Querkraft in Balken Mit Bugelbewehrung
Querkraft in Balken Mit Bugelbewehrung
Querkraft in Balken Mit Bugelbewehrung
Verweise auf Ziffern der Norm SIA 269/2 [1] werden in Biegetraglasten eines Tragwerksabschnitts oder ganzen
Kursivschrift ohne wiederholte Quelleangabe dargestellt. Tragwerks sind hingegen in den meisten Fällen auf unter
5% genau erfassbar – sofern bei statisch unbestimmten
Tragwerken ein genügendes Verformungsvermögen
1 Einführung
vorhanden ist, d.h. ein duktiler Biegebruch erwartet wer-
Balken mit Querkraftbewehrung sind zentrale Tragele- den kann, und die Zugfestigkeiten der Bewehrungen
mente des Betonbaus und kommen in praktisch jedem verwendet werden [3]. Wird dieses Verformungsvermö-
Bauwerk vor. Müssen diese wegen zu geringem Quer- gen a priori vorausgesetzt, kann mit den Grenzwertsät-
kraftwiderstand verstärkt werden, sind entsprechende zen der Plastizitätstheorie die theoretische Biegetraglast
Massnahmen häufig sehr aufwendig und oft nur wenig i.d.R. recht zuverlässig eingegrenzt werden.
effizient und sollten deshalb nur wo absolut unvermeid-
lich erfolgen müssen. Eine tiefer gehende, aber auch mit
2.2 Methode der Kapazitätsbemessung
dem entsprechenden Aufwand verbundene Tragwerks-
analyse, d.h. Aktualisierung des Querkraftwiderstands, Für eine gegebene Kombination von Gleich- und Einzel-
ist deshalb oft gerechtfertigt. lasten wird deren Intensität nach oben durch die vorhan-
denen Biegewiderstände auf absolute Werte begrenzt.
Die Vorgaben zur Aktualisierung des Querkraftwider-
Diese zu den Biegewiderständen gehörende Belas-
stands in Ziffer 4.3.1.2 sind bewusst sehr knapp gehal-
tungskombination beschränkt somit auch die maximal
ten. Dies liegt darin begründet, dass bei der Aktualisie-
mögliche Querkraft in einem Tragwerksabschnitt (Bild 1).
rung des Querkraftwiderstands weniger duktile Versa-
gensarten oft stärker ausgenützt werden müssen, da Bild 1 Begrenzung der Querkraft durch die Biege-
von den Vorgaben und Empfehlungen der Norm SIA 262 traglast.
[2] abgewichen wird. Der mit einer Überprüfung beauf-
a) b)
tragte Ingenieur sollte daher sehr genau wissen, was er Qd Q Rd,act
tut und benötigt vertiefte Kenntnisse über das Tragver- qd (g+q)Rd.act
gd gd,act
halten von Stahlbeton bezüglich Querkraft.
+
2 Begrenzung der Querkräfte durch die Bie- +
MRd,act V d,act
getraglast
+
(a) Biegetraglast für Überfestigkeiten M Rd ,act und gege-
2.1 Traglasten für Querkraft und Biegung bene Lastkombination; (b) zugehörige Querkraft Vd+,act .
Querkraftversagen sind aufgrund ihres spröden Bruch-
Die Berücksichtigung dieses Umstands hat sich in der
verhaltens und der Vielfalt an zu berücksichtigenden
Erdbebenbemessung von Tragwerken schon länger als
Einflüssen (Abschnitt 3.1) im Allgemeinen weniger ge-
Methode der Kapazitätsbemessung etabliert (z.B. [4]).
nau prognostizierbar als duktile Brüche. Müssen Quer-
Ziffer 4.3.1.4.1 erlaubt, dieses Vorgehen grundsätzlich
kraftwiderstände vertieft aktualisiert werden, ist dies
auch in einer statischen Überprüfung anzuwenden. Sie
i.d.R. mit bedeutend grösserem Aufwand für die Trag-
kann auch dahingehend interpretiert werden, dass der
werksanalyse und der Verwendung komplexerer Metho-
Querkraftnachweis für die Biegetraglast geführt wird.
den verbunden.
2.2.2 Verformungsvermögen
Nach Norm SIA 262 [2], Ziffer 4.1.4.2.2, soll die Biege-
traglast mit dem unteren Grenzwertsatz der Plastizitäts-
theorie, d.h. der statischen Methode, ermittelt werden.
