Silesauridae

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Silesauridae

Fossile Überreste der Gattung Diodorus aus dem Argana-Becken von Marokko: Unvollständiges Dentale (A, Holotyp von Diodorus scytobrachion), sowie ein einzelner isolierter, aber für Silesauriden exemplarischer Zahn (B; nicht maßstäblich)

Zeitliches Auftreten
Mittel- und Obertrias
247,2 bis 208,5 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Sauropsida
Diapsida
Archosauria
Ornithodira
Silesauridae
Wissenschaftlicher Name
Silesauridae
Langer et al., 2009

Die Silesauridae sind eine relativ diverse monophyletische Gruppe (Klade) von mittelgroßen herbivoren oder omnivoren Vogellinien-Archosauriern (Ornithodira) aus der unmittelbaren Verwandtschaft der Dinosaurier. Sie lebten von der frühen Mittel- (Anisium) bis in die jüngere Obertrias (Norium) im westlichen Teil des Superkontinentes Pangaea.

Taxonomische Geschichte und Definition

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Der Name „Silesauridae“ ist im Jahre 2009 in einer Übersichtsarbeit zum Stand der Forschung über die frühen Dinosaurier und ihrer unmittelbaren Vorfahren geprägt worden. Grund dafür war die auf kladistische Methoden[1] gestützte Erkenntnis, dass in der Mittel- und älteren Obertrias, das heißt, in jenem Zeitraum, der für das Verständnis der Evolution der ersten Dinosaurier von besonderem Interesse ist, mehrere relativ spezialisierte Gattungen in der Stammlinie der Dinosaurier (basale Dinosauromorpha genannt) existierten, die näher miteinander verwandt waren als sowohl mit den ersten Dinosauriern als auch mit ursprünglicheren Vertretern der gleichen Entwicklungslinie (siehe Systematik und Fundorte).[2] Die ursprüngliche stammbasierte Definition des Taxons lautete daher:

Alle Archosaurier, die näher mit Silesaurus opolensis verwandt sind, als mit Heterodontosaurus tucki oder Marasuchus lilloensis.“[2]

Nachfolgend wurde diese Definition unter Einbeziehung von Kronengruppen­taxa der Archosaurier wie folgt modifiziert:

Die inklusivste Klade, die Silesaurus opolensis enthält, nicht aber Passer domesticus, Triceratops horridus oder Alligator mississippiensis.“[3]

Die folgenden Merkmale gelten als speziell diagnostisch für die Silesauriden: Zahntragender Knochen des Unterkiefers (Dentale) am vorderen Ende unbezahnt und spitz zulaufend; Zahnkronen im Hauptknochen des Oberkiefers (Maxillare) und Dentale relativ kurz und annähernd dreieckig in Seitenansicht; Kopf des Oberschenkelknochens (Femur) durch eine Aussparung an der Innenseite (medial) deutlich vom Schaft abgesetzt; Oberseite des Femurkopfes mit quer zur Körperlängsachse (medio-lateral) verlaufender Kerbe.[3]

Alle Silesauriden waren mittelgroße, relativ grazile Tiere mit verhältnismäßig langem Hals und eher kleinem Kopf und relativ langen Gliedmaßen.

Diorama mit Lebendrekonstruktionen von Silesaurus (in bipedaler Postur) und dem „Rauisuchier“ Polonosuchus, einem wahrscheinlichen Fressfeind von Silesaurus.

Ihre spezielle Bezahnung zeigt, dass Silesauriden wahrscheinlich Pflanzenfresser (Herbivoren) oder zumindest Allesfresser (Omnivoren) waren.[4] Ihr relativ graziler Körperbau lässt sie als Fluchttiere erscheinen. Die relativ langen Vordergliedmaßen legen nahe, dass sie auf vier Beinen (quadruped) liefen,[4] wenngleich einige Vertreter vormals unter dem Eindruck ihrer „Dinosaurierhaftigkeit“ als zweibeinige (bipede) Läufer rekonstruiert wurden.[5][6] Wahrscheinliche Fressfeinde waren große Archosaurier aus der Stammgruppe der Krokodile (basale Crurotarsier, „Rauisuchier“), oder, bei den geologisch jüngsten Vertretern, frühe Theropoden.[7]

Systematik und Fundorte

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Die Silesauriden sind Stammlinien­vertreter der Vögel innerhalb der Ornithodira, das heißt, sie sind mit Vögeln und Nicht-Vogel-Dinosauriern näher verwandt als mit Flugsauriern (Pterosauria). In kladistischen Analysen bilden sie eine monophyletische Gruppierung (Klade), die die Schwestergruppe der Dinosaurier ist.[3][4][8] Allerdings resultierten einige solcher Analysen in Hypothesen, in denen die Silesauriden als ein paraphyletischesGrade“ im „höheren“ Teil der Stammlinie der Dinosaurier aufscheinen.[9][10]

Das folgende vereinfachte Kladogramm gibt die Position der Silesauriden innerhalb der Stammgruppe der Vögel wieder (nach Nesbitt, 2011),[3] mit einem „H“ gekennzeichnete Kladen enthalten herbivore Vertreter:

  Archosauria (Avesuchia)  

 Pseudosuchia (CrurotarsiH, inkl. Krokodile


  Ornithodira  

 † Flugsaurier (Pterosauria)


  Dinosauromorpha  

 † Lagerpetidae Lagerpeton und engste Verwandte


  Dinosauriformes  

 † Marasuchus


   

 † Silesauridae H


  Dinosaurier (Dinosauria)  

 † Vogelbeckendinosaurier (Ornithischia) H


   

 Echsenbeckendinosaurier (Saurischia) H, inkl. Vögel H








Falls diese Verwandtschaftshypothese stimmt, lieferten die Silesauriden einen Beleg dafür, dass nicht nur in der Krokodil-, sondern auch in der Vogellinie der Archosaurier bereits in der mittleren Trias eine adaptive Radiation im Gange war, im Zuge derer in beiden Linien Gruppen mit herbivoren Vertretern (Crurotarsi: Aetosaurier; Ornithodira: Silesauriden) entstanden.[8] In der Obertrias führte die Radiation in der Vogellinie schließlich zur Entstehung der Dinosaurier. Deren geologisch älteste Vertreter (Herrerasaurus, Eoraptor) zeigen, dass der letzte gemeinsame Vorfahr der Dinosaurier ein Fleischfresser war, und dass die Herbivorie in dieser Klade ein weiteres Mal, und zwar in den beiden Hauptlinien (Ornithischia, Saurischia) jeweils unabhängig voneinander, erworben wurde.[8]

Paläogeographische Weltkarte für die späte Mittel- und frühe Obertrias mit Verzeichnung der Fundorte von Silesauriden

Innerhalb der Silesauridae werden aktuell (2017) die folgenden 9 bis 10 monotypischen Gattungen unterschieden: *

Gattung Lithostratigraphie Geochronologie Geographische Region
Asilisaurus Nesbitt et al., 2010 Manda-Schichten Anis Tansania
Lutungutali Peecook et al., 2013[11] Ntawere-Formation Anis Sambia
Lewisuchus Romer, 1972 Chañares-Formation Ladin La Rioja (Argentinien)
Pseudolagosuchus Arcucci, 1987 ** Chañares-Formation Ladin La Rioja (Argentinien)
Silesaurus Dzik, 2003 § Mittlerer Keuper Karn Polen
Ignotosaurus Martínez et al., 2013[12] Ischigualasto-Formation Karn San Juan (Argentinien)
Diodorus Kammerer et al., 2012 Timezgadiouine-Formation ?KarnNor Marokko
Technosaurus Chatterjee, 1984 Dockum-Gruppe Nor Texas (USA)
Sacisaurus Ferigolo & Langer, 2007 Caturrita-Formation Nor Rio Grande do Sul (Brasilien)
Eucoelophysis Sullivan & Lucas, 1999 Chinle-Formation NorRhät New Mexico (USA)
* 
anerkannte und als Silesauriden eingestufte Gattungen, wo nicht anders vermerkt, nach Kammerer et al. (2012);[4] stratigraphische, geochronologische und geographische Daten aus der jeweiligen Erstbeschreibung, ggf. aktualisiert nach Angaben in der Paleobiology Database[13] (zugrundeliegende Literatur siehe dort, auch für hier unter Quellen nicht gelistete vollst. bibliogr. Angaben zu einigen Erstbeschreibungen); Tabelle geordnet nach geologischem Alter der Fundschichten
** 
möglicherweise ein jüngeres Synonym von Lewisuchus, siehe Nesbitt et al. (2010:Suppl.)[14]
§ 
die Typusgattung der Silesauridae

Von den meisten dieser Gattungen ist nur relativ wenig und unvollständiges Material bekannt. Silesaurus ist bislang (Stand 2017) die einzige Gattung, von der weitgehend vollständige Skelette gefunden wurden, und ein Großteil des Wissens über Silesauriden entstammt dem Studium dieser Fossilien. Der lückenhafte Fossilbericht erschwert es, die genauen Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Gruppe zu ermitteln. So sind in den kladistischen Analysen, die im Zusammenhang mit den drei Erstpublikationen der drei zuletzt beschriebenen Gattungen durchgeführt wurden, jeweils nur die Daten von 6 „Gattungen“ eingeflossen (Asilisaurus, Lewisuchus/Pseudolagosuchus, Silesaurus, Sacisaurus, Eucoelophysis und jeweils die neue Gattung). Dabei wurden stets Lewisuchus/Pseudolagosuchus als das basalste und Asilisaurus als das „nächsthöhere“ Taxon ermittelt. Das untenstehende Kladogramm zeigt den im oberen Teil nicht aufgelösten Konsens aus den Ergebnissen der drei Analysen (Kammerer et al., 2012; Peecook, 2013; Martínez et al., 2013):[4][11][12]

  Silesauridae  

 Lewisuchus/Pseudolagosuchus


   

Asilisaurus


   

Ignotosaurus


   

Diodorus


   

