Dick Carter (Yachtkonstrukteur)

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Richard E. (Dick) Carter (* 1928 in New Hampshire, USA) ist ein US-amerikanischer Segler und Yachtkonstrukteur, der sehr erfolgreich seegehende Regattayachten in der Periode der IOR-Vermesungsformel entworfen hat.

Geboren und aufgewachsen in New Hampshire, begann Dick Carter schon als Kind mit dem Segeln auf Cape Cod. Als Regattasegler war er zunächst in verschiedenen Jollenklassen erfolgreich. Er studiert Kunstgeschichte auf der Yale University, wobei er sich auch mit der Architektur von Walter Gropius (1883–1969), dem Gründer des Bauhauses, beschäftigte. Aus dem Corinthian Sailing Club in Yale ging er als Landesmeister hervor. Dick Carter war nicht nur von Segelbooten, sondern auch von der Verlockung und Herausforderung radikaler Innovationen besessen. Obwohl er nie eine Ausbildung als Yachtkonstrukteur gemacht hatte, fing er an Yachten zu zeichnen und seine Kenntnisse auf größere Yachten zu übertragen. Der Einfluss des Bauhaus-Designs führte bei Dick Carter vermutlich dazu, dass seine späteren Entwürfe besonders klare, freie Decksflächen hatten.[1]

Erste eigene Entwürfe

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Im Jahr 1965 nahm Dick Carter mit seiner Yacht, dem innovativen 35-Fuß-Boot (10,15 m) Rabbit (US-2198)[2][3], am prestigeträchtigen Fastnet Race teil und gewann nach berechneter Zeit entgegen aller Erwartungen gegen eine internationale Flotte von 151 Rennyachten.[4] Er, der völlig unbekannten Designer wurde auf einen Schlag berühmt, mit seiner besonders innovativen, von ihm selbst entworfenen Yacht, die ein eher kleines Boot von nur zehn Meter Länge war.

Im Mai 2018 wurde die Yacht Rabbit für das Yacht Heritage Program des Yacht Club Italiano ausgewählt und restauriert, um ihre Bedeutung in der Geschichte des Yachtdesigns zu würdigen.[5]

Carter hatte, was Segler „ein Auge für Boote“ nennen – ein intuitives Verständnis dafür, warum manche Boote schneller und besser segeln als andere, und die Fähigkeit, dieses Verständnis in neue Rumpfdesigns und Takelagedetails umzusetzen. Er wandte seine Erfahrung aus den Jollenrennen auf große Hochsee-Rennyachten an und führte Innovationen ein, die heute selbstverständlich erscheinen, wie getrennte Ruder, Trimmklappen, interne Mastfallen, übergroße Vorsegel, Hubkiele und mehr.[4]

Carter war der erste, der flache und in der Schiffsmitte breite Rümpfe mit, für damalige Verhältnisse, sehr schmalen Kielen ausstattete. Der Hauptspant hatte die Form eines Weinglases, die Ruder waren freistehend und weit vom Kiel getrennt, auch waren seine Boote mit reichlich Segelfläche versehen.[1]

Dick Carter segelte im Jahr 1966 seinen neuen 37-Fuß-Entwurf Tina[6] zum Sieg im Eintonnerpokal in Kopenhagen.

