Edmund Weber - Kleine Runenkunde
Edmund Weber - Kleine Runenkunde
Edmund Weber - Kleine Runenkunde
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EDMUND WEBER
KLEINE
RUNENKUNDE
1941
Vorwort 7
Zu dem Rune
"Wort 9
Räumliche und zeitlidie Verbreitung der Runen ... 14
Vom Futhark 16
Von der Gestalt der Runen -31
Besonderheiten der Runensdirift 39
Lesung und Deutung der Runeninschriften 47
Von den drei Geschlechtern 55
Von den Runennamen 56
Zur Zeitansetzung der Runendenkmäler 64
Zum Ursprung der Runenschrift 6j
Vom Alter der Runenschrift 72
Die Runen als Gebrauchsschrift 76
Die Runen als heilige Zeichen 81
Die Runen als Kraftträger 86
Von Geheimrunen 96
Vom Runenmeister 98
Vom Gott des Runenwissens loi
Runen und Hausmarken 104
Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Runenschrift . .107
Sdiluß 115
Nadiwort 116
Zum Runensdirifttum 117
Verzeichnis der Abbildungen 119
VORWORT
Nadi einem Wort des schwedischen Reichsantiquars Olaus
Verelius aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts gebührt
der Runenschrift „die erste Stelle unter den herrlichen Ver-
mäditnissen unserer Ahnen". Es war kein Zufall, daß ein
Schwede diese Worte geprägt hat. Denn in seinem Vaterlande
8 Vorwort
j/ji und die HJ. sich die jüngere Sonnenrune als Sinnbild sie-
Edmund Weber
zu DEM WORT RUNE
Runen wirst du finden und rätlidie Stäbe,
Odins Runenlied
manischen Schriftzeichen.
Sachlich bestätigt wird der Gebrauch der Runen als Buchsta-
ben in der Rheingegend zur Zeit des lateinisch dichtenden
Bischofs durch eine silberne Spange, die 1 873 aus einem Frauen-
grabe in Freilaubersheim bei Kreuznadi gehoben worden ist,
gangen ist, die die Germanen laut der Germania i o des Tacitus
beim Loswurf benutzten. Da der Anlaut dieser Lgszeidien zur
rht>i^R<xhHii<>ra^TmnHM
f ul>arkgw,hnij^pts^tbemlf!lfod
Abb. 2. Die gemeingei manische Runenreihe
Futharkdenkmäler T-7
Zeitr. begegnen.
Die maßgebenden Funde dieser Art sind der Stein von Kylver
(Gotland) aus dem Anfang des fünften Jahrhunderts, die als
schützende Anhänger getragenen goldenen Hohlmünzen von
Vadstena und Grumpan (beide in Schweden) aus dem sechsten
Jahrhundert, eine bei Charnay in Burgund gehobene, wohl
alemannische oder fränkische Spange aus dem Ende des sech-
sten oder dem Beginn des siebenten Jahrhunderts und eine bei
Breza in Bosnien entdeckte steinerne Halbsäule aus dem sech-
sten Jahrhundert.
drei letztenRunen und bei der Säule von Breza ist die L-Rune
beschädigt und fehlen die drei letzten Zeidben.
Die Futhark-Denkmäler lassen zwar eine weitgehende Ge-
meinsamkeit der Überlieferung erkennen, weisen aber außer
den erwähnten Lüdken und Besdiädigungen manche Unstim-
migkeiten in den Formen und der Reihenfolge einzelner Buch-
staben auf. Diese Abweichungen mögen auf Stammeseigen-
tümlichkeiten beruhen oder aus dem Streben der Runenritzer
Größenunterschiede hei den Runen 19
Musterbeispiel zu werten.
