Book by Viktoria Bachmann
Ist der Mensch schon so, wie er ist, gut? Oder muss er sich erst darum bemühen, es zu werden? Um ... more Ist der Mensch schon so, wie er ist, gut? Oder muss er sich erst darum bemühen, es zu werden? Um gut sein zu können, bedarf es der Erkenntnis dessen, was gut ist – und der Einsicht, dass man diese Erkenntnis nicht schon hat. Das kennzeichnet die sokratische Position in den platonischen Dialogen. Entgegen gängiger Deutung ist dieses sokratische Nichtwissen aber nicht Ausdruck von Skepsis, sondern Grundvoraussetzung für den Weg zur Erkenntnis. Diesen Erkenntnisweg, den Aufstieg, schildert Sokrates im platonischen Werk nicht nur, vielmehr führt er ihn auch vor: im Tugenddialog. Ausgehend von dieser für die Platonforschung ungewöhnlichen These sichten die Autoren des Bandes das Werk Platons noch einmal mit neuem Blick.
Diese Perspektive bestimmt den Aufbau des Bandes, der zentrale platonische Texte vom Tugenddialog her deutet: die Darstellung seines Vollzugs im Frühwerk, dessen Reflexion im Mittelwerk sowie die Voraussetzungen und Resultate des Aufstiegs auch im Spätwerk. Ein Ausblick in den Neuplatonismus zeigt, dass dessen mystisch-religiöse Umdeutung des Aufstiegs den für Platon entscheidenden Aspekt schon früh verliert: die Transformation des Menschen im Tugenddialog.
Das Problem der Sterblichkeit und Unsterblichkeit gehört untrennbar zum Nachdenken des Menschen ü... more Das Problem der Sterblichkeit und Unsterblichkeit gehört untrennbar zum Nachdenken des Menschen über sich und seine Stellung in der Welt. Es berührt verschiedenste philosophische Gebiete, theoretische wie praktische, und verbindet sie in einer existentiell relevanten Weise.
Auch für das antike Denken stellt diese Thematik ein anthropologisches Prisma dar. Der geplante Band möchte die wirkmächtigen Positionen des frühgriechischen Denkens aus verschiedenen Perspektiven nachzeichnen: I. Dichtung, II. Naturphilosophie, III. Sophistik, IV. Platonische Philosophie.
Historische und systematische Fragen sollen gleichermaßen angesprochen werden. Dazu zählen u.a. das jeweilige Verständnis der Sterblichkeit und Unsterblichkeit, die Zusammenhänge zum Verständnis der menschlichen Seele, der Natur und des Göttlichen, sowie die Implikationen für die praktische Lebensführung und die Wertvorstellungen.
Das Ziel des Bandes ist ein tieferes Verständnis des antiken anthropologischen Denkens anhand der Thematik der Sterblichkeit und Unsterblichkeit.
Je mehr Möglichkeiten der Lebensführung wir erkennen, desto dringlicher wird die Frage: Wie lebe ... more Je mehr Möglichkeiten der Lebensführung wir erkennen, desto dringlicher wird die Frage: Wie lebe ich gut? Wer allerdings in der gegenwärtigen Philosophie die Klärung seiner Frage erwartet, wird zunächst enttäuscht. Er wird ein Nebeneinander gegensätzlicher Gründe eines guten Lebens vorfinden: Verwirklichung der menschlichen Natur, Erfüllung aller Wünsche, vernünftige Pflichterfüllung.
Diese Abhandlung sucht nach einem Ausweg, nach einer rationalen Grundlage für die persönliche Lebensentscheidung. Die Hauptpositionen der gegenwärtigen Debatte werden auf ihre Vordenker – Kant, Aristoteles und Sokrates – zurückgeführt und nach dem Vorbild der sokratischen Prüfung immanent entfaltet, um sie schließlich an ihren eigenen Voraussetzungen zu messen.
Der Nachvollzug des jeweiligen Denkens verdeutlicht Begründungsstrukturen, die auch in der Gegenwartsdebatte herangezogen werden: Aristoteles sieht den Grund des guten Lebens im richtigen Ziel der menschlichen Tätigkeiten; Kant hingegen im zwecksetzenden Vernunftvermögen. Bei beiden Konzeptionen zeigen sich immanente Schwierigkeiten. Die sokratische Prüfung in Platons Tugenddialogen eröffnet eine nichtskeptische Alternative jenseits dieser Dichotomie.
Jeder Mensch erstrebt ein glückliches Leben. Doch wenn das Glück im eigenen Leben verfehlt wird, ... more Jeder Mensch erstrebt ein glückliches Leben. Doch wenn das Glück im eigenen Leben verfehlt wird, entsteht ein Bedarf nach Hilfe bei der Lebensorientierung. Welchen Beitrag kann Wissenschaft, jenseits von Religion und Esoterik, zur Lebensorientierung heute noch leisten?
Ausgehend von C. Taylor werden zwei zentrale Aufgaben formuliert, die eine Wissenschaft zur Lebensorientierung erfüllen muss. Die Sichtung einschlägiger psychologischer Gesprächsverfahren verweist auf den sokratischen Dialog als erste philosophische Form eines orientierenden Gesprächs. Ein interpretierender Gang durch den Dialog „Charmides“ erarbeitet die bemerkenswerte und hochaktuelle Leistung des sokratischen Gesprächs.
Das Buch sucht an der Grenze von Psychologie und Philosophie nach dem Beitrag des sokratischen Dialogs zur Lebensorientierung. Es ist an jeden gerichtet, der sich wissenschaftlich mit Problemen einer gelingenden Lebensführung auseinandersetzt oder sich selbst und anderen zu helfen versucht.