Für den Eintonnerpokal 1967 im Ärmelkanal vor Le Havre ausgetragen, bestellte der deutsche Segelmacher Hans Beilken im Namen des Münchner Architekten Georg Köhler eine neue Yacht bei Carter, die bei Abeking & Rasmussen ) (A&R) in Bremen aus Stahl gebaut wurde. Die 37-Fuß-Yacht bekam den Namen Optimist (G-163)[7] und war eine direkte Weiterentwicklung der Vorjahressiegerin Tina. Die wichtigste Änderung wirkt aus heutiger Sicht wie ein Schritt rückwärts: „Für Rabbit und Tina hatte ich Spatenruder entworfen, die bei normalem Wind sehr gut funktionierten“, schreibt Carter in seinen Memoiren. „Doch auf raumen Kursen, bei viel Wind, rauem Seegang und hohen Geschwindigkeiten unter Spinnaker ließ jeder heftige Ruderausschlag die Strömung dort abreißen, wodurch die Wirkung des Ruders extrem beeinträchtigt wurde und das Schiff unkontrolliert in den Wind schießen konnte. Also entwarf ich einen Skeg an der Vorderkante des Ruders, damit dieses auch unter extremen Bedingungen noch gut wirken konnte – und es funktionierte“.[1]

Die Yacht Optimist war erst Carters dritter Entwurf und wieder so erfolgreich wie zuvor schon Tina. Die Yacht gewann den begehrten Eintonnerpokal gleich zweimal hintereinander, im Jahr 1967 und 1968. Beide Male mit sehr überzeugender Leistung: 1967 vor Le Havre mit den Einzelplatzierungen 4-1-1-1 und im folgenden Jahr vor Helgoland noch einmal in noch dominanterer Manier (1-2-1-1-1). Im Jahr 1969 wurden sie Zweite. Bei jedem Start wurde Optimist von Hans Beilken gesteuert, auch sein jüngerer Bruder Berend Beilken war in der Crew. Die zwei Brüder hatten die Segelmacherei Beilken in Bremen geerbt. Die beiden waren bekannte und erfolgreiche Regattasegler in Jollenklassen wie dem Flying Dutchman. Die Erfahrungen in den Jollenklassen spiegelte sich ihrem Segelstil auf den Kielbooten wider: „Ihre Erfahrungen aus den extrem intensiven Rennen im Flying Dutchman setzten sie auch auf dem Eintonner ein“, sagte Carter, der damals mit seiner Tina den zweiten Platz hinter der Optimist belegte. Er zeigte sich zwar etwas enttäuscht, dass er gegen Optimist verloren hatte, aber natürlich war es auch gut, dass sein neuerer, weiter entwickelter Entwurf am Ende gewann.[1]

Im Jahr 1970 wurde Optimist an einen portugiesischen Geschäftsmann verkauft, mit dem sie in den folgenden zwei Jahrzehnten zahlreiche weitere Trophäen bei mehreren Regatten gewann. Heute segelt die Yacht unter dem Namen Optimista unter portugiesischer Flagge mit dem Heimathafen Horta, Faial, Azoren und steht nach einer Restauration (2019–2022) zum Verkauf.[8][9]

Die Rennen der Eintonnerpokale, galten damals nicht nur als wichtigste Offshore-Regatta des Jahres, sondern auch als Duell zweier sehr unterschiedlicher Yachtkonstrukteure: Auf der einen Seite Dick Carter, mit den zu seiner Zeit sehr radikalen Entwürfen, und auf der anderen Seite das renommierte Büro Sparkman & Stephens (S&S), deren Yachten schon seit Jahrzehnten das internationale Hochseesegeln dominiert hatten. Gegen Carters neue Designs jedoch wirkten die Yachten von S&S durchaus eher traditionell.[1]

Im Jahr 1969 wiederholte Carter den Gesamtsieg im Fastnet Race mit einem weiteren, noch innovativeren Boot seiner eigenen 41-Fuß-Konstruktion Red Rooster[2], die einen zwei Tonnen schweren Hubkiel und ein einziehbares, am Heck aufgehängtes Ruder hatte.[4] Im gleichen Jahr gewann er mit der Yacht auch als Team-Mitglied der USA den Admiral’s Cup als punktbestes Boot.[10]

