Dorothea Hillmann

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Dorothea Hillmann (* 15. Januar 1893[1] in Wesel; † 14. September 1973 in Marburg), mit vollem Namen Dorothea Luise Eleonore Hillmann[1] war Gymnasiallehrerin, langjährige Direktorin der Elisabethschule Marburg und Kommunalpolitikerin in Marburg.

Dorothea Hillmann war die älteste Tochter des ehemaligen Hamburger Pastors Johannes Hillmann (1863–1951) und dessen Ehefrau Luise (1864–1941).

Bedingt durch die beruflichen Veränderungen ihres Vaters wuchs Dorothea als Kind in verschiedenen Städten auf, bevor die Familie im Jahr 1901 vorübergehend auch nach Marburg kam. Dorothea besuchte hier die Höhere Töchterschule, aus der später die Elisabethschule wurde und Dorothea ab 1948 deren Direktorin.[1]

Im Jahr 1907 ließ sich die Familie dauerhaft in Frankfurt-Eschersheim nieder, und Dorothea besuchte nun – ebenso wie ihre Schwester Eva – die Schillerschule in Frankfurt-Sachsenhausen. 1911 bestand sie hier das Abitur und studierte danach von 1911 bis 1915 in Berlin, Bonn und Straßburg evangelische Theologie, Deutsch, Geschichte und Kunstgeschichte. 1915 legte sie in Bonn ihr Staatsexamen in den Fächern evangelische Theologie, Deutsch und Geschichte für die Oberstufe ab und begann danach ein Referendariat an ihrer ehemaligen Schule in Frankfurt. Parallel dazu verfasste sie ihre Dissertation „Studien über Goethes Sehen“ und wurde mit dieser Arbeit 1916 in Bonn promoviert.[1]

Von Ostern 1918 bis Ostern 1926 war Dorothea Hillmann Studienrätin an einem Lyzeum in Remscheid. Sie kehrte dann nach Frankfurt zurück und unterrichtete vorwiegend an der Oberstufe einer 1932 aufgelösten Schule. Während dieser Zeit nahm sie an Arbeitstagungen teil, die sie „in einen Kreis von Erziehern führten, die an einer Erneuerung des Unterrichtes arbeiteten“.[2] Diese Arbeitstagungen waren nach Scharffenberg von Adolf Reichwein initiiert worden, der in den Jahren 1920 bis 1927 mit Dorotheas schon erwähnter Schwester Eva verheiratet war. Hillmann nennt in diesem Zusammenhang allerdings nur Heinrich Deiters, mit dem sie in „einer Gruppe von schulreformerisch tätigen Erziehern“ zusammengearbeitet habe.[3] Hillmann war zudem seit den frühen 1920er Jahren SPD-Mitglied.[4]

Nach der Schließung ihrer Schule war Dorothea Hillmann von 1932 bis Ostern 1933 an der Herderschule Frankfurt am Main tätig.

Leben unter der Naziherrschaft

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Nach Ostern 1933 blieb Dorothea Hillmann ein halbes Jahr unbeschäftigt,

„weil man nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus mit meinem Abbau rechnete. Im Herbst 1933 wurde ich an das Lyzeum in Höchst überwiesen. Ich durfte dort nur in den unteren Klassen unterrichten. Um möglichst wenig in meinen Fächern, die zu den sogenannten Gesinnungsfächern rechnen, zu beschäftigen, gab man mir den Unterricht in Sport und Naturkunde, obwohl ich darin niemals gearbeitet hatte. Zum 1. Dezember 1934 pensionierte man mich nach § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, da man kein Anklagematerial, das meine Entlassung nach § 4 möglich gemacht hätte, von meinen ehemaligen Schülerinnen bekommen konnte. Die Gründe für meine Pensionierung wurden mir offiziell nicht mitgeteilt, doch wurde mir wahrscheinlich gemacht, dass meine Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei und zu dem oben erwähnten Erzieherkreis mich als untragbar erscheinen lasse.“

Dorothea Hillmann: Lebenslauf 1946, zitiert nach Renate Scharffenberg: Nachruf auf Dorothea Hillmann[5]

Anders als ihre Schwester Eva und deren Lebensgefährte und spätere Ehemann Adolf Moritz Steinschneider ging Dorothea Hillmann nicht in die Emigration. Über ihre Jahre unter der Naziherrschaft nach ihrer Entlassung schrieb sie:

„Seitdem habe ich wissenschaftlich gearbeitet auf dem Gebiet der christlichen Ikonographie, der Kunst- und Kulturgeschichte. Meine wissenschaftlichen Arbeiten konnten nur zu einem kleinen Teil veröffentlicht werden, da die Zeitschriften, die dergleichen annahmen, vor allem die Christliche Kunst, ihr Erscheinen einstellen mussten. Daneben gab ich Kurse in Kunst- und Kulturgeschichte, deren Teilnehmer junge Menschen waren, die nach mehr suchten, als der Schulunterricht ihnen noch bieten konnte, und Erwachsene, die meine Einstellung kannten und deshalb von mir eine ernsthafte Vertiefung ihrer Bildung erhofften. Seit der endgültigen Niederlage Deutschlands habe ich mich mit den Problemen der Erneuerung des Schulwesens beschäftigt und hoffe, auf diesem Gebiet etwas leisten zu können.“

Dorothea Hillmann: Lebenslauf 1946, zitiert nach Renate Scharffenberg: Nachruf auf Dorothea Hillmann

Ihre Entlassung aus dem Staatsdienst führte auch zu einem Bruch mit der Evangelischen Kirche. Wegen ihres um 45 % verringerten Einkommens bat sie um eine Reduzierung der Kirchensteuer. Die Kirchenbehörde ging darauf nicht ein und schlug auch ihr Angebot aus, die verringerten Steuern durch ehrenamtliche Gemeindearbeit auszugleichen. Hillmann erklärte ihren Austritt und schloss sich den Quäkern an.[3]

Vom Wiederaufbau zur Bundesrepublik

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Dorothea Hillmanns Wohnung in der Frankfurter Adickesallee von den US-amerikanischen Besatzungstruppen beschlagnahmt, sie lebte die nächste Zeit bei ihren Eltern.[1] In einem Spruchkammerverfahren wurde sie 1947 als „nicht betroffen“ eingestuft. In einem Wiedergutmachungsverfahren wurde ihr die Zeit vom 1. Dezember 1934 bis zum 13. März 1946 als Dienstzeit angerechnet. Für ihren Schaden im beruflichen Fortkommen während dieser Zeit wurde ihr im Juni 1958 eine finanzielle Entschädigung zugesprochen.[6]

Hillmann fand im Jahr 1946 eine Anstellung im Hessischen Kultusministerium (damals: Ministerium für Kultus und Unterricht), wo sie bis 1948 als Regierungs- und Schulrätin im Referat für Höhere Schulen im tätig war. „Während ihrer Tätigkeit im Hessischen Kultusministerium in den Jahren 1946 bis 1948 hatte sie an der Konzipierung der Schulreform mitgearbeitet – dann jedoch wollte sie deren Inhalte und Verfahren vor Ort umsetzen.“[1] Was bei Scharffenberg nach einem engagierten Wechsel von der Kultusverwaltung in die Schulpraxis klingt, hatte aber tatsächlich einen völlig anderen Hintergrund.

Hillmann hatte 1948 über den ihr zustehenden Jahresurlaub hinaus um 12 zusätzliche Urlaubstage nachgesucht, um in England an einer Tagung und einem Erkundungsprogramm des German Educational Reconstruction Committee (GER) teilzunehmen. Bewilligt wurden ihr jedoch nur 5 zusätzliche Tage, die sie aber eigenmächtig um 2 Tage aufstockte.[7] Nach ihrer Rückkehr erklärte ihr der damalige Kultusminister Erwin Stein, dass kein Vertrauen mehr in eine weitere Zusammenarbeit mit ihr bestehe und er eine Versetzung an eine Schule verfügt habe. Von einem Disziplinarverfahren wurde ausdrücklich abgesehen, und es wurde ihr eine Stelle als Oberstudiendirektorin in Aussicht gestellt, wobei sie selber die Schule aussuchen könne, bei der eine entsprechende Stelle frei sei oder werde.[7]

Hillmann hatte das Glück, dass an ihrer alten Schule in Marburg eine entsprechende Stelle frei geworden war, und so kam sie im September 1948 zunächst als Oberstudienrätin an die Elisabethschule und wurde im Dezember zur Oberstudiendirektorin ernannt. Ihr Dienstvergehen findet in der Begründung für diesen Akt keine Erwähnung.