Um die Biegetraglast (auch für Überfestigkeiten) errei-
chen zu können, muss bei statisch unbestimmten Trag- Die Ermittlung des Querkraftwiderstands der Stegschei-
be erfolgt mit einem Spannungsfeld mit variabler Nei-
gung α des Druckfelds. Dieses Tragwerksmodell ent-
werken ein genügendes Verformungsvermögen vorhan-
den sein, damit sich die im Allgemeinen erforderlichen
plastischen Umlagerungen auch einstellen können. spricht der Aufteilung eines Balkens in Druckgurt, Zug-
gurt und Stegscheibe, der die alleinige Abtragung der
Ziffer 4.3.1.4.2 fordert deshalb auch den Nachweis eines
Querkräfte zugewiesen wird. Ihr Tragwiderstand hängt
genügenden Verformungsvermögens; nähere Angaben
ab von
hierzu finden sich im Beitrag „Verformungsvermögen“.
– Eigenschaften der Bügelbewehrungen: Querschnitt,
Neigung β, Fliessgrenze, Duktilitätseigenschaften;
2.3 Anforderungen an den Erfüllungsgrad – Neigung α der Druckfelder im Stegbeton;
– Geometrie und Druckfestigkeit des Stegbetons: vor-
Grundsätzlich sollte der Erfüllungsgrad n gemäss Norm
handene Stegbreite, allfällige Reduktion auf einen
SIA 269 [5] für beliebige Versagenszustände grösser als
Nennwert infolge von Hüllrohren von Spanngliedern;
1 sein. Dies kann nicht in jedem Fall nachgewiesen wer-
– Material und Injektionszustand von Spanngliedhüll-
den, da schon die Biegetraglast qRd,act für die vorgese-
rohren: Stahl oder Kunststoff, mit oder ohne Verbund;
hene Belastung qd,act schlicht ungenügend sein kann.
– Neigung von Spanngliedern und Spannungszuwachs
Im Sinne der Methode der Kapazitätsbemessung sollte in ihnen bis zum Erreichen des Bruchzustands.
daher in einer Überprüfung zumindest nachgewiesen
Der Querkraftwiderstand der Stegscheibe bestimmt sich
gemäss Norm SIA 262 [2] über die Druckfeldneigung α,
werden können, dass die Biegetraglast für das Versagen
massgebend wird; dafür müssen die Querkräfte zuver-
und beträgt für geneigte Querkraftbewehrung (gilt mit
β = 90° auch für vertikale Querkraftbewehrung):
lässig aufgenommen werden können. So kann ein i.d.R.
duktiles Biegeversagen mit ankündigendem Verhalten
nM = ≤ nV =
qRd,act VRd,act zunimmt; in einer Überprüfung wird man daher eine
Vd+,act
(1)
qd,act möglichst geringe Druckfeldneigung erreichen wollen.
Der Querkraftwiderstand ist jedoch durch den Tragwi- zu, das eigentlich nicht in einem Querschnitt betrachtet
derstand der Druckfelder selbst nach oben begrenzt: werden kann (Bild 2).
Bild 3 Spannungsfeld in einem Trägersteg. Berücksichtigung entspricht auch der Forderung von
qd Ziffer 4.1.1.3, dass das Verformungsvermögen unter
Berücksichtigung der Verfestigungscharakteristik der
D
Bewehrung und der Verbundwirkung zwischen Beweh-
z
Für den allgemeinen Fall schiefwinklig angeordneter Die Dehnung εβ in Richtung der Querkraftbewehrung
Bewehrung der Stegscheibe lautet die Verträglichkeits- berechnet sich aus (3) zu
Bei vertikaler Bügelbewehrung, d.h. für eine orthogonal 3.3 Effektive Druckfestigkeit des Stegbetons
bewehrte Stegscheibe, vereinfacht sich (3) zu:
ε − ε2
Für die Bemessung von Neubauten ist es sinnvoll, Ver-
cot α = z
ε x − ε2
2
(4) einfachungen für die reduzierte Festigkeit der Druckfel-
der im Stegbeton anzunehmen, um die erforderlichen
Die Verträglichkeitsbedingung (3) resultiert aus einem Stegabmessungen festlegen zu können; dies wird durch
klassischen Druckfeldmodell [9],[10],[11], bei dem von die Zahlenwerte in der Norm SIA 262 [2], Ziffer 4.2.1.7,
fiktiven, spannungsfreien Rissen mit verschwindend abgebildet.
