FÖ
Fundberichte aus Österreich
FÖ · Band 60 · 2021
Archäologie und Bauforschung in Österreich 2021
Tirol
81136.21.04
Mittelalterlich-neuzeitlicher Sillkanal
KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Autoren:
Mag. Beatrix Nutz
Mag. Christina Kaufer
Dr. Federico Giacomello
Mag. Karsten Wink
Christoph Faller
ARDIS GmbH, Dr. Glatz-Str. 25, A-6020 Innsbruck
E-Mail:
[email protected] -
[email protected]
D11422
FÖ 60, 2021
ARDIS GmbH
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
81136.21.04 Mittelalterlich-neuzeitlicher Sillkanal ................................................................................ 3
Verlauf der Maßnahme ............................................................................................................................ 3
Topografie und Bodenverhältnisse .......................................................................................................... 5
Technischer Bericht ................................................................................................................................. 7
Umfassende Darstellung der stratigrafischen Einheiten .......................................................................... 8
Fläche 1 ............................................................................................................................................... 8
Fläche 1, Objekt 1 – Uferbefestigung mit Anlauf ........................................................................... 8
Fläche 2 ............................................................................................................................................. 10
Fläche 2, Objekt 2 - Pfahlreihe ...................................................................................................... 12
Fläche 2, Objekt 3 – Holzboden vor dem Eingang des ehem. Sillkanals ...................................... 14
Fläche 2, Objekt 4 – Kastenwehr .................................................................................................. 14
Fläche 2, Objekt 5 – Unterbau des Sillwehres / Rechen ............................................................... 20
Fläche 2, Objekt 6 ......................................................................................................................... 25
Umfassende Darstellung des Fundspektrums ........................................................................................ 26
Zusammenfassende wissenschaftliche Bewertung ................................................................................ 26
Fundverbleib.......................................................................................................................................... 28
Anschrift der Autoren............................................................................................................................ 28
Anhang .................................................................................................................................................. 29
Technischer Gesamtplan ................................................................................................................... 29
Detailpläne von Fläche 1 und Fläche 2 ............................................................................................. 30
2 60, 2021
FÖ
D11423
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
81136.21.04 Mittelalterlich-neuzeitlicher Sillkanal
Maßnahmennummer
81136.21.04
Maßnahmenbezeichnung
Mittelalterlich-neuzeitlicher Sillkanal
Bundesland
Tirol
Politischer Bezirk/Verwaltungsbezirk
Stadt mit eigenem Statut Innsbruck
Ortsgemeinde
Innsbruck
Katastralgemeinde
Wilten und Pradl
Grundstücksnummer
1186 (Wilten), 3006/3 (Pradl)
Anlass der Maßnahme
Grabungen im Zuge der Baustellen der BBT
Durchführungszeitraum
19.10.-17.11.2021
Verlauf der Maßnahme
Im Rahmen des Gesamtprojektes BBT (Brenner Basis Tunnel) wurde das bestehende Wehr in der Sill (AGAWehr), welches sich im Bereich der KG Wilten und Pradl befindet, abgetragen.1 Bereits im Verlauf der ersten
Abrissarbeiten kamen unterhalb des modernen Betons Hölzer und Holzeinbauten zutage, so dass eine Rettungsgrabung notwendig wurde.
In der Fläche der Ausgrabungsarbeiten kamen der Einlauf von der Sill in den im Mittelalter errichteten Sillkanal
und dessen Beginn, sowie Reste des alten Holzwehrs zutage (Fläche 2). Es zeigte sich, dass das alte Wehr aus
einem sauber errichteten Holzbau bestand, dessen Reste sich erhalten hatten. Das Augenmerk der archäologischen Maßnahme lag auf der Dokumentation des Ist-Zustandes der Holzbauten und ihrer Beprobung. Zu diesem
Zweck wurden die Hölzer nach Gruppen und Phasen sortiert und für die dendrochronologische Untersuchung
entsprechend geborgen und in ein Zwischenlager gebracht. Etwas weiter sillaufwärts fanden sich am rechten
Sillufer die Reste einer alten Uferbefestigung (Fläche 1).
Von archäologischer Seite aus wurden alle Holzfunde sachgerecht geborgen und alle Maßnahmen gesetzt. Die
dendrochronologischen Analysen werden zeitnah durchgeführt. Die Baustelle kann aus archäologischer Sicht
weitergeführt werden.
