Integriertes Aussprachetraining in DaFDaZ Und Der GeR
Integriertes Aussprachetraining in DaFDaZ Und Der GeR
Integriertes Aussprachetraining in DaFDaZ Und Der GeR
Der 2001 vom Europarat herausgegebene Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR)
hat spürbar Einfluss auf die Lehrwerkentwicklung, die Erstellung von Curricula und die konkrete Unter-
richtsgestaltung im Bereich der Aussprache genommen. In dem vorliegenden Beitrag werden Potenziale
und Lücken des GeR benannt, die sich aus den Erfordernissen der Zweit- bzw. Fremdsprachenvermittlung
ergeben, sowie die Position des Aussprachelehrens und -lernens im Kontext der im GeR beschriebenen
Kompetenzen und Fertigkeiten dargestellt.
The Common European Framework of Reference for Languages (CEFR) created in 2001 by the Council
of Europe has had notable influence on the textbook development in, the conception of curricula in, and
the concrete design of instruction in teaching pronunciation. The following contribution identifies the po-
tentials and gaps in the CEFR that arise from the needs of second or foreign language teaching. It further-
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more analyses the position of both pronunciation teaching as well as learner acquisition in the context de-
scribed in the CEFR.
1 Einführung in den Themenschwerpunkt – ist gleichermaßen mit der rezeptiven wie der
Mit diesem Beitrag beginnt in der Zeitschrift produktiven Seite mündlicher Kommunika-
„Deutsch als Fremdsprache“ der neue The- tion verbunden;
menschwerpunkt „Phonetik in Deutsch als – schließt die phonologischen Grundlagen
Fremdsprache“. In diesem Abschnitt sollen ein.
einige grundsätzliche Fragen angesprochen
werden, die unten und in den Beiträgen der Die Phonetik im Fach Deutsch als Fremdspra-
folgenden Ausgaben vertieft behandelt wer- che hat sich in den letzten Jahren hinsichtlich
den. einzelner Aspekte unterschiedlich gut entwi-
Hören und Sprechen, Lesen und Schreiben, ckelt. Zu konstatieren ist zunächst ein zuneh-
Verstehen und Verstandenwerden im Mündli- mendes Interesse an phonetischen Themen,
chen wie im Schriftlichen – dies alles setzt das an Hand von Veröffentlichungen deutlich
phonetische Kompetenzen und Fertigkeiten wird. Dazu einige Beispiele:
voraus. Im Zusammenhang mit dem Fremd-
sprachenunterricht hat der Begriff „Phonetik“ – In den nächsten Ausgaben der Zeitschrift
dabei eine spezielle Bedeutung, er ist abzu- „Deutsch als Fremdsprache“ steht die Pho-
grenzen von der allgemeinen und experimen- netik im Mittelpunkt, aber auch vorher gab
tellen Phonetik. Phonetik in Deutsch als es hier regelmäßig Einzelbeiträge und Re-
Fremdsprache zensionen.
– Themenhefte zur Phonetik sind in der
– bezeichnet DaF-Unterrichtsinhalte und (Online-)Zeitschrift für Interkulturellen
-methoden, die sich mit der Aussprache be- Fremdsprachenunterricht (Hirschfeld/Rein-
fassen; ke 2007) und der Zeitschrift „Babylonia“
– ist weitgehend gleichzusetzen mit dem Be- (2/2011; Hirschfeld 2011) erschienen.
griff „Aussprache“ und umfasst die seg- – Es liegen Publikationen von Tagungsbeiträ-
mentale wie die supragsementale Ebene; gen aus Phonetik-Sektionen der Internatio-
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nalen Deutschlehrertagungen des IDV vor. gen zur kontrastiven Phonetik, auch im Rah-
Die der letzten IDT in Jena 2009 wurden im men der interkulturellen Kommunikation
IDV-Magazin 81 (2009) auf der IDV-Home- (vgl. die Beiträge in Hirschfeld/Stock 2010).
page veröffentlicht. Weitere interessante Fragen zum Bereich
– Handbücher, Publikationen für und über den Phonetik, die auch in Beiträgen zum Themen-
Fremdsprachen- bzw. DaF-Unterricht ent- schwerpunkt aufgegriffen werden, betreffen
halten Beiträge zur Phonetik, z. B. das Hand- die Nutzbarkeit von Aussprachewörterbü-
buch Fremdsprachenunterricht (Bausch/ chern und die Aussprachevielfalt im deutsch-
Christ/Krumm 2003), der Band „Deutsch sprachigen Raum.
DOI: 10.37307/j.2198-2430.2012.03.02
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der Zielstellung eines fest in den DaF-Unter- Bezeichnung „Aussprache und Intonation“ ist
richt integrierten Aussprachetrainings be- darüber hinaus nicht korrekt, da Aussprache
trachtet. die suprasegmentale Ebene einschließt und
„Intonation“ in der Fachliteratur häufig nur
4 Phonetik im Gemeinsamen europäischen für die Sprechmelodie steht. Die folgende Ta-
Referenzrahmen – im Kontext von Kom- belle enthält Auszüge aus den Zielangaben
petenzen und Fertigkeiten für die einzelnen Niveaustufen.