kleinem Abstand ausgegangen wird, deren Richtung
Für die Überprüfung bestehender Betonträger mit Quer-
sich im Laufe der Belastungsgeschichte bis zum Bruch
kraftbewehrung sollten die Annahmen für die effektive
frei einstellen kann und die sich senkrecht zu den Riss-
Festigkeit der Betondruckfelder hingegen verfeinert wer-
ufern öffnen [12]. Daraus folgt, dass die Beanspruchung
den können.
der Betondruckfelder einachsig und homogen ist und
parallel zu den Rissen verläuft; zudem resultiert ein ho-
mogener Verzerrungszustand [8], der im Mohr’schen 3.3.1 Einfluss der Verzerrungen
Verzerrungskreis dargestellt werden kann (Bild 4). Da die Druckfelder in bewehrten Betonstegen i.d.R. von
zugbeanspruchten Querkraftbewehrungen gekreuzt
Bild 4 Verzerrungszustand eines schiefwinklig be-
werden, werden den Druckfeldern Dehnungen aufge-
wehrten Scheibenelements.
zwungen, die eine Reduktion der Betondruckfestigkeit
M bewirken [13]. Als Mass für die Reduktion der Beton-
1 1
N x druckfestigkeit infolge dieser aufgezwungenen Dehnun-
V
1 1 gen hat sich die erste Hauptdehnung ε1 senkrecht zum
x x
Druckfeld etabliert (Ziffer 4.2.1):
/2
x xz z
x
kc = ≤ 1,0
1
1,25 + 60ε1d ,act
z
(8)
1
°
ε1 = ε x + (ε x − ε 2 ) cot 2 α
ten auch verfeinerte Ansätze verwendet werden, z.B.
ε c1d = −0,6fcm
13
(εc1d in ‰, fcm in N/mm2 [8]). Für verschie-
dene Werte der Längsdehnung εx wird die grössere
(5)
und ist offensichtlich unabhängig von der Richtung β der Hauptdehnung ε1 mit (5) und der Reduktionsbeiwert kc
Querkraftbewehrung. mit (8) mit der Druckfeldneigung α verknüpft (Bild 5).
εx = 1‰
0‰
0.7 0,4…0,8‰. Daraus resultiert nach (5) eine grössere
2‰ Hauptdehnung ε1 = 11,4…13,7‰ für α = 25° und mit (8)
0.6
somit kc = 0,52…0,48. Diese Werte sind etwas geringer,
0.5 aber dennoch vergleichbar mit der Vorgabe kc = 0,6 der
SIA 262 [2].
0.4
Ein analoges Vorgehen kann für plastifizierte Zuggurte
0.3 angewendet werden, und führt zu mittleren Dehnungen
auf halber Steghöhe von εx = 2‰ und mehr. Mit α = 25°
α[ ]
resultiert ε1 = 20‰ (und mehr) und daraus kc = 0,40;
0.2
15 20 25 30 35 40 45
Bruchstauchung im Beton: ε2 = -2‰.
also die Vorgabe der Norm SIA 262 [2].
Gemäss Ziffer 4.3.1.3.3 ist bei der Festlegung des Re- 3.3.3 Einfluss der bezogenen Rippenfläche fR
duktionsbeiwerts kc für Trägerstege die grössere Haupt- der Längsbewehrung
dehnung ε1d,act auf halber Höhe des Hebelarms der inne- Ziffer 4.3.1.3.3 postuliert, dass der Reduktionsbeiwert kc
ren Kräfte zu ermitteln. Dazu muss für (5) die Längsdeh-
nung εx auf dieser Höhe des Trägerstegs bekannt sein.
reduziert wird, wenn die bezogene Rippenfläche der
Längsbewehrung den Anforderungen der Norm SIA 262
So ermittelte Reduktionsbeiwerte kc gelten an sich nur [2] nicht genügt. Dies kann wie folgt begründet werden
für parallele Druckfelder (Bild 3), und sind so auch in (siehe hierzu auch den Beitrag „Bewehrungsveranke-
dessen Kalibrierung eingeflossen. rung“ sowie Abschnitt 3.4.1):
Vergleichsrechnungen mit dem „cracked membrane – Der Einfluss der bezogenen Rippenfläche auf die
model“ [16] zeigen hingegen, dass Risse in der Steg- Verbundspannungen ist etwa linear (Gleichung (11)).
scheibe wegen der Variation der Längsdehnung über die – Die Verformungslokalisierung – d.h. die Dehnungs-
Höhe anfangs zwar gekrümmt verlaufen, sich infolge des konzentration im Riss – nimmt mit abnehmender Ver-
Fliessens der Bügelbewehrung aber selbst bei geringen bundspannung ab; d.h. je kleiner fR ist, desto grösser
Bügelbewehrungsgehalten bis zum Bruch der Druckfel- wird das Verhältnis von mittlerer Dehnung über ein
Risselement und maximaler Dehnung im Riss.
