtelrose 242
Hypoglykämie 291
Hypokaliämie 323
Hypokalzämie 296
Hyponatriämie 251
Hypoparathyreoidismus 296
Hypothyreose 379
401
Niereninsuffizienz
– akute 266, 298
– chronische 170, 282
Nierenversagen, akutes 298
Nierenzysten 187
Non-Hodgkin-Lymphom 229
pulmonalarterielle Hypertonie 174
Pyelonephritis
– akute 203, 254
– chronische 203
Q
O
Sachverzeichnis
402
Quincke-Ödem 194
Obstipation 190
Ödem
– angioneurotisches 194
– Quincke 194
Ösophaguskarzinom 325
Ösophagusmotilitätsstörungen 360
Ösophagusruptur 163
Ösophagusvarizenblutung
295
Orbitopathie, endokrine 206
orthostatische Dysregulation
350
Osteopathie, renale 170
Osteoporose 278
P
Pankreaskarzinom 335
Pankreatitis
– akute 201
– chronische 357
Perikarditis 163, 305
Peritonitis, spontane bakterielle 263
Philadelphia-Chromosom 299
Phlebothrombose 188, 261
Plasmozytom 156
Pleuraerguss 370
Pneumonie 313
– ambulant erworbene 234
– nosokomiale 372
Pneumothorax 222
– Spontan- 154, 163
Polyarthrose, aktivierte 176
Polycythaemia vera 354
Polymyalgia rheumatica 307
Polymyositis 199
Präexzitationssyndrome 224
Psoriasisarthritis 176
T
Tachykardie, supraventrikuläre 224
Thrombose
– arterielle 242
– venöse 188, 261
Thrombozytopenie, Heparininduzierte 382
TIA 253
Tuberkulose 314
Typhus abdominalis 289
R
Refluxkrankheit 353
Refluxösophagitis 354
Reiter-Syndrom 162
Reizdarmsyndrom 226
Retinopathie, diabetische 218
Rheumatisches Fieber 374
U
S
V
Sarkoidose 326
Schilddrüsenkarzinom 174
Schlafapnösyndrom 207
Schock, septischer 272
Sepsis 272
SIADH 251
Sinustachykardie 224
Sjögren-Syndrom 232
SLE 212
Spannungspneumothorax 223
Spondylitis, ankylosans 249
Spontanfraktur 279
Sprue 371
Strahlentherapie, NonHodgkin-Lymphome 232 f
Struma 303
– Größeneinteilung 303
Syndrom
– hepatorenales 264
– der inadäquaten ADHSekretion 251
– metabolisches 195
– myelodysplastisches 321
– postthrombotisches 273
Synkope 350
Syphilis 368
Varikosis 274, 292
Verbrauchskoagulopathie 255
Verschluss, akuter arterieller
241
Verschlusskrankheit,
arterielle 214, 218
Vorhofflattern 224, 330
Vorhofflimmern 224, 253, 362
Vorhoftachykardie, ektope
224
Ulcus duodeni 378
Ulcus ventriculi 378
Ulkuskrankheit 378
Urethritis 203
W
Wegener, Morbus 389
Wegener-Granulomatose 389
WHO-Lösung 322
Wolff-Parkinson-WhiteSyndrom 224
Z
Zöliakie 372
Zoster 242
Zystennieren 187
Zystitis, akute 203
Zytomegalievirus-Infektion
313