Paper by Viktoria Bachmann
Asmuth, Chr./ Helling, S. (Hrsg.), Anthropologie in der Klassischen Deutschen Philosophie, 2021
Die Bemühung um eine Bestimmung des Menschen scheint in der kritischen Philosophie Kants keinen P... more Die Bemühung um eine Bestimmung des Menschen scheint in der kritischen Philosophie Kants keinen Platz zu haben. Drängend und vorrangig scheint doch die Frage nach der Möglichkeit von Metaphysik zu sein, der Kant durch eine Kritik des "Vernunftvermögens überhaupt" nachgehen möchte. 1 Bei genauerem Hinsehen fällt allerdings schon in der Vorrede zur "Kritik der reinen Vernunft" auf, dass die Belästigung der menschlichen Vernunft durch unabweisbare und zugleich unlösbare Fragen den Anlass der umfangreichen Analyse darstellt. 2 Wenn Kant zudem den Ansatz zur Überwindung der Krise der Philosophie darin sieht, dass "die Gegenstände […] sich nach unserem 3 Erkenntnis richten [müssen]", 4 so dass die Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche gestärkt werde 5 , dann kann das kritische Projekt nicht unabhängig von einer Selbstvergewisserung des Menschen betrieben werden. Vor diesem Hintergrund leuchtet es durchaus ein, wenn Brandt zwar "die sittliche Bestimmung des einzelnen Menschen und der Menschheit im Ganzen" als das "dirigierende Zentrum der Kantischen Philosophie" bezeichnet 6 , aber auch davon spricht, dass die "Anthropologie […] kein Teil der kritischen Philosophie oder der Transzendentalphilosophie" ist 7. Diese Spannung lässt sich durch die verschiedenen methodischen Ansprüche erklären, die Kant für die Begründung der Erkenntnismöglichkeiten und der Moral in den kritischen Schriften und für die auf Weltgewandtheit zielenden Überlegungen in den anthropologischen und geschichtsphilosophischen Schriften erhebt. Die Gründe sollen gänzlich a priori unter Absehung von empirischen Erfahrungen gefunden werden, damit sie nicht nur für Menschen, sondern für alle vernünftigen Wesen gelten können. Die Weltgewandtheit ist aber auf einen Erfahrungsreichtum angewiesen, der nach systematischen Gesichtspunkten geordnet werden muss, um im Umgang mit sich und anderen Menschen nützlich sein zu können 8. Diese doppelte Zielsetzung ist aber nicht bloß den ggf. zufälligen Interessen Kants geschuldet, sondern verweist auf eine systematische Doppelbestimmung des Menschen durch Vernunft und Sinnlichkeit im Denken Kants. Diesem Verständnis des Menschen will ich im vorliegenden Aufsatz anhand von zwei Fragen nachgehen: 1. Was ist der Mensch? und ausgehend von der Antwort auf diese 2. Wie ist eine vollständige Verwirklichung der Vernunft in der Menschengattung möglich? Abschließend soll 3. ein zentrales Problemfeld einer normativen Anthropologie, die transzendental vorgeht, reflektiert werden.
Fröhlich, B./ Hansen, H./ Heimann, R. (Hrsg.): Platonisches Denken heute, Baden-Baden, 2021
„Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, dass si... more „Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, dass sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht“, lautet das vielzitierte Diktum Whiteheads. Martens stimmt dem Urteil bei und ergänzt, „dass Platons Philosophie ihrerseits, wie jede andere auch, nur aus einer Reihe von Fußnoten zu Sokrates besteht“. Warum sind so viele Fußnoten notwendig? Ein Blick in die Rezeptionsgeschichte zeigt, dass schon die erste Schülergeneration vor großen Verständnisschwierigkeiten der Platonischen Philosophie steht. Diese hermeneutische Herausforderung wird insbesondere an der sogenannten Ideenlehre sichtbar, die für Denker von der Antike bis heute zum Anknüpfungs- und zugleich Kritikpunkt der Beschäftigung mit Platon geworden ist. Was ist eine Idee und was ist ihre philosophische Funktion?
„In meiner Jugend nämlich, o Kebes, hatte ich ein wunderbares Bestreben nach jener Weisheit, die man Naturkunde nennt; denn es dünkte mich ja etwas Herrliches, die Ursachen von allem zu wissen“ (Platon, Phaidon 96a). Mit diesen Worten leitet Sokrates im "Phaidon" einen Rückblick auf den Beginn seiner philosophischen Forschungen ein. Bei seiner Suche nach den Ursachen von allem wendet er sich zunächst der zeitgenössischen Wissenschaft, der περὶ φύσεοως ἱστοριαν, zu. Nachdem sich deren Theorien aber als ungenügend erwiesen, stellt der junge Sokrates die These auf, dass die Teilhabe an den Ideen die Eigenschaften der Dinge begründe (Platon, Phaidon 99d-102e). Als so genannte Ideenlehre wurde diese These durch Aristoteles geschichtsträchtig Platon zugeschrieben, obwohl schon der junge Sokrates im Dialog "Parmenides" zugeben muss, dass die Idee zwar notwendig, aber unmöglich ist (Platon, Parmenides 128e-135c). Sokrates findet nach einigen Zwischenstufen eine eigene Lösung der Ursachenfrage, die in Platons Tugenddialogen vorgeführt und in den berühmten Gleichnissen der "Politeia" reflektiert wird. Die Idee ist dabei eine gänzlich andere geworden.
Der Beitrag beschäftigt sich mit dieser Erfindung der Idee durch den jungen Sokrates, deren Kritik durch Parmenides und der neuen Lösung dieser Probleme. Im ersten Schritt rekonstruiere ich die Einführung und Problematisierung der Idee im naturphilosophischen Kontext anhand einschlägiger Passagen aus dem "Phaidon" und "Parmenides" rekonstruieren. Darin wird die Idee als eine Annahme des jungen Sokrates eingeführt. Unabhängig von einer möglichen eigenen Theorie scheint Platon den Leser also darauf aufmerksam machen zu wollen, dass eine so verstandene Idee nicht seine Erfindung und ggf. auch nicht das letzte Wort dazu ist. In einem zweiten Schritt arbeite ich die Verwendung der Idee durch den älteren Sokrates im ethischen Kontext anhand von Passagen aus den Tugenddialogen und der "Politeia" heraus. Dieses Ideenverständnis stellt Platon als eine spätere Position in Sokrates Bildungsbiographie dar. In systematischer Perspektive ist hier zu fragen, ob dieser Ansatz über die Probleme des ersten Verständnisses hinausgelangt. Abschließend stelle ich als ein synoptisches Ergebnis der Untersuchung meine Deutung der Idee als das unterstellte Verstehbare vor.
Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft, 2020
Encyclopedia of Concise Concepts by Women Philosophers, 2019
this, Socrates, is the final object of all those previous toils" (210e). Beauty itself transcends... more this, Socrates, is the final object of all those previous toils" (210e). Beauty itself transcends all previous stages (211a-b). However, this experience enables the fulfilment of love by bringing forth "not illusions but true examples of virtue, since his contact is not with illusion but with truth" (212a).
Ápeiron. Estudios de filosofía, 2019
Heraclitus’ work raised many questions among his contemporaries and subsequent generations of res... more Heraclitus’ work raised many questions among his contemporaries and subsequent generations of researchers. If one understands it as a cosmology in the Milesian tradition, then the manifold sayings about people, the state and god, which seem to have no place in a pure natural doctrine, are astonishing. If one understands it the other way round, as an enlightenment of the human world, then the observations of the cosmic dynamics appear as foreign bodies. If one looks alternatively within the work for an approach for the connection of the mentioned aspects, then Heraclitus’ emphasis on self-enquiry catches the eye. In this study I would like to approach Heraclitus’ thinking about this track by three larger steps. In the first step I will reconstruct the problem situation (1) which humans can overcome, according to Heraclitus, by self-enquiry. In the second step I follow Heraclitus’ self-enquiry concerning the cosmos (2), in order to examine, in the third and last step, its understanding of humans (3) by the dimensions psyché, logos and ethos. Psyché seems to be understood as a collective term for human potentials in need of development, which transcend and shape his immediate world relationship. Logos is shown on human and cosmos as a mental activity and spiritual movement that, by analysing connections, creates unity in diversity and thereby clarifies and, if necessary, also changes the meaning and relationship of things to each other. The right ethos is finally realized by a human being who chooses a life in constant, self-increasing movement. This human corresponds to the principle of the cosmos established by Heraclitus and therefore lives κατὰ φύσιν.
Zehnpfennig, B. (Hrsg.), Die Sophisten. Ihr politisches Denken in antiker und zeitgenössischer Gestalt, 2019
Protagoras’ berühmter Satz, der Mensch sei das Maß aller Dinge, bringt die von den Sophisten akze... more Protagoras’ berühmter Satz, der Mensch sei das Maß aller Dinge, bringt die von den Sophisten akzentuierte Hinwendung zum Menschen auf den Begriff und kann deshalb als gemeinsame Leitthese der Sophistik auffasst werden . Obwohl die politischen Positionen der Sophisten teilweise stark differieren, lässt sich doch das Ausgehen vom Menschen als erkenntnistheoretische Neuerung dieser Denkströmung festhalten. In den vorhergehenden Denktraditionen (mythisch-religiöse Dichtung und vorsokratische Naturphilosophie) hatte der Mensch eine gänzlich andere Stellung inne. Im Mythos werden die Menschen stets von den Göttern her gedacht, die in jeglicher Hinsicht als Maß fungieren . Die Vorsokratiker interessieren sich in erster Linie für metaphysische Fragen des Seins, so dass der Mensch für sie keinen Forschungsgegenstand im eigentlichen Sinne darstellt .
Diese beiden Traditionen bilden den geistigen Hintergrund vor dem die Sophistik entsteht. Bevor hier das protagoreische Verständnis des Menschen selbst untersucht wird, soll deshalb im ersten Schritt die Stellung des Menschen in dem Denken vor der Sophistik kurz umrissen werden. Im zweiten Schritt soll das Verständnis des Menschen bei Protagoras aus den platonischen Dialogen herausgearbeitet werden, da das platonische Werk unsere wichtigste Quelle für das protagoreische Werk darstellt . Hierbei lege ich die Auseinandersetzung mit dem Homo-Mensura-Satz im Theaitetos als Hauptquelle zugrunde. Im dritten und letzten Schritt soll die Frage gestellt werden, was das spezifisch Sophistische an dem Menschenbild des Protagoras ist.
Bachmann, V. /Heimann, R. (Hrsg.): Grenzen des Menschseins. Sterblichkeit und Unsterblichkeit im frühgriechischen Denken, 2019
Der Beitrag fragt nach dem spezifisch sokratischen Umgang mit der menschlichen Sterblichkeit. Nac... more Der Beitrag fragt nach dem spezifisch sokratischen Umgang mit der menschlichen Sterblichkeit. Nach einer Rekonstruktion der bekannten Unsterblichkeitsbeweise im „Phaidon“ untersucht er deren vorsokratische Ursprünge in den ontologischen Überlegungen von Heraklit und Empedokles. Im Vergleich der Positionen von Heraklit, Empedokles und Sokrates werden die verschiedenen Verständnisse menschlicher Sterblichkeit deutlich. Gemeinsames lässt sich feststellen in der Beschreibung der Dynamik des Werdens, in der Doppelbestimmung des Menschen und in der Betonung der menschlichen Möglichkeit, die eigene Lebensweise zu wählen. In der sokratischen Verarbeitung der naturphilosophischen Ansätze verschiebt sich allerdings der Fokus von der Ontologie zur Ethik. Aus sokratisch-platonischer Sicht ist nicht der physische Tod die eigentliche Gefährdung der menschlichen Existenz, sondern der Tod des Logos. In der beständigen philosophischen Selbstprüfung kann der Mensch seinen Logos am Leben halten.
Blog - Philosophie.ch, 2019
Philosophen haben schon seit der Antike darüber nachgedacht, was ein guter Mensch ist und wie man... more Philosophen haben schon seit der Antike darüber nachgedacht, was ein guter Mensch ist und wie man gut lebt, aber: Für wen ist philosophisches Nachdenken über die Lebensführung überhaupt nützlich und sinnvoll? Ist die Art, das eigene Leben zu führen, nicht eine höchst persönliche und subjektive Entscheidung und damit kein relevanter Gegenstand des wissenschaftlichen Nachdenkens? Was kann die Philosophie zur Verbesserung der eigenen Lebensqualität beitragen?
Hartung, G./ Herrgen, M. (Hrsg.), Interdisziplinäre Anthropologie. Jahrbuch 5/2017: Lebensspanne 2.0, 2018
Streubel, Thorsten: Kritik der philosophischen Vernunft. Die Frage nach dem Menschen und die Meth... more Streubel, Thorsten: Kritik der philosophischen Vernunft. Die Frage nach dem Menschen und die Methode der Philosophie. Versuch einer methodologischen Grundlegung, Wiesbaden 2016, 374 Seiten.
