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Biochemie und

Physiologie der
Organismen

Kursanleitung für die Übungen


zur Biologie III
Department Biologie
FAU-Erlangen 2010
Inhalt
Hinweise zu den Protokollen Seite 2

1. Messkurs Seite 3

2. Bakterienwachstumskurve und Antibiotika Seite 18

3. Ames-Test Seite 36

4. Proteinanalysen Seite 50

5. Enzymologie Seite 61

6. Nerv Seite 72

7. Atmung Seite 89

8. Hören (siehe auch Tabellenanlage) Seite 113

9. Sehen Seite 120

10. Akkumulation und Bestimmung von pflanzlichen


Naturstoffen Seite 134

11. Photosynthese Seite 140

12. Licht- und Schwerkraft gesteuerte


Bewegungsreaktionen bei Einzellern
und höheren Pflanzen Seite 150
Biologische Übungen III Himweise zu den Protokollen

Hinweise zu den Protokollen


Abgabe:
Jede Arbeitsgruppe gibt ihr Protokoll bis spätenstens eine Woche nach dem jeweiligen Kurs
in den ABGABE-Protokollkasten im Kurssaal M.
Für das Protokoll ist stets die ganze Arbeitsgruppe verantwortlich.
Aus dem daneben stehenden RÜCKGABE-Protokollkasten können die vom Kursleiter
korrigierten Protokolle später abgeholt werden.
Verbesserungsbedürftige Protokolle werden in korrigierter Form wiederum eine Woche nach
der Rückgabe in den ABGABE-Protokollkasten gelegt.
Vorraussetzung zur Teilnahme an der Klausur: Abgabe aller Protokolle. Vorrausetzung zur
Teilnahme an den Bio4 – Übungen: Testat auf alle Protokolle.
Seien Sie auch hier fair! Wenn Sie sich die Arbeit teilen, dann teilen Sie auch
Verantwortung für das Studium Ihrer Kollegen. d.h. keiner sollte durch Nachlässigkeit die
anderen in Schwierigkeiten bringen.
Aufbau:
Das Protokoll ist eine Vorübung für eine wissenschaftliche Versuchsbeschreibung und muss
einem solchen Anspruch in Inhalt und Form genügen.
Das Protokoll wird in DIN A 4 verfasst, wenn möglich als Computerausdruck, in jedem Falle
muss es problemlos leserlich sein.
Kopf: Der Kopf des Protokolls muss folgende Angaben enthalten:
Nummer und Name des Kurses
Datum des Kurstages /Ihre Gruppennummer
Namen aller Arbeitsgruppenmitglieder
Einleitung: Kurze Thematisierung der Fragestellung.
Keine theoretische Abhandlung, keine Repetition von Lehrbuchwissen!
Material und Methoden:
Erwähnung des verwendeten Versuchmaterials und eine knappe Erläuterung der
Versuchsmethode. Schreiben Sie nicht die Kursanleitung ab, auch nicht in Auszügen,
verweisen Sie vielmehr darauf („Durchführung siehe Kursanleitung Seite ..“) nachdem Sie
das Prinzip des Versuchs kurz umrissen haben. Nur wenn die praktische Durchführung des
Versuchs von der Kursanleitung abweichen sollte, müssen Sie die Änderungen im Protokoll
festhalten!
Ergebnisse und Diskussion:
Sorgfältige Protokollierung der Beobachtungen und aller Messdaten (letztere in Form von
Tabellen bzw. Diagrammen auf Millimeter- oder halblogarythmischem Papier). Skizzen und
Zeichnungen mit genauer Beschriftung. Genaue Beschriftung bedeutet zum Beispiel, dass die
Achsen beschriftet und die Photos so beschriftet sind, dass sie ohne Zuhilfenahme der
Kursanleitungen lesbar sind. Falls erforderlich, statistische Bearbeitung.
Die Bedeutung der Ergebnisse für die Fragestellung (Problemstellung) soll diskutiert und mit
den Erwartungen verglichen werden.
Dabei werden, wenn gefordert, spezielle Anweisungen der Kursleiter sowie in den
Anleitungen gestellte Fragen berücksichtigt. Auch Zwischenergebnisse bleiben nicht
unkommentiert und für unerwartete Ergebnisse werden Interpretationsvorschläge gegeben.
Stets in vollständigen, deutschen Sätzen formulieren!.
Allgemein muss das Protokoll so geführt sein, dass ein am Versuch nicht Beteiligter (aber
Fachkundiger) das Experiment anhand Ihres Protokolls (in Verbindung mit der
Kursanleitung) verstehen, beurteilen und reproduzieren kann. Denken Sie dabei aber immer
daran, dass überflüssig lange Auswertungen nicht nur unnötige Arbeit erfordern, sondern vor
allem dem Ziel eines klaren, wissenschaftlich prägnanten Protokolls nicht entsprechen.
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 3

Messkurs

1 Einleitung

In den folgenden kleinen Vorversuchen sollen Sie den Umgang mit Pipetten erlernen und
insbesondere den Umgang mit Messwerten verstehen und statistisch auswerten. Fragen nach
Genauigkeit, Standardabweichungen und Varianz stehen im Vordergrund. Am Ende des
Kurses sollen Sie in der Lage sein, Messwerte kritisch zu evaluieren und einfache statistische
Auswertungen von Messreihen durchzuführen.

Beschreibende Statistik: Ein Blick auf die Daten


Die reine Darstellung der Messwerte in Tabellen ist sehr oft unübersichtlich, deshalb werden
quantitative Daten am Besten grafisch dargestellt.
Beispiel: Das Geburtsgewicht beim Menschen variiert. Mehrere Untersuchungen stellten sich
die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Geburtsgewicht und dem Rauchen der
Mutter gibt oder nicht. Die Daten einer amerikanischen Untersuchung sollen grafisch
dargestellt werden (http://stat-www.berkeley.edu/users/statlabs/labs.html). Die Darstellung
aller Geburten als 2 Punktewolken hilft uns nicht sehr viel weiter, vor allem wenn viele
Messwerte dargestellt werden.

0
Nicht-Raucher Raucher
4 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs

Eine typische Darstellung für die Verteilung von Messwerten ist die Darstellung in einem
Histogramm, hier für das Geburtsgewicht von Nichtraucherinnen:

110
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0

Geburtsgewicht

Einen noch besseren Eindruck über die Verteilung liefert der Boxplot (auch Box-Whisker-
Plot oder deutsch Kastengrafik genannt).

Median

Die Messwerte werden in 4 Quartile aufgeteilt, das niedrigste Viertel der Werte
(linker/unterer Whisker), die mittleren 50% der Werte als Box und die obersten 25% der
Daten als rechter/oberer Whisker. Die Box teilt der Medianwert. Der Median ist nicht der
Mittelwert, sondern der mittlere Wert! 50% aller Werte liegt darüber, 50 % der Werte
darunter.
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 5

In einer vertikalen Darstellung der Werte der Geburtsgewichte für Raucher und Nichtraucher
sieht das dann so aus:

1
Nicht-Raucher Raucher

Sehr gut lassen sich der Median und die Streuung ablesen (Lage- und Streuungsmaße).
Wie (vielleicht) erwartet, ist das Geburtsgewicht bei Raucherinnen im Median niedriger.
Auch der Mittelwert der Geburtsgewichte bei Raucherinnen ist niedriger, dargestellt in einem
Balkendiagramm mit der Standardabweichung der Werte.

1
Nicht-Raucher Raucher
6 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs

Die Standardabweichung ist ein (etwas komisches) gewichtetes Mittel der Abweichungen
der Messwerte vom Mittelwert.
Standardabweichung = Summe (Abweichungen2) / n-1
Dies wird viel genauer in der Mathe/Statistik-Vorlesung von Prof. Keller besprochen.

Eine Methode zur statistischen Auswertung der Daten: t-Test


Wir wollen jetzt aber wissen, ab das Geburtsgewicht bei den Raucherinnen (n= 125)
signifikant niedriger war als bei Nichtraucherinnen (n= 590). Die Abweichung der
Mittelwerte ist ja nicht gerade hoch, allerdings basieren die Daten auf recht vielen
Beobachtungen. Unter der Bedingung, dass die Messwerte (Geburtsgewicht) normalverteilt
sind (auch das lernen Sie bei Prof. Keller in der Vorlesung) kann man den sogenannten t-Test
anwenden. Der t-Test untersucht, ob sich die Mittelwerte zweier Gruppen systematisch
unterscheiden. Die Nullhypothese ist, dass sich die Mittelwerte nicht unterscheiden. Die
Mathematik zum t-Test ist gar nicht so einfach und soll hier gar nicht erwähnt werden.
Die Berechnung (z.B. unter http://www.graphpad.com/quickcalcs/ttest1.cfm) ergibt, dass sich
der Mittelwert mit einem p-Wert von kleiner als 0,0001 (p<0,0001) signifikant unterscheidet,
ein solch niedriger p-Wert gilt als höchst-signifikant! In der Biologie gelten schon p-Werte <
0,05 als signifikant.

Die beschreibende Statistik zu dieser Messreihe liefert das Programm gleich mit:
Gruppe nicht-Raucher Raucher
Mittelwert 3,49150709 3,27697718
Standardabweichung 0,48566470 0,50694102
N 590 125

Kurz ein paar Worte zu wichtigen Parametern bei der Anwendung des t-Test:
1. gepaart – ungepaart (paired – unpaired)
Wenn die Messwerte von 2 unabhängigen Gruppen stammen, dann ist der ungepaarte t-Test
anzuwenden. Es dürfen unterschiedliche Anzahlen an Messwerten in den beiden Gruppen
vorliegen. Wenn es sich um vorher - nachher Messungen z.B. der gleichen Individuen
handelt, kann der gepaarte t-Test angewendet werden, beide Gruppen haben die gleiche
Anzahl an Messwerten.
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 7

2. einseitig – zweiseitig (one-tailed – two-tailed)


Bei der zweiseitigen Analyse muss nicht vorgegeben sein, ob der Mittelwert grösser oder
kleiner ist, dies ist der Normalfall! Nur wenn vor dem Experiment eine Hypothese in einer
bestimmten Richtung vorlag, dann darf der einseitige Test angewendet werden.

Als einfache, aber typische Beispiele werden sie im ersten Versuch Photometrische
Messungen durchführen. Im 2. Versuch sollen sie ihren Blutzuckerspiegel messen. Hier
werden sie sich mit dem typisch biologischen Problem beschäftigen, dass physiologische
Werte innerhalb einer Population variieren. Beim Blutzucker kommt neben möglichen
pathologischen Situationen noch hinzu, dass die Werte eventuell davon abhängig sein werden,
ob sie gerade in der Mensa waren. Sie werden bei dem Experiment auch untersuchen, wie sich
ihr Blutzuckerspiegel ändert, wenn sie eine definierte Menge Glucose zu sich nehmen.
8 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs

Experimente:
Quantitatives Arbeiten und statistische Auswertung von
Versuchsergebnissen

1. Pipetten und Photometer

2. Biologische Variation des Blutzuckerspiegels

Versuchsanleitung

Experiment 1:
Pipetten und Photometer

Aufgabe: Erstellung einer Verdünnungsreihe mit anschließender Absorptionsmessung

Material: Photometer, Küvetten, Küvettenständer, Pipetten, diverse


Messlösungen, Stifte

Durchführung:

Einige allgemeine Hinweise zum richtigen Pipettieren

Die automatische Pipette ist ein Standardhilfsmittel im biologischen Labor. Es gibt zwei
unterschiedliche Prinzipien nach denen automatische Pipetten arbeiten: das Kolbenhub-
System, das mit einem Luftpolster arbeitet, und das Direktverdrängersystem, bei dem ein
Kolben direkten Kontakt zur Flüssigkeit hat. Am häufigsten werden Sie Pipetten mit
Kolbenhubsystem vorfinden. Auch wenn die Bedienung einer Pipette intuitiv erscheint, gilt es
einige wichtige Grundregeln einzuhalten um ein möglichst genaues und reproduzierbares
Arbeiten zu ermöglichen. Allgemein sollten Sie folgende sechs Regeln beachten.
1. Nutzen Sie die Pipette stets nur in dem angegebenen Volumenbereich.
2. Stellen Sie sicher, dass die Pipettenspitze fest auf dem Spitzenkonus sitzt.
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 9

3. Drücken Sie den Bedienungsknopf stets langsam und lassen Sie ihn langsam wieder
los. Dies gilt insbesondere wenn Sie mit viskosen Lösungen arbeiten.
4. Tauchen Sie die Spitze am besten nur wenige mm und niemals tiefer als ca. 1 cm
unter die Flüssigkeitsoberfläche.
5. Füllen und leeren Sie die Pipettenspitze zwei- bis dreimal mit der zu pipettierenden
Flüssigkeit bevor Sie das gewünschte Volumen pipettieren. Halten Sie beim Ansaugen
der Flüssigkeit die Pipette möglichst senkrecht.
6. Streifen Sie stets die außen an der Spitze haftende Flüssigkeit am Rand des Gefäßes
ab.
Es gibt zwei unterschiedliche Pipettier-Techniken, das Vorwärts-Pipettieren (Standard-
Technik) und das Reverse-Pipettieren, welches auch als Überhub-Technik bezeichnet wird.
Bei der Standard-Technik drücken Sie zum Aufziehen der Flüssigkeit den Bedienungsknopf
bis zum ersten Haltepunkt hinunter. Zum Herauslassen der Flüssigkeit drücken Sie den
Bedienungsknopf langsam und gleichmäßig bis zum ersten Haltepunkt, warten ca. 1 Sekunde
und drücken dann weiter bis zum zweiten Haltepunkt. Die Überhub-Technik ist besonders
geeignet zum pipettieren von viskosen oder schäumenden Flüssigkeiten und empfiehlt sich
auch beim pipettieren von sehr kleinen Volumina. Bei der Überhub-Technik gehen Sie wie
folgt vor: Drücken Sie beim Aufziehen der Flüssigkeit den Bedienungsknopf bis zum zweiten
Haltepunkt. Zum Herauslassen der Flüssigkeit drücken Sie nun den Bedienungsknopf nur bis
zum ersten Haltepunkt. Der verbleibende Flüssigkeitsrest in der Spitze wird verworfen.
Abbildung 1 verdeutlicht die beiden unterschiedlichen Herangehensweisen.

Abb. 1: Schematische Darstellung der beiden Pipettier-Techniken (Quelle: Eppendorf,


Application-Note 10, 2005).

Einige Worte zur Genauigkeit von Pipetten


10 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs

Um die Genauigkeit von Pipetten einzuschätzen gibt es zwei Kenngrößen: die Unrichtigkeit
und die Unpräzision. Die Unrichtigkeit ist ein systematischer Fehler, während die Unpräzision
ein statistischer Fehler ist, also eine zufällige Messabweichung. Die Unrichtigkeit ist ein Maß
für die Differenz zwischen dem gewählten Volumen und der abgegebenen Flüssigkeitsmenge,
während die Unpräzision sich auf die Wiederholbarkeit bezieht. In der Abbildung sehen Sie
eine grafische Darstellung der Begriffe „Richtigkeit“ und „Präzision“.

Richtigkeit  schlecht:     Richtigkeit  gut:   Richtigkeit  schlecht:     Richtigkeit  gut:    


Die   Treffer   liegen   Im   Mittel   liegen   die   Obwohl  alle  Treffer  dicht   Alle   Treffer   liegen   dicht  
weit   vom   Zentrum   Treffer  gleichmäßig  um   beieinander   liegen,   ist   um   das   Zentrum,   also  
entfernt.     das  Zentrum  verteilt.     das   Ziel   (Sollwert)   um   den   Sollwert.  
Präzision  schlecht:     Präzision  schlecht:   trotzdem  verfehlt.        Präzision  gut:    
Die   Treffer   sind   weit   Keine   groben   Fehler,   Präzision  gut:     Alle   Treffer   liegen   dicht  
verstreut.   allerdings   sind   die   Alle   Treffer   liegen   dicht   beieinander.  
Treffer  weit  verstreut.   beieinander.  

 
Einen Eindruck über die nach ISO-Norm tolerierten Werte gibt Ihnen Tabelle 1. Beachten Sie
das z.B. das pipettieren von je 20 µl mit der 2-20 µl Pipette und der 20-200 µl Pipette zu
unterschiedlichen Fehlern führt.

Volumen Bereich pipettierte Menge Unrichtigkeit Unpräzision


der Pipette [µl] [µl] % (Standardabweichung)
[µl]
2 - 20 µl 20 +/- 0,2 +/- 1 0,1
2 +/- 0,2 +/- 10 0,1
20 – 200 µl 200 +/- 1,6 +/- 0,8 0,6
20 +/- 1,6 +/- 8,0 0,6
200 – 1000 µl 1000 +/- 8,0 +/- 0,8 3,0
200 +/- 8,0 +/- 4,0 3,0
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 11

Tabelle 1: ISO-Norm-Werte für ausgewählte Pipetten (Finnpipetten, Thermo-Scientific)


1. Versuch: Erstellung einer Verdünnungsreihe mit anschließender Absorptionsmessung
Messwertgenauigkeit und Messwertstreuung

In diesem Versuch sollen Sie mittels einer Verdünnungsreihe und anschließender


photometrischer Bestimmung der Absorption der Lösungen das richtige Bedienen der
Pipetten sowie einige grundlegende Dinge über Photometrie, graphische Auswertung von
Daten, sinnvolle Messbereiche und Messgenauigkeit kennenlernen.
Als Farbstoff für die Verdünnungsreihe mit anschließender photometrischer
Absorptionsmessung setzen Sie Safranin O ein (Abb. 2). Dieser Farbstoff wird synthetisch
hergestellt und ist in wässrigen Lösungen rot gefärbt (λmax: 530 nm). Er wird zum Färben in

Abb. 2: Strukturformel von Safranin O, einem Azin-Farbstoff.

der Mikroskopie (Bakteriologie, Botanik, Histologie) sowie in der Leder- und


Papierverarbeitung verwendet. In der chemischen Analytik wird er auch als pH- und Redox-
Indikator eingesetzt. Sein Umschlagsbereich liegt im stark Sauren (pH 0.3 - 1.0). In der
Botanik findet er mit Astrablau in Doppelfärbung Verwendung, wobei Safranin O verholzte
Zellwände rot und unverholzte Zellwände durch Astrablau blau gefärbt werden. Diese
Färbung haben Sie selbst bereits in den Übungen zur Biologie I bzw. II durchgeführt.

Versuchsdurchführung
Sie erhalten eine 0,002 %ige Safranin O-Lösung (w/v). Hieraus sollen sie durch Verdünnung
mit entionisiertem Wasser Lösungen folgender Konzentration herstellen: 0,002%, 0,001%,
0,0005%, 0,00025%, 0,0001% und 0,00004%. Diese Verdünnungsreihe soll je dreimal
unabhängig erstellt werden, wobei jeweils eine Reihe durchgehend von einer Person pipettiert
werden soll. Die Verdünnungen können in Eppendorfgefäßen angesetzt werden. Achten Sie
12 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs

bei der Verdünnung auf eine gleichmäßige Durchmischung der Lösungen bevor sie deren
Absorption bestimmen. Sie können alle drei Messreihen fertig stellen, bevor die Absorption
der Lösungen bei 530 nm gemessen wird. Als Leerwert setzen sie entionisiertes Wasser ein.
Achten Sie darauf, dass die Messungen von ihrer Gruppe an demselben Gerät durchgeführt
werden.

Auswertung:
1A) Tragen sie die aus der Verdünnungsreihe erhaltenen Absorptionswerte gegen die
Konzentration an Safranin O (in µg/ml) für jede einzelne Messreihe auf.
1B) Berechnen sie für die drei Messreihen ihrer Gruppe den Mittelwert mit Standard-
Abweichung und tragen diese Werte wie unter 1A angegeben auf.
1C) Berechnen sie aus allen Messungen des Kurses den mittleren Absorptionswert mit
seiner Standardabweichung. Kommentieren sie eventuelle Unterschiede der
Standartabweichungen in den verschiedenen Absorptionsbereichen.
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 13

Experiment 2:
Glucosebestimmung im Blut

Aufgabe:
Messung des Blutzuckerspiegels vor und nach Aufnahme von Glucose (oraler
Glucosebelastungstest).
Statistische Auswertung der Ergebnisse der gesamten Studierendenkohorte nach Eintragen der
Messwerte in einen Computer.

Theorie:
Ein klassisches Problem bei der Bestimmung von Größen in der Biologie ist, dass alle
Parameter der biologischen Variabilität unterliegen, die durchaus hoch sein kann. Darüber
hinaus ist ein Parameter wie die Glukosekonzentration trotz aller homeostatischen
Regulationsmechanismen, von äußeren Bedingungen, Hunger, Schokolade, Sport usw.
abhängig. Diese Variationen wollen wir im Kurs messen und diskutieren. Darüber hinaus gibt
es natürlich auch noch die pathologische Situation des Diabetes mellitus, mit chronischer
Hyperglykämie (Überzuckerung), bei der die Regulation des Blutzuckerspiegels nicht, oder
nur eingeschränkt funktioniert. Beim Typ-1 Diabetes der für junge Diabetiker typisch ist
(juveniler Diabetes), kommt es, meist auf Grund einer Autoimmunerkrankung, zur Zerstörung
der Betazellen im Pankreas und damit zu einem oft kompletten Ausfall der Insulinproduktion.
Banting und Best haben 1922 erstmals erfolgreich Insulin gereinigt und zur Therapie
eingesetzt. Schon 1923 konnte man Insulin kaufen. Beim heute sehr häufigen Typ-2 Diabetes
(früher: Altersdiabetes) kommt es, in der Regel als Folge von Übergewicht und genetischer
Prädispostion, zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten Resistenz insbesondere der
Muskelzellen gegen die Wirkung von Insulin. Insulin stimuliert vor allem die Aufnahme der
Glucose in die Zellen.
Zu hohe Glucosewerte im Plasma aber auch Unterzuckerung können schwere Schäden
hervorrufen. Unbehandelter Typ-1 Diabetes ist meist letal. Auf Grund der fehlenden
Glucoseaufnahme kommt es, trotz hoher Glucosekonzentration im Blut, intrazellulär zu
Glucosemangel und als Folge der damit verbundenen Hemmung des Citratzyklus zu erhöhter
14 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs

Produktion von Ketonkörpern (Aceton), die zur Acidose führen. Im schlimmsten Fall fällt
man als Folge eines Hyperglykämischen Schocks ins Koma. Bei Diabetikern können die
Glucosewerte im Blut ein Vielfaches der Normwerte (<100 mg/dl) betragen. Unter 30 mg/dl
können hyopoglykämische Symptome (Unterzuckerung) auftreten. Bei Diabetes Patienten
z.B. in Folge zu hoher Insulingaben ist das keine Seltenheit. In schweren Fällen kommt es
zum lebensbedrohlichen Schock mit Bewusstlosigkeit.
Auf Grund der Häufigkeit von Diabetes gibt es sehr gute Methoden zur Bestimmung des
Blutzuckers. Um aussagekräftige Werte zu erhalten, wird traditionellerweise der Blutzucker
nüchtern gemessen. Die Glucosekonzentration liegt normalerweise unter 110 mg/dl bzw. 6,1
mM. Die Werte sollten bei einem Gesunden nüchtern nicht regelmäßig über 126 mg /dl
liegen. 2 Stunden nach einer Mahlzeit sollte der Glucosespiegel nicht über 140 mg / dl liegen.
Ein etabliertes Verfahren zur Überprüfung, ob der Stoffwechsel korrekt auf Glucose reagiert,
ist der orale Glucose Toleranz Test. Dabei werden auf nüchternen Magen etwa 50-70 g
Glucose in wässriger Lösung getrunken. Dies führt zu einer vorübergehenden Erhöhung des
Glucosespiegels der sich innerhalb von etwa 2 Stunden auf Grund der Insulinausschüttung
wieder normalisiert. Das machen wir heute im Kurs. Eine alternative Methode zur
Bestimmung der Glucosebelastung bei Patienten ist die Bestimmung der Hämoglobin
Glykosylierung. Die HbA1C Variante von Hämoglobin entsteht durch eine
nichtenzymatische, irreversible Glykosylierung des N-Terminus der Beta Kette des
Hämoglobins durch die erhöhten Zuckerkonzentrationen. Diese Modifikation ist leicht
messbar (normalerweise etwa 5%), für die durchschnittliche Lebensdauer der roten
Blutköperchen (120 Tage) stabil und damit ein guter Indikator für die durchschnittliche
Glucosebelastung.

Die Messung des Blutzuckers


Die Standartmethode zur Messung des Blutzuckers für Patienten liegt vor ihnen. Es handelt
sich um einen enzymatischen Test, bei dem Glucose über die Glucoseoxidase so umgesetzt
wird, dass Gluconsäure und H2O2 entsteht. Das Peroxid wir an einer Elektrode oxidiert und
die dabei freiwerden Ionen führen zu einem messbaren elektrischen Strom. Das alles ist auf
sogenannten Biosensoren untergebracht. Das sind die Messstäbchen in der Packung und der
teure Teil der Analytik. Das Gerät selbst misst nur den Strom. Deshalb heißt diese Methode
auch amperometrisch.
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 15

Material:
20%-ige Traubenzuckerlösung, Messbecher, Bayer Contour Blutzuckermessgerät (Geschenk
der Firma Bayer), Microlet2 Lanzetten, Contour Sensoren, Stechhilfe, Desinfektionsmittel,
verschließbares Abfallgefäß (Falconröhrchen),

Durchführung:
Wir wollen die Glucosekonzentration im Blut messen und sind vor asllem daran interssiert
wie groß die Variabilität in unserer Studentenpopulation ist. Deshalb soll jede bzw. jeder von
ihnen selbst ihren Blutzucker messen. Zudem wollen wir demonstrieren, dass auch bei
gesunden, der Blutzuckerspiegel variiert.
Deshalb machen wir Folgendes:
Sie messen bitte ihren Blutzucker 3 mal.
1. Vor Beginn des Experimentes
2. Eine Stunde nachdem Sie 50 g Glucose in wässriger Lösung getrunken haben.
3. Zwei Stunden nachdem sie die Glucose getrunken haben.

Alle Werte werden in eine gemeinsame Tabelle eingetragen. Dort vermerken Sie bitte auch,
ob sie und wann sie zu Mittag gegessen haben.
Messung:
Machen sie sich bitte anhand der Bedienungsanleitung (Anhang zu Tag 0) vertraut.
Jede Studentin und jeder Student erhält ihr eigenes Messgerät. Dort finden sie eine
sogenannte Stechhilfe, Lanzetten, einige Sensoren und das eigentliche Gerät.
Aus hygienischen Gründen müssen sie bitte die Stechhilfe als erstes mit Desinfektionsmittel
besprühen und abwischen (Sprühflaschen finden sie auf ihrem Platz). Die Stechhilfen werden
entsprechend der Bedienungsanleitung mit einer Lanzette bestückt (Nach Gebrauch bitte in
die bereitgestellten verschließbaren Greinerröhrchen geben).
Als nächster Schritt wird das Gerät mit einem Sensor bestückt (Sie können ihn unbedenklich
überall anfassen). Beim Bestücken schaltet sich das Gerät an und wartet auf einen
Bluttropfen. Stechen sie ein Loch in ihre Fingerbeere und berühren sie mit dem Bluttropfen
die Spitze des Sensors. Die Kapillarkräfte saugen das Blut auf und nach 5 Sekunden enthalten
sie den Messwert in mg/dl.
Das wars.
16 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs

Auswertung:
Alle Messwerte der Kursteilnehmer werden in Tabellen an Computern im Kursraum
eingetragen und nach dem Kurs online allen Kursteilnehmern für die Auswertung zur
Verfügung gestellt.
Folgende Hypothesen / Fragestellungen sollen von allen Gruppen in den Protokollen grafisch
dargestellt und statistisch ausgewertet werden:
1. Hat die Einnahme einer größeren Mahlzeit max. 2 Stunden vor der
Blutzuckerbestimmung einen messbaren Einfluss auf den mittleren Blutzuckerspiegel
bei jungen Erwachsenen? (Boxplot; t-Test, nicht gepaart)
2. Steigt der Blutzuckerspiegel 1 Stunde nach Einnahme von 50 g Glukose bei jungen
Erwachsenen signifikant an? (Boxplot; t-Test, gepaart)
3. Fällt der Blutzuckerspiegel 2 Stunden nach Einnahme von 50 g Glukose gegenüber
dem 1-Stundenwert wieder ab? (Boxplot; t-Test, gepaart)

Für die Erstellung der Graphen sowie die Statistik eignet sich hervorragend das Programm R,
welches Ihnen Prof. Keller zeigt und mit welchem Sie in den Übungen arbeiten (ist zudem
kostenlos erhältlich).
Für die Erstellung der Boxplots gibt es aber auch eine Vielzahl von Excel-Beispielblättern im
Internet zu finden (Googeln Sie einfach mal nach Excel Boxplot), natürlich lassen sich
Boxplots auch per Hand zeichnen.
Auch die Statistik in Excel ist dürftig und schwer zu finden, Sie können unter
http://www.graphpad.com/quickcalcs/ttest1.cfm
einen recht gut aufgemachten t-Test Online-Rechner finden. Das Ausrechnen eines t-Test mit
dem Taschenrechner wird nicht empfohlen.
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 17

Anhang: Bedienung des Blutzuckermessgerätes


18 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 19
20 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs
Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs 21
22 Biologische Übungen III, Kurs 0 Messkurs

Testatbogen: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und alle Namen
der Gruppenmitglieder (1-4) eintragen. Den unterzeichneten Testatbogen können Sie
dann so zerschneiden, dass jede(r) eine Betätigung seiner erfolgreichen Teilnahme hat.

Versuch: 0 , Messkurs
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


Biologische Übungen III, Kurs

Testatbogen 2009: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und alle
Namen der Gruppenmitglieder eintragen. Den unterzeichneten Testatbogen können
Sie dann so zerschneiden, dass jede(r) eine Betätigung seiner erfolgreichen
Teilnahme hat. Abgeben müssen sie die unterschriebenen Testatbögen am ersten
Kurstag von bio4 (Bachelor). Die Protokolle müssen 1 Woche nach dem Kurstag
angegeben werden. Für den letzten Kurstag können sie es später abgeben (Dozent
fagen)
Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


18 Biologische Übungen III, Kurs 2

Bakterienwuchskurve

Bakterien, die auf die Oberfläche einer Nähragarplatte gebracht (ausgestrichen) und bebrütet wer-
den, wachsen und teilen sich nur so lange, bis z.B. die Nährstoffe in der Agarplatte verbraucht sind.
Die Bakterien wechseln dann von der Wuchsphase in die Stationärphase (auch Ruhephase ge-
nannt), in der sich ein Gleichgewicht („steady state“) zwischen sich noch vermehrenden und abster-
benden Zellen einstellt. Entsprechend ist in der Stationärphase keine Netto-Zunahme bzw. -
Abnahme der Zellzahl zu beobachten; man spricht auch von einem „kryptischen Wachstum“. Nach
sehr langer Zeit kann auch eine Absterbephase eintreten, in der die Zellen sterben und lysieren.

Werden solche Stationärphase-Bakterien in frisches, flüssiges Nährmedium gebracht (oder auf eine
frische, sterile Nährplatte ausgestrichen), so beginnen sie nach einer gewissen "Anlaufzeit" wieder
zu wachsen; diese Anlaufphase wird auch (engl.) "lag-phase" genannt. Die Bakterien kommen
also in dem frischen Medium wieder in die Wuchsphase und wechseln erst wieder in die Ruhepha-
se, wenn die Nährstoffe erschöpft sind und wachstumshemmende Stoffwechselprodukte (z.B. Säu-
ren) sich im Medium angereichert haben. Man kann die Anlaufphase verkürzen, wenn man die Bak-
terien nicht lange den wachstumshemmenden Bedingungen der Stationärphase aussetzt, sondern sie
bald nach Verbrauch der Nährstoffe in frisches Wuchsmedium überimpft.

Man stelle sich vor, daß man aus einer Bakterienkultur in der Wuchsphase eine einzige Zelle in
frisches Medium bringt; diese wächst dann ohne Anlaufphase darin weiter und teilt sich nach be-
stimmter Zeit. Dabei entstehen zwei Tochterzellen, die sich ihrerseits nach Ablauf einer Generati-
onszeit teilen, wobei 4 "Enkelzellen" entstehen usw.

Definition: Die Generationszeit ist die Zeit zwischen zwei Zellteilungen!


Biologische Übungen III, Kurs 2 19

Die Generationszeit der Zellen ist ungefähr gleich lang, solange diese ungehindert und unter kon-
stanten Bedingungen wachsen können. Man sollte deshalb annehmen, daß sich die Bakterien einer
solchen, von einer einzigen Zelle ausgehenden Bakterienkultur immer zur gleichen Zeit teilen, d.h.
in einer solchen synchron wachsenden Kultur müßte sich nach Ablauf jeweils der Generationszeit
die Bakterienzahl sprunghaft verdoppeln.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Wegen kleiner physiologischer Unterschiede zwischen den einzelnen
Zellen einer Kultur kommen diese - in Bezug auf den Zeitpunkt ihrer Teilung - bald "aus dem
Tritt". Schließlich findet man in der Kultur zu jedem Zeitpunkt Bakterien, die sich gerade teilen.
Die Bakterienzahl der gesamten (jetzt nicht mehr synchron wachsenden) Kultur verdoppelt sich
daher nicht mehr sprunghaft, sondern steigt kontinuierlich an (obwohl die Einzelzellen in der Kultur
sich ja weiterhin sprunghaft verdoppeln). Aus der Zeit, die zur Verdoppelung der Gesamtzellzahl
der wachsenden Kultur notwendig ist, kann man auf die durchschnittliche Generationszeit rück-
schließen.

Die Zunahme der Zellen [dN] im Zeitintervall [dt] ist der Zahl der vorhandenen Zellen [N] propor-
tional:
dN
⎯⎯ proportional N
dt

Mit der Wuchsrate [k] als Proportionalitätsfaktor ergibt sich:


dN = k • N • dt

dN
⎯⎯ = k • dt
N
Aus dieser Differentialgleichung erhält man durch Integration unter Berücksichtigung der unteren
Grenze [t1], [N1] (Zahl der Bakterien zu Beginn, bei [t1]) und der oberen Grenze [t2] und [N2]:

N2 t2
⎛ ⎛
⎜ dN ⎜
⎜ ⎯⎯ = ⎜ k • dt
⎜ N ⎜
⎠ ⎠
N1 t1

ln N2 - ln N1 = k • (t2 - t1) (1)

Während der Wuchsphase steigt also die Bakterienzahl exponentiell mit der Zeit an, d.h. ihr Loga-
rithmus steigt linear mit der Zeit (vergleiche dazu Gleichung [1a]). Diese Wuchsphase wird daher
auch exponentielle oder logarithmische Phase genannt.