1
Ein wesentliches Element der Arbeiten ist die Sicherstellung der Fischpassierbarkeit der Sill. Das am Eingang der Sillschlucht befindliche
AGA-Wehr mit einer Fallhöhe von ca. 8 m, welches die Fische nicht überwinden können, wird dazu abgetragen und durch ein rund 350 m
langes Rampenbauwerk mit pendelnder Tiefenrinne ersetzt. Somit kann wieder ein problemloser Fischzug stattfinden. Im Zuge dieser Flussbaumaßnahmen wird der Fluss-lauf etwa 8 m nach Osten gerückt, um auf der westlichen Seite ausreichend Platz für die zweigleisige Neubaustrecke zu gewinnen. Die Uferböschungen werden von der BBT SE hochwassersicher verbaut. https://www.bbt-se.com/fileadmin/broschueren/2019/sillschlucht-innsbruck/2/
D11424
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FÖ 60, 2021
ARDIS GmbH
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Abb. 1: Wilten/KG Pradl, Sillwehr,
Flächen 1 und 2, alte Uferbefestigung und Sillwehr. (Quelle: Tiris
2022).
Abb. 2: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr. Erste
Holzkonstruktionen unter dem modernen Beton.
Situation am AGA-Wehr am 12.10.2021.
4 60, 2021
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D11425
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Topografie und Bodenverhältnisse
Der rund 4 m hohe Sillfall bzw. das AGA-Wehr befand sich am Nordende der Sillschlucht. Die Sill ist ein rechter Nebenfluss des Inn in Tirol mit einer Länge von 42 km die in den Zillertaler Alpen am Alpenhauptkamm
oberhalb des Brennerpasses entspringt. Die Quelle befindet sich im Gemeindegebiet von Gries am Brenner in
einer Höhe von über 2300 m. Der Fluss fließt Richtung Norden durch den Nordtiroler Teil des Wipptales. Vor
dem Austritt ins Inntal bei Innsbruck bildete die Sill im Laufe der Jahrhunderte die Sillschlucht, welche sich von
Gärberbach (Ortsteil von Mutters) bis unterhalb des Bergisel erstreckt. Im Inntal hat die Sill einen Schwemmkegel ausgebildet und den Inn an den Fuß der Nordkette abgedrängt. Auf diesem postglazialem Kegelschutt liegen
auch die Katastralgemeinden Wilten und
Pradl zu denen das Areal des Sillfalles jeweils
zur Hälfte gehört. Die Sill mündet letztlich im
Innsbrucker Stadtteil Reichenau beim Sillzwickel in den Inn.
Abb. 3: geologische Karte der glazialen und
postglazialen Ablagerungen in Innsbruck und
Umgebung. Jb. d. k.u.k. geolog. Reichsanstalt
40, 1890.
Das Sillwehr bzw. der Sillfall, von dem das Wasser für den Sillkanal zum Betrieb der Stiftsmühle abgezweigt
wurde, kann erstmals im Jahre 1180 urkundlich nachgewiesen werden. In der Neuausfertigung einer Vertragsurkunde von ca.1186/88 in welcher das Stift Wilten dem Markgrafen Berchtold (IV.) von Andechs-Istrien den
Grund der heutigen Innsbrucker Altstadt zur Erweiterung des linksufrigen Marktes Innsbruck über die Brücke
auf das rechte Ufer tauschweise abgetreten hat. Als eine der Bedingungen für diese Grundabtretung verlangte
das Kloster, dass die Innsbrucker Bürger in Hinkunft ihr Getreide ausschließlich in der Wiltener Stiftsmühle2
mahlen lassen müssen und ohne Bewilligung des Klosters keine eigene Mühle beim Markt erbauen durften.
Wörtlich lautet der betreffende Passus: "Et nemini molendinum prope forum construere, nisi ut fratres congregationis (sc. Wiltinensis) voluerint, et nulli forensium alibi molere nisi apud ipsos liceat".
Die auf diese Weise indirekt genannte Stiftsmühle, die bei einem Bombenangriff der Alliierten am 13. Juni 1944
zerstört wurde3, muss demnach bereits vor dem Jahre 1180 errichtet worden sein. Als terminus post quem für
den Erstbau dieser Mühle, und damit für den Sillkanal und den Sillfall, darf mit großer Wahrscheinlichkeit die
Besiedlung des älteren Wiltener Weltpriester-Kollegiatstiftes mit Chorherren des damals noch jungen Prämonstratenserordens kurze Zeit vor dem Jahre 1138 angenommen werden. Ursprünglich umfasste der Kanal auch nur
2
Auf manchen Karten auch als Klostermühle bezeichnet.
Leo Unterkirchner, Die Luftangriffe auf Nordtirol im Kriege 1939—1945. Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum 26-29, 194649, 581.
3
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FÖ 60, 2021
ARDIS GmbH
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
die kurze Strecke von der künstlich überhöhten Stauschwelle am Ostfuß des Bergisels bis zur Stiftsmühle und
mündete unweit unterhalb derselben wieder in die Sill ein.4 Erst später wurde jener Teil des Sillkanals von diesem abgezweigt, der dann durch Innsbruck führte und nördlich des Zeughauses wieder in die Sill floss. Der ursprüngliche Kanalverlauf blieb selbst nach der Verfüllung des restlichen Sillkanals nach 1945 bestehen und ist
auf einer Karte von 19695 noch zu sehen. 1970 ist dieser Verlauf nicht mehr eingezeichnet.6 Von den Prämonstratensern des Stiftes Wilten wird dieser Kanalabschnitt auch als Stiftkanal bezeichnet.
