Ermanno Wolf-Ferrari
Ermanno Wolf-Ferrari (* 12. Januar 1876 in Venedig; † 21. Januar 1948 ebenda) war ein deutsch-italienischer Komponist.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wolf-Ferrari wurde als Hermann Friedrich Wolf geboren und war der Sohn des Malers August Wolf aus Weinheim an der Bergstraße und der Venezianerin Emilia Ferrari, deren Geburtsnamen er ab 1895 seinem Nachnamen hinzufügte. Früh erhielt er Klavierunterricht. Er studierte 1891–1892 an der Accademia di Belle Arti in Rom. Dann wechselte er an die Königliche Akademie der Tonkunst in München und wurde Schüler von Joseph Rheinberger. 1895 kehrte er ohne Abschluss nach Venedig zurück, leitete ab 1896 einen deutschen Chor in Mailand und traf dort Arrigo Boito und Giulio Ricordi, der die Veröffentlichung seiner ersten Kompositionen ablehnte.
1897 heiratete Wolf-Ferrari die Sängerin Clara Kilian. Er zog 1900, nach dem Misserfolg seiner ersten aufgeführten Oper Cenerentola, wieder nach München. Seine frühen Instrumentalwerke wie die Sinfonia da camera op. 8 (1901) und die Kantate La vita nuova op. 9 (1901) nach Dante waren der deutschen romantischen Tradition von Mendelssohn, Schumann und Brahms verpflichtet.
In Deutschland hatte er seine größten Erfolge, als er sich einer Wiederbelebung der Opera buffa zuwandte, mit der sein Name vor allem verbunden ist. Nach Le donne curiose (Die neugierigen Frauen, 1903) nach Goldoni wurden die Opern I quattro rusteghi (Die vier Grobiane, 1906), ebenfalls nach Goldoni, und Il segreto di Susanna (Susannens Geheimnis, 1909) seine größten Erfolge. Sie wurden alle in München uraufgeführt, obwohl Wolf-Ferrari 1903–1909 Direktor des Liceo Musicale in Venedig war. Danach lebte er in München, Riemerling (ab 1915), Zürich und Zollikon (ab 1916), Riemerling (ab 1921), Ottobrunn (ab 1926), Krailling (ab 1931), München-Bogenhausen (ab 1942), Altaussee und Venedig (ab 1947).
Die 1911 uraufgeführte Oper I gioielli della Madonna (Der Schmuck der Madonna) kann als Ausflug in einen reißerischen Verismo gesehen werden, doch mit L’amore medico (Der Liebhaber als Arzt, 1913) nach Molières Komödie L’amour médecin wandte sich Wolf-Ferrari wieder der komischen Oper zu. Die Grausamkeiten des Ersten Weltkriegs stürzten ihn in eine schwere, fast zehnjährige Schaffenskrise, die durch Eheprobleme noch verstärkt wurde.
Er floh in den Kriegsjahren nach Zürich und heiratete 1921 seine zweite Frau Wilhelmine Christine Funck. Unter seinen späten Opern wurde Sly (1927) nach Shakespeare am bekanntesten, doch konnte keine von ihnen an die Erfolge vor dem Krieg anknüpfen. Schließlich wandte sich Wolf-Ferrari wieder stärker der Instrumentalmusik zu, so mit dem Idillio-Concertino op. 15 (1933) und dem Violinkonzert op. 26 (1946). Diese Kompositionen waren in einer melodischen nachromantischen Tonsprache ohne Bezug zu den zeitgenössischen Strömungen der Moderne geschrieben.
1939 wurde Wolf-Ferrari Kompositionsprofessor am Mozarteum in Salzburg. Er litt psychisch unter dem Nationalsozialismus in Deutschland, dem Faschismus in Italien und unter dem erneut beginnenden Krieg, in dem sein Haus zerstört wurde. Wieder floh er in die Schweiz. Er kehrte nach dem Krieg in seine Geburtsstadt Venedig zurück, wo er 1948 im Palazzo Malipiero starb.[3] Sein Grab liegt auf der Friedhofsinsel San Michele nördlich von Venedig.