IOR-Vermesungsformel

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Als Verrechnungs-Rennen unter der neu geschaffenen IOR-Vermesungsformel populär wurden, segelten Carters Entwürfe mit der dem 1972 bei A&R gebauten 37-Fuß-Eintonner Ydra (I-5583)[11] und dem Dreivierteltonner Ariadne weiterhin an der Spitze der Flotte. Dick Carter spielte auch eine aktive Rolle bei der Überarbeitung und Aufrechterhaltung der Regeln für Offshore-Rennen und war einer der einflussreichsten Berater bei der Entwicklung der IOR-Vermesungsformel.[4]

Nach diesen Erfolgen war klar: Dick Carter würde die Welt der herkömmlichen Yachtentwürfe kräftig durcheinander wirbeln und tatsächlich gilt Carter als derjenige, der moderne Yachten quasi erfunden hat. Er wurde wie eine frische Brise von der Szene der sehr konventionellen Yachtsegler mit seinen komplett unkonventionellen Ansätzen und Ideen wahrgenommen, was sicher auch eine Folge seiner untypischen Laufbahn als Yachtkonstrukteur war. Carter war nämlich nicht als Lehrling bei einem der großen, etablierten Konstrukteure eingestiegen, sondern er getrieben von seiner Faszination am Segeln, ein Sport, den er ganz anders betrachtete als die meisten seiner Zeitgenossen. Als Autodidakt entwarf er Rümpfe mit radikalen Linien, die zuweilen auch Jollen nicht unähnlich waren.[1]

Vendredi Treize

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Eines der ungewöhnlichsten Projekte, an denen Carter beteiligt war, war der 120 Fuß lange Dreimaster-Schoner Vendredi Treize, der für das Single Handed Trans Atlantic-Rennen 1972 gebaut wurde. Das Boot (tatsächlich gezeichnet von Yves-Marie Tanton, einem damaligen Mitarbeiter) wurde knapp von Alain Colas (1943–1978) geschlagen, der Eric Tabarlys (1931–1998) revolutionären Aluminium-Trimaran Pen Duick IV segelte.

Fahrten-Yachten

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Er stieß eine Entwicklung an, mit der er bald selber nicht mehr glücklich war. Sein Ideal waren Fahrten-Yachten wie die Yacht Optimist, schnelle und gut segelnde Rennyachten, die jedoch auch seetüchtig sein und ihren Crews einen angenehmen Lebensraum unter Deck bieten sollten. Im Lauf der 1970er Jahre wurden die Yachten auch anderer Designer immer extremer, leichter und weniger seegängig. Er fand den Ausdruck „weniger wohltuend“ für diese Konstruktionen. Mit der ihm eigenen Konsequenz beendete er also seine sehr erfolgreiche Tätigkeit als Yachtdesigner. „Ich wollte keine Boote entwerfen mit Eigenschaften, an die ich selber nicht glaubte“, sagte er später.

Als die schwedische Boots-Werft Storebro auf der Suche nach einem neuen Designer für ein Segelboot war und Dick Carter wiederum eine Werft für seine Designs suchte, traf man sich im Jahr 1969, um über eine Zusammenarbeit zu sprechen. Dick Carter kam aus den USA nach Jönköping, um die Werft für mehrere Tage zu besichtigen. Er beobachtete 4 bis 5 Tage die Arbeiter der Werft und bestätigte die Zusammenarbeit mit den Worten „OK, you are in business“.[12]

Das erste Ergebnis war die Produktion der Carter 40 bzw. Havsörnen 40/Sea Eagle 40. Während des Baus der Havsörnen 40 wurde jedes Teil, das an Bord gebracht wurde gewogen. Die Werft konnte dem glücklichen Konstrukteur ein Schiff präsentieren, das 125 kg leichter als berechnet war. Der extreme Blick auf des Gewicht war der Tatsache geschuldet, dass Carter vorher in Finnland die ersten zwei Carter 33 hatte bauen lassen, die zu schwer geworden waren. Beim Wassern der Schiffe verschwand deren Wasserpass unter der Wasseroberfläche, sehr zum Missfallen von Carter. Die bei der finnischen Werft lagernden Rumpfformen wurden später auf Bitten Dick Carters per Fähre nach Stockholm und dann per LKW nach Västervik gebracht. Carter wollte die Formen vor der gerichtlichen Auseinandersetzung mit der finnischen Werft retten. Diese Formen stellten später die Basis für die Storebro 33 dar.[4]