Abb. 4: Verlauf des Sillkanals
vom Sillfall bis zur Stifts- bzw.
Klostermühle, weiter bis zur
Verzweigung unterhalb der St.
Bartlmä-Kirche und Ansicht
des Sillfalles. Ausschnitt aus
dem Plan der kaiserl. königlich. Provinzial Hauptstadt Innsbruck u. der nächsten Umgebungen 1835-1840.
Etwas oberhalb der Stiftsmühle beim Sillwehr wurde später mit dem davon abgeleiteten Wasser des Sillkanals
auch die Stiftssäge und ein kleines E-Werk betrieben, das bis in die frühen 1960er Jahre den Strom für das Stift
lieferte.
Abb. 5: Innsbruck gegen Norden mit dem Stift Wilten. Links um 1870, rechts 1925. Im Vordergrund Sillfall und
Sillkanal mit Wärterhaus u. Sägemühle, Bildmitte die Trasse der Südbahn (Brennerbahn). (Foto um 1870: Karl
Friedrich Würthle, Bild 1925 – alte Postkarte, http://data.onb.ac.at/AKON/AK066_070).
4
F. H. Hye, Der Innsbrucker Sillkanal und seine Gewerbebetriebe. Ein Beitrag zur Kenntnis historischer Mühlkanäle im Alpenraum. In:
Veröffentlichungen der Universität Innsbruck, Band 142 (=Festschrift für Georg Zwanowetz), Innsbruck 1984, 71-87.
5
https://www.innsbruck.gv.at/data.cfm?vpath=redaktion/ma_v/kultur/dokumente33/stadtarchiv1/1969-baedeker-fuehrer
6
https://www.innsbruck.gv.at/data.cfm?vpath=redaktion/ma_v/kultur/dokumente33/stadtarchiv1/1970-tyrolia-fuehrer
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D11427
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Einen Eindruck davon, wie das alte hölzerne Sillwehr ausgesehen haben könnte, liefert ein Votivbild aus dem
Jahr 1829. Darauf zu sehen ist das kleinere Wehr mit Wasserfall bei der Stiftsmühle am Sillkanal. Das Votivbild
war für die Wiltener Pfarr- und Wallfahrtskirche (heute Wiltener Basilika) bestimmt. In der Mitte oben ist das
Wiltener Gnadenbild "Unserer lieben Frau unter den vier Säulen" zu sehen. In den kleinen Wasserfall ist ein
Mann gefallen, der noch einmal mit dem Leben davonkam.7 So viel Glück hatte nicht jeder. Achtzig Jahre später, also 1909, fiel Alois Grießer, der Müller der Stiftsmühle, bei einem Kontrollgang durch die Mühle in den
Sillkanal und konnte am nächsten Tag nur noch tot geborgen werden. 8
Abb. 6: hölzernes Wehr und kleiner Wasserfall bei der Stiftsmühle. Votivmalerei (Exvoto) 1829.
Technischer Bericht
Die archäologische Untersuchung erfolgte entsprechend der „Richtlinien für archäologische Maßnahmen in Österreich“. Abhängig von den Verhältnissen vor Ort wurde eine Mischung aus beschreibender, fotografischer,
zeichnerischer und tachymetrischer Dokumentation angelegt. Die Weiterverarbeitung der Daten erfolgte in der
Software ArchäoCAD und Q-Gis mit entsprechenden Erweiterungen und wurde kombiniert mit den Planunterlagen der Baufirma dem Orthofoto und den Katastergrenzen. Für die Vermessung vor Ort wurden eine Totalstation
S3 der Marke Trimble und das Modell Geo Max zoom 40 XPAD verwendet. Die Vermessung wurde in einem
lokalen Netz aufgenommen und dann im CAD in Landeskoordinaten übertragen.
7
8
D11428
Freundliche Mitteilung von Klemens Halder, Prior des Stiftes Wilten. Persönliche Kommunikation 01.03.2022.
https://tirol.kommunalarchive.at/index.php/at-tbf-sa-graf
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FÖ 60, 2021
ARDIS GmbH
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Der oberste Bodenabtrag erfolgte mittels Bagger, anschließend erfolgte die Reinigung der Befunde mit Kelle und
Feinwerkzeug. Die schriftliche Dokumentation (Protokolle und Grabungstagebuch) wurde vor Ort erstellt. Die
digitale, fotografische Dokumentation erfolgte mit Spiegelreflexkameras der Marke Canon (Modelle EOS
4000D und EOS 100D), die Aufnahmen wurden mit Fototafel, Fluchtstangen und Nordpfeil ausgestattet. Die
Verarbeitung der Fotos zur Erstellung des 3D-Modells erfolgte mit der Software Agisoft Metashape. Zusätzlich
wurden relevante Profile und Befunde vermessen und gezeichnet. Für die dendrochronologische Untersuchung
wurden die Holzelemente von denen Proben genommen wurden fotografiert und skizziert. Einige diese Skizzen,
sowie eine Skizze zur Rekonstruktion von Bauelementen wurden im Adobe Illustrator als Vektorgrafik ausgeführt.