Buchhammer, Brigitte (Hrsg.), Lernen, Mensch zu sein, Berlin/ Münster, 2017
Die Frage danach, was Menschen zu Menschen macht und welche Stellung dem Menschen im Weltganzen z... more Die Frage danach, was Menschen zu Menschen macht und welche Stellung dem Menschen im Weltganzen zukommt, ist eine unserer ältesten philosophischen Fragen. Die Philosophiegeschichte kann deshalb auch als eine Geschichte des Nachdenkens über den Menschen begriffen werden (vgl. bspw. Landmann 1962). Abgesehen von fragmentarischen Überlieferungen früherer Denker enthält das platonische Werk die erste klassisch-philosophische Bestimmung des Menschen (vgl. Pleger 2013). Allerdings ist hier keine Anthropologie in dem für uns heute geläufigen Sinne einer systematischen Abhandlung vorhanden. Vielmehr durchzieht die Thematik des Menschseins das gesamte Werk in unterschiedlicher Intensität und wird in verschiedenen Hinsichten durchdacht . Etwas vereinfachend, synoptisch gesprochen, beinhaltet das Menschsein, wenn man denn der platonischen Überlegung folgen wollte, eine schwierige Aufgabe und eine Möglichkeit. Der Mensch strebe so Platon danach, etwas zu sein, was er nicht ist: ein guter und glücklicher Mensch. Die Aufgabe könnte man deshalb als Selbstbildung bezeichnen, das Glück wäre die darin enthaltene Möglichkeit. Doch, was ist Glück? Die Antwort auf diese Frage ist auch nach 2500 Jahren Philosophiegeschichte umstritten.
Das ungewöhnliche Verhältnis zu einem Ziel, das man trotz fehlender Kenntnis erstrebt, thematisiert Platon im „Symposion“. Der Mensch führe demnach eine erotische Existenz, d.h. er strebe ständig nach etwas, das ihm fehlt. Dieses Streben durchziehe alle Lebensbereiche und könne den Menschen zur Glückseligkeit führen, wenn es richtig vollzogen wird. Die „Politeia“ stellt den Weg des Menschen ebenfalls dar. Sie enthält den Entwurf eines umfassenden Bildungsganges, der den „inneren Menschen“ kräftigen soll (vgl. Platon, Politeia IX, 588b-589c). Man kann deshalb davon sprechen, dass der Mensch im Verlauf dieses Bildungsgangs lernt im vollen Sinne Mensch zu sein.
In dem vorliegenden Beitrag werde ich mich der Thematik des Bandes anhand der genannten Werke Platons in zwei Fragen nähern. Erstens: Was ist die menschliche Ausgangslage? Zweitens: Was ändert sich im Verlaufe des Bildungsweges?
Oberprantacher, A./ Siegetsleitner, A. (Hrsg.), Mensch sein – Fundament, Imperativ oder Floskel?, Innsbruck , 2017
Hartung, G./ Herrgen, M. (Hrsg.), Interdisziplinäre Anthropologie (3/2015): Religion und Ritual, Wiesbaden, 2016
Kant-Lexikon, hrsg. von Willaschek, M./ Stolzenberg, J./ Mohr, G./ Bacin, St., Berlin, 2015
Quante, M. (Hrsg.), XXIII. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Philosophie 2014, Münster/ 2, 2014
Sokrates und Platon gehören unumstritten zu den bedeutendsten Denkern der Philosophiegeschichte. ... more Sokrates und Platon gehören unumstritten zu den bedeutendsten Denkern der Philosophiegeschichte. Doch darüber, worin ihre eigentliche Bedeutung besteht, was das Besondere und Paradigmatische dieser Philosophie ist, herrscht schon seit den Anfängen ihrer philosophischen Kommentierung in der Antike keineswegs Einigkeit. Drei unterschiedliche Deutungen durch philosophische Größen will ich hier exemplarisch nennen:
Aristoteles hebt an Sokrates hervor, dass er die richtige Frage nach dem Was gestellt hätte. Jahrhunderte später knüpft Kant methodisch an Sokrates an und betrachtet die eigene Ethik als ein sokratisches Projekt, weil auch er maieutisch vorgehe. Nietzsche, der der Tradition sonst kritisch gegenüber steht, hat zu Sokrates ein ambivalentes Verhältnis. Als Dialektiker hätte Sokrates die Griechen zu Vernunft und Tugend irregeleitet. Als heiterer Ironiker aber führe Sokrates die richtige Haltung zum Leben vor.
Man könnte weitere Bezugnahmen zitieren, aber schon an diesen drei deutet sich an, dass das Besondere des Sokrates in seiner dialektischen Gesprächsführung zu suchen ist. Platon hat nun in seinem Werk nicht nur Sokrates’ dialektische Gespräche kunstvoll festgehalten, sondern auch zahlreiche Reflexionen über die Bedeutung dieser Gespräche. So wird in der "Apologie" die Bedeutung der Was-Frage aus sokratischer Sicht reflektiert. Im "Theaitetos" erklärt Sokrates selbst das Ziel der Maieutik. Im "Phaidon" schließlich führt er den Zusammenhang von Lebenshaltung und philosophischer Tugendsuche aus.
Im Vortrag werde ich den skizzierten geschichtlichen Bezugnahmen exemplarisch Darstellungen aus den genannten Dialogen Platons gegenüberstellen, um das Besondere des sokratisch-platonischen Denkens herauszuarbeiten.
