Heute Morgen im Bett legt Paula einen Arm um mich. Das erste
Mal seit vier, nein, seit fast fünf, Wochen. Natürlich schwellen Hoffnung und Lende
sofort. Aber – boshaft gesagt: mittlerweile ebenso natürlich – bleibe ich
gleichermaßen vorsichtig wie skeptisch. Nur nichts falsch machen. Im Klartext: Zuallererst
Paula nicht unter Druck setzen. Herausfinden, was sie will. Ob sie es will.
Meine Skepsis ist berechtigt. Denn es passiert nichts. Nada, niente. Außer dass
Paula ständig mit Arm und Hand zuckt. Ich glaube, Mediziner sagen „Restless-legs-syndrom“
dazu. Jede einzelne Bewegung elektrisiert mich. Paula merkt das nicht.
Definitiv nicht. Denn sie ist wieder eingeschlafen. Das muss nicht viel
bedeuten, sie schläft immer schnell ein. Jedoch nicht immer tief. Ich schiebe
mich an sie heran, lege meine Hand auf ihren Arm, bewege mich, ändere die
Liegeposition einige Male. Paula merkt es nicht. Oder sie lässt sich nichts
anmerken.
Ich schiebe mich weiter an sie heran, lasse das Becken ein
bisschen kreisen, hole tief Luft. Paula zieht ihren Arm zurück, legt sich auf
den Rücken, verschränkt die Arme hinter dem Kopf. Schläfrig murmelt sie, der
Wein sei ihr gestern Abend wohl nicht bekommen. Das „Wieder-nichts“-Fähnchen wedelt
vor meinem inneren Auge herum. Ich veratme meine Erektion. Übung macht den Meister:
Das schaffe ich mittlerweile in wenigen Minuten. Ebenso zügig kommt mir dafür jetzt
die Galle hoch. Ich entziehe mich Paulas Umarmung, mumifiziere mich unter
meiner Decke. Ich starre einige Zeit in die aufkeimende Helligkeit des Morgens.
Dann schaue ich nach der Uhrzeit: Viertel vor acht. Zu früh zum Aufstehen. Eigentlich.
Doch die Galle ist derart bitter, dass ich mich auf die Bettkante setze. Das (nun
wieder) merkt Paula: „Willst etwa du Brötchen holen?“, fragt sie mit deutlicher
Betonung auf dem „du“. Das macht sie, weil ich seit ein paar Wochen mit der
Diagnose Zöliakie lebe(n muss) und keine glutenhaltigen Dinge, also auch keine „normalen“
Brötchen mehr essen kann. Ausgesucht patzig antworte ich, dass ich jetzt erst
mal aufstünde und dusche. Wir würden dann schon sehen, wer Brötchen hole. Nun
merkt Paula etwas. Glaube ich. Sie steht auch auf und nuschelt, so könne es eventuell besser werden.
Während des Frühstücks – Paula hat die Brötchen geholt –
wird es tatsächlich besser. Wir haben für eine Woche Besuch. Die schwelenden
Probleme und Zerwürfnisse lassen wir uns einerseits nicht anmerken,
andererseits entspannt die lockere Erzählatmosphäre die Situation tatsächlich. Alle
zusammen schmieden wir Pläne für das Abendessen, ich schreibe den
Einkaufszettel, die Besucher brechen zu einem Ausflug, Paula und ich zum
gemeinsamen Einkauf auf. Das macht Spaß, wahrscheinlich auch deshalb, weil wir immer noch kindlich-neugierig
die Supermarkt- und Reformhausregale nach glutenfreien Produkten durchstöbern.
Meine Hoffnung schwillt wieder. Die Lende noch nicht. Schließlich stehen wir
noch an der Kasse.
Wir kommen nach Hause, die Kinder spielen Wikingerschach im
Garten. Wir schleppen die Einkäufe nach oben. Paula verräumt die Getränke, ich das
Obst. Ich finde, die Stimmung ist gut. Gut genug, um mich ganz dicht neben
Paula zu stellen, meinen Kopf auf ihre Schulter zu legen, ihren Po zu streicheln.
Ich kann hören, wie die Kinder eine neue Partie beginnen. Jetzt schwillt auch
wieder meine Lende. Paula dreht sich um. In die "falsche“ Richtung (wieder
einmal: leider). „So, dann mache ich mal die Frischkäsetorte. Wo hast du die
Erdbeeren hin?“.
Ich presse „in den Kühlschrank“ heraus, gehe nach oben und
schreibe diesen Text.