Umfassende Darstellung der stratigrafischen Einheiten
Fläche 1
Fläche 1, Objekt 1 – Uferbefestigung mit Anlauf
Beim Objekt 1 (SE 9 bis SE 12) handelt es sich um eine Uferbefestigung mit einer erhaltenen Größe von 155 x
170 cm am rechten Ufer der Sill. Die gitterartige Struktur besteht aus vier parallel liegenden Holzbalkenreihen
mit noch acht erhaltenen, rechtwinkelig dazu liegenden Balkenreihen (SE 9) und einer Rollsteinlage zwischen
den Balken (SE 10). Die Balken sind rund 20 cm breit und 12 cm dick. An der Westseite, gegen die Sill zu, bildet die Holzbalken/Rollsteinkonstruktion
einen Anlauf (= Abweichung der Wandfläche aus der Vertikalen) die einst mit einer
Verkleidung aus dicken Schieferplatten (SE
12) versehen war. Unter der Balken-Rollsteinkonstruktion folgt eine Schicht Flusssand (SE 11).
Abb. 7: Wilten/KG Pradl, Sillwehr,
Objekt 1, Uferbefestigung am rechten
Sillufer. (Plan: ARDIS GmbH 2022).
8 60, 2021
FÖ
D11429
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Abb. 8: KG Wilten/KG Pradl,
Sillwehr, Objekt 1, Uferbefestigung am rechten Sillufer,
SE 9 – SE 12.
(Foto: ARDIS GmbH 2021).
Abb. 9: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 1, Uferbefestigung am
rechten Sillufer, 3D-Modell
(Modell: ARDIS GmbH 2022).
D11430
9
FÖ 60, 2021
ARDIS GmbH
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Fläche 2
Abb. 10: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Übersicht über Fläche 2 mit den Objekten 2 bis 5,
Blick nach Nordosten. (Foto: Ardis GmbH 2021).
Abb. 11: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Übersicht über Fläche 2 mit den Objekten 2 bis 5,
Blick nach Südwesten. (Foto: Ardis GmbH 2021).
10 60, 2021
FÖ
D11431
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Abb. 12: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Fläche 2 mit den Objekten 2 bis 6.
(Plan und 3D-Modell: Ardis GmbH 2022).
D11432
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FÖ 60, 2021
Bericht Teil B
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
ARDIS GmbH
Bericht Teil B
Fläche 2, Objekt 2 - Pfahlreihe
SE 20 bis SE 31: stehende Holzpfosten, sog. Piloten, oder Pfostengruppen von bis zu acht Pfosten die eine NOSW-orientierte Reihe bilden. Die Pfosten sind jeweils am unteren, spitz zugehauenen Ende mit eisernen Pfahlschuhen versehen.
Abb. 13: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 2, SE 26 - SE 27. (Foto: Ardis GmbH 2021).
Abb. 14: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Holzpfahl aus Objekt 2 mit
Pfahlschuh (Detail rechts). (Foto: Ardis GmbH 2021).
Die Pfähle besitzen unterschiedliche Querschnitte – rund, achteckig und
quadratisch – und sind mit verschiedenen Pfahlschuhtypen bewehrt.
Abb. 15: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr,
Pfahlquerschnitte (oben) und einige
Pfahlschuhvarianten (unten). (Graphik:
Ardis GmbH 2022).
12 60, 2021
FÖ
D11433
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Abb. 16: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 2, SE 20 bis SE 31. NO-SW-orientierte Pfahlreihe.
(Plan: Ardis GmbH 2022).
Abb. 17: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Holzpfähle von Objekt 2 in Profil 4. SE 32 ist ein Teil von Objekt 5.
(Foto und Profilskizze: Ardis GmbH 2021/2022).
D11434
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FÖ 60, 2021
ARDIS GmbH
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Fläche 2, Objekt 3 – Holzboden vor dem Eingang des ehem. Sillkanals
SE 18: Boden aus N-S-orientierten, bis zu 3,06 m langen Holzbrettern die auf drei NO-SW-orientierten Holzbalken aufgenagelt sind. Breite der Struktur: 3,04 m.
SE 19: sandig-kiesige Schicht mit Rollsteinen. Unterlage von SE 18.
Abb. 18: KG Wilten/KG
Pradl, Sillwehr, Objekt 3,
SE 18 – SE 19. (Plan: Ardis
GmbH 2022).
