Hinterseer Sportmagazin
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Hansi Hinterseer: Das stimmt aber nicht. Mein erstes Weltcuprennen habe ich schon 1969 mit 15 Jahren beim Riesenslalom in Lienz bestritten. An das Ergebnis kann ich mich nicht mehr erinnern, aber 14 Tage spter bin ich in Kranjska Gora mit Nummer 121 jedenfalls 34. geworden. Glaub mir, dabei musste ich schon recht weite Wege um die Tore herumfahren.
Schaut man Bilder von frher an, fllt auf: Ihr habt keine Helme getragen. Wie gefhrlich hast du eure Rennen in Erinnerung? Wir hatten keine Plastik-Kippstangen, sondern fix im Boden
Hansi Hinterseer zhlt zu sterreichs erfolgreichsten Entertainern: Talent allein reicht als Knstler nicht. Viele Faktoren kannst du selbst nicht beeinflussen.
verankerte Holzstangen, und keine Knieschtzer, Schienbeinschtzer oder sonstige Protektoren. Speziell zu Trainingsbeginn im Sommer waren die Oberschenkel, Ellbogen und Schultern voller blauer Flecken. Knochenprellungen waren gang und gbe, mit diesen Schmerzen hast du damals gelebt. Auch die Ski waren ein bisschen lnger als heute Als ich 1974 in Kitzbhel den Slalom gewonnen habe, hatte ich 72 Tore auf der Piste. Manni Pranger musste bei seinem Sieg 2007 nur 52 fahren, und das mit 45 Zentimeter krzeren Skiern. Dazu kommt, dass du heute dank der Sprhbalken eine durchgehende Eisdichte von 30 bis 40 Zentimetern hast. Bei uns war die Piste viel unregelmiger und unruhiger, manche Stellen gebrochen und andere blank wie am Eislaufplatz. Wart ihr also technisch besser als die Jungs heute? Man kann das nicht vergleichen. Es istheute irrsinnig schwierig, die kurzen Ski auf der Kante zu fahren und den Schwung zu halten. Wir mussten damals den Umstiegschwung beherrschen, sonst bist du den Berg nicht heruntergekommen. Jede Zeit hatte ihre Spezialisten, aber man kann nicht sagen, dass die aktuellen Leute besser sind, als es ein Schranz oder ein Sailer waren. Du kannst aber auch nicht sagen, dass die beiden besser gewesen wren als heute ein Raich oder ein Hirscher.
Was siehst du als deinen grten Erfolg: den Vize-Weltmeistertitel, den Weltcupsieg oder die WM-Titel bei den Profis? Die Silbermedaille in St. Moritz 1974 war schon super, leider haben sie
mich im Slalom als Dritten disqualifiziert. Aber aus sportlicher Sicht war sicher die kleine Kristallkugel 1973 mein grter Erfolg. Leider habe ich den Gesamtweltcup 1974 im letzten Rennen verloren
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Ich habe mich missverstanden gefhlt und deshalb aufgegeben. Ich wollte einfach nicht mehr.
so ist das nun mal im Sport, es war eine bittere Erfahrung. Davor bin ich immer nur hochgejubelt worden, pltzlich wurde aus dem Liebling der Trottel der Nation. Damit musst du als 22-Jhriger auch erst einmal umgehen knnen.
Franz Klammer ist in Innsbruck zum ganz groen Helden geworden warst du eiferschtig auf den Abfahrtsolympiasieger? berhaupt nicht. Franz hat dem enor-
men Druck standgehalten. Er hatte es aber vielleicht ein kleines bisschen einfacher, weil die Abfahrt gleich zu Beginn der Spiele gefahren wurde. Wenn du, so wie ich, 14 Tage auf dein Rennen warten musst, dann wird der Druck nmlich noch viel extremer, noch dazu, wo der Franz schon gewonnen hatte. Das dauernde Jetzt musst du aber auch gewinnen macht es einem Sportler nicht leichter. Ich hab mich mit dem Franz ber seine Goldmedaille gefreut. Und als er sie mir gezeigt hat, meinte er noch: Du kannst auch noch zwei holen. Dazu ist es dann leider nicht gekommen.
