Akute Otitis Media
Akute Otitis Media
Akute Otitis Media
Abstract
Die akute Otitis media ist eine plötzlich auftretende Entzündung des Mittelohrs, die sich
gehäuft in den Wintermonaten im Anschluss an einen Infekt der
oberen Atemwege entwickelt. Aufgrund des erleichterten Aufsteigens von Erregern
durch die kürzere Tuba auditiva sind vor allem Kinder betroffen. Leitsymptome sind
Ohrenschmerzen und Fieber. Der klinische Verdacht wird in der Otoskopie durch eine
sichtbare Rötung und Vorwölbung des Trommelfells und einen Paukenerguss bestätigt.
Die Erkrankung verläuft in der Regel selbstlimitierend, sodass eine pauschale Therapie
mit Antibiotika nicht sinnvoll ist. Eine gefürchtete, aber seltene Komplikation ist
die Mastoiditis.
NOTIZEN
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Epidemiologie
• Prävalenz: ca. 60% der Kinder bis 6 Jahre [1]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf
Deutschland.
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Ätiologie
• Erreger der akuten Otitis media
o Nachweis einer Mischinfektion von Viren und Bakterien (knapp
70%)
▪ In ca. 20% findet sich ein reiner Bakteriennachweis
o Häufige Bakterien [1]
▪ Streptococcus pneumoniae (ca. 25%)
▪ Haemophilus influenzae (ca. 25%)
▪ Moraxella catarrhalis (ca. 15%)
▪ Seltener: β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe
A, Staphylococcus aureus, Mykoplasmen, Chlamydien
o Häufige Viren [3]
▪ Meist RS-Virus (ca. 75%), häufig Mischinfektionen
▪ Parainfluenzavirus (ca. 50%)
▪ Influenzavirus (ca. 40%)
▪ Enterovirus (ca. 10%)
▪ Seltener: Rhino-, Metapneumo-, Corona-, Adenovirus
• Erreger der akuten perforierten Otitis media [4]
Symptome/Klinik
• Akut einsetzende heftige Ohrenschmerzen (meist einseitig) in Verbindung mit
weiteren möglichen Symptomen
o Fieber
o Reduzierter Allgemeinzustand
o Hörstörungen
o Schwindel
• Im Falle einer Trommelfellperforation: Otorrhö sowie schlagartige Besserung der
Ohrenschmerzen
• Beim Säugling und Kleinkind: Unruhe, Schreien, Reiben oder Greifen des Ohrs,
Nahrungsverweigerung, Erbrechen und Durchfall
• Abzugrenzen von der akuten Otitis media ist
das Seromukotympanon (Paukenerguss ohne klinische Zeichen einer akuten
Otitis media)
NOTIZEN
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Diagnostik
• Anamnese und Klinik (s.o.)
• Manuelle Untersuchung: Prüfen des Tragusdruckschmerzes zum Ausschluss
einer Otitis externa [1]
• Otoskopie
o Frühzeichen
▪ Zunehmend gerötetes Trommelfell, ggf. Gefäßinjektionen
▪ Eine Rötung des Trommelfells alleine kann
auch eine Hyperämie durch vermehrtes
Schreien oder Fieber als Ursache haben
▪ Einziehung des Trommelfells
o Spätzeichen
▪ Paukenerguss (Spiegel, Blasen hinter dem Trommelfell)
▪ Vorwölbung, Verdickung und Rötung des Trommelfells
▪ Erkennen der Trommelfellstrukturen nicht möglich
▪ „Schollige Trübung“ der Trommelfelloberfläche mit
Reflexverlust
▪ Myringitis bullosa: Entzündung des Trommelfells mit
wässriger oder blutiger
Blasenbildung auf dem Trommelfell, insb. bei Grippeotitis
▪ Spontanperforation mit Otorrhö (Eitertropfen sichtbar)
• Ausschluss einer otogenen Komplikation
o Inspektion und Palpation des Mastoids
o Beurteilung des N. facialis (Grimassieren)
o Ggf. Parazentese zum Erregernachweis
• 3 obligate Kriterien für klinisch sichere Diagnose
o Akuter Symptombeginn mit Fieber, Unruhe und
reduziertem Allgemeinzustand
o Rötung des Trommelfells und Ohrenschmerzen
o Paukenerguss (Vorwölbung des Trommelfells, ggf.
Spiegel/Blasen/Otorrhö)
Entgegen weit verbreiteter Meinung weist der positive Tragusdruckschmerz auf eine
akute Otitis externa hin und nicht auf eine akute Otitis media!
