Originalprüfung Bio Abi 2008 Nordrhein-Westfalen
Originalprüfung Bio Abi 2008 Nordrhein-Westfalen
Originalprüfung Bio Abi 2008 Nordrhein-Westfalen
mit Musterlösung
Abitur Biologie
Aufgabe I: Homo sapiens / Neandertaler
Aufgabe II: MERFF-Syndrom
Aufgabe III: Lebensgemeinschaft Ameisen / Ameisenpflanzen
Die Veröffentlichung der Abitur-Prüfungsaufgaben erfolgt mit Genehmigung des zuständigen Kultusministeriums.
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Name: _______________________
Abiturprüfung 2008
Biologie, Leistungskurs
Aufgabenstellung:
I.1 Erläutern Sie die Bedeutung der DNA-Sequenzanalyse bei dem Erstellen von Stamm-
bäumen. Werten Sie die in den Materialien A und B angeführten Informationen (Se-
quenzanalyse, Datierungen, räumliche Zuordnung) aus und entwickeln Sie im Hin-
blick auf die Verwandtschaftsbeziehungen der Neandertalerpopulationen Hypothesen
zur Erklärung der dargestellten Befunde. (18 Punkte)
I.2 Beschreiben Sie die PCR-Methode und erläutern Sie vor dem Hintergrund möglicher
Untersuchungsaussagen den Einsatz der verschiedenen Primer. Fassen Sie das Er-
gebnis von Tabelle 2 (Material C) zusammen und erläutern Sie es. (22 Punkte)
I.3 Werten Sie die Daten der Materialien D und E aus und diskutieren Sie auch unter
Berücksichtigung von Material C, ob die Daten eine schlüssige Aussage bezüglich
einer Vermischung oder Nichtvermischung der Neandertaler- und Homo-sapiens-
Populationen erlauben. (12 Punkte)
I.4 Erläutern Sie die globale Ausbreitung von Homo sapiens unter Hinweis auf DNA-
Untersuchungen und Fossilfunde (Material F). Entwickeln Sie eine begründete
Stammbaumhypothese zur Evolution von Homo sapiens und von Neandertalern un-
ter Einbeziehung deren Ausbreitung, die von Homo erectus ausgeht, und erörtern Sie
die Frage, ob Homo sapiens die Neandertaler in Europa verdrängt haben könnte.
(14 Punkte)
Zugelassene Hilfsmittel:
Name: _______________________
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Abb. 1:
Fundorte von Neandertaler-Fossilien, deren DNA untersucht wurde.
Name: _______________________
Hominoiden-Primer Neandertaler-Primer
Neandertaler-Funde
Vindija 77 (Kroatien) 39.000 Jahre 3/3 2/3
Engis 2 (Belgien) (Alter bisher nicht feststellbar) 2/3 2/3
La Chapelle-aux-Saints (Frankreich) 45.000 Jahre 3/3 2/3
Homo-sapiens-Funde
Mladec 25 C (Tschechien) 31.000 Jahre 3/3 0/3
Mladec 2 (Tschechien) 31.000 Jahre 2/2 0/2
Cro Magnon (Frankreich) 30.000 Jahre 3/3 0/3
Abri Pataud (Frankreich) 18.600 Jahre 3/3 0/3
La Madeleine (Frankreich) 15.000 Jahre 2/3 0/3
Name: _______________________
Diese Sequenz wurde mit 994 verschiedenen mtDNA-Sequenzen verglichen, die von heute
lebenden Menschen stammten.
Auch heute lebende Menschen unterscheiden sich natürlich untereinander in ihren mtDNA-
Sequenzen. Diesbezügliche Untersuchungen ergaben, dass sich die Europäer um 5 Basen,
Asiaten um 6 Basen und Afrikaner um 8 Basen im statistischen Mittel innerhalb der jewei-
ligen Bevölkerungsgruppe voneinander unterscheiden.
Name: _______________________
Radiokarbonuntersuchungen zeigten, dass der Fund etwa 29 000 Jahre alt war.
Tabelle 4: Anzahl unterschiedlicher Basen der mtDNA (Die Längen der untersuchten
mtDNA- Sequenzausschnitte unterscheiden sich von denen in Material B.)
Anzahl unterschiedlicher
Basen (Mittelwerte)
Neandertaler aus Mezmaiskaya – Düsseldorfer Neandertaler 12
Neandertaler aus Mezmaiskaya – heute lebende Afrikaner 23
Neandertaler aus Mezmaiskaya – heute lebende Asiaten 23
Neandertaler aus Mezmaiskaya – heute lebende Europäer 25
Neandertaler-Fossilien fand man bisher nur in Europa und Westasien; die jüngsten Fossilien
sind ca. 30 000 Jahre alt.