Beachtlich ist, daß nach der Vermutung des sdiwedischen Sprach-
gelehrten S. Agrell gerade auf dem ältesten Denkmal dieser
Abc. Das "W ist nach der Übernahme der römischen Schrift-
reihe von den deutschen Schreibern erst später und das J gar
erst in der Neuzeit in das Abc eingefügt worden. Ein eigenes
Zeidien für ng geht uns heut nodi ab. Das Vorhandensein die-
ser drei Runen beweist, wie fein entwickelt das Lautgefühl des
Schöpfers des Futharks gewesen ist und wie weitgehend die
f u bo r k giu, hnije p
^ /.s.i bemlrgd ceaamy
1 5 ^ 10'' 'iS 20 25
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15
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10 15
eml ncjoedaceytoeaqk^stg*
20 25 30
Sie wird das nordische Futhork oder auch die dänische Runen-
reihe genannt.
f u p o r k , h n i a s , t ö m l R
1 2 3^ 5 6 7 a 9 10 11 12 13 U 15 16
„jüngere" bezeichnet.
Die wissenschaftliche Meinung über das Verhältnis beider zu-
einander hat stark gewechselt. Zu Beginn des neunzehnten
Jahrhunderts nahm man an, das kürzere Futhark sei das ur-
sprüngliche und die Grundlage des längeren, das sidi aus ihm
Verhältnis der kürzeren zur längeren Reihe 23
/ u ß a rk.hnias.t b m l
Punktierte Runen 25
lische ü-Zeichen f\
oder A (Abb. 7) angeregt worden. So kom-
men auf dem 1857 bei Busdorf bei Schleswig unfern des lange
versdiollenen und seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts
wiedergefundenen Wikinger-Großhandelortes HaithabUj der
im anghschen Landvolk die „Oldenburg" heißt, aufgefunde-
'Leibwächter (Gefolgsdiaftsmann).
'Dänische Lautform des sdiwedischen Stadtnamens Haithabu (Heideort)
am Haddebyer Noor der Schleiförde.
26 Spaltungsformen
Etwa zur gleichen Zeit wurde bei der o-Rune eine Aufspaltung
üblich. Noch im elften Jahrhundert konnten bei ihr die gleich-
„späte" N.
28 Vom Futhark zum Abc
^MirrtirrTHihii>Aiu^
def hiklmnoprstlhui/zao
a b
15 g
Abb.
10
14.
15
Die Waldemarsrunen
20 23
il rhl'|:RKtlUMVrB o
Abb. 16. Die goldene Zahlenreihe von Baarse
VON DER GESTALT DER RUNEN
Die Gestalt der Runen ist dadurch gekennzeichnet, daß im
allgemeinen waagerechte und gebogene Linien sowie rechte
Winkel vermieden, dagegen senkrechte und sdirägwinkelige
Züge bevorzugt sind. Allgemein hat die Forschung die eckigen
Formen der Runen mit der Herstellung der Zeichen durch
Schneiden in Holz erklärt.
Nun besteht freilich der Hauptteil der uns erhaltenen Runen-
zeugnisse aus Metall, Stein, Knochen, Bernstein und in einigen
3 Weber, Runenkunde
Reißen und ritzen
34
daß die runden oder geraden Linien als von dem eigenen'Er-
messen des betrefFenden Steinmetzen bedingt erscheinen.
Das «-Zeichen weist die Formen Pl und h, bei den Englän-
dern auch A auf; der Kennstab hat also eine eckige oder eine
Kennstab-Ansatz
37
Die alte i-Rune ^ f tritt audi statt der eckigen mit leidit-
gebogenen Linien auf; sie kommt auch statt mit drei mit vier
Teilstridien vor. Sie wird später im Norden zu H (siehe S. 22).
