DIE KUNST DES LEERVERKAUFES - Digitalversion

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© Florian Homm, Hattersheim 2017

Auflage 1
(überarbeitete, digitale Version)

Herausgeber:
Moritz Hessel
Wildstrasse 12
8193 Eglisau
Schweiz

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.


Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags/der Herausgeber/der
Autoren unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder
sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche
Zugänglichmachung.
Inhalt

Kapitel 1: Einführung

1 Wer sollte dieses Buch lesen? 11


2 Was sind Leerverkäufe? 12
3 Warum sollten Leerverkäufe ein Bestandteil des 15
Investmentstils sein?
4 Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf? 21
5 Was benötige ich für Leerverkäufe? 36
6 Sind Leerverkäufe moralisch verwerflich? 39

Kapitel 2: Die Mechanismen des Leerverkaufes

7 Profitieren von fallenden Kursen 43


– Leerverkäufe, inverse ETFs und Derivate
8 Investmentdisziplin 49
9 Psychologie 54
10 Black Swans als Chance oder Risiko 56
11 Die Wahl des US-Präsidenten Donald Trump-Risiko 57
12 Brexit – Chance 60
13 Antizipation & Positionierung 62
14 Risikomanagement 64
15 Technische Analyse 68

3
Kapitel 3: Ideenfindung

16 Ideenfindung 71
17 Gesamtmarktanalyse 76
18 Industrieanalyse 84
19 Fundamentalanalyse 89

Kapitel 4: Fallstudien

20 Aktien: Chemours 93
21 Währungen: Yen 97
22 Rohstoffe: Kobalt 100

Nachwort 106
Die Lage in Bildern 118
Über die Autoren 120
Glossar 123
Quellen 129
Abbildungen 133

4
Haftungsausschluss

Das vorliegende Taschenbuch dient ausschließlich Informationszwe-


cken. Alle hier verwendeten Informationen, Daten oder Meinungen
stammen aus Quellen, die das Autorenteam aus eigener, subjektiver
Anschauung zum Zeitpunkt der Erstellung als zuverlässig, vertrauens-
würdig und/oder angemessen erachtet haben.

Das Autorenteam übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit,


Korrektheit oder Qualität der vorliegenden Informationen. Hinsicht-
lich der Inhalte verknüpfter Webseiten Dritter übernehmen die Autoren
und Herausgeber keine Haftung. Die Autoren und Herausgeber haben
insoweit keinen Einfluss auf die Inhalte externer Webseiten Dritter und
distanzieren sich von diesen, sollten diese nicht mehr ihrem ursprüng-
lichen Inhalt zum Zeitpunkt der Fertigstellung (4.5.2017) dieser Publi-
kation entsprechen. Die Veränderungen der dieser Publikation zugrun-
de gelegten Daten können Einfluss auf die gemachten Einschätzungen,
Prognosen oder Kursentwicklungen haben.

Die in dieser Publikation gemachten Aussagen stellen unter keinen Um-


ständen eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers,
einer Option, von Optionsscheinen oder sonstigen Finanzinstrumenten
dar. Die Studien, Kommentare, Einschätzungen, Meinungen, Darstel-
lungen oder sonstige Angaben der Autoren entsprechen keiner Anlage-
beratung.

5
Jede Investition in Wertpapiere ist mit Risiken behaftet, die zum Teil-
oder Totalverlust führen können oder darüber hinaus. Käufe oder Ver-
käufe von Wertpapieren dürfen nicht auf Grundlage dieses Taschen-
buchs gemacht werden. Investitionsentscheidungen sollten stets nach
vorangegangener und eingehender Beratung durch einen zertifizier-
ten und professionellen Anlageberater erfolgen. Grundsätzlich sollten
Wertpapierkäufe nicht kreditfinanziert werden. Jeder Investor/in ist an-
gehalten, vor dem Kauf eines Wertpapiers selbständig zu recherchieren
und fachkundigen Rat einzuholen.

6
Vorwort

Liebe Leserinnen,
liebe Leser,

In meiner fast 30-jährigen Karriere als Finanzinvestor habe ich mich


mit großem Erfolg einer Spezialität gewidmet, die nur von einer Min-
derheit an Investoren beherrscht wird: Leerverkäufe.

Möglicherweise ist Ihnen der Begriff auch unter Baissespekulation


oder short selling bekannt, gemeint ist stets das Spekulieren auf fallen-
de Kurse. Der Leerverkauf ist bis heute eine „Marktlücke“ und wird nur
von den raffiniertesten Investoren erfolgreich angewandt. Angesichts
der aktuellen Entwicklungen am Kapitalmarkt wird sich die Mühe für
denjenigen oder diejenige, die diese Kunst beherrscht, definitiv aus-
zahlen. Die aktuelle Marktlage begünstigt hervorragende Investitions-
möglichkeiten mit sehr guten Chancen-Risiko-Verhältnissen.

Dieses Buch ist in vier Kapitel geteilt

Kapitel 1 behandelt grundlegende Fragen zum Leerverkauf. Dazu ge-


hören Gründe für die Anwendung dieser Technik, den Ablauf, die Ri-
siken und ethische Fragen.

Kapitel 2 beschreibt Vehikel, die benutzt werden können, um von fal-

7
lenden Kursen zu profitieren. Außerdem werden psychologische Hür-
den behandelt, denen ein Leerverkäufer ausgesetzt ist. Aufgrund ihrer
Relevanz wird aufgezeigt, inwieweit sogenannte Black Swan Events
eine Rolle spielen bei der Spekulation auf fallende Kurse.
Abschließend werden dem Leser quasi als Fortsetzung von Kapitel 1
Risikomanagement-Techniken in Kombination mit der Investmentphi-
losophie eines Leerverkäufers präsentiert.

Kapitel 3 ist das theoretische Framework, um Short-Kandidaten zu iden-


tifizieren.

Das letzte Kapitel ist die praktische Umsetzung, die sich auf die zuvor
behandelten Themen stützt und diese umsetzt.

Der erfolgreiche Value Investor fokussiert sich auf wenig verschuldete


Substanzwerte oder ertragsstarke und wachstumsorientierte Unterneh-
men. Der Leerverkäufer achtet wiederum auf Börsenwerte, die nach
denselben Auswahlkriterien unattraktiv sind. Es geht beim Leerver-
kauf primär darum, Schwächen und Überbewertungen zu identifizieren.
Dies sind oftmals Aktien mit einem extrem hohen Verschuldungsgrad,
marginaler Profitabilität, minimaler Konkurrenzfähigkeit, schwacher
Substanz und miserablen Gewinnmargen.
Um den Leerverkauf zu verstehen, muss man lernen, wie die erfolg-
reichsten Investoren investieren. In anderen Worten bedeutet dies, Sie
müssen wissen, wie man „long“ geht, also welche Kriterien für ein er-
folgreiches Investment entscheidend sind.