„Frau Dr. HILLMANN wurde am 14.4.1949 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Oberstudienrätin ernannt.
Frau Dr. H. hat von März 1946 bis September 1948 als Regierungs- und Schulrätin und Dezernentin für das höhere Schulwesen im Kultusministerium gewirkt und als solche reiche Verwaltungserfahrungen gewonnen. Im September 1948 an die Staatl. Elisabethschule in Marburg versetzt, hat sie bald die Leitung der Schule übernommen und führt sie nun mit der ihr eigenen Tatkraft. Von Anfang an hat sie sich für die Schulreform eingesetzt, für deren Gedanken sie in Marburg und an anderen Orten auch in Versammlungen wirbt. So hat sie in Marburg [bald] den Ruf einer führenden Pädagogin erworben.“

Hessisches Staatsministerium – Der Minister für Kultus und Unterricht: Vorlage zur Ernennung der Oberstudienrätin Dr. Dorothea HILLMANN […] zur Oberstudiendirektorin […] vom 3. November 1948[7]

In ihrer neuen Funktion in Marburg blieb Hillmann bis zu ihrer Pensionierung 12 Jahre lang tätig. In ihre Zeit als Direktorin fielen die Planungen für einen Neubau der Schule, der ab der Mitte der 1950er Jahre realisiert wurde. 1960 folgte die Einweihung des letzten Bauabschnitts. Bei der Grundsteinlegung am 15. Juli 1955 für die damals noch als Realgymnasium für Mädchen arbeitende Schule knüpfte Hillmann in ihrer Rede an den Artikel 3 des Grundgesetzes an und formulierte:

„Möge auf diesem Grundstein eine Schule entstehen, in der sich Mädchen frei und glücklich zu Frauen entwickeln, die, wo immer Gott ihnen ihren Platz im Leben anweist, ihn ganz ausfüllen, der Verantwortung bewusst, die sie zu tragen haben, nicht keuchend unter der auferlegten Last, sondern erhobenen Hauptes, freudig ihres Daseins und ihrer Augabe bewusst.“

Dorothea Hillmann: zitiert nach Renate Scharffenberg: Nachruf auf Dorothea Hillmann

Hillmann engagierte sich für die politische Bildung als schulische Aufgabe (Gemeinschaftskunde, Sozialkunde) und tat dies auch am Studienseminar, das sie bis zusätzlich 1954 leitete. Sie setzte sich vor allem für die Weiterbildung der Referendare für dieses Fach ein, da damals Politische Wissenschaft als Studienfach noch wenig verbreitet war.

„Frau Hillmann selbst übernahm im Seminar das für alle Referendarinnen und Referendare verbindliche Fach Sozialkunde und vertrat mit großem Engagement die Belange der politischen Bildung. Problematisch erschien es ihr, dass die Auseinandersetzung mit dem Faschismus zunächst dem Fach Geschichte zugewiesen wurde – der Unterricht aber oft genug im ersten wie im zweiten Durchgang nur bis zum Ersten Weltkrieg führte. Sie ermutigte an der Elisabethschule die Behandlung der ‚Zeitgeschichte‘ im Rahmen des Sozialkundeunterrichtes […], also eine eingehende Behandlung des Nationalsozialismus, über den sie selbst vielen Schülerinnen im eigenen Unterricht als erste genaue Einsichten vermittelte.“

Renate Scharffenberg: Nachruf auf Dorothea Hillmann

Hillmann musste allerdings auch Rückschläge hinnehmen. Der von ihr bereits 1950 initiierte Schulversuch an der Elisabethschule, der neben Latein als dritter Fremdsprache vier Wochenstunden Sozialkunde vorsah und zu dessen Vertiefung jährliche Praktika und Erkundungen, die den Schülern berufskundliche Orientierungen ermöglichen sollten, musste 1956 abgebrochen werden. Parallel dazu brachten 1956 aber die Bildungspläne für die allgemeinbildenden Schulen im Lande Hessen, an deren Ausarbeitung Hillmann mitgewirkt hatte, auch der Elisabethschule eine grundsätzliche Neuausrichtung: aus dem Realgymnasium wurde ein Neusprachliches und Mathematisch-Naturwissenschaftliches Gymnasium. Bis zur Koedukation dauerte es allerdings noch bis zum Jahr 1969.[1]