Wir sind gewöhnt, von links nach redits zu schreiben und die
Zeilen von oben nach unten folgen zu lassen. Bei den Ger-
manen der ersten Runenzeit aber war es möglich, nach Be-
lieben von rechts nach links (linksläufig) oder von links nadi
Auf dem Stein von Karlevi sind die Buchstaben jeder neu
beginnenden Zeile auf den Kopf gestellt. Bei dem Stein von
Tune (um 500) läuft auf der Vorderseite eine zweizeilige In-
schrift von oben nach unten und zurück; die absteigende An-
fangszeile ist rechtswendig, die zweite aufsteigende links-
wendig, also das ergebend, was wir heut „Spiegelschrift"
nennen. Auf der Rückseite steigt die Anfangszeile linksläufig
zur Spitze auf, die mittlere senkt sich linksläufig zum Fuß ab.
40 Furdoensdorift
rechtsläufig linksläufig
man spricht dann von einer ,^enderune" . Ist eine Rune auf
den Kopf gestellt (gestürzt oder umgestülpt), so wird sie als
2. Trennungszeichen
wollten.
steht eine Insdirift aus fünf "Worten; sie weist vier Trennungs-
j. Rahmenlinien
Bei den ältesten Inschriften sind die Runen meist frei ange-
bradit wie auf dem Stein von Kylver und dem von Tune. Auf
dem von Möjebro (Abb. 27) stehen sie auf einer Linie,
Stein
auf der Spange von Charnay (Abb. 5) auf einer Doppellinie.
Je länger, je mehr kamen Rahmenlinien auf, die sich schließ-
lich zu kunstvoll verschlungenen Runenbändern entwickelten.
Binderunen
43
4. Binderunen
Keine Doppelsetzungen
44
= a + z, )^ =X+ f^
= g + a usw. Soldie Zeidien heißen
„Binderunen". Es kann sein, daß sie geschnitten worden
sind, um Raum oder Mühe zu sparen, es kann aber auch noch
anderes dabei mitgesprochen haben — vielleicht Rücksichten
auf Bann Wirkung.
Auf dem Erikstein, der dänisch Hedeby- oder Danevirke-
Stein genannt wird, 1796 bei Schleswig gefunden worden ist
Knochen ist die gleiche Höhe des K mit den anderen Buchstaben
auffällig und ebenso die Doppelsetzung des N. Beide Eigen-
Reihenfolge der Runen
45
tums. Das Futhark steht damit dem Alphabet und dem Abc
völlig selbständig gegenüber. Alle Versuche, die Runenfolge
gleichwohl aus dem Abc abzuleiten, sind bisher an innerer Un-
zulänglichkeit oder an ihrer Gewolltheit gescheitert. An diesen
Bemühungen hat es nicht gefehlt, Anordnung der
denn die
weil dann die Reihe mit der Rune für bewegliche Habe begin-
nen und mit der für liegende enden würde. Falls nicht ein
neuer Fund die eine der beiden Möglichkeiten verstärkt, muß
die Entscheidung für oder wider in der Schwebe bleiben.
LESUNG UND DEUTUNG DER
RUNEN-INSCHRIFTEN
der Runen auf einem Funde. Eine solche Lesung ist meist keine
einfache Sache; nidit immer sind die Runen so deutlich lesbar
wie auf dem Goldhorn oder dem Stein vonMöjebro (Abb. 27).
Oft ist die eindeutige Erkennbarkeit der Buchstaben durch
steht dahin.
4 'Weber, Runenkunde
Abb. 25. Die große Nordendorfer Spange
Goldring von Pietroassa 51
„zu Hengst", und ein dritter nimmt an, daß das s von slaginaz
doppelt zu lesen sei, und erhält mit dem i davor das Wort-
dien is = ist. So kämen drei Deutungen heraus: i. „Frawa-
radas zu Hag (heut Hagby) erschlagen"; 2. „Frawaradas zu
Roß erschlagen"; 3. „Frawaradas [ist das]; Ana der Einäugige
ist erschlagen" (nämlidi von Frawaradas). Eine Entscheidung,
welche dieser Deutungen den Vorzug verdient, ist schwer zu
treffen; sie wird stark bedingt von der Überlegung, ob der
Stein zu Ehren eines Siegers Frawaradas oder als Gedächtnis-
stein für einen erschlagenen Frawaradas bestimmt gewesen
sein wird. Letzteres ist nach der ganzen Art der Runensteine
wahrsdieinlicher.