8
Wir können Ihnen dazu zwei Links mit Büchern empfehlen, die von
Profis geschrieben wurden. Der erste Link ist eine Auswahl an Büchern
in deutscher und der zweite in englischer Sprache:

http://www.businessinsider.de/diese-16-buecher-muss-jeder-gelesen-haben-
meint-warren-buffett-2016-4
http://www.valuewalk.com/books/my-full-recommended-reading-list

„The Intelligent Investor“ von Benjamin Graham wird gemeinhin als


Standardwerk für wertorientiertes Investieren gesehen. Leider gibt es
zu der Thematik Baissespekulation kein Äquivalent, schon gar nicht
in deutscher Sprache. Unsere Motivation mit diesem E-Book ist daher,
dem Privatanleger zu ermöglichen, von Bärenmärkten zu profitieren
und somit in allen Marktlagen positive Erträge zu erwirtschaften.

Wir hoffen, es ist uns gelungen, Ihnen die zahlreichen Facetten des
Leerverkaufes näherzubringen und klar verständlich zu erläutern.

Das Autorenteam,
Februar 2017

9
Kapitel 1
Einführung

„Kaufe, wenn das Blut in den Straßen fließt“.


- Nathan Rothschild
Wer sollte dieses Buch lesen?

Dieses Buch ist an eine Vielzahl an Leser gerichtet: Privatanleger, pro-


fessionelle Investoren, (Wirtschafts-) Studenten, Professoren, Journa-
listen, Analysten, aber auch Interessierte, die sich für die Kunst des
Leerverkaufes begeistern können. Dieses Buch ist keine theoretische
Abhandlung, sondern vielmehr ein Handbuch mit starkem Praxisbezug.
Sie werden Einblicke in den Kopf eines Baissespekulanten erhalten und
dadurch wertvolle Analysetechniken erlernen, die Sie in dieser Form
vermutlich an keiner Universität der Welt präsentiert bekommen. Wie
jedes Buch sollten Sie die hier präsentierten Beispiele und Anweisun-
gen kritisch hinterfragen und Ihren persönlichen Umständen anpassen.
Da uns oft Anfragen von Anfängern mit kaum Wissen erreichen, wer-
den dem einen oder anderen Leser Erklärungen als banal erscheinen.
Um jedoch einer breiten Schicht an Menschen Leerverkäufe plausibel
zu präsentieren, müssen wir dies hinnehmen.

Lange Zeit war der Leerverkauf nur einer kleinen Minderheit von „eli-
tären“ Marktteilnehmern wie zum Beispiel Hedgefonds zugänglich.
Gewöhnliche Discountbroker boten Leerverkäufe gar nicht oder nur
sehr umständlich an. Heute jedoch kann bereits der Kleinanleger vom
Leerverkauf profitieren, sofern sein Broker ihm oder ihr diese Mög-
lichkeit bietet. Ob Leerverkäufe zu Ihrem Anlagestil passen und sich
das Auseinandersetzen mit dieser Thematik für Sie lohnt, lernen Sie in
den folgenden zwei Kapiteln.

11
Was sind Leerverkäufe?

Der Leerverkauf (engl. short sale) ist im Prinzip nichts anderes als ein
Mittel, um von fallenden Kursen zu profitieren. Um die Funktionswei-
se genauer zu verstehen, betrachten Sie folgendes fiktives Beispiel:

Nach einer wochenlangen Recherche kommen Sie zum Schluss, dass


der Aktienkurs der SuperCredit AG (SC) aus zahlreichen Gründen nicht
gerechtfertigt ist. Um von Ihrem umfänglichen Wissen über die Firma
zu profitieren, entscheiden Sie sich, die Aktie leer zu verkaufen (engl.
shorting). Sie leihen sich von Ihrer Depotbank oder Ihrem Broker Ak-
tien der SuperCredit AG und verkaufen diese umgehend.
Nach einigen Wochen verkündet der CEO einen Gewinneinbruch und
korrigiert die Prognose für das nächste Jahr drastisch nach unten. Eini-
ge Aktionäre sind entsetzt und stoßen die Aktien umgehend ab.
Ihre Analyse war korrekt: der Kurs ist um über 20% gefallen. Sie kau-
fen dieselbe Anzahl an Aktien, die Sie sich ursprünglich geliehen ha-
ben, und geben Sie dem Verleiher zurück.

Lassen Sie uns das eben genannte Beispiel mit Zahlen durchspielen:
Der Kurs des Unternehmens ist bei 100 Euro pro Aktie. Sie leihen Sich
500 Aktien und verkaufen diese sofort. Somit erhalten Sie 50.000 Euro
auf Ihr Konto. In vielen Fällen können Sie jetzt mit diesem Geld arbei-
ten. Dies hängt jedoch von Ihrem Leihvertrag mit der Depotbank bzw.
dem Broker ab. Auf jeden Fall haben Sie die Verpflichtung, diese Ak-
tien zu einem späteren Zeitpunkt zurückzugeben.

12
Was sind Leerverkäufe?

Der Preis sinkt um 20%, also auf 80 Euro. Jetzt hat die Aktie ein Kurs-
niveau erreicht, bei dem Sie ihren Profit realisieren wollen. Sie kaufen
500 Aktien zu einem Stückpreis von 80 Euro, also zu einem Kaufpreis
von insgesamt 40.000 Euro. Die Leihe ist abgeschlossen, der Eigen-
tümer erhält seine Aktien zurück. Verrechnen wir Ihren Profit aus dem
Verkauf mit den Kosten des Rückkaufs, erhalten Sie die Differenz von
(+) 10.000 Euro, Ihren persönlichen Gewinn.¹

Dies war ein erfolgreicher Leerverkauf. Natürlich kann dieser auch


gegen Sie verlaufen, wie folgendes Beispiel zeigt:

Sie leihen sich abermals 500 Aktien und verkaufen Sie zu je 100 Euro.
Aufgrund von Meldungen über Gewinn- und Umsatzsteigerungen er-
höht sich der Kurs auf 120 Euro. Sie müssen Ihre Position „glattstel-
len“, also decken Sie sich ein bei einem Preis von 120 Euro.
Ihr Verlust: 10.000 Euro.

Das Prinzip sollte nun klar sein: Der Leerverkäufer leiht sich bei seiner
Depotbank ein Wertpapier, um es unmittelbar danach zu verkaufen. Zu
einem späteren Zeitpunkt kauft der Short Seller – je nach Verlauf der
Aktie idealerweise mit Gewinn – zurück und gibt sie dem ursprüngli-
chen Verleiher wieder.

Durch die Leihe von Wertpapieren ergeben sich zahlreiche Möglich-


keiten und Anlagestrategien. Während Leerverkäufe zum einen rein
profitorientiert angewendet werden können, ist dieser Anlagestil häu-

13
Was sind Leerverkäufe?

fig auch ein Mittel, um die Volatilität zu minimieren und sein Portfolio
vor Markteinbrüche zu schützen (hedging).

Das nächste Kapitel wird detaillierter darauf eingehen, warum Leer-


verkäufe Bestandteil Ihres Investmentstil sein sollten.