Abb. 19: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 3, SE 18 – SE 19.
(Foto: Ardis GmbH 2021).
Fläche 2, Objekt 4 – Kastenwehr
Beim Objekt 4 (SE 13 bis SE 17) handelt es sich um ein Doppel- oder Kastenwehr. Das Wehr besteht aus zwei
parallel ausgeführten Blockwänden (SE 13 und SE 14) mit Steinfüllung bzw. Hinterfüllung (SE 17). Durch vertikal versetzte Ingschlösser (SE 15 und SE 16) werden die beiden Wände zusammengehalten. Ingschlösser (auch
Inschlösser oder Greiner) nennt man die Querhölzer, die in eine Blockwand eingebunden sind und als Erdanker
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FÖ
D11435
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
in die Hinterfüllung reichen oder eine Querverbindung zu einer zweiten Blockwand bilden. Damit die Steinfüllung bei einer Unterspülung des Wehrs nicht nachrollen kann, werden die am tiefste liegenden Ingschlösser
meist überdielt. Diese Dielung, auf welcher das Schwermaterial - die Hinterfüllung - aufliegt, heißt Schwerboden. Dies ist konnte beim Sillwehr jedoch nicht festgestellt werden.9 Mit diesem Wehr wurde ein Teil des Sillwassers Richtung Eingang zum Sillkanal geleitet.
Abb. 20: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 4, SE 13 – SE 17.Objekt 6, SE 33 – SE 36
(Plan: Ardis GmbH 2022).
9
Friedrich Idam und Günther Kain, Historische Bautechniken für Wildbachverbauten im Salzkammergut. Jahrbuch der Gesellschaft für
Landeskunde und Denkmalpflege Oberösterreich 163, 2018, 327-329
D11436
15
FÖ 60, 2021
ARDIS GmbH
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Abb. 21: Greinerwand mit Schwerboden und Hinterfüllung eines Kastenwehres. Aus: Förster, Forstliches
Transportwesen - Tafel XXIII.10
Abb. 22: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 4, SE 13 – SE 17. Links: Blickrichtung West,
rechts Blick gegen Osten (Foto: Ardis GmbH 2021).
SE 13: NNW-SSO-orientierte Wand aus Holzbalken in Blockbauweise von der fünf Balkenlagen in
einer Gesamthöhe von 60 cm erhalten waren. Erhaltene Länge der Wand: 7,97 m. Die Holzbalken sind längs
mittels einer Längsverblattung verbunden. Manche Bauelemente sind mittels einer Loch und Zapfenverbindung
verbunden.
10
G. R. Förster, Das forstliche Transportwesen, Enthaltend 40 Photolithographische TafeIn mit 211 Figuren und 385 Abbildungen (Wien
1885).
16 60, 2021
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D11437
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
SE 14: NNW-SSO-orientierte Wand aus Holzbalken in Blockbauweise parallel zu SE 13 von der fünf Balkenlagen in erhalten waren. Erhaltene Länge der Wand: 8,89 m. Stehende Balken/Pfählen waren mittels einer Loch
und Zapfenverbindung in die liegenden Balken eingebunden.
Abb. 23: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 4, SE 13. Oben rechts: Detail der Längsverblattung
zweier Balken (Foto: Ardis GmbH 2021).
Abb. 24: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 4.
Holzverbindungen in SE 13 (Fotos und Grafik: Ardis GmbH 2021/22).
D11438
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FÖ 60, 2021
ARDIS GmbH
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Abb. 25: KG Wilten/KG Pradl,
Sillwehr, Objekt 4, SE 13, Holzverbindung von stehenden mit
liegenden Elementen (Foto und
Grafik: Ardis GmbH 2022).
SE 15 und SE 16: ONO-WSW-orientierte Holzbalken (Querhölzer, Ingschlösser) die SE 13 und SE 14 verbinden. Es liegen jeweils zwei Balken nebeneinander.
SE 17: Hinterfüllung des Kastenwehres. Kompakte Lage aus grauem Lehm, Rollsteinen, Sand und Kies.
Abb. 26: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 4, SE 14 – SE 15, Detail der Holzverbindung (Schloss).
(Foto: Ardis GmbH 2021).
18 60, 2021
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D11439
ARDIS GmbH
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Abb. 27: Detail eines Ingschlosses mit Querhölzern. Aus: Förster, Forstliches Transportwesen - Tafel XXIII.
Abb. 28: KG Wilten/KG Pradl,
Sillwehr. Objekt 4.
oben: SE 16; rechts: Profil 6
(Fotos und Grafik: Ardis GmbH
2021).
D11440
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FÖ 60, 2021
Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
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Bericht Teil B
Abb. 29: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr. Objekt 4, diverse Holzverbindungen des Blockbaus
(Fotos und Grafik: Ardis GmbH 2021/22)
SE 61 bis SE 65: div. Ablagerungen von Flusssanden (SE 61, 63, 64, 63) und Flusskiesen (SE 62).
