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Schaffhauser Pionierin des Frauenfussballs

2023, Schaffhauser Nachrichten

Monika Stahel gründete mit dem FC Goitschel den ersten Frauenfussballclub der Schweiz und gehörte zu den ersten Schiedrichterinnen. Dazu auch Neues über das erste Frauenfussballländerspiel der Schweiz in Schaffhausen - warum der Kantersieg gegen Österreich nicht als offizielles Länderspiel gewertet wird.

Region 17 Staatsanwälte vor Gericht In Frauenfeld beginnt bald der Prozess gegen zwei Staatsanwälte, die im Fall Kümmertshausen ermittelt hatten. / 21 Freitag, 14. April 2023 Schaffhauser Pionierin des Frauenfussballs Die nächste Europameisterschaft im Frauenfussball findet 2025 in der Schweiz statt. Mit Monika Stahel erinnern wir uns an ihre Pionierleistungen in der Schweizer Sport- und Gesellschaftsgeschichte – vor bald 60 Jahren. rüchtigt für eine gewisse Skrupellosigkeit, denn sie schrecken nicht davor zurück, anderen Teams talentierte Spielerinnen abzuwerben. 1965 schafft sich der FC Goitschel gar ein rotes Tenü an. Gleichzeitig wenden sich Monika und Silvia Stahel, 17- und 19-jährig, in einem Brief an den Schweizerischen Fussballverband mit der Bitte, eine eigene Frauenliga gründen zu dürfen. «Wir waren Feministinnen, die auf Fussballplätzen für die Rechte der Frauen kämpften», werden Monika Stahel und weitere FC-Goitschel-Mitglieder, die sich seit 2000 jährlich bei Ursula «Binggu» Biffinger in Langenthal treffen, in der «Schweizer Familie» zitiert. Andreas Schiendorfer DIESSENHOFEN. «Als ich nach vielen Jahren wieder einmal ein Spiel des FC Schaffhausen auf der Breite anschauen ging, pfiff zufälligerweise Nicole Petignat, unterstützt von zwei Linienrichterinnen. Da sagte ich still zu mir: ‹Ohne mich würdet Ihr nicht hier auf dem Platz stehen›», erzählt Monika Stahel in ihrem Haus zur Gewesenen Zeit in Diessenhofen. Wer die Kostüm- und Bühnenbildnerin kennt, würde wohl nicht vermuten, dass sie in ihrer eigenen gewesenen Zeit die erste Schiedsrichterin der Schweiz und die treibende Kraft des ersten Frauenteams ist, welches eine Partie mit elf Spielerinnen austrägt. Unter dem Titel «Die Kicker-Damen» findet sich am 15. Mai 1968 in den «Schaffhauser Nachrichten» ein kurzer Bildbericht über einen 3:0-Sieg des FC Goitschel Langenthal in Zürich in der, wie es heisst, «ersten Begegnung zweier schweizerischer Damenfussball-Mannschaften (bzw. Frauschaften)». Schon vorher hätten sie ein Spiel in Wohlen mit 6:0 gewonnen, meint Monika Stahel schmunzelnd, aber: «Der sportliche Meilenstein wurde am 19. Oktober 1968 gesetzt. Erstmals fand ein Frauenfussballspiel als Vorspiel einer Nationalliga-A-Partie statt. Dabei siegten wir gegen den DFC Sparta Zürich glatt mit 15:0.» Der DFC Aarau – letztlich nicht viel anderes als der verstärkte FC Goitschel – ist fortan das Mass aller Dinge und gewinnt ab 1970/71 die ersten vier offiziellen Schweizer Meisterschaften. So bedeutend wie Montagna Bionda Genau so wie die gross gewachsene, blonde Walliserin Madeleine «Mado» Boll, die als «Montagna Bionda» von 1970 bis 1975 als Berufsfussballerin in Mailand und in der Nationalfrauschaft brilliert, zählen Monika Stahel und ihre Schwester Silvia Lerch-Stahel zu den grossen Pionierinnen des Schweizer Frauenfussballs, wie die Sporthistorikerin Marianne Meier in ihrem Standardwerk «Zarte Füsschen am harten Leder» bestätigt. Schön und gut, doch so richtig Freude herrscht bei