14
Warum sollten Leerverkäufe ein
Bestandteil des Investmentstils sein?

Kurz nach meinem MBA-Abschluss an der Harvard Business School


verwaltete ich bei Fidelity Investments den Fidelity Broadcast & Me-
dia Fund, der zu dieser Zeit einer der schwankungsanfälligsten Fonds
war (im Jargon spricht man hier von einem hohen Beta). Als der Dow
Jones am 19. Oktober 1987, dem Schwarzen Montag, innerhalb eines
Tages 22.6% an Wert verlor, befand sich die Finanzwelt in einem tie-
fen Schockzustand mit allgegenwärtiger Verunsicherung.

Die Mehrheit der Bewertungen waren auf einem absurd hohen Level,
sodass ich kurz vor dem Sturz zahlreiche Positionen abgestoßen und
den Bargeldbestand auf über 40% erhöht habe. Das Resultat für das
Gesamtjahr war immer noch ein Plus von 20%, während die vergleich-
baren Indizes gegen einen Return von 0% tendierten. Damals hätte ich
sehr gerne die vollkommen überteuerten Werte leerverkauft oder zu-
mindest Put-Optionen erworben. Das war damals rechtlich nicht mög-
lich. Die sehr hohe Bargeldquote war meine einzige Alternative, das
Portfolio vor herben Verlusten zu schützen.

Nach dem Crash waren Aktientitel derartig günstig, dass ich kurze Zeit
später voll investiert war. Meine Performance konnte sich sehen lassen:
ein Plus von 35% im Jahr 1988. Zwar war das Resultat zu einem ge-
wissen Grad dem Glück gedankt, allerdings erforderte dieses „Manö-
ver“ auch ein hohes Maß an Geschick und Können. Von mehr als 100
Investmentfonds bei Fidelity gehörte der Broadcast & Media Fund zu

15
Warum sollten Leerverkäufe ein Bestandteil des Investmentstils sein?

den besten und ich erhielt dafür 1988 die Auszeichnung Top US Speci-
alty Fund von Lipper Analytical Services.

Zu dieser Zeit lernte ich, depressive Märkte aufgrund ihrer zahlreichen


Chancen zu lieben und begann, mich für Leerverkäufe zu begeistern
und auf sie zu spezialisieren.
Wären Spekulationen auf fallende Kurse bei Fidelity möglich gewe-
sen, wäre meine Performance aller Wahrscheinlichkeit weitaus höher
ausgefallen.

Lektion 1
Wer die Kunst des Leerverkaufes meistert, wird sowohl in Bären- als
auch in Bullenmärkten Profite erwirtschaften können.
Ich habe nie verstanden, wie meine Hedgefonds-Manager-Kollegen
rechtfertigen, von ihren Investoren horrende Gebühren zu verlangen,
während sie parallel eine miserable Performance liefern, vor allem in
fallenden Märkten. Ich bin der Meinung, wer das Standard-Gebühren-
Modell 2/20² berechnet, sollte eine absolute Performance aufweisen
und das in jeder Marktlage.

Ein weiterer Grund für das Anwenden von Leerverkäufen ist die Tat-
sache, dass sich die Performance in folgenden Bullenmärkten poten-
ziell vervielfachen kann, da Sie Ihr Kapital in der vorangegangen Bais-
se nicht nur geschützt, sondern idealerweise vermehrt haben.
Der Schlüssel zum langfristigem Anlageerfolg beruht nicht auf aus-

16
Warum sollten Leerverkäufe ein Bestandteil des Investmentstils sein?

schließlich richtigen Entscheidungen, sondern auf der Fähigkeit, Feh-


ler rasch zu erkennen und sich den Gegebenheiten des Marktes an-
zupassen. Agilität ist hier das Stichwort. Wer den Markt langfristig
schlagen und eine absolute Performance, unabhängig von der Markt-
lage, liefern will, sollte seinen Fokus auf stetige Kapitalvermehrung
(capital growth) und Risikomanagement (risk management) richten.

Ganz entscheidend ist es, die Talfahrten an den Aktienbörsen zu ver-


meiden oder noch besser von ihnen zu profitieren. Der Benjamin Gra-
ham-Value-Investor macht das etwas anders. Wenn er keine günstigen
Werte findet, verkauft er zunehmend sein Portfolio und baut Barbestän-
de auf. Falls die Bewertungen wieder seinen Anforderungen genügen,
erwirbt er die wieder günstig gewordenen Aktien und reduziert seine
Barbestände.

Lektion 2
Leerverkäufe ermöglichen dem Anleger Schutz vor Verlusten (Kapi-
talerhaltung). Sehen Sie sich primär als Value Investor, sollten Sie den-
noch das Thema Short Selling nicht komplett abschreiben. Ihr Ziel ist
es, wie Warren Buffett treffend formulierte, einen Dollar zu kaufen,
aber nicht mehr als 50 Cent für ihn auszugeben.
Denken Sie an mein Fidelity-Beispiel. Durch das Erhöhen des Bar-
geldanteils konnte ich einen großen Teil meines Kapitals erhalten und
im Folgejahr auf „Schnäppchenjagd“ gehen, wodurch meine Gesamt-
performance sich nochmals verbesserte.

17
Warum sollten Leerverkäufe ein Bestandteil des Investmentstils sein?

Noch pointierter als Nathan Rothschild können wir es nicht formulie-


ren: „Kaufe, wenn das Blut in den Straßen fließt“.
Dies würden wir ergänzen und sagen: Verkaufen Sie, wenn die große
Masse Schlange steht, um unbedingt irgendetwas zu erwerben, wie
zum Beispiel Internet-Aktien im Jahr 2000 oder US-Immobilienwerte
2007.

Lektion 3
Durch Leerverkäufe steht mehr Kapital zum Investieren zur Verfügung,
sei es durch Kapitalerhalt oder durch das Profitieren von fallenden Kur-
sen. Ein weiterer Vorteil ist die Tatsache, dass ein Kursverfall oder gar
Crash wesentlich schneller von statten geht als ein Kursanstieg. Grund
dafür ist, dass häufig in Fällen von Panik oder Manie die Markt-teilneh-
mer zu überhasteten Entscheidungen tendieren und Aktien aus Angst
verkaufen. Vereinzelt kommt es auch zu Kettenreaktionen, wenn auto-
matisierte Trading Programme ab einem gewissen Verlust – z.B. von
20% – durch sogenannte Stop-Loss-Mechanismen automatisch Sell-
Order abgeben. Dies führt oftmals zu weiteren Kursverlusten.