Fläche 2, Objekt 5 – Unterbau des Sillwehres / Rechen
SE 32: NNO-SSW-orientierte Balkenlage
aus 44 Balken. Die Balken sind im Durchschnitt 23 cm dick, jedoch nicht mehr auf
ganzer Länge erhalten. Am südlichen Ende
weisen die Balken mittig ein meist rechteckiges Loch mit verkohltem Rand auf. In
einigen diese Löcher stecken große Eisennägel.
Abb. 30: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr.
Objekt 5, SE 32 – SE 42 (Foto: Ardis
GmbH 2021)
20 60, 2021
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D11441
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81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
ARDIS GmbH
Bericht Teil B
Abb. 31: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr,
Objekt 5, SE 32 – Detail. Südliches Ende
der Balken mit rechteckigen Löchern (a),
Eisennägel (b) und verkohlten Rändern (c).
(Foto: Ardis GmbH 2021)
SE 42: NW-SO-orientierte Balkenlage aus 15 Balken normal (rechtwinkelig) zu SE 32 unter dieser liegend. Die
30-35 cm dicken Balken sind mit Holznägeln verbunden.
Abb. 32: KG Wilten/KG
Pradl, Sillwehr, Objekt 5,
SE 42 – Detail
(Foto: Ardis GmbH 2021)
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FÖ 60, 2021
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Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
SE 43: NNO-SSW-orientierte Balkenlage unter SE 42. Jeweils zwei Balken sind durch Schwalbenschwanzverbinder (auch: Schmetterlingsverbinder) und darinsitzende Holznägel miteinander verbunden. Auch die Längsverblattung der Balken wurde mit Holznägeln gesichert.
Abb. 33: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 5, SE 42 – SE 43 – Detail. Zwei mit Schwalbenschanzverbinder
zusammengefügte Balken unter den rechtwinkelig dazu liegenden Balken von SE 42. (Foto: Ardis GmbH 2021).
Abb. 34: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 5, SE 43. Balken mit Schwalbenschanzverbinder (links) und
Holznägel (rechts, rote Pfeile) zusammengefügt (Foto und Grafik: Ardis GmbH 2021/22).
22 60, 2021
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D11443
Tirol
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
ARDIS GmbH
Bericht Teil B
Abb. 35: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 5, SE 43. Balkenenden der Längsverblattung mit Löchern für
die Holznägel. (Foto: Ardis GmbH 2022).
SE 44 – SE 49, SE 51 – SE 57: stehende Holzpfosten ohne Pfahlschuhe von durchschnittlich 30 cm Durchmesser
die in den zwischen zwei liegenden Holzbalken geschnittenen runden Löcher stecken. Einige davon ragen noch
zwischen SE 42 und SE 32 hinaus.
SE 50: eiserner Pfahlschuh eines Holzpfostens der sekundär, wohl als Ersatz für einen alten, verrotteten Pfahl in
den Unterbau eingeschlagen wurde.
Abb. 36: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 5, SE 43, SE 48, SE 49, SE 50. Stehende Holzpfosten in SE 43
(oben) und zwischen SE 32 herausragend (unten). SE 50 – eiserner Pfahlschuh von Holzpfahl
(Foto: Ardis GmbH 2021).
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Berichte zu archäologischen Maßnahmen
81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Abb. 37: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 5, SE 43 – SE 57. Rekonstruktionsvorschläge
(Grafik: Ardis GmbH 2022).
Abb. 38: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 5 (Plan: Ardis GmbH 2022).
24 60, 2021
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D11445
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81136.21.04 KG Wilten, KG Pradl
Bericht Teil B
Fläche 2, Objekt 6
SE 33: 1,5 x 5,5 m große Rollsteinschicht zwischen Objekt 2 und 4.
SE 34 – SE 37: Holzpfosten mit Durchmesser von 22 cm cm und erhaltenen Längen bis 105 cm.
Abb. 39: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 6, SE 33 – SE 36. (Foto: Ardis GmbH 2021).
Abb. 40: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Objekt 6, SE 33 – SE 37. (Foto: Ardis GmbH 2021).
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FÖ 60, 2021
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Berichte zu archäologischen Maßnahmen
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Bericht Teil B
Umfassende Darstellung des Fundspektrums
Abgesehen von den Holzelementen des Wehres und noch an ihren Pfählen befestigten Pfahlschuhen kamen bei
der abschließenden Baggerreinigung nur noch wenige Fundstücke zutage. Darunter eine große Schraube aus Eisen, vermutlich vom modernen Wehr, so wie stark verrostete Eisennägel, ein eiserner Maueranker und ein loser
Pfahlschuh. Daneben fand sich nur mehr eine unleserliche Münze und ein einziges Fragment neuzeitlicher, glasierter Gefäßkeramik.