Sonstiges by Viktoria Bachmann
Die Weisheit (sophia) gilt seit der klassischen Antike als die höchste Tugend, die Vollendung des... more Die Weisheit (sophia) gilt seit der klassischen Antike als die höchste Tugend, die Vollendung des Menschen überhaupt. Die Frage nach der Weisheit ist somit zugleich die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen des Menschseins. In der Antike findet sich eine später kaum überbotene Vielfalt von Konzepten zur Weisheit und des Zugangs zu ihr, was sich bereits in den begrifflichen Unterscheidungen von Sophisten (sophistai), Weisen (sophoi) und Philosophen (philosophoi) andeutet. Der diesjährige Workshop der AG " Philosophische Anthropologie in der Antike " widmet sich den verschiedenen antiken Weisheitskonzeptionen, ihren Transformationen, Kontinuitäten und anthropologischen Implikationen. Wir laden hiermit alle Interessierten ein, uns Vorschläge für einen Beitrag von ca. 20 min zu schicken. Außerdem möchten wir Sie um einen Vorschlag für eine kurze Textpassage bitten, die Sie im Workshop lesen und diskutieren wollen. Schicken Sie uns bitte bis zum 28.02.2018 eine kurze Vortragsskizze und die Textpassage per E-Mail an [email protected] und [email protected]. Weitere Informationen zur AG " Philosophische Anthropologie in der Antike " finden Sie unter:
Bildung ist nicht erst seit Kurzem ein Thema, an dem sich die öffentliche Debatte erhitzt. Schon ... more Bildung ist nicht erst seit Kurzem ein Thema, an dem sich die öffentliche Debatte erhitzt. Schon in der Antike war die Bildung der Jugend eine der zentralen Aufgaben des Staates und eine der Grundanliegen der verschiedenen philosophischen Schulen. Doch was meint der Begriff der Bildung? Die bis heute bestehende Kontroverse bewegt sich zwischen zwei Polen: einerseits Bildung als eine Aneignung von praktischen und theoretischen Kompetenzen, andererseits Bildung als eine Formung des Charakters und Entwicklung des menschlichen Selbst.
Der diesjährige Workshop der AG „Philosophische Anthropologie in der Antike“ widmet sich den anthropologischen Grundlagen der verschiedenen antiken Paideia-Konzeptionen, ihren Transformationen und Kontinuitäten.
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Book by Viktoria Bachmann
Diese Perspektive bestimmt den Aufbau des Bandes, der zentrale platonische Texte vom Tugenddialog her deutet: die Darstellung seines Vollzugs im Frühwerk, dessen Reflexion im Mittelwerk sowie die Voraussetzungen und Resultate des Aufstiegs auch im Spätwerk. Ein Ausblick in den Neuplatonismus zeigt, dass dessen mystisch-religiöse Umdeutung des Aufstiegs den für Platon entscheidenden Aspekt schon früh verliert: die Transformation des Menschen im Tugenddialog.
Auch für das antike Denken stellt diese Thematik ein anthropologisches Prisma dar. Der geplante Band möchte die wirkmächtigen Positionen des frühgriechischen Denkens aus verschiedenen Perspektiven nachzeichnen: I. Dichtung, II. Naturphilosophie, III. Sophistik, IV. Platonische Philosophie.
Historische und systematische Fragen sollen gleichermaßen angesprochen werden. Dazu zählen u.a. das jeweilige Verständnis der Sterblichkeit und Unsterblichkeit, die Zusammenhänge zum Verständnis der menschlichen Seele, der Natur und des Göttlichen, sowie die Implikationen für die praktische Lebensführung und die Wertvorstellungen.
Das Ziel des Bandes ist ein tieferes Verständnis des antiken anthropologischen Denkens anhand der Thematik der Sterblichkeit und Unsterblichkeit.
Diese Abhandlung sucht nach einem Ausweg, nach einer rationalen Grundlage für die persönliche Lebensentscheidung. Die Hauptpositionen der gegenwärtigen Debatte werden auf ihre Vordenker – Kant, Aristoteles und Sokrates – zurückgeführt und nach dem Vorbild der sokratischen Prüfung immanent entfaltet, um sie schließlich an ihren eigenen Voraussetzungen zu messen.
Der Nachvollzug des jeweiligen Denkens verdeutlicht Begründungsstrukturen, die auch in der Gegenwartsdebatte herangezogen werden: Aristoteles sieht den Grund des guten Lebens im richtigen Ziel der menschlichen Tätigkeiten; Kant hingegen im zwecksetzenden Vernunftvermögen. Bei beiden Konzeptionen zeigen sich immanente Schwierigkeiten. Die sokratische Prüfung in Platons Tugenddialogen eröffnet eine nichtskeptische Alternative jenseits dieser Dichotomie.
Ausgehend von C. Taylor werden zwei zentrale Aufgaben formuliert, die eine Wissenschaft zur Lebensorientierung erfüllen muss. Die Sichtung einschlägiger psychologischer Gesprächsverfahren verweist auf den sokratischen Dialog als erste philosophische Form eines orientierenden Gesprächs. Ein interpretierender Gang durch den Dialog „Charmides“ erarbeitet die bemerkenswerte und hochaktuelle Leistung des sokratischen Gesprächs.
Das Buch sucht an der Grenze von Psychologie und Philosophie nach dem Beitrag des sokratischen Dialogs zur Lebensorientierung. Es ist an jeden gerichtet, der sich wissenschaftlich mit Problemen einer gelingenden Lebensführung auseinandersetzt oder sich selbst und anderen zu helfen versucht.
Paper by Viktoria Bachmann
„In meiner Jugend nämlich, o Kebes, hatte ich ein wunderbares Bestreben nach jener Weisheit, die man Naturkunde nennt; denn es dünkte mich ja etwas Herrliches, die Ursachen von allem zu wissen“ (Platon, Phaidon 96a). Mit diesen Worten leitet Sokrates im "Phaidon" einen Rückblick auf den Beginn seiner philosophischen Forschungen ein. Bei seiner Suche nach den Ursachen von allem wendet er sich zunächst der zeitgenössischen Wissenschaft, der περὶ φύσεοως ἱστοριαν, zu. Nachdem sich deren Theorien aber als ungenügend erwiesen, stellt der junge Sokrates die These auf, dass die Teilhabe an den Ideen die Eigenschaften der Dinge begründe (Platon, Phaidon 99d-102e). Als so genannte Ideenlehre wurde diese These durch Aristoteles geschichtsträchtig Platon zugeschrieben, obwohl schon der junge Sokrates im Dialog "Parmenides" zugeben muss, dass die Idee zwar notwendig, aber unmöglich ist (Platon, Parmenides 128e-135c). Sokrates findet nach einigen Zwischenstufen eine eigene Lösung der Ursachenfrage, die in Platons Tugenddialogen vorgeführt und in den berühmten Gleichnissen der "Politeia" reflektiert wird. Die Idee ist dabei eine gänzlich andere geworden.