Sehr schwierig war auch die Lesung und Deutung der Runen-
insdirift auf der Unterseite der Bodenplatte des Braunschwei-
ger Runenkästchens, das sich im Herzog- Anton-Ulrich-Museum
befindet. Es ist ein aus Walroßzahn kunstvoll geschnitztes
dafür das Wort „tan" bewahrt, das als „Zein" noch im Neu-
hochdeutschen lebt.
sie in der Tat äußerlich den römischen Noten, von denen sie
Diese gehen wohl auf die Mitteilung eines Westgoten aus Süd-
frankreich zurück; sie lehren, daß die Buchstaben der gotischen
funden werden, der die Antwort ergab. Das Fachwort für das
„Raten" und Deuten der Runenmarken „redhan" lebt noch
Ihre Niedersdirift ist indessen erst nach dem Beginn der mit
der Bekehrung einsetzenden Sdireibzeit, also viele Jahrhun-
derte nach Tacitus erfolgt. Der ursprünglidie Wortlaut muß
daher Abänderungen ausgesetzt gewesen sein. Dafür zeugt
u. a. im altenglischen Runenliede der Name thorn (Dorn) für
62 Runenlieder
über. / Rad zum Schlüsse ritz! / Ä'ien daran klebt. / Hagel Not
hat. / Eis, Ernte-ylrbeit und 5onne. / Tiu, 5irke und Mann
®
inmitten. / Lache die lichte. / Schluß-Ä alles beschließt."
*Die Urschrift beginnt mit f eu; statt des F muß in deutscher Reditsdirei-
bung ein V gesetzt
werden. Die fünfzehn Anlautbudistaben sind vom Ver-
fasser gesperrt. Bei Eis vgl. Island. Die letzte Rune mit dem Namen „Yr"
(Eibe, Bogen) war das Schluß-R, also kein Anlautzeichen.
Namen des norwegisthen Futhorks 63
sinnbildlicht haben.
ZUR ZEITANSETZUNG DER RUNENDENKMÄLER
^ Der Name kommt von dem lateinischen Wort bractea (dünne Platte),
das zur Bezeichnung der einseitig beprägten Münzen des Mittelalters dient.
Das "Wort ist ziemlich unpassender Weise auf die als Schutzdinge getrage-
nen Schmuckstücke angewendet worden.
5 Weber, Runenkunde
66 Rnnenge stalten als Leitformen
wegens und Schwedens, ist man auf die Gestalt der Runen
selbst als Leitformen angewiesen. Dabei spielen die Entwicke-
lungsstufen der k- und der j-Rune eine besonders wichtige
haben dürfte, als er schrieb: „In einer solchen Zeit steht die
Schrift in einem ganz anderen Verhältnis, als wir gewohnt
sind, sie zu erblicken, Sie wird als gelehrte Kenntnis von weni-
gen besessen, nur von denen, welchen die Erhaltung und Fort-
pflanzung des Geistigen obliegt." Für die Männer, welche die
deutschen Stämme führten, ist also das Wissen um die Runen
als eines Mittels zur Verständigung anzunehmen.
