Interimskabinett Karzai

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Übergangskabinett Karzai
Interimsbehörde des Islamischen Staats Afghanistan
Karzai als neu ernannter Vorsitzender des Interimskabinetts von Afghanistan trifft den Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten Donald Rumsfeld am 16. Dezember 2001
Interimsvorsitzender Hamid Karzai
Bildung 22. Dezember 2001
Ende 23. Juni 2002
Dauer 183 Tage
Vorgänger Kabinett Omar
(de facto)
Nachfolger Übergangskabinett Karzai
Zusammensetzung
Minister 29

Das Interminskabinett Karzai, auch bekannt als die afghanische Interimsbehörde, war die erste Regierung Afghanistans nach dem Sturz des Taliban-Regimes und die höchste Autorität des Landes vom 22. Dezember 2001 bis zur Vereidigung des Übergangskabinetts Karzai am 24. Juni 2002.

Nach den Anschlägen vom 11. September starteten die Vereinigten Staaten im Rahmen ihres sogenannten Kriegs gegen den Terror die Operation Enduring Freedom. Ziel war es, das Taliban-Regime in Afghanistan zu stürzen. Unmittelbar nach Beginn der US-geführten Invasion organisierten die Vereinten Nationen eine internationale Konferenz in Bonn. Ziel dieser Konferenz war es, in Zusammenarbeit mit führenden afghanischen Anti-Taliban-Akteuren, die Grundlagen für die Wiederherstellung eines afghanischen Staates und die Einrichtung einer Übergangsregierung zu schaffen.

Das Ergebnis dieser Verhandlungen war die sogenannte Bonner Vereinbarung, das die Schaffung einer afghanischen Interimsbehörde vorsah. Diese Behörde sollte am 22. Dezember 2001 offiziell die Macht übernehmen und drei Hauptorgane umfassen: eine Interimsverwaltung, ein Oberstes Gericht und eine Sonderkommission zur Einberufung einer „Not-Loja-Dschirga“. Diese Versammlung sollte innerhalb von sechs Monaten nach Einrichtung der Interimsbehörde stattfinden und eine Übergangsregierung einsetzen, die die Interimsbehörde ersetzen würde.

Die wichtigste Institution dieser Interimsbehörde war die Interimsverwaltung, die aus einem Vorsitzenden, fünf stellvertretenden Vorsitzenden und 24 weiteren Mitgliedern bestehen sollte. Jedes dieser Mitglieder sollte die Leitung eines Ministeriums übernehmen. Im Rahmen der Bonner Vereinbarungen wurde zudem beschlossen, dass Hamid Karzai die Funktion des Vorsitzenden der Interimsverwaltung übernehmen würde.

Nach Abschluss der Loja Dschirga 2002 wurde die Interimsverwaltung durch eine Übergangsverwaltung abgelöst.