Der Beitrag beschäftigt sich mit dieser Erfindung der Idee durch den jungen Sokrates, deren Kritik durch Parmenides und der neuen Lösung dieser Probleme. Im ersten Schritt rekonstruiere ich die Einführung und Problematisierung der Idee im naturphilosophischen Kontext anhand einschlägiger Passagen aus dem "Phaidon" und "Parmenides" rekonstruieren. Darin wird die Idee als eine Annahme des jungen Sokrates eingeführt. Unabhängig von einer möglichen eigenen Theorie scheint Platon den Leser also darauf aufmerksam machen zu wollen, dass eine so verstandene Idee nicht seine Erfindung und ggf. auch nicht das letzte Wort dazu ist. In einem zweiten Schritt arbeite ich die Verwendung der Idee durch den älteren Sokrates im ethischen Kontext anhand von Passagen aus den Tugenddialogen und der "Politeia" heraus. Dieses Ideenverständnis stellt Platon als eine spätere Position in Sokrates Bildungsbiographie dar. In systematischer Perspektive ist hier zu fragen, ob dieser Ansatz über die Probleme des ersten Verständnisses hinausgelangt. Abschließend stelle ich als ein synoptisches Ergebnis der Untersuchung meine Deutung der Idee als das unterstellte Verstehbare vor.
Diese beiden Traditionen bilden den geistigen Hintergrund vor dem die Sophistik entsteht. Bevor hier das protagoreische Verständnis des Menschen selbst untersucht wird, soll deshalb im ersten Schritt die Stellung des Menschen in dem Denken vor der Sophistik kurz umrissen werden. Im zweiten Schritt soll das Verständnis des Menschen bei Protagoras aus den platonischen Dialogen herausgearbeitet werden, da das platonische Werk unsere wichtigste Quelle für das protagoreische Werk darstellt . Hierbei lege ich die Auseinandersetzung mit dem Homo-Mensura-Satz im Theaitetos als Hauptquelle zugrunde. Im dritten und letzten Schritt soll die Frage gestellt werden, was das spezifisch Sophistische an dem Menschenbild des Protagoras ist.
Das ungewöhnliche Verhältnis zu einem Ziel, das man trotz fehlender Kenntnis erstrebt, thematisiert Platon im „Symposion“. Der Mensch führe demnach eine erotische Existenz, d.h. er strebe ständig nach etwas, das ihm fehlt. Dieses Streben durchziehe alle Lebensbereiche und könne den Menschen zur Glückseligkeit führen, wenn es richtig vollzogen wird. Die „Politeia“ stellt den Weg des Menschen ebenfalls dar. Sie enthält den Entwurf eines umfassenden Bildungsganges, der den „inneren Menschen“ kräftigen soll (vgl. Platon, Politeia IX, 588b-589c). Man kann deshalb davon sprechen, dass der Mensch im Verlauf dieses Bildungsgangs lernt im vollen Sinne Mensch zu sein.
In dem vorliegenden Beitrag werde ich mich der Thematik des Bandes anhand der genannten Werke Platons in zwei Fragen nähern. Erstens: Was ist die menschliche Ausgangslage? Zweitens: Was ändert sich im Verlaufe des Bildungsweges?
Aristoteles hebt an Sokrates hervor, dass er die richtige Frage nach dem Was gestellt hätte. Jahrhunderte später knüpft Kant methodisch an Sokrates an und betrachtet die eigene Ethik als ein sokratisches Projekt, weil auch er maieutisch vorgehe. Nietzsche, der der Tradition sonst kritisch gegenüber steht, hat zu Sokrates ein ambivalentes Verhältnis. Als Dialektiker hätte Sokrates die Griechen zu Vernunft und Tugend irregeleitet. Als heiterer Ironiker aber führe Sokrates die richtige Haltung zum Leben vor.
Man könnte weitere Bezugnahmen zitieren, aber schon an diesen drei deutet sich an, dass das Besondere des Sokrates in seiner dialektischen Gesprächsführung zu suchen ist. Platon hat nun in seinem Werk nicht nur Sokrates’ dialektische Gespräche kunstvoll festgehalten, sondern auch zahlreiche Reflexionen über die Bedeutung dieser Gespräche. So wird in der "Apologie" die Bedeutung der Was-Frage aus sokratischer Sicht reflektiert. Im "Theaitetos" erklärt Sokrates selbst das Ziel der Maieutik. Im "Phaidon" schließlich führt er den Zusammenhang von Lebenshaltung und philosophischer Tugendsuche aus.
Im Vortrag werde ich den skizzierten geschichtlichen Bezugnahmen exemplarisch Darstellungen aus den genannten Dialogen Platons gegenüberstellen, um das Besondere des sokratisch-platonischen Denkens herauszuarbeiten.
Sonstiges by Viktoria Bachmann
Der diesjährige Workshop der AG „Philosophische Anthropologie in der Antike“ widmet sich den anthropologischen Grundlagen der verschiedenen antiken Paideia-Konzeptionen, ihren Transformationen und Kontinuitäten.
Diese Perspektive bestimmt den Aufbau des Bandes, der zentrale platonische Texte vom Tugenddialog her deutet: die Darstellung seines Vollzugs im Frühwerk, dessen Reflexion im Mittelwerk sowie die Voraussetzungen und Resultate des Aufstiegs auch im Spätwerk. Ein Ausblick in den Neuplatonismus zeigt, dass dessen mystisch-religiöse Umdeutung des Aufstiegs den für Platon entscheidenden Aspekt schon früh verliert: die Transformation des Menschen im Tugenddialog.
Auch für das antike Denken stellt diese Thematik ein anthropologisches Prisma dar. Der geplante Band möchte die wirkmächtigen Positionen des frühgriechischen Denkens aus verschiedenen Perspektiven nachzeichnen: I. Dichtung, II. Naturphilosophie, III. Sophistik, IV. Platonische Philosophie.
Historische und systematische Fragen sollen gleichermaßen angesprochen werden. Dazu zählen u.a. das jeweilige Verständnis der Sterblichkeit und Unsterblichkeit, die Zusammenhänge zum Verständnis der menschlichen Seele, der Natur und des Göttlichen, sowie die Implikationen für die praktische Lebensführung und die Wertvorstellungen.
