Der Chronist des Augenblicks Selten hat ein Schriftsteller so viel von sich preisgegeben wie Hans... more Der Chronist des Augenblicks Selten hat ein Schriftsteller so viel von sich preisgegeben wie Hans Siemsen in seinen Texten über die Zeit der Weimarer Republik. Seine Prosaskizzen sind flüchtig hingeworfene Notizen, Plaudereien oder sinnfällige philosophische Betrachtungen zum Alltagsleben zwischen den Kriegen, sie leben vom Augenblick der Aufnahme. Das Biografische spielt bei dem Icherzähler Siemsen eine maßgebliche Rolle. Allein aus den Artikeln, die in Zeitungen und Zeitschriften während der Weimarer Republik erscheinen, könnte man seinen Lebensweg extrahieren, eingestreut in Reiseskizzen, Alltagsbeobachtungen, Varieté-, Theater-und Filmbesprechungen. Der Autor ist immer im Text anwesend, er spricht durch diesen von sich selbst. Vielleicht sind diese Schriftzeugnisse durch ihre Unmittelbarkeit so lebendig geblieben und nur die Zeit, von der sie berichten, rückt in weitere Ferne. Um so bemerkenswerter ist, dass Siemsens Name, in den 1920er Jahren von gleicher Prominenz wie jener Kurt Tucholskys oder Alfred Polgars, heute keinen Klang mehr besitzt, trotz einiger Versuche, an ihn zu erinnern-auch noch in jüngster Zeit. [1] Ein Verstummen dieses Autors, der Verlust der Sprache und sein schließliches Vergessen sind dem Schreiben durch das Exil und die spätere Erkrankung immanent, sein »Stoff« war ihm nun abhanden gekommen. Das literarisch-politische Exil gebot einen veränderten Umgang mit dem eigenen Erleben. Es zwang zur Verklausulierung, zur Camouflage und zum Identitätswechsel. Nur sorgfältig gehütete Tagebücher und Briefe geben heute intime Auskunft. Diese aber sind von Siemsen in nur geringem Umfang überliefert, auch fehlt eine aufschlussreiche Korrespondenz.
Der Chronist des Augenblicks Selten hat ein Schriftsteller so viel von sich preisgegeben wie Hans... more Der Chronist des Augenblicks Selten hat ein Schriftsteller so viel von sich preisgegeben wie Hans Siemsen in seinen Texten über die Zeit der Weimarer Republik. Seine Prosaskizzen sind flüchtig hingeworfene Notizen, Plaudereien oder sinnfällige philosophische Betrachtungen zum Alltagsleben zwischen den Kriegen, sie leben vom Augenblick der Aufnahme. Das Biografische spielt bei dem Icherzähler Siemsen eine maßgebliche Rolle. Allein aus den Artikeln, die in Zeitungen und Zeitschriften während der Weimarer Republik erscheinen, könnte man seinen Lebensweg extrahieren, eingestreut in Reiseskizzen, Alltagsbeobachtungen, Varieté-, Theater-und Filmbesprechungen. Der Autor ist immer im Text anwesend, er spricht durch diesen von sich selbst. Vielleicht sind diese Schriftzeugnisse durch ihre Unmittelbarkeit so lebendig geblieben und nur die Zeit, von der sie berichten, rückt in weitere Ferne. Um so bemerkenswerter ist, dass Siemsens Name, in den 1920er Jahren von gleicher Prominenz wie jener Kurt Tucholskys oder Alfred Polgars, heute keinen Klang mehr besitzt, trotz einiger Versuche, an ihn zu erinnern-auch noch in jüngster Zeit. [1] Ein Verstummen dieses Autors, der Verlust der Sprache und sein schließliches Vergessen sind dem Schreiben durch das Exil und die spätere Erkrankung immanent, sein »Stoff« war ihm nun abhanden gekommen. Das literarisch-politische Exil gebot einen veränderten Umgang mit dem eigenen Erleben. Es zwang zur Verklausulierung, zur Camouflage und zum Identitätswechsel. Nur sorgfältig gehütete Tagebücher und Briefe geben heute intime Auskunft. Diese aber sind von Siemsen in nur geringem Umfang überliefert, auch fehlt eine aufschlussreiche Korrespondenz.
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