Während und nach ihrer Zeit an der Elisabethschule war Hillmann auch politisch, nicht zuletzt sozial- bildungspolitisch, engagiert. Sie kandidierte bei den Kommunalwahlen 1952 für die SPD erstmals für das Stadtparlament und gehörte der Stadtverordnetenversammlung bis 1968 an. In den Jahren 1960 bis 1968 leitete sie die gymnasialen Abendkurse für Berufstätige an der Marburger Volkshochschule, aus denen dann das eigenständige Abendgymnasium hervorging. Seit 1963 engagierten sich Studenten, sozial bewusste Bürger der Stadt und Mitarbeiter der Universität in einer Marburger Obdachlosensiedlung. Zusammen mit den Bewohnern wollten sie vor allem den Kindern zu besseren Startchancen ins Leben verhelfen.[8] Aus dieser Initiative, die sich für die öffentliche Förderung der Kinderbetreuung und der Hausaufgabenhilfe einsetzte, ging 1967 der „Arbeitskreis Notunterkünfte e. V.“ hervor und Dorothea Hillmann wurde dessen 1. Vorsitzende. Sie behielt diese Funktion bis zum Frühjahr 1973 und setzte sich für die Auflösung der Ghetto-Situation der Notunterkünfte und für die Ermutigung der Bewohner zur Selbsthilfe ein.[1] Die im Jahr 1973 in Arbeitskreis Soziale Brennpunkte Marburg umbenannte Organisation feierte 2017 ihr fünfzigjähriges Bestehen[8] und ist weiterhin aktiv.[9]

Eigene

In ihrem Namen

  • Von 1986 bis 2011 verlieh die Elisabethschule alljährlich für eine auszeichnungswürdige Abiturarbeit aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich den Dorothea-Hillmann-Preis[10]

Als Thea Hillmann zusammen mit Edgar Breitenbach

  • Das Gebot der Feiertagsheiligung, ein spätmittelalterliches Bildthema im Dienste volkstümlicher Pfarrpraxis, in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, Zürich 1937.
  • Die Sternbacher Pietà. Ein Beitrag zur Ikonographie des Vesperbildes und des Schmerzensmannes, in: Christliche Kunst, 33. Jahrgang, Heft 9, 1937.
  • Renate Scharffenberg: Nachruf auf Dorothea Hillmann, Schulleiterin der Elisabethenschule Marburg von 1948–1961, 1. Januar 2010.
  • Renate Scharffenberg: Dorothea Hillmann (1893–1973), in: Deutscher Gewerkschaftsbund, Landesbezirk Hessen, Kreis Marburg-Biedenkopf (Hrsg.): Frauen in Marburg, Band 2, Marburg 1993, ISBN 3-924684-38-3, S. 192–201.
  • Hessisches Hauptstaatsarchiv:
    • Wiedergutmachungsverfahren Dorothea Hillmann; HHStAW Bestand 518, Nr. 14436.
    • Personalakte Dorothe Hillmann 1946–1949; HHStAW Bestand 504, Nr. 5040.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h Renate Scharffenberg: Nachruf auf Dorothea Hillmann. Der nachfolgend Artikel folgt, soweit keine anderen Quellen benannt werden, diesem Aufsatz. Das von Scharffenberg genannte Geburtsjahr 1892 wurde nach den Unterlagen im Hessischen Hauptstaatsarchiv auf 1893 geändert.
  2. Dorothea Hillmann: Lebenslauf 1946, zitiert nach Renate Scharffenberg: Nachruf auf Dorothea Hillmann
  3. a b Anlage zum Entnazifizierungs-Fragebogen vom 14. März 1946, Personalakte Dorothe Hillmann 1946–1949
  4. Scharffenberg erwähnte einen Nachruf der Marburger SPD, in dem von ihrer mehr als 50-jährigen Parteimitgliedschaft die Rede gewesen sei.
  5. Der von Scharffenberg zitierte Lebenslauf war eine Anlage zu Hillmanns Entnazifizierungs-Fragebogen vom 14. März 1946 und befindet sich in der Personalakte Dorothe Hillmann 1946–1949
  6. Wiedergutmachungsverfahren Dorothea Hillmann; HHStAW Bestand 518, Nr. 14436
  7. a b c Personalakte Dorothe Hillmann 1946–1949
  8. a b www.op-marburg.de: Till Conrad: Damals wie heute: Armutsbekämpfung (Memento vom 12. Juli 2022 im Internet Archive), Oberhessische Presse, 23. Oktober 2017
  9. Siehe: Arbeitskreis Soziale Brennpunkte Marburg. Auf der Webseite sind allerdings keine Hinweise zur Geschichte der Organisation zu finden.
  10. Renate Scharffenberg: Dorothea-Hillmann-Preis, 2011 (Der Preis findet danach keine Erwähnung mehr auf der Homepage der Schule.)
  11. Die Titelzuordnung ist unvollständig.