Die ältesten Fossilien von Homo sapiens stammen aus Afrika (Äthiopien, 195 000 Jahre); die
ältesten Homo-sapiens-Funde aus Asien (China) sind 67 000 Jahre alt und die ältesten Homo-
sapiens-Funde in Europa (36 000 Jahre alt) stammen aus Rumänien. Der amerikanische Bio-
loge Allan Wilson veröffentlichte 1987 die Ergebnisse seiner Untersuchungen der Mito-
chondrien-DNA (mtDNA) von 147 heute lebenden Individuen aus Afrika, Asien, Australien,
Neuguinea und Europa. Das Ergebnis waren 133 verschiedene Typen von mtDNA, die mit
mathematischen Methoden in einem „Ähnlichkeits-Stammbaum“ dargestellt werden konnten.
Es stellte sich heraus, dass der Stammbaum in zwei Gruppen zerfiel: eine rein afrikanische
und eine mit Vertretern aus allen untersuchten Kontinenten. Die afrikanische Gruppe zeigt re-
lativ größere Unterschiede untereinander und ist älter. Das Alter des (weiblichen) gemeinsa-
men Vorfahren („Eva“) schätzte Wilson auf ca. 200 000 Jahre.
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Abiturprüfung 2008
Biologie, Leistungskurs
Aufgabenstellung:
II.2 Beurteilen Sie, inwieweit eine mitochondriale Vererbung durch das Material A bis D
abgesichert erscheint, und erklären Sie das Zustandekommen des Krankheitsbildes.
(12 Punkte)
II.3 Beschreiben Sie kurz die Vorgänge bei der Translation und gehen Sie dabei beson-
ders auf die Rolle der tRNA ein. Erläutern Sie unter Bezug auf die in Material E
dargestellten Erkenntnisse die molekulargenetische Ursache des MERRF-
Krankheitsbildes. (24 Punkte)
II.4 Stellen Sie dar, welche Inhalte eine genetische Beratung der Schwestern und Brüder
der Mutter des Patienten in Material B anlässlich geäußerter Kinderwünsche haben
muss. (14 Punkte)
Zugelassene Hilfsmittel:
Name: _______________________
„Sven ist heute 6½ Jahre alt und die Diagnosesuche ging los, da war er fast 2 Jahre alt und
bis wir die Diagnose hatten, gingen ca. 1½ Jahre ins Land. Bei uns war es auch so, dass die
Ärzte die Muskelbiopsie, also die Entnahme und Untersuchung von Muskelzellen aus dem
Oberschenkelmuskel erstmal nicht machen wollten, aber letztendlich nicht drum herum
kamen. ...
Sven war leider noch ein Frühchen (Frühgeburt) aus der 27. Schwangerschaftswoche und
da wurden viele Auffälligkeiten erstmal auf seine Frühgeburt geschoben. …
Trotzdem fiel auf, dass sich seine Muskulatur wie Wackelpudding anfühlte und auch sehr
wenig Muskelgewebe überhaupt da war. Nach allen Seiten drehen konnte er sich erst mit
fast 3 Jahren. Es hieß, er würde nie laufen lernen und nie sprechen lernen. Aber, die Ärzte
irrten sich, Gott sei Dank. Er lernte sprechen, viel später, aber das ist egal. Und er lernte so-
gar das freie Laufen mit fast 5 Jahren. Allerdings hat er eine starke Belastungsintoleranz
[...] aufgrund des Energiemangels. Kurze Strecken geht er, und für draußen hat er seinen
Rolli. Er hat auch immer wieder sehr schlappe Phasen, wo er fast den ganzen Tag nur
liegt.“
Name: _______________________
Abb. 1: MERRF-Stammbaum, Merkmalsträger sind schwarz dargestellt. Die Personen 3, 6 und 10 stammen
aus Familien, in denen das Krankheitsbild nachweislich nie aufgetreten ist.
Name: _______________________
Dargestellt sind der ringförmige DNA-Strang eines Mitochondriums sowie beispielhaft für
einige Bereiche die Position der Basen; so codiert z. B. der Bereich von 648 bis 1601 für
die kleine Untereinheit der Ribosomen (12s rRNA). Beschriftet sind außerdem Bereiche,
die für bestimmte Proteine codieren, z. B. „ND“ für NADH-Dehydrogenase und „CO“ für
Cytochrom c-Oxidase, beides Enzyme, die an der Energiebereitstellung beteiligt sind. Zu-
sätzlich erkennt man, welche Bereiche in tRNA transkribiert werden, so steht z. B. „K“ für
die tRNALysin und „G“ für die tRNAGlycin.