– Bei gegebener Druckfeldneigung α und i.d.R. infolge
der praktisch parallel ausrichten und das Widerstands-
modell von Bild 2 rechtfertigen.
der Querbewehrung gegebenem, mittlerem Rissab-
stand vergrössert sich daher die mittlere Dehnung εx
Die oben eingeführten Modellvorstellungen stützen auf
und somit auch die Hauptdehnung ε1 gemäss (5).
rechnerisch ermittelbare Verzerrungen ab, und berück-
sichtigen Eigenspannungen somit nicht. Die Beziehung
– Daher nimmt der Reduktionsbeiwert kc gemäss (8)
(8) wurde freilich an Versuchsresultaten geeicht, welche
bei reduzierter bezogener Rippenfläche fR ab, infolge
der indirekt vergrösserten Hauptdehnung ε1.
grundsätzlich auch Einflüsse aus Eigenspannungen
beinhalten dürften.
3.3.2 Kohärenz mit der Norm SIA 262 [2] 3.3.4 Detailliertere Untersuchungen
Gemäss Norm SIA 262 [2], Ziffern 4.2.1.7 und 4.3.3.3.2 Für detailliertere Untersuchungen wird in [6] anstelle von
ist für Trägerstege mit Schubrissen ein Reduktionsbei- (8) der Ausdruck aus [17] empfohlen (umformuliert auf
wert von kc = 0,6 und ohne genauere Untersuchungen die Bezeichnungen der Norm SIA 262 [2]):
eine Druckfeldneigung α ≥ 25° anzunehmen. Erfährt der
ηfc (0,8 + 170ε1 )
kc = ≤ 1,0
1
(9)
Zuggurt plastische Verformungen, gilt kc = 0,4.
Für einen elastisch bleibenden Zuggurt darf die Deh- In [18] wird hingegen folgender Ausdruck für den Reduk-
nung in der Längsbewehrung im Riss somit die Fliess- tionsbeiwert kc empfohlen:
dehnung nicht überschreiten. Die maximale mittlere
Dehnung εsm der Längsbewehrung kann Fall mithilfe des kc = ≤ 0,8
1
1,05 + 80ε1
(10)
Zuggurtmodells [19] für übliche gerippte Betonstähle zu
εsm = 0,8εsd abgeschätzt werden [15], und erreicht je Aus dem Vergleich von (8) bis (10) in Bild 6 geht hervor,
nach Stahlsorte εsm = 1,2…1,7‰ (siehe auch Anhang dass (8) und (10) im für Überprüfungen relevanten Be-
Bild 6 Vergleich verschiedener Vorschläge für den Die Verträglichkeit der Verzerrungen wird hingegen für
Reduktionsbeiwert kc. mittlere Dehnungen formuliert (Abschnitt 3.2). Um auf
maximale Dehnungen im Riss schliessen zu können,
0.8
kc können Reduktionsbeiwerte κs = εsm/εsmax eingeführt
werden („Verbundkoeffizient“ nach [20]), welche das
0.7 Verhältnis der mittleren Dehnung εsm der Bewehrung zur
Dehnung εsmax im Riss abbilden. Ein einfaches Modell
0.6
für die Verformungslokalisierung ist das Zuggurtmodell
0.5 [19],[21],[22].
Bild 8 Beiwerte κs der Verformungslokalisierung für verschiedene Parameter und Verfestigungscharakteristiken (farbliche
Unterscheidung gemäss Bild 7), auf der Grundlage des Zuggurtmodells [19],[21],[22].
κs κs κs
κsy κsu
1.0 1.0 1.0
κs κs κs
1.0 1.0 1.0
εuk [‰]
25 50 75 100 30 45 60 75 90 100 150 200 250 300
fck [N/mm2] s rm [mm]
Grundwerte: Ø12; fR = 0,05; fsk = 450 N/mm2; (ft/fs)k = 1.2; εuk = 50‰; fck = 50 N/mm2; srm = 200 mm. N.B. Die Reduktionsbei-
werte κsy unterscheiden sich für bilineare und naturharte Modellierung nicht.