uns erst, als Monika Stahel berichtet, dass sie nirgendwo sonst als auf der Frauen mit Pfiff Monika Stahel zeigt das offizielle Schiedsrichterinnen-Trikot. Breite vom Fussballvirus angesteckt worden ist: «Auf die Welt kam ich in Neuparadies, und aufgewachsen bin ich in Schaffhausen. Mein Vater Edwin arbeitete bei CMC und war im Nebenamt beim FC Schaffhausen als Sportwart tätig. Obwohl der FCS damals in der Nationalliga A spielte, war er, als Turner, weit weniger begeistert als wir Schwestern, für die es damals nichts Wichtigeres als Fussball gab.» Weil der Vater 1963 eine Tankstelle im aargauischen Murgenthal kauft, gelten die Stahel-Schwestern Mone und Zipfel auch als Aargauerinnen. Mit ihrer Fussballbegeisterung finden sie schnell Gleichgesinnte – und mit den damals überaus populären französischen Skirennfahrerinnen Marielle und Christine Goitschel zwei Patinnen, die dem 1964 gegründeten «Verein» gerne ihren Namen zur Verfügung stellen, «Wir waren Feministinnen, die auf Fussballplätzen für die Rechte der Frauen kämpften.» Monika Stahel Gründerin des FC Goitschel BILD SCHI weil sie selbst im Sommer begeisterte Fussballerinnen sind. Wie später bekanntlich auch Marie-Theres «Maite» Nadig. «Wir haben, mit einer Ausnahme, alle Grümpelturniere gewonnen, einmal auch in Schaffhausen. Es gab Turniere, an denen wir nicht mehr teilnehmen durften, weil wir mittlerweile zu gut waren», erinnert sich die rechte Flügelstürmerin. Die beste Fussballerin im Team ist Barbara «Babs» Menotti, doch Monika Stahel hält den Verein zusammen, leitet die Trainings und bestimmt die Spieltaktik, mit «beinahe militärischer Strenge», wie sie rückblickend mit einem Lachen zugibt, so achtet sie darauf, dass keine sich durch einen Flirt vom Fussballspiel ablenken lässt. Die Goitschels, zu denen auch die heute in Siblingen wohnhafte Theresia Rüsch zählt, sind gefürchtet wegen ihres Könnens – und be- Die Anfrage wird abgelehnt, was nicht überraschen kann, weil die Schweiz in sportpolitischer Hinsicht nicht fortschrittlicher sein möchte als die grossen Fussballnationen Deutschland und England, wo der angeblich gesundheitsschädliche Frauenfussball zu diesem Zeitpunkt immer noch verboten ist. Doch die Schiedsrichterlegende Rudolf Scheurer und Josef Huwiler haben eine geniale Idee: «Um dem schon damals vorherrschenden Schiedsrichtermangel Abhilfe zu schaffen, haben sie uns vorgeschlagen, Schiedsrichterinnen zu werden», so Monika Stahel, die zusammen mit einigen «Goitschels» den ersten Schiedsrichterinnen-Kurs in Olten besucht – begleitet von der «Schweizer Illustrierten», die den «Mädchen mit Pfiff» 1966 eine mehrseitige Reportage über das Junioren-C-Testturnier widmet. Monika Stahel pfeift wie ihre Schwester einige Jahre lang Juniorenspiele, doch als 1970 der Frauenfussball langsam, aber stetig vorandribbelt, hat sie ihre Mission bereits erfüllt. Die gelernte Dekorateurin will lieber die Welt kennenlernen und kehrt 1985 nach Schaffhausen zurück. Seither weiss man hier, an wen man sich zu wenden hat, wenn es darum geht, gewesene Zeiten optisch darzustellen. Und als das Gespräch eigentlich schon vorbei ist, fragt sie nachdenklich: «Wieso finden an der Frauenfussball-EM 2025 eigentlich keine Spiele in Schaffhausen statt?» Die Wehrsportvereinigung fördert den Damenfussball Schaffhausen nimmt 1970 an der ersten Schweizer Meisterschaft im Frauenfussball teil und organisiert auf der Breite das erste Länderspiel – oder