Name: _______________________
Abb. 4: Ausschnitt aus der mitochondrialen DNA eines Gesunden und eines an MERRF Erkrankten
Außer den in Abbildung 5 angeführten Proteinen findet man in den Mitochondrien Erkrank-
ter ein sogenanntes MERRF-Protein. Es handelt sich dabei um unvollständige Reste des
Proteins COI; auch fand man unvollständige Reste des Proteins ND2 in hoher Konzentrati-
on in MERRF-Mitochondrien.
Name: _______________________
Abiturprüfung 2008
Biologie, Leistungskurs
Aufgabenstellung:
III.1 Fassen Sie die in den Materialien A und B dargestellten Ergebnisse der durchgeführ-
ten Versuche zusammen. (18 Punkte)
III.2 Begründen Sie mit Hilfe der Materialien A und B, dass es sich bei der Lebensge-
meinschaft von Ameisen und den verschiedenen Ameisenpflanzen um eine Sym-
biose entsprechend der in Material C angegebenen Definition handelt. Diskutieren
Sie diese Lebensgemeinschaften vor dem Hintergrund von Aufwand und Nutzen.
(22 Punkte)
III.3 Fassen Sie die Aussagen der Abbildungen 3, 4 und 5 aus Material D zusammen und
erläutern Sie mit Hilfe der Abbildung 6 und unter Einbezug aller Materialien, auf
welche Weise die Produktion von Blattnektar über den Fraßdruck reguliert wird. Er-
klären Sie die biologische Funktion dieses Regulationsmechanismus in Bezug auf
Aufwand und Nutzen. (26 Punkte)
Zugelassene Hilfsmittel:
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Material A:
In Südostasien, speziell in West-Malaysia und auf Borneo, ist die Baumgattung Macaranga
beheimatet. Auf vielen dieser Macaranga-Bäumen leben Ameisenkolonien der Gattung
Crematogaster. Es handelt sich bei den Bäumen um ein Beispiel von so genannten „Amei-
senpflanzen“. Das Verhalten dieser Ameisen gegenüber Insekteneiern und Raupen wird in
Tabelle 1 dargestellt. Außerdem kappen sie die Ranken von Schlingpflanzen, sobald diese
ihren Wirtsbaum berühren.
Viele Macaranga-Bäume produzieren auf ihren Blättern so genannten extrafloralen Nektar
(Blattnektar), der nicht der Anlockung von bestäubenden Insekten dient, sondern eine Nah-
rungsquelle für Ameisen, Wespen und andere räuberische Insekten darstellt. Außerdem
werden Futterkörperchen von diesen Bäumen produziert. Sie werden von diesen Bäumen
von ihren Nebenblättern als spezielle Produkte gebildet.
Als fakultative Ameisenpflanzen bezeichnet man solche, die nur zum Nahrungserwerb
besucht werden.
Als obligate Ameisenpflanzen bezeichnet man Arten, die dauerhaft bewohnt werden.
Versuch 1
In einem Versuch untersuchte man das Verhalten von Ameisen auf einer obligaten Amei-
senpflanze.
Tabelle 1: Untersuchungen zum Verhalten von Ameisen gegenüber Eiern von Insekten,
Raupen und Futterkörperchen nach ihrer Entdeckung
Eier von Insekten 90 % wurden von den Ameisen von den Blättern entfernt, keine Nahrungsquelle
Raupen 80,5 % wurden von den Ameisen durch Bisse vertrieben, keine Nahrungsquelle
Futterkörperchen wurden von den Ameisen gefressen
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Versuch 2
Eine Analyse der chemischen Zusammensetzung der Futterkörperchen unterschiedlicher
fakultativer und obligater Ameisenpflanzen wurde durchgeführt. Ziel war es, die Bedin-
gungen zu ermitteln, nach denen Ameisen obligate Pflanzen auswählen.
Name: _______________________
Material B:
Versuch 3
Es wurde eine Langzeitstudie bei Pflanzen der Art Macaranga triloba durchgeführt, bei der
während eines Jahres das relative Blattwachstum bzw. der relative Blattverlust bedingt
durch pflanzenfressende Insekten untersucht wurden. Untersucht wurden Pflanzen, die von
Ameisen bewohnt waren und solche ohne Ameisen.
Macaranga triloba
400
300
200
100
0
-100
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Nummer des Pflanzenpaares
in Anwesenheit von Ameisen
ohne Anwesenheit von Ameisen
kennzeichnet eine Versuchspflanze, die während der
Versuchsdauer wieder besiedelt wurde.
Werte von zwei vergleichbaren Pflanzen (eine mit, eine ohne Ameisen)
wurden nebeneinander gezeichnet und bilden ein Paar.