Fliessgrenze κsy = εsm/εsy sowie bei Erreichen der Bruch- – Duktilitätsklasse B: i.d.R. naturharter Betonstahl, so-
dehnung des Betonstahls κsu = εsm/εsu. Bild 8 zeigt ent- mit κsy ≈ 0,65 und κsu ≈ 0,35.
sprechende Auswertungen für die beiden Beiwerte auf – Duktilitätsklasse C: i.d.R. naturharter Betonstahl,
der Grundlage des Zuggurtmodells. somit κsy ≈ 0,7 und κsu ≈ 0,3.
αlim [°]
dehnung des Betonstahls eingesetzt werden.
Ø8, Stahl IV
In vielen Fällen dürften die beiden Ansätze zu vergleich- 60
baren Grenzen der Druckfeldneigung führen. Es wird
aber grundsätzlich empfohlen, beide Ansätze zu prüfen. 50
auf halber Steghöhe. Bild 11 Grenzen der Druckfeldneigung bei Stahl IIIa.
60 50
50 40
40 30
30 90° 60° 20
75° 45° sup inf
20 10
εx [‰] εx [‰]
-1 0 1 2 3 4 -1 0 1 2 3 4
3.6 Berechnungen mit der Finite-Elemente- gemäss Ziffer 4.3.1.2.3 die Kraftübertragung zwischen
Methode Druckfeld und Zuggurt zu prüfen, da grundsätzlich ein
Abscheren des Druckfelds entlang der Längsbewehrung
Berechnungen mit der Methode der finiten Elemente im
möglich ist. Dies kann auch in Versuchen an Balken mit
ungerissenen Zustand (lineares Verhalten) können für
glatter Längsbewehrung beobachtet werden [26], auch
die Ermittlung des Verzerrungszustands – Längsdeh-
wenn der Bruch verhältnismässig duktil ist. Um den An-
nungen, Hauptdehnungen und Dehnungen in Richtung
schluss des Druckfelds an den Zuggurt zu überprüfen,
der Querkraftbewehrung – nicht verwendet werden, da
wird folgender Ansatz empfohlen:
sie weder die Rissbildung noch die Verbundwirkung
zwischen Bewehrung und Beton korrekt abbilden. Anhand der differentiellen Kraftzunahme im Zuggurt
ΔFs/Δx, welche aus dem vorausgesetzten Spannungs-
Zur Ermittlung des Verzerrungszustands resp. der Quer-
feld resultiert (siehe auch Bild 3), kann die Verbund-
krafttragfähigkeit müssen Finite-Elemente-Programme
spannung entlang der Längsbewehrung bestimmt wer-
benützt werden, die nichtlineare Berechnungen erlauben
den und mit dem Überprüfungswert der Verbundspan-
(z.B. [23]) und insbesondere die Rissbildung, die Ver-
nung fbd,act nach Gleichung (11) verglichen werden:
bundwirkung zwischen Bewehrung und Beton sowie den
ΔFs f − qd ,inf,act
= w cot α ≤ fbd ,act
Einfluss des Verzerrungszustands auf die Druckfestig-
Δx ⋅ ΣπØ ΣπØ
(11)
keit des Stegbetons berücksichtigen. Solche Programme
beachten „automatisch“ die Verträglichkeit der Verzer-
mit fw = verteilte Bügelkräfte (resp. deren Tragwider-
stand), qd,inf,act = am Zuggurt angreifende Last und α =
rungen. Eventuell muss aber manuell sichergestellt wer-
den, dass die Bruchdehnungen der einzelnen Baustoffe
Neigung des Druckfelds im betrachteten Abschnitt.
nicht überschritten werden und dadurch das Verfor-
mungsvermögen überprüft wird. Zudem können ver- Umgekehrt kann aus dem Überprüfungswert der Ver-
schiedene Zustände in der Verbundwirkung zwischen bundspannung fbd,act – der neben der Betonfestigkeit
Bewehrung und Beton oft nur mit potenteren Program- auch auf der bezogenen Rippenfläche fR der Längsbe-
men berücksichtigt werden. wehrung abstellt – und unter allfällig zusätzlicher Be-
rücksichtigung des Querdrucks infolge der Bügelkräfte
Solche Spannungszustände entsprechen einer Anwen-
auf die Längsbewehrung mit einem einfachen Rei-
dung von kontinuierlichen, elastisch-plastischen Span-
bungsansatz auf kritische Diagonalenneigungen ge-
nungsfeldern [6],[24], welche auch als Begründung für
schlossen werden, bei denen ein Abscheren des Druck-
die Berücksichtigung des Querkraftwiderstands von
felds massgebend wird [27].
