Obon
O-bon (japanisch お盆, 御盆, kana おぼん) oder nur Bon (盆, kana ぼん; das „O“ / „お“, „御“ ist ein japanisches Honorativpräfix) ist ein traditionelles buddhistisches Fest und Feiertag in Japan zur Errettung der Geister der verstorbenen Ahnen.
Etymologie
Das Wort Obon ist eine verkürzte Form von Urabon (盂蘭盆 / 于蘭盆, うらぼん), eine japanische Lehnbezeichnung des Sanskrit-Wortes avalambana oder ullambana (jap. 盂蘭盆會, urabon'e; chin. 孟蘭盆會 / 孟兰盆会, Yúlánpénhuì) für das „kopfüber in der Hölle Hängen und Leiden“, was den hungrigen Geistern (Preta) geschieht, die jedoch einmal jährlich aus der Unterwelt ins Diesseits zurückkehren dürfen.
Entstehung
Die Ursprünge des Obon gehen auf das hinduistische Dīvalī-Fest (= Dīpāvalī; Lichterfest), verschmolzen mit Avalambana (Ullambana), der Speisung der Preta („hungrige Geister“) und den am selben Tag abgehaltenen taoistischen Zhōngyuán-Riten, auch Chung-yuen-Riten, zurück. Durch ihre symbolische Speisung soll deren Leiden in der Hölle gelindert werden.
Das entsprechendes Avalambana-Sutra, auch Ullambana-Sutra genannt, (jap. 孟蘭盆経, Urabon-kyō; chin. 孟蘭盆經 / 孟兰盆经, Yúlánpénjīng), welches vom buddhistischen Mönch und Sutra-Übersetzer Dharmaraksha (jap. 竺法護, Jiku Hōgo; chin. 竺法護 / 竺法护, Zhú Fǎhù, * ca. 233) zur Zeit der westlichen Jin (265 bis 316) übersetzt, gelang als chinesische Übersetzung nach Japan. In ihm wird das vielseitige Zeremoniell des Allerseelenfestes (anfänglich am 15. später dann 13.–16. des 7. Mondmonats) mit Allerseelen-Opfer urabon-kuyō (盂蘭盆供養) – besonders für Vater und Mutter der jetzigen und von sieben früheren Generationen – als von Shakyamuni herrührend dargestellt. Eine Abschrift japanischerseits aus dem 15. Jahr Tempyō (天平, 743) ist erhalten.
Die Einführung der „Lichtkomponente“ des O-Bon (von Basil Chamberlain als „Laternenfest“ bezeichnet) fand in Japan erst 1230 auf Anordnung Go-Horikawa-tennōs statt. Das Abbrennen von Scheiterhaufen, oft in Form eines großen Zeichens, z. B. Dai (大), deshalb Daimonji no hi (大文字の火, wörtl. „Feuer der großen Schriftzeichen“), am Abend des 16. soll auf Kōbō Daishi zurückgehen. Jedenfalls hat es seinen Ursprung in Shingon- oder Tendai-Riten. Die tantrische Schule hat auch eine Vielzahl von Pretaspeisungs-Opferriten (u. a. Segaki-ho, Ikitama-e) geschaffen.
Am letzten Abend werden beim Tōrō nagashi Laternen schwimmen gelassen, um die Seelen der Verstorbenen zu führen.
Dieses ursprünglich religiöse buddhistische Fest ist inzwischen auch zu einem Familien-Wiedervereinigungs-Feiertag geworden, zu dem die Menschen aus den großen Städten in ihre Heimatstädte zurückkommen und die Gräber ihrer Vorfahren besuchen und säubern.
Traditionsgemäß mit einem Tanz-Festival verbunden, besteht das Obon in Japan bereits seit mehr als 500 Jahren. Das Obon-Fest dauert traditionell drei Tage und wird im östlichen Teil Japans (z. B. Kantō, Tōhoku, Tokio) vom 13. Juli (Willkommens-Obon) bis zum 16. Juli (Abschieds-Obon) und im westlichen Teil Japans (z. B. Chūgoku, Shikoku, Kagoshima, Okinawa) im August gefeiert. Der Grund für die regionale Unterschiede im Datum hat historisch mit der Kalendarumstellung zur Beginn der Meiji-Zeit von der traditionell japanische Zeitrechnung mit dem Mondkalendar in die „moderne Neuzeit“ mit dem gregorianischen Kalender zu tun. In den letzten Jahren legten die meisten Teile Tokios den Obon in die Sommerferienzeit im August.