Du hast deine Weltcupkarriere 1978 mit nur 24 Jahren berraschend frh beendet eine direkte Folge der Olympia-Enttuschung? Ich habe mich missverstanden gefhlt und es nicht mehr
geschafft, mit meinen Trainern zusammenzuarbeiten. Es war aber auch niemand da, der mir damals den richtigen Weg gezeigt htte. Und dann kam auch noch ein Materialwechsel dazu. Insgesamt hat einfach vieles nicht mehr gestimmt. Und deshalb habe ich aufgegeben. Ich wollte einfach nicht mehr.
Du bist nach Amerika zu den Profis gewechselt. War das Leben drben, wo der Name Hinterseer nicht so bekannt war wie in sterreich, leichter? Nein, mit dem Namen hatte es
Auf den Schultern von Franz Klammer: Ich habe ihn zu den Legendenrennen in die USA geholt.
nichts zu tun. Aber ein groer Unterschied war natrlich, dass ich auf mich allein gestellt war. Du kommst als sterreicher aus einem wohlbehteten Umfeld und springst drben quasi ins kalte Wasser und entweder bist du clever genug oder du gehst unter. Der SV will seinen Athleten einen roten Teppich ausrollen, sodass sich die nur noch aufs Rennfahren konzentrieren mssen.
Von links oben im Uhrzeigersinn: Mit Ex-US-Prsident Gerald Ford, den Formel-1-Helden Niki Lauda und Gerhard Berger, als Skilehrer der jungen Steffi Graf und beim Tennis mit Franz Beckenbauer, Vitas Gerulaitis und Bjrn Borg: Ich habe durch den Sport viele groe Persnlichkeiten kennengelernt.
Was ist passiert? Die Konstellation war: Piero Gros darf nicht punkten, Gustav Thni darf nicht gewinnen und ich muss Erster oder Zweiter werden. Piero scheidet im 1. Lauf tatschlich aus, ich fhre. Im 2. Durchgang habe ich noch die beste Zwischenzeit und scheide knapp vor dem Ziel aus. Was ist dir in diesem Moment durch den Kopf gegangen? Scheie! Aus der Traum! Was hat den Skifahrer Hansi Hinterseer ausgezeichnet? Viel Talent und ein guter Trainer: mein Vater. Und ich hatte sehr gutes Material. Leider wurde nach der WM 1974 mein Skischuhhersteller vom Verband aus dem Austria Ski Pool geschmissen aus Angst, dass wir nach der Disqualifikation von Karl Schranz in Sapporo auch bei den Spielen 1976 in Innsbruck wegen unserer Vertrge Probleme bekommen knnten. Sie haben uns mit sterreichischen Produkten konfrontiert, die weit hinter dem Lange-Schuh gewesen sind. Diese Fehlentscheidung hat mich extrem viel Zeit gekostet. Hatte der Schuh auch mit deinem enttuschenden Abschneiden bei den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck zu tun? Vor den Spielen war ich Weltcup-Zweiter. Ich habe in Schlad-
Pltzlich wurde aus mir der Trottel der Nation. Das war richtig brutal.
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ming gewonnen, war in Sterzing Zweiter hinter Ingemar Stenmark und bin in Garmisch und Kitzbhel mit bester Zwischenzeit ausgefallen. Ich war einer der Top-Favoriten auf Slalomgold. Allerdings: Von sterreichischer Seite gab es eine extrem schlechte Vorbereitung, die damals zustndigen Herren waren nicht fhig durchzusetzen, dass wir vor Olympia einmal auf dem Hang htten trainieren drfen. Das Ergebnis dieser irrsinnig schwachen Organisation haben wir in den technischen Disziplinen prsentiert bekommen. Nach dem ersten Lauf des Riesenslaloms hatte ich noch eine Medaillenchance, im zweiten wollte ich alles riskieren und habe einige groe Fehler gemacht. Im Endeffekt hatte ich einen Rckstand aufgerissen, wie ich ihn in meiner ganzen Karriere kein zweites Mal hatte. Und im Slalom? Am Tag vor dem Rennen habe ich beim letzten Trainingslauf eingefdelt und mir eine Schulterprellung und einen Kapseleinriss zugezogen. Damit war das Thema erledigt. Ich habe mich, und zwar zum ersten Mal in meinem Leben, fit spritzen lassen, aber wegen eines Schneesturms gab es eine Startverschiebung. Als ich endlich starten konnte, war die Wirkung der Spritzen schon wieder vorbei und ich bin beim zweiten Tor vor lauter Schmerz rausgefahren. Der Rennarzt war beim Start schon im Ziel unten. Und dann ist es losgegangen Was? Der mediale Wirbelsturm. Ich war der Versager, der Verrter, was wei ich nicht alles. Das war richtig brutal. Ich war wirklich gut in Form und dann geht in einer Woche alles schief. Aber
Fotos: privat
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Die jungen Leute sind satt. Wir hatten frher nur den Skisport und in diese Chance haben wir uns verbissen.