4.1 Linguistische Kompetenzen
Der GeR nimmt hierzu eine Unterteilung in A1 Die Aussprache […] kann mit einiger
Mühe von Muttersprachlern verstanden
weitere untergeordnete Kompetenzen vor: die
werden […]
lexikalische, grammatische, semantische, pho-
nologische und orthografische Kompetenz. A2 Die Aussprache ist im Allgemeinen
klar genug, um trotz eines merklichen
Bei den im Rahmen der p ho nolo g i s c he n Akzents verstanden zu werden […]
Ko m p et e n z beschriebenen Kenntnissen und
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den Einsatz adäquater suprasegmentaler bzw. nige Situationen bzw. Textsorten beschränkt
prosodischer Mittel, die ebenfalls sprachen- (sachliche Rede, formelles Gespräch …). Für
spezifisch sind. Es ist dabei zu beachten, dass emotional gefärbte Kommunikationssituatio-
Prosodie neben ihrer strukturierenden Funk- nen (z. B. Smalltalk) ist diese Sprechweise da-
tion auch eine Ausdrucksfunktion besitzt (vgl. gegen unangemessen und erfüllt somit nicht
Hirschfeld/Neuber 2010: 10ff.). Im Deutschen die Forderung des GeR (vgl. 143) hinsichtlich
gilt relativ stark ansteigende Melodie am Äu- authentischer Textsorten. Von Beginn an soll-
ßerungsende und/oder eine deutliche Melo- ten also schrittweise phonetische Unterschiede
diebewegung innerhalb der Äußerung i. d. R. zwischen formeller und informeller Sprech-
als höflich. Lernende greifen mangels bewusst- weise zumindest rezeptiv bewusst gemacht
gemachter und trainierter neuer Muster werden.
zwangsläufig auf ihre automatisierten und ggf. Einen weiteren Teilkomplex bilden r e g i o -
abweichenden prosodischen Muster aus der nale, nationale, ethnische und be-
Muttersprache zurück. Sie müssen also für der- r u f s s p e z i f i s c h e Va r i e t ä t e n (vgl. GeR
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artige prosodische Muster sensibilisiert wer- 120f.). Jede dieser Varietäten zeichnet sich
den und sie möglichst auch (bspw. in Rollen- u. a. durch besondere phonetische Mittel aus.
spielen) trainieren. Zu erwähnen sind in diesem Besonders die regionalen Varietäten (Stan-
Zusammenhang auch emotionale Sprechwei- dardvarietäten, Dialekte) werfen hinsichtlich
sen (freundlich, ärgerlich, gelangweilt …), für des Aussprachetrainings einige wichtige Fra-
die sowohl sprachenspezifische phonetische gen auf. So müssen sich Lehrende bspw. darü-
Ausdrucks- als auch Interpretationsmuster ber im Klaren sein, dass hierdurch Fragen der
existieren (vgl. Reinke 2010: 99ff.) und für die Fehlertoleranz berührt werden, wie z. B. die
die Lernenden im Fremdsprachenunterricht Entscheidung, ob die phonetische Realisie-
ebenfalls sensibilisiert werden müssen. rung des Graphems <ch> in Chemie als [k]
R eg i s t er u nt er s c h i e d e sollten laut GeR und/oder [ҫ] bzw. als [ʃ] korrekt ist bzw. zu to-
(vgl. 120) ebenfalls rezeptiv und produktiv lerieren wäre. Außerdem ist zu fragen, welche
vermittelt werden, wobei vom GeR bis zur der drei Standardvarietäten überhaupt im
Sprachniveaustufe B1 die Verwendung eines DaF-Unterricht vermittelt werden soll(en)
neutralen Registers empfohlen wird. Auf die und mit welchen der zahlreichen anderen Aus-
Bedeutsamkeit phonetischer Mittel wird in sprachevarietäten und -varianten Lernende
diesem Zusammenhang nicht eingegangen, auf welche Weise und in welchem Umfang
obwohl seit Langem bekannt ist, dass phoneti- vertraut gemacht werden müssen.
sche Mittel z. B. auch den Offizialitätsgrad Auch berufsspezifisches (rollengeprägtes)
von Äußerungen markieren. Meinhold hat be- Sprechen erfolgt zum großen Teil über phone-
reits 1973 phonostilistische Ebenen der tische Mittel. Zumindest rezeptiv sollte Ler-
Sprechweise beschrieben und unterschied nenden also bewusst gemacht werden, welche
bspw. die phonetische Gestaltung einer for- Erwartungsnormen im Deutschen hinsichtlich
mellen Rede vor großem Publikum von jener bestimmter offizieller Sprechrollen (Lehrer,
in informellen Alltagsgesprächen u. a. hin- Polizisten, Verkäuferinnen …) existiert.
sichtlich mehr oder weniger stark ausgepräg-
ter Assimilationserscheinungen. 4.3 Pragmatische Kompetenzen
In Bezug auf die Aussprache orientiert man Pragmatische Kompetenzen betreffen laut
sich zumeist an der sogenannten sachlich- GeR (vgl. 123) v. a. organisierende und struk-
neutralen Sprechweise, auf die sich auch Aus- turierende (Diskurskompetenz) sowie funkti-
sprachewörterbücher, z. B. das Deutsche Aus- onale Aspekte.
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Literatur
Fachliteratur als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationa-
Barkowski, Hans /
Krumm, Hans-Jürgen (Hg.) les Handbuch. Berlin / New York.
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Zweitsprache. Tübingen/Basel. aussprache. Lautschwächungen und Formstu-
Bausch, Karl-Richard u. a. (Hg.) (2003): Hand- fen. In: Wiss. Beiträge der Friedrich-Schiller-
buch Fremdsprachenunterricht. 4., vollst. neu Universität Jena.
bearb. Aufl. Tübingen/Basel. Neuber, Baldur (2006): Phonetische und rhetori-
Dieling, Helga / Hirschfeld, Ursula (2000): Phone- sche Wirkungen sprechstimmlicher Parameter.
DOI: 10.37307/j.2198-2430.2012.03.02
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