Lektion 4
Kurseinbrüche oder Marktcrashs arten häufig in Manie und Panik aus
und enden in einem stärkeren Kurssturz – zu Gunsten des Short Sellers.
In unserem Bestseller „Endspiel“ zeigen wir eine Vielzahl an Gründen
auf, warum es mit hoher Wahrscheinlichkeit bis 2020 zu einer mas-

18
Warum sollten Leerverkäufe ein Bestandteil des Investmentstils sein?

siven Weltwirtschaftskrise kommen wird. In Anbetracht der jetzigen


Lage und der Tatsache, dass der kommende Crash vermutlich Jahre an-
dauern könnte, gewinnen Baissespekulation zunehmend an Wert. Der
Superzyklus kommt seinem Ende entgegen und dies mit fatalen Fol-
gen. Mehr dazu in „Endspiel“.³

Lektion 5
Die aktuellen Entwicklungen am Kapitalmarkt machen Leerverkäufe
besonders attraktiv. Die fünf eben genannten Lektionen sollten für Sie
verständlich sein. Wenn Sie jetzt skeptisch sind, können wir Sie verste-
hen. Wenn Leerverkäufe solch einen Mehrwert bieten, warum werden
Sie nicht flächendeckend von Klein- bis Großanleger angewandt?
Nur und immer short sein wäre schwachsinnig, denn langfristig entwi-
ckeln sich die Wirtschaft und der Gesamtmarkt positiv. Dauerskepsis
und permanente Weltuntergangs-Prophetie ist genauso unlogisch wie
blinde Euphorie. Der Baissier leidet zudem unter unbegrenzten Risi-
ken, weil eine Aktie theoretisch endlos steigen kann, aber nur begrenzt
fallen kann. Auch weist die Performance der short-only Fonds keine
sonderlich attraktive langfristige Performance auf.

Als langjähriger Hedgefonds-Manager und Nostro-Händler geht es mir


nur um Wahrscheinlichkeiten und das entscheidende Chancen-Risiko-
Verhältnis. Aus Sicht der nächsten Jahre sind wir überzeugt, dass das
Kurspotenzial an den wichtigsten Börsen deutlich geringer ist als das
Kursrisiko. Deswegen fokussieren wir uns immer wieder auf überteu-

19
Warum sollten Leerverkäufe ein Bestandteil des Investmentstils sein?

erte, extrem riskante Titel wie zum Beispiel die Credit Suisse und die
Deutsche Bank im Jahr 2015, die sich trotz einer Aktienhausse im Fol-
gejahr mehr als halbierten. Wenn der Gesamtmarkt in eine tiefe De-
pression verfallen sollte, dann kollabieren in der Regel mehr als 90%
aller Börsentitel. In so einem Umfeld short zu sein, bedeutet oft sehr
schnell verdientes Geld.

Im nächsten Kapitel behandeln wir Risiken und logische Defizite, die


ein Short Seller meistern muss. Vorab eine (Ent-)Warnung: Lassen Sie
sich nicht von der Menge erschrecken!

20
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Obwohl der Leerverkauf bereits seit weit mehr als 100 Jahren prakti-
ziert wird, sind kaum Experten auf diesem Gebiet zu finden. Einer der
Gründe ist, dass diese Anlagestrategie, auch psychologisch, wesent-
lich mehr Können und Geschick benötigt als klassische buy-and-hold
Strategien. Zudem spielt das Timing (Eintritts- und Austrittspunkt) eine
größere Rolle. Im Folgenden listen wir auf, welche allgemeinen Risi-
ken ein Leerverkäufer kennen muss. Jede Industrie bzw. jeder Markt
weisen zusätzlich Sonderrisiken auf, aber einige dieser Themen wer-
den im späteren Verlauf des Buchs behandelt:

Short squeeze
Das mit Abstand größte und akuteste Risiko für den Shortseller ist ein
short squeeze. Hierbei handelt es sich um eine Marktsituation, bei der
der Kurs einer Aktie explosionsartig ansteigt und vor allem dann auf-
tritt, wenn eine Vielzahl von Spekulanten einen Wert leer verkauft hat.
Grund dafür ist die Angebotsknappheit einer Aktie.

Ein konkretes Beispiel für solch ein Szenario war die Volkswagen-Ak-
tie Ende Oktober 2008. Porsche gab bekannt, dass man samt Optionen
74,1% von VW hielt. Die Leerverkäufer spekulierten auf fallende Kur-
se und shorteten insgesamt ca. 12% aller VW-Aktien. Da der Kurs von
VW stieg, folgte ein Dominoeffekt: Die Leerverkäufer kauften Aktien
zurück, die Kurse stiegen höher und weitere Leerverkäufer mussten
Deckungskäufe tätigen. Das Resultat war fatal, da weniger als 6% der

21
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Aktien frei handelbar waren und die VW-Aktie dadurch innerhalb von
wenigen Tagen von ca. 200 Euro auf etwa 1.000 Euro stieg (siehe Ab-
bildung 1).

VW Aktie

1. Kurs der VW-Aktie Ende Oktober 20084

Der entsprechende Tagesumsatz stieg auf knapp 700.000 Stück am


28.10.2008. Dies bedeutete ein Umsatz allein in der VW-Aktie von knapp
700 Mio €. Hier die entsprechende Abbildung 2.

22
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Tagesumsatz

2. Tagesumsatz der VW-Aktie Ende Oktober 20085

Unendlicher Verlust
Das eben genannte Beispiel resultierte in Milliardenverluste für die
Shortseller. Was ursprünglich als lukrativer Trade angesehen wurde,
endete in hohen Verlusten. Kaufen Sie eine Aktie, können Sie im Nor-
malfall maximal Ihren kompletten Einsatz verlieren. Im Falle des Leer-
verkaufes ist dies nicht der Fall, denn die Aktie könnte – zumindest in
der Theorie – unendlich lang steigen, aber „nur“ 100% an Wert verlie-
ren. Hätten Sie begonnen, die VW-Aktie bei 200 Euro leer zu verkaufen
und beispielsweise bei 1.000 Euro glattgestellt, hätten Sie einen Verlust
von 800 Euro pro Aktie, zuzüglich Gebühren. Daher: Achten Sie be-

23
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

sonders bei Werten, die bei Shortsellern en vogue sind, auf Liquidität.

Dieser Punkt ist vor allem psychologisch wichtig, denn ich habe mehr
Aktien gesehen, die auf null gefallen sind als Aktien, die auf Unend-
lich gestiegen sind.6

Bid-Ask Spread
Es ist essentiell, dass der Shortseller alle Aspekte seines Trades genau
beleuchtet. Dazu gehören auch vermeintlich „geringe“ Kosten, die ggfs.
die Profitabilität verringern. Schauen Sie sich folgende Abbildung 3 an.

3. Kursdaten Tesla Motors

Wenn Sie eine Aktie leer verkaufen, verkaufen Sie diese an den Käu-
fer zu einem Bid-Preis von 235,90 EUR für 10.000 Aktien. Da Sie
– sofern der Kurs nicht auf 0 sinkt – die Aktien wieder dem ursprüng-
lichen Besitzer zurückgeben müssen, kaufen Sie 10.000 Aktien zu ei-
nem Ask-Preis von 237,08 EUR. Die Differenz der beiden Werte ist
der Profit des Market Makers, aber ein Kostenpunkt für Sie.

24
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Dazu kommen meistens noch Kommissionen bzw. die Maklercourtage.