Lutungutali


   

Silesaurus


   

Sacisaurus


   

Eucoelophysis


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  1. Randall B. Irmis, Sterling J. Nesbitt, Kevin Padian, Nathan D. Smith, Alan H. Turner, Daniel Woody, Alex Downs: A Late Triassic Dinosauromorph Assemblage from New Mexico and the Rise of Dinosaurs. Science. Bd. 317, Nr. 5836, 2012, S. 358–361, doi:10.1126/science.1143325 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate).
  2. a b Max C. Langer, Martin D. Ezcurra, Jonathas S. Bittencourt, Fernando E. Novas: The origin and early evolution of dinosaurs. Biological Reviews. Bd. 85, Nr. 1, 2010 (online 2009), S. 55–110, doi:10.1111/j.1469-185X.2009.00094.x (alternativer Volltextzugriff: Universidade de São Paulo).
  3. a b c d Sterling J. Nesbitt: The early evolution of archosaurs: relationships and the origin of major clades. Bulletin of the American Museum of Natural History. Nr. 352, 2011 (online), S. 209, 239 ff. u. a.
  4. a b c d e Christian F. Kammerer, Sterling J. Nesbitt, and Neil H. Shubin: The first silesaurid dinosauriform from the Late Triassic of Morocco. Acta Palaeontologica Polonica. Bd. 57, Nr. 2, 2012, S. 277–284, doi:10.4202/app.2011.0015.
  5. Jerzy Dzik: A beaked herbivorous archosaur with dinosaur affinities from the early Late Triassic of Poland. Journal of Vertebrate Paleontology. Bd. 23, Nr. 3, 2003, S. 556–574, doi:10.1671/A1097 (alternativer Volltextzugriff: ING PAN (Memento vom 3. Januar 2017 im Internet Archive)).
  6. Jorge Ferigolo, Max C. Langer: A Late Triassic dinosauriform from south Brazil and the origin of the ornithischian predentary bone. Historical Biology. Bd. 19, Nr. 1, 2007, S. 556–574, doi:10.1080/08912960600845767 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate).
  7. Robert Niedźwiedzki, Stephen L. Brusatte, Tomasz Sulej, Richard J. Butler: Basal dinosauriform and theropod dinosaurs from the mid-late Norian (Late Triassic) of Poland: Implications for Triassic dinosaur evolution and distribution. Palaeontology. Bd. 57, Nr. 6, 2014, S. 1121–1142, doi:10.1111/pala.12107 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate).
  8. a b c Sterling J. Nesbitt, Christian A. Sidor, Randall B. Irmis, Kenneth D. Angielczyk, Roger M. H. Smith, Linda A. Tsuji: Ecologically distinct dinosaurian sister group shows early diversification of Ornithodira. Nature. Bd. 464, 2010, S. 95–98, doi:10.1038/nature08718.
  9. Martín D. Ezcurra: A review of the systematic position of the dinosauriform archosaur Eucoelophysis baldwini Sullivan & Lucas, 1999 from the upper Triassic of New Mexico, USA. Geodiversitas. Bd. 28, Nr. 4, 2006, S. 649–684 (online)
  10. Max C. Langer, Michael J. Benton: Early Dinosaurs: a phylogenetic study. Journal of Systematic Palaeontology. Bd. 4, Nr. 4, 2006, S. 309–358, doi:10.1017/S1477201906001970 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate)
  11. a b Brandon R. Peecook, Christian A. Sidor, Sterling J. Nesbitt, Roger M. H. Smith, J. Sebastien Steyer, Kenneth D. Angielczyk: A new silesaurid from the upper Ntawere Formation of Zambia (Middle Triassic) demonstrates the rapid diversification of Silesauridae (Avemetatarsalia, Dinosauriformes). Journal of Vertebrate Paleontology. Bd. 33, Nr. 5, 2013, S. 1127–1137, doi:10.1080/02724634.2013.755991 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate).
  12. a b Ricardo N. Martínez, Cecilia Apaldetti, Oscar A. Alcober, Carina E. Colombi, Paul C. Sereno, Eliana Fernandez, Paula Santi Malnis, Gustavo A. Correa, Diego Abelin: Vertebrate succession in the Ischigualasto Formation. Journal of Vertebrate Paleontology. Bd. 32, Nr. 6 [Suppl.: SVP Memoir 12 – Basal sauropodomorphs and the vertebrate fossil record of the Ischigualasto Formation (Late Triassic: Carnian-Norian) of Argentina], 2013, S. 10–30, doi:10.1080/02724634.2013.818546 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate).
  13. Silesauridae. Paleobiology Database, Datenblatt mit weiterführenden Links
  14. Sterling J. Nesbitt, Christian A. Sidor, Randall B. Irmis, Kenneth D. Angielczyk, Roger M. H. Smith, Linda A. Tsuji: Ecologically distinct dinosaurian sister group shows early diversification of Ornithodira. Nature. Bd. 464, 2010, S. 95–98, doi:10.1038/nature08718, Online-Supplementum (PDF 750 kB).
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