Abb. 41: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr, Randscherben eines braun
glasierten Topfes. (Foto: Ardis GmbH 2022).
Abb. 42: KG Wilten/KG Pradl, Sillwehr,
eiserener Pfahlschuh. (Foto: Ardis GmbH 2022).
Zusammenfassende wissenschaftliche Bewertung
Im Rahmen des Gesamtprojektes BBT (Brenner Basis Tunnel) wurde das bestehende Wehr in der Sill (AGAWehr, Sillfall), welches sich im Bereich der KG Wilten und Pradl befindet, abgetragen. Der rund 4 m hohe Sillfall bzw. das AGA-Wehr befand sich am Nordende der Sillschlucht. Bereits im Verlauf der ersten Abrissarbeiten
kamen unterhalb des modernen Betons Hölzer und Holzeinbauten zutage, so dass eine Rettungsgrabung notwendig wurde.
In der Fläche der Ausgrabungsarbeiten kamen der Einlauf von der Sill in den im Mittelalter errichteten Sillkanal
und dessen Beginn, sowie Reste des alten Holzwehrs zutage. Es zeigte sich, dass das alte Wehr aus einem sauber
errichteten Holzbau bestand, dessen Reste sich erhalten hatten. Das Augenmerk der archäologischen Maßnahme
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FÖ
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Tirol
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lag auf der Dokumentation des Ist-Zustandes der Holzbauten und ihrer Beprobung. Zu diesem Zweck wurden die
Hölzer nach Gruppen und Phasen sortiert und für die dendrochronologische Untersuchung entsprechend geborgen und in ein Zwischenlager gebracht. Etwas weiter sillaufwärts fanden sich am rechten Sillufer die Reste einer
alten Uferbefestigung.
Das Sillwehr bzw. der Sillfall, von dem das Wasser für den Sillkanal zum Betrieb der Stiftsmühle abgezweigt
wurde, kann erstmals im Jahre 1180 urkundlich nachgewiesen werden. Ursprünglich umfasste der Sillkanal nur
die kurze Strecke von der künstlich überhöhten Stauschwelle am Ostfuß des Bergisels bis zur Stiftsmühle und
mündete unweit unterhalb derselben wieder in die Sill ein. Erst später wurde jener Teil des Sillkanals von diesem
abgezweigt, der dann durch Innsbruck führte und nördlich des Zeughauses wieder in die Sill floss. Der ursprüngliche Kanalverlauf blieb selbst nach der Verfüllung des restlichen Sillkanals nach 1945 bestehen und ist auf einer
Karte von 1969 noch zu sehen.
Bei der Uferbefestigung am rechten Sillufer handelt es sich um eine gitterartige Struktur mit einer erhaltenen
Größe von 155 x 170 cm die aus vier parallel liegenden Holzbalkenreihen mit noch acht erhaltenen, rechtwinkelig dazu liegenden Balkenreihen und einer Rollsteinlage zwischen den Balken besteht. Die Balken sind rund 20
cm breit und 12 cm dick. An der Westseite, gegen die Sill zu, bildet die Holzbalken/Rollsteinkonstruktion einen
Anlauf (= Abweichung der Wandfläche aus der Vertikalen) die einst mit einer Verkleidung aus dicken Schieferplatten versehen war.
Am linken Sillufer, direkt oberhalb des, nun abgetragenen, modernen Sillwehrs/Sillfalls, kam ein NNW-SSOorientiertes Doppel- oder Kastenwehr in Blockbauweise zum Vorschein. Das Wehr besteht aus zwei parallel ausgeführten Blockwänden mit Steinfüllung bzw. Hinterfüllung zwischen den Wänden. Durch vertikal versetzte
Ingschlösser werden die beiden Wände zusammengehalten. Ingschlösser (auch Inschlösser oder Greiner) nennt
man die Querhölzer, die in eine Blockwand eingebunden sind und als Erdanker in die Hinterfüllung reichen oder
eine Querverbindung zu einer zweiten Blockwand bilden. Damit die Steinfüllung bei einer Unterspülung des
Wehrs nicht nachrollen kann, werden die am tiefste liegenden Ingschlösser meist überdielt. Mit diesem Wehr
wurde ein Teil des Sillwassers nach Nordwesten Richtung Eingang zum Sillkanal geleitet.
Nördlich und oberhalb vom Kastenwehr fand sich ein Holzboden direkt vor dem Eingang des ehem. Sillkanals.
Der auf einer Breite von 3,04 m erhaltene Boden bestand aus bis zu 3,06 m langen, N-S-orientierten Holzbretter,
die auf drei NO-SW-orientierten Holzbalken aufgenagelt waren. Die Struktur ruhte auf einer sandig-kiesigen
Schicht mit Rollsteinen.