Das Ziel des Bandes ist ein tieferes Verständnis des antiken anthropologischen Denkens anhand der Thematik der Sterblichkeit und Unsterblichkeit.
Diese Abhandlung sucht nach einem Ausweg, nach einer rationalen Grundlage für die persönliche Lebensentscheidung. Die Hauptpositionen der gegenwärtigen Debatte werden auf ihre Vordenker – Kant, Aristoteles und Sokrates – zurückgeführt und nach dem Vorbild der sokratischen Prüfung immanent entfaltet, um sie schließlich an ihren eigenen Voraussetzungen zu messen.
Der Nachvollzug des jeweiligen Denkens verdeutlicht Begründungsstrukturen, die auch in der Gegenwartsdebatte herangezogen werden: Aristoteles sieht den Grund des guten Lebens im richtigen Ziel der menschlichen Tätigkeiten; Kant hingegen im zwecksetzenden Vernunftvermögen. Bei beiden Konzeptionen zeigen sich immanente Schwierigkeiten. Die sokratische Prüfung in Platons Tugenddialogen eröffnet eine nichtskeptische Alternative jenseits dieser Dichotomie.
Ausgehend von C. Taylor werden zwei zentrale Aufgaben formuliert, die eine Wissenschaft zur Lebensorientierung erfüllen muss. Die Sichtung einschlägiger psychologischer Gesprächsverfahren verweist auf den sokratischen Dialog als erste philosophische Form eines orientierenden Gesprächs. Ein interpretierender Gang durch den Dialog „Charmides“ erarbeitet die bemerkenswerte und hochaktuelle Leistung des sokratischen Gesprächs.
Das Buch sucht an der Grenze von Psychologie und Philosophie nach dem Beitrag des sokratischen Dialogs zur Lebensorientierung. Es ist an jeden gerichtet, der sich wissenschaftlich mit Problemen einer gelingenden Lebensführung auseinandersetzt oder sich selbst und anderen zu helfen versucht.
„In meiner Jugend nämlich, o Kebes, hatte ich ein wunderbares Bestreben nach jener Weisheit, die man Naturkunde nennt; denn es dünkte mich ja etwas Herrliches, die Ursachen von allem zu wissen“ (Platon, Phaidon 96a). Mit diesen Worten leitet Sokrates im "Phaidon" einen Rückblick auf den Beginn seiner philosophischen Forschungen ein. Bei seiner Suche nach den Ursachen von allem wendet er sich zunächst der zeitgenössischen Wissenschaft, der περὶ φύσεοως ἱστοριαν, zu. Nachdem sich deren Theorien aber als ungenügend erwiesen, stellt der junge Sokrates die These auf, dass die Teilhabe an den Ideen die Eigenschaften der Dinge begründe (Platon, Phaidon 99d-102e). Als so genannte Ideenlehre wurde diese These durch Aristoteles geschichtsträchtig Platon zugeschrieben, obwohl schon der junge Sokrates im Dialog "Parmenides" zugeben muss, dass die Idee zwar notwendig, aber unmöglich ist (Platon, Parmenides 128e-135c). Sokrates findet nach einigen Zwischenstufen eine eigene Lösung der Ursachenfrage, die in Platons Tugenddialogen vorgeführt und in den berühmten Gleichnissen der "Politeia" reflektiert wird. Die Idee ist dabei eine gänzlich andere geworden.
Der Beitrag beschäftigt sich mit dieser Erfindung der Idee durch den jungen Sokrates, deren Kritik durch Parmenides und der neuen Lösung dieser Probleme. Im ersten Schritt rekonstruiere ich die Einführung und Problematisierung der Idee im naturphilosophischen Kontext anhand einschlägiger Passagen aus dem "Phaidon" und "Parmenides" rekonstruieren. Darin wird die Idee als eine Annahme des jungen Sokrates eingeführt. Unabhängig von einer möglichen eigenen Theorie scheint Platon den Leser also darauf aufmerksam machen zu wollen, dass eine so verstandene Idee nicht seine Erfindung und ggf. auch nicht das letzte Wort dazu ist. In einem zweiten Schritt arbeite ich die Verwendung der Idee durch den älteren Sokrates im ethischen Kontext anhand von Passagen aus den Tugenddialogen und der "Politeia" heraus. Dieses Ideenverständnis stellt Platon als eine spätere Position in Sokrates Bildungsbiographie dar. In systematischer Perspektive ist hier zu fragen, ob dieser Ansatz über die Probleme des ersten Verständnisses hinausgelangt. Abschließend stelle ich als ein synoptisches Ergebnis der Untersuchung meine Deutung der Idee als das unterstellte Verstehbare vor.
Diese beiden Traditionen bilden den geistigen Hintergrund vor dem die Sophistik entsteht. Bevor hier das protagoreische Verständnis des Menschen selbst untersucht wird, soll deshalb im ersten Schritt die Stellung des Menschen in dem Denken vor der Sophistik kurz umrissen werden. Im zweiten Schritt soll das Verständnis des Menschen bei Protagoras aus den platonischen Dialogen herausgearbeitet werden, da das platonische Werk unsere wichtigste Quelle für das protagoreische Werk darstellt . Hierbei lege ich die Auseinandersetzung mit dem Homo-Mensura-Satz im Theaitetos als Hauptquelle zugrunde. Im dritten und letzten Schritt soll die Frage gestellt werden, was das spezifisch Sophistische an dem Menschenbild des Protagoras ist.
Das ungewöhnliche Verhältnis zu einem Ziel, das man trotz fehlender Kenntnis erstrebt, thematisiert Platon im „Symposion“. Der Mensch führe demnach eine erotische Existenz, d.h. er strebe ständig nach etwas, das ihm fehlt. Dieses Streben durchziehe alle Lebensbereiche und könne den Menschen zur Glückseligkeit führen, wenn es richtig vollzogen wird. Die „Politeia“ stellt den Weg des Menschen ebenfalls dar. Sie enthält den Entwurf eines umfassenden Bildungsganges, der den „inneren Menschen“ kräftigen soll (vgl. Platon, Politeia IX, 588b-589c). Man kann deshalb davon sprechen, dass der Mensch im Verlauf dieses Bildungsgangs lernt im vollen Sinne Mensch zu sein.