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Opern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Irene (1895–1896)
- La Camargo (um 1897, unvollendet)
- Cenerentola (1900)
- Le donne curiose (deutsch: Die neugierigen Frauen; 1903)
- I quattro rusteghi (deutsch: Die vier Grobiane; 1906)
- Il segreto di Susanna (deutsch: Susannens Geheimnis; 1909). Intermezzo
- I gioielli della Madonna (deutsch: Der Schmuck der Madonna; 1911)
- L’amore medico (UA deutsch: Der Liebhaber als Arzt; 1913)
- Gli amanti sposi (deutsch: Das Liebesband der Marchesa; 1904–1916; UA 1925)
- Das Himmelskleid (italienisch: La veste di cielo; 1917–1925; UA 1927)
- Sly ovvero La leggenda del dormiente risvegliato (deutsch: Sly oder Die Legende vom wiedererweckten Schläfer; 1927)
- La vedova scaltra (deutsch: Die schalkhafte Witwe; 1931)
- Il campiello (deutsch: Das Plätzchen; 1936)
- La dama boba (deutsch: Das dumme Mädchen; 1939)
- Gli dei a Tebe (deutsch: Der Kuckuck in Theben; UA 5. Juni 1943 in Hannover)
Orchesterwerke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Serenade für Streicher Es-Dur (1893) I Allegro II Andante III Scherzo. Presto IV Finale. Presto
- Sinfonia da camera B-Dur für Klavier, zwei Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabass, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn op. 8 (1901)
- Idillio-concertino A-Dur op. 15 für Oboe, 2 Hörner und Streicher (1933)
- Suite-concertino F-Dur op. 16 für Fagott, 2 Hörner und Streicher (1933)
- Suite veneziano op. 18 (1936) I Auf der Lagune II Barkarole. III Notturno (Einsame Kanäle) IV Festlicher Morgen
- Triptychon E-Dur op. 19 (1936) I Vorgesang II Die toten Helden III Gebet
- Divertimento D-Dur op. 20 (1937)
- Arabesken e-Moll nach einem Thema von Ettore Tito op. 22 (1939)
- Violinkonzert D-Dur op. 26 (1944), gewidmet und UA in München Guila Bustabo
- Sinfonia brevis Es-Dur op. 28 (1947)
- Cellokonzert (Invocazione) C-Dur op. 31 (UA 1954)
- Concertino As-Dur op. 34 für Englischhorn, 2 Hörner und Streicher (1947)
- Chiese di Venezia (1948, Orchestrierung unvollendet)
Kammermusik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Streichquintett (1894)
- Violinsonate Nr. 1 g-Moll op. 1 (1895)
- Klaviertrio D-Dur op. 5 (vor 1898)
- Klavierquintett Des-Dur op. 6 (1900)
- Klaviertrio Fis-Dur op. 7 (1900)
- Violinsonate Nr. 2 a-Moll op. 10 (1901)
- Streichquartett op. 23 (1940)
- Streichquintett op. 24 (1942)
- Sonate F-Dur für 2 Violinen und Klavier op. 25 (1943)
- Violinsonate Nr. 3 E-Dur op. 27 (um 1943)
- Cellosonate Nr. 2 G-Dur op. 30 (1945)
- Streichtrio Nr. 3 a-Moll op. 32 (1945)
- Duo g-Moll op. 33 für Viola d’amore und Violine oder Violoncello (1946)
- Introduzione e balletto op. 35 für Violine und Violoncello (1946)
- Streichtrio Nr.1 Es-Dur
- Streichtrio Nr.2 h-moll (Fragment)
- Streichquartett Nr.1 C-Dur
- Streichquartett Nr.2 a-moll
- Streichsextett c-moll für zwei Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli
- Sonate Nr.1 d-moll für Violoncello und Klavier (Fragment)
Klavierwerke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 6 pezzi facili (1898)
- 3 Impromptus op. 13 (1904)
- 3 Klavierstücke op. 14 (1905)
Chorwerke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Otto cori [Acht Chöre] op. 2 (um 1898); I Madrigale, II Quartina, III Rispetto, IV Stornello, V Canto, VI Canto, VII Frottola, VIII Die Lehre.
