Quantisierung (Physik)
Quantisierung ist bei der theoretischen Beschreibung eines physikalischen Systems der Schritt, bei dem Ergebnisse, Begriffe oder Methoden der klassischen Physik so abgeändert werden, dass quantenphysikalische Beobachtungen am System richtig wiedergegeben werden. Unter anderem soll dadurch die Quantelung vieler messbarer Größen erklärt werden, z. B. das Vorliegen bestimmter, diskreter Energiewerte bei den Anregungsstufen eines Atoms.
Ab 1900, zu Beginn der Quantenphysik, bedeutete Quantisierung im Wesentlichen, dass mithilfe bestimmter phänomenologischer Regeln von den nach der klassischen Physik möglichen Prozessen und Zuständen diejenigen auszuschließen waren, die den Beobachtungen widersprachen. Dies kennzeichnet die älteren Quantentheorien, unter ihnen z. B. das Bohrsche Atommodell. Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger fanden 1925/26 unabhängig voneinander zwei Wege, wie man statt der Ergebnisse der klassischen Mechanik deren Grundbegriffe und Grundgleichungen zu modifizieren hat, um daraus quantenphysikalische Beobachtungen richtig vorhersagen zu können. Die gemeinsame Grundlage dieser beiden Wege wird als kanonische Quantisierung bezeichnet. Mit ihr begann die Entwicklung der heutigen Quantenmechanik. Die kanonische Quantisierung lässt sich auch für physikalische Felder durchführen und wurde ab 1927 zur Grundlage der Quantenfeldtheorie.
Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ältere Quantentheorie (1900–1925)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die erste Regel zur Quantisierung wurde 1900 von Max Planck angegeben, um mit den Mitteln der klassischen statistischen Physik das Spektrum der Wärmestrahlung berechnen zu können. Diese damals als Quantenhypothese bezeichnete Regel lautet: Der Energieaustausch zwischen Materie und elektromagnetischer Strahlung der Frequenz findet nur in Quanten der Größe statt, d. h., er ist gequantelt. Darin ist die Konstante das Plancksche Wirkungsquantum.
Die Vorstellung, dass es ein harmonischer Oszillator ist, dem das elektromagnetische Feld Energie zuführt oder abnimmt, leitet zur Aussage, dass er nicht mit beliebig wählbarer Energie angeregt sein kann, sondern nur Zustände mit diskreten äquidistanten Energieniveaus im Abstand besitzt. Diese Auswahl aus dem Kontinuum der klassisch erlaubten Zustände lässt sich aus der allgemeineren Annahme herleiten, jeder Zustand beanspruche im Phasenraum ein Volumen der Größe (pro Raumdimension). Gleichbedeutend ist die Forderung, das Phasenintegral eines Zustands könne für jede Koordinate nur ganzzahlige Vielfache von annehmen (Bohr-Sommerfeldsche Quantenbedingung):
- , ()
Darin ist eine (verallgemeinerte) Ortskoordinate und der zugehörige (kanonische) Impuls, im Sinne der klassischen Mechanik in ihrer Formulierung nach Hamilton oder Lagrange.
Quantenmechanik (ab 1925)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Quantenmechanik modifiziert die Hamiltonsche Mechanik dahingehend, dass die kanonisch konjugierten Orts- und Impulskoordinaten nicht mehr Zahlenwerten („c-Zahl“ für „classical number)“ entsprechen, sondern Operatoren („q-Zahl“ für „quantum number“). Diese Modifikation wird auch 1. Quantisierung oder kanonische Quantisierung genannt.
Die Hamilton-Funktion wird dadurch zum Hamilton-Operator. Solche Größen heißen Observablen, ihre möglichen Messwerte sind durch die Eigenwerte des zugehörigen Operators gegeben, die je nach Operator kontinuierlich oder diskret verteilt (gequantelt) sein können. Die Abweichungen von den Ergebnissen der klassischen Mechanik ergeben sich dadurch, dass diese Operatoren in Produkten nicht miteinander vertauschbar sind. Insbesondere wird die Bohr-Sommerfeldsche Quantenbedingung als Näherung erhalten.