Interimskabinett

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Übergangskabinett Karzai[1]
Amt/Ministerium Bild Amtsträger/Minister Information
Partei/Allianz Abstammung Studium/Dienst
Ämter
Vorsitzender
Hamid Karzai Royalist[2] Paschtune
(Kandahar)
Politik
(Master, Indien Indien)
Vizevorsitzender
Mohammed Fahim Nordallianz
Dschamiat-i Islāmi (alliiert)
Tadschike
(Pandschschir)
[3]
Vizevorsitzender
Hedayat Amin Arsala Royalist[2]
Mahāz-e Millī-ye Islāmi
Paschtune
(Kabul)
Wirtschaft
(Doktor, Vereinigte StaatenVereinigte Staaten USA)
Vizevorsitzender
Mohammed Mohaqiq Nordallianz
Hezb-e Wahdat
Hazara
(Balkh)
Islam
(Bachelor, Iran Iran)
Vizevorsitzender
Mohammad Shakir Kargar Nordallianz[2] Usbeke
(Faryab)
Jura
(Bachelor, Afghanistan)
Geschichte
(Master, Sowjetunion)
Philosophie
(Doktor, Russland Russland)
Vizevorsitzender
Sima Samar Royalistin[2] Hazara
(Ghazni)
Medizin
(Bachelor, Afghanistan)
Ministerien
Verteidigung
Mohammed Fahim Nordallianz
Dschamiat-i Islāmi (alliiert)
Tadschike
(Pandschschir)
[3]
Auswärtiges
Abdullah Abdullah Nordallianz
Etelāf-e Millī
Tadschike
(Pandschschir)
Augenmedizin
(Bachelor, Afghanistan)
Inneres
Yunus Qanuni Nordallianz
Dschamiat-i Islāmi
Tadschike
(Pandschschir)
Finanzen
Hedayat Amin Arsala Royalist[2]
Mahāz-e Millī-ye Islāmi
Paschtune
(Kabul)
Wirtschaft
(Doktor, Vereinigte StaatenVereinigte Staaten USA)
Kultur und Information
Sayed Makhdoom Raheen Royalist[2]
Dschamiat-i Islāmi (alliiert)[4]
sunnitischer Sayyid[4]
(Kabul)
Persische Literatur
(Master und Doktor, Iran Iran)
Justiz Abdul Rahim Karimi Nordallianz (alliiert) Usbeke unbekannt
Bildung
Rasul Amin Royalist[2] Paschtune
(Kunar)
Politik
(Bachelor und Master, Pakistan Pakistan)
Soziologie und Anglistik
(Master, Pakistan Pakistan)
Landwirtschaft
Sayed Hussein Anwari Nordallianz
Harākat-e Islāmī
schiitischer Sayyid
(Parwan)
Lehramt
(Afghanistan)
Bewässerung Mangal Hussain Peschawar-Gruppe[2]
Hizb-i Islāmī Hekmatyār
Paschtune unbekannt
Handel
Sayed Mustafa Kazemi Nordallianz
Hezb-e Wahdat
schiitischer Sayyid
(Parwan)
Bergbau und Industrie Mohammed Alim Razm Nordallianz[2] Usbeke unbekannt
Kleinindustrie
Mohammad Arif Noorzai Nordallianz[2] Paschtune
(Kandahar)

(Studium der Landwirtschaft in Afghanistan aufgrund der sowjetischen Invasion abgebrochen)[5]
Höhere Bildung Sharif Fayez Nordallianz[2] Tadschike
(Herat)
Amerikanische Literatur
(Doktor, Vereinigte StaatenVereinigte Staaten USA)
Gesundheit
Suhaila Siddiq [2] Paschtunin[6]
(Kabul)
Dagar Jenral
(Generalleutnantin in der afghanischen Armee)
Medizin
(Doktor, Sowjetunion)
Grenzangelegenheiten Amanullah Khan Zadran Royalist (alliiert)[7] Paschtune
(Paktia)
Energie und Wasser
Mohammad Shakir Kargar Nordallianz[2] Usbeke
(Faryab)
Jura
(Bachelor, Afghanistan)
Geschichte
(Master, Sowjetunion)
Philosophie
(Doktor, Russland Russland)
Haddsch und Moschee Hanif Balkhi [2] Schiite unbekannt
Kommunikation Abdul Rahim Nordallianz
Dschamiat-i Islāmi
Tadschike
(Badachschan)
Bauingenieurwesen
(Bachelor, Afghanistan)
Transport
Sultan Hamid Sultan Nordallianz[2] Hazara
(Kabul)
unbekannt
Zivile Luftfahrt und Tourismus Abdul Rahman
22. Dezember 2001 bis 14. Februar 2002 (†)
Nordallianz[2] Nuristani[2] oder Tadschike[8] unbekannt
Flüchtlinge
Enayatullah Nazari Nordallianz (alliiert)
Dschamiat-i Islāmi (alliiert)
Tadschike
(Parwan)
Politik und Jura
(Afghanistan)
Ländliche Entwicklung Abdul Malik Hamwar Nordallianz Tadschike
(Kapisa)
unbekannt
Arbeit und Soziales Mirwais Sadik Nordallianz[2]
Dschamiat-i Islāmi (alliiert)
Tadschike
(Herat)
Märtyrer und Behinderte
Abdullah Wardak Nordallianz (alliiert)
Tanzīm-e Da'wat-e Islāmī (alliiert)
Paschtune
(Wardak)
Frauen
Sima Samar Royalistin[2] Hazara
(Ghazni)
Medizin
(Bachelor, Afghanistan)
Städtische Entwicklung
Haji Abdul Qadeer Nordallianz
Hezb-i Islami Khālis
Paschtune
(Nangarhar)
Öffentliche Arbeiten Abdul Khalig Fazal Royalist[8] Paschtune unbekannt
Planung
Mohammed Mohaqiq Nordallianz
Hezb-e Wahdat
Hazara
(Balkh)
Islam
(Bachelor, Iran Iran)
Wiederaufbau Mohammad Amin Farhang Royalist[2] Tadschike[9]
(Kabul)
Volkswirtschaftslehre
(Bachelor, Afghanistan; Master und Doktor, Deutschland Deutschland)
Gesamt
  • Nordallianz (62,9 %)
  • Royalisten (28,6 %)
  • keine (5,7 %)
  • Peschawar-Gruppe (2,8 %)
  • Tadschiken 1 (34,3 %)
  • Paschtunen (31,4 %)
  • Hazara 2 (20,0 %)
  • Usbeken (11,4 %)
  • Schiiten (2,9 %)
  • Afghanistan:
    8/30