doch nicht? Andreas Schiendorfer SCHAFFHAUSEN. Das Schweizer Frauen- fussball-Nationalteam wird 2025 als Gastgeber zum dritten Mal in Folge an einer Europameisterschaft teilnehmen. Doch zuerst geht es im Sommer nach Australien und Neuseeland an die Weltmeisterschaft, zum zweiten Mal nach 2015. Aber ist da nicht, im Juli 1970, auch noch eine (inoffizielle) Fussball-WM in Italien gewesen? Tatsächlich unterliegen dort die Schweizerinnen Italien mit 1:2 – weil sie verlieren müssen. Der Hauptsponsor hat den Schiedsrichter dazu angehalten, die Gastgeberinnen vor einem frühzeitigen Aus zu bewahren. Der «Betrug von Salerno» wird nicht als Länderspiel gewertet. «Der Stadt Schaffhausen fällt die Ehre zu, dass das erste je in der Schweiz ausgetragene Länderspiel im DamenFussball auf ihrem Boden angepfiffen wird», schreibt Stadtpräsident Felix Schwank im Matchprogramm vom 8. November 1970 und bricht gleichzeitig eine Lanze für den Damenfussball: «Die Fussballbegeisterung – einst wohlgehütetes Privileg der Männer – hat nun auch die Schweizer Damenwelt erfasst. Warum eigentlich nicht? Warum sollen unsere Mädchen und Frauen, die doch auf manchem Gebiet hintanstehen müssen, auch im Fussballsport das Geschehen nur vom Rand aus verfolgen können, statt den Ball in die eigenen Hände bzw. Füsse zu nehmen? Vielleicht gelingt es den Fussball spielenden Frauen sogar, die manchmal etwas rauhen Sitten dieses Sports zu verfeinern.» mehr spontanen Applaus. Der Damenfussball wird mehr sein als eine blosse Volksbelustigung.» Doch der Schein trügt. Hinter den Kulissen brodelt es gehörig. Schliesslich wird auch dieser Partie der Status als offizielles Länderspiel aberkannt. Was ist geschehen? Beim österreichischen Team spielt, auf dringenden Wunsch von Trainer Hans Studer und gegen den Willen von FCS-Sekretär Ruedy Kögl, der Star des Schaffhauser Frauenteams mit – doch Jowanka Kontice besitzt nur einen jugoslawischen Pass. Anfänge bereits 1967 Entstanden ist das Frauenteam 1967 innerhalb der von Studer geleiteten Mehr als nur eine Volksbelustigung Alles läuft plangemäss: über 2000 zahlende Zuschauer, beste Stimmung und ein 9:0-Kantersieg der Schweizerinnen. Die «Schaffhauser Nachrichten» widmen dem Anlass eine Bildseite und stellen fest: «Die gescheiten Spielzüge der Schweizerinnen ernteten mehr und Die Damen des FC Schaffhausen am 75-Jahr-Jubiläum im Juni 1971. BILD FESTSCHRIFT FCS Wehrsportvereinigung Schaffhausen (WSV) – mehr oder weniger zufällig. Doch die Fussball spielenden Mädchen sind so talentiert, dass sie sich, gleichsam als Pendant zum FC Goitschel, als Damensektion der WSV zum gefürchteten Turnierteam entwickeln. Um an der ersten Fussballmeisterschaft 1970/71 teilzunehmen, schliessen sie die Frauen dem FC Schaffhausen an und debütieren im September als DFC/ WSV Schaffhausen gegen Ebnat-Kappel. Weil aber der FCS Hans Studer als Trainer absetzt, wechseln die Frauen praktisch geschlossen zur Spielvereinigung und beenden die Meisterschaft als DFC/SV Schaffhausen. Dies auch, weil der neu gegründete DFC Schaffhausen für die oberste Spielklasse noch nicht stark genug ist. Die SV Schaffhausen stellt ihre Damenabteilung 1978 aus Nachwuchsmangel – vorübergehend – ein. Der DFC steigt 1984 für zwei Jahre in die oberste Spielklasse auf, und Schaffhausen kommt bereits am 11. Mai 1974 doch noch zu seinem ersten Länderspiel. Mittlerweile sind es deren acht, das letzte am 11. November 2022 gegen Dänemark.