Um die Bakterienvermehrung graphisch darzustellen, trägt man [log T] (Ordinate) gegen die Bebrü-
tungszeit [t] in min (Abszisse) auf. Für die Bakterienvermehrung während der Wuchsphase erhält
man in diesem "semilogarithmischen" Raster eine Gerade. Die Wuchsrate [k] ist die Steigung dieser
Geraden. Die Wuchsrate hängt von äußeren Faktoren (z.B. Nährstoffen, Temperatur, pH, osmoti-
schem Druck) oder von inneren Bedingungen (z.B. Genotyp, Enzymaktivität, Permeabilität) ab.
Unter festgelegten Außenbedingungen ist die Wuchsrate während der Wuchsphase zeitkonstant
(Wuchskonstante). Während der Anlaufphase steigt sie von 0 an, während des Übergangs zur Sta-
tionärphase sinkt sie auf 0 zurück.
20 Biologische Übungen III, Kurs 2

Zur Messung der Wachstumsgeschwindigkeit der Bakterien während der exponentiellen Phase kann
man unter festgelegten Außenbedingungen die Wuchskonstante [k] bestimmen. Man legt eine Ge-
rade in die exponentielle Phase der Wuchskurve (die Werte wurden experimentell gewonnen) und
liest daraus die Werte N1, N2 sowie die entsprechenden Zeitwerte t1 und t2 ab.

ln T2 - ln T1
⎯⎯⎯⎯⎯⎯ = k (2)
(t2 - t1)

Trägt man den Titer [T] logarithmisch (Ordinate) gegen die Bebrütungszeit [t] linear (Abszisse) auf,
so kann man aus dem Verhältnis Ordinatenabschnitt (logT2 - logT1) dividiert durch den entspre-
chenden Abszissenabschnitt [t2 - t1], multipliziert mit 2,3 [k] errechnen; [k] hat die Dimension
1/Zeit.

Die Generationszeit (oder Generationsdauer) [G] ist die Zeit, in der sich die Bakterienzahl verdop-
pelt, also

T2 = 2 • T1 (2a)

[G] hat die Dimension [Zeit] und läßt sich nach Ermittlung von [k] (siehe Gleichung [2]) leicht er-
rechnen:

(2a) eingesetzt in (2):


ln 2 • T1 - ln T1
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ = k
G

ln 2 = k•G

G = ln 2 / k (3)

Aus der graphischen Darstellung ln T = f(t) kann man [G] leicht ablesen, indem man auf der Ordi-
nate zwei Werte [T] und [2T] sucht und dann den dazugehörigen Abszissenabstand, der [G] ent-
spricht, abliest.

Da sich die Zellzahl in jeder Teilungsgeneration verdoppelt, gilt für die Zellzahl nach [n] Verdopp-
lungen:

T2 = T1 • 2n (4)

Dabei ist [n] die Zahl der Generationen (Verdoppelungen), [T1] die Zahl der Zellen am Anfang (n =
0). Die Generationszahl [n] stellt ein "biologisches Zeitmaß" dar; es ist während der Wuchsphase
direkt proportional der physikalischen Zeit [t] (gemessen in [sec], [min] oder [h]), wie Gleichset-
zen der Gleichungen (4) und (1) zeigt:

T1 • 2n = T1 • ek(t2 - t1)

n • ln2 = k • (t2 - t1)

(t2 - t1)
mit (3): n = ⎯⎯⎯⎯
G (5)
Biologische Übungen III, Kurs 2 21

Bakterientiterung
mittels Verdünnungsreihe und Ausplattieren
Zur Bakterientiterung wird hier der Bakteriensuspension eine kleine Probe (z.B. 0,1 ml) entnommen
und diese auf einer Nähragarplatte ("Titerplatte") verteilt (durch "Ausgießen" oder "Ausspateln").
Aus der Anzahl der Kolonien, die nach Bebrütung auf der Platte zu sehen sind, berechnet man die
Anzahl der Bakterien, die mit der Probe auf die Platte gebracht wurden, denn jedes lebende Bakte-
rium vermehrt sich während der Bebrütung auf dem Nähragar und wächst zu einer sichtbaren Kolo-
nie (Klon) heran.

Unter Berücksichtigung des Probenvolumens wird der Titer wie folgt berechnet:

Wuchsen auf der Titerplatte 150 Kolonien, so betrug die Anzahl (Kolonie bildender) Bakterien in
der Ausgangssuspension

150 : 0,1 ml = 1500/ml = 1,5 • 103/ml.

Suspensionen, die wesentlich mehr als 103 Bakterien/ml enthalten, werden vor der Probenentnahme
zuerst verdünnt:

Schema einer Verdünnungsreihe


22 Biologische Übungen III, Kurs 2

Die Anzahl Bakterien [N]/Volumen Ausgangssuspension ergibt sich wie folgt:

N = Koloniezahl pro Titerplatte/Verdünnungsstufe

Werden nach Titerung (aus der Verdünnungsstufe 10-5) und Bebrütung auf der Platte z.B. 200 Ko-
lonien gezählt, so beträgt

N = 2,0 • 102/1,0 • 10-5 = 2,0 • 107

d.h. der Titer beträgt 2,0 • 107/0,1 ml = 2 • 108/ml.

Dichtemessung im Spektralphotometer
Bakterien, die in klarem, wäßrigem Medium suspendiert sind, verursachen eine Trübung, hervorge-
rufen durch die Streuung des durchfallenden Lichtes. Der Grad dieser Trübung ist ein Maß für die
Konzentration der Bakterien in dieser Suspension; er kann auf zwei prinzipiell verschiedene Arten
gemessen werden:

a) Streuungsmessung
Hierbei wird das von den Bakterien gestreute Licht
unter einem bestimmten Winkel zur einstrahlenden
Lichtquelle gemessen (Abb. 41, aus Lit. 18). Diese
Meßmethode kann nur bei geringen Zelldichten
angewendet werden, da nur in diesem Bereich ein
linearer Zusammenhang zwischen Meßwerten und
Bakterienmasse besteht. Außerdem muß bei dieser
Methode berücksichtigt werden, daß die Streuung
des Lichtes vom Durchmesser, von der Gestalt und
vom Brechungsindex der streuenden Teilchen ab-
hängig ist, und daß die Wellenlänge mit der Teil-
chengröße korrelieren muß.

b) Trübungsmessung
Bei dieser im Labor routinemäßig angewandten
Methode wird der Grad der Lichtdurchlässigkeit einer Bakteriensuspension mit Hilfe eines Spek-
tralphotometers bestimmt (Abb. unten aus Lit. 18). Die ermittelte Größe entspricht der "scheinbaren
Extinktion" oder optischen Dichte. Im LAMBERT-BEERschen Gesetz, das für verdünnte Lösungen
definiert ist und diesen Messungen zugrunde liegt, ist die Extinktion als

E = log Io/I = ε • c • d = oD
und
T = I / Io • 100 [%]

ε = Extinktionskoeffizient, abhängig von der Molekülart und von der Wellenlänge, in [cm2 mol-1]
E = Extinktion bei einer bestimmten Wellenlänge c = Konzentration der Lösung
d = Schichtdicke der durchstrahlten Lösung in [cm] in [mol cm-3].
Io = Intensität des eingestrahlten Lichtes oD = optische Dichte
I = Intensität des durchfallenden Lichtes T = Transmission
Biologische Übungen III, Kurs 2 23

definiert, wobei die Intensitätsabnahme


auf der Absorption des Lichtes beruht. Bei
der Trübungsmessung von Bakteriensus-
pensionen beruht die Intensitätsabnahme
des eingestrahlten Lichtes jedoch nicht auf
einer Absorption, sondern auf der Streu-
ung des Lichtes durch die Bakterien, und
der gemessene Wert wird deshalb als
"scheinbare Extinktion" bezeichnet. Im
Gegensatz zur Streuungsmessung wird
nicht das Streulicht, sondern nur der
Lichtanteil der gerade durch die Küvette
geht, gemessen. Die Messungen erfolgen
bei 550 bis 600 nm, weil bei diesen Wel-
lenlängen die Absorption des Lichtes
durch die Bakterien im Vergleich zur
Streuung gering ist. Bei einer scheinbaren
Extinktion von 1 wird 10 % des einge-
strahlten Lichtes vom Meßelement regi-
striert, während bei einer optischen Dichte
von 2 nur noch 1 % des eingestrahlten
Lichtes gemessen wird, d.h. je höher die Extinktionswerte sind, desto stärker fallen Meßfehler ins
Gewicht. Deshalb muß eine sehr dichte Bakterienkultur vor der Messung verdünnt werden.

Die Schichtdicke [d] ist durch die Ausmaße der Küvette (meist 1 cm) vorgegeben. Der Ex-
tinktionskoeffizient ist für eine bestimmte Kultur konstant, vorausgesetzt, daß die Teilchengröße bei
allen Messungen gleich ist und daß keine lichtabsorbierenden Stoffwechselprodukte ins Medium
abgegeben werden. Bei Messungen von 0,1 < E < 0,5 sind diese Voraussetzungen i.a. erfüllt. Die
Extinktion ist dann der Konzentration bzw. Dichte der Kultur direkt proportional. Um die bei einer
bestimmten Wellenlänge gemessenen Extinktionswerte in Beziehung zum Zelltiter zu bringen, muß
eine Eichkurve aufgestellt werden.
Dazu werden die gemessenen Werte der optischen Dichte (Ordinate) gegen den mit Hilfe anderer
Methoden (Zählkammer, Ausplattieren) bestimmten Zelltiter (Abszisse) im doppelt logarithmischen
Koordinatennetz aufgetragen. Aus der Eichkurve kann dann abgelesen werden, wie hoch der Titer
bei einer bestimmten optischen Dichte ist.

Literatur (für beide Versuchsgruppen)

Madigan, M. T., Brock – Biology of Microorganisms Prentice-Hall


J. M. Martinko, International Ltd.,
J. Parker London 2000
Madigan, M. T., Brock – Mikrobiologie Spektrum Aka-
J. M. Martinko, demischer Verlag,
J. Parker Heidelberg/Berlin
[Hrsg. Werner Goe- 2000
bel]
Schlegel, H. Allgemeine Mikrobiologie Thieme Verlag,
Stuttgart 1985
24 Biologische Übungen III, Kurs 2

Antibiotika

Als Antibiotika bezeichnet man sekundäre Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen (s. Abb.
unten aus Lit. 2), die in sehr geringer Konzentration aus der Zelle ausgeschieden werden und andere
Mikroorganismen hemmen. Man spricht von einem bakteriostatischen bzw. fungistatischen Effekt,
wenn das Antibiotikum das Wachstum der getesteten Organismen reversibel hemmt. Bakterizid
oder fungizid ist die Wirkung, wenn eine irreversible, d.h. letale Schädigung erfolgt.

Die Wildtyp-Stämme produzieren Anti-


biotika in Konzentrationen von 10 mg/l
und weniger. Es wurden im Lauf der Zeit
sog. Hochleistungsstämme entwickelt,
die eine Antibiotika-Ausbeute von mehr
als 5 g/l erlauben.

Antibiotika-Produzenten finden sich un-


ter den Pilzen (z.B. Penicillium, Aspergil-
lum) und unter den Prokaryoten.

Antibiotika Mikroorganismus Novobiocin S. spheroides, S. niveus


(Produzent) Nystatin S. noursei
Bakterien Oleandomycin S. antibioticus
Eubacteriales: Oxytetracyclin S. rimosus
Bacitracine Bacillus licheniformis Phosphonomycin S. fradise
Gramicidine B. brevis Pimaricin S. natalensis
Polymyxine B. polymyxa, B. brevis Puromycin S. albo-niger
Tyrocidine Actinomycetales: Rifamycine S. mediterranei
Actinomycin D Streptomyces antibioticus Ristocetine Nocardia lurida
L-Azaserin S. fragilis Sarkomycin S. erythrochromogenes
Bleomycine S. verticilius Spectinomycin S. spectabilis
Chloramphenicol S. venezuelae Spiramycine S. ambofaciens
Chlortetracyclin S. aureofaciens Staphylomycin S. virginiae
D-Cycloserin S. lavendulae u.a. Streptomycine S. griseus
Daunomycin S. peucetius, Streptonigrin S. flocculus
S. coeruleorubidus Tetracyclin Streptomyces spec.
Erythromycin S. erythreus Vancomycin S. floridae
Fusidinsäure Fusidium coccineum Pilze (Fungi imperfecti)
Gentamycine Micromonospora purpurea Cephalosporin C Cephalosporium spec.
Kanamycine S. kanamyceticus Griseofulvin Aspergillus fumigatus,
Kitasamycine S. kitastoensis Penicillium janczewski,
(Leucomycine) P. griseofulvum
Lincomycin S. lincolnensis Penicilline Penicillium notatum,
Mitomycin C S. caespitosus P. chrysogenum
Neomycine S. fradise
Biologische Übungen III, Kurs 2 25

Struktur und Wirkungsweise der Antibiotika

Die Antibiotika lassen sich aufgrund ihrer chemischen Struktur in verschiedene Gruppen einteilen,
u.a. in

(1) ß-Lactame, z.B. Penicilline, Cephalosporine, 7-Methoxycephalosporine, Thien-


amycine, Nocardicine
Angriffsort dieser Antibiotika ist die bakte-
rielle Zellwand; sie verhindern die Synthe-
se von Enzymen, die an der Zellwandsyn-
these und Zellteilung beteiligt sind: Peni-
cillin/Cephalosporin inhibiert die
Transpeptidierungsreaktion durch Bindung
an Transpeptidasen (= PBPs); der PBP-
Penicillin-Komplex stimuliert die Freiset-
zung von Autolysinen. Vancomycin bin-
det nicht an die PBPs, sondern direkt an
das terminale D-Alanyl-D-Alanyl-Peptid
der Peptidoglycan-Vorstufe und blockiert
dadurch die Transpeptidierung Die β-
Laktame werden in der Regel von Pilzen
der Gattung Penicillium, Paecilomyces etc.
synthetisiert (auch von einigen Streptomy-
ceten). Die ß-Lactame werden bevorzugt
gegen Gram positive Bakterien eingesetzt.
Resistenz gegen diese Antibiotika wird in
den meisten Fällen durch plasmidkodierte
ß-Lactamasen hervorgerufen, welche den
Lactamring spalten.

(2) Aminoglykoside, wie z.B. Streptomycine, Kanamycine.


Diese bakteriziden Antibiotika werden fast ausschließlich von Actinomyceten (und einigen
wenigen anderen Bakterien) produziert. Angriffsorte sind im allgemeinen die 30 s-Untereinheiten
der 70s Ribosomen der Prokaryo-
ten (Inaktivierung der Translati-
onsinitiation und „misreading“).
Diese Antibiotika werden nur bei
ernsten Infektionen durch Gram
negative Bakterien eingesetzt. Die
Resistenzen gegen diese Antibio-
tika (z.B. Kanamycin) sind in der
Regel plasmid-kodiert; die Strep-
tomycin-Resistenz ist meist chro-
mosomal kodiert.

Streptomycin Neomycin B
26 Biologische Übungen III, Kurs 2

(3) Tetrazykline
Produzenten sind Streptomyces-Arten.
Diese Antibiotika verhindern die Bindung der
Aminoacyl-tRNA an die Ribosomen. Tetrazykli-
ne werden eingesetzt zur Behandlung intrazellu-
lärer Infektionen durch Clamydien, Rickettsien
und Brucellen. Resistenz gegenüber Tetrazykli-
nen bedeutet, daß diese Antibiotika aktiv aus der
bakteriellen Zelle ausgeschleust werden.

Name Formel Jahr Produzent


R1 R2 X3 X4
Chlorotetracyklin Cl CH2 H OH 1948 S. aureofaciens
Oxytetracyclin H CH2 OH OH 1950 S. rimosus
Tetracyclin H CH2 H OH 1953 Mutante von
S. aureofaciens
Desmethylchlortetracyclin Cl H H OH 1957 Mutante von
S. aureofaciens
Oxymethyltetracyclin H H H OH 1950 Biotransformation mit
S. aureofaciens o.a.

(4) Chloramphenicol
Ursprünglich wurde Chloramphenicol (s. Abb. u. aus Lit. 10) aus Streptomyceten isoliert,
aber heute wird es synthetisch herge-
stellt. Es bindet reversibel an eine
Bindungsstelle der 50s Untereinheit
der 70s Ribosomen, was zur Hem-
mung der Peptidyltransferase und
damit zur Hemmung der Proteinsyn-
these führt.

(5) Makrolid-Antibiotika
Wichtige Vertreter dieser aus
Streptomyces-Arten isolierte Antibio-
tika sind z.B. Erythromycin, Olean-
domycin u.a. Diese hemmen die
Elongation der Proteinbiosynthese der
Prokaryoten. Sie bestehen aus einem
Lactonring mit 14, 15 oder 16 Ato-
men mit glycosidisch gebundenen
Zuckern und/oder Aminozucker.

(6) Polypeptid-Antibiotika, wie z.B. die Polymyxine, Bacitracin, Gramicidine etc.


Die Polymyxine wirken bakterizid. Sie lagern sich nach Adsorption an die Zellwand und
Penetration in den periplasmatischen Raum aufgrund ihrer polaren Struktur in die Zellmembranen
ein und führen zu einer Destabilisierung und schließlich zu einer Leckbildung in der Membran.
Produziert wird es durch Bacillus polymyxa. Das Wirkungsspektrum umfaßt ausschließlich Gram
negative Bakterien wie Haemophilus, Salmonella, Shigella, Klebsiella, Pseudomonas Species u.a.
Biologische Übungen III, Kurs 2 27

Gramicidine und Tyrocidine wirken ähnlich. Bei systemischer Anwendung wirkt z.B. Polymyxin
B nephro- und neurotoxisch!

Bacitracin Polymyxin P

(7) Ansamycine
Rifampicin (s. Abb. u. aus Lit. 10) ver-
hindert die Transkription durch Bindung an die
ß-Untereinheit und führt damit zur Inaktivierung
der bakteriellen RNA-Polymerasen. Rifampicin
wird besonders gegen Mycobacterien (Lepra,
Tbc) eingesetzt.

(8) Chinolone (Gyrasehemmer).


Diese Antibiotika hemmen die
Replikation der DNA durch Inhibie-
rung der "unwinding enzymes" und
der DNA-Gyrase.
Das Wirkungsspektrum ist sehr unter-
schiedlich. Derivate, wie z.B. die Na-
lidixinsäure, umfassen nur wenige
Gram negative Bakterien (E. coli, Pro-
teus, Shigella, Serratia, Klebsiella).
Wirksamere Chinoline wirken auch
auf Salmonella und Pseudomonas
Spezies, z.T. auch Gram positive Bak-
terien und Anaerobier. Resistenzen
entwickeln sich relativ rasch und be-
ruhen auf einer erschwerten Permeati-
on der Chinolone in die Bakterienzel-
len.
28 Biologische Übungen III, Kurs 2

Wirkungsweise der Chinolone als Gyrasehemmer. Die DNA der Bakterien bildet eine ringförmige Doppelhelix (A), die
als verdrillte Superhelix (D) vorliegt. Die Gyrase zerschneidet () mit ihrer Untereinheit A den DNA-Doppelstrang (A) und
führt mit ihrer Untereinheit B an der Schnittstelle Überspiralen ein (B), sodann verschließt die Untereinheit A wieder die
Bruchstelle, wobei es zur Verdrillung kommt (C). Diese Verdrillung erleichtert die für die DNA-Replikation und die DNA-
abhängige RNA-Synthese notwendige Trennungen () der komplementären DNA-Stränge an der sog. Replikationsga-
bel (D und E ). Bei der Öffnung der Replikationsgabel (E) reduzieren HD-Proteine die Stabilität der DNA-Helix , so
daß das "Unwinding Enzyme" die Mutterstränge auftrennen kann . An den freien DNA-Strängen erfolgt beginnend am
5'-Ende die Synthese neuer DNA mittels DNA-Polymerase III , nachdem zuvor mittels RNA-Polymerase eine "Starter-
RNA" gebildet worden ist , an die die neue DNA anpolymerisieren kann.
Chinolone hemmen offenbar die Gyrase A und damit den Wiederverschluß. Novobiocin hemmt die Untereinheit B.

Angriffspunkte der wichtigsten Antibiotika

(1) Schädigungen der Cytoplasmamembran: (4) Störung der Translation


Störung der Membranpermeabiliät Streptomycin, Kanamycin
Polymyxine B, Gramicidin, Antimycin C Chloramphenicol, Cycloheximid
Nystatin (Eukaryoten) Tetrazykline, Erythromycin
(2) Störung der Zellwandsynthese (5) Störung der DNA-Replikation
Cephalosporine, Bacitracin, Cycloserin Nalidixinsäure (Chemotherapeutikum)
Penicilline (Ampicillin) Chinolone (Gyrasehemmer)
(3) Störung der Transkription Novobiocin
Actinomycin C, D
Daunomycin, Rifamycine
Biologische Übungen III, Kurs 2 29

Resistenzmechanismen
Prinzipiell wird zwischen Primärresistenzen (intrinsische Resistenz) und Sekundärresistenzen (er-
worbene [promiske] Resistenz) unterschieden. Im ersten Fall zeigt sich in einer Bakterienpolpulati-
on die Resistenz dadurch, daß nach Zugabe des Antibiotikums die spontan entstandenen Mutanten
(Häufigkeit 10-7 - 10-9) einen Selektionsvorteil erfahren, sich im Gegensatz zu den sensitiv geblie-
benen Zellen vermehren können und damit letztere überwachsen werden.. Wenn Resistenz-
vermittelnde Gene auf mobilen genetischen Elementen wie zum Beispiel R-Plasmiden (siehe Abb.
unten) vorhanden sind, dann können nicht resistente Bakterien durch Aufnahme dieser Plasmide
Resistenzen erlangen (P = plasmidkodierte übertragbare Resistenz = erworbene Resistenz).

Bei den Resistenz"faktoren" handelt es sich um Gene, die Antibiotika-inaktivierende Enzyme, En-
zyme der Targetmodifizierung oder der aktiven Ausschleusung der Antibiotika aus der Zelle kodie-
ren. Für ein Antibiotikum kann es mehrere Resistenzmechanismen geben.

Manche Mikroorganismen sind natürlich resistent gegen Antibiotika (inherente Eigenschaft), andere
haben sich die Resistenz erworben.

(1) das Bakterium besitzt nicht die Zielstruktur des Antibiotikums (besitzt nicht die Struktur,
gegen die das Antibiotikum wirkt), z.B. Mycoplasmen besitzen keine Peptidoglycanschicht,
daher resistent gegen Penicilline.
(2) die Zellwände des Bakteriums sind nicht permeabel für das Antibiotikum; z.B. Pencillin G
dringt nicht in Gram negative Bakterien.
(3) das Antibiotikum wird durch das Bakterium in eine inaktive Form überführt: viele Staphylo-
coccen besitzen ß-Lactamasen, die den ß-Lactamring der Pencilline aufbrechen.
(4) Bakterien modifizieren die Zielstruktur des Antibiotikums: Streptomycin, 30s.
(5) Die Veränderung erfolgt in einem biochemischen Weg, der durch das Antibiotikum bloc-
kiert wird. Das Bakterium bildet einen neuen, aber resistenten Weg.
(6) Das Bakterium kann das eingedrungene Antibiotikum wieder ausschleusen (Efflux).

Erworbene Resistenzen durch R-Plasmide: Plasmide mit allgemeinen Übertragungsgenen


und Genen für Resistenz gegen Antibiotika, d.h. Gene, die für Enzyme zur Zerstörung oder
dem Ausschleusen dieser Antibiotika kodieren.

Entstehung von Resistenz-Plasmiden: R-Plasmide waren bereits zu Zeiten bekannt, als


Antibiotika noch nicht eingesetzt wurden (1946 existierte ein gefriergetrockneter E. coli
Stamm mit einem R-Plasmid mit Resistenzen gegen Tet und Str, obwohl erst Jahre später
diese Antibiotika eingesetzt wurden! Im Boden können auch in Gram negativen Bakterien
R-Plasmide nachgewiesen werden).

Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen durch ungeeigneten und überdimensionierten


Gebrauch von Antibiotika, verstärkt die Zunahme von R-Plasmid tragenden, resistenten, vor
allem pathogenen Mikroorganismen. Vermeidung durch gezielte Gabe eines Antibiotikums
in vor allem genügend hoher Dosis, so daß resistente Mikroorganismen nicht aufkommen
können oder aber durch gleichzeitige Gabe von zwei verschieden wirkenden Antibiotika.

Überwindung von Antibiotika-Resistenzen (?) durch Schaffung neuer Analoga zu existen-


ten Antibiotika oder Isolierung neuer Antibiotika bzw. neuen Klassen.
30 Biologische Übungen III, Kurs 2

Nachweis von Resistenz und Sensitivität


KIRBY und BAUER entwickelten eine standardisierte
Methode, die heute von der WHO (World Health Or-
ganization) empfohlen und in jedem Diagnostiklabor
durchgeführt wird. Dazu werden 5 mm große, runde
Filterpapierblättchen, die mit einer definierten Menge
Antibiotikum getränkt wurden, auf einen frischen Ra-
sen der zu untersuchenden Bakterien gelegt. Das Anti-
biotikum löst sich in dem Medium, und es entwickelt
sich ein Konzentrationsgradienten des Antibiotikums
nach außen.

Je nach Resistenz oder Sensitivität zeigen sich nach 24


stündiger Inkubation Hemmhöfe verschiedenen
Durchmessers (s. Tabelle unten) um diese Blättchen
herum. Anfangskonzentration und Menge der Bakteri-
Resistenzbestimmung
en sowie das Medium (MÜLLER-HINTON-Agar) sind nach KIRBY + BAUER
vorgeschrieben. eines Ampicillin resistente und Tetrazyklin-
sensitiven Bakterienstammes

Antibiotikum Konzentration Hemmhof -Durchmesser


pro Blättchen in mm
resistent sensitiv
Ampicillin (Gram negative Bakt. und Entero- 30 µg ≤ 11 ≥ 14
kokken)
Ampicillin (Staphylokokken) 10 µg ≤ 28 ≥ 29
Bacitracin 10 µg ≤ 20 ≥ 29
Cefalothin 30 µg ≤ 14 ≥ 23
Chloramphenicol 30 µg ≤ 12 ≥ 18
Erythromycin 15 µg ≤ 13 ≥ 18
Gentamycin 10 µg ≤ 12 ≥ 15
Kanamycin 30 µg ≤ 13 ≥ 18
Nalidixinsäure (Infektionsorganism. des Uro- 30 µg ≤ 13 ≥ 19
genitaltraktes)
Neomycin 30 µg ≤ 12 ≥ 17
Penicillin G (Staphylokokken) 10 Einheiten ≤ 20 ≥ 29
Penicillin G (andere Bakterien) 10 Einheiten ≤ 11 ≥ 22
Polymyxin B 300 Einheiten ≤8 ≥ 12
Rifamycin (Neisseria meningitidis) 5 µg ≤ 24 ≥ 25
Streptomycin 10 µg ≤ 11 ≥ 15
Tetrazyklin 30 µg ≤ 14 ≥ 19
Vancomycin 30 µg ≤9 ≥ 12
Biologische Übungen III, Kurs 2 31

Therapie
Die Durchführung einer optimalen Therapie mit Antibiotika ist entscheidend für den Be-
handlungserfolg. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich nach der günstigsten Relation zwischen
Erfolgschancen und Nebenwirkungen. Mitbestimmend dafür sind Fragen nach

(1) der klinischen Situation des Patienten (gesamtes Krankheitsbild beachten),


(2) den nachgewiesenen, typischen Erregern und deren Empfindlichkeit (Kultur und Resistenz),
(3) der Grundkrankheit des Patienten (Vorkrankheiten, Alter, Allergien, etc.) und
(4) den Eigenschaften des Antibiotikums (Wirkstoff, Toxizität, Darreichungsform, Ne-
benwirkungen, etc.).

Zwei Beispiele für Resistenzplasmide sind

RP4
Dieses promiske (= erworbene und leicht transferierbare)
Plasmid kodiert für Resistenzen gegen die drei Antibioti-
ka Ampicillin (ApR), Tetrazyklin (TcR) und Kanamycin
(KmR); es enthält drei Transferregionen (tra1, tra2, tra3)
und ein Primase-Gen (pri). Die Replikation startet unidi-
rektional am oriV, die Transfer-Replikation am oriT.

pBR322
vermittelt Resistenz gegenüber Ampicillin (ApR) und
Tetrazyklin (TcR); es besitzt keine Transferregion(en).
[Eco RI, Bam HI etc. markieren die Schnittstelle des ent-
sprechend Enzyms auf dieser DNA (vgl. S. 47 f.).]
32 Biologische Übungen III, Kurs 2

Versuch-1 Bakterienwuchskurve und die Wirkung ver-


schiedener Antibiotika auf Escherichia coli

2 Schikanekolben A und B mit je 50 ml LB-Medium werden mit jeweils 1,0 ml einer Über-Nacht-
Kultur beimpft und bei 37 °C inkubiert bis die oD600 einen Wert von ca. 0,4 - 0,5 erreicht hat. In
Intervallen von 30 min. werden 2 ml Proben aus Kolben A entnommen, die optische Dichte gemes-
sen und der Zelltiter bestimmt. Die Probenentnahme muß zeitlich koordiniert werden (gleichzeitig
animpfen und Proben entnehmen)!

Bei Erreichen einer oD von 0,4 - 0,5 wird der Kolben B mit einem Antibiotikum, das pro Gruppe
jeweils angegeben wird (wird von den Betreuern angegeben!), versetzt; Kolben A ohne Antibio-
tikum dient weiter zur Kontrolle. Alle Kolben werden im Wasserbad bei 37 °C geschüttelt.

In Intervallen von 30 min. werden pro Kolben (A und B) 2 ml entnommen und

(A) die Zelldichte mit Hilfe des Photometers bei 600 nm [Schritt 1] bestimmt;

[Überschreitet der Wert für die optische Dichte den Betrag


von 0,4, wird die zu messende Kultur 1 : 2 mit LB verdünnt
(Beispiel: 500 µl Kultur-Probe und 500 µl LB-Medium)

(B) die Zellzahl durch Titerung (Verdünnungsreihe, Ausspateln) [Schritt 2] bestimmt.

Auswertung:

(1) Alle Werte werden in einer Graphik dargestellt:


Abszisse = Zeit in min.
Ordinate = log N/ml bzw. log oD600.

Die Werte werden (oD-Werte gleich während des Versuches!) ohne Logarithmierung unter
Verwendung eines semi-logarithmischen Papiers (von den Kurshelfern erhältlich) gegen
die Zeit aufgetragen.

(2) Erstellen einer Eichkurve: die Extinktion ist der Konzentration bzw. der Dichte der Bakteri-
enkultur proportional. Tragen Sie dazu die Werte, die Sie für die Zellzahl durch Titerung er-
halten, gegen die optische Dichte auf (Papier von den Kurshelfern erhältlich).

(3) Bestimmen Sie auf graphischem Weg die Generationszeit! ⇐⇐⇐

Luria-Broth (LB, flüssig)


Trypton*) 10,00 g/l Hefeextrakt 5,00 g/l
NaCl 10,00 g/l pH 7,5
* Casein, tryptisch verdaut Platten enthalten zusätzlich 15 g Agar.
Biologische Übungen III, Kurs 2 33

(A) Bearbeitungsschema

Zeit 30 min. 60 min. 90 min. 120 min.


nach Zugabe der
Bakterien
oD/A
oD/B --------------- --------------- ---------------

Zeit 150 min. 180 min. 210 min. 240 min.


nach Zugabe der
Bakterien
oD/A
oD/B

Probenentnahme, Zugabezeitpunkt der Antibiotika und das Verdünnungssche-


ma nach AB-Zugabe werden im Kurs von den Betreuern angegeben.
34 Biologische Übungen III, Kurs 2

Versuch-2 Resistenzbestimmung von Escherichia coli


und Bacillus subtilis durch Erstellung eines
Antibiogramms

Viele Bakterien besitzen eine natürliche Resistenz gegenüber Antibiotika oder Antibiotika-
ähnlichen Substanzen; auch Mehrfachresistenzen sind bekannt, die allerdings in der Regel plasmid-
kodiert sind.
Zur Untersuchung auf Sensitivität oder Resistenz werden 0,2 ml einer Bakterienkultur* mit einer
oD580 von etwa 0,5 auf Platten mit MÜLLER-HINTON-Agar ausgespatelt. Nach dem Trocknen
werden Proben verschiedener Antibiotika mit bekannter Konzentration aufgetragen: die Antibiotika
wurden vorher auf kleine Papierplättchen aufgebracht (diese Plättchen werden am besten kommer-
ziell erworben), die nun mit einer sterilen Pinzette auf den Agar gelegt werden.

Nach 24 Std. Inkubation bei 30 °C wird der Durchmesser der Hemmzonen ausgemessen.

* Indikatorbakterien sollen sowohl Gram positive als auch Gram negative Bakterienstämme sein, so
z.B.

Antibiotikum Konzentration ∅ in mm ∅ in mm
pro Plättchen E. coli B. subtilis
Ampicillin AMP 10 µg
Erythromycin E 10 µg
Chloramphenicol C 10 µg
Kanamycin K 30 µg
Streptomycin S 25 µg
Tetrazyklin TE 10 µg
Polymyxin B PB 300 IE

Auswertung

Stamm Resistenz gegen Konzentration


B. subtilis
E. coli

MÜLLER-HINTON-Agar
Pepton 5,0 g Caseinhydrolysat *)17,5 g *) säurehydrolysiert
Stärke 1,5 g Agar 10,0 g
Wasser 1000,0 ml pH 7,4
Biologische Übungen III, Kurs 2 35

Testatbogen 2009: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und alle Na-
men der Gruppenmitglieder eintragen. Den unterzeichneten Testatbogen können Sie dann
so zerschneiden, dass jede(r) eine Betätigung seiner erfolgreichen Teilnahme hat. Abgeben
müssen sie die unterschriebenen Testatbögen am ersten Kurstag von bio4 (Bachelor). Die
Protokolle müssen 1 Woche nach dem Kurstag angegeben werden. Für den letzten Kurstag
können sie es später abgeben (Dozent fagen)
Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


-------------------------------------------------------------------------------------------
Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


36 Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test

Ames Test:
Reversion von Mutationen durch UV Licht und mutagene Substanzen

1 Einleitung

Mutationen sind vererbbare Veränderungen der genetischen Information. Sie können durch
verschiedene Faktoren ausgelöst werden, z. B. durch Strahlung oder chemische Stoffe, die
sogenannten Mutagene. Mutationen in Körperzellen können Tumore (Krebs) erzeugen. Die
Entstehung von Tumoren (Kanzerogenese) ist ein hochkomplexer Prozeß, der bisher bei
weitem nicht vollständig verstanden ist. Tumore entstehen aber sicherlich in einem
Mehrstufenprozess, in dem verschiedene Mutationen in einer Zelle / einem Zellklon
akkumulieren.
Mutagene Eigenschaft von UV-Strahlen
Die Hauptwirkung von UV-Strahlen auf die DNA beruht auf der Aktivierung von
Basenresten, z.B. den Thymidin-Seitengruppen. Diese aktivierten Gruppen gehen dann
Reaktionen mit benachbarten Basenresten ein. Dadurch kommt es zu einer kovalenten
Verknüpfung solcher Basen. Beispiele hierfür sind die Ausbildung des Cyclobutanringes
zwischen zwei benachbarten Thymidin-Resten oder die Bildung von Thymidin-Cytosin
Thymidin Dimer: Die Bildung von
Dimeren benachbarter Pyrimidine stellt
die häufigste Art von DNA-Schäden
nach UV-Bestrahlung dar. Die Dimere
sind kovalent über einen Cyclobutan-
Ring verbunden. In Folge dieser
Bindung und der fehlenden
Wasserstoffbrückenbindungen zum
Adenin wird die Struktur der DNA
verzerrt.