In dem vorliegenden Beitrag werde ich mich der Thematik des Bandes anhand der genannten Werke Platons in zwei Fragen nähern. Erstens: Was ist die menschliche Ausgangslage? Zweitens: Was ändert sich im Verlaufe des Bildungsweges?
Aristoteles hebt an Sokrates hervor, dass er die richtige Frage nach dem Was gestellt hätte. Jahrhunderte später knüpft Kant methodisch an Sokrates an und betrachtet die eigene Ethik als ein sokratisches Projekt, weil auch er maieutisch vorgehe. Nietzsche, der der Tradition sonst kritisch gegenüber steht, hat zu Sokrates ein ambivalentes Verhältnis. Als Dialektiker hätte Sokrates die Griechen zu Vernunft und Tugend irregeleitet. Als heiterer Ironiker aber führe Sokrates die richtige Haltung zum Leben vor.
Man könnte weitere Bezugnahmen zitieren, aber schon an diesen drei deutet sich an, dass das Besondere des Sokrates in seiner dialektischen Gesprächsführung zu suchen ist. Platon hat nun in seinem Werk nicht nur Sokrates’ dialektische Gespräche kunstvoll festgehalten, sondern auch zahlreiche Reflexionen über die Bedeutung dieser Gespräche. So wird in der "Apologie" die Bedeutung der Was-Frage aus sokratischer Sicht reflektiert. Im "Theaitetos" erklärt Sokrates selbst das Ziel der Maieutik. Im "Phaidon" schließlich führt er den Zusammenhang von Lebenshaltung und philosophischer Tugendsuche aus.
Im Vortrag werde ich den skizzierten geschichtlichen Bezugnahmen exemplarisch Darstellungen aus den genannten Dialogen Platons gegenüberstellen, um das Besondere des sokratisch-platonischen Denkens herauszuarbeiten.
Der diesjährige Workshop der AG „Philosophische Anthropologie in der Antike“ widmet sich den anthropologischen Grundlagen der verschiedenen antiken Paideia-Konzeptionen, ihren Transformationen und Kontinuitäten.
Die Arbeitsgemeinschaft wird sich mit den verschiedenen historischen Phasen (Dichtung, Naturphilosophie, Sophistik, klassische Philosophie, Hellenismus, frühes Christentum) und systematischen Verständnisweisen des Menschen (Naturphänomen, Maß des Seins, Mangelwesen u.ä.m.) beschäftigen. Angesichts der Tatsache, dass in der Antike die heute ausdifferenzierten Disziplinen oftmals noch in sehr engem Zusammenhang betrieben wurden, sind Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Philosophie, Philologie, Theologie, Geschichte, Medizin, Kunstwissenschaften etc.) angesprochen. Die philosophische Diskussion von Problemen, die durch eine fragmentarische Überlieferung philosophischer Schriften entstehen, kann auf diese Weise mit Zugriff auf andere Quellen, wie bspw. historisch-politische Schriften, literarische Texte oder Kunstgegenstände, ergänzt werden.
Die Arbeitsgemeinschaft möchte ein Diskussionsforum für laufende Projekte und für gemeinsame, disziplinäre wie interdisziplinäre Forschung anbieten. Sie richtet sich gleichermaßen an Nachwuchswissenschaftler wie an erfahrene Wissenschaftler.
The Nomos-Physis controversy is regarded as one of the great themes of the sophistic debate in the 5th century BC. This controversy is closely related to the epistemic innovation of sophism: they explicitly use humans as a starting point. Protagoras’ homo mensura theorem sums up this shift in perspective . But what looks like an answer in fact holds a lot of new questions. For as soon as one tries to treat man as a measure, one must consider the question of what exactly the decisive thing about human beings should be. The manifold interests of the Sophists can be grouped in this way.
Thus, according to Nerczuk (2016), the Sophists study 'human nature' based on medicine, but from an ethical-political point of view. According to Buchheim (2006), they discover a 'discontinuity' of Nomos and Physis in humans, which makes education possible and necessary as the correct response. The assessment of whether life according to Nomos, i.e. according to social rules and laws, contributes to the individual happiness varies within the sophistic movement depending on the way in which human Physis is understood. In this context, Balla (2018) distinguishes between 'pessimistic and optimistic anthropologies'. Roughly three sophistic classifications of human beings can be identified: 1. Humans are by nature deficient beings (Mängelwesen), incapable of self-preservation and preserving their species, therefore culture and its laws are the conditions of their survival (Protagoras). 2. By nature, there are stronger and weaker people. For the weaker, the laws are a protection and a means of self-preservation. For the stronger, the laws are an obstacle, limiting their pursuit of self-enhancement. As the stronger, they have a natural right to more (Callicles, Thrasymachos). 3. Human nature is ambivalent. It contains the means to preserve life and to destroy it. Education according to the specific laws of our own culture helps us to practise self-control in order to learn how to distinguish the inherently harmful impulses from the useful impulses. In this respect the performance of the laws is ambivalent (Antiphon).
In my talk I would like to discuss the question of how the individual and social dimensions of human life relate to each other in the context of the Nomos-Physis controversy. Due to the limited amount of time, I am assuming here that Protagoras’ position is familiar to you. I will analyse the positions of Callicles, Thrasymachos and Antiphon in two steps: 1. What is their understanding of the tension between Nomos and Physis? 2. How do they justify the decisive role of Physis over Nomos?
"But it is impossible that evils should be done away with, Theodorus, for there must always be something opposed to the good; and they cannot have their place among the gods, but must inevitably hover about mortal nature and this earth" (Plato, Theaetetus, 176a).
When asked why and how the evil for the good is necessary, one can respond at first with a reference to the logic of language. Evil appears as a pole of a pair of opposites. But if one considers Socrates' definition of the human good in Plato’s "Apology" as an enquiry of virtue (see Plato, Apology, 38a), then the question about the necessity of the evil arises again. If the enquiry is the good, then what is the evil? Since Socrates always has a counterpart in his dialogues about virtue, I will try to answer the question of evil by analysing the counterpart’s way of thinking.