Egal, ob als Schauspieler, TV-Entertainer (links mit Werner Grissmann), Snger oder Musikant, der 57-jhrige Tiroler begeistert die Massen: Du kannst auf derBhne genauso ausrutschen wie auf der Piste.
Du gehst jetzt wieder auf eine ausgedehnte Tournee mit ber 40 Konzerten in neun Lndern. Wie bereitest du dich krperlich auf so eine Anstrengung vor? Nicht
speziell. Ich versuche ohnehin, immer fit zu bleiben und gesund zu leben. Und wichtig ist natrlich, eine Mannschaft hinter mir zu haben, auf die ich mich verlassen kann.
Lst der Jubel, den du auf der Bhne entgegennimmst, hnliche Emotionen in dir aus wie, sagen wir, der Heimsieg in Kitz? Das Gefhl, erfolgreich zu sein, ist immer
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wunderschn. Als junger Sportler zu siegen ist natrlich etwas ganz Besonderes, weil man sein ganz Leben auf die Karriere ausrichtet und seine Gesundheit aufs Spiel setzt. Als Skifahrer bist du ein Einzelkmpfer Ja, du musst ein Egoist sein. Aber zum Leben gehrt eben noch mehr dazu. Ich glaube, dass der SV ein bisschen zu viel des Guten fr seine Sportler tut.
In einem anderen Land und einer fremden Kultur lernt man auch viel ber sich selbst. Was hast du ber dich gelernt? Die USA sind und bleiben das Land der unbegrenzten Mglichkeiten. Es aber als Snger bist du von der Band, von der Technik, vom ganzen Umfeld abhngig. Allein wre das alles gar nicht zu schaffen. Trotzdem musst du auch ein Ego-
ist sein. Ich bin derjenige, der auf der Bhne performt, also sage auch ich, wos langgeht.
Frher kamen einige der grten Skifahrer der Welt aus Kitzbhel. Zuletzt gab es mit Klaus Sulzenbacher und David Krainer zwei erfolgreiche nordische Kombinierer, aber keinen Skinachwuchs. Woran liegt das deiner Meinung nach? Es ist in allen bekannten Skiorten das Gleiche, egal,
kommt aber ganz auf dich an, was du daraus machst. Damals gab es diese Pro/Ams, wo du als Profi an jedem Wochenende fr irgendwelche Superstars zustndig warst. Wenn du berhmte Schauspielerinnen oder Snger unterhalten musst, obwohl das eigentlich nicht in dein sportliches System hineinpasst, liegt die Entscheidung ganz bei dir: Bleibe ich auf der Party und geniee bis zwei, drei Uhr frh das se Vergngen oder gehe ich rechtzeitig ins Bett, weil ich tags darauf ein Rennen habe?