Addukten. Diese Prozesse verzerren die DNA-Struktur und verhindern die Replikation. Der
Effekt wäre lethal, wenn die Organismen keine Reparaturmechanismen entwickelt hätten.
Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test 37

DNA – Reparatur - Mechanismen


Der Cyclobutanring zwischen zwei Thymidin-Resten kann durch eine Photolyse unter
Einwirkung von Licht (340 – 400 nm) wieder gespalten werden (Photoreaktivierung).

Photoreaktivierung: Die Photolyase


repariert Thymidindimere. Photolyase ist
in der Lage, Pyrimidindimere in der DNA
zu bemerken und an sie zu binden. Das
Enzym absorbiert sichtbares Licht und
nutzt die Energie, um die
Trennungsreaktion zu katalysieren. Es
entstehen zwei unbeschädigte Pyrimidine,
in diesem Fall zwei Thymidine.

Eine zweite Möglichkeit ist die


Exzissionsreparatur. Hierbei werden
Fehlerstellen in der DNA-Struktur erkannt,
Einzelstrangschnitte rechts und links
daneben eingeführt, der Bereich der
Fehlstellen entfernt und die entstehende
Lücke neu aufgefüllt und geschlossen. An
der Erkennung und Entfernung von
Fehlstellen sind die Genprodukte uvrA,
uvrB und uvrC beteiligt. Der gesamte
Enzymkomplex, der die Exzissionsreparatur
ausführt wird daher auch uvrABC-
Endonuklease bezeichnet. Bei der
Erbkrankheit Xeroderma pigmentosum
liegen genetische Defekte im
Exzissionsreparatursystem vor. Homozygote Träger der Mutation haben eine stark erhöhte
Wahrscheinlichkeit Hautkrebs zu bekommen, bei heterozygoten Trägern der Mutation kommt
es nach starker Sonnenbelastung zu höheren Hautkrebsraten.
Bei der postreplikativen Reparatur erfolgt der die Wiederherstellung eines vollständig
replizierbaren DNA-Stranges durch Rekombination zwischen den entstehenden Tochter
DNA-Strängen.
Eine weitere Korrektur von DNA-Schäden ist die fehlerträchtige Reparatur (error-prone
Reparatur). Im Verlauf dieser Reparatur wird gegenüber von Fehlstellen bevorzugt ein
38 Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test

Adenin eingebaut. Dieser Reparaturweg ist ungebau und daher häufig selbst die ursache von
Mutationen. Im äußersten Notfall werden offenbar Mutationen in Kauf genommen (SOS-
Reparatur).

Mutagene Substanzen – Chemische Mutagene


Eine Vielzahl von natürlich vorkommenden und synthetisch hergestellten Substanzen weisen
mutagene Wirkung auf. Eine kleine Auswahl bekannter mutagener Substanzen ist in
folgender Tabelle enthalten:
Vorkommen mutagene Substanz
Industriechemikalien Benzol
Vinylchlorid
Chromate
Cadmiumchlorid
Nitrosamine
Lindan
PCP (Pentachlophenol)
Toluol
Methylacrylat
Naturstoffe, Nahrungs- und Genussmittel Aflatoxine
(in best. Schimmelpilzen)
Benzo(a)pyren (Ruß, Teer,
Grillfleisch, Tabakrauch)
Medikamente Acriflavib
Actinomycin
Cytostatika
Im Laborgebrauch Aminopurin
Ethlymethansulfonat (EMS)
Ethidiumbromid

Im Zeitalter der großtechnischen Herstellung von Zehntausenden von Chemikalien (jährlich


kommen Hunderte, noch nie dagewesene hinzu) besitzt die Mutagenitätsforschung eine große
Bedeutung. Der Gesetzgeber schreibt vor, daß alle neu synthetisierten Substanzen
standardisierten Tests zur Überprüfung der Mutagenität unterzogen werden müssen. Ein
wichtiger Test für die Mutagenität einer Substanz ist der sogenannte Ames-Test, der im
Praktikum durchgeführt werden soll.

Molekulare Mechanismen der Mutagenese


Eine Vielzahl verschiedener Mechanismen, wie Mutagene Schäden an der Erbsubstanz DNA
einfügen können, sind heute bekannt. An zwei Beispielen sollen die Mechanismen aufgezeigt
werden:
Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test 39

Alkylierende Substanzen (z.B. Ethylmethansulfonat, EMS)


Alkylierung des Sauerstoffs bzw. Stickstoffs an verschiedenen Positionen der Nukleotidbasen.
Diese chemischen Veränderungen bewirken, daß die Fähigkeit, Wasserstoffbrückenbindungen
zum komplementären Basenpartner auszubilden, verändert werden. Somit kommt es in der
Replikation der DNA zum Einbau falscher Basen.

Interkalierende Substanzen (z.B. Ethidiumbromid)

Flache aromatische
Ringsysteme mit den
Abmessungen eines
Basenpaares können sich in die
DNA-Doppelhelix zwischen
zwei Basenpaare schieben
(interkalieren) und hierdurch
den Replikationsprozess stören.
Nukleotiden können
weggelassen oder zusätzlich
eingefügt werden, was zu
40 Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test

typischen Rastermutationen führt.

Promutagene
Viele Substanzen werden erst nach einer Metabolisierung im Körper des Organsimus
mutagen. Hierzu gehören z.B. die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe.
Verschiedene Enzymsysteme, die hauptsächlich in der Leber gebildet werden, haben ihre
Hauptfunktion darin, die Wirkung toxischer Substanzen zu verringern und diese im Körper
abzubauen. Die Cytochrome P-450 Monooxygenasen oxidieren C-H Gruppen an organischen
Substanzen und fügen eine Hydroxygruppe ein (O-H). In bestimmten Fällen werden somit
aber erst mutagene Substanzen im Körper erzeugt. So wirkt die in der Umwelt besonders
häufig vorkommende Substanz Benzo(a)pyren erst nach entsprechender Metabolisierung
mutagen.

Eine stark ausgeprägte genetische Vielfalt (Polymorphismus) der verschiedenen Gene, die für
die P450-Monooxygenasen kodieren, ist mit für eine gewisse „Veranlagung“ verantwortlich,
an Krebs zu erkranken.

Der Ames Test


Von B. N. Ames wurde 1973 ein sehr sensitiver und vor allem einfacher und billiger Test auf
Mutagenität entwickelt. Hierbei wird der Einfluß von Chemikalien auf die Rückmutationsrate
Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test 41

eines histidinauxotrophen Salmonellen-Stammes gemessen.


Auxotrophie: Bestimmte essentielle Nährstoffe können nicht mehr hergestellt werden und
müssen von außen zugeführt werden
Basenaustausche oder Rastermutationen im his-Gen in bestimmten Salmonella typhimurum
Bakterienstämmen führen dazu, daß die Bakterien auf Agarplatten, die kein Histidin
enthalten, nicht mehr wachsen können. Nur solche Bakterien können sich vermehren und
Kolonien bilden, bei denen eine Rückmutation (Reversion) zum Wildtyp stattgefunden hat.
Die Zahl der Kolonien auf Agarplatten, die die Testchemikalie enthalten, kann gezählt und
mit der Anzahl der Kolonien auf Kontrollplatten verglichen und so ein Maß für die
Mutagenität der Testsubstanz gewonnen werden.

Da viele Substanzen, die in den Körper eindringen, vor allem in der Leber metabolisiert
werden (s.o.), enthält der Ames Test einen Schritt, in dem die Testverbindung in Gegenwart
von Ratten-Leberextrakt in vitro inkubiert wird.

In den Praktikumsversuchen soll die mutagene Wirkung von verschiedenen in der Umwelt
und im Labor weit verbreiteten mutagenen Substanzen im Ames Test auf Bakterien
dargestellt werden. In einem zweiten Versuch soll der starke letale Effekt von UV-Licht auf
uvrB-Mutanten im Vergleich zum Wildtyp nachgewiesen werden.
42 Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test

Versuchsanleitungen
Versuch: Mutagenese von Salmonella typhimurum durch UV-C Strahlen sowie
durch Benzo(a)pyren nach Metabolisierung
Aufgabe:
Im ersten Versuchsteil soll nachgewiesen werden, daß bestimmte Mutagene erst nach einer
Metabolisierung mutagen wirken. Die potentiell „antimutagene“ Wirkung von grünem Tee
soll untersucht werden.
Im zweiten Versuchsteil soll der stärkere letale Effekt von UV-Licht auf uvrB-Mutanten im
Vergleich zum Wildtyp nachgewiesen werden.

Material:
• Bakterien: Salmonella typhimurum
Genotyp der verwendeten Stämme:
Stamm Leseraster Punktmutation Zellwand Reparatur- Resistenz
mutation system
LT2(WT) - - + uvrB -
TA 98 hisG46 - rfa* - amp
* rfa (deep rough factor): Spezieller Defekt in der äußeren Zellwand, dadurch ist sie
durchlässiger für bestimmte Substanzen

• UV-Stratalinker
• Minimalmedium-2% Glukose-Platten (MM-Platten), 20 Stück / Gruppe
• 2 x 40 ml Weichagar (WA) in Erlenmeyerkolben
• Biotin-Histidin-Stammlösung A (0,5 mM His, 0,5 mM Biotin)
• Biotin-Histidin-Stammlösung B (25 mM His, 0,5 mM Biotin)
• Reagenzglasständer
• WA-Auftragsröhrchen
• Heizblöcke bzw. Wasserbäder
• Pipetten
• Sterile Pipetten 10 ml, Pipettierhilfen
• MM-Flüssigmedium
• Übernachtkultur der entsprechenden Bakterien
• Mutagene
- Benzo(a)pyren (0,5 mg/ml in Dimethylsulfoxid DMSO)
- Ethidiumbromid (0,5 mg/ml in H2O
- Aflotoxin B (0,1 mg/ml in DMSO)
• Menadione (1 mm in DMSO)
• Phosphatpuffer pH 7,4
• Rattenleber – Homogenisat (S9)
• Grüner und schwarzer Tee (mit Phosphatpuffer gekocht)
Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test 43

Sicherheitsmaßnahmen:
Humanpathogene Salmonellen befinden sich nicht nur in Hühnereiern, sondern bei unseren
Versuchen auch in Reagenzgläsern…., daher wollen wir sie mit gebührendem Respekt
behandeln. D. h. alle Arbeiten werden mit Arbeitskittel und Handschuhen durchgeführt.
Desweiteren werden alle Reagenzgläser und Deckel in die Ständer zurückgestellt und
rückautoklaviert. Alle Einmal-Ware kommt in den Autoklavierabfall. Kontaminierte Flächen,
Hände und andere Körperteile werden mit Alkohol desinfiziert (gilt nicht bei
Inkorporierung!). Die Platten, die mit Mutagenen behandelt wurden, werden nach der
Auswertung gesondert gesammelt und entsorgt. Die anderen Platten kommen in den
Autoklavierabfall.

Durchführung:
Jede Gruppe erhält den Wildtypstamm LT2 und den zu testenden Salmonella-Stamm TA98.

Auf Minimalmedium A-Platten wird der sogenannte Ames Test durchgeführt mit dem Sie
die Mutagenität der verschiedenen Substanzen untersuchen, sowie den Einfluß der
Metabolisierung mit Leberextrakt und den Einfluß von grünem Tee. Diese Platten enthalten
(fast) kein Histidin. Somit können nur Revertanten auf diesen Platten wachsen.

Auf Minimalmedium B-Platten soll die Absterberate durch UV-C Licht für die uvrB-
Mutante und den Wildtyp verglichen werden. Das Minimalmedium B enthält Histidin. Somit
können auch die TA98 his-Mutanten wachsen. In diesem Versuch wird eine
Beleuchtungsreihe im UV-Stratalinker durchgeführt.
44 Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test

1. Versuch: Untersuchung der mutagenen Wirkung von 3 Umwelt- und


Laborsubstanzen im Ames-Test

1. Für die Behandlung mit dem Mutagen und der Metabolisierung werden zunächst folgende
Ansätze mit den TA98 Stamm (unverdünnte Bakteienkulturen!) in kleinen Eppendorf-
Reagenzröhrchen zusammenpipettiert:

Ansatz / TA98 Substanz * Metabolisierung Antimutagen


Platte
1 100 µl DMSO 300 µl PP 200 µl PP
2 100 µl Benzo(a)pyren 300 µl PP 200 µl PP
3 100 µl Benzo(a)pyren 300 µl S9-Leber 200 µl PP
4 100 µl Benzo(a)pyren 300 µl S9-Leber 200 µl Tee
5 100 µl Ethidiumbromid 300 µl PP 200 µl PP
6 100 µl Ethidiumbromid 300 µl S9-Leber 200 µl PP
7 100 µl Ethidiumbromid 300 µl S9-Leber 200 µl Tee
8 100 µl Aflatoxin B 300 µl PP 200 µl PP
9 100 µl Aflatoxin B 300 µl S9-Leber 200 µl PP
10 100 µl Aflatoxin B 300 µl S9-Leber 200 µl Tee

* Das Mutagen ist jeweils schon in Röhrchen vorpipettiert (10 µl)! Die Röhrchen werden von
den Assistenten ausgeteilt und die Bakterien und die anderen Substanzen werden in die
Röhrchen pipettiert.

2. Die Mischungen werden für 30 Minuten im Wasserbad bei 37° C inkubiert.


3. Beschriften Sie 10 MM Platten mit Ihrer Gruppennummer und den Nummern 1 - 10
4. Weichagarröhrchen beschriften mit Nr. des Ansatzes und „MM-A“.
Es werden 10 Röhrchen mit MM-A benötigt.
5. Den Weichagar, der auf 50° im Wasserbad abgekühlt ist, in 3 ml Portionen in die
Röhrchen verteilen. Bis zum Gebrauch im Wasserbad bei 50°C halten.
6. Zu den Weichagarportionen werden nach der Inkubation die kompletten Ansätze (je ca.
600 µl) hinzupipettiert. Die Suspension wird sofort gut gevortext und schnell auf die
entsprechend beschrifteten Platten gegossen. Durch kreisende Bewegungen den Agar
vollständig auf der Platte verteilen (Weichagar-Gußmethode).
7. Die Platten werden den Betreuern zur Inkubation bei 37°C im Brutschrank übergeben.
Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test 45

8. Die Auswertung erfolgt durch Auszählen der Kolonien. Ihre Ergebnisse tragen Sie auch in
Excel-Tabellen in den Computern im Kurssaal ein. Die Meßwerte aller Gruppen werden
im Internet unter:
http://www.biologie.uni-erlangen.de/genetik/teach_practicals.deu.php
bereitgestellt und werden für die Auswertung benötigt.

2. Versuch: Einfluß einer Mutation im uvrB-Gen auf die Absterberate nach


Bestrahlung mit UV-C Licht

Jede Gruppe führt ein Experiment mit unterschiedlicher UV-Bestrahlung der Bakterien auf
den Platten durch.
Hierzu müssen die Bakterien (Wildtyp und TA98) zunächst verdünnt werden, da ja alle
Bakterien auf den Platten mit MM-B wachsen können. Eine 1:106 Verdünnung der Bakterien
stellen Sie wie folgt her:

1. Herstellen der Bakterienverdünnungen (Beschriften der Röhrchen mit Stamm und


Verdünnung). 100 µl der Übernacht-Kultur werden in ein Reagenzglas mit 9,9 ml LB
pipettiert und gevortext (10-2). Hiervon werden dann entsprechend 10-4 und 10-6
Verdünnungen hergestellt.
2. Weichagarröhrchen beschriften mit Stamm und Medium und Verdünnung. Es werden 10
Röhrchen mit MM-B (je 5 Röhrchen für TA98 und Wildtyp LT2) benötigt.
46 Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test

3. Den Weichagar, der auf 50° im Wasserbad abgekühlt ist, in 3 ml Portionen in die
Röhrchen verteilen. Bis zum Gebrauch im Wasserbad bei 50°C halten.
4. Beschriften Sie 10 MM-Platten von 11-20 (entsprechend der Tabelle unten) sowie mit
Ihrer Gruppennummer.
5. Zu den Weichagarportionen werden 100 µl der entsprechenden Bakterien pipettiert
(Verdünnungsstufe 10-6 !). Die Suspension wird sofort gut gevortext und schnell auf
die entsprechend beschrifteten Platten gegossen. Durch kreisende Bewegungen den
Agar vollständig auf der Platte verteilen (Weichagar-Gußmethode).
6. Die Platten, die im UV-Stratalinker mit UV-Licht behandelt werden, werden entsprechend
der Bestrahlungsintensität sortiert und im Zusammenschluß von 2 Gruppen (in den
Stratalinker passen 6 Platten) bestrahlt. WICHTIG: Sofort nach der Bestrahlung die
Platten bitte dunkel halten (Photoreaktivierung soll ausgeschlossen bzw. minimiert
werden)!

Übersicht zur Beschriftung der Platten:


Bestrahlung keine 500 1000 2500 5000
im Stratalinker [µJ/cm2]
Stamm/Verd./Medium
TA98 / 10-6 / MM-B 11 12 13 14 15
LT2 / 10-6. / MM-B 16 17 18 19 20

7. Die bestrahlten Platten werden den Betreuern zur Inkubation bei 37°C im Brutschrank
übergeben.
8. Die Auswertung erfolgt durch Auszählen der Kolonien
Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test 47

Aufgaben
1) Stellen Sie die Ergebnisse des Ames – Testes graphisch in einem Balkendiagramm dar.
Fertigen Sie 2 Grafiken an:
1. stellen Sie bitte Ihre eigenen Daten (Unikate) als Rohwerte dar (ausgezählte Anzahl
Revertanten).
2. stellen Sie die Mittelwerte +/- Standardabweichung aller Werte des Kurses dar, und
zwar als x-fach erhöhte Zunahme der Revertantenzahl im Vergleich zum Ansatz 1
3. überprüfen Sie mittels des sogenannten Student´s t-Test anhand aller Daten aller
Gruppen, ob Tee die mutagene Wirkung der 3 Substanzen signifikant erhöht bzw.
erniedrigt (jeweils in der Gegenwart von S9 Leberextrakt).
Hierzu soll der gepaarte t-Test (Paired Data) mit den ausgezählten Koloniezahlen
verwendet werden. Sie können den T-Test per Hand rechnen (mühsam) das Programm
Excel verwenden oder Sie gehen Online zu einer der folgenden www-sites:
http://www.physics.csbsju.edu/stats/t-test.html
http://www.changbioscience.com/stat/ttest.html

Diskutieren Sie die Ergebnisse

2) Vergleichen Sie die Absterberate des Mutanten-Stammes (ΔuvrB) mit der von LT2
(graphisch). Diskutieren Sie die Ergebnisse
48 Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test

Medien:
LB0 5 g NaCl
5 g Hefe-Extrakt
10 g Trypton
in 1 l deionisiertem Wasser auflösen und autoklavieren
MM: 178 ml deionisiertes Wasser
2 ml Lsg B
3,3 g Agar (nur im Plattenmedium)
Autoklavieren, vor dem Erstarren des Agars wird zugesetzt:
20 ml Lsg A
20 ml 20 % Glukose
gut mischen und Platten gießen.
Lsg. A: 53,1 g NaH2PO4
115 g K2HPO4
26,5 g (NH4)2SO4
ad 1 l Wasser und autoklavieren.
Lsg. B: 0,5 ml 1 N HCl
14 mg FeSO4 x 7 H2O
3,7 g MgSO4 x 7 H2O
6,75 g ZnCl2
73,5 mg CaCl2 x H20
ad 500 ml Wasser und sterilfiltrieren.
Weichagar: 6g Agar
5g NaCl
in 1l Wasser, vor Gebrauch Biotin-Histidin-Stammlösung zusetzen.

Literatur:
1) R. Knippers, Kapitel 9: Mutationen: DNA-Schäden und DNA-Reparatur; in Molekulare
Genetik, Thieme Verlag, Stuttgart
2) J. McCann, N. Spingarn, J. Kobori und B. N. Ames (1975). Detection of Carcinogens as
Mutagens: Bacterial Tester Strains with R Factor Plasmids; PNAS USA 72: 979-84
3) D. M Maron und B. N. Ames (1983). Revised methods for the Salmonella mutagenicity
test, Mutation Research 113: 173-215
WWW-Links:
1) Interview mit B.Ames, in dem er die Ernährung mit Gemüse und Obest zur Prevention vor
Krebs propagiert:
http://reason.com/amesint.html
2) Informationen zu den Mutagenen in Wikipedia mit weiteren Links:
http://en.wikipedia.org/wiki/Benzapyrene
http://en.wikipedia.org/wiki/Aflatoxin
http://en.wikipedia.org/wiki/Ethidium_bromide
Biologische Übungen III, Kurs 2 Ames Test 49

Testatbogen: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und


alle Namen der Gruppenmitglieder (1-4) eintragen. Den unterzeichneten
Testatbogen können Sie dann so zerschneiden, dass jede(r) eine Betätigung
seiner erfolgreichen Teilnahme hat.

Versuch: Ames Test


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Thomas Winkler, Fiebiger Zentrum


--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: Ames Test


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Thomas Winkler, Fiebiger Zentrum


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: Ames Test


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Thomas Winkler, Fiebiger Zentrum

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: Ames Test


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Thomas Winkler, Fiebiger Zentrum


50 Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen

Proteinanalysen

1 Einleitung

In den folgenden Experimenten werden sie das Proteinexpressionsmuster verschiedener


Zellen und Organe analysieren um zwei der wichtigsten Methoden der Proteinanalytik
kennenzulernen: die quantitative Bestimmung von Proteinen in komplexen Gemischen und
die Gelelektrophorese. Die Gelelektrophorese von Proteinen ist die wichtigste Methode um
die Zusammensetzung von Proteingemischen zu analysieren und um die Reinheit isolierter
Proteine zu überprüfen. Darüberhinaus läßt sich mit der SDS-Gelelektrophorese das
Molekulargewicht von Polypeptiden bestimmen.

Experimente:

1. SDS-Gelelektrophorese von Proteinen.


2. Proteinbestimmung.

Versuchsanleitung

Experiment 1:
SDS-Gelelektrophorese von Proteinen.

Aufgabe:
Proteinextraktion aus verschiedenen Geweben eines Kaninchens.
Aufschluss und Extraktion von Hefezellen. Analyse der Proteinextrakte durch SDS-
Gelelektrophorese und Bestimmung des Molekulargewichts eines unbekannten Proteins.
Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen 51

Theorie :
Eine kurze Theorie der SDS-Gelelektophorese:
Geladene Moleküle lassen sich im elektrischen Feld voneinander trennen.
Die Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions im elektrischen Feld ist dabei abhängig von
seiner Netto-Ladung (q), der Stärke des elektrischen Feldes (F), der
Elektrolytzusammensetzung und der Reibung, die das Molekül bei der Wanderung durch das
Gel erfährt. Die Reibung wiederum ist abhängig von der Viskosität, der Größe des Moleküls
und der Porengröße des Gels.
Bei der SDS-Gelelektrophorese werden Proteine mit dem anionischen Detergenz SDS (Na-
Dodecylsulfat) denaturiert. Das SDS-Anion bindet dabei an die hydrophoben Reste der
Polypeptidkette und überdeckt so die Eigenladung des Proteins. Da die meisten Proteine
einen etwa gleichen Anteil hydrophober Bereiche enthalten, entstehen dadurch negativ
geladene Protein-SDS Komplexe mit einem konstanten Ladungs-Masse Verhältnis. Unter
diesen Bedingungen ist die Mobilität der Polypeptide nicht mehr von ihrer ursprünglichen
Eigenladung abhängig, sondern wird ausschließlich von ihrer Größe (Molekulargewicht)
bestimmt. In der Regel werden vorhandene Disulfidbrücken durch Behandlung mit
Mercaptoethanol oder DTT reduziert. Durch einen Vergleich mit geeigneten Referenzproben
kann mit der SDS-Gelelektrophorese also das Molekulargewicht von Polypeptiden bestimmt
werden. Zur Analyse von Proteinen werden meist Polyacrylamidgele verwendet. Ein
generelles Problem bei der Elektrophorese ist die Schärfe der Banden, da relativ große
Probenvolumina aufgetragen werden. Dieses Problem wird durch die Verwendung von
diskontinuierlichen Puffersystemen mit unterschiedlichen pH-Werten so effektiv gelöst, dass
die diskontinuierliche SDS-Polyacrylamid Gelelektrophorese nach Lämmli (Lämmli, 1970)
schon lange die Standardmethode zur Analyse von Proteinen ist.
Das Gelsystem besteht aus einem engporigen "Trenngel", das mit einem kurzen, weitporigen
"Sammelgel" überschichtet wird. Der pH-Wert des Trenngelpuffers liegt bei 8,8 (Tris/Cl),
während der Puffer des Sammelgels und die aufgetragene Probe einen pH-Wert von 6,8
haben. Der Laufpuffer (Tris-Glycin, pH 8,4) enthält die Aminosäure Glycin, die bei pH 8,4
als Glycinat-Anion vorliegt. Legt man nun eine Spannung an, beginnen die Glycinationen des
Laufpuffers, die negativ geladenen Proteinkomplexe sowie die Chloridionen des Gels zur
Anode (Plus-Pol) zu wandern. Sobald die Glycinationen jedoch das Sammelgel bzw. die
Probe erreichen, wird ihre Mobilität drastisch herabgesetzt, da der pH-Sprung auf pH 6,8 das
Glycin vorwiegend in seine zwitterionische Form ohne Nettoladung überführt. In der Folge
kommt es an dieser Stelle des Gels zu einem Mangel an Ladungsträgern und damit zu einer
52 Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen

hohen lokalen Feldstärke, die die negativ geladenen Proteinkomplexe beschleunigt. Die
Protein-Anionen schließen zu den vorauseilenden Chloridionen auf, bis sie durch deren hohe
lokale Konzentration wieder gebremst werden. Dieser Feldstärkegradient führt zu einer
Konzentration der Proteinionen, die nun als schmales Band auf die Grenze des Trenngels
zuwandern. Sobald die Pufferionen das Trenngel (pH 8,8) erreicht haben, gehen sie wieder
quantitativ in ihre negativ geladene Form über, der Feldstärkegradient bricht zusammen und
die Proteinionen werden im nun gleichmäßigen elektrischen Feld entsprechend ihrer Größe
aufgetrennt.
Wir werden im Kurs die SDS-Gelelektrophorese nutzen, um die Proteinzusammensetzung
verschiedener Gewebeproben zu analysieren und um das Molekulargewicht von Proteinen zu
bestimmen.

Material:
Abgewogene Gewebeproben eines Kaninchens; Hefezellen;
Extraktionspuffer (50 mM Tris/Cl (pH 6,8) 50 mM NaCl 0,1 mg/ml Pefabloc 0,1 % NP40);
Glasperlen; Plastik-Pistill, Eppendorfröhrchen; Tischzentrifugen; SDS-Probenpuffer;
Elektrophoreselaufpuffer; Gelfärbelösung; Entfärberlösung I; Entfärberlösung II; halb-
logarithmisches Millimeterpaper.

Durchführung:
Sie erhalten abgewogene Stücke von Kaninchenleber und Muskelgewebe und eine Kultur von
Hefezellen aus denen sie Zellextrakte herstellen.
Proteinextraktion:
Säugerzellen haben keine Zellwand und lassen sich folglich sehr einfach mit Detergenzien
oder mit Mörsern in Puffer aufschließen. Nach Abzentrifugieren der unlöslichen Bestandteile
erhält man einen Rohextrakt dessen Proteinzusammensetzung gelelektrophoretisch analysiert
werden soll. Die eingefrorenen Muskel- und Leberproben werden in Eppendorfröhrchen
aufgetaut, mit der 4-fachen Menge (etwa 300 µl) Extraktionspuffer versetzt und mit dem
Pistill gründlich homogenisiert (1 Minute). Anschließend werden die Proben in einer
Tischzentrifuge für 4 Minuten bei 13000 Upm zentrifugiert. Der geklärte Extrakt (100 µl)
wird mit einer Pipette in ein frisches Röhrchen überführt und auf Eis gestellt.
Hefeextrakte: Hefezellen sind von einer rigiden Zellwand umgeben. Um sie aufzuschließen
muss die Zellwand entweder enzymatisch abgebaut, oder wie hier durch mechanische
Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen 53

Scherkräfte zerstört werden. Dabei hat sich das Schütteln mit Glasperlen definierten
Durchmessers (0,4 mm) bewährt.
2 ml einer frischen Hefekultur werden in einem 2 ml Röhrchen zentrifugiert (1 min, 13000
Upm). Das Medium wird vollständig entfernt, die Zellen in 200 µl Extraktionspuffer
resuspendiert und mit 100 µl Glasperlen versetzt (Menge vorher in einem frischen
Eppendorfröhrchen abschätzen und zu den resuspendierten Zellen "schütten"). Das Gemisch
wird für 6 Minuten bei Raumtemperatur auf dem Vortexschüttler geschüttelt (maximale
Frequenz) und dann auf Eis gestellt. Der Extrakt wird mit einer Pipette in ein 1,5 ml
Eppendorfgefäß überführt und zum Klären für 4 Minuten bei 13000 Upm zentrifugiert. Der
Überstand wird in ein neues Röhrchen überführt (Pipette) und auf Eis gelagert.
Probenvorbereitung für die Elektrophorese:
Zur Vorbeitung der Elektrophorese werden die in der Tabelle angegeben Mengen der Extrakte
bzw. der unbekannten Probe mit Wasser und Auftragspuffer gemischt, für 5 min bei 95 °C im
Heizblock inkubiert und kurz zentrifugiert (1 min; 13000 Upm). Tragen sie die Proben
zusammen mit den von den Betreuern vorbereiteten Proben und Molekulargewichts-Standards
auf das vorbereitete, 11%ige SDS-Gel nach folgendem Schema auf:

Probe 1 2 3 4 5 6 6 7 8 9
MW- Muskel Leber Serum Blut IgG Erythrozyten Hefe- unbekannte MW-
Marker Extrakt Probe Marker
Proben- 5 5 10 10
volumen
[µL]

Wasser 50 50 5 10
[µL]

Auftrags- 100 100 10 10


puffer
[µL]

Auftrag 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15
[µL]

Vor dem Auftragen bauen sie die Gelkammer zusammen und füllen sie die Kammer hinter
den Glasplatten mit Laufpuffer. Das Pufferreservoir am Boden der Kammer wird etwa 1 cm
54 Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen

hoch gefüllt. Achten sie beim Auftragen der Proben darauf, Luftblasen in der Pipette zu
vermeiden. Nachdem jeweils zwei Gruppen ihr Gel beladen haben, schließen sie die
Apparatur mit dem dazugehörigen Deckel und legen einen Strom von 20 mA pro Gel an
(Anode unten, warum?). Das Stromversorgungsgerät wird auf 250 V eingestellt (Vorsicht vor
Stromstößen). Wenn die Pufferfront (Bromphenolblau) das Ende des Gels erreicht hat, wird
der Strom abgeschaltet, das Gel aus der Kammer genommen und die Glasplatten vorsichtig
getrennt. "Schälen sie das Gel mit Hilfe des grauen "Spacers" von der Glasplatte und geben
sie es in die Färbelösung. Das Sammelgel (oben) können sie entfernen. Nicht polymerisiertes
Acrylamid ist toxisch. Deshalb tragen sie bitte auch bei der Handhabung des polymerisierten
Gels Handschuhe. Das Gel wird für 20 Minuten gefärbt. Anschließend die Färbelösung durch
Entfärber I ersetzen. Entfärbt wird 2-mal für 15 Minuten in Entfärber I und anschließend in
Entfärber II (mehrmals wechseln). Während das Gel entfärbt, fahren sie mit Experiment 2
fort. Das entfärbte Gel wird für die Auswertung photographiert.

Auswertung:
Bestimmen sie die Laufstrecken der einzelnen Banden des Molekulargewichts-Standards
(Gel-Photo).
Erstellen sie graphisch eine Eichkurve zur Molekulargewichtsbestimmung, indem sie den
Logarithmus der Molekulargewichte (halblogarithmisches Millimeterpapier) gegen die
Laufstrecken (x-Achse) auftragen. Sie werden sehen, dass die Laufstrecke der einzelnen
Proteine in den beiden Markerspuren nicht ganz identisch ist. Das liegt daran, dass die
Gelfront nicht ganz parallel Oberkante des Gels verläuft, sondern Sie etwas anlächelt
(smiling). Entscheiden Sie sich bei der Auswertung für eine der beiden Markerspuren oder
verwenden Sie Hilfslinien, die entsprechende Banden beider Markerspuren miteinander
verbinden. Bestimmen sie das Molekulargewicht der Hauptbande ihres unbekannten
Präparates. Diskutieren sie mögliche Fehlerquellen.
Können sie Unterschiede in der Proteinzusammensetzung der einzelnen Organe des
Kaninchens feststellen? Warum unterscheiden sich die Proteinmuster der einzelnen
Kaninchen-Extrakte? Schätzen sie das Molekulargewicht der prominentesten Banden jedes
Gewebes ab. Versuchen sie, anhand der ihnen bekannten physiologischen Funktionen der
einzelnen Gewebe des Tieres die eine oder andere Proteinbande einer der unten aufgeführten
Kaninchen Proteine zuzuordnen. Sie werden dabei nicht erwarten können alle unten
aufgeführten Proteine identifizieren zu können, da die relativen Konzentrationen einzelner
Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen 55

Proteine natürlich sehr unterschiedlich sein können. Außerdem kann eine solche Zuordnung
natürlich nicht als gesichert gelten und müsste mit weiteren Experimenten analysiert werden.
Was könnten sie unternehmen, um diese Zuordnung zu überprüfen? Diskutieren sie den
Unterschied zwischen dem Proteinmuster der Hefezellen und den Kaninchenorganen.

Molekulargewichte des eingesetzten Proteingrößenstandards:

Molekulargewichte ausgewählter Kaninchen Proteine:


Myosin schwere Kette, 200000; Tropomyosin, 70000; Actin, 41200; Immunoglobulin
(schwere Kette), 60000; Immunoglobulin (leichte Kette), 23000; Serumalbumin, 66200;
Hämoglobin, 16500 Carboanhydrase, 31000; Glycerinaldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase
(GAPDH), 36000;
56 Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen

Experiment 2:
Proteinbestimmung

Aufgabe:
Erstellung einer Eichkurve für die Proteinbestimmung.
Bestimmung der Proteinkonzentration einer unbekannten Probe und der Extrakte aus
Experiment 1.