Quantenelektrodynamik (ab 1927)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Quantenelektrodynamik geht von den klassischen Feldgleichungen (hier den Maxwell-Gleichungen) in hamiltonscher Form aus und quantisiert sie nach dem Vorbild der 1. Quantisierung. Aus den Operatoren für die Feldstärke und dem zugehörigen kanonischen Impuls lassen sich Auf- und Absteigeoperatoren bilden, die die Energie des Feldes um jeweils verändern. Darin ist das reduzierte Plancksche Wirkungsquantum und die Kreisfrequenz.
Das ist wie bei den Orts- und Impulsoperatoren des harmonischen Oszillators, hat hier aber die Bedeutung einer Vermehrung oder Verminderung der Anzahl der Photonen, d. h. der Feldquanten des elektromagnetischen Feldes. In gewissem Sinne wird hier also die Teilchenzahl selber zu einer quantentheoretischen Messgröße (Observable) mit gequantelten Eigenwerten, weshalb für das ganze Verfahren die Bezeichnung 2. Quantisierung gebraucht wird.
Andere Quantenfeldtheorien (ab 1934)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Da nicht nur Photonen, sondern alle Teilchen erzeugt und vernichtet werden können, werden sie in der Quantenfeldtheorie als Feldquanten ihrer jeweiligen Felder behandelt. Falls für die Hamilton-Funktion (bzw. Lagrange-Funktion) des betreffenden Feldes keine klassischen Vorbilder existieren, wird diese in Form eines Ansatzes an den Anfang der theoretischen Behandlung gestellt. Die Quantisierung erfolgt nach dem Vorbild der Quantenelektrodynamik, indem Auf- und Absteigeoperatoren eingeführt werden. Sie werden hier als Erzeugungs- bzw. Vernichtungsoperator bezeichnet.
Die Vertauschungsregeln, denen sie genügen, werden festgelegt:
- entweder wie in der Quantenelektrodynamik als Kommutatoren, dann ergeben sich die Feldquanten als Bosonen,
- oder mit einem Vorzeichenwechsel als Antikommutatoren, dann ergeben sich die Feldquanten als Fermionen.
Dieses Verfahren wird als kanonische Feldquantisierung bezeichnet.
Deformationsquantisierung (ab 1970er)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Deformationsquantisierung (auch Phasenraumformulierung der Quantenmechanik) ist eine Quantisierungsmethode, bei der durch Deformation der zugrundeliegenden Geometrie, durch Ersetzen des Produkts der klassischen Observablen mit einem neuen nicht-kommutativen Produkt – genannt Sternprodukt – geschieht eine Deformierung der Poisson-Klammern zu passenden Lie-Klammern und eine Quantisierung des klassischen Hamiltonischen System entsteht. Die Quantenzustände werden durch eine Quasi-Wahrscheinlichkeitsverteilung auf dem Phasenraum beschrieben.[1][2]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walter Weizel: Lehrbuch der Theoretischen Physik. 2. Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg 1958.
- Georg Joos: Lehrbuch der Theoretischen Physik. 11. Auflage. Akad. Verlagsgesellsch., Frankfurt am Main. 1959.
- Albert Messiah: Quantum Mechanics. 1. Auflage. North Holland Publ. Comp., Amsterdam 1958.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Stefan Waldmann: Poisson-Geometrie und Deformationsquantisierung. Springer Verlag, 2001, ISBN 978-3-540-72517-6.
- ↑ Maxim Kontsevich: Deformation Quantization of Poisson Manifolds. In: Letters in Mathematical Physics. Band 66, Nr. 3, 1. Dezember 2003, S. 157–216, doi:10.1023/B:MATH.0000027508.00421.bf, arxiv:q-alg/9709040v1.