NOTIZEN
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Therapie
• Allgemein: Viel Flüssigkeit aufnehmen
• Medikamentös
o Symptomatisch
▪ Abschwellende Nasentropfen: Xylometazolin zur
Gewährleistung der Mittelohrbelüftung
▪ Kinder Geburt–2 J. DOSIS
▪ Kinder 2–6 J. DOSIS
▪ Kinder >6 J. und Erwachsene DOSIS
▪ Schmerztherapie (Paracetamol, Ibuprofen)
▪ Paracetamol
▪ Erwachsene DOSIS
▪ Kinder DOSIS
▪ Für genauere
Dosierungsanweisungen
siehe: Paracetamol
(pädiatrisch)
▪ Ibuprofen
▪ Erwachsene DOSIS
▪ Kinder DOSIS
▪ Für genauere
Dosierungsanweisungen
siehe: Ibuprofen (pädiatrisc
h)
o Ggf. Antibiotika
▪ Indikationen für eine Antibiotikatherapie
▪ Otitis media beidseits
▪ Otorrhö
▪ Schweres Krankheitsbild (sehr hohes Fieber,
stark reduzierter Allgemeinzustand)
▪ Risikofaktoren (z.B. Immunsuppression,
schwere Grunderkrankungen, Down-
Syndrom, Lippen-Kiefer-
Gaumenspalte, Cochlea-Implantat-Träger)
▪ Alter <6 Monate
▪ Keine Symptombesserung binnen 48
Stunden (24 Stunden bei <2-Jährigen) nach
erster Arztkonsultation
▪ 1. Wahl: Amoxicillin
▪ Erwachsene DOSIS
▪ Kinder >1–12 J. DOSIS
▪ Siehe auch: Amoxicillin (pädiatrisch)
▪ Bei Rezidiv oder fehlendem Ansprechen nach 48–72 h
▪ Amoxicillin/Clavulansäure
▪ Erwachsene DOSIS
▪ Kinder 1–12 J. DOSIS
▪ Siehe
auch: Amoxicillin/Clavulans
äure (pädiatrisch)
▪ oder Cephalosporin der 2. oder 3. Generation,
bspw. Cefuroxim
▪ Kinder 1 Mon.–12 J. DOSIS
▪ Kinder >12 J. und
Erwachsene DOSIS
▪ Siehe auch: Cefuroxim
(pädiatrisch)
▪ Bei Penicillinallergie: Makrolid, bspw. Erythromycin, bei
sicher fehlenden Hinweisen auf eine Urtikaria oder
Anaphylaxe im Rahmen der Penicillin-Allergie kann
auch Cefuroxim zum Einsatz kommen
▪ Kinder 3 Mon.–12 J. DOSIS
▪ Kinder >12 J. und Erwachsene DOSIS
o Ggf. Ciprofloxacin-Ohrentropfen (altersunabhängige
Dosierung) DOSIS
▪ Indikationen: Akute Otitis media bei Paukenröhrchen
oder chronische eitrige Otitis media
o Nicht empfohlen wird die Parazentese des Trommelfells [1]
Nicht jede Otitis media sollte pauschal mit Antibiotika behandelt werden!
Komplikationen
• Mastoiditis
• Labyrinthitis
• Zygomatizitis: Entzündung der Zellen des Jochbogens, auch als Komplikation
der Mastoiditis möglich
• Fazialisparese
• Sinusvenenthrombose
• Epiduralabszess
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
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Prognose
• Prognose gut bei unkompliziertem Verlauf
o Ansonsten abhängig von möglichen Komplikationen
• Persistierender Paukenerguss insb. im Kindesalter häufig
o ca. 35–40% nach 1 Monat
o ca. 5–10% nach 3 Monaten
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Prävention
• Impfen (insb. Hib-Impfung, Influenzaimpfung und Pneumokokkenimpfung)
• Stillen
• Xylitol (z.B. in Kaugummis)
• Rauchfreies Umfeld
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Patienteninformation
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H72.-: Trommelfellperforation
• Inklusive: Trommelfellperforation: nach Entzündung, persistierend-
posttraumatisch
• Exklusive: Traumatische Trommelfellruptur (S09.2)
• H72.0: Zentrale Perforation des Trommelfells
• H72.1: Trommelfellperforation am Recessus epitympanicus
o Perforation der Pars flaccida
• H72.2: Sonstige randständige Trommelfellperforationen
• H72.8: Sonstige Trommelfellperforationen
o Perforation des Trommelfells: mehrfach, total
• H72.9: Trommelfellperforation, nicht näher bezeichnet
Quellen
1.
Mühlenfeld et al.: S2k-Leitlinie Ohrenschmerzen. Deutsche Gesellschaft für
Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Stand: 2014. Abgerufen am:
23.10.2016.
2.
Berner et al.: DGPI-Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. 7.
Auflage Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) 2018, ISBN: 978-3-
132-40790-9.
3.
Nokso-Koivisto: Importance of Viruses in Acute Otitis Media. In: Curr Opin
Pediatr. Band: 27, Nummer: 1, 2015, doi: 10.1097/MOP.0000000000000184.| Open in
Read by QxMDp.110-115.
4.
van der Linden et al.: Bacterial spectrum of spontaneously ruptured otitis media in the
era of pneumococcal conjugate vaccination in Germany. In: Eur J Pediatr. Band:
174, Nummer: 3, 2015, doi: 10.1007/s00431-014-2409-0.| Open in Read by
QxMDp.355-364.