Flanschen dienen können (Ziffer 4.3.1.2.5).
Im gleichen Sinne können auch Tabelle 11 sowie Glei-
chung (45) aus der Norm SIA 262 [2] für die Schubfes-
4 Konstruktive Besonderheiten
tigkeit von Fugen verwendet werden, um maximal mögli-
4.1 Bügelverankerungen che Verbundspannungen entlang der Längsbewehrung
resp. fürs Abscheren kritische Druckfeldneigungen zu
Figur 3 zeigt Anforderungen an die konstruktive Durch-
bestimmen:
bildung von Bügelbewehrungen, damit deren Fliesszug-
Druckfeldern auf die Bügelbewehrung abstützt, während Bild 13 Tragwirkung zwischen Bügel- und Längsbe-
ein zweiter Teil von Druckfeldern auf die aufgebogenen wehrung.
Längsbewehrungen aufgenommen wird. Die Druckfelder
der beiden Tragmechanismen werden sich zwangsläufig
durchdringen (Bild 12).
nungszustände finden, die den Nachweis des Kraftflus- für den grösseren Teil der zu überprüfenden Balken-
ses ermöglichen. tragwerke genügen dürften und einen noch vertretbaren
Aufwand erfordern. Einstiegspunkte zur Stufe III finden
Die Anordnung dieser Spannungsfelder hängt von den
sich in [31],[32], zur Stufe IV in [6],[24],[33].
vorhandenen Vertikal- und Horizontalbewehrungen des
Querträgers ab und berücksichtigt eine direkte Umlen-
kung der Druckfelder der Längsträger in den Querträger. 5.1 Erforderliche Tragwerksinformationen
Damit einher geht eine Verschiebung des Druckgurts im
Die recht lange Liste von Einflussgrössen auf den Quer-
Längsträger hin zum Zuggurt und führt so zu einer Re-
kraftwiderstand (Abschnitt 3.1) und die zu berücksichti-
duktion des Biegewiderstands und der Querschnittsduk-
genden Merkmale für die Begründung der Wahl der
tilität des Längsträgers. Die Reduktion des Biegewider-
Druckfeldneigung zeigen bereits auf, welche Informatio-
stands resp. der Biegetraglast wegen fehlender Aufhän-
nen zum Tragwerk beschafft werden sollten:
gebewehrung kann mit 20…40% beträchtlich sein [28].
– Druckfestigkeit des Stegbetons
Näheres zur Interaktion Längs-/Quertragwirkung findet
– Bügelbewehrungsgehalt und -neigung sowie deren
sich auch in [30].
mechanischen Eigenschaften (Fliessgrenze, Duktili-
tätsklasse resp. Bruchdehnung und Verfestigungs-
5 Praktisches Vorgehen charakteristik)
– Mechanische Eigenschaften der Längsbewehrung
In der täglichen Praxis wird sich der mit der Überprüfung
– Spanngliedgeometrie, Art und Injektionszustand von
betraute Ingenieur zuerst mit hinlänglich bekannten Me-
Spanngliedhüllrohren (Ziffer 4.3.1.2.4)
thoden behelfen wollen, um den Tragsicherheitsnach-
– Den Verbund zwischen Bewehrung und Beton beein-
weis für Querkräfte zu führen.
flussende Eigenschaften für Bügel- und Längsbeweh-
Dazu wird er wohl in einem ersten Schritt schlicht die rungen, insbesondere die bezogene Rippenfläche
Gleichungen (37-40) der Norm SIA 262 [2] verwenden,
und durchläuft damit die erste von vier möglichen Stu- Zur Festlegung von Überprüfungswerten des Beweh-
fen: rungsgehalts und deren Fliessgrenze resp. Duktilitätsei-
I. Nachweis mit einer Querschnittsbetrachtung gemäss genschaften müssen gemäss Ziffer 4.2.2 auch die Ver-
Norm SIA 262 [2], Ziffer 4.3.3.4 sprödung und die Kerbwirkung geschädigter Bewehrung
II. Nachweis mit einer Querschnittsbetrachtung gemäss berücksichtigt werden. Für nicht geschädigte Bewehrung
Ziffern 4.3.1.2.1 und 4.3.1.3.3 finden sich Angaben zu den mechanischen Kennwerten