Wenn man deine Erfolge sieht, knnte man meinen, du httest dich mehr auf die Rennen als auf die Party konzentriert. Ich habe schon meinen Rhythmus gehabt, da brauchst du keine
Hansi, der Styler: Ich fahre heute auch noch mit relativ langen Skiern. Mit den kurzen ist das ja kein richtiges Skifahren
ob Kitz, St. Anton oder Chamonix: Die jungen Leute sind satt. Wir hatten frher nur die Mglichkeit, Skifahrer zu werden, und in diese Chance haben wir uns verbissen. Heute kommen die Stars aus kleineren Tlern, abgeschiedeneren Orten oder berhaupt aus Niedersterreich oder dem Burgenland daher. Dort entwickeln die jungen Sportler heute diesen unbedingten Siegeswillen, den es braucht. Bei uns trainieren sie ja auch brav, aber es kommt nichts nach, weil der Biss fehlt.
Httest du es als Vater gern gesehen, dass deine beiden Tchter Rennluferinnen werden?
Angst haben
Es gibt ein Foto von dir mit dem ehemaligen US-Prsidenten Gerald Ford. Wo und wie hast du ihn getroffen? Anfang der 1980er-Jahre haben sie in Vail eine Idee entwickelt: Ehemalige
Sie haben ja beide mit dem Sport begonnen und vor allem die ltere war sehr talentiert. Aber sie haben aufgehrt, weil es einfach nicht ihr Ding war. Ich habe es gern akzeptiert.
Skirennlufer werden eine Woche vor dem Weltcup zu einem Legendenrennen eingeladen. Ich war von Anfang an dabei. Gerald Ford war der Gastgeber dieses Events. Ich habe ihn ganz gut gekannt, er hat mich auch zum Golfspielen eingeladen. Mit Bill Clinton war ich spter auch golfen. Du hast dich berhaupt in sehr guten Kreisen bewegt In Amerika ist die Wertschtzung eine ganz andere als in sterreich, wo du ins Abseits geschoben wirst, sobald du deine Karriere beendet hast. Wenn du einmal etwas geleistet hast, dann lernst viele neue, interessante Menschen kennen, durch die du dein Leben nach dem Sport gestalten kannst. Hast du berlegt, drben zu bleiben? Ja, diese berlegung gab es. Aber ganz ehrlich: Ich bin lieber zu Hause in Tirol. Amerika ist ein schnes Land und ich bin nach wie vor gern drben, aber nach einer gewissen Zeit bin ich auch ganz froh, wenn ich wieder heimkomme.
Du bist bei den Profis Abfahrtsweltmeister geworden. Was hat dich als Techniker geritten, dieses Risiko einzugehen? Ganz einfach: Ich habe die Punkte fr die Gesamtwertung gebraucht.
Auf den Abfahrten ist es ordentlich dahingegangen und weil es eine Show frs Fernsehen war, mussten natrlich auch jede Menge spektakulre Sprnge drinnen sein. Dank dieser Fernsehbertragungen war der Profizirkus in den USA auch viel beliebter als der Weltcup.
Aber warum bist du damals, als du eine Chance auf den Gesamtsieg gehabt httest, nicht auch im Weltcup in der Abfahrt gestartet? Ich bin ja Abfahrten gefahren, das Tempo hat mich
immer fasziniert. 1974 bin ich in Vail sogar einmal Dritter geworden. Aber es waren damals einfach zu viele, die so sein wollten wie der Klammer-Franz und die haben sich schon in den internen Qualifikationsrennen kaputtgemacht, weil sie ber ihre Verhltnisse gefahren sind. Ich war im Slalom und Riesenslalom sehr stark und wollte dieses Risiko nicht eingehen.
Dein Vater war nach Ende seiner Karriere als Trainer ttig. Hast du nie daran gedacht, dein Wissen an die nchste Generation weiterzugeben? Der SV ist nie auf mich zugekommen,
es war anscheinend nie ein Thema, mich einzubinden. Aber das ist auch gut so, der Verband hat sich ja sehr erfolgreich weiterentwickelt.
Du hast dafr den Umstieg in die Showbranche geschafft. Welche Eigenschaften eines Spitzensportlers haben dir dabei am meisten weitergeholfen? Du bentigst Kondition, Konzen-
tration und eiserne Disziplin. Das Um und Auf ist aber die gewisse Lockerheit. Wenn ich verkrampft auf die Bhne gehe, merken das die Menschen. Wenn die Leute eine Gaudi haben sollen, dann muss es leicht gehen.
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Fotos: privat
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