Theorie :
Die quantitative Bestimmung von Proteinen gehört zu den Standardmethoden im Labor.
Die Konzentration eines reinen Proteins lässt sich in Lösung am einfachsten photometrisch
über die UV Absorbtion seiner aromatischen Reste bestimmen (Proteinkonzentration (mg/ml)
= 1.45A280-0.744A260). Diese Methode versagt natürlich in komplexen Gemischen, da sehr
viele Substanzen UV-Licht absorbieren (Bsp.: Nukleinsäuren). Es ist also notwendig,
selektive Nachweismethoden einzusetzen. Die meisten heute verwendeten Methoden beruhen
auf einer mehr oder weniger spezifischen Reaktion eines Indikator-Reagenzes mit
Seitengruppen oder Peptidbindungen von Polypeptidketten. Bei der sogenannten Biuret-
Reaktion reagieren Cu2+ Ionen in wässrigen, alkalischen Lösungen mit benachbarten
Peptidbindungen unter Ausbildung eines farbigen Kupfer-Protein Komplexes. Diese Reaktion
ist auch die Grundlage der sogenannten Lowry-Methode zur Proteinbestimmung (Lowry,
1951) bei der in einer weiteren Reaktion ein Farbindikator (Folinreagenz) zu einem blauen
Produkt reduziert wird. Bei dem inzwischen weit verbreiteten und einfacheren BCA-Assay
(Smith et al., 1985) bilden die bei der Reaktion mit Proteinen entstehenden reduzierten Cu+
Ionen einen pupurfarbenen Chelat-Komplex mit Bicinchoninsäure (BCA).
Im Kurs werden wir die einfachste und deshalb gebräuchlichste Methode zur
Proteinbestimmung kennen lernen: die Proteinbestimmung nach der Bradford-Methode
(BioRad-Assay) (Marion Bradford, 1976). Dieser Nachweis beruht auf der Bindung des
Farbstoffes Coomassie Brilliant Blue G-250 an Proteine. Das Absorbtionsmaximum des
Farbstoffes verschiebt sich bei Bindung an Proteine in sauren Lösungen von 465 nm zu 595
nm. Trotz der Tatsache, dass der Extinktionskoeffizient des Farbstoff-Protein Komplexes
Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen 57

nicht unwesentlich von der Aminosäurezusammensetzung der Proteine beeinflusst wird, ist
diese Methode wegen ihrer Empfindlichkeit und Einfachheit die beliebteste.

Material:
Präparate unbekannter Proteinkonzentration und Zusammensetzung;
Proteinstandard (1 mg /ml Rinderserumalbumin (BSA);
Bradford-Reagenz; Eppendorfröhrchen; Küvetten; Pipetten; Vortexschüttler; Photometer;
Millimeterpapier (nicht-logarithmisch).

Durchführung:
Sie erhalten eine vorbereitete Reagenzlösung (ätzend!), eine Stammlösung des
Proteinstandards ( 1mg/ml Rinderserumalbumin, BSA) sowie eine Proteinprobe unbekannter
Konzentration. Für die Durchführung mischen sie folgende Mengen des Standards mit Wasser
in einem Eppendorfgefäß (Endvolumen: 100µl): 0 µg (Nullprobe; nicht vergessen!); 1 µg; 2,5
µg; 5,0 µg; 7,5 µg; 10 µg; 12,5 µg; 15µg; 20 µg). Rechenbeispiel: für 5 µg des Standard sind
das 5 µl Proteinstandard plus 95 µl Wasser.
Für die Bestimmung der unbekannten Probe bereiten sie zwei Röhrchen (Doppelbestimmung)
mit je 3 µl Probe und 97 µl Wasser (Endvolumen 100 µl) vor.
Um die Proteinkonzentration der Extrakte aus Experiment 1 zu bestimmen, werden die
Extrakte aus Muskel und Leber vorher 1:10 in Wasser und anschließend jeweils 2 µl für die
Proteinbestimmung eingesetzt (1:10 Verdünnung bedeutet 1 Teil Probe plus 9 Teile Wasser).
Vom Hefeextrakt werden 2 µl unverdünnt eingesetzt.
Zu allen vorbereiteten Proben werden schließlich 1,0 ml Bradfordreagenz pipettiert. Die
Ansätze werden auf einem Vortexschüttler gut gemischt, für etwa 5 Minuten bei
Raumtemperatur inkubiert, in Plastik-Küvetten überführt und anschließend am Photometer
bei 595 nm vermessen. Den Nullwert des Photometers stellen sie mit dem Ansatz ohne
Protein ein (Nullprobe). Alle Messwerte in eine Tabelle eintragen.

Auswertung:
Erstellen sie mit ihren Messwerten eine Eichkurve für die Proteinbestimmung.
Dazu tragen sie die gemessenen Extinktionswerte in einem Koordinatensystem gegen die
58 Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen

eingesetzte Proteinmenge (µg) auf. Bestimmen sie anhand einer Ausgleichsgeraden die
Proteinkonzentration der unbekannten Probe und die Konzentration ihrer selbst hergestellten
Extrakte. Die Konzentration geben Sie bitte in mg/ml an. Dazu müssen Sie natürlich etwas
rechnen: Die graphische Auswertung ergibt wieviel Protein (in µg) in der gemessenen Lösung
war. Um nun die Proteinkonzentration der unbekannten Poben zu bestimmen, müssen Sie also
das eingesetzte Volumen sowie die Verdünnung berücksichtigen. Diskutieren sie den Verlauf
ihrer Eichkurve. Warum flacht die Kurve bei hohen Proteinkonzentrationen ab. Wie gut
stimmen ihre Einzelbestimmungen überein?
Diskutieren sie mögliche Fehlerquellen.

Protokolle:
In ihren Protokollen gehen sie bitte auf die im Skript gestellten Fragen ein. Diskutieren sie
ihre Ergebnisse, verzichten sie unbedingt auf kryptische Angaben, und schreiben sie ganze
Sätze.

Anlage:
Verwendete Puffer und Reagenzien:
Extraktionspuffer: 50 mM Tris/Cl (pH 6,8) 50 mM NaCl 0,1 mg/ml Pefabloc 0,1 % NP40

Auftragspuffer für Proteingele: 400 mM Tris/Cl, pH 6,8; 30 mM DTT; 6% (w/v) SDS; 37,5%
(v/v) Glycerin; 0,006% (w/v) Bromphenolblau in H2O

Bradford-Reagenz: Coomassie Blau G-250 in Phosphorsäure


Gellaufpuffer: 25 mM Tris; 200 mM Glycin; 0,1% (w/v) SDS

Trenngel : 375 mM Tris/Cl, pH 8,8; 11% Acrylamid; 0,3% Bisacrylamid; 0,1% (w/v) SDS.
Zum Starten der Polymerisationsreaktion werden APS (Ammoniumpersulfat, Endkonzentra-
tion 0,1% (w/v)) und TEMED (Tetramethylendiamin, Endkonzentration 0,04% (v/v))
zugegeben.

Sammelgel : 125 mM Tris/Cl, pH 6,8; 5% (w/v) Acrylamid; 0,13% (w/v) Bisacrylamid; 0,1%
(w/v) SDS. Zum Starten der Polymerisationsreaktion werden APS (Endkonzentration 0,1%
(w/v) und TEMED (Endkonzentration 0,1% (v/v) zugegeben.
Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen 59

Gel-Färbelösung: 0,25% (w/v) Coomassie Brilliant Blue R-250; 45% (v/v) Methanol; 10%
(v/v) Essigsäure.

Entfärber I: 40 % Methanol; 7 % Essigsäure


Entfärber II: 5 % Methanol; 7 % Essigsäure

Literatur: L. Stryer; Biochemie Spektrumverlag


Biochemistry, 5th Ed; Jeremy M. Berg, John L. Tymoczko,
Lubert Stryer 2002 Freeman Verlag.
Lottspeich und Zorbas, Bioanalytik Spektrumverlag 2006

Weiterführende Literatur: O.H. Lowry et al., "Protein measurement with the Folin phenol
reagent," Journal of Biological Chemistry, 193: 265-75, 1951.
P.K. Smith et al., "Measurement of protein using bicinchoninic acid," Analytical
Biochemistry, 150: 76-85, 1985.
M.M. Bradford, "A rapid and sensitive method for the quantitation of microgram quantities of
protein utilizing the principle of protein dye binding," Analytical Biochemistry, 72: 248-54,
1976.
60 Biologische Übungen III, Kurs 3 Proteinanalysen

Testatbogen: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und


alle Namen der Gruppenmitglieder (1-4) eintragen. Den unterzeichneten
Testatbogen können Sie dann so zerschneiden, dass jede(r) eine Betätigung
seiner erfolgreichen Teilnahme hat.

Versuch: 3 , Proteinanalysen
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: 3 , Proteinanalysen
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch 3 , Proteinanalysen
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: 3 , Proteinanalysen
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie 61

Enzymologie
1 Einleitung

In diesem Kurs werden Sie am Beispiel der Stärke-Phosphorylase aus der Kartoffelknolle,
einem am Stärke-Abbau beteiligten Enzym, grundlegende Kenntnisse über die enzymatische
Katalyse physiologischer Reaktionen erwerben.

1.1 Allgemeines
Die Thermodynamik beschreibt die Gleichgewichtslage einer Reaktion und macht Aussagen
darüber, ob die Reaktion energetisch möglich ist, nicht aber über die Geschwindigkeit, mit der
sich das Gleichgewicht einstellt. Die meisten biologisch wichtigen Moleküle sind unter
physiologischen Bedingungen extrem reaktionsträge. Um sie zur Reaktion zu bringen, ist die
Zufuhr eines bestimmten Mindestbetrages an Energie, die Aktivierungsenergie, erforderlich.
Der Zellstoffwechsel bedient sich der enzymatischen Katalyse, um die Barriere der
Aktivierungsenergie gezielt zu überwinden. Enzyme sind biologische Katalysatoren, die die
Aktivierungsenergie herabsetzen und so die Reaktionsgeschwindigkeit beschleunigen. Fast
alle biochemischen Reaktionen laufen im physiologischen Temperaturbereich nur unter dem
Einfluss von Enzymen mit messbarer Geschwindigkeit ab. Die Lage des Gleichgewichts wird
durch das Enzym allerdings nicht verändert. Jede enzymatisch katalysierte Reaktion läuft so
lange ab, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist. Enzyme sind außerordentlich effektive
Katalysatoren. Unter optimalen Bedingungen können sie die Reaktionsgeschwindigkeit um
den Faktor 107 und mehr erhöhen. Sie sind also nicht nur durch ihre Spezifität den
technischen und anorganischen Katalysatoren weit überlegen. Enzymaktivitäten sind unter
anderem von der Temperatur und dem pH-Wert abhängig.

Temperatur:
Die Geschwindigkeit enzymatischer Reaktionen nimmt mit steigender Temperatur zu. Die
Geschwindigkeit verdoppelt sich etwa mit 10°C Temperaturerhöhung (Q10-Wert: ~ 2). Dies
gilt allerdings nur in gewissen Grenzen, da die meisten Enzyme ab ca. 55 – 60 °C
hitzeinaktiviert werden. Enzyme aus thermophilen Bakterien sind jedoch noch bei
Temperaturen weit über 85 °C aktiv. Das Temperaturoptimum ergibt sich also aus zwei
gegenläufigen Vorgängen: dem Anstieg der katalytischen Geschwindigkeit mit steigender
Temperatur und der zunehmenden thermischen Denaturierung des Enzyms oberhalb einer
kritischen Temperatur.
62 Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie

pH-Wert:
Enzyme besitzen ein spezifisches pH-Optimum, das oft auf den pH-Wert des subzellulären
Kompartiments, in dem sie lokalisiert sind, abgestimmt ist. Das pH-Optimum kann extrem
eng sein, jedoch gibt es auch Enzyme mit einem sehr breiten, wenig ausgeprägten pH-
Optimum. Die Form der Kurve hängt von den Säure-Base-Eigenschaften des Enzyms und
Substrats sowie einer Vielzahl anderer Faktoren ab.

Cofaktoren:
Etliche Enzyme brauchen für ihre Katalyse noch zusätzliche Cofaktoren. Ihre Funktion hängt
also nicht nur von der Proteinstruktur ab. Bei den Cofaktoren kann es sich um Metallionen
oder um organische Moleküle handeln, die, wenn sie fest an das Protein gebunden sind, als
prosthetische Gruppe, wenn sie aber leicht abdissoziieren, als Coenzym bezeichnet werden.
Einige Enzyme brauchen beides für eine effiziente Katalyse.
Coenzym + Apoenzym (Proteinanteil) = Holoenzym.

Viele heterotrophe Organismen können die Coenzyme nicht selbst synthetisieren und müssen
sie als Vitamine mit der Nahrung aufnehmen. Die Natur der Coenzyme ist häufig
entscheidend für den Typ der katalysierten Reaktion (Wirkungsspezifität):

Cofaktor Vitamin Beispielhafte Enzym-Klasse


Coenzym / prosthet.
Gruppe

NADH / NADPH Niacin Dehydrogenasen


FADH2 / FMNH2 Riboflavin (Vit. B2) Dehydrogenasen
Coenzym A Pantothensäure Acylgruppen übertragende
Enzyme
Tetrahydrofolsäure Folsäure C1-Gruppen übertragende Enzyme
Thiaminpyrophoshat Thiamin (Vit. B1) Decarboxylasen
Biotin Biotin Carboxylasen
Pyridoxalphosphat Pyridoxin (Vit. B6) Transaminasen / Phosphorylasen

Enzymaktivitäten können durch bestimmte grundlegende Parameter klar beschreiben werden,


die im folgenden näher erläutert werden.
Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie 63

KM-Wert und Vmax:


Beim Ablauf der Enzymreaktion bildet sich intermediär ein Enzym-Substrat-Komplex, aus
dem die eigentliche Umsetzung zum Produkt erfolgt:

Die Bildung des Enzym-Substrat-Komplexes ist in der Regel reversibel, die Dissoziation
dieses Komplexes in freies Enzym und Produkt ist nahezu irreversibel (k+2 >>> k-2) und stellt
den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt für die Gesamtreaktion dar (k+2 > k+1).
Die Katalyse erfolgt im aktiven Zentrum des Enzyms. Das Substrat muss zum aktiven
Zentrum passen „wie der Schlüssel zum Schloss“. Darauf beruht die hohe Substratspezifität
der durch Enzyme katalysierten Reaktionen.
Zwischen der Substratkonzentration [S] und der Reaktionsgeschwindigkeit v lässt sich eine
Beziehung herstellen, die in einer hyperbolischen Sättigungskurve zum Ausdruck kommt und
durch die Michaelis-Menten-Gleichung beschrieben wird:

Vmax ist die maximale Reaktionsgeschwindigkeit, die bei vollständiger Sättigung des Enzyms
mit Substrat erreicht wird. Die zusammengesetzte Konstante KM nennt man Michaelis-
Menten Konstante. Sie ist definiert als diejenige Substratkonzentration (mol/l), bei der die
Hälfte der Maximalgeschwindigkeit erreicht ist. Sie ist eine wichtige Kenngröße für die
Affinität des Enzyms zum Substrat. Sie ist unabhängig von der Konzentration des Enzyms,
kann aber durch Effektoren (Aktivatoren, Inhibitoren) beeinflusst werden. Je kleiner der KM-
64 Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie

Wert, desto größer ist die Affinität des Enzyms zu dem Substrat. Zur Bestimmung des KM-
Wertes wird meist die doppelt reziproke Darstellung nach Lineweaver und Burk benutzt.

Dazu wird die Michaelis-Menten-Gleichung umgeformt in:

Die grafische Auftragung 1/v gegen 1/[S] ergibt eine Gerade. Aus ihren Schnittpunkten mit
Ordinate und Abszisse sind die charakteristischen Konstanten KM und Vmax abzulesen:

Der Michaelis-Menten-Formalismus lässt sich auch auf viele komplexe physiologische


Vorgänge anwenden (z. B. Aufnahme- und Transportprozesse), die einer hyperbolischen
Sättigungskurve folgen. Dabei ergibt sich ein „apparenter KM-Wert“, also ein scheinbarer KM-
Wert, der die kinetischen Eigenschaften des Gesamtprozesses reflektiert.

Beeinflussung der Enzymaktivität / Enzymregulation:


Enzymaktivitäten können durch Inhibitoren beeinflusst werden. Kompetitive Hemmung liegt
vor, wenn der Hemmstoff auf Grund seiner strukturellen Ähnlichkeit mit dem Substrat um das
aktive Zentrum des Enzyms konkurriert. Durch einen Überschuss an Substrat kann die Hem-
mung überwunden werden. Bei der kompetitiven Hemmung ist Vmax nicht beeinflusst, der KM
dagegen ist vergrößert. Bei der nicht-kompetitiven Hemmung handelt es sich um eine
reversible Veränderung durch den Hemmstoff (z.B. durch Hg-Verbindungen). Hierbei ist
Vmax erniedrigt, der KM bleibt aber unverändert.
Einige Enzyme werden durch Bindung von Effektoren (Aktivatoren, Inhibitoren) an
einer anderen Stelle als dem aktiven Zentrum, dem sog. allosterischen Zentrum, beeinflusst.
Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie 65

Diese allosterischen Enzyme zeigen häufig keine hyperbolische, sondern eine sigmoide
Substratsättigungskurve. Diese Enzyme bestehen meist aus mehreren Untereinheiten, wobei
die Bindung des Substrats an eine Untereinheit über sog. kooperative Wechselwirkungen die
Aktivität der übrigen Substratbindestellen erhöht. Meist katalysieren allosterische Enzyme
Eingangsreaktionen von Biosynthesewegen, da über die allosterischen Eigenschaften dieser
Enzyme der Stofffluss reguliert werden kann, häufig über die sog. Endprodukt-Hemmung:

Ausgangsverbindung Zwischenstufe 1 Zwischenstufe(n) Endprodukt

Eine weitere Regulationsmöglichkeit von Enzymen ist die kovalente Modifikation (z.B.
Phosphorylierung, Acetylierung usw.). Durch diese Modifikation kann es zu einer Steigerung,
aber auch zu einer Verminderung der Enzymaktivität kommen. So wird z.B. die
glykogenabbauende Phosphorylase aus Säugetieren im Gegensatz zu ihrem pflanzlichen
Pendant durch Phosphorylierung eines bestimmten Serinrestes aktiviert.
Häufig werden Enzymaktivitäten über die Konzentration des entsprechenden Enzyms
reguliert. Dies funktioniert über die Repression bzw. Induktion der Neusynthese des Enzyms
(differentielle Genaktivierung; siehe z.B. das Lac-Operon von E.coli).

1.2 Der enzymatische Abbau pflanzlicher Stärke


α- und β-Amylasen spalten die Stärke hydrolytisch auf zwei verschiedene Weisen. Während
die α-Amylase an beliebigen Stellen des Polysaccharids an der Schraubenstruktur der Stärke
angreift, spaltet die β-Amylase vom nicht reduzierenden Kettenende her jeweils 2
Glukoseeinheiten (Maltose) ab. Ein weiterer Mechanismus des Stärkeabbaus ist die
Phosphorolyse, die durch die Phosphorylase katalysiert wird. In dieser Reaktion wird eine
Glukoseeinheit vom nicht-reduzierenden Ende der Amylosemoleküle abgespalten. Hierbei
wird anorganisches Phosphat (nicht Wasser wie bei den Amylasen) zur Spaltung der
glykosidischen Bindung herangezogen und dabei Glukose-1-Phosphat gebildet. Die
Phosphorylase katalysiert also folgende Reaktion:

(1,4-α-D-Glukosyl)n + Phosphat (1,4-α-D-Glukosyl)n-1 + α-D-Glukose-1-Phosphat

Diese Reaktion ist reversibel, kann prinzipiell also in beide Richtungen ablaufen. Die
zelluläre Konzentration von Phosphat ist allerdings im Vergleich zu der von Glukose-1-
66 Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie

Phosphat hoch, so dass der normale Reaktionsverlauf in der Zelle stets in Richtung des
Stärkeabbaus verläuft.
Die Phosphorylase kann nur lösliche Stärkemoleküle abbauen. Daher ist die α-Amylase
erforderlich, um diese löslichen Stärkemoleküle aus den Stärkekörnern zur Verfügung zu
stellen. Die Phosphorylase ist ein Dimer aus zwei identischen Untereinheiten mit einer
Molekularmasse von je 104 kDa. Als prosthetische Gruppe ist Pyridoxalphosphat an einer
bestimmten Lysinseitenkette jeder Untereinheit gebunden. Das Enzym ist in den Plastiden
lokalisiert, wo es am Stärkeabbau mitwirkt. In der Kartoffelknolle ist sie in den Amyloplasten
lokalisiert

Bestimmung der Aktivität der Stärke-Phosphorylase:


Wenn man Stärke und Phosphat in Gegenwart von Enzym inkubiert, kann man das
Verschwinden der Stärke durch die Jodreaktion verfolgen. Allerdings ist auch der Stärkeanteil
zu berücksichtigen, der von der β-Amylase abgebaut wird. Inkubiert man jedoch wenig Stärke
mit Glukose-1-Phosphat in Gegenwart des Enzyms, so wird das Gleichgewicht zugunsten der
Rückreaktion verschoben und es kann die Zunahme des Stärkeanteils colorimetrisch
gemessen werden. Man erhält Enzymaktivitäten, die nicht durch Amylaseaktivitäten
überlagert sind. Diese Variante wird im Kurs durchgeführt.
Die Stärke-Biosynthese in der Pflanzenzelle wird allerdings nicht über die Phosphorylase
katalysiert! Diese erfolgt folgendermaßen. Die Aktivierung der Glukose wird von der ADP-
Glukose-Pyrophosphorylase katalysiert:

Glukose-1-Phosphat + ATP ADP-Glukose + Pyrophosphat

Ausgehend von ADP-Glukose werden dann Amylosemoleküle von der Stärke-Synthase


verlängert, die 1,4-α-D-glykosidische Bindungen knüpft:

ADP-Glukose + (1,4-α-D-Glukosyl)n ADP + (1,4-α-D-Glukosyl)n+1

Experimente:
1. Gewinnung der Phosphorylase aus der Kartoffel
2. Erstellung einer Eichgeraden
3. Bestimmung des pH-Optimums der Phosphorylase
4. Bestimmung des Einflusses der Temperatur auf die Reaktionsgeschwindigkeit
5. Bestimmung des KM-Wertes für Glukose-1-Phosphat
Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie 67

2. Versuchsanleitungen

Bitte bei den Versuchen 2.2 bis 2.5 beachten: Die Inkubation aller Testansätze (Eich-
gerade, Bestimmung des pH-Optimums, Bestimmung des Temperatur-Einflusses auf die
Reaktionsgeschwindigkeit, Bestimmung des KM-Wertes für Glukose-1-Phosphat) erfolgt
gleichzeitig! Daher sollten Sie alle Ansätze bereits fertig zusammen pipettiert haben
bevor Sie die Enzymextrakte in den Versuchen 2.3 – 2.5 zugeben! Diese Vorgehensweise
erspart Ihnen auch unnötige Wartezeiten.

Benötigte Reagenzien:
1. Eine 1:10 fache Verdünnung des Enzymextrakts (in dest. Wasser); wird in Versuch 2.1
gewonnen.
2. Eine Serie von 0,08 M Citratpuffern verschiedener pH-Werte, die 0,02 M NaF enthalten.
3. 0,02 M Glukose-1-Phosphat.
4. 0,008 M Glukose-1-Phosphat.
5. Stärkelösung (1 mg/ml).
6. J2-Reagenz. Wird durch Mischen von 130 ml einer gesättigten wässrigen CaCl2-Lösung
mit 0,5 ml einer J2-KJ-Lösung, die 2,6% J2 und 26% KJ enthält, hergestellt.

2.1 Gewinnung der Phosphorylase aus der Kartoffel


Eine Kartoffel waschen, schälen und auf einer Reibe zerkleinern. Vor der Benutzung der
Reibe muss diese mit 100 µl einer 1 M Mercaptoethanol-Lösung (Thiol-Reagenz) lokal
angefeuchtet werden, um die dunkle Verfärbung des Kartoffelbreis zu verhindern. Den Brei
durch ein Tuch pressen und 10 min bei 12 000 rpm abzentrifugieren. Die überstehende
Flüssigkeit einfrieren (pro Gruppe 1 ml in Eppendorf-Cups) und auftauen. Abtrennen des
Niederschlages durch kurze Zentrifugation. Die überstehende Flüssigkeit wird als
Enzymextrakt benutzt. Wichtig: Sowohl die 1:10 Verdünnungen des Enzymextrakts als
auch die unverdünnte Enzymlösung müssen ständig auf Eis aufbewahrt werden!

2.2 Erstellung einer Eichgeraden


Damit die photometrisch bestimmten Absorptionen in Stärkemengen umgerechnet werden
können, bedarf es einer Eichgeraden, die durch Messung von Stärkelösungen mit bekannter
Konzentration erstellt wird. Es werden einpipettiert:
68 Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie

Gläschen Nr. Citrat +NaF Stärke


(pH 6,0) (ml)
(ml)
1 0,65 -
2 0,60 0,05
3 0,55 0,10
4 0,45 0,20
5 0,35 0,30
6 0,25 0,40

Nach Inkubation im Wasserbad (20 min) je 2 ml J2-Reagenz zugeben. Gut mischen und die
Extinktion im Photometer bei 620 nm ablesen. Erstellen Sie die aus diesem Versuch
resultierende Eichgerade bitte während des Kurses.

2.3 Bestimmung des pH-Optimums


Die Aktivität der Phosphorylase wird bei fünf verschiedenen pH-Werten gemessen, um das
pH-Optimum zu bestimmen. Die Reaktion wird durch Zugabe des Enzymextrakts gestartet.

Gläschen Nr. Citrat + (pH) G-1-P Stärke verd.


NaF (0,02 M) (ml) Enzymextrakt
(ml) (ml) (ml)
7 0,38 (4,5) 0,07 0,05 0,15
8 0,38 (5,5) 0,07 0,05 0,15
9 0,38 (6,0) 0,07 0,05 0,15
10 0,38 (6,5) 0,07 0,05 0,15
11 0,38 (7,5) 0,07 0,05 0,15
*
12 0,38 (6,0) 0,07 0,05 0,15

*
In Gläschen Nr. 12 das Enzym (0,15 ml) nach dem Abstoppen mit J2-Reagenz
einpipettieren. Dieses Gläschen wird im Photometer zum Nullabgleich verwendet!

Die Ansätze werden 20 min bei 37° C inkubiert. Die Inkubation erfolgt gleichzeitig mit den
Ansätzen für die Bestimmung des Einflusses der Temperatur und den Ansätzen für die KM-
Wert-Bestimmung! Die Reaktion wird durch Zugabe von 2 ml J2-Reagenz in alle Ansätze
Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie 69

gestoppt. Anschließend werden die Ansätze gut gemischt und die Extinktion im Photometer
bei 620 nm bestimmt.

2.4 Bestimmung des Einflusses der Temperatur auf die


Reaktionsgeschwindigkeit
Die Aktivität der Phosphorylase wird bei vier verschiedenen Temperatur-Werten gemessen.
Der 37 °C Messwert ergibt sich aus Gläschen Nr. 9. Die Inkubation bei 4° C erfolgt im
Eisbad. Die Reaktion wird durch Zugabe des Enzymextrakts gestartet.

Gläschen Nr. Citrat + G-1-P Stärke verd. Inkubations-


NaF (pH (0,02 M) (ml) Enzymextrakt Temperatur
6,0) (ml) (ml) (° C)
(ml)
13 0,38 0,07 0,05 0,15 4
14 0,38 0,07 0,05 0,15 ~ 21/Raumtemp.
15 0,38 0,07 0,05 0,15 60

Gläschen Nr. 12 kann auch hier zum Nullabgleich verwendet werden. Inkubation,
Reaktionsstopp und Extinktionsbestimmung erfolgen wie bereits beschrieben.

2.5 Bestimmung des KM-Wertes für Glukose-1-Phosphat


Die Abhängigkeit der Enzymaktivität von der Glukose-1-Phosphat-Konzentration und die ent-
sprechende Halbsättigungskonstante (KM-Wert) werden bestimmt. Die Zugabe des Enzyms
startet die Reaktion. Es werden einpipettiert:

Gläschen Nr. Citrat +NaF G-1-P Stärke verd.


(pH 6,0) (0,008 M) (ml) Enzymextrakt
(ml) (ml) (ml)
16 0,45 - 0,05 0,15
17 0,425 0,025 0,05 0,15
18 0,4 0,05 0,05 0,15
19 0,375 0,075 0,05 0,15
20 0,35 0,1 0,05 0,15
21 0,3 0,15 0,05 0,15
22 0,2 0,25 0,05 0,15
23 0,1 0,35 0,05 0,15
70 Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie

20 min bei 37 °C inkubieren. Stoppen durch Zugabe von 2 ml J2-Reagenz in alle Ansätze.
Gut mischen und Extinktion im Photometer bei 620 nm ablesen (Gläschen Nr. 16 als
Nullabgleich verwenden).

3. Auswertungen der Versuche


Die Auswertung soll soweit wie möglich schon während des Kurses erfolgen. Achten Sie bitte
bei allen Achsenbeschriftungen und Werteangaben auf die richtigen Einheiten.
- Bestimmen Sie mit Hilfe der Eichgeraden in den verschiedenen Versuchen die gebildete
Stärkemenge pro Ansatz.
- Tragen Sie die Abhängigkeit der Enzymaktivität (gebildete Stärkemenge/min) vom pH-
Wert, der Temperatur und von der Glukose-1-Phosphat-Konzentration auf.
- Um welchen Faktor verändert sich die Enzymaktivität zwischen 4° C und 37 ° C ?
- In welchem pH-Bereich liegt das pH-Optimum der Phosphorylase?
- Bestimmen Sie grafisch den KM-Wert für die hier durchgeführten Reaktionsbedingungen.
- Bestimmen Sie den KM-Wert nach der Lineweaver-Burk-Methode und vergleichen ihn mit
dem vorher bestimmten.

4. Literatur
L. Stryer, Biochemie, 1. korrigierter Nachdruck 1999 der 4. Auflage 1996, Spektrum
Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, Oxford, Kapitel 8: Enzyme: Grundlegende
Konzepte und Kinetik, S. 191-218.

G. Richter, Biochemie der Pflanzen, 1996, Thieme Verlag, Stuttgart, New York, Kapitel
1.5.2: Biokatalyse, S. 47 – 64
Biologische Übungen III, Kurs 5 Enzymologie 71

Testatbogen: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und


alle Namen der Gruppenmitglieder (1-4) eintragen. Den unterzeichneten
Testatbogen können Sie dann so zerschneiden, dass jede(r) beim Abholen
der Scheine (Sekr. Biochemie) einen Abschnitt vorlegen kann.

Versuch: 10 , Enzymologie
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Kreimer, 00.321


--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: 10, Enzymologie


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Kreimer, 00.321


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: 10, Enzymologie


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Kreimer, 00.321

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: 10, Enzymologie


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Kreimer, 00.321


Nerv – Muskel – Herz

Einleitung

Die Erzeugung und Verarbeitung von Signalen im Nervensystem und anderen erregbaren
Geweben, z. B. Muskeln, ist von den elektrischen Eigenschaften der Zellmembran abhängig.
Das Zustandekommen des Ruhepotentials einer (Nerven-)Zelle, die Entstehung des Aktions-
potentials und seine Weiterleitung sowie die Übertragung der Erregung auf Effektoren, wie
Skelettmuskeln, sind zentrale Themen der Physiologie.

Da das Ruhepotential einer Nervenzelle näherungsweise als K+-Gleichgewichtspotential


beschrieben werden kann, werden in einem Modellversuch an einer künstlichen, semiperme-
ablen Membran die Größe des Membranpotentials sowie seine Abhängigkeit von den Kon-
zentrationsunterschieden der Lösungen auf beiden Seiten der Membran bestimmt. Weitere
Versuche, die als Selbstversuche der Studenten durchgeführt werden, thematisieren Zustande-
kommen und Weiterleitung von Muskelaktionspotentialen am Beispiel des Skelettmuskels
und des Herzmuskels.

Experimente:

1 Membranpotential über einer semipermeablen Membran

2 Der Achillessehnenreflex beim Menschen

3 Messung des Blutdrucks und Ableitung eines Elektrokardiogramms (EKG) beim Menschen
Versuchsanleitung

Experiment 1:
Membranpotential über einer semipermeablen Membran

Alle biologischen Membranen sind nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: Sie bestehen aus
einer Doppelschicht von Membranlipiden, vor allem Phospholipiden, in die Proteine
eingelagert sind. Die Lipide der Zellmembran sind amphiphil, d.h. sie bestehen aus einem
hydrophilen - wasserlöslichen - und einem hydrophoben - wasserunlöslichen - Teil. Die
biologische Membran setzt sich aus zwei Lagen von Lipiden („Einheitsmembran“) zusam-
men, wobei die hydrophilen Teile nach außen in die wässerigen Phasen ragen und die hydro-
phoben Enden nach innen gerichtet sind. Diese thermodynamisch begünstigte Konfiguration
wird als hydrophobe Wechselwirkung bezeichnet, wobei die Triebkraft die Zunahme der
Entropie der umgebenden Wassermoleküle ist. Reine Bilipidmembranen sind nahezu
undurchlässig für Ionen.
Die wichtigsten Funktionen der Membranen werden von Proteinen übernommen, die, auf
Grund der Anordnung hydrophiler bzw. hydrophober Gruppen in der Lipiddoppelschicht
gelöst sind. Diese integralen Proteine können als Rezeptoren, als steuerbare Kanäle für Ionen
und andere Substanzen, als Pumpen usw. fungieren.
Die Membran einer Nervenzelle trennt den Intrazellular- vom Extrazellularraum mit ganz
unterschiedlichen Ionenverteilungen: Im Innern ist die Konzentration an Kaliumionen hoch,
an Natrium- und Chlorionen niedrig, während im extrazellulären Medium die Natrium- und
Chlorionen überwiegen. Für die Kationenverteilung ist vor allem die gekoppelte Na-K-Pumpe
verantwortlich, die der „passiven“ Diffusion der Alkaliionen entgegenwirkt. Im Innern der
Nervenzelle sorgen gelöste Protein-Anionen, welche die Membran nicht passieren können, für
Elektroneutralität; im Extrazellularraum gleichen vor allem Calciumionen den Überschuss an
Chlorid aus. Passive und aktive Prozesse (ionenabhängige Diffusion und Pumpen-
mechanismen unter ATP-Verbrauch) bewirken unterschiedliche Ionenkonzentrationen und
auch leicht unterschiedliche Ladungsverteilungen zwischen innen und außen. Letztere können
dann als Spannung über der Membran, als „Membranpotential“, gemessen werden.
Für das leichtere Verständnis wird hier ein reduziertes Modell mit einem 1,1-wertigen
Elektrolyt (z.B. KCl) mit unterschiedlichen Konzentrationen zu beiden Seiten einer Membran,
die nur für Kationen permeabel ist, betrachtet. An diesem Zell-Modell werden die
quantitativen Beziehungen, die „Nernstsche Gleichung für Membranpotentiale“, abgeleitet.
U (mV)

I II

- + [KCl]I > [KCl]II


K+

K+

Membran mit
PK + >> PCl-
Abb. 1: Modell zum elektrochemischen Gleichgewicht

In Kompartiment I ist die Konzentration an KCl höher als in II; beide Ionensorten streben
einem Konzentrationsausgleich zu. Da die trennende Membran jedoch nur kationen-
-
permeabel oder löslich für K+ ist, kann nur dieses, nicht aber Cl passieren; dadurch kommt es
zur Ladungstrennung, der Raum II lädt sich positiv gegenüber I auf. Diese positive Aufladung
bewirkt aber eine rücktreibende, elektrische Kraft auf die Kaliumionen. Im thermo-
dynamischen Gleichgewicht ist dann der Fluss an Kationen durch die Membran in beiden
Richtungen gleich groß, der Nettofluss an K+ ist Null. Ein radioaktives Kaliumisotop, das nur
im Kompartiment II eingewogen wurde, kann nach einiger Zeit auch im Raum I
nachgewiesen werden. Für die Ableitung der Nernstschen Gleichung wird darum nicht von
den Kräften auf das K+, bedingt durch den Konzentrationsunterschied und der Spannung
zwischen beiden Räumen, sondern von den Energien ausgegangen. Im thermodynamischen
Gleichgewicht sind diese für das permeable Ion in beiden Kompartimenten gleich groß.
Als chemisches Potential µ wird die Energie (in J mol-1) in Abhängigkeit von der
Konzentration bezeichnet:

μ = μ 0 + R ⋅ T ln[K + ] , (Formel 1)
wobei gilt: μ0 = additives Glied; R = 8,314 J⋅mol-1⋅K-1, Gaskonstante; T = absolute
Temperatur (K); [K+] = Kaliumionen-Konzentration.
In jedem Kompartiment ist dem chemischen Potential μ die elektrostatische Energie

Wel = F ⋅ z ⋅ φ (Formel 2)

hinzu zufügen, wobei F = 96500 C⋅mol-1 die Faraday-Konstante, z die Wertigkeit und φ das
elektrostatische Potential (Spannung gegenüber Erde) sind.
Die Summe aus chemischem Potential und elektrostatischer Energie bezeichnet man als
das elektrochemische Potential Φ ,

Φ = μ 0 + R ⋅ T ln[K + ] + F ⋅ z ⋅ φ (Formel 3).