III. Nachweis mit Spannungsfeldern gemäss Norm SIA in Anhang A.
262 [2], Ziffer 4.3.1.1
IV. Nachweis mit nichtlinearen Verfahren Literatur
Dies entspricht natürlich dem in der Norm SIA 269 [5] [1] SIA 269/2 (2011). Erhaltung von Tragwerken –
vorgeschlagenen Vorgehen von genereller und detaillier- Betonbau; Schweiz. Ingenieur- und Architektenver-
ter Überprüfung. Kann der Querkraftwiderstand in der ein Zürich (SIA), Jan. 2011.
vorangegangenen Phase für das ganze Tragwerk nach- [2] SIA 262 (2003). Betonbau; SIA, Jan. 2003.
gewiesen werden, erübrigen sich die weiteren Stufen. [3] Zwicky, D. (2002). Zur Tragfähigkeit stark vorge-
Der Nachweis in Stufe III entspricht üblicherweise der spannter Betonbalken; Institut für Baustatik und
Verwendung von starr-plastischen Spannungsfeldern [6]. Konstruktion (IBK), Nr. 275, ETH Zürich (ETHZ).
http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:1545
Wie die Ausführungen in Abschnitt 3.5 zeigen, ist in
Stufe I insbesondere bei Querkraftbewehrungen der [4] Bachmann, H. (1994). „Die Methode der Kapazi-
tätsbemessung“; Schweiz. Ingenieur und Architekt,
Duktilitätsklasse A Vorsicht geboten in der Wahl der
Heft 45, 3. Nov. 1994, pp. 942-946.
Druckfeldneigung (Ziffer 4.3.1.2.2). Können plastische
Gurtverformungen nicht ausgeschlossen werden, sollte [5] SIA 269 (2011). Grundlagen der Erhaltung von
diese je nach Neigung der Querkraftbewehrung zu Tragwerken; SIA, Jan. 2011.
höchstens α = 30…35° gewählt werden (Bild 10). Weist [6] Muttoni, A.; Fernández Ruiz, M.; Kostic, N. (2011).
die Querkraftbewehrung die Duktilitätsklasse B oder C Champs de contraintes et méthode des bielles-et-
auf, kann auch in Bereichen plastifizierter Zuggurtbe- tirants – Applications dans la conception et le di-
wehrungen ohne genauere Untersuchungen α = 25° mensionnement des structures en béton armé;
IBETON, ENAC, EPF Lausanne, Feb. 2011.
verwendet werden (Bild 11).
[7] SIA 192/34 (1975). Bruchwiderstand und Bemes-
Im vorliegenden Beitrag wird in erster Linie die Verknüp- sung von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken;
fung der beiden ersten Stufen besprochen, da sie wohl Richtlinie 34 zur Norm SIA 162 (1968), SIA.
[8] Seelhofer, H. (2009). Ebener Spannungszustand: [21] Sigrist, V. (1995). Zum Verformungsvermögen von
Grundlagen & Anwendungen; IBK Nr. 320, ETHZ Stahlbetonträgern; IBK Nr. 210, ETHZ.
http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:2355 http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:22423
[9] Kupfer, H. (1964). “Erweiterung der Mörsch’schen [22] Alvarez, M. (1998). Einfluss der Verbundverhaltens
Fachwerkanalogie mit Hilfe des Prinzips vom Mi- auf das Verformungsvermögen von Stahlbeton;
nimum der Formänderungsenergie”; CEB Bulletin IBK Nr. 236, ETHZ.
d’Information (CEB) Nr. 40, pp. 44–57. http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:22736
[10] Baumann, T. (1972). “Zur Frage der Netzbeweh- [23] http://i-concrete.epfl.ch
rung von Flächentragwerken”; Bauingenieur, Jg. [24] Fernández Ruiz, M.; Muttoni, A.; Burdet O. (2007).