    Westliche Welt: 3
    3/30

    Iran:
    3/30

    Sowjetunion/Russland:
    2/30

    Pakistan:
    1/30

    Indien:
    1/30

    Sonstige: 4
    16/30
    1 
    2 
    4 
    (keine, unbekannt, umstritten, abgebrochen, unspezifiziert)

    Verhandlungen in Bonn

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    An der Bonner Konferenz nahmen neben elf Mitgliedern der Vereinten Nationen vier Delegationen teil, die verschiedene Anti-Taliban-Fraktionen repräsentierten: 26 Mitglieder der Islamischen Vereinigten Front (im Westen besser bekannt als Nordallianz), 19 der sogenannten Rom-Gruppe (Royalisten, die dem ehemaligen König Mohammed Zahir Schah treu waren), zehn der sogenannten Zypern-Gruppe (Exil-Afghanen mit Verbindungen zum Iran und ablehnender Haltung zum afghanischen Königshaus), sowie sieben der sogenannten Peschawar-Gruppe (überwiegend königsnahe paschtunische Exilanten in Pakistan) bestand.[10] Während der Konferenz kontrollierte die Nordallianz etwa die Hälfte des afghanischen Territoriums, einschließlich der Hauptstadt Kabul. Burhanuddin Rabbani, ein prominentes Mitglied der Nordallianz, hatte den Präsidentenpalast in Kabul übernommen und bestand darauf, dass jegliche Verhandlungen über die Zukunft Afghanistans innerhalb des Landes stattfinden sollten.[11]

    Die Wahl der Führung der Interimsregierung war ein zentraler Streitpunkt. Rabbani war gegen die Festlegung von Namen für die Regierung während der Konferenz. Allerdings entschieden sich die Vertreter der Nordallianz, angeführt von dem jungen Führer Yunus Qanuni, nach erheblichem Druck seitens der USA und Russlands, die Verhandlungen ohne Rabbani fortzusetzen.[11]

    Zu Beginn der Konferenz schien der ehemalige König Zahir Schah breite Unterstützung zu genießen. Doch die Nordallianz lehnte diesen Vorschlag ab. In den letzten Tagen der Konferenz kristallisierten sich zwei Kandidaten für die Leitung der Interimsregierung heraus: Hamid Karzai, ein Paschtune, der von den USA gestützt wurde, und Abdul Satar Sirat, ein Usbeke[11] oder Tadschike und Qanunis Schwager,[12] der von der Rom-Gruppe vorgeschlagen wurde. Schließlich einigten sich die Teilnehmer darauf, Karzai die Leitung der Interimsverwaltung zu übertragen.[11]

    Bildung des Kabinetts

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    Karzai, Fahim und Donald H. Rumsfeld (April 2002)