Abb. 1: Relatives Blattwachstum bzw. relativer Blattflächenverlust (Zuwachs bzw. Verzehr durch pflanzen-
fressende Insekten bezogen auf einen Durchschnittswert) von Pflanzen der Art Macaranga triloba in-
nerhalb eines Jahres mit und ohne Ameisen
Name: _______________________
Versuch 4
Bei einem weiteren Versuch wurde bei jeweils 30 Ameisenpflanzen die Ausbildung von
zusätzlichen Futterkörperchen angeregt (+ Futterkörperchen) bzw. entfernt (- Futterkörper-
chen) oder die Pflanzen wurden nicht manipuliert (Kontrolle). Nach 30 Tagen wurden die
Anzahl der Ameisen und die Altersstruktur der Ameisenpopulation (Eier, Larven, Puppen)
bestimmt (Abb. 2).
Abb. 2: Abhängigkeit einer Ameisenkolonie von dem Vorhandensein bzw. Fehlen der Futterkörperchen
Material C:
In einem Schulbuch findet man folgende Definition für ein Beispiel einer interspezifischen
Beziehung:
Ein Symbiose ist „eine Beziehung zwischen artverschiedenen Lebewesen, die für beide
Partner vorteilhaft und durch enges räumliches Zusammenleben gekennzeichnet ist.“
Name: _______________________
Material D:
In einem Experiment wurden 30 von Ameisen besiedelte Ameisenpflanzen sechs Wochen
lang alle vier Tage mit Jasmonsäure besprüht, durch Fraß oder gezielt mit Nadelstichen be-
schädigt. Jasmonsäure ist ein Stoff, der in Pflanzen produziert wird und verschiedene Reak-
tionen bewirkt. Jasmonsäure kann auch in Experimenten auf die Pflanzen gesprüht werden
und wirkt dann ebenfalls.
Abb. 3:
Nektarproduktion von Macaranga tanarius unter
verschiedenen Bedingungen (Nektar: ausge-
schiedener, stark zuckerhaltiger Pflanzensaft)
Kontrolle: Pflanzen wurden nicht behandelt
Sprüh-Kontrolle: die Pflanzen wurden nur mit dem
Lösungsmittel und nicht mit Jasmonsäure besprüht
Künstlicher Schaden: die Pflanzen wurden ge-
zielt mit Nadelstichen beschädigt (Löcher)
Fraß: man lässt Insekten fressen
Jasmonsäure: wurde aufgesprüht
Abb. 4:
Auswirkung von einer mechanischen Beschädi-
gung und einer Behandlung mit Jasmonsäure auf
Fraßschäden durch pflanzenfressende Insekten.
Die von Ameisen besiedelten Pflanzen wurden
erst mit Jasmonsäure behandelt bzw. künstlich
beschädigt. Anschließend wurde das Ausmaß an
Fraßschäden ermittelt.
Kontrolle: Die untersuchten Pflanzen wurden
nicht behandelt bzw. nicht beschädigt.
Name: _______________________
Abb. 5: Anzahl der auf mit Jasmonsäure behandelten und auf Kontrollpflanzen auftretenden räuberischen
Insekten und nektarsuchenden Insekten (z. B. Ameisen)
I.1
Bei einer DNA-Sequenzanalyse wird die exakte Reihenfolge der Nucleotide in einem DNA-
Strang durch Sequenzierung ermittelt. Der Vergleich von DNA-Sequenzen z. B. mitochon-
drialer DNA kann ziemlich genau Aufschluss darüber geben, ob zwei Arten miteinander
verwandt sind und wenn mehrere Arten oder Gruppen verglichen werden, welche näher
miteinander verwandt sind als andere. Der Verwandtschaftsgrad wird dabei an Basen- bzw.
Nucleotidunterschieden festgemacht. Jedoch ist sie als einzige Methode nicht ausreichend
um Stammbäume zu erstellen, denn dies würde eine konstante Mutationsrate und damit
konstante Austauschrate von Nucleotiden voraussetzen. Es scheint aber, dass die
Mutationsrate unter wechselnden äußeren Bedingungen variabel ist. Daher erlaubt die DNA-
Sequenzanalyse anhand der Basenunterschiede nur quantitative Aussagen wie „näher
verwandt“ oder „nicht näher verwandt“, nicht aber Aussagen darüber, wann sich z. B.
verschiedene systematische Gruppen aufgespalten haben. Erst wenn beides bekannt ist,
kann ein Stammbaum aufgestellt werden. Deshalb benötigt man zusätzlich zu DNA-
Sequenzanalysen i. d. R. auch Fossilien, anhand derer die zeitliche Abfolge des Auftretens
neuer Merkmale mithilfe von morphologischen Untersuchungen und Altersbestimmungen
nachvollzogen werden kann.