Ihr Leerverkauf ist erst dann erfolgreich, wenn der Kurs um mehr als
die Kursdifferenz zuzüglich anderer Gebühren fällt. Daher: Beachten
Sie den Bid-Ask-Spread, vor allem bei Titeln mit einer Marktkapita-
lisierung von unter 500 Millionen EUR oder Werten mit hoher Kurs-
Volatilität.

Margin Call
Je nach Verlauf des Trades kann es dazu kommen, dass der Broker Sie
„bittet“, Kapital nachzuschießen, um Margin-Anforderungen zu erfül-
len oder im Falle eines höheren Verlustes, Ihre Position glattstellt. Für
Details zum Margin-Konto lesen Sie das Kapitel „Was benötige ich
für Leerverkäufe?“

Gebühren und Kommissionen


Wie im nächsten Kapitel erläutert, benötigen Sie für die Durchführung
von Leerverkäufen in der Regel ein Margin-Konto. Ähnlich wie beim
vorherigen Punkt, können auch hier signifikante Kosten entstehen, da
variabel. Für jedes Geld, das Sie sich bei Ihrem Broker leihen, zahlen
Sie Zinsen. Je nach aktueller Zinslage verändern sich die Ihnen berech-
neten Raten. Je höher der Soll-Saldo (debit balance), desto höher sind
die Zinskosten.

25
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Zweiter Punkt: Ähnlich wie bei normalen Aktienkäufen zahlen Sie auch
bei Leerverkäufen eine Kommission. Hierbei spielen mehrere Faktoren
eine Rolle: Aktienkurs, Handelsvolumen und Anzahl der frei handel-
baren Aktien. Ist eine Aktie von hohem „Short-Interesse“ oder gering
liquide, sind die Gebühren meistens höher. Abhängig von der Entwick-
lung Ihres Trades, besteht gegebenenfalls eine Nachschusspflicht. Die
Höhe und der Zeitpunkt sind von vielerlei Kriterien abhängig, insbe-
sondere von Ihrem Broker.
Daher: Vergleichen Sie eine Vielzahl an Broker und lassen Sie sich
genauestens beraten. Scheuen Sie sich nicht, unbequeme Fragen zu
stellen. Die Wahl eines geeigneten Brokers ist essentiell und darf nicht
unterschätzt werden, da eine Zwangsliquidierung aufgrund überlese-
ner Fußnoten finanziell äußerst schmerzhaft wäre.

Dividendenzahlung
Vergessen Sie nicht, dass Sie leerverkaufte Aktien nicht besitzen. Sie
haben daher auch keine Ansprüche auf Dividendenzahlungen – die Sie
an den Verleiher zahlen müssen – oder Stimmrechte. Es ist daher von
Vorteil, Aktien mit regelmäßiger Dividende zu vermeiden.

Priorität
Wird ein Unternehmen gemeinhin als angezählt angesehen oder ist das
Short-Interesse hoch (z.B. Tesla oder Netflix), werden Privatanleger
oftmals vernachlässigt. Nicht jeder Titel bietet genug Raum für alle

26
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Shortseller. Daher: Seien Sie in solchen Fällen besonders vorsichtig,


da Sie erstens oft der Gefahr eines Short Squeezes ausgesetzt sind und
zweitens Ihr Broker – sofern Sie kein Top-Klient sind – seine besten
Kunden mit der Ausstattung von Aktien bevorzugt.

Turnaround
Erfolgreiche Restrukturierungen sind zwar selten, kommen aber vor. In
der Regel werden die meisten Unternehmen, die schlecht wirtschaften,
noch einige Zeit künstlich am Leben gehalten. Bevor ein Phönix aus
der Asche steigt, sollte der Short Seller daher schleunigst seine Aktien-
leihe tätigen.

Bullenmarkt
In einem Markt, der langfristig steigt, scheint der Leerverkauf kon-
traintuitiv. Bedenken Sie aber, dass es seit Jahrhunderten regelmäßig
zu Marktkorrekturen oder Crashs kommt, welche die vorangegange-
ne Hausse und damit potenziell Ihr Vermögen in wenigen Tagen ver-
schwinden lässt. Unabhängig davon kommt es in Bullenmärkten auch
zu Ereignissen, die relativ unabhängig vom Marktumfeld sind.
Man denke an einer der größten Unternehmensskandale im Jahre 2001,
die Bilanzfälschung Enrons (ironischerweise als „The World’s Greatest
Company“ tituliert).
Egal wie richtig Ihre Analyse ist, die Dotcom-Blase in den 90er Jahren
ist ein Beweis dafür, dass beim Leerverkauf das Timing im Vergleich

27
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

zu anderen Anlagestrategien eine wesentlich größere Rolle spielt. Sind


Sie zu früh, ist das genauso wie wenn Sie falsch liegen. Es braucht mehr
als eine überbewertete Aktie, um einen erfolgreichen Trade zu landen.
Unterschätzen Sie die Märkte nicht und betrachten Sie das große Gan-
ze. Der Aufstieg des Internets führte zu einem Paradigmenwechsel und
einem „neuen Normal“ (New Normal).

In einem Bullenmarkt kann die utopische Goldgräberstimmung gerne


länger anhalten: Selbst ein Truthahn fliegt bei starkem Wind.

Key Man Risiko


Das Silicon Valley hat in den letzten Jahren zahlreiche „Einhörner“
(Unicorns) hervorgebracht, sprich Unternehmen mit einer Bewertung
von einer Milliarde Dollar oder mehr.
Wie im vorherigen Punkt erwähnt, sollte man bei aggressiven Bullen-
märkten mit besonders viel Bedacht vorgehen.
Dieses Prinzip lässt sich auch auf einzelne Unternehmen übertragen:
Elon Musk, Gründer und Mitgründer von mehreren „Unicorns“, genießt
im Silicon Valley bei einer breiten Masse gewissermaßen den Status
eines „Superstars“. Dies wird oftmals von Shortsellern unterschätzt!
Die Implikationen eines Key Man auf ein Unternehmen wie Tesla oder
SpaceX sind besonders schwerwiegend. Selbstverständlich kann dies
in beide Richtungen ausschlagen , allerdings halten wir Spekulationen
7

gegen überbewertete Unicorns ohne weitere stichhaltige Argumente


für wenig sinnvoll.

28
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Vor allem Aktien aus der „New Economy“ sind volatil und reagieren
empfindlich auf Ankündigungen jener Star-CEOs. Für Marketing-Ge-
nies à la Elon Musk sehr vorteilhaft, für Leerverkäufer fatal, da alleine
die Meldung überraschend guter Quartalszahlen – unabhängig von ei-
ner rigorosen Überprüfung ihrer Richtigkeit – Sie aus Ihrem Trade he-
rauswerfen könnten.