Im thermodynamischen Gleichgewicht sind die elektrochemischen Potentiale zu beiden Seiten


der semipermeablen Membran gleich groß, also

Φ I = Φ II ,

μ 0 + R ⋅ T ln[K + ]I + F ⋅ z ⋅ φI = μ 0 + R ⋅ T ln[K + ]II + F ⋅ z ⋅ φII . (Formel 4)

Die Differenz der elektrostatischen Potentiale ergibt die Spannung zwischen beiden
Kompartimenten: Nernstsche Gleichung für Membranpotentiale:

R ⋅ T [K + ]II
E = φ I − φ II = ln
[K + ]I
(Formel 5)
F

Im Gegensatz zur bisher betrachteten semipermeablen Membran sind Zellmembranen selektiv


permeabel. So stehen die Permeabilitäten Pi für die Ionen von Kalium, Natrium und Chlor für
die unerregte Nervenzellmembran im Verhältnis von 1 : 0,04 : 0,45. Unter der Voraussetzung
eines konstanten elektrischen Feldes in der Membran und einem Netto-Ionenfluss von 0,
-
wobei alle einwertigen Ionen – K+, Na+ und Cl - einbezogen werden, ergibt sich die
„constant-field-equation“ oder Goldman-Gleichung für Membranpotentiale EM. Die Ionen-
konzentrationen werden mit den entsprechenden Permeabilitäten gewichtet:
R ⋅ T PK [K + ]a + PNa [Na + ]a + PCl [Cl − ]i
EM = − (Formel 6).
PK [K + ]i + PNa [Na + ]i + PCl [Cl − ]a
ln
F

Stichwortkatalog
Bau und Eigenschaften biologischer Membranen (Membranlipide, Proteine, Cholesterol),
Diffusion, Permeabilität, elektrochemisches Potential, Nernstsche Gleichung, Goldman-
Gleichung, Ruhe- und Aktionspotential einer Nervenzelle, Na-K-Pumpe.

Aufgabe:
Nach Herstellung einer Verdünnungsreihe der ausstehenden 1 M KCl – Lösung sollen
Membranpotentiale über einer kationenpermeablen Membran für verschiedene
Kombinationen der unterschiedlich konzentrierten KCl – Lösungen gemessen werden.

Durchführung:
Material
Ussing-Kammer, Membran, 1 M KCl – Stammlösung, zwei 100 ml Meßzylinder, 500 ml
Meßzylinder, vier 500 ml Bechergläser, 250 ml Erlenmeyer-Kolben, Voltmeter, 2 Elektroden,
Thermometer, entionisiertes Wasser, 2 Trichter.

Herstellung der Verdünnungsreihe


Aus der 1 M KCl – Stammlösung sind folgende Verdünnungen herzustellen: 0,1 M, 0,01 M,
0,005 M und 0,001M. Berücksichtigen Sie bei Herstellung der Verdünnungsreihe die für die
Versuchsdurchführung und den jeweils nächsten Verdünnungsschritt benötigten Volumina.

Einspannen der Membran und Füllen der Kammern


Das Membranstück ist zwischen den beiden Kammerhälften konzentrisch zur Bohrung einzu-
spannen. Zur Füllung der beiden Kompartimente werden jeweils 90 ml der KCl-Lösung
abgemessen und gleichzeitig auf beiden Seiten mit Hilfe der Trichter eingefüllt. Nach drei-
maliger Bestimmung des Membranpotentials werden die Lösungen in einen Eimer entleert
und die Kammer mit entionisiertem Wasser gespült.
Durchführung der Messungen:
Folgende Kombinationen der KCl – Lösungen unterschiedlicher Konzentration sollen
gemessen werden:
Kompartiment A Kompartiment B
0,1 M 0,001 M
0,1 M 0,005 M
0,1 M 0,01 M

Vor Beginn jeder Messung ist das Asymmetriepotential der beiden Elektroden in einem Gefäß
mit 0,1 M KCl zu bestimmen. In jedes der beiden Kompartimente der Ussing-Kammer ist
eine Elektrode einzusetzen. Diejenige in A ist mit dem Meßpol des Voltmeters (rot), die in B
ist mit dem Referenzpol (schwarz) des Voltmeters zu verbinden. Die Messung erfolgt für die
Dauer von 2 s, der jeweils höchste Wert wird notiert. Anschließend werden die beiden
Elektroden in das Aufbewahrungsgefäß mit 0,1 M KCl zurückgestellt und nach 2 min erneut
das Asymmetriepotential bestimmt und die nächste Messung durchgeführt. Bei jeder der vor-
gegebenen Kombinationen sind drei Messungen durchzuführen. Die Temperatur der
Lösungen ist zu bestimmen.

Auswertung:
Das Asymmetriepotential ist von dem gemessenen Membranpotential abzuziehen. Berechnen
Sie den Mittelwert der experimentell ermittelten Membranpotentiale und vergleichen Sie
diesen mit dem theoretischen Membranpotential der jeweiligen Konzentrationspaare.
Diskutieren Sie, wodurch der Unterschied zwischen Meßwert und theoretischem Membran-
potential bedingt ist.

Für die Berechnung des theoretischen Membranpotentials gilt:

R ⋅ T a1
EM = − ln (Formel 7).
F a2

Da es sich um reale Lösungen handelt, deren Reaktivität aufgrund von Wechselwirkungen


zwischen den Teilchen in Lösung gegenüber der idealen Lösung herabgesetzt ist, muß anstelle
der Konzentration die Aktivität zur Berechnung des Membranpotentials eingesetzt werden.
Die Aktivität a berechnet sich aus dem Aktivitätskoeffizienten A multipliziert mit der
Konzentration: a = A⋅c; (Formel 8)
wobei A = f (c ) mit A → 1 für c → 0 .
Tab. 1: Aktivitätskoeffizienten

c (mol/l) 0,1 M 0,01 M 0,005 M 0,001 M

A (KCl) 0,771 0,902 0,927 0,965

Protokoll:
1. Werten Sie den Versuch aus. Diskutieren Sie, wodurch der Unterschied zwischen
Meßwert und theoretischem Membranpotential bedingt ist. Wie hängt der Messwert
von der Konzentration der gemessenen Lösung ab?
2. Wie kommt das Ruhepotential, wie das Aktionspotential zustande?
Wertetabelle

Membranpotential über einer semipermeablen Membran

Temperatur: ____________

Kompartiment A: 0,1 M KCl

Kompartiment B Messwert (mV) Asymmetrie- Meßwert – Asym- Mittelwert (mV)


potential (mV) metriepot. (mV)

0.001 M

0.005 M

0.01 M

Bitte legen Sie diese Wertetabelle Ihrer Auswertung im Original bei!


Experiment 2:
Der Achillessehnenreflex beim Menschen

Muskeln werden aufgrund ihres Baus in zwei Haupttypen, die glatte und die quergestreifte
Muskulatur eingeteilt. Die im lichtmikroskopischen Bild quergestreifte Muskulatur wird
ihrerseits in Skelettmuskulatur und Herzmuskulatur unterschieden.
Voraussetzung für die Bewegungsregelung der Skelettmuskeln ist die Information über ihren
Dehnungszustand. Diese Aufgabe wird von Muskelspindeln erfüllt, die aus einer Binde-
gewebshülle bestehen, in der sich kurze, quergestreifte Muskelfasern, „intrafusale Muskel-
fasern“, befinden. Diese liegen parallel zu den extrafusalen Muskelfasern, der Arbeits-
muskulatur; extrafusale und intrafusale Muskelfasern sind durch Bindegewebe miteinander
verbunden.
Die Muskelspindeln werden afferent u. a. durch eine Ia-Faser innerviert, welche die Erregung
schnell weiterleitet. Der adäquate Reiz für diese afferenten Nerven der Muskelspindeln ist die
Länge der intrafusalen Muskelfasern. Da diese mit den extrafusalen Muskelfasern verbunden
sind, verringern sie ihre Länge, sobald die extrafusalen Fasern kontrahieren. Die Muskel-
spindeln hören dann auf, Aktionspotentiale zu senden. Die efferente Innervierung der
Muskelspindeln erfolgt durch Aγ-Fasern, die eine Kontraktion der intrafusalen Muskulatur,
nicht jedoch der extrafusalen bewirken. Über diese γ-Innervierung wird der Muskelspindel
eine Soll-Länge vorgegeben, die über den Regelkreis der Afferenz zu einem bestimmten
Kontraktionszustand der Arbeitsmuskulatur führt.
Die extrafusalen Muskelfasern werden durch Aα-Motoneurone, die „Efferenz“, innerviert,
wobei eine Nervenfaser sich stark verzweigt und über jeweils eine motorische Endplatte
Muskelfasern erregt, die sich dann gleichzeitig kontrahieren, die „motorische Einheit“. Jede
Längenänderung der extrafusalen Muskelfasern wird von den intrafusalen Fasern passiv mit
vollzogen. Die Änderung der Impulsfrequenz der Muskelspindel wird über die afferenten Ia-
Fasern zum Rückenmark geleitet und in der grauen Substanz des Rückenmarks über Synapsen
(= monosynaptisch, d. h. ohne Interneuronen) auf das α-Motoneuron umgeschaltet.
Überschreiten in den Motoneuronen die ausgelösten exzitatorischen postsynaptischen
Potentiale (EPSPs) infolge zeitlicher und räumlicher Summation die „Schwelle“ werden
Aktionspotentiale ausgebildet, - Bahnungseffekt -. Diese werden in den efferenten Fasern
(Aα) zur Arbeitsmuskulatur geleitet und lösen in den extrafusalen Muskelfasern nach einer
Reihe rasch ablaufender Schritte Kontaktionen aus.
Einen Reflex, der nur eine zentrale Synapse zwischen Afferenz und Efferenz besitzt,
bezeichnet man als monosynaptisch. Da Rezeptor und Effektor im gleichen Organ liegen,
wird dieser auch als Eigenreflex bezeichnet.

Der bekannteste monosynaptische Reflexbogen ist der Patellarsehnenreflex. Im vorliegenden


Praktikumsversuch wird der Achillessehnenreflex getestet.

Stichwortkatalog
Bau des Skelettmuskels, Bau und Funktion von Synapsen, speziell der motorischen Endplatte;
Entstehung und Fortleitung des Muskelaktionspotentials, Reflex, monosynaptischer Reflex-
bogen, Aufbau des Rückenmarks

Aufgabe:
Durch Beklopfen der Achillessehne wird der Musculus gastrocnemius (Wadenmuskel) passiv
gedehnt. Die Muskelantwort wird durch Ableitung der Muskelpotentiale gemessen. Es sind
folgende Aufgaben zu bearbeiten:
1 Bestimmung der Reflexzeit, d.h. der Zeit zwischen dem Schlag auf die Sehne und der
Muskelantwort.
2 Welche Antworten der Wadenmuskulatur treten in Abhängigkeit von der Stärke des
Schlages auf die Achillessehne auf?
3 Warum ist die Amplitude des gemessenen Muskelpotentials von der Stärke und der
Schnelligkeit des Schlages auf die Sehne abhängig?

Durchführung:
Material
Oszilloskop mit Drucker, Ableitelektroden, optogekoppelter Verstärker, Reflexhammer

Zwei Ableitelektroden werden am Unterschenkel des Probanden befestigt und mit dem
Verstärker verbunden. Der Verstärker ist mit dem Kanal 1 des Oszilloskops verbunden. Der
Reflexhammer ist mit dem Kanal 2 des Oszilloskops gekoppelt. Da der Reflexhammer einen
elektrischen Schalter besitzt, der durch den Schlag auf die Sehne geschlossen wird und dann
ein elektrisches Signal hervorruft, kann dieses als Triggersignal für den Strahlüberlauf des
Oszilloskops verwendet werden. Die Dehnung des Wadenmuskels erfolgt nun durch einen
leichten Schlag mit dem Trigger-Hammer auf die Achillessehne.
Protokoll:
1. Tabellieren Sie die Ergebnisse der Probanden und schildern Sie Ihre Beobachtungen der
Muskelantwort bei unterschiedlich starken Reizen. Diskutieren Sie diese Ergebnisse im
Hinblick auf die Funktion des Achillessehnenreflexes.
2. Skizzieren (!) Sie hierzu den Reflexbogen und erläutern Sie das Zustandekommen der
Reflexantwort in Abhängigkeit von den Reizparametern Stärke und Geschwindigkeit.
Beantworten Sie auch die Fragen 1-3 (s. Aufgabe).
3. Definieren Sie die Begriffe „zeitliche Summation“, „räumliche Summation“, „Bahnung“
sowie „Eigenreflex“ und „Fremdreflex“.
Experiment 3:
Messung des Blutdrucks und Ableitung eines Elektrokardiogramms (EKG)
beim Menschen

Das Säugetierherz ist ein vierkammriges, muskuläres Hohlorgan, dessen Pumpwirkung auf
der rhythmischen Erschlaffung (Diastole) und Kontraktion (Systole) der Herzmuskulatur
beruht (Abb. 2a). In der Diastole füllen sich die Herzkammern mit Blut, in der Systole werfen
sie das Blut unter Druckentwicklung in die angeschlossenen großen Arterien aus. Der rechte
Ventrikel pumpt das Blut über den Truncus pulmonalis in den Lungenkreislauf, der linke
Ventrikel über die Aorta in den Körperkreislauf. Durch die Ventilwirkung der Herzklappen
wird der Rückstrom des Blutes in die Herzkammern verhindert.

Abb. 2 a: Ansicht des geöffneten


menschlichen Herzens (nach: Eckert
R., Tierphysiologie, Georg Thieme
Verlag Stuttgart, 1993).

Abb. 2 b: Erregungsbildungs- und


Erregungsleitungssystem des Herzens mit
den Aktionspotentialformen, die für den
Sinusknoten und das Myokard
charakteristisch sind (nach Thews G. Vaupel
P., Vegetative Physiologie, Springer Verlag,
Berlin, 1990).
Die großen Arterien wirken als Druckspeicher („Windkesselfunktion“), d.h. durch die
elastischen Eigenschaften dieser Gefäße wird ein Teil des während der Systole des Herzens
ausgeworfenen Blutes in diesen gespeichert. Bei sinkendem Gefäßinnendruck während der
Diastole wird das gespeicherte Blut an die sich anschließenden Gefäßabschnitte
weitergegeben, so dass trotz rhythmischer Tätigkeit des Herzens eine weitgehend kontinu-
ierliche Strömung des Bluts in den peripheren Gefäßen gegeben ist.
Die periodischen Druckänderungen, die an allen Orten des arteriellen Kreislaufsystems
messbar sind, sind die Grundlage für die Definition von charakteristischen Blutdruckwerten.
Das Maximum der Druckpulskurve während der Systole des Herzens wird als systolischer
Blutdruck PS, das Minimum während der Diastole als diastolischer Blutdruck PD bezeichnet.

Im vorliegenden Praktikumsversuch wird der arterielle Blutdruck eines Probanden indirekt


unter Verwendung einer Druckmanschette gemessen. Dabei wird durch eine aufblasbare
Manschette der Blutfluss in der Arterie (A. brachialis) des Oberarms unterbunden. Bei
anschließender Verringerung des Manschettendrucks durch Öffnen des Ventils, tritt mit
Unterschreitung des systolischen Drucks ein meist klopfendes Geräusch unterhalb der
Manschette über der A. cubitalis auf. Dieses sog. Korotkoff-Geräusch kann mit einem
Stethoskop wahrgenommen werden und markiert den Zeitpunkt, zu dem der systolische
Blutdruck am Manometer abzulesen ist. Bei weiter abnehmendem Manschettendruck werden
die Korotkoff-Geräusche zunächst lauter, um dann entweder konstant zu bleiben oder
vorübergehend abzuschwellen. Der diastolische Blutdruck ist dann erreicht, wenn bei
absinkendem Manschettendruck die Geräusche plötzlich dumpfer und schnell leiser werden
bzw. ganz verschwinden. Dies ist das Zeichen, dass die turbulente Strömung des periodisch
eingeengten Gefäßes in die laminare Strömung des dauernd offenen Gefäßes übergeht
(Abb. 3).
Abb. 3: Prinzip der Blutdruckmessung
nach Riva-Rocci. Die bei Abnahme des
Manschettendruckes auftretenden
Korotkoff-Geräusche sind in 3 typischen
Verlaufsformen (a-c) in der Abbildung
gezeigt, wobei die jeweilige Geräusch-
intensität durch die Strichlänge
symbolisiert ist. Nach Thews G. Vaupel P.,
Vegetative Physiologie, Springer Verlag,
Berlin, 1990.

Als Elektrokardiogramm (EKG) wird die Aufzeichnung der elektrischen Gesamtaktivität des
Herzens mit Hilfe von Außenelektroden bezeichnet. EKGs sind auf diese Weise sowohl von
neurogenen (z.B. Krebse, Spinnen) wie auch von myogenen Herzen (Anneliden, Insekten,
Mollusken, Tunicaten, Vertebraten) ableitbar. Definitionsgemäß werden die EKG-Signale so
angegeben, daß bei Ausschlägen nach oben die Herzbasis negativ gegenüber der Herzspitze
ist.
Ursache für das EKG sind Potentialdifferenzen, die bei der Ausbreitung und Rückbildung der
Erregung des Herzens auftreten und in Längsrichtung der Herzmuskelfasern verlaufen. Das
EKG spiegelt damit den zeitlichen Verlauf von Aktionspotentialen (Summenpotentialen) über
den Herzmuskel wider und nicht etwa dessen Kontraktionsverlauf. Wären alle
Herzmuskelzellen gleichzeitig in gleicher Weise erregt und würden sie identische Aktions-
potentiale erzeugen, so würden keine derartigen Potentialunterschiede entlang der Fasern
entstehen und es könnte kein EKG abgeleitet werden.
Die Ableitung des EKG erfolgt an der Körperoberfläche, in unserem Fall zwischen dem
rechten Arm und dem linken Bein. Die Form des abgeleiteten EKGs ist vom Abgriffort an der
Körperoberfläche abhängig, da der zeitliche Verlauf der gemessenen Potentialunterschiede
der Ausdruck von elektrischen Feldern ist, die sich über den Körper ausbreiten. Weist der
Feldvektor zur Herzspitze, tritt im EKG ein positiver Ausschlag auf (P-, R-, T-Wellen im
EKG), weist er zur Herzbasis, verläuft die EKG-Kurve in negative Richtung (Q-, S-Wellen).
Der Verlauf des abgeleiteten EKGs hat etwa die folgende Form:
Abb. 4: Normalform des EKG bei bipolarer
Ableitung von der Körperoberfläche in Richtung der
Herzlängsachse (nach: Schmidt R. F., Thews G.
[Hrsg.], Physiologie des Menschen, Springer-Verlag,
Berlin, 1987, 23. Auflage).

Die P-Welle entspricht der ersten Phase des Aktionspotentials der Vorkammern des Herzens.
Der Beginn der P-Welle erfolgt unmittelbar auf die Erregungsbildung im Sinusknoten, dem
primären Erregungszentrum im Säugerherzen. Der Zeitabstand zwischen dem Anfang P und
dem Anfang Q wird als Überleitungszeit bezeichnet, weil er der Dauer der Erregungsleitung
vom Sinusknoten auf den Atrioventrikularknoten entspricht. Diese Überleitungszeit beträgt
beim gesunden Herzen des Menschen ca. 0,2 s. Die Gruppe QRST, der sog.
Ventrikelkomplex, entsteht durch die Erregung der Herzkammer. Sie läßt sich untergliedern
in:
• die Gruppe QRS, die beim Beginn der Erregungsausbreitung in der Herzkammer
dadurch entsteht, daß nicht alle Teile der Herzkammer gleichzeitig erregt werden.
• die Strecke ST, auf der praktisch keine Potentialdifferenz ableitbar ist, da alle Teile
der Herzkammer gleichmäßig erregt sind.
• die T-Welle, die zeigt, daß die Erregung des Herzmuskels nicht in allen
Kammerteilen gleichzeitig erlischt.

Stichwortkatalog
Bau und Funktion des Säugetierherzens am Beispiel des menschlichen Herzens, elektrische
Vorgänge und Erregungsausbreitung im Herz, Schrittmacherzentren, Modifikation des
Herzschlags (sympathische und parasympathische Innervierung des Herzens), Kreislauf-
system, Blutdruck, Diastole, Systole
Aufgaben:
1 Messung des Blutdrucks nach der Methode von Riva-Rocci
2 Ableitung eines Ruhe- und eines Belastungs-EKG von einem Probanden

Durchführung:
Material
Blutdruckmanschette einschließlich Manometer und Gummiballon, Stethoskop, Alkohol
3 Klammerelektroden, optogekoppelter Verstärker, Oszilloskop mit Drucker, Papierhand-
tücher

Blutdruckmessung
Die luftleere Blutdruckmanschette wird am linken Oberarm ca. 2,5 cm oberhalb der
Armbeuge so angebracht, daß die Gummischläuche nach unten aus der Manschette ragen.
Nach dem Schließen der Manschette mittels Klettverschluß wird zunächst das Stethoskop
angelegt und dann die Manschette zügig aufgepumpt, bis kein Pochen mehr zu hören ist
(Durchblutung unterbunden). Durch leichtes Öffnen des Ventils wird der Manschettendruck
vermindert. Beim ersten deutlichen Arterienton (pochendes Geräusch) im Stethoskop wird der
Wert des systolischen Blutdrucks am Manometer abgelesen, beim deutlichen Leiserwerden
der Arterientöne der Wert des diastolischen.
Reinigen Sie die Ohrbügel des Stethoskops nach Beendigung der Messung mit Papier und
etwas Alkohol.

Ableitung eines Elektrokardiogramms (EKG) vom Menschen


Zur Verbesserung der elektrischen Leitfähigkeit werden die Metallplatten der Klammer-
elektroden mit Elektrodengel bestrichen. Die Elektroden werden entsprechend ihrer
Farbcodierung wie folgt angebracht:
Schwarzer Bananenstecker - linker Arm (Bezugselektrode)
Roter Bananenstecker - linkes Bein (Differente Elektrode)
Gelber Bananenstecker - rechter Arm (Differente Elektrode)

Bitte säubern Sie die Klammerelektroden am Ende des Versuchs mit Papierhandtüchern von
Gelresten.
Protokoll:
1. Tabellieren Sie die Messergebnisse aller Probanden für die EKG- und die
Blutdruckmessung.
2. Geben Sie die Herzfrequenz sowie die Dauer der einzelnen Phasen im EKG an, vergleichen
Sie diese mit den angegebenen Normwerten und diskutieren Sie die erhaltenen Ergebnisse
bezüglich der Funktion des Herzmuskels.

Literatur:
Eckert R., Tierphysiologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005
Penzlin H., Lehrbuch der Tierphysiologie, Fischer Verlag, Stuttgart, 2005
Schmidt R. F., Thews G. [Hrsg.], Physiologie des Menschen, Springer Verlag, Berlin, 2000,
28. Auflage
Thews G. Vaupel P., Vegetative Physiologie, Springer Verlag, Berlin, 1990
Atmung

Einleitung

Die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate, Proteine und Lipide können nur dann
mit einem hohen Energiegewinn verwertet werden, wenn sie mit Sauerstoff zu Kohlendioxid
und Wasser umgesetzt werden. Dieser oxidative Zellstoffwechsel erfordert einen ständigen
Gasaustausch, d.h. O2-Aufnahme und CO2-Abgabe, zwischen den Zellen eines Lebewesens
und mit seiner Umwelt. Den Gasaustausch mit der Umwelt, den Transport der Atemgase in
den Körperflüssigkeiten und die eigentlichen oxidativen Vorgänge in der Zelle fasst man
unter dem Begriff „Atmung“ zusammen.

Experimente:

1. a Abhängigkeit des Absorptionsspektrums des Blutes von dessen O2-Gehalt


b Bestimmung der Vitalkapaziät der Lunge
2. a Bestimmung der Blutgruppe beim Menschen
b Bestimmung der Erythrozytenzahl
3. Bestimmung des Q10-Wertes der Larven von Tenebrio spec.
Versuchsanleitung

Experiment 1:
a Abhängigkeit des Absorptionsspektrums des Blutes von dessen O2-Gehalt
b Bestimmung der Vitalkapazität der Lunge

Gasaustausch
Die Verfügbarkeit von Sauerstoff für ein Lebewesen hängt davon ab, aus welchem Medium
es Sauerstoff aufnimmt. Während der O2-Gehalt in der Luft (Tab. 1) weitgehend von der
Luftfeuchtigkeit und dem Partialdruck abhängt, unterliegt die Konzentration des Sauerstoffs
im Wasser je nach Temperatur, Salzgehalt, Besiedlung und Stratifikation des Gewässers
starken Schwankungen.

Tab. 1: Zusammensetzung trockener atmosphärischer Luft


Bestandteil %
Sauerstoff 20,95
Kohlendioxid 0,03
Stickstoff 78,09
Argon 0,93

Wie viel Gas in einem bestimmten Wasservolumen gelöst ist, hängt vom Druck des
jeweiligen Gases ab. Die Proportionalität zwischen dem Gasdruck und der gelösten Menge
beschreibt das Henrysche Gesetz:

Pg
Vg = α ⋅ VH 2O (Formel 1),
760

[O2 ]Luft %
wobei Pg = PO2 ,Luft mit PO2 ,Luft = ⋅ 760 Torr = 153,2 Torr ist
100%

(in SI-Einheiten: 760 Torr ≙ 101 kPa).

Vg ist hierbei das Volumen des gelösten Gases unter Standardbedingungen (Druck,
Temperatur, Luftfeuchtigkeit), α der Löslichkeitskoeffizient, Pg der Partialdruck des Gases
bezogen auf Normaldruck, VH20 das Wasservolumen.
Auch die Dichte der beiden Medien spielt für den Gasaustausch der Organismen eine wichtige
Rolle. Landlebende und im Wasser lebende Tiere haben deshalb unterschiedliche Organe für
den Gasaustausch entwickelt: den Lungen, Tracheen und Buchlungen der landlebenden Tiere
stehen die Kiemen der wasserlebenden Tiere gegenüber. Von besonderem Interesse sind dabei
die Anpassungen der Atmungsorgane der Arten, die temporär das Wasser verlassen können,
sekundär wieder in das Wasser eingewandert sind, oder in ihrer ontogenetischen Entwicklung
von einem Medium in das jeweils andere wechseln.

Wie der Wassertransport ist auch der transepitheliale Gastransport rein passiver Natur. Er
folgt allein den Gesetzen der Diffusion. Gemäß dem 1. Fick´schen Gesetz für behinderte
Diffusion ist die Diffusionsgeschwindigkeit ds/dt (mol s-1) eines Gases s zur Fläche des
austauschenden Epithels (A), der Diffusionskonstante Ks und der Differenz der Partialdrücke
des Gases (Psi – Psa) direkt, zu der Dicke der Epithelien (der Diffusionsstrecke x) indirekt
proportional:

ds P − Psa
= − K s ⋅ A si (Formel 2),
dt x
wobei Psi dem Partialdruck des Gases im Innenmedium, Psa dem Partialdruck des Gases im
Außenmedium entspricht.

Bei kleinen, abgeplatteten oder stark verzweigten Tieren, die ein großes
Oberflächen/Volumen-Verhältnis aufweisen, kann der Gasaustausch mit der Umgebung ohne
besondere Atemorgane ausschließlich über die Körperoberfläche erfolgen. Fast alle höheren
Metazoen sind dagegen auf spezielle „respiratorische Epithelien“ angewiesen, deren Fläche
die übrige Körperoberfläche um ein Vielfaches übersteigen kann.

Der Transport von Sauerstoff infolge Diffusion von den Atmungsorganen zu den Zellen ist
bei großen Organismen aufgrund seiner relativ geringen Löslichkeit in der Körperflüssigkeit
nicht ausreichend. Sowohl zahlreiche Evertebraten wie auch alle Vertebraten besitzen deshalb
respiratorische Pigmente, an die gebunden der Sauerstoff transportiert wird. Alle respira-
torischen Pigmente sind Verbindungen aus Proteinen und Metallionen und haben charakte-
ristische Farben, die sich in Abhängigkeit von ihrem O2-Gehalt ändern.

Das bekannteste respiratorische Pigment ist das Hämoglobin der Vertebraten. Dieses besteht
aus 4 Untereinheiten mit 2 α- und 2 ß-Globinketten, die jeweils eine Häm-Gruppe mit einem
Fe2+-Zentralatom besitzen, an dem je ein Sauerstoff-Molekül koordinativ und reversibel
gebunden werden kann.
Hämoglobin und seine verschiedenen Gasverbindungen haben charakteristische Absorptions-
spektren. Die einzelnen Verbindungen kann man durch die Lage ihrer Absorptionsbanden
unterscheiden. Die charakteristischen Absorptionen werden nur in verdünnten Lösungen
erhalten. Bei allen Hämoglobinderivaten ebenso wie bei Porphyrinverbindungen überhaupt,
deren Identifizierung und quantitative Bestimmung mit Hilfe von Spektralkurven möglich ist,
liegt eine charakteristische, sehr starke Absorptionsbande - die „ Soretbande“ - in der Gegend
um 400 nm. HbO2 besitzt darüber hinaus zwei kleinere Absorptionsbanden, den α- und den β-
Streifen bei 541 und 576 nm. Beim reduzierten Hb, das eine dunkelrote Farbe aufweist, sind
die beiden Absorptionsbanden zu einer mit maximaler Absorption bei 555 nm zusammen-
gerückt (Abb. 1).

Abs Overlay - Scan


0,3
576 nm
oxygeniertes Hb
541 nm

555 nm
0,0,2
200
Absorbance

0,10
0,10
desoxygeniertes Hb

520, 0 540, 0 560, 0 580, 0


500 520 W54 0
avelength (nm) 560 580 600
Wellenlänge (nm)

Abb. 1: Absorptionsspektren von oxygeniertem und desoxygeniertem Blut

Die Aufnahme von Sauerstoff ist jedoch nur ein Aspekt der Atmung. Die Abgabe von CO2
durch den Organismus ist ein ebenso wichtiger Vorgang. Der Transport von CO2 von den
Zellen zu den Atmungsorganen erfolgt nach anderen Prinzipien, da CO2 mit Wasser zu
Kohlensäure hydratisiert wird und diese dissoziiert:
- -
CO2 + H2O ⇄ H2CO3 ⇄ H+ + HCO3 ⇄ 2 H+ + CO32 .
Die Abgabe von CO2 in den Atmungsorganen erfolgt wiederum durch Diffusion.
Die Säugerlunge
Die im Thorakalraum liegende Säugerlunge besteht aus den zwei Lungenflügeln, die stark
gekammert und über die beiden Bronchien und der Trachea mit der Außenwelt verbunden
sind. Die beiden Lungenflügel befinden sich in dicht abgeschlossenen Pleurahöhlen, die
kaudal durch das Zwerchfell begrenzt und allseitig von den glatten Pleurablättern ausgekleidet
werden. Zwischen den Pleurablättern liegt der sehr schmale, flüssigkeitsgefüllte Interpleural-
spalt. Da Flüssigkeiten praktisch inkompressibel sind, folgt die elastische Lunge jeder
Volumenänderung des Thorax. Wird der Brustraum punktiert, gelangt Luft in den Thorakal-
raum und die Lunge kollabiert (Pneumothorax).
Während der normalen Atmung werden die Formänderungen des Brustraumes durch die
zwischen den Rippenbögen liegende Intercostalmuskulatur und das Zwerchfell bewirkt. Der
Prozeß des Einatmens (Inspriration) erfolgt aktiv durch Hebung der Rippen und Senkung des
Zwerchfells, was zu einer Vergrößerung des Thorakalraums führt. Die damit einhergehende
Vergrößerung der Lungen vermindert den Druck in den Alveolen, Luft wird in die Lunge
eingesogen. Die Erschlaffung der Intercostalmuskulatur und des Zwerchfells vermindert das
Thorakalvolumen, so dass der alveoläre Druck ansteigt und Luft aus der Lunge gepresst wird
(Exspiration, meist passiver Vorgang).

Als Lungenvolumen wird das gesamte Gasvolumen bezeichnet, das sich in der Lunge
befindet. Das Lungenvolumen schwankt abhängig vom Alter, der Größe, dem Trainings-
zustand und dem Geschlecht, als Normalwert für 25 jährige, 1,80 m große Männer gilt 7,0 l,
für gleichaltrige und gleichgroße Frauen ist ein Lungenvolumen von 6,2 l tabelliert. Das
Atemzugvolumen ist das in einem Atemzug ein- oder ausgeatmete Gasvolumen. Am Ende
einer normalen Ausatmung verbleibt ein Gasvolumen von ca. 3 l in der Lunge (endexspira-
torisches Lungenvolumen). Dieser Gaspuffer begrenzt die atemzyklischen Schwankungen der
alveolären Konzentration der Atemgase und stellt eine Sauerstoffreserve für besondere
Bedingungen wie Sprechen, Singen oder Atemanhalten dar. Nach maximaler Ausatmung
verbleiben noch etwa 1,5 l Gas in der Lunge. Dieses Residualvolumen kann nicht ausgeatmet
werden.
Das ein- und ausgeatmete Gasvolumen kann, wie auch Veränderungen des Lungenvolumens,
mit einem Spirometer gemessen werden. Das Residualvolumen kann nur mit speziellen
Methoden wie z.B. der Fremdgasverdünnung erfasst werden.

Stichwortkatalog
Bau und Funktion der Säugerlunge, Physiologie des Atemgastransports, respiratorische
Farbstoffe, Photometrie
a Abhängigkeit des Absorptionsspektrums des Blutes von dessen O2-Gehalt

Aufgabe:
Die Absorptionsspektren des Blutes ändern sich in Abhängigkeit von den an das Hämoglobin
gebundenen Liganden. Die Absorptionsspektren von Hb und HbO2 sollen bestimmt werden.

Durchführung:
Material:
Blutkonserve, Photometer, Küvetten, Becherglas, Pipetten, Parafilm, Einweghandschuhe,
Natriumdithionit (Na2S2O4), Ammoniak-Lösung (0,4 % v/v)

Für den Versuch wird ein Erythrozytenkonzentrat aus Humanblut verwendet. Beim Umgang
mit Humanblut sind Handschuhe zu tragen und auf sauberes Arbeiten ist zu achten. Alle mit
Blut in Berührungen gebrachten Gegenstände sind nach Anweisung der Kursbetreuer zu
reinigen oder zu entsorgen.