Die Fundorte der Neandertaler-Fossilien sind ausschließlich auf Europa und Westasien
verteilt. Die jüngsten Überreste sind 29000 Jahre alt, die ältesten der in Material B
untersuchten Neandertaler sind 50000 Jahre alt. Insgesamt gesehen sind die
Basenunterschiede in den untersuchten mtDNA-Sequenzen mit 1 bis maximal 8 Basen
Unterschied recht gering. Der größte Basenunterschied besteht zwischen dem ältesten
(Monti Lessini, 50000 Jahre alt) und dem jüngsten Fund (Mezmaiskaya, 29000 Jahre alt).
Ähnlich alte Funde haben nur wenige Basen Unterschied. Man könnte annehmen, dass z. B.
die Funde von El Sidrón, Düsseldorf und Vindija, die ähnlich alt sind und sich nur durch 1
oder 2 Basen unterscheiden, ursprünglich einer Population entstammen, von der
Teilpopulationen z. B. in Zwischeneiszeiten nach Norden gezogen bzw. bei Eintritt einer
Eiszeit nach Süden gezogen sind. Zumindest scheinen die Individuen aus diesen drei
Fundorten näher miteinander verwand zu sein, als mit den beiden Funden aus Monti Lessini
und Mezmaiskaya und auch als die beiden Letzeren untereinander. Dafür spricht auch, dass
sie mit 43000, 42000 und 39000 Jahren ähnlich alt sind.
I.3
Die Anzahl der Basenunterschiede zwischen Neandertaler und heute lebenden Menschen
aller Kontinente liegen durchweg bei 27 bzw. 28 Basen. Hingegen liegen die Basenunter-
schiede zwischen den untersuchten Gruppen der heute lebenden Menschen bei fünf bis acht
Basen, sind also deutlich geringer. Ein ähnliches Bild zeigte sich ja beim Vergleich der
mtDNA-Teilsequenzen der Neandertaler aus den verschiedenen europäischen Fundorten
(Material B). Auch bei ihnen beträgt die Zahl der unterschiedlichen Basen maximal acht, bei
drei Gruppen untereinander sogar nur eins bis zwei Basen. Allerdings kann dies auch an der
Länge der Teilstücke liegen, denn in Material E wurden immerhin 12 unterschiedliche Basen
zwischen einem Neandertaler aus Düsseldorf und einem aus dem Kaukasus festgestellt.
Dies ist aber immer noch höchstens die Hälfte der Unterschiede zwischen Neandertaler und
Homo sapiens.
Zwar kann aufgrund der Daten nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass es eine
Vermischung von Neandertaler- und Homo-sapiens-Populationen gab, doch fand sie
vermutlich, wenn überhaupt, nur in äußerst geringem Ausmaß statt bzw. führte nicht dazu,
dass sich bedeutendere Mengen Neandertaler-DNA im Homo-sapiens-Erbgut wiederfinden.
Selbst wenn es zu sexuellen Kontakten gekommen sein kann, ist es möglich, dass daraus
entweder keine Nachkommen entstehen konnten (im Sinne einer Artbarriere zwischen
Neandertaler und Homo sapiens) oder eventuelle Hybride von Neandertaler und Homo
sapiens waren steril und das Erbgut konnte deshalb nicht an weitere Generationen
weitergegeben werden. Außerdem muss auch berücksichtig werden, dass die in den
Materialien betrachteten Basenunterschiede sich auf die mtDNA beschränken. Dies ist ein
geringer Teil der Gesamt-DNA, der zudem nur maternal vererbt wird. Um wirklich
I.4
Globale Ausbreitung von Homo sapiens: Aus Material F geht hervor, dass aufgrund
von Untersuchungen der mtDNA die Linie des modernen Homo sapiens vor rund
200000 Jahren in Afrika entstanden ist. Davon ist eine Gruppe in Afrika verblieben,
eine andere verließ Afrika und besiedelte die anderen Kontinente. Wann das geschah,
geht aus dem Material nicht hervor. Sicher ist danach nur, dass Asien früher besiedelt
wurde (älteste Funde in China 67000 Jahre alt) als Europa (älteste Funde 36000 Jahre
alt). Dass die afrikanische Gruppe untereinander größere Unterschiede zeigt, als die
über alle Kontinente verstreute Gruppe, lässt zumindest darauf schließen, dass die
Auswanderungswelle erst deutlich später stattfand. Denn, bei Annahme einer
konstanten Mutationsrate, sind die Basenunterschiede innerhalb einer Gruppe umso
größer, je älter sie ist, je länger also Zeit für das Entstehen von Mutationen war. Wenn
sich z. B. die Auswanderungsgruppe erst 100000 Jahre nach Entstehen des modernen
Homo sapiens aufmachte, sich über die Erde verstreute und sich dabei wiederum in
Populationen aufspaltete, die die verschiedenen Kontinente besiedelten, dann hatte
deren mtDNA nur 100000 Jahre (bis heute) Zeit, um untereinander wiederum
Unterschiede zu entwickeln, sie sind demnach untereinander ähnlicher als mit ihrer
afrikanischen (Stamm)Gruppe.