Wann und wo einem geistig regen Südgermanen zuerst der
schöpferische Gedanke gekommen ist, eine zu gleichem Zweck
wie das Abc brauchbare Buchstabenreihe aufzustellen, bleibt bei
alledem noch immer im Dunkeln. Als ein Beispiel dafür, mit
welchem Scharfsinn die Gelehrten sich abmühen, dieses Dun-
kel zu erhellen und welche Widitigkeit dabei der Vergleichung
der Buchstabenformen zukommt, sei zum Schluß noch folgen-
des erwähnt. Das runische r-Zeidien R hat überwiegend einen
Kennstab, der den Hauptstab nur oben berührt, nicht aber
auch in der Mitte. Bei dem römischen Großbuchstaben R be-
rührt der geschwungene Teil den senkrechten zweimal, und
zwar vom zweiten Jahrhundert vor u. Zeitr. ab, während in
älterer Zeit auch das lateinische R „offen" war. Daraus ist nun
gefolgert worden, daß das offene runische R dafür spreche,
daß das Futhark geschaffen worden sein müsse, bevor das
römische R die geschlossene Form annahm. Aber gegen diesen
Schluß ist 1938 geltend gemacht worden, daß das offene latei-
unanfechtbare Tatsadie.
In welchem Umfange die Süd- und Nordgermanen die Runen
zu schriftlichen Mitteilungen benutzt haben, ist schwer zu
sagen. Das sdion erwähnte Zeugnis des Venantius deutet auf
Runenbrief e bei den Franken. In die Lande der Nordgermanen
führt eine Mitteilung aus dem Leben Ansgars, nach der ihm
der Schwedenkönig Björn 8 3 1 u. Zeitr. Schriftzeichen, die er
Das Lesen der runenkundigen Frau geschah also laut wie bei
unseren Lesefibel-Schützen. Es heißt dann weiter:
m- \hmmwnmr-m
Abb. dem Schonischen Gesetz
30. Beispiel aus
a:tiWKt1^S^1W:Rri:K\:mNmwt:
geurteilt worden: „Die Runen waren von Hause aus alles eher
als ein Verständigungsmittel. Ihre Ritzung hat eine ähnliche
Glaubensgrundlage wie die uralten Felszeichnungen und einen
ähnlichen Zweck: Verstärkung und Verewigung. Es ist etwas
Übernatürliches, eine heilige Kraft in diesen Zeichen^^."
Wesen, auch die Metalle und Steine, in Eid, ihrem Sohn nicht
zu schaden.
Was Seele und daher Empfindung hat, ist durch Wort, Ge-
bärde und Zeichen beeinflußbar. Von der Maciit des richtig
gewählten Wortes ist der Wiederaufstieg des deutschen Volkes
aus seiner tiefsten Erniedrigung und Ohnmacht seit 19 19 eine
überzeugende Veranschauliciiung. Es ist daher nicht verwun-
derlich, wenn Germanen von einer besonderen Wirk-
die alten
samkeit der Vereinigung von Wort, gebärde und Zeichen
Machtwirkungen der Runen 87
heitstrank:
Bier bring ich dir. Brünneneichbaum*',
Gemischt mit Stärke Und stolzem Ruhm,
Vollvon Sprüchen Und Freudenrunen,
Gutem Zauber Und Glücksstäben^*.
Auch hier dienen die Runen nicht als Buchstaben, sondern als
und ritzte Heilrunen ein, wonach die Kranke sich gleich viel
Auf diese letzte Drohung hin willigt die spröde Maid endlich
darein, sich Freyr zu ergeben. So offenbart das Gediciit, welch
unheimliche Macht den Runen im frühen Mittelalter zugetraut
worden ist.
Abwehrrunen.
90 Ring von Körlin
„Besdiwörung".
Eine andere Art der schirmenden Runenkunstgrifte weisen
die silberne Scheibenfibel von Bülach aus dem Beginn des sie-
teilt, denen auf der Innenseite nodi eine Gruppe von drei
Zeichen zugesellt ist.
16, 24, 48 eine große Rolle. Auch die Zahl 10 muß bedeu-
tungsvoll gewesen sein. Der Fachausdruck für solche Rech-
nung nach dem Zahlenwert der Buchstaben ist „Gematrie".