Stammlösung: 2 ml Blut und 50 ml 0,4 % NH3-Lösung in einem Erlenmeyerkolben


mischen.
HbO2: Kolben kräftig schütteln bis das Blut hell gefärbt ist. 1 ml abnehmen
und mit 30 ml 0,4 % NH3-Lösung verdünnen.
Hb red: In einem Reagenzglas 1 ml der Stammlösung mit einer Spatelspitze
Natriumdithionit (Na2S204) versetzen. Das Blut wird dunkel. Mit
30 ml 0,4 % NH3-Lösung verdünnen.

Die Bedienung des Photometers wird vom Assistenten erklärt.

Auswertung:
In den ausgedruckten Spektren von Hb und HbO2 auftretende Maxima sind zu beschriften. In
der Diskussion sollen die Spektren verglichen und die Funktion des Hämoglobins als
respiratorisches Pigment diskutiert werden.
b Bestimmung der Vitalkapazität der Lunge

Aufgabe:
Bestimmen Sie die Vitalkapazität der Lunge der Gruppenmitglieder abhängig von Alter,
Geschlecht und Rauchverhalten.

Durchführung:
Material:
Handspirometer nach Buhl

Das Handspirometer ist ein Atemvolumen-Meßgerät.


Meßvorgang:
- Jeder Proband steckt ein neues Mundstück auf die Düse des Gerätes.
- Die Nadel wird durch Drehen des silbernen Ringes auf Null gestellt, das Gerät wird beim
Gebrauch horizontal gehalten.
- Der Proband atmet so tief wie möglich ein und bläst die Luft gleichmäßig in die Düse des
Spirometers aus.
- Der Meßwert wird von der Skala abgelesen und die Nadel anschließend wieder auf Null
gestellt.
- Der Versuch wird von jedem Probanden drei Mal wiederholt, die Meßwerte sind zu
notieren.

Weiterhin soll für jeden Probanden das Alter und das Geschlecht notiert werden; es ist auch
von Interesse, ob der Proband raucht oder nicht.

Nach Versuchsende wird der Boden des Spirometers abgeschraubt und mit einem Papiertuch
ausgewischt.

Auswertung:
Die Meßwerte sowie die Eigenschaften der Probanden sollen in einer Tabelle erfaßt werden.
Die gemessenen Werte sind mit Literaturwerten zu vergleichen und kurz zu diskutieren.
Experiment 2:
a Bestimmung der Blutgruppe beim Menschen
b Bestimmung der Erythrocytenzahl

Eigenschaften des Blutes


Blut stellt aus funktioneller Sicht ein „flüssiges Körpergewebe“ dar. Es besteht aus Zellen, die
in einer elektrolyt- und eiweißhaltigen Lösung, dem Plasma suspendiert sind. Das Blut,
dessen Zusammensetzung und Volumen normalerweise nur geringen Schwankungen unter-
liegt, dient v.a. als Transportmittel innerhalb des Organismus. Daneben ist es an der Aufrecht-
erhaltung eines konstanten inneren Milieus und an der Abwehr eingedrungener Fremdstoffe
und Krankheitserreger beteiligt.
Die Gesamtblutmenge des Menschen beträgt 7-8 % seines Körpergewichts, d.h. ein
Erwachsener besitzt ein Blutvolumen von 4-6 l.

Das Blutplasma, der extracelluläre Anteil des Blutes, ist eine klare gelbe Flüssigkeit. Es
enthält pro Liter ca. 0,9 l Wasser, 9 g Elektrolyte und 72 g Proteine. Der Hauptanteil der
Plasmaproteine entfällt auf das Albumin (40 g/l), während die Globuline in einer
Gesamtkonzentration von ca. 32 g/l vorliegen. Die Plasmaeiweiße erfüllen wichtige Aufgaben
für den Gesamtorganismus:
• Nährfunktion: schnell verfügbare Proteinreserve
• Vehikelfunktion: kleinmolekulare Stoffe werden an Plasmaproteine gebunden im Blut
transportiert
• Unspezifische Trägerfunktion: Bindung eines Teils der im Blut enthaltenen Kationen
• Pufferfunktion: Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes im Blut
• Erzeugung des kolloidosmotischen Drucks: wichtig für die Wasserverteilung zwischen
intra- und extraversalem Raum
• Blutgerinnung: zu den Plasmaproteinen gehören das Fibrinogen sowie wichtige
Gerinnungsfaktoren
• Abwehrfunktionen (Immunologische Funktion)

Die Hauptmasse der zellulären Blutbestandteile bilden die Erythrocyten, für deren
Funktion (O2-Transport, Mitwirkung beim CO2-Tansport und bei der Regulation des pH-
Wertes) das Hämoglobin essentiell ist (s. Experiment 1 a). Weiterhin sind als zelluläre
Bestandteile die Leukozyten zu nennen, die Aufgaben im Rahmen der Abwehrfunktionen des
Organismus haben. Daneben befinden sich im Blutplasma die Thrombozyten, die für die
Blutstillung von Wunden notwendig sind. Ausgangspunkt aller Blutzellen sind pluripotente
Stammzellen des Knochenmarks, die identische Kopien herstellen können.
Die Erythrocytenkonzentration in 1 µl Blut ist bei Männern und Frauen unterschiedlich. Bei
Männern finden sich im Mittel 5,1 Mio. Erythrocyten in 1 µl Blut (physiologische Variation:
4,5 ⋅ 106 – 6 ⋅ 106 / µl, das entspricht 4,5 ⋅ 1012 – 6 ⋅ 1012 /l), bei Frauen ist die Erythrocyten-
konzentration geringer und beträgt im Mittel 4,6 Mio. Erythrocyten / µl Blut (Normbereich:
4 ⋅ 106 – 5,4 ⋅ 106 /µl, das entspricht 4 ⋅ 1012 – 5,4 ⋅ 1012 /l).
Im nichtströmenden Blut haben die kernlosen Erythrocyten die Form von runden, beiderseits
in der Mitte eingedellten Scheiben. Ihr mittlerer Durchmesser beträgt 7,5 µm, die Randdicke
ca. 2 µm und die zentrale Dicke ca. 1 µm. Die Gestalt der Erythrocyten stellt eine günstige
Voraussetzung für die O2-Bindung infolge kurzer Diffusionswege dar.
Die Erythrocyten werden nach der Geburt ausschließlich im roten Knochenmark gebildet, das
beim Erwachsenen in den platten Knochen und in den Epiphysen der langen Röhrenknochen
vorkommt. Die roten Blutkörperchen entstehen durch mitotische Teilungen aus unreifen,
kernhaltigen Vorstufen. Während der Reifung der Blutkörperchen verändert sich die
Zellkernstruktur, der Zell-Leib wird mit Hämoglobin gefüllt und das Zellvolumen nimmt ab.
Mit der Entfernung der pyknotischen Zellkerne aus den Zellen der letzten Entwicklungsstufe
ist die Erythropoiese abgeschlossen. Die in das strömende Blut eintretenden kernlosen
Erythrocyten haben die Fähigkeit zur DNA- und RNA-Synthese und damit auch zur
Zellteilung verloren. Der Zellstoffwechsel wird von oxidativem Abbau auf Glykolyse
umgebaut. Die ausgeschleusten Erythrocyten haben eine Lebensdauer von 110-120 Tagen.
Dann werden sie oder ihre Fragmente in den Zellen des Reticulo-endothelialen Systems in
Milz, Leber und Knochenmark phagozytiert.

Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) sind kernhaltige Zellen, die in Granulocyten,


Lymphozyten und Monozyten unterteilt werden. Die Leukozytenkonzentration beträgt im
Mittel 7000 Leukozyten in 1 µl Blut, wobei tagesperiodische Schwankungen auftreten und
der Funktionszustand des Organismus ebenfalls Auswirkungen auf die Konzentration hat.
Die Granulocyten werden im Knochenmark aus Stammzellen durch mehrere Zellteilungen
und anschließende Zellreifung gebildet. Die Granulocyten zeigen eine amöboide
Beweglichkeit und sind wichtige Funktionsträger bei der unspezifischen Immunabwehr, da sie
Fremdmaterial, Gewebetrümmer und Krankheitserreger in großem Ausmaß phagozytieren
können. Bei Aktivierung setzen diese Zellen Leukotriene frei, die an der Entzündungsreaktion
beteiligt sind. Die Lebensdauer der Granulocyten außerhalb des Knochenmarks beträgt nur
wenige Tage.
Lymphozyten sind kugelige Zellen mit einem runden oder ovalen Kern. Sie entstammen
ebenfalls pluripotenten Stammzellen des Knochenmarks, reifen aber im Thymus (T-Zellen)
oder im Knochenmark (B-Zellen). Beide Zelltypen spielen eine zentrale Rolle bei der
spezifischen Abwehrfunktion des Organismus (Immun-Reaktionen, Bildung von Antikörpern
ect.) und können durch mitotische Zellteilung Tochterzellen bilden.
Die Monozyten sind die größten Blutzellen und werden aus Stammzellen im Knochenmark
gebildet. Sie sind gut amöboid beweglich, speichern und phagozytieren größere Teilchen.
Nach der Aktivierung geben sie Leukotriene ab und stimulieren die spezifischen Abwehr-
vorgänge.

Thrombozyten (Blutplättchen) sind flache oder konvexe, kernlose Plättchen mit einem
Längsdurchmesser von 1,5-4 µm. Sie entstehen im Knochenmark durch „Abschnürung“ aus
dem Cytoplasma von Knochenmarksriesenzellen. Im Blut eines gesunden Menschen befinden
sich 140 000 bis 360 000 Thrombozyten je 1 µl Blut. Die Lebensdauer der Blutplättchen
beträgt 8-14 Tage.
Durch das Zusammenwirken von Blutplättchen, Gefäßreaktionen und spezialisierten
Plasmaproteinen des Gerinnungssystems kommt es nach einer Verletzung kleinerer Gefäße
zum raschen Stillstand einer Blutung.

Die Blutgruppen spielen bei der Bluttransfusion und der gerichtlichen Medizin eine wichtige
Rolle. Sie wurden um 1900 von Landsteiner entdeckt und als die klassischen Blutgruppen A,
B, 0 und AB bezeichnet. Bei der Blutgruppenbestimmung sind die Erythrozyten und das
Blutplasma von Wichtigkeit. Die AB0-Blutgruppen sind an die agglutinablen Blutkörperchen-
Eigenschaften A und B gebunden. Die Antigene des AB0-Systems sind spezielle
Glykoproteine oder Glykolipide in der Erythrozytenmembran, die man als Agglutinogene
bezeichnet. Sie sind genetisch determiniert, d.h. sie werden vererbt. Im Plasma findet man
entsprechend bivalente Blutgruppenantikörper, Anti-A und Anti-B, die vor allem zu den
Immunoglobulinen M (IgM) gehören und als Agglutinine bezeichnet werden. 1940 wurde von
Landsteiner und Wiener der Rhesusfaktor entdeckt. Die roten Blutkörperchen von 84 % der
Mitteleuropäer agglutinieren bei Zugabe der Antikörper, sind also Rhesus-positiv. Die
Antikörper werden bei Rhesus-negativen Personen erst nach Sensibilisierung gebildet.
Tab. 2: Blutgruppen

Die Erythrocytenmembranen Das Blutplasma


Blut- Häufigkeit des enthalten die werden aggluti- enthält die agglutiniert die
gruppe Vorkommens in agglutinable niert durch Blut- Agglutinine Blutkörperchen
Deutschland Substanz plasma der (Antikörper): der
(Antigen) Gruppen: Blutgruppen
A 43,8 % A 0 und B Anti-B B und AB
B 12,2 % B 0 und A Anti-A A und AB
AB 5,2 % AB 0, A, B keine keiner Gruppe
0 38,7 % weder A noch B keiner Gruppe Anti-A + B A, B, AB

Stichwortkatalog
Aufgaben des Blutes, Bestandteile von Blut: anorganische Ionen, gelöste organische
Bestandteile, Blutkörperchen, respiratorische Blutfarbstoffe, Physiologie des Sauerstoff-
transportes, Blutgruppen, Rhesusfaktor
a Bestimmung der Blutgruppe beim Menschen

Aufgabe:
Bestimmung der Blutgruppe und des Rhesusfaktors aus der aufstehenden Blutkonserve oder
aus dem Blut eines der Kursteilnehmer.

Durchführung:
Material:
Antiseren zur Blutgruppenbestimmung (Anti-A, Anti-B, Anti-AB, Rh), Tüpfelplatte, Alkohol,
Papiertuch, Blutlanzette, ggf. Blutkonserve, Glasstab, Entsorgungsgefäß

Die Blutentnahme bei den Kursteilnehmern findet auf freiwilliger Basis statt. Beim Umgang
mit Humanblut sind Handschuhe zu tragen und ist auf saubere Arbeitsweise zu achten. Alle
mit Blut in Berührungen gebrachten Gegenstände sind nach Anweisung der Kursbetreuer zu
reinigen oder zu entsorgen.

Je ein Tropfen der Antiseren zur Blutgruppenbestimmung wird in eine Vertiefung der
Tüpfelplatte gegeben und bezeichnet. Die Fingerbeere des Mittelfingers oder Ringfingers
(zweckmäßigerweise der linken Hand) wird mit Alkohol desinfiziert und mit einem sterilen
Einmalstilett angestochen. Die Blutstropfen werden mit einem Glasstab zu den Seren in die
Vertiefungen der Tüpfelplatte übertragen und vermischt. Nach einigen Minuten Wartezeit
wird beurteilt, ob eine Agglutination stattgefunden hat oder nicht.
Die Anti-Seren enthalten Antikörper gegen die jeweils genannten Blutgruppen, d.h.
Antiserum-A enthält Antikörper gegen die Blutgruppe A (und entspricht damit funktionell
dem Blut-Serum der Blutgruppe B). Die Auswertung erfolgt gem. der unter Theorie
angegebenen Tabelle.

Auswertung:
Die Ergebnisse des Versuchs sind zu beschreiben und daraus sind die Blutgruppe und der
Rhesusfaktor zu bestimmen. Die Bedeutung der Blutgruppen z.B. für Transfusionen,
Schwangerschaft einer rh-negativen Mutter sind zu diskutieren.
b Bestimmung der Erythrozytenzahl

Aufgabe:
Bestimmen Sie die Erythrozytenzahl in einer Blutprobe. Die Studenten können sich freiwillig
Blutproben entnehmen und diese testen. Beim Umgang mit Human-Blut sind Handschuhe zu
tragen und ist auf saubere Arbeitsweise zu achten.

Durchführung:
Material:
Zählkammer nach Neubauer einschl. Deckglas, Mikroskop, Mikropipetten, Blutlanzetten

Der Versuchsperson werden mit der Mikropipette 5 µl Blut entnommen (sterile Einweg-
Blutlanzette verwenden; Finger mit Alkohol desinfizieren!) und in ein Eppendorf-Cup
überführt. Anschließend werden 1000 µl 0,9 %ige NaCl-Lösung zugegeben (Verdünnung
1:200) und mit dem Blut vermischt (vorsichtig schütteln!).
Eine Zählkammer wird horizontal auf den Arbeitstisch gelegt und (nach Befeuchten der
Stege) ein sauberes, plangeschliffenes Deckglas aufgelegt. Hierdurch entsteht zwischen dem
Deckglas und dem Boden im Mittelfeld der Kammer ein Raum von genau 0,1 mm Tiefe. Das
Deckglas muss so anliegen, dass an den Auflageflächen Farben dünner Plättchen (Newton-
sche Ringe) zu beobachten sind.
Ein Tropfen verdünnten Blutes wird mit einer Pasteurpipette so an den Rand des Deckglases
gebracht, dass er sich aufgrund der Kapillarwirkung in dem Spalt zwischen Deckglas und
Boden der Kammer ausbreitet. Es dürfen keine Luftblasen vorhanden sein. Nach 3 Minuten
Wartezeit, in der die Erythrozyten sedimentieren, kann mit dem Auszählen begonnen werden.
Hierzu wird zunächst das Zählnetz bei 10-facher Vergrößerung scharf eingestellt und
anschließend werden bei 40-facher Vergrößerung die Zellen ausgezählt.

Auszählung:
Zur Bestimmung der Erythrozytenzahl wird eine Zählkammer nach Neubauer verwendet
(Abb. 2). Das Zählnetz besteht aus 16 Gruppenquadraten, die jeweils 16 Kleinstquadrate mit
einer Seitenlänge von 0,05 mm enthalten. Für die Bestimmung der Erythrozytenzahl werden
80 Kleinstquadrate ausgezählt, deren Anordnung sich aus der Abbildung ergibt. Dabei werden
die jeweils auf der linken bzw. oberen Grenzlinie liegenden Zellen dem untersuchten Quadrat
zugezählt.
Die erhaltenen Werte werden in die beigefügte Wertetabelle eingetragen, diese ist im Original
dem Protokoll beizulegen.

0,25 0,025 0,05


0,2 0,05
1 mm
1 mm
3 mm

Abb.2: Zählkammer nach Neubauer

Auswertung:
Die Zahl der Erythrozyten pro mm3 Nativblut soll berechnet werden. Die erhaltenen Werte
sollen in Abhängigkeit vom Geschlecht der Versuchsperson mit Literaturwerten verglichen
werden.

Zur Berechnung der Erythrozytenzahl muss zunächst das Volumen verdünnten Blutes unter
den ausgezählten Kleinstquadraten bestimmt werden:

Seitenlänge eines Kleinstquadrates: 0,05 mm


Fläche eines Kleinstquadrates: 0,0025 mm2
Höhe der Zählkammer: 0,1 mm

Volumen eines Kleinstquadrates: 0,0025 mm2 ⋅ 0,1 mm = 0,00025 mm3

Es werden 80 Kleinstquadrate ausgezählt.

Volumen von 80 Kleinstquadraten: 0,00025 mm3 ⋅ 80 = 0,02 mm3

Aus dieser Angabe kann unter Berücksichtigung der Verdünnung des Blutes (1:200) die
Erythrozytenzahl in 1 mm3 Blut bestimmt werden.
Wertetabelle

Bestimmung der Erythrozytenzahl

Tabelle:
In die hellen Felder sind die im jeweiligen Kleinstquadrat der Zählkammer bestimmten
Erythrozytenzahlen einzutragen.

Legen Sie diese Tabelle bitte im Original Ihrem Protokoll bei.


Experiment 3:
Bestimmung des Q10-Wertes der Larven von Tenebrio spec.

Der Temperaturkoeffizient Q10


Physiologische und biochemische Prozesse sind temperaturabhängig, da sie auf der
thermischen Beweglichkeit der Teilchen beruhen. Je höher die Temperatur, desto größer ist
die Beweglichkeit der einzelnen Reaktionspartner. Die Intensität der Lebensvorgänge eines
Tieres ist stets von der Umgebungstemperatur bzw. seiner Körpertemperatur abhängig. Der
Temperaturbereich, in dem Tiere leben können, ist begrenzt. Schnelle Temperaturänderungen
um 10 °C innerhalb dieses Bereiches verdoppeln bis vervierfachen i.d.R. die Geschwindigkeit
enzymatischer Prozesse, des aktiven Transports oder auch des Herzschlages. Ändert sich die
Temperatur langfristig, dann treten evtl. Adaptationsvorgänge auf (beispielsweise durch
Änderungen in der Zusammensetzung von Membranen oder über das Enzymmuster).
Die etwa 2- bis 4-fache Geschwindigkeitsänderung von kinetischen Prozessen bei einer
Temperaturänderung von genau 10 °C wurde von van t´Hoff erkannt und als RGT-Regel
(Reaktion-Geschwindigkeit-Temperatur) bezeichnet:

G(t +10 )
Q10 = (Formel 3)
Gt
mit: Gt = Stoffwechselrate bei der Temperatur t
G(t+10) = Stoffwechselrate bei der um 10 °C erhöhten Temperatur

Um diesen Temperaturkoeffizienten Q10 auch bei Versuchen vergleichen zu können, deren


Temperaturdifferenz nicht genau 10 °C beträgt, wird er nach folgender Formel berechnet:

10 S
log Q10 = ⋅ log t1 (Formel 4)
t1 − t2 St 2
mit: St1 = Stoffwechselrate bei der Temperatur t1
St2 = Stoffwechselrate bei der Temperatur t2
t1 = höhere Temperatur in °C
t2 = tiefere Temperatur in °C

Die meisten tierischen Organismen beziehen ihre Energie aus dem oxidativen Abbau von
Fetten, Kohlenhydraten und Proteinen zu CO2 und Wasser. Da Kohlenhydrate sauerstoff-
reichere Verbindungen sind als z.B. Fette, wird bei der Oxidation eines Zuckers zu CO2 und
Wasser weniger Sauerstoff verbraucht, aber auch weniger Energie gewonnen als bei der
Veratmung von Fetten.
Kennt man die Art des veratmeten Substrats, dessen Energiegehalt E (kJ ⋅ g-1) und dessen
spezifischen Sauerstoffbedarf B (µmol ⋅ g-1) sowie den Sauerstoffverbrauch nO2 der Versuchs-
tiere (µmol ⋅ g-1 ⋅ h-1) kann die Stoffwechselrate S wie folgt berechnet werden:

E
S = nO 2 ⋅ (kJ ⋅ g-1 ⋅ h-1) (Formel 5).
B

Stichwortkatalog
Poikilotherme und homoiotherme Tiere, Temperaturoptimum, Q10, innere Atmung: Ort,
veratmete Substanzen, respiratorischer Quotient RQ

Aufgabe:
Mit einem Respirometer können Stoffwechselvorgänge, bei denen ein Gas gebildet oder
verbraucht wird, volumetrisch untersucht werden. Da bei dieser Methode Volumenände-
rungen bei konstantem Druck gemessen werden, muß das Respirometer zum Ausgleich von
Luftdruckschwankungen aus zwei identischen Gefäßen (Messgefäß und Kompensationsgefäß)
bestehen, die über ein Manometer miteinander verbunden sind. Der O2-Verbrauch von Larven
des Mehlkäfers soll bei verschiedenen Temperaturen gemessen und hieraus der Q10-Wert
bestimmt werden.

Durchführung:
Material:
Larven von Tenebrio spec., KOH, Respirometer mit Stativ und Schlauchklemme,
Umlaufkühler, temperierbares Wasserbad, Thermometer, Stoppuhr.

Das Respirometer befindet sich in einem vorher temperierten Wasserbad. Die beiden Einsätze
des Respirometers werden mit je 4 g KOH-Plätzchen gefüllt und mit den Lochböden
verschlossen. Nach dem Einstellen der Einsätze in die Röhren des Respirometers werden in
die Messkammer 10 vorher abgewogene Mehlkäferlarven eingesetzt, in das Vergleichsgefäß
wird ein Plastikstäbchen gegeben, dessen Volumen etwa dem der Larven entspricht. Die
Messkammer wird mit Hilfe des Gummistopfens mit eingesteckter, aufgezogener Spritze
gasdicht verschlossen, die Kompensationskammer mit dem anderen Stopfen. Nach einer
Anpassungszeit von 10 min an die Temperatur des Wasserbades werden die beiden
Silikonschläuche mit der Schlauchklemme gemeinsam und gleichzeitig geschlossen. Der
Kolben der Spritze soll zu diesem Zeitpunkt auf 1 ml stehen. Das Respirometer ist damit
messbereit.
In der Messkammer führt der Sauerstoffverbrauch durch die Larven in Verbindung mit der
CO2-Absorption durch die KOH zu zunehmendem Unterdruck. Hierdurch kann sich die Luft
im Kompensationsgefäß ausdehnen und drückt die Manometersäule in Richtung auf das
Messgefäß. Alle 5 min wird der Spritzenstempel soweit eingeschoben, bis die Manometer-
menisken wieder in gleicher Höhe stehen. Das in 5 min verbrauchte Sauerstoff-Volumen wird
in Millilitern von der Spritzengraduierung abgelesen und in die Messwerttabelle eingetragen.
Weiterhin wird bei jeder Messung die Temperatur bestimmt und protokolliert. Nach 30 min
wird die Messung abgebrochen und die beiden Gefäße werden durch vorsichtiges Öffnen der
Schlauchklemme belüftet. Erst danach können die Gummistopfen entfernt und die Tiere aus
der Messkammer entnommen werden. Die KOH wird am Waschbecken mit viel Wasser aus
den Einsätzen des Respirometers herausgespült (Vorsicht! Ätzend!); die Einsätze werden
anschließend getrocknet.

Auswertung:
In die Wertetabelle werden die Messwerte der anderen Versuchsgruppen eingetragen. Bitte
achten Sie hierbei auf die Kennzeichnung der Tiere! Damit stehen für jede Temperatur, bei
der die Versuche durchgeführt wurden, Messwerte zur Verfügung. Aus den Messwerten bei
einer Temperatur wird der Sauerstoff-Verbrauch je Gramm Frischgewicht der Tiere
(ml⋅gTiere-1) berechnet und gegen die Zeit aufgetragen (bitte Millimeter-Papier verwenden).
Die eigenen Messwerte sollen in dieser Grafik farbig gekennzeichnet werden.

Berechnung des Q10-Wertes


Um den Q10-Wert bestimmen zu können, muss das Gesamtvolumen des veratmeten
Sauerstoffs Vges pro 60 min und Gramm Frischgewicht der Larven (ml⋅g-1⋅h-1) bei jeder
Temperatur tx (x=1,2,3) bestimmt werden. Hieraus kann die Stoffmenge nO2 (µmol⋅g-1⋅h-1) des
verbrauchten Sauerstoffs nach folgender Formel berechnet werden:

V ges 273
n O2 = ⋅ (Formel 6),
0,0224 T
wobei Vges das veratmete Sauerstoffvolumen (ml⋅g Tiere-1⋅h-1), 0,0224 ml µmol-1 der
Umrechnungsfaktor und T die absolute Temperatur ist (273 K + tx), bei der der
Sauerstoffverbrauch gemessen wurde.
Unter der Annahme, dass die Mehlkäfer-Larven überwiegend Kohlenhydrate als Substrat für
die Zellatmung verwenden, ist für den physiologischen Brennwert E = 17,6 kJ⋅g-1, für den
spezifischen O2-Bedarf B = 37500 µmol O2⋅g-1 in Formel 5 einzusetzen. Damit kann die
Stoffwechselrate der Tiere für die 3 verschiedenen Temperaturen berechnet werden. Unter
Verwendung dieser Werte wird der Q10-Wert nach Formel 4 für die Temperaturdifferenzen
bestimmt.
Diskutieren Sie die erhaltenen Ergebnisse hinsichtlich der nach der Theorie zu erwartenden
Werte sowie bezüglich der Fehlermöglichkeiten.
Wertetabelle
Experiment 3: Bestimmung des Q10-Wertes von Larven von Tenebrio spec.

Gewicht der eingesetzten Larven (g Tiere): _____________ = Larvengruppe ________


Gewicht der KOH im Respirometer (g): ______________

Durchschnitts-Temperatur T (°C): ___________

Zeit t Stand des O2-Verbrauch Σ O2-Verbrauch Σ O2-Verbrauch Temperatur T


(min) Kolbens (ml) (ml) (ml⋅g Tiere-1) (°C)
0
5
10
15
20
25
30

Gesamtverbrauch O2 (ml): _____________


Gesamtverbrauch O2 (ml⋅gTiere-1⋅h-1) __________

Messwerte der Larvengruppe bei allen 3 Temperaturen

Bitte übernehmen Sie diese Werte am Ende des Kursnachmitttages von der Tafel!

Σ O2-Verbrauch
T1 (°C) = T2 (°C) = T3 (°C) =
Zeit t (min) (ml) (ml⋅gTiere-1) (ml) (ml⋅gTiere-1) (ml) (ml⋅gTiere-1)
0
5
10
15
20
25
30
O2-Verbrauch (ml)
in 60 min

Bitte legen Sie diese Wertetabelle im Original Ihrem Protokoll bei!


Literatur: Wehner R., Gehring W., Zoologie, 1995, G. Thieme Verlag, Stuttgart (Atmung,
Kreislauf)
Weiterführende Literatur: Eckert R., Tierphysiologie, G. Thieme Verlag, Stuttgart, neueste
Auflage.
Hören

Einleitung

Neben dem optischen Sinn ist das Gehör ein wichtiger Fernsinn. Das gilt insbesondere für den
Menschen, da die Sprache das wichtigste zwischenmenschliche Kommunikationsmittel dar-
stellt. Ausfall des Gehörs beim Kleinkind führt oft zu schweren Verhaltensstörungen, weil die
Möglichkeiten zu sozialen Kontakten behindert sind.

Experimente:

1. Bestimmung der individuellen Hörschwellenkurve

2. Bestimmung der Tonhöhenunterscheidungsschwelle

3. Bestimmung der Schall-Zeitdifferenzschwelle beim Menschen

1
Versuchsanleitungen

Experiment 1:
Bestimmung der individuellen Hörschwellenkurve

Theorie:
Die subjektive Lautstärke von Schall hängt nicht nur vom Schalldruckpegel (sound pressure
level, SPL) ab, sondern ändert sich auch mit der Frequenz des Schalls (vgl. Abb. 1). Das
menschliche Gehör hat seine größte Empfindlichkeit bei Frequenzen zwischen 3 und 4 kHz,
und ist relativ unempfindlich gegenüber sehr niedrigen und sehr hohen Frequenzen. Ab dem
20. Lebensjahr nimmt die Empfindlichkeit für hohe Frequenzen kontinuierlich ab. Frauen
haben in der Regel ein empfindlicheres Gehör, insbesondere bei hohen Frequenzen. Häufiges
Hören lauter Musik kann die Hörschwelle, vor allem im Bereich zwischen 5 und 10 kHz,
permanent um bis zu 30 dB anheben.

Abb. 1: Links: mittlerer Verlauf der Ruhehörschwellenkurve und Schmerzschwellenkurve.


Rechts: Einfluss des Alters auf das Hören hoher Frequenzen.

2
Aufgabe:
Individuelle Bestimmung der relativen Hörschwelle als Funktion der Frequenz reiner Töne.
Vergleich mit der Hörschwellenkurve in Abb. 1 links.

Durchführung:
Material:
Sinusgenerator, Oszilloskop, Verstärker, Schalter und Kopfhörer

In diesem Experiment bestimmen wir die individuelle Ruhehörschwelle für Töne mit den
Frequenzen 100, 150, 250, 350, 500, 700, 1000, 1500, 2000, 3000, 4000, 8000, 12000 und
16000 Hz. Jede Frequenz wird mehrfach wiederholt für ca. 2-3 Sekunden vorgespielt, wobei
die Versuchsperson die Wahrnehmung des Tons signalisiert. Begonnen wird bei einer gut
wahrnehmbaren Lautstärke (nicht zu laut!) und bei jeder Wiederholung wird die Amplitude in
etwa halbiert. Schwellennah wird in feineren Stufen abgeschwächt. Für jede Frequenz wird
die Amplitude des gerade noch wahrgenommenen Tons am Oszilloskop abgelesen.

Die gemessene Hörschwelle hängt entscheidend vom Frequenzgang des Kopfhörers und vom
Niveau der Hintergrundgeräusche der Umgebung ab.

Auswertung:

Das Ergebnis ist graphisch auf halblogarithmischem Papier darzustellen (Abszisse: in


logarithmischem Maßstab die Frequenz; Ordinate: Amplitude der Spannung des Signals in
dB, welche dem Schalldruckpegel entspricht).

⎛ p⎞
Schalldruckpegel SPL [dB] = 20 log⎜ ⎟
⎝ p 0⎠

wobei p die Amplitude des Schalldruckes bezeichnet und p0 einen Referenzschalldruck


(konventionell 2 x 10-5 Pa). Statt des Schalldrucks setzen wir die am Oszilloskop gemessene
Spannung (verhält sich proportional zum Schalldruck) in die Formel ein.
.

3
Experiment 2:
Bestimmung der Tonhöhen-Unterscheidungsschwelle

Theorie:
Die Fähigkeit zwei annähernd gleiche Schall-Reize verschiedener Frequenz zu unterscheiden
wird durch die Tonhöhen-Unterscheidungsschwelle (just noticeable difference, jnd)
angegeben. Zwei Töne können nicht zuverlässig unterschieden werden, wenn sie sich um
weniger als ein jnd unterscheiden. Die Fähigkeit zur Tonhöhenunterscheidung ist nicht bei
allen Frequenzen gleich. Sie hängt von der Frequenzverteilung entlang der Cochlea ab. Der
Mensch kann Tonhöhen unterscheiden, sobald zwischen ihren Orten auf der Cochlea
mindestens sechs innere Haarsinneszellen liegen, was einer Strecke von 0.05 mm entspricht.
Fledermausarten, die nur in einem sehr schmalen Frequenzbereich echoorten, können als
Spezialanpassung eine ‚akustische Fovea‘ bei diesen Frequenzen besitzen, d.h. ein
überproportional großer Abschnitt der Cochlea dient zur Auswertung dieses engen
Frequenzbereiches, wodurch hier die Frequenzunterscheidungsfähigkeit stark erhöht ist.

Aufgabe:
Die individuelle Leistung des Gehörs beim Erkennen von Frequenzunterschieden soll
bestimmt werden.

Durchführung:
Material:
Computer, Powerpointpräsentation und Kopfhörer

Der Computer spielt Gruppen von jeweils vier Tonpaaren vor. Für jedes Tonpaar soll
entschieden und notiert werden, ob der erste Ton höher als der zweite (‚\‘), niedriger als der
zweite (‚/‘) oder gleich hoch wie der zweite Ton war (‚-‘). Die Tonpaare innerhalb einer
Gruppe sind in zufälliger Reihenfolge angeordnet. Nach dem Vorspielen der gesamten
Gruppe wird zum Vergleich die richtige Antwort angegeben (z.B.: ‚ / / \ / ‘). Die nächste
Gruppe von vier Tonpaaren hat eine andere Frequenzdifferenz.
Bis zu welcher Frequenzdifferenz ist es möglich, die Abfolge fehlerfrei festzustellen? Der
Versuch wird für mehrere Frequenzen durchgeführt. Ist die Fähigkeit Tonhöhen zu
unterscheiden bei allen Frequenzen gleich?

4
Auswertung:
Bestimmung der jnd für jede untersuchte Frequenz. Auftragung der jnd über der Frequenz,
wobei in einer Abbildung die absoluten Frequenzunterschiede, in der anderen die relativen
Frequenzunterschiede aufzutragen sind.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Frequenz und dem jnd?

Die graphische Darstellung erfolgt auf halblogarithmischem Papier, das im Kurs gestellt wird.

5
Experiment 3:
Bestimmung der Schall-Zeitdifferenzschwelle beim Menschen

Theorie:
Die Richtung einer Schallquelle lässt sich mit Hilfe des Gehörs sehr genau bestimmen und zur
räumlichen Orientierung nutzen. Die Schallquellenlokalisation in der horizontalen Ebene wird
durch die Unterschiede zwischen den an beiden Ohren eintreffenden Signalen verursacht. Am
wichtigsten sind Laufzeitdifferenzen (∆t), Pegeldifferenzen (∆p) und Phasendifferenzen (∆ϕ)
zwischen den beiden Signalen. Hinzu kommt bei komplexen Signalen eine richtungs-
abhängige Änderung der Klangfarbe ("Kammfilter").