Stammbaumhypothese: Aus Homo erectus, der bis vor rund 400000 Jahren in Afrika,
Europa und Asien lebte entwickelten sich sowohl eine Linie, aus der später der
Neandertaler hervorging, als auch eine Linie, aus der Homo sapiens hervorging. Diese
Abspaltung geschah früh. Aus der Homo sapiens-Linie spalteten sich dann von der
(älteren) afrikanischen Gruppe die Gruppen ab, die auswanderten und nach und nach
alle Kontinente besiedelten, wobei Letztere untereinander ähnlicher sind, als mit der
(ursprünglichen) afrikanischen Gruppe, aus der sie stammen.
Aus den Daten in Material B, D und E kann interpretiert werden, dass sich
Neandertaler und Homo sapiens nicht oder nicht nennenswert miteinander
vermischten. Sie müssen aber andererseits zumindest eine gewisse Zeit (Material F)
gleichzeitig in Europa gelebt haben. Daher liegt es durchaus im Bereich des Mögli-
chen, dass die Neandertaler von Homo sapiens in Europa verdrängt wurde. Wie dies
geschehen sein soll, geht aus dem Material nicht hervor. Es gibt verschiedene Möglich-
keiten: z. B. könnte Homo sapiens letztlich sich besser an das sehr wechselhafte Klima
(Eiszeiten und Zwischeneiszeiten, Material A) angepasst und dadurch einen größeren
Fortpflanzungserfolg gehabt haben. Homo sapiens könnte, zumindest regional, die
erfolgreichere Art im Kampf um eventuell begrenzte Ressourcen gewesen sein und
dadurch wiederum einen höheren Fortpflanzungserfolg gehabt haben. Vielleicht war
aber auch insgesamt die Fortpflanzungsrate von Homo sapiens (artbedingt) höher als
die der Neandertaler; vielleicht starben die Neandertaler aber auch aus, weil sie sich
nicht dauerhaft an die Klimaschwankungen oder rauen Klimaverhältnisse so anpassen
konnten, dass sie sich ausreichend fortpflanzen konnten.
II.1
Bei Betrachtung des Stammbaums in Material C, fällt auf den ersten Blick auf, dass, wenn
die Mutter am MERRF-Syndrom erkrankt ist, alle Nachkommen erkrankt sind, ist die Mutter
gesund (Person 10), dann sind alle Nachkommen gesund. Da männliche und weibliche
Nachkommen bei einer kranken Mutter gleichermaßen erkranken, müsste bei einer X-chro-
mosomalen Vererbung der Erbgang dominant sein, sonst würden nicht alle weiblichen
Nachkommen erkranken. Im Falle der Nachkommen der Eltern 9 und 10 sind die Nach-
II.2
Für eine mitochondriale Vererbung sprechen folgende Indizien:
Mitochondrien spielen auf jeden Fall eine Rolle beim MERRF-Syndrom, denn wie aus
Material A hervorgeht, wurden beim MERRF-Kranken defekte Mitochondrien gefunden,
wobei die Krankheit erst auffällig wird, wenn der Anteil der defekten Mitochondrien im
Gewebe mindestens 50 % beträgt.
Mitochondrien besitzen eine eigene DNA, eigene Ribosomen und eigene Proteine und
sie vermehren sich unabhängig vom Zellzyklus (Material D). In der mitochondrialen
DNA können Mutationen entstehen, die dann bei der Teilung der Mitochondrien
weitergegeben werden, sodass neben intakten auch defekte Mitochondrien gebildet
werden. Da bei der Zellteilung die Mitochondrien zufällig auf die Tochterzellen verteilt
werden (Material A), erklärt sich daraus die Tatsache, dass bei MERRF-Kranken in
unterschiedlichem Verhältnis intakte und defekte Mitochondrien nebeneinander
gefunden werden (Heteroplasmie).