Die mit dem Obon verbundenen Tänze werden von der Geschichte eines Jüngers Buddhas, Maudgalyāyana (jap. 目連, kana もくれん, Mokuren), abgeleitet, der in einer Vision seine verstorbene Mutter im „Königreich der hungrigen Geister“ sah, wo sie sich der Selbstsucht hingab. Entsetzt ging er zu Buddha und fragte, wie er seine Mutter aus diesem Geisterreich befreien könne. Buddha antwortete, er solle am 15. Juli ein großes Fest für die letzten sieben Generationen der Verstorbenen ausrichten. Der Jünger tat dies und erreichte so die Befreiung seiner Mutter. Zugleich erkannte er dabei ihre Selbstlosigkeit und die vielen Opfer, die sie für ihn gebracht hatte. Der Jünger tanzte vor Freude, glücklich wegen der Freigabe seiner Mutter und dankbar für ihre Freundlichkeit.
Von diesem Tanz der Freude abgeleitet ist der Bon Odori (盆踊り) oder wörtl. „Bon-Tanz“, mit dem beim O-bon an die Vorfahren und ihre Opfer erinnert wird.
Obon entspricht dem buddhistischen Ullambanafest bzw. dem chinesischen Geisterfest und ähnelt dem mexikanischen Día de Los Muertos, in einigen Aspekten auch dem christlichen Totensonntag.
Traditionen
Das Obon wird in ganz Japan gefeiert, da es in den Sommermonaten stattfindet tragen viele Japaner zum Fest einen Yukata als „leichte Variante“ des traditionellen Kimonos. Die Art der Feier ist von Region zu Region traditionell etwas unterschiedlich.
Bon Odori
Ursprünglich tanzte das Volk Nenbutsu, um die Geister der Toten zu begrüßen. Die einzelnen Gegenden Japans haben häufig ihre eigene Weise, den Bon Odori (盆踊り, „Ullambana-Tanz“) zu tanzen, und ihre eigene Musik dazu. So ist z. B. der Awa Odori (阿波おどり, 阿波踊り) aus der Präfektur Tokushima ganz anders der Gujō Odori (郡上おどり, 郡上踊り) aus der Präfektur Gifu. Seit 2011 gibt es in Frankfurt am Main den Frankfurt Ondo, der aus Anlass der 150 Jahre alten Beziehungen zwischen Japan und Deutschland komponiert wurde.[1] Die gespielte Musik reicht von klassischer Musik bis zu traditioneller japanischer Musik wie Makkō Ondo.
Okuribi
Neben dem Tanz gibt es auch das Feuerritual Okuribi (送り火, „Geleitfeuer“) mit dem die Familie Seelen der verstorbene Ahnen durch ein „Willkommensfeuer“ am Haus begrüßt (迎え火, mukaebi) und beim Abschluss des Fests durch ein „Geleitfeuer“ sie wieder ins Jenseits schickt (送り火, okuribi). Das Ritual Gozan no Okuribi (五山送り火, wörtl. „Geleitfeuer der fünf Berge“) ist z. B. eine bekannte Tradition in Kyoto, die man umgangssprachlich meist als Daimonji (大文字, „Großes Schriftzeichen“) kennt. Dieser lokale Brauch ist außerhalb Japans nirgends bekannt und somit etwas besonderes.
Siehe auch
Literatur
- Marinus Willem de Visser: Ancient Buddhism in Japan – Sutras and Ceremonies in Use in the 7th and 8th Centuries A.D. and their History in Later Times. 2 Bände, Paul Geuthner, Paris 1928–1931; Brill, Leiden 1935.
- Adolf Barghoorn et al.: Kokumin Nenjū gyōji – Das Jahr im Erleben des Volkes. OAG, Tōkyō; Asia Major, Leipzig 1926.
- H. Weipert: Das Bon-Fest. In: Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens. Bd. VIII (3 Theile 1899–1901), ISSN 0027-0741, S. 145–173; mit 9 Tafeln.
- Hisayoshi Takeda: Jahresbrauchtum im japanischen Dorf. In: Asian Folklore Studies. Jg. 8, 1949, ISSN 0385-2342, S. 1–362. (PDF, 24 MB)
- Kunio Yanagita: About our Ancestors. Greenwood Press, New York 1970, ISBN 0-313-26552-6 (Reprint)
- Robert J. Smith: Ancestor Worship in Contemporary Japan, Stanford University Press, Stanford, California 1974. ISBN 0-8047-0873-8
- Ulrich Pauly: Das japanische Totenfest (Bon-Fest). In: OAG Notizen. Nr. 6, 2012, S. 9–32 (PDF).