Petrus Legende
Petrus Legende
Petrus Legende
DIE PETRUSLEGENDE
1 Drews Petruslegende 1
2
PETRUS IM NEUEN TESTAMENT
I. IN DEN EVANGELIEN
Matthäus 16,18 u. 19 spricht Jesus zu seinem Jünger Petrus,
als dieser auf die Frage, wer er sei, ihn für den Christus, den
Sohn des lebendigen Gottes, erklärt: „Du bist Petrus, und auf
diesen Felsen will ich meine Gemeinde (ekklesia = Kirche)
bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwälti-
gen. Ich will dir die Schlüssel des Reichs der Himmel geben,
und was du bindest auf der Erde, soll in den Himmeln ge-
bunden sein, und was du lösest auf der Erde, soll in den Him-
meln gelöst sein."
Die Stelle hat die verschiedenartigste Beurteilung erfahren.
Die römisch-katholische Kirche gründet auf sie den sog.
Primat des Petrus, die Ansicht von dem Vorrang dieses Jün-
gers vor allen übrigen, und damit ihre Rechtsansprüche auf
die Herrschaft über die anderen Kirchenbildungen nicht bloß,
sondern auch über die Seelen. Hingegen stimmt die prote-
stantische Kritik im allgemeinen darin überein, daß die Stelle
das Einschiebsel einer späteren Zeit im Interesse der kirch-
lichen Machtansprüche darstelle und die angeführten Worte
im Munde Jesu eine offenbare Unmöglichkeit seien.
Und in der Tat, wenn irgend etwas über Jesus, wie die
Evangelien ihn uns schildern, feststeht, so jedenfalls dies, daß
ihm nichts ferner gelegen haben kann, als eine Gemeinde-
oder Kirchengründung im Sinne des römischen Katholizismus.
Jesus glaubte nach den Evangelien an das nahe bevorstehende
Weltende. Mit dieser Verkündigung soll er seine Sendung an-
getreten haben. Sie bildet den durchgehenden Gegenstand
aller seiner Lehren, die Voraussetzung, die seiner gesamten
Ethik zugrunde liegt und die allein seinen Sittensprüchen erst
ihre erschütternde Kraft und „einzigartige" Färbung ver-
leiht, ohne die sie zu Gemeinplätzen einer bloßen volkstüm-
lichen Moralpredigt herabsinken. Der evangelische Jesus zeigt
sich aufs tiefste überzeugt von der unmittelbaren Nähe des
sog. Himmelreiches, d. h. der messianischen Endzeit und sei-
ner eigene n Wiederkunft in den Wolken des Himmels zur
1
Vgl. Joh. 20, 23.
2. IN DER APOSTELGESCHICHTE
Zunächst stimmt auch die Apostelgeschichte darin mit den
Evangelien überein, daß sie zwar in ihrem ersten Teile dem
Petrus ihr Hauptinteresse zuwendet und seine Reden und
wunderbaren Taten schildert, ihn aber doch nicht selbst als
obersten Leiter der Gemeinde zeigt, sondern ihn hierin hinter
Jakobus, dem „Bruder des Herrn", zurückstehen und ihn
auch sonst keine Ausnahmestellung einnehmen läßt. Denn
als er den heidnischen Hauptmann Cornelius und dessen
Familie getauft und ohne vorherige Aufnahme in die jüdi-
sche Gemeinde dem Christentum zugeführt hat, da muß er
sich gefallen lassen, von den anderen Aposteln und Brüdern
hierfür zur Rechenschaft gezogen zu werden, und er beruft
sich nicht etwa auf die ihm von Jesus übertragene Gewalt,
zu binden und zu lösen, sondern rechtfertigt sich durch sach-
liche Gründe.4 Auch gibt beim sog. Apostelkonzil, wo über
die Frage der Heidenmission entschieden wird, nicht seine
Rede, sondern die des Jakobus den Ausschlag. 6
1 2
Joh. 18, 10. 20, 3f. 3 ,21,22 4 Apg. 11. 5
15.
10
11
12
13
14
3. IN DEN PAULUSBRIEFEN
Nun begegnet uns Petrus aber auch in den Briefen des
Apostels Paulus, und zwar hier unter dem aramäischen
1
Apg. 15.
