Rudolf Muhr

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Prof. Rudolf Muhr, 2007

Rudolf Muhr (* 1950 im Südburgenland) ist ein österreichischer Germanist, Professor an der Karl-Franzens-Universität Graz und einer der prominentesten Vertreter eines eigenständigen Österreichischen Standarddeutsch. Auf seine Initiative geht das seit 1999 jährlich gewählte österreichische Wort und Unwort des Jahres zurück.

Leben und Wirken

Rudolf Muhr studierte zunächst in Graz Germanistik und Anglistik (Lehramt) und schloss 1979 mit der Sponsion zum Magister ab. Anschließend promovierte er in Deutscher Philologie und Angewandter Linguistik und ist seitdem an der Karl-Franzens-Universität als Forscher und Lehrbeauftragter tätig. 1980 initiierte er Universitäts-Sommersprachkurse für nicht-deutschsprachige StudentInnen (Deutsch in Graz) und begründete 1981 den Studienlehrgang Deutsch als Fremdsprache (DaF), den er bis 1992 leitete. 1983 initiierte er ein Stipendiatsprogramm um Studentinnen und Studenten aus der Dritten Welt Sommersprachkurse zu ermöglichen.

Er entwickelte neue Lehrmaterialen für den DaF-Unterricht und wurde dadurch immer wieder mit der Frage konfrontiert, welche Form des Deutschen die richtige sei und welche Form für Nichtmuttersprachler unterrichtet werden soll. Besonders beim DaF-Unterricht in Österreich stellte sich die Frage, ob man die bundesdeutsche Aussprache und Duden-Vokabular lehren solle, wie es die existierenden Lehrmaterialen vorschlugen, oder doch das österreichisches Deutsch, mit dem die ausländischen Studenten im realen Alltag in Österreich wirklich konfrontiert sind.

Dadurch verlagerte sich sein Forschungsschwerpunkt immer mehr in Richtung Linguistik und Varietätenforschung und 1996 gründete er an der Karl-Franzens-Universität die „Forschungsstelle Österreichisches Deutsch“, welche bis dato die einzige akademische Institution zur Erforschung des Österreichischen Standarddeutsch (nicht des Dialekts) ist. Dadurch entwickelte er sich zusehends zu einem der wichtigsten Experten auf diesem Gebiet, was ihm auch Anfeindungen anderer Germanisten (meist aus Österreich) einbrachte, die ihm vorwarfen an einer Spaltung der Deutschen Sprache zu arbeiten. Vom australischen Linguisten Michael Clyne inspiriert übernahm er daraufhin das im englischen Sprachraum bereits etablierte Konzept der Plurizentrische Sprache und führte es in die Germanistik ein.

Auf seine Initiative geht die Wahl des österreichischen Wort und Unwort des Jahres zurück, die seit 1999 jährlich stattfindet. Davor hatten österreichische Medien meist das Wort des Jahres aus Deutschland übernommen. Im Jahr 1998 war dort aber das Wort „Rot-Grün“ auf Grund der häufigen Verwendung in den deutschen Medien zum Wort des Jahres gewählt worden, was jedoch der österreichischen Realität überhaupt nicht entsprach und so entschied sich Prof. Muhr im folgenden Jahr eine eigene Wahl für Österreich zu organisieren. 2002 wurde diese Idee von Liechtenstein und 2003 von der deutschsprachigen Schweiz übernommen.

Rudolf Muhr ist Verfasser eines Aussprachewörterbuchs für das Österreichische Deutsch und unter seiner Patronanz wurde auch die vielzitierte Studie von Jutta Ransmayr zum Prestige des Österreichischen Deutsch im Ausland erstellt. Daneben beschäftigt er sich mit dem Sprachkontakt zu den Nachbarsprachen Tschechisch, Slowakisch, Ungarisch und Slowenisch, sowie dem Einfluss von Anglizismen auf die deutsche Sprache, wobei er einen pragmatischen Ansatz vertritt und nationalistischen Sprachpurismus ablehnt.

Literatur

  • Rudolf Muhr: Sprachwandel als soziales Phänomen – eine empirische Studie zu soziolinguistischen und soziopsychologischen Faktoren des Sprachwandels im südlichen Burgenland; Wien: Braumüller, 1981, 208 S., ISBN 3-7003-0275-4
  • Rudolf Muhr: Österreichisches Deutsch kennenlernen; Reader, Graz: Unidruckerei, 1993, 211 S.
  • Rudolf Muhr: Österreichisches Deutsch – linguistische, sozialpsychologische und sprachpolitische Aspekte einer nationalen Variante des Deutschen; 1. Aufl., Wien: Hölder-Pichler-Tempsky, 1995, 402 S., ISBN 3-209-01976-2
  • Rudolf Muhr und Richard Schrodt: Österreichisches Deutsch und andere nationale Varietäten plurizentrischer Sprachen in Europa; (empirische Analysen), 1. Aufl., Wien: Hölder-Pichler-Tempsky, 1997, 417 S., ISBN 3-209-02440-5
  • Rudolf Muhr, Katarína Miková: Ekonomika a cudzie jazyky – cudzie jazyky a odborná jazyková výučba v krajinách strednej a východnej Európy = Ökonomie und Fremdsprachen: zum Stand der Fremdsprachen- und Fachsprachenausbildung in den MOE-Ländern = Economy and foreign languages; Banská Bystrica: Verl. Repro-Hupe, 1998, 364 S., ISBN 80-8055-028-X
  • Rudolf Muhr (Hrsg.): Internationale Arbeiten zum österreichischen Deutsch und seinen nachbarsprachlichen Bezügen; 1. Aufl., Wien: Hölder-Pichler-Tempsky, 1999, 133 S., ISBN 3-209-01674-7
  • Rudolf Muhr: Österreichisches Sprachdiplom Deutsch – Lernzielkataloge zu Basisformulierungen, Lexik-Sprechhandlungen, Höflichkeitskonventionen, Diskurs und Diskursstrukturen, Deutsch als plurizentrische Sprache; 1. Aufl., Wien: Öbv & Hpt, 2000, 541 S., ISBN 3-209-03119
  • Rudolf Muhr (Hrsg.): Eurospeak – der Einfluss des Englischen auf europäische Sprachen zur Jahrtausendwende; Frankfurt am Main, Wien (u.a.): Lang, 2002, 2. korr. Aufl. 2004, 236 S., ISBN 3-631-52324-6
  • Rudolf Muhr (Hrsg.): Standardvariationen und Sprachideologien in verschiedenen Sprachkulturen der Welt = Standard variations and language ideologies in different language cultures around the world; Frankfurt am Main, Wien (u.a.): Lang, 2005, 426 S., ISBN 3-631-53212-1
  • Rudolf Muhr: Österreichisches Aussprachewörterbuch, österreichische Aussprachedatenbank (Adaba); inkl. CD mit 75.964 Audiofiles; Frankfurt am Main; Wien (u.a.): Lang, 2007, 524 S., ISBN 978-3-631-55414-2

Sekundärliteratur

  • Jutta Ransmayr: Der Status des Österreichischen Deutsch an nichtdeutschsprachigen Universitäten – eine empirische Untersuchung; Frankfurt am Main; Wien (u.a.): Lang, 2006, 326 S., ISBN 978-3-631-55242-1

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