    Nachdem Karzai als Vorsitzender der Interimsverwaltung gewählt worden war, bildete er ein Kabinett mit 30 Mitgliedern. Etwa die Hälfte der Kabinettspositionen gingen an die Nordallianz, während die Rom-Gruppe acht Positionen besetzte. Diese umfassten auch Warlords, die über private Milizen verfügten. Zu den bekanntesten Mitgliedern der Interimsverwaltung gehörte die sogenannte Pandschschir-Troika,[13][14] bestehend aus Yunus Qanuni, Mohammad Fahim und Abdullah Abdullah, drei Tadschiken aus Pandschschir und führenden Persönlichkeiten der Nordallianz. Afghanistan war seit den frühen 1990er Jahren in einen Zustand schwerer Fragmentierung und Fraktionierung geraten. Karzai versuchte, das Land zu einen, indem er alle vier bedeutenden ethnischen Gruppen im Kabinett repräsentierte.[15][16] Die Einbeziehung unterschiedlicher Warlords in das Kabinett und ihre Ernennung zu hohen Provinzpositionen stieß in Afghanistan hauptsächlich auf negative Reaktionen. Viele betrachteten es als einen Versuch Karzais, nach dem Sturz der Taliban alle wichtigen Akteure in den Wiederaufbau Afghanistans einzubeziehen, um zukünftige Konflikte zu vermeiden.[17]

    Während der Amtszeit der Interimsverwaltung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Warlords, insbesondere zu ethnischen Konflikten zwischen den Anhängern von Abdul Raschid Dostum und Atta Mohammad Noor im Norden Afghanistans.[18] Dieser Streit setzte sich bis etwa 2003 fort. Zusätzlich gab es militärische Auseinandersetzungen zwischen den Milizen von Pacha Khan Zadran und seinen Rivalen, einschließlich Taj Mohammad Wardak, in den Provinzen Paktia und Khost.[19][20] Trotz der Präsenz der Interimsregierung in Kabul hatten die dort eingesetzten Warlords nicht immer die Kontrolle über die Regionen, in denen Kämpfe stattfanden. Die militärischen Spannungen zwischen den verschiedenen Fraktionen behinderten die Bemühungen der zentralen Regierung, eine stabile Herrschaft im ganzen Land zu etablieren.[21]

    Einzelnachweise

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    1. Thomas H. Johnson: The Prospects for Post-Conflict Afghanistan: A Call of the Sirens to the Country's Troubled Past (Memento des Originals vom 1. März 2009 im Internet Archive), Strategic Insights, Februar 2006. Abgerufen am 29. Juni 2009 (englisch). 
    2. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t Staff: The Afghan interim government: who’s who. In: The Guardian. 6. Dezember 2001 (englisch, theguardian.com).
    3. a b First Vicepresident, Mohammad Qasim Fahim
    4. a b Conrad Schetter: Ethnicity and the Political Reconstruction of Afghanistan. 2005 (englisch, zef.de PDF, S. 12).
    5. Profile: Kandahar Profile
    6. Siddiq, Lt Gen. Dr. Mrs. Suhaila Sediqqi Afghan Bios
    7. Zadran, Amanullah Khan Afghan Bios
    8. a b Kulick, Holger: Wer wird was in Afghanistan. Zwei Ministerinnen und 27 umstrittene Ministerposten. In: Spiegel Online. 6. Dezember 2001.
    9. Farhang, Mohamad Amin Dr. Mir Afghan Bios
    10. United Nations Talks on Afghanistan, Außenministerium Japans, 6. Dezember 2001
    11. a b c d Filling the Vacuum: The Bonn Conference, PBS, 2001
    12. Abdul Satar Sirat Afghan Bios
    13. Taheri, Ahmad: Wahlfieber am Hindukusch. In: FAZ.net, 8. Oktober 2004.
    14. Aman, Shahida. POLITICS OF PATRIMONIALISM REVISITED: THE CASE OF AFGHAN STATE MAKING AND UNMAKING
    15. Oliver, Mark: The new Afghan administration In: The Guardian. 5. Dezember 2001
    16. Bezhan, Frud: Remembering Karzai. In: Radiofreeeurope/Radioliberty.
    17. Mukhopadhyay, Dipali: Warlords As Bureaucrats: The Afghan Experience. In: carnegieendowment.org. August 2009.
    18. McCarthy, Rory: Warlords' tanks roll over peace. In: The Guardian. 3. März 2002.
    19. Burns, John F.: A NATION CHALLENGED: WARLORDS; Fighting Erupts in Afghan City as Warlords Compete for Power In: The New York Times. 31. Januar 2002.
    20. Burns, John F.: A NATION CHALLENGED: THE FIGHTING; in a Shift, U.S. Uses Airstrikes to Help Kabul. In: The New York Times. 19. Februar 2002
    21. Brothers in arms. In: The Economist. 8. August 2002.