Durch alle diese Mutmaßungen hat die Runenforsdiung des
zwanzigsten Jahrhundert ein wesentlich anderes Gesicht er-
halten als die des neunzehnten. Nidit wenige Züge daran wir-
ken befremdlich. Sie drängen zu der Frage, wie weit man es da
noch mit rein germanischer Art zu tun hat. Es muß der Tat-
sache ins Auge gesehen werden, daß seit der Zeit, wo die Ger-
Nach dieser Lage der Dinge ist also stark damit zu rechnen,
daß Einflüsse des spätantik-mithraistischen Buchstaben- und
Zahlen-Aberglaubens auf das Runenwesen eingewirkt haben.
Sie würden Künsteleien wie die der Scheibenspange von Bülach
und die Zahlenspielereien so mancher Runenfunde als die Aus-
Ebenso wird über den Skalden Egil berichtet, daß er, als ihm
ein Horn mit Met gereicht wurde und ihm der Verdacht kam.
Röten der Runen
9S^
es möchte Gift darin sein, mit seinem Messer Runen ins Horn
ritzte und sie mit seinem Blut rötete, worauf das Horn zer-
sprang und der Met auslief.
Wie zäh die Erinnerung an den Brauch des Rötens sidi auch
im deutschen Landvolk erhalten zu haben scheint, mag fol-
angefügt sind, die auf der einen Seite das Geschlecht, auf der
anderen die Stellenzahl in diesem Geschlecht angeben. So kann
2. B. % gedeutet werden als: zweites Geschlecht, dritte Rune,
was das I sowohl im längeren wie im kürzeren Futhark er-
7 Weber, Runccl;unde
VOM RUNENMEISTER
1930 wurde in einem Frauengrabe bei Soest eine aus der zwei-
ten Hälfte des sechsten Jahrhunderts stammende goldene
Scheibenspange mit einer zweifachen Runen-Inschrift gefun-
den. Sie wird im Landesmuseum zu Münster aufbewahrt. Die
zweite Runengruppe ist sozusagen als ein verschlüsseltes Ver-
bundzeichen anzusprechen. Zwei Langstäbe schneiden sich wie
die Diagonalen eines Rechtecks und tragen die Kennstäbe der
7*
100 Selbstzeugnisse von Runenmeistern
Auf dem Stein von Noleby in Schweden (um 600) heißt es:
„Runen färbe idi, von den ratenden Mäditen stammende."
Mit diesen Worten ist den Runen göttlidie Herkunft zugeschrie-
ben. Einige Jahrhunderte später wurde der Lieblingsgott der
Wikinger Odin, der Herr der Weisheit und der Dichtung, auch
zum Gott der Runen. Wie er das Wissen um Runen erwarb,
die
hat,stammt aus Odins Halle; Odin, der Hohe, ist es, dessen
Worte er wiedergibt.
Odin erzählt, wie er einst in seiner Jugend — offenbar durch
feindliche Riesen — an die Weltesche gehenkt und mit dem
Speer geritzt wurde. Und dann, in hödister Not, erspäht er
unter sich lösende Runen, und sein Mutterbruder Mimir, der
kundige Riese, lehrt ihn Zauberlieder und spendet ihm von
dem Zaubermet. Da Odin und erwächst zum Meister
erstarkt
zauberischen Wortes und Werkes. Wir tun gut, diese ahnungs-
volle Kunde nicht zu vorwitzig zu durchleuchten. Der Spre-
102 Odins Runenlied
I.
2.
Sinnreger.
Odins Rnnenlied
7-
zeile dar und bezeugen als ältester Beleg das hohe Alter die-
ser Versart. Andere Denkmäler bezeugen die Verbreitung der
wichtigsten Eddastrophe über den ganzen Norden, also auch
in Dänemark und Schweden, wo sonst keine eddische Dich-
tung erfaßbar ist. Der Stein von Rök enthält eine Strophe, in
der von König Dietrich die Rede ist. Die vier Verszeilen be-
zeugen also, daß die Dietridisage auch in Schweden bekannt
war.