- Talitha Kumi (Die Tochter des Jairus). Oratorium für Tenor, 2 Baritone, Chor und Orchester op. 3 (1900)
- La Sulamite, Canto biblico [biblischer Gesang], in zwei Teilen, für Soli, Chor und Orchester op. 4 (1898)
- La vita nuova. Kantate für Sopran, Bariton, Chor und Orchester op. 9 (1901)
- La passione, Religiöser Gesang für gemischten Chor a capella op. 21 (1939; auch für Solostimme und Klavier) Text: Toskanisches Volksgedicht
Lieder / Religiöser Gesang für gemischten Chor a capella
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 4 Rispetti, op. 11 (1902)
- 4 Rispetti, op. 12 (1902)
- Il canzoniere. 44 rispetti, stornelli ed altri canti, auch Italienisches Liederbuch, für Singstimme und Klavier op. 17 (1936)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werner Bollert: Meister der Heiterkeit? Ermanno Wolf-Ferrari zum Gedenken. In: Musica, Bärenreiter-Verlag, Kassel, 11. Jahrgang, Heft 1, 1948, Seite 31–35
- Hugo Tomicich: Ermanno Wolf-Ferrari, † zu Venedig am 21. Januar 1948. In: Theaterdienst, Jg. 3, H. 11 vom 15. März 1948, S. 16f.
- Uta Schaumberg: Ich sehne mich nach reiner Luft in der Kunst... Kabinettpräsentation und Werkstattkonzert zu Ermanno Wolf-Ferrari in der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Bibliotheksmagazin: Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München (2023), Heft 1, S. 64–68 (online).
- Johannes Streicher: Wolf-Ferrari, Ermanno. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 17 (Vina – Zykan). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2007, ISBN 978-3-7618-1137-5 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
- Roland Haase: Unser Ottobrunn und Riemerling. Menschen, Häuser, Geschichten im Spiegel alter Ansichtskarten. Band 1. Von den Anfängen bis März 1955. Herausgegeben von der Gemeinde Ottobrunn, Ottobrunn 2017. S. 86–87.
- Heinrich Gröber: Hohenbrunner Heimatbuch. Herausgeber Gemeinde Hohenbrunn, Hohenbrunn 1986. S. 284–288.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werke von und über Ermanno Wolf-Ferrari im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biografie, aktuelle Aufführungen und Publikationen, vollständiges Werkverzeichnis
- Umfangreiche Informationen zu Leben und Werk, mit Abbildungen (englisch, italienisch und deutsch)
- Kurzporträt und Auswahldiskografie
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Jan Murken: "Hier bin ich Waldmensch und Komponist." In: Gemeinde Ottobrunn (Hrsg.): Ottobrunn. Von Otto bis zur Gegenwart. Reithmayer, Hohenbrunn 1986. S. 74
- ↑ Roland Haase: Unser Ottobrunn und Riemerling. Menschen, Häuser, Geschichten im Spiegel alter Ansichtskarten. Band 1. Von den Anfängen bis März 1955. Herausgegeben von der Gemeinde Ottobrunn, Ottobrunn 2017. S. 86–87.
- ↑ Palazzo Malipiero. classical-composers.org
Personendaten | |
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NAME | Wolf-Ferrari, Ermanno |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-italienischer Komponist |
GEBURTSDATUM | 12. Januar 1876 |
GEBURTSORT | Venedig |
STERBEDATUM | 21. Januar 1948 |
STERBEORT | Venedig |
- Ermanno Wolf-Ferrari
- Hochschullehrer (Conservatorio Benedetto Marcello)
- Komponist (Italien)
- Komponist (Deutschland)
- Komponist (Romantik)
- Komponist klassischer Musik (20. Jahrhundert)
- Komponist (Oper)
- Musiker (Venedig)
- Absolvent der Hochschule für Musik und Theater München
- Italiener
- Deutscher
- Geboren 1876
- Gestorben 1948
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