In den Jahren 1972 und 1973 lieferte die Werft dann den 2-Tonner Carter 42 Aggressive und ihre zwei Schwesterschiffe Airmail und Tiderace III aus.[2]

Als Storebro 1976 überlegte, wieder eine Segelyacht anzubieten, griff man auf die für Dick Carter gelagerten Formen der Carter 33 zurück. Er modifizierte das Unterwasserschiff, indem er ein neues, weniger komplex geformtes Ruderblatt für die zukünftige Storebro 33 zeichnete. Die Anpassung des Überwasserschiffs erfolgte durch Storebros Designteam um John H. V. Lindblom.[4]

Neben der Carter 30 ist die Carter 33 eines der beliebtesten Serienboote des Designers. Sie waren über seine Firma Carter Offshore erhältlich und wurden hauptsächlich von der Werft Olympic Marine in Griechenland gebaut. Das gleiche Design wurde auch in Australien und Schweden gebaut. Nicht zu verwechseln mit der Carter 3/4 TON, die später erschien und ein anderes Design hat. Eine Version der Carter 33 mit kürzerer Takelage fiel tatsächlich unter die IOR-Grenze von 1/2 Tonne – 21,7 Fuß.[13]

Als Dick Carter den Gipfel des Erfolgs im europäischen Yachtrennsport erreichte, beendete er seine Karriere als Yachtdesigner und widmete sich mit aller Energie der Restaurierung eines Herrenhauses aus dem 16. Jahrhundert in den Cotswolds, England. Er und seine Frau Andrea verbringen die Hälfte des Jahres in Cape Cod und die andere Hälfte in ihrem Herrenhaus.[4]

Nach fast 40 Jahren Abwesenheit kehrte Dick Carter in die Welt des Segelns zurück und verfasste seine Memoiren in seinem Buch „Dick Carter Yacht Designer: In the Golden Age of Offshore Racing“.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f Dick Carter: Yacht Designer in the Golden Age of Offshore Racing. literaturboot.de, 26. November 2024, abgerufen am 4. Dezember 2024.
  2. a b c Carter Yacht Registry. dickcarteryachtdesigner.com, abgerufen am 4. Dezember 2024 (englisch).
  3. Rabbit, US 2198. histoiredeshalfs.com, abgerufen am 6. Dezember 2024 (englisch).
  4. a b c d e f g Dick Carter Yacht Designer – About. dickcarteryachtdesigner.com, abgerufen am 4. Dezember 2024 (englisch).
  5. Restoration of RABBIT. dickcarteryachtdesigner.com, abgerufen am 5. Dezember 2024 (englisch).
  6. TINA (CARTER). sailboatdata.com, abgerufen am 5. Dezember 2024 (englisch).
  7. Optimist, G 163. histoiredeshalfs.com, abgerufen am 6. Dezember 2024 (englisch).
  8. Detlef Jens: Eine Siegerin steht zum Verkauf, in: goose, Nr. 54, Winter 2024/25
  9. OPTIMIST A – Dick Carter – Abeking Rasmussen (1967). classic-yachts.com, abgerufen am 5. Dezember 2024.
  10. Dick Carter. sailboatdata.com, abgerufen am 4. Dezember 2024 (englisch).
  11. Ydra, I 5583. histoiredeshalfs.com, abgerufen am 6. Dezember 2024 (englisch).
  12. Richard E. (Dick) Carter. storebropassion.de, abgerufen am 4. Dezember 2024.
  13. Carter 33. sailboatdata.com, abgerufen am 4. Dezember 2024 (englisch).