Sagengeschichtlich bedeutsam sind zwei Platten des im Briti-
und Ivar ein, auf Geheiß Haralds des Hohen, obgleich die Grie-
chen es gewahrten und verboten." Der genannte Harald war
der spätere König von Norwegen Harald der Gestrenge, wohl
die glänzendste Erscheinung der gesamten Wikingerzeit; er
Aus dem Feldzuge von 1864 brachte Prinz Friedridi Karl den
Stein von Haverslund mit nach Berlin und ließ ihn vor dem
Jagdschloß Dreilinden (am heutigen Bahnhof Wannsee) auf-
stellen. Das Denkmal trägt den Namen „Hairulfr".
GlanbenszeHgriisse III
Schutzding gedient haben, wie der Ring von Körlin und die
über 400 bisher gefundenen goldenen und silbernen Anhänger-
Münzen. Auch die „Siegsteine", die sog. „Aisengemmen" aus
Glas sollten ihren Träger sdiirmen und ihm Sieg verleihen.
über zwei Buchstaben deutet an, daß sie einen einzelnen Laut darstellen
sollen, für den unsere Rechtschreibung kein besonderes Zeichen hat.
Die Eddastellen sind gegeben teils nach der von Necikel neu besorgten
Simrock-Übertragung der Edda, teils nach der Genzmer-Übersetzung in
der Sammlung Thüle.
Die einleitende Stelle aus Odins Runenlied und die Zweizeiler des Venan-
tius sind vom Verfasser nachgedichtet.
Die Abrollung des Körliner Ringes ist den Monatsblättern der Gesellschaft
für pommersche Geschichte und Altertumskunde vom März 1936 entnom-
men; sie ist vom Gymnasialzeichenlehrer i. R. F. Müller nach dem Urstück
angefertigt worden.
1. Agrell, Sigurd: Zur Frage nach dem Ursprung der Runennamen. 1928
— Die spätantike Alphabetmystik und die Runenreihe. 1932
— Die Herkunft der Runenschrift. 1938
2. Altheim, F. und Traiitmann, E. : Vom Ursprung der Runen. 1939
}. Baeseke, G.: Die Herkunft der Runen (in Germ.-Rom. MonatsscJirift).
1934
4. Brandl, Alois: Altenglische Literatur. 1908
I}. Krause, Wolfgang: "Wesen und Werden der Runen (Zeitschrift für
Deutschkunde). 1937
14. Leyen, Friedridi von der: Die germanisdie Runenreihe und ihre Namen
(Zeitsdirift für Volkskunde). 1930
ij. Neckel, Gustav: Zur Einführung in die Runenforschung (Germ.-Rom.
Monatsschrift). 1909
— Die Herkunft der Runenschrift Erstes Nordisches Thing, Bremen).
(in
1933
— Die Herkunft der Runen Forschungen und
(in 1933 Fortschritte).
— Die Kultur der alten Germanen. 1934
Als Festschrift zu Nediels 60. Geburtstag: Beiträge zur Runenkunde.
1938
16. Reichardt, Konstantin: Runenkunde. 1936
— Schrift (in H. Schneiders Germanische Altertumskunde). 1938
„ 3 Steinvon Kylver 17
„ 4 Anhänger von Vadstena 18
Seite
Abb. 33 Lanzenspitze von Kowel 82
„ 34 Lanzenspitze von Müncheberg (Dahmsdorf) 83
„ 35 Lanzenspitze von övre Stabu 84
„ 36 Abrollung des Körliner Ringes 90
„ 37 Stein von Rök 96
38 Soester Verbundzeidien 98
„ 39 Kavel mit Hausmarke 105
,, 40 Der sog. Wittekindstein 106
„ 41 Vorderseite des Clermonter Kästchens 108
„ 42 Stein von Haverslund iii
43 Siegstein (Aisengemme) 112
44 Löwe vom Piräus 113
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