Mitochondrien sind besonders zahlreich in der Skelettmuskulatur (insbesondere der
Arme und Beine) sowie im Gehirn und im Herz (Material D). Das erklärt sich daraus,
dass Mitochondrien als „Kraftwerke der Zelle“ für die Bereitstellung von Energie aus
dem oxidativen Abbau (Atmungskette) zuständig sind und die betreffenden Gewebe
einen sehr hohen Energiebedarf haben, den sie vorwiegend bis ausschließlich (Herz,
Gehirn) aus dem oxidativen Abbau decken. MERRF-Kranke haben vor allem Probleme
mit der Muskulatur (ausgefranste rote Muskelfasern und insgesamt wenig Muskel-
gewebe, das sich weich anfühlt, Material A und B). Außerdem haben sie neurologische
Probleme (Muskelkrämpfe, Material A) und sie haben Probleme mit der
(ausreichenden) Energiebereitstellung für jedwede Muskelarbeit (Material B). Diese
Symptome sind mit einem mitochondrialen Defekt sehr gut in Einklang zu bringen.
Aus allen Verbindungen, in denen die Mütter erkrankt waren, gehen ausschließlich
kranke Nachkommen hervor. Aus Material D ist zu entnehmen, dass die Eizelle
Tausende von Mitochondrien besitzt, das Spermium jedoch nur weniger als 50. Und
diese wenigen Mitochondrien kommen bei der Befruchtung nicht in die Eizelle, da sie
im Halsteil des Spermium sitzen, bei der Befruchtung jedoch nur der Kopf des Sper-
miums in die Einzelle dringt. Sind die Mitochondrien der Eizelle defekt, wird dies in
jedem Fall auf alle Nachkommen vererbt, denn ein maternaler Erbgang folgt nicht den
mendelschen Regeln. Ob die Krankheit dann auffällig wird oder nicht, hängt nur noch
vom Anteil der defekten Mitochondrien in den betroffenen Geweben ab (Material A)
und diese werden ungleichmäßig auf die Gewebe des Embryos verteilt, da die
Verteilung der Mitochondrien bei der Zellteilung zufällig erfolgt.
II.3
Bei der Translation werden die Basentripletts der mRNA in die Aminosäuresequenz
übersetzt und die entstehenden Aminosäuren in der vorgegebenen Reihenfolge aneinander
geknüpft. Die Translation findet an den Ribosomen statt und für die „Anlieferung“ der jeweils
richtigen Aminosäure sorgt die tRNA. Für jedes mögliche Basentriplett gibt es eine passende
tRNA, die am einen Ende ein dem Codon der mRNA entsprechendes Basentriplett trägt, das
Wie aus Material E Abb. 3 und 4 hervorgeht, liegt beim MERRF-Syndrom eine Punktmuta-
tion der mitochondrialen DNA vor, die für die tRNA für Lysin codiert. Hierbei ist ein Adenin
durch ein Guanin ersetzt. Die Folge ist, dass die tRNA für Lysin funktionsunfähig ist und die
Folge davon ist, dass bei der Proteinbiosynthese (die Mitochondrien haben eine eigene Pro-
teinbiosynthese) in die Proteine kein Lysin eingebaut wird. Dadurch werden die Proteine je-
doch verändert bzw. unvollständig und zwar umso mehr, je höher der Lysinanteil im Protein
ist. Dies geht aus der Abb. 5 hervor, in welcher der Anteil vollständiger Proteine in Prozent in
Abhängigkeit von der Anzahl der Lysin-Bausteine im fertigen Protein aufgetragen ist. Die Er-
gebnisse entstammen den Mitochondrien eines MERRF-Kranken und der Anteil in Prozent
vollständigen Proteins wird verglichen mit dem Anteil an vollständigen Proteinen eines Ge-
sunden. Hierbei zeigt sich, dass der Ausfall der Lysin-Bausteine verheerende Folgen hat.
Bereits bei etwa zwei Lysinbausteinen (Protein: NADH-Dehydrogenase 6) führt der Defekt
dazu, dass nur noch etwa 60 % der gebildeten Proteine vollständig sind, bei etwa drei Lysin-
bausteinen sind nur noch 30 % vollständig (dies betrifft z. B. die Cytochrom-C-Oxidase III
und die NADH-Dehydrogenase 3) und bei zehn Lysinbausteinen im Proteinmolekül (Cyto-
chrom-C-Oxidase I) sind nur noch 10 % der gebildeten Proteine vollständig. Bei Proteinen,
die noch mehr Lysin-Bausteine enthalten geht der Anteil der vollständigen Proteine gegen
Null. Die betroffenen Enzyme, im Wesentlichen NADH-Dehydrogenasen und Cytochrom-C-
Oxidasen, sind wichtige Enzyme der Atmungskette und damit essentiell für die Energie-
bereitstellung im Organismus. Dies erklärt auch die in Material B geschilderten Symptome.