Buy-in
Ihr Broker darf Sie zwingen, Ihre Short-Position zu schließen. Dies ge-
schieht häufig dann, wenn der Broker nicht genug Aktien zur Deckung
der Leerverkäufer zur Verfügung hat. Um schwerwiegendere Konflikte
zu vermeiden, werden bevorzugt weniger wichtige Kleinanleger zum
Buy-in gezwungen anstelle von Top-Klienten (z.B. Hedgefonds).
In einer schweren Börsenkrise wie 2008 haben Goldman Sachs und
Morgan Stanley die Margin-Anforderungen (margin requirements)
einseitig für alle Kunden vom einen auf den anderen Tag erhöht.
Viele Kunden hatten nicht das notwendige Kapital, um nachzuschies-
sen und die Anforderungen zu erfüllen. Die Konsequenz war, dass et-
liche Positionen zwangsliquidiert wurden.

29
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Bandwagon-Effekt
Zeigt ein Sektor bzw. Unternehmen erste Schwächen, erhöht sich oft-
mals die Anzahl der Leerverkäufe gegen ein Unternehmen. Vor allem
wenn Hedgefonds größere Aktienpakete auf den Markt werfen, kommt
der Kurs unter Druck. Da allein das Bekanntwerden solcher Nachrich-
ten sich teilweise signifikant auf den Aktienkurs auswirkt, schließen
Hedgefonds ihre Positionen zügig. Je nach Liquidität und Handelsvolu-
men kann es zu nicht unerheblichen Preisschwankungen kommen.
Seien Sie gewarnt: Was für kurze Zeit als Sieg gefeiert wird, kann rasch
in Verluste umschlagen. Nehmen Sie Gewinne lieber mit, als Verluste
durch ggfs. entstehende Short squeezes zu realisieren.

Nehmen wir den Kurssturz der Deutschen Bank innerhalb eines Jahres
von 30 Euro auf zehn Euro. Bei 10 Euro bekamen wir ein Dutzend An-
fragen von Investoren, ob sie jetzt die Deutsche Bank shorten sollten. Zu
diesem Zeitpunkt gab es bereits eine Flut von schlechten Nachrichten,
die bereits im Kurs enthalten waren. Wo waren diese Zocker bei den viel
höheren Kursen? Wenn der Markt einen Konsens gebildet hat und fast al-
les Schlechte bereits im Kurs abgebildet ist, warum sollte man dann noch
short gehen? Okay, die Deutsche Bank könnte auch zu Lehman Brothers
mutieren, aber wie hoch war diese Chance kurzfristig? Vielleicht 20%.
Andererseits kann sich der Kurs auch auf 15 Euro erholen. Wir fragten
uns eher, ob das Chancen-Risiko-Verhältnis bei einem Kurs von 10 Euro
nicht eher interessant für eine Long-Position wäre. Unseren Investment
Coaching Kunden haben wir gesagt, dass das „smart money“ gerade
ihre Leerverkauf-Positionen eindeckt und dass gewisse Hedgefonds

30
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Aktien kaufen. Also entweder Finger weg, weil die Bank für uns zu
undurchsichtig und riskant ist oder spekulativ kaufen.

Fusionen & Übernahmen


Fusionieren zwei Unternehmen oder übernimmt ein Unternehmen ein
anderes, kommt es nach Bekanntwerden in den meisten Fällen zu Kurs-
veränderungen für beide Parteien. Die Preisentwicklungen sind in der
Regel wie folgt: Der Kurs des Bieters sinkt und der Kurs des Übernah-
meziels steigt. Insbesondere Letzteres trifft zu, da der Käufer für das
Übernahmeziel eine Prämie zahlt.

Ein Beispiel: Bayer kaufte den Saatguthersteller Monsanto für 66 Mil-


liarden Dollar, also zu einem Preis von 128 Dollar pro Aktie. Dies ent-
spricht einer Prämie von 44% auf den Kurs von Monsanto.
Daher: Achten Sie auf Industrien, in denen es aktuell zu Konsolidierun-
gen kommt oder die allgemein erhöhte M&A Aktivitäten aufweisen.
Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen, die kurz vor der Zulassung
etwaiger neuer Medikamente sind, bergen ein besonders hohes Risiko
für einen Kurssprung.

Ein anderer Fall war KUKA. Die Aktie war bei 80 Euro aus fundamen-
taler Sicht mehr als fair bewertet, aber chinesische Investoren wollten
das Unternehmen wortwörtlich um jeden Preis. Dies war ein Blutbad
für Shortseller, weil die KUKA-Aktien in wenigen Tagen von 85 auf
110 Euro stieg.

31
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Denken Sie immer daran, dass bei einer Long-Position temporäre Ver-
luste – vor allem beim sogenannten Value Investing – nahezu irrelevant
sind. Bei Leerverkäufen ist dies ein weiterer Risikopunkt: Steigt der
Kurs einer Aktie temporär, erhöht sich die Gefahr eines Margin Calls.

Verbot von Leerverkäufen


Ein (temporäres) Verbot von Leerverkäufen für bestimmte Werte wie
im Zuge der Finanzkrise 2008 kommt äußerst selten vor, ist aber theore-
tisch und praktisch möglich. In solchen Fällen geschehen häufig Kurs-
sprünge, die Profite eliminieren und Ihnen ggfs. Verluste bescheren.
Aus diesem Grund ist es äußert ratsam, das allgemeine Short-Interesse
eines Wertes zu beachten und sich niemals in absoluter Sicherheit zu
wägen.

Insolvenz des Brokers


Es kann vorkommen, dass Ihr Broker insolvent wird und seine Diens-
leistungen komplett einstellt. Je nach Wahl des Brokers sind Teile Ihres
Vermögens versichert. Von allen erwähnten Risiken und Defiziten ist
dieser Aspekt wohl der seltenste.
Sprechen Sie dennoch mit Ihrem Broker über diese Eventualität. Die-
ses äußerst seltene Ereignis passierte einigen unserer Kunden, die De-
pots bei Bear Sterns und Lehman Brothers hatten.

Für institutionelle Anleger kommen zwei weitere Risiken hinzu:

32
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Rechtskosten
Sollten Sie Ihre Short-Position öffentlich bewerben, könnten Sie ge-
gebenenfalls Opfer von Klagen werden, die Ihnen vorwerfen, Kurse
zu manipulieren. Beachten Sie daraus resultierende Kosten, vor allem
wenn es sich um Positionen mit geringem Profipotenzial handelt.

Druck der Investoren


In manchen Fällen können Ihre Investoren Ihnen Probleme bereiten,
vor allem wenn Short-Positionen gegen Sie verlaufen. Der US-ameri-
kanische Hedgefondsmanager Jim Chanos wurde von seinen Investo-
ren kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase gezwungen, seine Positi-
onen glattzustellen. Äußert ärgerlich, da er wenige Monate danach ein
Vermögen verdient hätte.
Resultat: Ein Verlust von 75% seines Anlagevolumens.