Aufgabe:
Es ist die kleinste Zeitdifferenz zwischen dem Eintreffen eines Schallereignisses an den
beiden Ohren zu bestimmen, die mit einer Zuverlässigkeit von 50% die Lokalisation einer
Schallquelle seitlich der Mediane zulässt.

Durchführung:
Material:
Stethoskop mit Gummischlauch

Die beiden Muscheln eines Stethoskops werden durch einen Gummischlauch verbunden, der
in seiner Mitte mit einer Reihe von Marken (von je einem Zentimeter Abstand) versehen ist.
Der Schlauch wird hinter den Rücken der Versuchsperson geführt. Während auf eine der
Marken mit einem Lineal bzw. Stift vorsichtig geklopft wird, hat die VP anzugeben, ob sie
die Schallquelle rechts, links oder in der Mitte hört.

Auswertung:
Die Marken werden mit Nummern versehen. Bei jeder Nummer wird mindestens 10 mal, in
den kritischen Bereichen 20 mal geklopft und die Antwort "rechts" (+1), "mitte" (0) oder
"links" (-1) notiert. Dabei müssen die Nummern in zufälliger Reihenfolge gewechselt werden.
Anschließend wird für jede Nummer der Mittelwert der +1, 0 und -1 Angaben gebildet und
auf Millimeterpapier über der Nummer der Marken (also über der Entfernung von der ersten

6
Marke) aufgetragen. Aus dieser graphischen Darstellung kann der Nullpunkt und die beiden
50%-Werte (bei +0,5 und -0,5) interpoliert werden.
Aus dem Abstand R der beiden 50%-Werte lässt sich nach folgender Formel die gerade noch
auflösbare Zeitdifferenz Δt berechnen:
Welchem horizontalen Winkel α entspricht diese Reizzeitdifferenz? (vgl. Abb. 2; angenom-
mener mittlerer Ohrabstand d = 17 cm).

R Δs
Δt = =
c c

Schallgeschwindigkeit c = 340 m/s

Abb. 2: Schematische Darstellung des Zustandekommens des interauralen Zeitunter-


schiedes eines Schallsignals. Da der Weg zum abgewandten Ohr um ∆s länger ist, als der
zum der Schallquelle zugewandten Ohr, kommt der Schall dort um ∆s/c später an.

Im Protokoll ist der Versuchsgedanke, die Versuchsanordnung, das direkt mitgeschriebene


Protokoll der Antworten und die Auswertung anzugeben.

Literatur
Eckert, R.: Tierphysiologie, Stuttgart: Thieme-Verlag 2002, 4. Aufl. S. 256-268.
Heldmaier, G., Neuweiler, G.: Vergleichende Tierphysiologie. Band 1 Neuro- und
Sinnesphysiologie, Berlin Springer 2003.
Penzlin, H.: Lehrbuch der Tierphysiologie, Stuttgart: Fischer 2005, 7. Aufl. Kap. 18
Schmidt, R. F., Schaible H.-G.: Neuro- und Sinnesphysiologie, Berlin Springer 2001 Kap. 11.
Zwicker E., Fastl H. Psychoacoustics. Berlin Springer 1999.
Kremer M. (2001) Audite! Akustik-Gehör-Psychoakustik,
http://www.dasp.uni-wuppertal.de/ars_auditus/index.html

7
Tonhöhen-Unterscheidungsschwelle
Unter- Frequenz [Hz]
schied
125 250 500 750 1000 1500 2000 3000 4000 5000 7000 9000
100 %
50 %
25 %
10 %
5%
1%
0,5 %
0,25 %
0,125 %
0,1 %
Graphische Darstellung der Ergebnisse: Frequenz (x-Achse) gegen Schwelle (y-Achse) auftragen. In eine Abbildung Einzelmeßwerte und
Mittelwerte eintragen.
Schall-Zeitdifferenzschwelle
Position Messungen Summe Anzahl Mittelwert
[cm] R=1, M=0, L=-1 ∑ N ∑/N
rechts 10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
-1
-2
-3
-4
-5
-6
-7
-8
-9
links -10
Graphische Darstellung: Position (x-Achse) gegen Antwortmittelwert (y-Achse) aufragen und optisch gemittelte, sigmoide Kurve einzeichnen.
Sehen

Termin: Donnerstag, 17.12.2009, 13 – 17 Uhr, Hörsaal A


Freitag, 18.12.2009, 13 – 17 Uhr, Hörsaal A
Für alle Gruppen des jeweiligen Kurstages gemeinsam!
Achtung: Der Kurs beginnt bereits um 13 Uhr!

Einleitung

Die optische Abbildung der Außenwelt kommt im Auge ähnlich zustande wie das Bild in
einem Fotoapparat. Wir bezeichnen diese Abbildung als Netzhautbild. Ein grundsätzlicher
Unterschied zwischen Auge und Kamera besteht darin, dass das Netzhautbild nicht das
Endprodukt sondern nur ein Zwischenprodukt des Sehvorgangs darstellt: Was wir wahr-
nehmen, ist nicht das Netzhautbild selbst, sondern das, was wir mit Hilfe der Nervenzellen im
Auge und Gehirn daraus machen. Wir konstruieren alle Teile der von uns wahrgenommenen
Umwelt aus den über die Augen und anderen Sinnesorgane aufgenommenen Umweltreizen.

Experimente:

1. Bestimmung der Sehschärfe

2. Unterscheidungsempfindlichkeit für Helligkeiten

3. Demonstration der Herrmann’schen Gittertäuschung und Bestimmung der Größe der


extrafovealen Rezeptiven Felder

4. Aufdecken schwacher Abweichungen der Farbwahrnehmung mittels des


Anomaloskopabgleichs

Protokoll:
Im Protokoll ist jeweils der Versuchsgedanke, die Versuchsanordnung, die direkt
mitgeschriebenen Antworten und Daten mit Auswertung und eine kurze Diskussion
anzugeben.

1
Versuchsanleitungen

Experiment 1:
Bestimmung der Sehschärfe des menschlichen Auges

Theorie:

Unter Sehschärfe versteht man die Fähigkeit des Auges, nahe beieinander liegende
Bildelemente noch als getrennt zu erkennen. Die Sehschärfe nimmt von der Fovea zur
Peripherie des Sehfeldes hin ab. Die Ursache dafür liegt zum einen in der Anzahl der Zapfen
pro Flächeneinheit, die zur Peripherie hin wegen der Größenzunahme dieser Sinneszellen und
wegen der größeren räumlichen Abstände abnimmt. Zum anderen ist die Peripherie der Retina
reich an Konvergenzverschaltungen im Gegensatz zu der 1:1-Relation zwischen Sinneszellen
und ableitenden Neuronen im fovealen Retinabereich.

Aufgabe:
In Kleingruppen soll die individuelle foveale Sehschärfe des menschlichen Auges (minimum
separabile) bestimmt werden.

Durchführung:
Material:
Doppellochblende, Distanzmesser, Leuchtschirm

Die Versuchsperson betrachtet die Doppellochblende, die von einer zweiten Person so
gehalten wird, dass das Licht des Leuchtschirms durch die Löcher von der Versuchsperson
wahrgenommen wird. Nun wird die Distanz zur Versuchsperson so weit erhöht, bis die beiden
Bohrungen nicht mehr getrennt wahrgenommen werden können. Die entsprechende Distanz
wird notiert.

2
Auswertung:
Aus der gemessenen Distanz E und dem Abstand der beiden Bohrungen d lässt sich der
Sehschärfenwinkel α berechnen (vgl. Schemazeichnung):

Distanz zur Doppellochblende E = _____ mm


Abstand der Bohrungen d = 0.6 mm
=> Sehschärfenwinkel α = _____ Winkelminuten
Mittlerer Sehschärfenwinkel aller Versuchsteilnehmer (wird bekannt gegeben):
Mittelwert = _____ Winkelminuten, Standardabweichung = _____ Winkelminuten.

Der durchschnittliche Abstand zwischen dem Knotenpunkt, in dem sich die Lichtstrahlen im
Auge schneiden, und dem Augenhintergrund beträgt beim Menschen 17 mm. Mit dieser
Angabe und durch Umstellen obiger Formel ist es möglich, den räumlichen Abstand der
Netzhautbilder beider Lichtpunkte zu berechnen.

Abstand der Netzhautbilder beider Lichtpunkte = _____ mm

Protokoll:
Berechnen Sie den Abstand der beiden Bildpunkte auf der Retina für Ihre Gruppenmitglieder
und für den Mittelwert aller Kursteilnehmer. Vergleichen Sie das Ergebnis mit Literatur-
angaben zum durchschnittlichen Rezeptordurchmesser in dieser Retinaregion.
Diskutieren Sie die anatomische Grundlage der Sehschärfe.

3
Experiment 2:
Unterscheidungsempfindlichkeit für Helligkeiten und die
Weber-Fechner´sche Regel

Theorie:
Die Erfahrung lehrt, dass die Sinne keine sichere Information über absolute Größen liefern.
Man benutzt zu diesem Zweck deshalb entsprechende Messgeräte. Unterschiede von Größen
können wir jedoch sehr gut feststellen. Die Unterschiedsempfindlichkeit hängt dabei von der
absoluten Größe ab. Auf Ernst Heinrich Weber (1795-1878) geht die Erkenntnis zurück, dass
die kleinste noch wahrnehmbare Abweichung ΔI in vielen Sinnesmodalitäten jeweils ein
bestimmter Bruchteil des gerade wirkenden Reizes I ist.

ΔI / I = c (Weber-Fechner´sche Regel)

Die Konstante c hat je nach Sinnessystem einen anderen Wert. Die Weber-Fechner’sche
Regel gilt etwa beim Heben von Gewichten, beim Vergleich der Länge von geraden Linien
und bei der Wahrnehmung von Helligkeitsunterschieden.

Aufgabe:
Die Gültigkeit der Weber-Fechner´schen Regel soll anhand eines Experiments zur Hellig-
keitsunterscheidung bei verschiedenen absoluten Helligkeiten gezeigt werden.

Durchführung:
Material:
Overheadprojektor; Doppellochblende; Graufilter verschiedener Stärke

Im abgedunkelten Hörsaal werden mittels des Projektors und der Doppellochblende zwei
gleich helle Flächen (gleiche Beleuchtungsstärke I) an die Projektionsleinwand geworfen.
Nun werden auf das eine Loch bis zu vier schwache Graufilter gestapelt, um zu bestimmen,
ab welcher Graufilteranzahl (Beleuchtungsstärke-Unterschied ΔI) die Versuchsteilnehmer
einen Helligkeitsunterschied zwischen beiden Flächen erkennen können. Um Zufallstreffer
auszuschließen, wird jede Graufilteranzahl viermal präsentiert. Notieren Sie jeweils in
untenstehender Tabelle, welche der beiden Flächen (Rechts oder Links) dunkler erscheint.

4
Anschließend werden die tatsächliche Abfolge und die Anzahl der jeweils eingesetzten
Filtergläser bekannt gegeben. Ab welcher Graufilteranzahl haben Sie keine Fehler mehr
gemacht?

Danach wird ein stärkeres Graufilter über beide Löcher gelegt, sodass beide Flächen an der
Projektionsleinwand um einen bestimmten Faktor abgedunkelt werden (Beleuchtungsstärke I
wird verringert), und die Prozedur mit den Graufilterstapeln wiederholt. Der Versuch wird mit
fünf unterschiedlich starken Graufiltern (100%, 50%, 25%, 10% und 0,5% Durchlass), d.h.
bei immer geringerer Beleuchtungsstärke I durchgeführt.

Auswertung:
Tragen Sie hier R ein wenn die rechte oder L wenn die linke Fläche dunkler erscheint.
100% 50% 25%
Anzahl R oder L? korrekt? Anzahl R oder L? korrekt? Anzahl R oder L? korrekt?

10% 0.5%
Anzahl R oder L? korrekt? Anzahl R oder L? korrekt?

Was ist die jeweils niedrigste Anzahl Graufilter bei der Sie keinen Fehler machten?
100% 50% 25% 10% 0.5%
notwendige Anzahl Graufilter
Mittelwert aller Kursteilnehmer

Aus der folgenden Tabelle werden die der notwendigen Anzahl Graufilter entsprechenden
Beleuchtungsstärken abgelesen und daraus jeweils der Quotient ΔI / I errechnet, um die
Gültigkeit der Weber-Fechner’schen Regel zu überprüfen.

Beleuchtungsstärke I in Lux
Anzahl Filter 0 1 2 3 4
100% 8000 7440 6919 6435 5984
50% 4000 3720 3459 3217 2992
25% 2000 1859 1729 1609 1496
10% 800 744 692 643 598
0.5% 40 37 35 32 30

5
Protokoll:
Erstellen Sie eine Abbildung, in welche Sie für alle Gruppenmitglieder getrennt und für den
Mittelwert aller Kursteilnehmer den Quotienten ΔI / I über der Beleuchtungsstärke I
auftragen. Gilt hier die Weber-Fechner’sche Regel?

6
Experiment 3:
Demonstration der Herrmann’schen Gittertäuschung und Bestimmung der
Größe der extrafovealen Rezeptiven Felder

Theorie:
Die Herrmann’sche Gittertäuschung wird an dem Muster von Abb. 1 links sichtbar: die
weißen Streifen erscheinen an den Kreuzungsstellen dunkler. Es handelt sich dabei um einen
subjektiven Effekt, die physikalisch messbare Reflexion der weißen Streifen ist überall
dieselbe. Der Täuschung liegt das allgemeine Prinzip von Wahrnehmungssystemen zugrunde,
Unterschiede herauszuarbeiten: der physikalische Unterschied zweier aneinander grenzender,
verschieden heller Flächen wird durch geeignete retinale Verschaltung (vgl.u.) aktiv überhöht,
sodass die helle Region an der Grenze noch heller, die dunkle noch dunkler wirkt
(Grenzkontrastüberhöhung). Die Täuschung rührt nun daher, dass die weißen Streifen überall
an schwarz angrenzen und durch die Grenzkontrastüberhöhung heller wirken, während an den
Kreuzungen weniger schwarz angrenzt, also auch der Unterschied weniger "überhöht" wird.
Im Vergleich zu den Streifen erscheinen die Kreuzungen daher dunkler. Analog lassen sich
die helleren Kreuzungsstellen der dunklen Streifen in Abb. 1 rechts erklären.

Abb. 1: Zwei Herrmann'sche Gitter

Machen Sie sich bitte den Begriff des rezeptiven Feldes gründlich klar: Alle Rezeptoren, die
auf ein Neuron konvergent verschaltet sind, machen das rezeptive Feld dieses Neurons aus.
Beachten Sie, dass rezeptive Felder stets von der Nervenzelle aus definiert werden, an der

7
man die elektrophysiologische Ableitung (oder eine andere Untersuchung) vornimmt, nicht
von bestimmten Arealen der Rezeptorschicht aus. Ein Rezeptor kann zu rezeptiven Feldern
ganz verschiedener Neurone gehören, und dies auch in verschiedener Funktion. Seine
Zuordnung hängt lediglich davon ab, wohin und in welcher Form das von ihm generierte
elektrische Signal weitergegeben wird.

Die Herrmann'sche Gittertäuschung kann folgendermaßen auf rezeptive Felder zurückgeführt


werden: Die rezeptiven Felder der Neuronen in der Retina sind kreisförmig organisiert, d.h.
diese Neuronen erhalten Meldungen aus einem kreisförmigen Feld von Sinneszellen der
Retina. Dabei wirken die Rezeptoren im Zentrum dieses Kreises erregend, die Rezeptoren des
Umfeldes hemmend auf das Neuron ein, wie es Abb. 2 schematisch darstellt. In den
rezeptiven Feldern überlagert sich also eine „laterale Inhibition“ aus dem Umfeld mit einer
„lateralen Erregung“ im zentralen Feld. An Abbildung 2 wird deutlich, warum die Stärke der
Täuschung von der Breite der Streifen abhängt. Hierbei ergeben sich 3 mögliche Effekte:
Wenn das erregend wirkende Zentrum gerade einen Durchmesser hat, der dem Bild des
weißen Streifens auf der Retina entspricht, wird der Täuschungseffekt minimal. Dann werden
nämlich die erregenden Zentren, auf die das Bild zwischen den Streifenkreuzungen fällt, nur
wenig gehemmt, da der größte Teil des hemmenden Umfeldes auf schwarze Flächen fällt.
(Die Rezeptoren des Umfeldes müssen erregt sein, um das Zentrum zu hemmen!).
Die rezeptiven Felder dagegen, auf die ein Kreuzungspunkt fällt, werden zwar im Zentrum
gleich stark erregt, aber vom Umfeld her stärker gehemmt. Denn das Umfeld hat in der
Streifenkreuzung größere helle Anteile als im Bereich der Streifen.
Hat das Bild der weißen Streifen auf der Retina eine Breite, die dem Durchmesser des
gesamten rezeptiven Feldes, also auch des hemmenden Umfeldes entspricht, so verschwindet
der Täuschungseffekt, da das Umfeld sich nicht mehr wahrnehmbar hemmend auf das
rezeptive Feldzentrum auswirkt.
Abb. 2:
Erklärung der Hermann’schen Gitter-
täuschung mit Hilfe von rezeptiven
Feldern

8
Aufgabe:
Die Herrmann’sche Gittertäuschung kann auf Rezeptive Felder innerhalb der Rezeptor-
verschaltung der Retina zurückgeführt werden. Anhand spezieller Herrmann’scher Gitter soll
die Größe der Zentren dieser Rezeptiven Felder bestimmt werden.

Durchführung:
Material:
Projektor mit Herrmann‘schen Gittern, Sitzplan mit Distanzen zur Leinwand.

Beim Betrachten eines Gitters mit unterschiedlicher Streifenbreite soll die VP feststellen, ob
in den einzelnen Bereichen des Gitters unterschiedlich starke Effekte auftreten. Was
geschieht, wenn man versucht die wahrgenommenen Erscheinungen zu fokussieren?
Anschließend wird durch paarweise Vergleiche einer Reihe Herrmann’scher Gitter
zunehmender Streifenbreite bestimmt, bei welcher Streifenbreite die Gittertäuschung am
stärksten auftritt. Tragen Sie für die beiden jeweils verglichenen Linienbreiten ein, ob der
auftretende Effekt stärker (>), schwächer (<) oder gleich stark (=) ausgeprägt ist.
>,<,=?
Linienbreite in Pixel: 2 6 10 14 18 22 26 30 34 38 42
Linienbreite in mm:

Finden und markieren Sie Ihren Platz auf diesem Sitzplan. Die Zahlen geben den Abstand
ihres Platzes zur Leinwandmitte an (in Metern). Verwenden Sie diesen Wert für Ihre
Berechnungen.
Leinwand
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
1 7 7 6 6 5 5 5 4 4 4 4 4 5 5 5 6 6 6 7 7

2 8 7 7 6 6 6 6 5 5 5 5 5 5 6 6 6 6 7 7 8

3 8 8 8 7 7 7 6 6 6 6 6 6 6 6 7 7 7 8 8 8

4 9 8 8 8 8 7 7 7 7 7 7 7 7 7 7 8 8 8 8 9

5 10 9 9 9 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 9 9 9 10

6 10 10 10 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 10 10 10

7 11 11 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 11 11

8 12 12 12 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 12 12 12

9 13 13 13 12 12 12 12 12 11 12 12 12 12 12 13 13 13

10 13 13 13 12 12 12 12 12 13 13 13

9
Auswertung:
Mit der Formel aus Experiment 1 soll aus der gemessenen Streifenbreite, bei der für Sie der
Effekt am stärksten war, und Ihrer Distanz zur Leinwand die Breite des entsprechenden
Netzhautbildes und damit die Größe des Zentrums des rezeptiven Feldes errechnet werden.
Übernehmen Sie auch die bei Kursende verlesenen Mittelwerte über alle Kursteilnehmer:

Mittlerer Öffnungswinkel aller Kursteilnehmer:


Standardabweichung:

Protokoll:
Erklären Sie, wie die Hermann'sche Gittertäuschung entsteht.
Berechnen Sie, unter Verwendung der Formel aus Versuch 1, den mittleren Öffnungswinkel
und Durchmesser der Zentren der Rezeptiven Felder Ihrer Gruppenmitglieder. Schätzen Sie
anhand des mittleren Öffnungswinkels aller Kursteilnehmer ab, wie viele Rezeptoren das
Zentrum eines solchen Rezeptiven Feldes enthalten dürfte.

10
Experiment 4:
Aufdecken schwacher Abweichungen der Farbwahrnehmung mittels des
Anomaloskopabgleichs

Theorie:
Farbensehen wird die Fähigkeit genannt, verschiedene Wellenlängen des Lichtes zu unter-
scheiden. Das Farbensehen soll hier als Beispiel für eine relativ weit gediehene Systemanalyse
dienen. Bei der Systemanalyse lässt man verschiedene Reize (in diesem Fall Lichter
verschiedener spektraler Zusammensetzung) auf den Organismus einwirken, registriert die
Reaktion (Aussagen der Versuchspersonen über ihre Farbempfindungen) und versucht, aus
diesen Rückschlüsse über die Informationsverarbeitung im Wahrnehmungssystem zu ziehen.
Allein mit Hilfe solcher Versuche haben Thomas Young (Anf. 19. Jhd.) und später Hermann
v. Helmholtz auf die Dreizahl der Farbsehrezeptoren geschlossen. Erst in den 60er Jahren
dieses Jahrhunderts konnten die drei Pigmente der Zapfen direkt nachgewiesen werden (s.
Abb. 3). Diese drei Pigmente (bzw. die drei Typen von Zapfen, die je ein Pigment enthalten)
stellen die einzige Informationsquelle dar, die unserem Auge über die spektrale Zusammen-
setzung des Lichtes zur Verfügung steht. Die Wahrnehmung von Farbe beruht auf
unterschiedlichen Erregungsverhältnissen dieser drei Rezeptoren. Dasselbe Erregungs-
verhältnis und damit dieselbe Farbwahrnehmung kann jedoch durch physikalisch unter-
schiedliche Lichtreize – sogenannte metamere Reize - erzeugt werden.

Abb. 3: Relative Empfindlichkeiten der drei Zapfentypen des Menschen

Es gibt eine Reihe von relativ häufigen Abweichungen des Farbensehens (insges. bei etwa
10 % der Population), die darauf beruhen, dass ein Rezeptortyp fehlt, oder, bei anderen, die
Absorptionskurven verschoben sind. Dies äußert sich unter anderem in einem veränderten

11
Farbunterscheidungsvermögen. Um solche Abweichungen schnell erkennen zu können,
werden Farbtafeln oder der Anomaloskopabgleich angewandt.

Aufgabe:
Mittels des sogenannten Anomaloskopabgleichs werden unter Umständen bislang übersehene
schwache Abweichungen der Farbwahrnehmung bei den VP aufgedeckt.

Durchführung:
Material:
Drei Projektoren, monochromatische Interferenzfilter

Auf ein Feld wird Licht der Wellenlänge 589 nm geworfen. Auf einem zweiten Feld werden
Lichter der Wellenlängen 629 nm und 542 nm gemischt (aus zwei Projektoren übereinander
projiziert). Durch Veränderung der Intensitäten dieser beiden Lichter ist es möglich, auf dem
zweiten Feld fast genau den gleichen Farbeindruck zu erzeugen, wie er auf dem ersten Feld
vom 589 nm-Licht hervorgerufen wird. Das Licht auf diesem Feld (589 nm) und die
Mischung auf dem zweiten Feld sind also metamer. Verschiedene Farbsehstörungen erkennt
man nun daran, dass davon Betroffene ein ganz anderes Verhältnis der beiden
Lichtintensitäten 542 und 629 benötigen als Personen mit normalem Farbsinn.

Weicht Ihr Farbempfinden beim Anomaloskopabgleich vom dem der Mehrheit ab?

nein Ja, das Mischlicht enthält zu viel Rot


Ja, das Mischlicht enthält zu viel Grün

Beim Begriff „Farbmischung“ ist es wichtig, zwei Phänomene auseinander zu halten:


1. Als additive Farbmischung bezeichnet man es, wenn wie im oben vorgeführten Beispiel
Licht von zwei (oder mehr) Projektoren so an die Wand geworfen wird, dass sich die beiden
Leuchtflächen überdecken. Diese Mischung enthält also alle Anteile, die von den beiden
Projektoren ausgestrahlt werden.
2. Subtraktive Farbmischung (Beispiel: Mischung der Pigmentfarben gelb + blau = grün)
kommt zustande, wenn zwei Medien (Pigmente, Farbgläser oder Farblösungen) miteinander
gemischt werden, deren spektrale Durchlassbereiche sich überschneiden. In das Auge gelangt
dann nur solche Strahlung, die von keiner Komponente der Mischung absorbiert wird. Im
Gegensatz zur additiven Farbmischung ergibt sich nur scheinbar eine Mischfarbe, in

12
Wirklichkeit durch selektive Absorption bestimmter Wellenlängen aus einer Mischstrahlung
eine relativ reine Farbe.

Auswertung:
Im Hörsaal wird der Anteil Versuchspersonen mit einer leicht veränderten Farbwahrnehmung
bestimmt.
Anzahl farbschwacher männlicher Kursteilnehmer:
Anzahl farbschwacher weiblicher Kursteilnehmer:

Die häufigste Veränderung des Farbsinns ist die X-chromosomal vererbte angeborene Rot-
Grün-Störung. Männer sind zu 8 Prozent und Frauen zu 0,4 Prozent von einer Rot-Grün-
Schwäche betroffen. Meistens bemerken die Betroffenen die Farbsinnschwäche gar nicht,
weil sie von Geburt an existiert.

Protokoll:
1. Begründen Sie, wie viele Rezeptortypen mindestens vorhanden sein müssen, um
Farbensehen zu ermöglichen.
2. Warum besitzen Männer eine höhere Wahrscheinlichkeit von einer Farbwahr-
nehmungsschwäche betroffen zu sein als Frauen? Begründen Sie Ihre Antwort mit
Hilfe eines einfachen Vererbungsschemas.

Literatur
Eckert, R.: Tierphysiologie Stuttgart: Thieme-Verlag 2002, 4. Auflage, 274-288.
Schmidt, Thews: Physiologie des Menschen Heidelberg Springer-Verlag 2000, 28. Aufl.
Campenhausen C.v.: Die Sinne des Menschen Stuttgart Thieme-Verlag 1993, S. 12-13.

13
Rückgabe 1: Name:

1: Bestimmung der Sehschärfe des menschlichen Auges

Distanz zur Doppellochblende: ___________ cm

2: Unterschiedsempfindlichkeiten für Helligkeiten und die Weber-Fechner’sche


Regel

Anzahl notwendiger Graufilter


100% ______
50% ______
25% ______
10% ______
0.5% ______

hier abtrennen

Rückgabe 2: Name:

3: Demonstration der Herrmann’schen Gittertäuschung und Bestimmung der


Größe der extrafovealen Rezeptiven Felder

Linienbreite mit maximalem Effekt: __________ cm


Distanz vom Sitzplatz zur Leinwand: __________ m

14
134 Biologische Übungen III, Kurs Naturstoffe

Akkumulation und Bestimmung von pflanzlichen Naturstoffen


1. Einleitung

Zellsuspensionskulturen höherer Pflanzen bieten sich als potentielle Arzneistoffproduzenten


an. Sie würden die Herstellung biogener Arzneistoffe erlauben, die unabhängig von Klima,
Jahreszeit, Witterung, Schädlingen und Pflanzenkrankheiten sowie landwirtschaftlicher
Nutzfläche wäre. Zur Anlage der Zellkulturen entnimmt man ein Stück pflanzlichen Gewebes
und kultiviert es in einem speziellen, Phytohormon-haltigen Nährmedium. Es bildet sich ein
Zellhaufen, auch Kallus genannt. Jede Zelle enthält die gesamte genetische Information und
ist somit prinzipiell in der Lage, alle Stoffwechselleistungen des Gesamtorganismus zu
vollbringen. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass die genetische Information die zur Bildung
der gewünschten Sekundärstoffe (hier Cardenolide) zwar vorhanden, aber erst ab einem
gewissen Entwicklungsstadium (Differenzierungsgrad) bestimmter Zellen realisiert werden
muss (Differenzielle Genexpression).

1.1. Experimente:

I. Bestimmung des Cardenolidspektrum von Digitalis lanata Blättern mittels


Dünnschichtchromatographie (DC)
II. Biotransformation in pflanzlicher Zellkultur von Digitalis lanata.

2. Versuchsanleitungen:

2.1. Experiment I : Bestimmung von Cardenoliden mittels DC (ggf. HPLC):

2.1.1.Theorie: Der wollige Fingerhut (Scrophulariacea, Veronicacea) enthält ca. 0,5 bis 1,5%
Cardenolide und wird zur Gewinnung von Lanatosid-C bzw. Digoxin angebaut. Daneben
findet man mehr als 70 Verbindungen, die sich von 5 Aglykonen ableiten: Digitoxigenin (A-
Reihe), Gitoxigenin (B-Reihe), Digoxigenin (C-Reihe, therapeutisch wichtigste Gruppe),
Diginatigenin (D-Reihe) und Gitaloxigenin.

O O
2
R
CH3 R1 R2 R3
H H H Digitoxigenin
3
H H OH Gitoxigenin
CH3 R H OH H Digoxigenin
H OH OH Diginatigenin
H H OCHO Gitaloxigenin
OH
O
1
H
R

2.1.2. Aufgabe: In methanolischen Extrakten aus Blättern von Digitalis lanata werden mittels
DC die Cardenolide bestimmt. Als Referenzsubstanzen dienen die Reinsubstanzen mit
definierten Rf-Werten.
Biologische Übungen III, Kurs Naturstoffe 135

2.1.3. Material/Versuchsdurchführung:

2.1.3.1. Herstellung des Pflanzenextraktes:


• 100 mg getrocknete Digitalis lanata Blätter, im Mörser fein pulverisieren
• 700µL Methanol (MeOH) zugeben
• gut durchmischen (20’’ Vortex) und im Thermoblock bei 70 °C für 5 Minuten
inkubieren.
• Im Eisbad kurz abkühlen,
• mit 350µL Bleiacetatlösung (15%) versetzen, mischen (Vortex) und
• nach 1 Minute mit 350µL 4% Natriumhydrogenphosphat versetzen, gut mischen
(Vortex).
• Zentrifugieren (5 Minuten, max. Drehzahl),
• den Überstand (800µL) in neuem Eppi mit dem halben Volumen (400µL)
Dichlormethan (CH2Cl2) ausschütteln (Vortex).
• Die untere Dichlormethanphase wird in ein neues Eppendorf-Gefäß überführt,
• mit wasserfreien Natriumsulfat (Na2SO4) getrocknet (= Spatelspitze zugeben und in
ein neues Eppendorf-Gefäß dekantieren)
• und anschließend zur Trockne gebracht (im Trockenblock, Abzug).
• Der Rückstand wird in 100 µL MeOH gelöst.

2.1.3.2.DC-Bestimmung:

Schema einer HPTLC-Kammer:

Die DC-Platte wird zum Entwickeln mit der Kieselgelschicht nach unten in die Kammer
eingelegt.
Für die Fließmittelzufuhr sorgt ein Glasfrittenstäbchen (Vorsicht sehr zerbrechlich!), das
aus dem Fließmitteltrog das Fließmittel zur Schicht leitet.

Fließmittel für die DC (=mobile Phase): Für die Chromatographiekammer werden ca. 1,5
ml - 2,0 ml Laufmittel benötigt: Dichlormethan(CH2Cl2):Methanol(MeOH):Destilliertes
Wasser(H2O), gemischt im Volumenverhältnis: 80 : 18 : 2
(bedeutet: 8,0 ml Dichlormethan + 1,8 ml Methanol + 0,2 ml Wasser)

DC-Platte (=stationäre Phase): Kieselgel 60 HPTLC; Fluoreszenz UV;


• Auf die DC-Platte werden verschiedene Konzentrationen (z.B.: 2, 4 und 6 µL)
Pflanzenextrakt aufgetragen
• sowie die gebrauchsfertigen Referenzen (links: Digitoxin, rechts: Digoxin und
Lanatosid C) je 3µL; trocknen lassen.
Der Lauf der DC: Laufstrecke: 5 cm, Laufzeit: ca. 5 – 10 min (Lauf beobachten).
136 Biologische Übungen III, Kurs Naturstoffe

(Der Lauf wird abgebrochen, wenn die Fließmittelfront ca. 1 mm unterhalb des oberen
Randes angelangt ist !)

Entwicklung der DC mit Jensen-Kny-Reagenz:


• kurz tauchen (mit Handschuh !!) im Reagenz (wird gebrauchsfertig bereitgestellt);
• 5 Minuten bei 100°C auf der Heizplatte unter dem Abzug inkubieren,Vorsicht heiss.

2.1.3.3.Auswertung der DC
erfolgt an der DESAGA Apparatur (Assistent) bei 365 nm UV-Licht.

Durch die Bestimmung der Rf-Werte und der


Färbung können die einzelnen Banden
zugeordnet werden:

Der Rest des Pflanzenextraktes wird ca. 1:50 bzw 1:100 mit Methanol (MeOH) verdünnt für
die Bestimmung des Spektrums der Cardenolide (Spektralphotometer, 190 bis 300 nm) bzw.
ggfs. für die HPLC-Analyse verwendet.

2.2. Experiment II: Biotransformation in pflanzlichen Zellkulturen

2.2.1. Theorie:
Digitalis-Zellkulturen können zwar keine Cardenolide synthetisieren, sind aber in der Lage,
exogen zugesetzte Herzglykoside strukturell zu modifizieren. Durch die Wahl eines
geeigneten Substrates kann durch stereo- und regioselektive Hydroxylierung ein neues
Cardenolid gebildet werden. Bei Einsatz ungeeigneter Substrate entstehen unerwünschte
Nebenprodukte.
Biologische Übungen III, Kurs Naturstoffe 137

DT-Digitoxin;
DG-Digoxin;
DC-Desacetyllanatosid C;
PA-Purpureaglykosid A

Zellschema:
2.2.2. Aufgabe:
12-Hydroxylierung und/oder Glucosidierung von Digitoxin (Biotransformaion)

2.2.3. Material:
Pflanzliche Zellkulturen von Digitalis lanata kultiviert in Flüssigmedium bei 25 °C unter
Dauerlicht und 120 upm Schüttler. Vor der Substratzugabe (Digitoxin) ist weder Substrat
noch Produkt in den Zellen und im Medium enthalten.

2.2.4.Versuchsdurchführung

2.2.4.1. Fütterungsexperiment:
Kolben mit pflanzlichen Zellsuspensionskulturen von Digitalis lanata wurden versetzt mit
5 mg Digitoxin (gelöst in DMSO) pro 100 ml Kolben (wurde bereits um 9.00 Uhr zugesetzt,
eine Nullprobe entnommen (0h) und die Aliquots werden bereitgestellt)
Zunächst wird der Ausgangswert zum Zeitpunkt 0h bestimmt, dann nach 3h (11.00 Uhr), 6h
(14.00 Uhr) und 24h je Kolben eine Probe entnommen und damit in der gleichen Weise wie
folgt verfahren:
Zellsuspension filtrieren (Zellen und Medium werden im Trichter mit Papierfilter
voneinander getrennt, beides wird separat weiterverarbeitet! Material steht zur Verfügung).