Östlich des Kastenwehrs lag der Unterbau des ehem. Sillwehres, bzw. der Rechen des Sillfalles. Der Unterbau
bestand aus drei Holzbalkenlagen und den Resten von vierzehn stehenden Holzposten. Zuoberst liegt eine NNOSSW-orientierte Balkenlage aus 44 Balken. Die Balken sind im Durchschnitt 23 cm dick, jedoch nicht mehr auf
ganzer Länge erhalten. Am südlichen Ende weisen die Balken mittig ein meist rechteckiges Loch mit verkohltem
Rand auf. In einigen diese Löcher stecken große Eisennägel. Darunter fand sich eine NW-SO-orientierte Balkenlage aus 15 Balken. Die 30-35 cm dicken Balken sind mit Holznägeln verbunden. Zuunterst lag eine weitere,
NNO-SSW-orientierte Balkenlage, bei der jeweils zwei nebeneinander liegende Balken durch Schwalbenschwanzverbinder (auch: Schmetterlingsverbinder) und darinsitzende Holznägel miteinander verbunden waren.
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Auch die Längsverblattung (Längsverbindung) der Balken wurde mit Holznägeln gesichert. Zwischen diesen
Balken standen die Holzpfosten von durchschnittlich 30 cm Durchmesser, die in den zwischen zwei liegenden
Holzbalken geschnittenen runden Löcher steckten. Einige davon ragten noch zwischen den beiden oberen Balkenlagen hinaus.
Die jüngste Bauphase des hölzernen Wehrs bilden stehende Holzpfosten, sog. Piloten, oder Pfostengruppen von
bis zu acht Pfosten, die eine NO-SW-orientierte Reihe bilden, die das Kastenwehr diagonal schneidet. Einige
dieser Pfosten stecken sekundär im Kasten des Wehrs. Die Pfosten sind jeweils am unteren, spitz zugehauenen
Ende mit eisernen Pfahlschuhen versehen.
Abgesehen von den Holzelementen des Wehres und noch an ihren Pfählen befestigten Pfahlschuhen kamen bei
der abschließenden Baggerreinigung nur noch wenige Fundstücke zutage. Darunter eine große Schraube aus Eisen, vermutlich vom modernen Wehr, so wie stark verrostete Eisennägel, ein eiserner Maueranker und ein loser
Pfahlschuh. Daneben fand sich nur mehr eine unleserliche Münze und ein einziges Fragment neuzeitlicher, glasierter Gefäßkeramik.
Für die Datierung der Befunde muss das Ergebnis der noch in Arbeit befindlichen dendrochronologische Untersuchung abgewartet werden, aber es kann davon ausgegangen werden, dass das Holzwehr vor 1835 datiert. Um
1835 finden sich die ältesten bekannten Darstellungen des Sillfalles, und auf ihnen sind keine Holzstrukturen
erkennbar.
Fundverbleib
Grundeigentümer: IKB Innsbrucker Kommunalbetriebe und Auftraggeber: Brenner Basistunnel BBT SE. Funde
Vorläufig bei Ardis Gmbh, Dr. Glatz-Str. 25, A-6020 Innsbruck
Anschrift der Autoren
Mag. Beatrix Nutz, Mag. Christina Kaufer, Dr. Federico Giacomello, Mag. Karsten Wink, Christoph Faller
ARDIS GmbH, Dr. Glatz-Str. 25, A-6020 Innsbruck
E-Mail:
[email protected] -
[email protected]
Addendum: Mittlerweile liegen die Dendrodaten vor.
Die Datierung der Hölzer erfolgte durch Dr. Klaus Pfeifer (Labor für Dendro(chrono)logie, Holzanalytik - Bauforschung).
Stützt sich die Ausweisung einer Bauphase auf das Dendrodatum der jeweils jüngsten Probe eines Kollektives, so legt
die vorliegende stichprobenartige dendrochronologische Datierung der Konstruktionshölzer den zeitlichen Rahmen
für zwei Bautätigkeiten offen. Zum ersten der Anlage des kompletten Wehrbaus mit Unterbau (Sohlbefestigung), einer
Pfahlreihe als Teil einer entlang des historischen Flussverlaufs von NO nach SW streichenden Uferstabilisierung sowie
einem spitzwinklig ansetzenden in Nord-Südachse orientierten Kastenwehr für den Kanalzulauf und dem mit Bohlen
ausgelegten Bereich vor dem Kanaleinlauf. Da jedoch neben den Lärchenstämmen für die mittels
Schwalbenschwanzeinlagen je parallel verbunden paarigen Balken des Wehrunterbaus mit zentralem Holzeinschlag im
Winterhalbjahr 1509/10 in derselben Konstruktionsebene jüngeres Material vorliegt, ist mit der Errichtung der
Sohlbefestigung bei Niederwasser gegen Ende 1511 zu rechen.
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Anhang
Technischer Gesamtplan
Tirol
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Detailpläne von Fläche 1 und Fläche 2
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