15
16
2 Drews, Petruslegende 17
2* 19
4. MATTHÄUS 16, 18 f.
Immerhin steht so viel fest, daß die Briefe des Paulus, zum
mindesten der Galaterbrief nebst dem Römer- und den beiden
Korintherbriefen, vor den Evangelien oder doch vor ihrer end-
gültigen Fassung, in der sie uns heute vorliegen, geschrieben
sind. Denn nicht nur liegen die beiden zuletzt genannten dem
Galaterbrief zugrunde, sondern der Galaterbrief mitsamt
dem Römer- und ersten Korintherbrief hat auch auf die
Erzählung des Petrusbekenntnisses in den synoptischen
Evangelien eingewirkt. Diese Beeinflussung der Evangelien
durch die genannten Briefe des Paulus ist so offenkundig, der
Wortlaut gerade auch in der Erzählung vom Petrusbekennt-
nis sowohl bei Markus wie bei Matthäus so unbestreitbar
übereinstimmend, daß der hiermit gegebene Zusammenhang
auch von theologischer Seite anerkannt wird. 2 Der Verfasser
der Evangelien hat die Paulusbriefe vor Augen gehabt, als er
seine Geschichte vom Petrusbekenntnis niederschrieb. Das
wird besonders bei Matthäus sichtbar, wo die Worte: „Selig
1 2
Apg. 21, 26; 24, 17f. S. mein Markusevg. I78f.; Sternhimmel
261 ff.
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
1
Markusevg. 265 f.; siehe dort auch die Abbildung auf dem Atlas
Farnese: Abb. 8.
30
1
Gen. 49, 5 ff. 2 Markusevg. 99; Sternhimmel 14 f.
31
32
34
3* 35
36
37
38
39
40
41
3. JANUS
Alle bisher hervorgehobenen Verwandtschaftszüge zwischen
Petrus und den angeführten Göttern fassen sich zusammen
in der Gestalt des römischen Gottes Janus. Schon Dupuis hat
in seinem Werke „Origine de tous les cultes" (1794) auf
1
Sepp: Das Heidentum und dessen Bedeutung für das Christentum,
1853, II 467. 2Germ.34. 3Simrock: Handbuch der deutschen Mytho-
logie, 4. Aufl., 1874, 269 ff.
42
43
44
45
4. JESUS
Wenn Petrus nach Matth. 16, 19 die Schlüssel des Reiches
der Himmel von Jesus übertragen bekommt, so muß dieser ur-
sprünglich in deren Besitz gewesen sein. Und in der Tat wird
Jesus Joh. 10 gleichfalls als ein ,,Herr der Türen" aufgefaßt.
1
H. Lietzmann: Petrus und Paulus ni Rom. Liturgische und archäo-
logische Studien, 1915, 3, 20, 71, 81. 2 In ähnlicher Weise sind auch
noch andere kirchliche Feste durch Vermittlung des Sternhimmels
zustande gekommen. So, wenn die ältere morgenländische Kirche
das Gedächtnis der Apostel Petrus und Paulus am 28. Dezember, die
römische Kirche dieses am 29. Juni feierte. Es sind die Tage, wo die
Zwillinge, sei es am Abend beim Untergange des Steinbocks, sei es
am Morgen beim Aufgang des Krebses über den Horizont herauf-
steigen. Aus demselben Grunde feierte man in der syrischen und arme-
nischen Kirche am 27. Dezember das Fest der Apostel Johannes und
Jakobus und in Rom am 28. Dezember das Gedächtnis der unschul-
digen Kinder von Bethlehem, da die Zwillinge vielfach als Kinder
dargestellt zu werden pflegten (Markusevg. 164), während am
26. Dezember das Fest des ersten Märtyrers Stephanus begangen
wurde, weil das Sternbild der nördlichen Krone oder des Kranzes
(gr. stephanos) beim Aufgang des Steinbocks gegen Ende des De-
zember kulminierte.
46
47
48
4 Drews. Petruslegende 49
50
4* . 51
52
53
1
Opp c. F. XX 4. 2 Sternhimmel Tafel XVIII. 3 Brandt a. a. 0. 32f.
54
55
56
57
58
59
60
61
63
64
5 Drews, Petruslegende 65
66
5* 67
68
70
71
72
73
74
75
77
VORWORT. . ........................................................................... 1
PETRUS IM NEUEN TESTAMENT........................................ 3
1. In den Evangelien ............................................................... 3
2. In der Apostelgeschichte .................................................. 10
3. In den Paulusbriefen .......................................................... 15
4. Matthäus 16, 18 f ................................................................. 20
DER APOSTELFÜRST .............................................................. 25
DER MYTHISCHE HINTERGRUND DER PETRUS-
GESTALT ............................................................................. 31
I.Simon — Herakles — Melkart ........................................ 32
2. Petros — Mithra — Atlas — Proteus — Petra . . 36
3. Janus ....................................................................................... 42
4. Jesus ........................................................................................ 46
PETRUS ALS MITHRA ........................................................... 50
PETRUS IN ROM ........................................................................ 55
PET RUS UND DAS PAPSTTUM ........................................ 75