2.2.4.2. Aufarbeitung des Filtrats (Medium):


• 500µL Filtrat (Medium)
• + 250µL Chloroform (CHCl3)/Isopropanol (Volumenverhältnis 3:2 - gebrauchsfertig!)
• mischen (Vortex),
• zentrifugieren (Tischzentrifuge max. Drehzahl, 5 Minuten, Phasentrennung),
• organische Phase (= untere Phase!) in ein neues Eppendorf-Gefäß pipettieren,
• trocknen durch Abblasen (im Trockenblock im Abzug),
• aufnehmen in 100 µL Methanol, vortexen (MeOH) = Medium zum Zeitpunkt Mo
bzw. Mx;(x=3,6,24 h)

2.2.4.3. Aufarbeitung der Zellen:


ca. 400 mg Zellen (=Rückstand auf dem Filterpapier) in Eppendorf-Gefäß wurden
eingewogen und stehen fertig zur Verfügung.
• doppelte Menge (= 800 µL) MeOH zugeben,
• 30 Sekunden mischen (Vortex),
• 5 min im Ultraschallbad bei einer Temperatur von 40°C (Minirückflussreaktion)
inkubieren,
138 Biologische Übungen III, Kurs Naturstoffe

• noch einmal 30 Sekunden mixen (Vortex),


• Zellrückstand danach abzentrifugieren (Tischzentrifuge max. Drehzahl, 5 Minuten),
• Überstand abpipettieren in ein neues Gefäß = Extrakt zum Zeitpunkt Zo bzw. Zx;
• (x=3,6,24 h)

2.2.4.4. DC-Auftrennung
Fließmittel für die DCs: Ethylacetat : Methanol (MeOH) : Destilliertes Wasser (H2O)
werden im Volumenverhältnis 81 : 11 : 8 gemischt (Reihenfolge !), d.h. 8,1 ml
Ethylacetat + 1,1 ml Methanol + 0,8 ml Wasser.
Für jede Chromatographiekammer werden ca. 1,5 ml - 2,0 ml Laufmittel benötigt.
DC-Platte: Kieselgel 60 HPTLC; Fluoreszenz UV; (weitere Informationen siehe 2.1.3.2.)
Alle erhaltenen Proben werden gesammelt und auf zwei DCs mittels Kapilaren
aufgetüpfelt (eine DC mit Referenzen und der Proben für die Zellextrakte, analog für die
Proben Medium).

• Auf die Medium DC-Platte werden 20 µL Medium (von allen genommenen Zeitpunkten)
punktförmig und in mehreren Schritten aufgetragen und gegebenfalls mit dem Fön
trocknen, mit den gebrauchsfertigen Referenzen: Digitoxin 3 µL (links); Digoxin 3 µL
(rechts) gleich verfahren.
• Auf die Zellextrakt DC-Platte werden 30 µL der jeweiligen Zeitpunkte analog wie oben
aufgetragen, sowie die gebrauchsfertigen Referenzen: Digitoxin 3 µL (links); Digoxin 3
µL und Lanatosid C 3 µL (rechts).

Der Lauf der DCs: Laufstrecke: 5 cm, Laufzeit: ca. 5 – 10 min


(Der Lauf wird abgebrochen, wenn die Fließmittelfront ca. 1 mm unterhalb des oberen
Randes angelangt ist!). DC an der Luft trocknen lassen (evtl. Heizplatte)

2.2.4.5. Detektion der DCs mit Jensen-Kny-Reagenz (gebrauchsfertig!):


• kurz tauchen (mit Handschuh !) im Reagenz;
• 5 Minuten bei 100°C auf der Heizplatte unter dem Abzug inkubieren (Vorsicht heiss !).

Jensen-Kny-Reagenz wird bereitgestellt von den Assistenten und enthält:


• Lösung A: 3% ChloraminT-Lösung in Wasser (frisch);
• Lösung B: 25% Trichloressigsäure(TCA)/Ethanol,

2.2.4.6. Auswertung der DCs


erfolgt an der DESAGA Apparatur (Assistent) bei 365 nm UV-Licht.

Medium:
Digitoxin nimmt ab, Purpureaglycosid A ist
nicht nachweisbar.
Digoxin kann aufgrund Diffusion nach einem
Zeitraum von 24 Std. auch im Medium
detektiert werden.
Biologische Übungen III, Kurs Naturstoffe 139

Extrakt:
Digitoxin ist nach einer und zwei Std. in den
Zellen vorhanden, nach drei Std. kaum mehr
nachweisbar. Purpureaglycosid A nimmt
langsam zu, d.h. Digitoxin wird in die Zellen
aufgenommen und langsam in
Purpureaglycosid A (gleicher Rf-Wert wie
Lanatosid C!) umgewandelt. Als
Nebenprodukt treten möglicherweise Digoxin
und Desacetyl-Lanatosid C auf. .

3. Literatur:

Reinhard, Pharm. Biologie, WVG, Stuttgart, 2001


Kreis et al. Biotechnologie der Arzneistoffe, DAV Stuttgart, 2001
Wagner et al. Drogenanalyse Springer Verlag, Heidelberg, 1983
Adam Becker, Analytik biogener Arzneistoffe, Bd.4, WVG Stuttgart, 2000
Kreis et al. Cardenolide Biosynthesis in Foxglove. Planta Medica 64, 491-499, 1998
Luckner, Wichtl Digitalis. Monografie, WVG, Stuttgart, 2000
Roth et al. Giftpflanzen-Pflanzengifte Nikol-Verlag Hamburg, 1994
Schilcher, Kammerer Leitfaden Phytotherapie, Urban-Fischer V., Jena, 2000

Internet:
http://www.biologie.uni-erlangen.de/pharmbiol/index.html (Einloggen: student; PW:pharmbio )
http://www.i-a-s.de/IAS/botanik/d20/20.html

Kursverantwortlicher: Dr. F. Müller-Uri, B1, R.02.583, Tel. 85-28251


140 Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese

Photosynthese

1 Einleitung

Die Photosynthese ist der bedeutsamste biochemische Prozess auf der Erde, er liefert die
organische Substanz (Kohlenhydrate aus CO2 und Wasser), die letztlich Grundlage für das
Leben auf der Erde ist. Jährlich werden 5x1011 Tonnen organisches Material gebildet, die
Hälfte davon durch Phytoplankton.

Im Wesentlichen lassen sich die komplexen Vorgänge beim Ablauf der Photosynthese in
„Licht“- und „Dunkel“-Reaktion untergliedern.
Der lichtabhängige Teilprozess, der bei Pflanzen im Thylakoidlumen und der Thylakoid-
membran stattfindet, ist gekennzeichnet durch die Aufnahme der Photoenergie mit Hilfe von
Pigmenten, insbesondere dem Chlorophyll, und die Bildung von Reduktions- und Energie-
äquivalenten.
Diese werden in einem nicht direkt vom Licht abhängigen enzymatischen Reaktionskreislauf
für die Reduktion von CO2 und die Herstellung von Zucker (Fructose-6-P) verwendet, sowie
für die Regeneration des CO2-Akzeptors Ribulose-1,5-bis-Phosphat. Dieser Calvin-Zyklus
(oder „reduktiver Pentosephosphatweg“) findet im Chloroplastenstroma statt.
Während Ribulose-1,5-bis-Phosphat den C3-Pflanzen als primärer Akzeptor dient (der dann
sofort gespalten wird in zwei Moleküle 3-Phospho-Glycerat, einem C3-Körper, daher der
Name), fixieren C4-Pflanzen CO2 im Cytoplasma an Phosphoenolpyruvat (wodurch Oxal-
acetat und im Folgenden Malat entstehen, beides C4-Körper) bevor das CO2 letztlich auch
wieder im Chloroplasten auf Ribulose-1,5-bis-Phosphat übertragen wird.

Das Zusammenspiel dieser Reaktionsglieder und ihre Abhängigkeit von der Lichtintensität
und einem spezifischen Photosythese-Hemmstoff soll anhand der folgenden Experimente an
der einzelligen Grünalge Chlorella untersucht werden.
Dabei wird zum Einen direkt die Sauerstoffproduktion als Maß für die Photosyntheseleistung
gemessen, zum Anderen wird pH-metrisch die Änderung der CO2-Konzentration bei Belich-
tung und im Dunkel bestimmt.
Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese 141

Experimente:
1. Polarografische Bestimmung der photosynthetischen Sauerstoffbildung in Abhängigkeit
von der Lichtquantität.
2. Bestimmung der CO2-Ab-/Zunahme bei Hell/Dunkel in einer wässrigen Lösung über die
Änderung des pH-Wertes.
3. Wirkung des Herbizids DCMU.

Versuchsanleitung

Theorie: Polarographie und Sauerstoffelektrode


Sauerstoffelektroden werden angewandt, um den Sauerstoffgehalt in den verschiedensten
biologischen Präparationen zu messen. Dabei ist die Clark-Elektrode das bevorzugte System.
Dieses besteht im vorliegenden Fall aus einer Blei-Anode, einer Silber-Kathode und KOH als
Elektrolyt (VORSICHT, ätzend!). Ist Sauerstoff vorhanden, wird dieser (bei Anlegen einer
definierten Vorspannung) an der Silber-Kathode reduziert und die Elektrode liefert einen
Strom der proportional zur Menge des reduzierten Sauerstoffs ist. Dabei wird nur physikalisch
im Wasser gelöster Sauerstoff reduziert, der durch die Membrane diffundieren kann, welche
den Reaktionsraum (Elektroden und Elektrolyt) vom umgebenden Messraum abschließt und
selektiv gelöste Gase (keine Ionen) passieren lässt. Die Vorspannung garantiert, dass von den
gelösten Gasen spezifisch nur Sauerstoff elektrochemisch reaktiv ist (und nicht etwa Stick-
stoff o.a.).

Eichung:
Beide Elektroden wurden bereits vorab geeicht. Die angewendeten Verfahren sind im Folgen-
den kurz beschrieben.

pH-Elektrode:
Die pH-Elektrode wird mit zwei Pufferlösungen definierten pH-Werts geeicht. Dabei wird bei
pH 7,0 ein Festwert abgeglichen und auf pH 4,0 die Steigung eingeeicht.
142 Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese

Sauerstoffelektrode:
Eine schnelle und bequeme Methode der Eichung ist die Messung der Elektrodenansprech-
barkeit auf eine bestimmte Menge Sauerstoff, wie z.B. durch ein bestimmtes Volumen luftge-
sättigten dest. Wassers bei einer gegebenen Temperatur. Die allgemeine Formel lautet:

% O2 (Atm.) x (Luftdruck(mmHg) – Dampfdruck H2O (mmHg)) x αO2 x 103

VO2 (µl O2/ml) = _________________________________________________________

760 (mmHg)

% O2 (Atm.) = 20,94% = 0,2094


Durchschnittl. Luftdruck = 760 mmHg
Dampfdruck H2O = 18 mmHg (20°C) bzw. 32 mmHg (30°C)
α O2= Bunsenscher Absorptionskoeffizient = 0,0309 (20°C) bzw. 0,0255 (30°C)

In 1 ml luftgesättigtem Wasser sind demnach bei 20°C 6,32 µl O2 gelöst. Da 1 Mol eines
Gases 22,4 l einnimmt, gilt: 6,32 µl O2/ml = 0,282 µMole O2/ml. In 1 ml luftgesättigtem Was-
ser sind also unter den oben genannten Bedingungen etwa 0,275 µMole O2 gelöst.

Algenmaterial:
150 ml Chlorella kessleri, die bei 22°C im Dauerlicht unter CO2-Begasung zu einer O.D.542
von 2-3 angewachsen waren.
Die Algen wurden dann auf eine O.D.542 von 10 eingestellt und ca. eine Stunde im Dunkel mit
Stickstoff begast.
Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese 143

Experiment 1:
Polarografische Messung der photosynthetischen
Sauerstoffentwicklung in Abhängigkeit der Beleuchtungsstärke

Aufgabe:
Die schnelle, direkte Messung der photosynthetischen Sauerstoffentwicklung mit der Clark-
Elektrode und ihre unmittelbare Aufzeichnung über einen Computer soll experimentelle
Daten über die Abhängigkeit der Photosynthese von einem exogenen Faktor, hier der Licht-
intensität, liefern.

Durchführung:
Aufrufen des Messprogramms am Laptop.
Konfiguration „O2” laden.
File-Name eingeben.
Eingeben der Gruppennummer im Kommentarfeld.
Einschalten der Schwanenhalslampe.

Absaugen des Puffers (Wasserstrahlpumpe).


Einfüllen von 12 ml Algen (zuvor braune Flasche vorsichtig schwenken).
Einmessen des Lichtwertes mit dem Luxmeter.
Messung der O2-Entwicklung (bis über mehrere Minuten ein linearer Anstieg der Kurve zu
verzeichnen ist).
Einmessen eines zweiten Lichtwertes mit dem Luxmeter.
Messung der O2-Entwicklung mit den selben Algen.
Stoppen der Messung am Computer (dadurch wird das File abgespeichert).

Aufrufen des „Data-Display”-Programms. Öffnen des Messfiles.


Wenn nötig Einstellen der Achsenwerte und Linenanzahl; drucken.
Steigungskurve ausmessen, O2-Menge errechnen.

Absaugen der Algen, neue Messung wie oben.


144 Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese

Im Einzelnen:

1. Messung 12.000 Lux, dann


8.000 Lux
2. Messung 16.000 Lux, dann
4000 Lux jede Messung 6 bis 8 Minuten
3. Messung 20.000 Lux, dann
1.000 Lux
4. Messung 30.000 Lux, dann
Dunkel

Wichtig: Beim Einmessen der Lichtmengen immer den ungefähr gleichen Abstand (ca 9 cm)
der Öffnung des Schwanenhalses von der Messkammer einhalten. Der Lichtfokusschalter
sollte auf Streulicht gestellt sein.

Auswertung (Grafik):
Änderungen der Sauerstoffkonzentration (in Mol/l umrechnen!) gegen die Lichtmenge auftra-
gen.
Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese 145

Experiment 2:
CO2-Verbrauch bei der Photosynthese

Aufgabe:
Zur gleichmäßigen Versorgung mit Kohlendioxid in einem geschlossenem System kann man
eine Hydrogencarbonatlösung verwenden:

HCO3- + H2O → H2CO3 + OH-

H2CO3 → CO2 (gelöst) + H2O

Aus den Formelgleichungen, die den Zusammenhang zwischen Kohlendioxid und den
Hydrogencarbonationen erklären wird erkenntlich, dass bei einem Verbrauch von Kohlen-
dioxid durch die Photosynthese sich der pH-Wert der Lösung ändert.
Eine Methode, die den Verlauf der pH-Wert-Änderung bei der CO2-Assimilation erfassen
kann, ist die Messung mit Hilfe eines pH-Meters.

Durchführung:
Das Messprogramm mit der Konfiguration „pH” neu starten.
Die Apparatur wird mit 12 ml Algen befüllt.
Belichtung: 5 min 20.000 Lux, anschließend 5 min abdunkeln.
(bei den Dunkelzyklen die Lampe NICHT ausschalten! Lebendauer der Halogenbirne!)

Diesen Hell-Dunkel-Zyklus viermal wiederholen.

Die pH-Werte am Ende der jeweiligen Phasen (Hell oder Dunkel) während der Messungen
vom pH-Meter direkt ablesen, in eine Tabelle eintragen und aus den Änderungen den
Verbrauch von CO2 berechnen.
146 Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese

Auswertung:
Aus der Veränderung des pH-Wertes ist die Änderung der Bicarbonatkonzentration zu ermit-
teln. Daraus wiederum ist auf den Verbrauch an Gesamt-CO2 zu schließen. Die gemessenen
(logarithmischen) pH-Werte müssen zunächst in CH+-Werte umgerechnet werden (s.Tab.).

Zeit Belichtung pH-Wert pOH-Wert COH– ΔCOH– ≡ ΔCCO2

0 min [Start pH]


5 min – (nach 5 min
dunkel)
10 min + (nach 5 min
hell)
15 min – (nach 5 min
• dunkel)


•etc

Aus dem negativen dekadischen Logarithmus der Protonenkonzentration kann über das
Ionenprodukt des Wassers ein negativer dekadischer Logarithmus der Hydroxylionenkonzen-
tration angegeben werden. Die Differenzen der daraus berechneten molaren Hydroxylionen-
menge entsprechen der Menge an fixiertem (oder gebildetem?) CO2 nach den jeweiligen Hell-
und Dunkelphasen.
Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese 147

Experiment 3:
Wirkung des Herbizids DCMU

Aufgabe:
Auch für die Erforschung der Photosynthese spielen Hemmstoffe eine wichtige Rolle. DCMU
(3(3,4-Dichlorophenol)-1,1-dimethylharnstoff), ein Herbizid, wurde vor einigen Jahren in die
Photosyntheseforschung eingeführt. Bereits bei einer Konzentrationen von 10-9 M hemmt es
die photosynthetische Sauerstoffentwicklung. Dies soll mit Hilfe der Sauerstoff- und der pH-
Elektrode verfolgt werden.

Durchführung:
Das Messprogramm mit der Konfiguration "Kurskonfig" neu starten.
Die Apparatur wird neu mit 15 ml Algen befüllt.
5 - 6 min 20.000 Lux.
Zugabe von DCMU (10-6 M Stammlösung) mittels einer Spritze über die Deckelöffnung
(Endkonzentration in der Algensuspension: 2x10-8 M).

Auswertung:
Beobachtung protokollieren und diskutieren.

Literatur: G. Richter, Biochemie der Pflanzen, 1996, G. Thieme Verlag, Stuttgart


Hans Heldt, Pflanzenbiochemie, 1999 Spektrum Verlag, Heidelberg
Weiterführende Literatur: D.W. Lawlor, Photosynthese, 1990, G. Thieme Verlag, Stuttgart.
148 Biologische Übungen III, Kurs 11 Photosynthese

Testatbogen: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und


alle Namen der Gruppenmitglieder (1-4) eintragen. Den unterzeichneten
Testatbogen können Sie dann so zerschneiden, dass jede(r) beim Abholen
der Scheine (Sekr. Biochemie) einen Abschnitt vorlegen kann.

Versuch: Photosynthese
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Franz Klebl, A1-01.333


--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: Photosynthese
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Franz Klebl, A1-01.333


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: Photosynthese
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Franz Klebl, A1-01.333

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: Photosynthese
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum: Franz Klebl, A1-01.333


150 Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen

Licht- und Schwerkraft gesteuerte Bewegungsreak-


tionen bei Einzellern und Höheren Pflanzen

1 Einleitung
Licht und Schwerkraft spielen bei der normalen Entwicklung und dem Wachstum von Höhe-
ren Pflanzen eine bedeutende Rolle. Bei den Bewegungsreaktionen wird zwischen Nastien
und Tropismen unterschieden. Bei Nastien erfolgt eine Reaktion unabhängig von der Reiz-
richtung. Ein Beispiel ist die Photo- und Thermonastie von Krokusblüten. Im Gegensatz dazu
bezieht die Reaktion bei einem Tropismus die Reizrichtung mit ein. Beispiele sind der Photo-
und Gravtropismus, bei denen zwischen einer positiven („auf die Reizquelle zu“) und einer
negativen Antwort („von der Reizquelle weg“) unterschieden wird. In den letzten Jahren hat
es wesentliche Fortschritte bei dem Verständnis der beteiligten Signaltransduktionsketten ge-
geben. Beim Phototropismus sind flavin-bindende Proteine bei der Signalaufnahme beteiligt,
während beim Gravitropismus Amyloplasten der Reizperzeption dienen. In beiden Fällen ba-
siert die zu beobachtende Wachstumsreaktion auf einer Auxinquerverlagerung im Spross oder
der Wurzel. Im Kurs sollen Versuche zum Photo- und Gravitropismus der Pflanzen durchge-
führt werden.
Im Gegensatz zu der differenziellen Wachstumsregulation der Höheren Pflanzen haben die
Licht- und Schwerkraftgesteuerten Bewegungsreaktionen bei einzelligen, freibeweglichen
Flagellaten das Ziel, den Zellen das Aufsuchen von Bereichen in der Wassersäule zu ermögli-
chen, die optimal für Wachstum und Reproduktion sind. Diese Zellen spielen als primäre
Produzenten in den aquatischen Ökosystemen eine herausragende Rolle. Zusätzlich nimmt
man an, dass sie durch die Kohlendioxidfixierung bei der Photosynthese auch eine große Be-
deutung für die Klimakontrolle haben. Einer dieser Flagellaten, Euglena gracilis, ist in den
letzten Jahren intensiv untersucht worden. Bei der Phototaxis, der Orientierung in Bezug auf
die Lichtrichtung (auch hier wird analog zum Tropismus zwischen einer negativen und positi-
ven Reaktion unterschieden) ist ein kleines Organell, der paraxonemale Körper (PAB), an der
Reizaufnahme beteiligt. In diesem Organell sind die Photorezeptormoleküle parakristallin
geordnet. Während der Vorwärtsbewegung der Zellen ist eine Rotation um die Längsachse zu
beobachten. Bei einer nicht orientierten Zelle kommt es bei dieser Rotation zu einer periodi-
schen Modulation der Absorptionswahrscheinlichkeit der chromophoren Gruppen der Photo-
rezeptormoleküle. Man nimmt an, dass bei maximaler Absorption eine Reorientierungsbewe-
Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen 151

gung erfolgt. Das zu erwartende zweite Absorptionsmaximum wird durch eine farbige Struk-
tur, dem Stigma, die in einer fixen Positionierung zum PAB angeordnet ist, unterdrückt.
Bei der Schwerkraft-abhängigen Reaktion, der Gravitaxis, nimmt man an, dass der gesamte
Zellkörper als Rezeptor dient. Bei der Sedimentation des Zellkörpers, der etwas schwerer als
das umgebende Wasser ist, wird eine Kraft auf die untere Membran ausgeübt, die mechano-
sensitive Kanäle in der Membran aktiviert. Die resultierende Membranpotentialänderung führt
zu einer Reorientierungsreaktion. Sowohl Photo- als auch die Gravitaxis werden im Kurs so-
wohl einzeln als auch im Zusammenspiel untersucht.

Experimente:

1. Gravitropismus von Phaseolus coccineus (Feuerbohne) Sprossen


2. Der AVENA-Sektionszylindertest
3. Orientierung von Euglena gracilis im Licht- und Schwerefeld
4. Einfluss von Umweltfaktoren auf die Orientierung von Euglena gracilis
152 Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen

1. Versuch: Gravitropismus von Phaseolus coccineus


(Feuerbohne) Sprossen

Aufgabe:
Die gravitropische Krümmungsbewegung eines jungen Bohnensprosses soll induziert und
über mehrere Stunden beobachtet werden. Außerdem ist mit Hilfe von Tuschemarkierungen
die Wachstumszone des Sprosses zu identifizieren.

Material:
Feuerbohnen, Stativ, Kühlerklemmen, Muffen, Projektionsbrettchen, Unterlage, Grashalm,
Tesafilm

Durchführung:
Der Spross einer kräftigen Bohne wird zunächst mit Tuschstrichen im Abstand von 1 cm
markiert, die Sprosslänge bis zum Ansatz der Kotyledonen (L0) bestimmt und die Sprossspit-
ze durch Aufkleben eines etwa 3 cm langen trockenen Grashalms senkrecht verlängert.
Die Topfpflanze wird über eine Kühlerklemme mit einem Stativ verbunden und in Horizon-
tallage gebracht. Die Bohne bleibt bis Versuchsende in dieser Stellung. Notieren Sie die Null-
zeit und übertragen Sie im Abstand von 10 min die Sprossstellung auf das Millimeterpapier
des Projektionsbrettchens (zu Beginn und während der Umkehr der Krümmungsrichtung ist
es vorteilhaft im Abstand von 5 min zu messen).

Auswertung Versuch 1
a. nach ca. 2 h:
Nehmen Sie das Millimeterpapier vom Projektionsbrettchen und bestimmen Sie die Krüm-
mungswinkel. Stellen Sie die gemessenen Werte gegen die Zeit graphisch auf Millimeterpa-
pier dar. Beschriftung der Achsen nicht vergessen!
Bestimmen Sie:
1. die Zeit, innerhalb der noch keine Aufwärtskrümmung des Sprosses beobachtet werden
kann (Latenzzeit).
2. die Zeit, die vom Krümmungsbeginn bis zur Hälfte des auszuregelnden Winkels benötigt
wurde (Halbwertszeit der Krümmungsbewegung).
Falls während der Versuchzeit schon Überschwingungen auftraten:
Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen 153

3. die Zeit von der Waagrechten (Krümmungsbeginn) bis zum Erreichen der Senkrechten.
4. die Zeit vom ersten Passieren der Senkrechten bis zur Umkehrung der Bewegung beim
maximalen Überschwingwinkel, usw..
Bestimmen Sie gegebenenfalls die Periodenlänge der Schwingung. Um welchen Faktor sind
die maximalen Überschwingwinkel kleiner als der Ausgangswinkel. Tritt eine Dämpfung ein?
b. nach ca. 24 h (Versuch vom Vortag !)
Bestimmen Sie die Sproßlänge (L24) der Pflanze des Versuchsvortages und messen Sie den
Abstand der Tuschemarkierungen.
Stellen Sie das relative Wachstum (Längenzuwachs pro Sproßeinheit) gegen die Position auf
der Sproßachse dar und kennzeichnen Sie in diesem Diagramm das Auftreten der Krümmung.
154 Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen

2. Versuch: Der AVENA-Sektionszylindertest (Bonner 1933)


Auxin spielt beim Photo- und Gravitropismus eine Rolle. In diesem Versuch soll die Wirkung
von Auxins untersucht werden. Phytohormone werden häufig in biologischen Testverfahren
qualitativ und quantitativ untersucht. Für Auxine stellt der Sektionszylindertest neben dem
Avena-Krümmungstest (nach Went) ein empfindliches Testverfahren für Auxine dar. Dabei
wird ausgenutzt, dass das Längenwachstum von isolierten Koleoptilensegmenten fast aus-
schließlich auf Zellstreckung beruht. Endogenes Auxin wird rasch enzymatisch abgebaut;
dekapitierte Koleoptilen wachsen bzw. strecken sich daher kaum und sind auf eine Auxinzu-
fuhr von außen angewiesen.

Material:
Keimlinge von Avena sativa, IES = Indol-3-Essigsäure-Lösungen, 2 %ige Saccharose-
Lösung, Rasierklingen, Petrischalen, Pinzette, Präpariernadel, Millimeterpapier

Durchführung:
Vorkultur (erfolgt durch Kursleiter)
Etwa 100 Avena-Karyopsen werden 12 Stunden in dest. H2O gequollen; die Keimung erfolgt
anschließend bei Raumtemperatur (4 Tage; ohne Beleuchtung).
Versuchsdurchführung

Abb.1: Präparation der Koleoptilen

60 Koleoptilen mit einer Segmentlänge von etwa 2 cm werden für diesen Versuch aus der
Vorkultur ausgesucht. Die Hafer-Keimlinge werden dekapitiert (d.h. die oberen 5 mm der
Koleoptilenspitze werden abgetrennt) und ein genau 1 cm langes Segment hinter der Schnitt-
stelle mit einer Rasierklinge abgeschnitten.
Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen 155

Mit einer Präpariernadel wird das Primärblatt ausgestoßen und mit einer Pinzette vollständig
herausgezogen (siehe Abb.1).
Je 10 Segmente werden in Petrischalen überführt, die mit 10 ml folgender IES-Lösungen ge-
füllt wurden:
IES-Konzentrationen: 0,0 / 0,0001 / 0,01 / 0,1 / 1,0 / 10,0 mg l-1 in 2 %iger Saccharose-
Lösung.
Die derart vorbereiteten Petrischalen werden im Dunkeln bei Raumtemperatur inkubiert.
Achtung: Sie bereiten den Versuch für den folgenden Kurstag vor und werten den Ansatz des
vorhergehenden Kurstages aus. Bitte arbeiten Sie so sorgfältig wie möglich!

Auswertung:
Nach 24 Stunden wird die Segmentlänge gemessen und die Mittelwerte des prozentualen Zu-
wachses der Segmentlänge in einem Graph gegen die Konzentration an IES abgetragen.

IES-Konz. Segmentlänge [mm] Mittelwert Prozentualer


[mg l-1] [mm] Zuwachs [ %]
0,0
0,0001
0,01
0,1
1,0
10,0

Diskussion
Wie schätzen Sie die Genauigkeit des Testes ein, welche Fehler können das Testergebnis ver-
fälschen, kennen Sie noch weitere biologische Tests auf Auxine?
156 Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen

3. Versuch: Orientierung von Euglena gracilis im Licht- und


Schwerefeld

Aufgabe:
Die Orientierung an verschiedenen Reizen soll mit Hilfe einer modernen Bildverarbeitungsan-
lage computergesteuert analysiert werden.

Material:
Euglena gracilis Kultur (dunkel- und helladaptiert), Glasplatten, Spatel, Vaseline, Pipette,
Mikroskope, Bildverarbeitungsanlage, Projektorlampe, Neutralgläser.

Durchführung:
Eine ausführliche Vorstellung und Erklärung des Programms erfolgt im Rahmen des Kurses.
Bitte bringen Sie eine oder mehrere 3.5 Zoll Disketten mit.
1 kleine Glasplatte (50 x 50 mm) wird an allen vier Seiten dünn mit Vaseline bestrichen. Auf
die Glasplatte werden etwa 2 ml Kultur (hell- oder dunkeladaptiert) pipettiert. Durch vorsich-
tiges Auflegen einer zweiten Glasplatte und leichtes Andrücken entsteht so eine geschlossene
Küvette, die in den folgenden Versuchen verwandt wird.
a. phobische Reaktionen:
Durch Regulation der Mikroskoplampe kann die Lichtintensität des Beobachtungslichtes
rasch variiert werden. Wie reagieren die Organismen auf eine schnelle Erhöhung bzw. Ernied-
rigung der Lichtintensität ? Protokollieren Sie die Veränderungen des Schwimmverhaltens !

b. Orientierung im Lichtfeld (Phototaxis)


In diesem Versuche wird das Beobachtungslicht durch einen Rotfilter (RG 715) gefiltert
(Warum?). Zu Beginn wird die Orientierung der Organismen in Dunkelheit gemessen. Dies
geschieht mit Hilfe der computergesteuerten Bildverarbeitung.
-2
Anschließend werden die Zellen mit 1, 10, 100, 1000 W m Weißlicht seitlich bestrahlt und
die Orientierung wird gemessen. Der Versuch wird sowohl mit hell- als auch mit dunkeladap-
tierten Zellen durchgeführt.

c. Orientierung im Schwerefeld (Gravitaxis)


Eine Küvette (siehe oben) wird in einem horizontal orientierten Mikroskop befestigt und die
Orientierung von hell- und dunkeladaptierten Zellen gemessen.
Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen 157

d. Verrechnung zwischen unterschiedlichen Reizen: Schwerkraft und Licht


Gleicher Versuchsaufbau wie unter (c). Dunkeladaptierte Zellen werden in vertikaler Orien-
-2
tierung von oben über einen Spiegel mit 10 und 1000 W m Weißlicht bestrahlt. Welchen
Einfluß hat dies auf die gravitaktische Orientierung? Erläutern Sie die Bedeutung für die Or-
ganismen im natürlichen Habitat.

Auswertung Versuch 3
Alle Dateien der von Ihnen durchgeführten Versuche werden in Excel ausgewertet. In das
Protokoll sollten für jeden Versuch sowohl r-Wert und die Geschwindigkeit wie auch das zir-
kuläre Histogramm (werden zur Erfügung gestellt) aufgenommen werden.

Fragen:
• Welche Orientierung haben die Zellen bei den verschiedenen Reiztypen und Reizgrößen
gehabt?
• Welche Bedeutung haben diese Mechanismen für die Organismen im natürlichen Habitat?
158 Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen

4. Versuch: Einfluss von Umweltfaktoren auf die Orientierung


von Euglena gracilis

Aufgabe:
Der Einfluss von Umweltfaktoren (Schwermetalle und erhöhte UV-Strahlung) auf die Orien-
tierung von Euglena gracilis soll qualitativ bestimmt werden.

Material:
Euglena gracilis Kultur (mit und ohne UV Vorbestrahlung), Watte, 100 ml Standzylinder,
-2
NiSO4 Stammlösung (10 M), Leitungswasser

Durchführung:
50 ml Kultur (nicht vorbestrahlt) werden mit 1 nM oder 1 µM Nickelsulfat (Endkonzentrati-
on) versetzt und in einen 100 ml Standzylinder gefüllt. In zwei weitere Zylinder werden 50 ml
unbehandelte Kultur (Kontrolle) oder 50 ml mit UV-vorbestrahlte Zellsuspension gefüllt. In
alle vier Kolben wird vorsichtig ein Wattestopfen eingesetzt und anschließend mit ca. 30 ml
Leitungswasser überschichtet. Anschließend werden die Zylinder in einen Nebenraum dunkel
gestellt.

Auswertung Versuch 4 (des Versuches vom Vortag):


Protokolliert wird:
1. Sind die Zellen durch den Wattestopfen in den oberen Teil des Zylinders gewandert?
2. Sind viele Zellen zum Boden abgesunken?

Fragen:
1. Warum sollten die Zellen in den oberen Teil des Zylinders wandern?
2. Welche Bedeutung könnten die beobachteten Effekte der verschiedenen Behandlungen
haben?
Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen 159

Literatur
Internetvorlesung Photobiologie:
http://www.biologie.uni-erlangen.de/botanik1/photobiologie/index.html
W. Nultsch, Allgemeine Botanik, 2001, 11. Auflage, G. Thieme Verlag, Stuttgart (Kapitel 16
und 17)
Weiterführende Literatur:
Buchanan, Gruissem and Jones, Biochemistry & Molecular Biology of Plants, ASPP, Rock-
ville, USA 2000.
160 Biologische Übungen III, Kurs 12 Bewegungsreaktionen

Testatbogen: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und


alle Namen der Gruppenmitglieder (1-4) eintragen. Den unterzeichneten
Testatbogen können Sie dann so zerschneiden, dass jede(r) beim Abholen
der Scheine (Sekr. Biochemie) einen Abschnitt vorlegen kann.

Versuch: 11, Bewegungsreaktionen


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: 11, Bewegungsreaktionen


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch 11, Bewegungsreaktionen


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch: 11, Bewegungsreaktionen


Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


Biologische Übungen III, Kurs

Testatbogen 2009: Bei Protokollabgabe diesen Bogen unbedingt mit abgeben und alle
Namen der Gruppenmitglieder eintragen. Den unterzeichneten Testatbogen können
Sie dann so zerschneiden, dass jede(r) eine Betätigung seiner erfolgreichen
Teilnahme hat. Abgeben müssen sie die unterschriebenen Testatbögen am ersten
Kurstag von bio4 (Bachelor). Die Protokolle müssen 1 Woche nach dem Kurstag
angegeben werden. Für den letzten Kurstag können sie es später abgeben (Dozent
fagen)
Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name1: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 2: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:


---------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 3: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:

--------------------------------------------------------------------------------------------

Versuch:
Gruppe: ____________________ (Do.... / Fr....; entspr. ankreuzen)
Name 4: ____________________

Testat:________________ (Datum:_______)

Rücksprache?:_______________

Name des Dozenten, Raum:

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