33
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

4. Übersicht der Risiken und Defizite eines Leerverkaufs

34
Welche Risiken und Defizite weisen Leerverkäufe auf?

Möglicherweise sind Sie geschockt von der Anzahl der Risiken und
den Hürden, die ein Leerverkäufer überwinden muss. Gewissermaßen
verständlich! Allerdings sollten Sie nun auch besser verstehen, warum
es nur so wenige Investoren gibt, die Leerverkäufe langfristig erfolg-
reich anwenden konnten bzw. können.
Es erfordert vor allem ein Höchstmaß an Disziplin und Präzision, um
einen erfolgreichen Leerverkauf durchzuführen. In einem langfristig
steigenden Markt wird jeder durchschnittliche Gymnasiast Geld ver-
dienen können. Wer dies aber auch in schwachen Wirtschaftsphasen
von sich behaupten kann, ist ein echter Profi.

Verstehen Sie: Sehr viel Übung und Können ist notwendig, um mit
Leerverkäufen erfolgreich zu sein. Der Fleiß wird sich garantiert aus-
zahlen. Wäre ich heute noch aktiv in der Vermögensverwaltung tätig,
würde ich zur Höchstform auflaufen. Die Parallelen zum 1929er Crash
werden immer offensichtlicher. Die Trump-Manie erinnert uns an die
Herbert Hoover-Manie. Alle wesentlichen und verlässlichen Bewer-
tungsparameter stehen auf Orange oder Rot. Es ist auch ziemlich egal,
ob die Short-Positionen zwei oder drei Jahre dauern sollten. Solange
meine Leihkosten nicht zu hoch sind, können Sie Schrottwerte shor-
ten und ein qualitativ hochwertiges Portfolio von Value-Aktien gegen-
überstellen. Wenn die Krise eintritt, fallen die Schrottwerte ohnehin
sehr viel mehr als die Investment-Perlen. Momentan erachten wir ein
Verhältnis zwischen 40% Long und 60% Short für angemessen.

35
Was benötige ich für Leerverkäufe?

Zwingend notwendig für Leerverkäufe ist das sogenannte Margin-


Konto oder ein Margin-Account, der einen dazu befähigt, Aktien auf
Kredit zu erwerben oder zu shorten. Die Bedingungen und Konditio-
nen für solch ein Konto variieren je nach Wahl des Brokers. Das Mar-
gin-Konto unterliegt strengen Vorschriften (margin rules).

Die sogenannte Margin-Ratio ist hierbei besonders wichtig, da der


Prozentsatz darüber entscheidet, ob Sie Ihre Position covern müssen,
Geld nachschießen oder der Broker die Position gleich zwangsliqui-
diert. Die Margin-Ratio reicht von 30%-100% und ist abhängig von
Broker und Risiko des Wertpapiers. Da die Margin-Ratios sehr unter-
schiedlich sein können, empfehlen wir Ihnen, sich vorab gründlich zu
informieren!
Anders als bei Buy-and-Hold-Strategien spielen Preisschwankungen
eine essentielle Rolle. Außerdem sollte der Broker Ihnen ermöglichen,
Short-Positionen längerfristig zu halten und nicht nur ein paar Handels-
tage. Jeder Broker hat außerdem eine eigene Liste an Werten, die ges-
hortet werden können. Es gilt, je liquider ein Wert desto mehr Aktien
sind zum Shorten verfügbar. Informieren Sie sich, ob bestimmte Werte
verfügbar sind, wenn Sie diese als besonders wichtig erachten.

Bei der Aktienleihe müssen sie sehr genau auf alle Modalitäten und
Kosten achten.

Wichtige Fragen sind unter anderem:

36
Was benötige ich für Leerverkäufe?

• Wie viel kostet mich die Aktienleihe pro Jahr?

• Kann die Depotbank die Leihe jeder Zeit kündigen?

• Wie viel Kapital muss ich für diese Leihe hinterlegen?

• Muss ich die Aktienleihe mit Bargeld oder anderen Wertpapiere


vollumfänglich (das bedeutet im Gegenwert von 50.000 Euro)
hinterlegen, oder reichen auch 10.000 oder 20.000 Euro als
Sicherheit?

• Wie hoch sind meine Transaktionskosten im Einzelnen und


insgesamt?

• Gibt es weitere Kosten, wie zum Beispiel FOREX Gebühren,


wenn ich in einer anderen Währung leer verkaufe?

• Rechnet sich der Leerverkauf noch, wenn ich alle diese Kosten in
Betracht ziehe?

Falls die Aktienleihe nicht vollumfänglich mit Bargeld oder werthalti-


gen, liquiden und leihbaren Wertschriften hinterlegt ist, zahlen Sie auf
den Differenzbetrag Zinsen. Diese Art von Leihe beinhaltet auch eine
inhärente Hebelwirkung (leverage).
Das bedeutet, dass Ihre Verluste größer werden, wenn die Aktie steigt

37
Was benötige ich für Leerverkäufe?

und ihre Gewinne größer werden, wenn die Aktie fällt. Falls Sie mit
Leverage arbeiten wollen, müssen Sie wissen, bei welchem Verlust ein
Margin Call eintreten wird.

Ein Margin Call bedeutet, dass die Depotbank bzw. der Broker mehr
Sicherheiten für diese Transaktion einfordert. Dies bedeutet in der Re-
gel, dass Sie der Depotbank bzw. dem Broker mehr Kapital zukommen
lassen müssen. Falls das Unternehmen während der Zeit der Aktien-
leihe eine Dividende zahlt, steht diese dem Eigentümer und nicht dem
Leerverkäufer der Aktien zu. Für diese Dividende sind daher Sie ver-
antwortlich und Sie zahlen! Das kann bei hohen Dividenden sowie bei
Sonderdividenden teuer werden.
Aus heutiger Sicht sind die beiden einzigen Broker, die für den deut-
schen Investor in Frage kommen, CapTrader oder Interactive Brokers.

https://www.captrader.com/de/
https://www.interactivebrokers.com/de/home.php

Wir sprechen hier weder eine Empfehlung aus, noch genießen wir ir-
gendeinen Vorteil dadurch, dass wir diese beiden Broker erwähnen. Wir
empfehlen Ihnen, Ihre eigenen Hausaufgaben zu machen und die Kos-
ten und Dienstleistungen beider Gesellschaften genauestens zu prüfen.
Eines ist klar: Wir kennen viele sehr professionelle Investoren, die mit
diesen Gruppen zusammenarbeiten. Eine praktische Umsetzung von
Leerverkäufen mit den Tools werden wir noch dieses Jahr in einem E-
Paper umsetzen.

38
Sind Leerverkäufe moralisch verwerflich?

Zweck dieses Buchs ist nicht, eine philosophische Abhandlung über


die Ethik des Leerverkaufes zu schreiben. Wir maßen uns auch nicht
an, Moral und Ethik absolut zu definieren und allgemein geltend zu
machen.

Leerverkäufe haben gemeinhin einen schlechten Ruf. Einige Kritik-


punkte sind gerechtfertigt, einige andere übertrieben oder gänzlich
falsch. Sind Sie Leerverkäufen gegenüber negativ gestimmt, wird die-
ser Teil Sie wohl kaum umstimmen. Dennoch, wir werden nun eini-
ge Perspektiven kurz veranschaulichen und überlassen Ihnen die Ent-
scheidung.