II.4
Den Brüdern der Mutter kann gesagt werden, dass sie bedenkenlos eigene Kinder be-
kommen können, selbst wenn sie selber vom MERRF-Syndrom betroffen sein sollten.
Dies aus dem Grund, dass hier aufgrund der mitochondrialen Vererbung ein rein ma-
ternaler Erbgang vorliegt und Männer die Krankheit nicht weiter vererben können.
III.1
In Tabelle 1 von Material A ist das Verhalten von Ameisen gegenüber Fressfeinden der von
den Ameisen besiedelten Pflanze dargestellt und gegenüber den von der Pflanze produ-
zierten Futterkörperchen. Es zeigt sich, dass die Ameisen sowohl die Eier von Insekten (die
schlüpfenden Larven könnten die Pflanze befressen) als auch Raupen fast vollständig,
nämlich zu 90 % bzw. 80,5 % von der Pflanze durch Beißen vertreiben, wobei beide keine
Nahrungsquelle für die Ameisen darstellen. Die Ameisen handeln hier also vordergründig im
Interesse der Pflanze. Gleiches gilt im Übrigen für das Kappen der Ranken von Schling-
pflanzen. Auch diese sind keine Nahrungsquelle für die Ameise, könnten jedoch „ihre“
Pflanze gefährden, indem sie sie zuwuchern. Die von der Pflanze produzierten Futterkörper-
chen hingegen werden von den Ameisen gefressen.
Aus Tabelle 2, Material A geht nun hervor, dass die Zusammensetzung und der Energie-
gehalt der von verschiedenen Ameisenpflanzen produzierten Futterkörperchen einen
Einfluss darauf hat, ob die Ameisen eine Pflanze dauerhaft besiedeln (obligate Ameisen-
pflanze) oder sie nur zum Nahrungserwerb besuchen (fakultative Ameisenpflanze). Die
Tabelle zeigt die Gehalte an Kohlenhydraten, Proteinen und Lipiden (in mg/g Frischgewicht)
sowie den Energiehalt (in kJ/g Frischgewicht) von fünf verschiedenen Pflanzenarten und den
Charakter der Vergesellschaftung zwischen Ameise und Pflanze. Die Ergebnisse zeigen,
dass insbesondere der Proteingehalt ausschlaggebend dafür ist, ob die Pflanze eine obligate
oder eine fakultative Ameisenpflanze ist. Alle obligaten Pflanzen zeigen einen Proteingehalt,
der den 2,5- bis 3,5-fachen Wert der fakultativen Pflanzen hat. In zweiter Linie scheint der
Lipidgehalt eine Rolle zu spielen, denn die obligaten Pflanzen haben deutlich höhere
Lipidgehalte als die fakultativen. Die Unterschiede sind recht groß, ein relativ niedrigerer
Lipidgehalt bei Macaranga hosei scheint durch den im Vergleich höheren Gehalt an
Proteinen ausgeglichen zu werden. Zwar spielt die Höhe des Energiegehalts, der im
Wesentlichen durch den Anteil an Lipiden bestimmt wird, auch eine Rolle, denn die Pflanzen
III.2
Um die Frage zu beantworten muss man prüfen, ob die verschiedenen Bedingungen erfüllt
sind, damit die Lebensgemeinschaft zwischen Ameisen und Ameisenpflanzen als Symbiose
bezeichnet werden kann.
1. Bedingung: „Beziehung zwischen artverschiedenen Lebewesen“. Diese Bedingung
ist auf jeden Fall erfüllt, zumal die beiden Partner der Lebensgemeinschaft sogar
verschiedenen Reichen zugehören, die Ameisen den Tieren und die Ameisenpflanzen
eben den Pflanzen.
III.3
Die Abbildungen in Material D zeigen Ergebnisse eines Experimentes, in dem 30 von Amei-
sen besiedelte Ameisenpflanzen sechs Wochen lang alle vier Tage mit Jasmonsäure be-
sprüht, durch Fraß oder durch Nadelstiche geschädigt wurden.
Abb. 3 zeigt die Nektarproduktion von Macaranga tanarius in Abhängigkeit von ver-
schiedenen Behandlungen: Besprühen mit Jasmonsäure, Insektenfraß, Anstechen der
Blätter mit einer Nadel, Besprühen mit Lösungsmittel, ohne Behandlung (Kontrolle).
Dabei zeigt sich, dass die Nektarproduktion besonders stark durch Jasmonsäure (etwa
590 % Zunahme der relativen Nektarmenge) und durch künstliche Beschädigung (etwa
550 % Zunahme der relativen Nektarmenge) angeregt wird. Fraß durch Insekten bringt
eine relative Nektarzunahme von 200 %, also gut ein Drittel der durch Jasmonsäure
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