47, Heft 10, pp. 367-377. „Computer-aided development of stress fields for
[11] Mitchell, D.; Collins, M. P. (1974). “Diagonal Com- the analysis of structural concrete“; fib Symposium,
pression Field Theory – A Rational Model for Struc- Dubrovnik, Croatia, pp. 591-598.
tural Concrete in Pure Torsion”; ACI Structural [25] Eurocode 2 / SN EN 1992-1-1 (2004). Bemessung
Journal, Vol. 71, No. 8, pp. 396-408. und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbeton-
[12] Marti, P. (1982). “Strength and Deformations of tragwerken – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsre-
Reinforced Concrete Members under Torsion and geln und Regeln für den Hochbau.
Combined Actions”; CEB Nr. 46 ‘Shear, Torsion [26] Vogel, Th.; Ulaga, T (2002). „ Strengthening of a
and Punching’, pp. 97-138. Concrete Bridge and Loading to Failure”; Structural
[13] Muttoni, A. (1990). Die Anwendbarkeit der Plastizi- Engineering International, Vol. 12, No. 2, pp. 105-
tätstheorie in der Bemessung von Stahlbeton; IBK 110.
Nr. 176, ETHZ. [27] Zwicky, D.; Vogel, T. (2006). „Critical Inclination of
http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:31140 Compression Struts in Concrete Beams”; ASCE
[14] Sigrist, V.; Hackbarth, B. (2010). „Stress Field Journal of Structural Engineering, Vol. 132, No. 5,
Analysis of Structural Concrete Beams“; 3rd Inter- May 2006, pp. 686-693.
national fib Congress and Annual PCI Convention, [28] Stoffel, Ph. (2000). Zur Beurteilung der Tragsicher-
Washington D.C., USA, May 29 – June 6, paper heit bestehender Stahlbetonbauten; IBK Nr. 251,
377. ETHZ.
[15] Sigrist, V.; Hackbarth, B. (2010). “Querkrafttragfä- http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:23649
higkeit von Stahlbetonträgern – Bemessung, Über- [29] Marti, P.; Alvarez, M.; Kaufmann, W.; Sigrist, V.
prüfung, Beurteilung“; Beton- und Stahlbetonbau, (1999). Tragverhalten von Stahlbeton – Fortbil-
Ernst & Sohn Berlin, Vol. 105, Heft 11, pp. 686- dungskurs für Bauingenieure, ETH Zürich, 30.9./
694. 1.10.1999; IBK SP-008, ETHZ.
[16] Kaufmann, W. (1998). Strength and Deformations [30] Thoma, K. (in Erarbeitung). Indirekt gelagerte Be-
of Structural Concrete Subjected to In-Plane Shear tonbrücken – Interaktion Längs-/Quertragwirkung;
and Normal Forces; IBK Nr. 234, ETHZ. Forschungsprojekt AGB 2008/002, ASTRA.
http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:22663
[31] Marti, P.; Stoffel, Ph. (1999). Beurteilung der Trag-
[17] Collins, M. P.; Mitchell, D.; Adebar, P.; Vecchio, F. sicherheit bestehender Betonbauten – Fortbil-
J. (1996). “A General Shear Design Method”; ACI dungskurs für Bauingenieure, ETH Zürich, 30.9./
Structural Journal, Vol. 93, No. 1, pp. 36-45. 1.10.1999; IBK SP-009, ETHZ.
[18] Fernández Ruiz, M.; Hars, E.; Muttoni, A. (2006). [32] Zwicky, D.; Vogel, T. (2003). Beurteilung der Trag-
Résistance à l’effort tranchant des poutres pré- sicherheit bestehender Strassenbrücken – Vorfab-
contraintes à âme mince; Bericht Nr. 606, Eidg. rizierte Spannbetonträger als einfache Balken; Nr.
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und 569, UVEK, ASTRA, VSS Zürich.
Kommunikation (UVEK), Bundesamt für Strassen
(ASTRA), Vereinigung Schweizerischer Strassen- [33] Fernández Ruiz, M.; Muttoni, A. (2007). „On devel-
fachleute (VSS) Zürich. opment of suitable stress fields for structural con-
crete“; ACI Structural Journal, Vol. 104, No. 4,
[19] Marti, P.; Alvarez, M.; Kaufmann, W.; Sigrist, V. pp. 495-502.
(1998). „Tension Chord Model for Structural Con-
crete”; Structural Engineering International, Vol. 8,
No. 4, pp. 287-298.
[20] Bachmann, H. (1967). Zur plastizitätstheoretischen
Berechnung statisch unbestimmter Stahlbetonbal-
ken; IBK Nr. 13, ETHZ.
http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:41491