Fakt ist, dass gedeckte Leerverkäufe unter bestimmten Voraussetzun-


gen eine Bereicherung für Märkte sind. So wird durch Short Selling
der Markt „organisch“ reguliert und eine Blasenbildung verhindert.
Marode Unternehmen mit betrügerischen Geschäftspraktiken werden
so eliminiert – man denke an weiße Blutkörperchen. Gewissermaßen
agieren Hedgefonds als verlängerter Arm der BaFin oder SEC, indem
Sie äußerst gründliche Recherche betreiben und so – nicht gänzlich un-
eigennützig – Leichen im Keller an die Öffentlichkeit bringen.
Aufsichtsbehörden haben oftmals nicht die notwendigen Kapazitäten,
um solch umfassende Recherchen durchzuführen. Durch „Shorties“
erhöht sich außerdem die Liquidität im Markt, wodurch die allgemeine
Volatilität sinkt.
Im Zuge der Finanzkrise gewährte die SEC einigen Market Makern so-

39
Sind Leerverkäufe moralisch verwerflich?

gar das Recht, Leerverkäufe weiterhin durchzuführen, um die Liquidi-


tät dieser Werte zu erhöhen. So werden Preise in Schach gehalten und
eine gewisse Preisstabilität ermöglicht.
Gewinner von Leerverkäufen sind idealerweise Sie (durch Profite) und
ihre Depotbank (durch Gebühren). Aktionäre von Unternehmen, die
erfolgreich leerverkauft wurden, gehen oftmals im wahrsten Sinne des
Wortes „leer“ aus und sind die Verlierer. Dies wird häufig als Haupt-
grund angeführt, warum Short Selling ethisch fragwürdig sein soll.

Nun ist es aber so, dass die meisten Short-Positionen meist aufgrund
betrügerischer oder hochriskanter Praktiken erfolgreich sind:

Enron, Allied Capital, Lehman Brothers, Bremer Vulkan oder andere


Firmen. Das Ironische ist, dass es für jede gekaufte Aktie einen Verkäu-
fer geben muss: Sind Sie von einer Aktie überzeugt, glauben Sie, diese
entwickelt sich positiv. Der Verkäufer vermutet eine Überbewertung
oder keine positive Entwicklung, also nehmen Käufer und Verkäufer
gegensätzliche Positionen ein. Folgt man dieser Argumentationskette,
dürfte man keine Aktie verkaufen, da der Verkäufer – theoretisch – dem
Käufer überteuerte Ware verkauft.
Wir bitten Sie, nur eine Sache zu bedenken. Wenn an den Märkten
aufgrund von massiven Zins- und Geldmengen-Manipulationen Kurse
nach oben schießen, dann sollten Sie nicht zu den Opfern dieser mak-
ropolitischen Maßnahmen gehören, wenn diese Kurse eines Tages dra-
matisch einbrechen sollten.
Einerlei – es ist allein Ihnen überlassen, sich über die Ethik des Leer-

40
Sind Leerverkäufe moralisch verwerflich?

verkaufes Gedanken zu machen und zu schlussfolgern, was das Rich-


tige ist. Wir hoffen, dass dieses kurze Kapitel einen Überblick über die
wichtigsten Gesichtspunkte gewährt hat.

41
Kapitel 2
Die Mechanismen des
Leerverkaufes

„Märkte sind länger irrational als


Sie solvent bleiben können.“
- Keynes
Profitieren von fallenden Kursen –
Leerverkäufe, inverse ETFs und Derivate

Es gibt eine Vielzahl an Finanzinstrumenten, um von fallenden Kursen


zu profitieren. Zwei unserer Favoriten sind inverse ETFs und Leerver-
käufe. Letztere wurden bereits hinreichend erläutert, deswegen kon-
zentrieren wir uns auf inverse ETFs.

Ein Exchange Traded Fund (ETF) ist ein börsengehandelter Fonds,


der in der Regel einen Index wie den DAX oder S&P 500 abbildet.
Steigt zum Beispiel der DAX um einen Prozent, so tut dies auch der
ETF. Es gibt jedoch auch den sogenannten inversen ETF, der das Ge-
genteil des Index abbildet. Dies bedeutet, dass eine Kursentwicklung
von +1% im DAX in einem Wertverlust von -1% des ETF resultiert.
Fällt der DAX aber um 1%, dann steigt der Wert des ETFs um 1%. Je
nach ETF werden diese auch gehebelt, sodass das Fallen vom Dax um
1% einen Wertzuwachs des ETFs von 2% bedeutet.

Ein besonderes Merkmal bei inversen ETFs ist jedoch die sogenann-
te Pfadabhängigkeit. Nehmen wir einen gewöhnlichen Long ETF, der
einen beliebigen Index abbildet, zum Beispiel den DAX und einen in-
versen oder Short ETF. Beide ETFs haben zu Beginn den Wert 500. Am
ersten Handelstag steigt der Index um 5%, also hat der Long ETF nun
einen Wert von 525 und der Short ETF 475. Am zweiten Handelstag
erreicht der Index wieder den Wert 500, also ein Rückgang von rund
4.76%. Der Short ETF wird im Wert steigen (+4.76%), allerdings nicht
auf den Wert 500 kommen, denn er ist zuvor auf 475 reduziert worden.
Ein Anstieg um 4.76% resultiert in einem Wert von rund 497.6.

43
Profitieren von fallenden Kursen - Leerverkäufe, inverse ETFs und Derivate

Bei diesem Beispiel handelt es sich um einen Zeitraum von zwei Han-
delstagen und daher um überschaubare Differenzen. Je länger jedoch
der Zeitraum, desto größer ist die Diskrepanz zwischen eigentlicher
Entwicklung des Index und Entwicklung des Short ETFs.

Unsere Favoriten, um von fallenden Kursen zu profitieren, sind Leer-


verkäufe und inverse ETFs. Es gibt jedoch noch eine Vielzahl anderer
Finanzinstrumente wie CFDs (Differenzkontrakt), Futures (Termin-
kontrakt) und andere Derivate.

Der größte „Nachteil“ bei Futures für den Privatanleger sind die sehr
großen Kontraktgrößen. Der Wert eines Terminkontrakts auf den DAX
beträgt zum Beispiel 25 Euro pro Index-Punkt. Bei einem Wert von
10.000 entspricht dies 250.000 Euro. Dadurch, dass Sie auch hier Si-
cherheitsmargen hinterlegen müssen, können schon Kosten im fünf-
stelligen Bereich für einen einzigen Kontrakt entstehen.
Interessant sind die sehr geringen Kosten bei Futures-Kontrakten. Hier
entsteht ein Preis ohne Market Maker, also keine klassische Preisspan-
ne zwischen Geld und Brief. Nicht alle Futures haben einen so hohen
Kontrakt-Gegenwert wie der Bund oder DASX Future. Weil der Kapi-
taleinsatz gelegentlich sehr hoch sein kann, sind Futures eher für den
betuchten, professionellen Privatanleger geeignet.

Eine spannende Alternative sind sogenannte CFDs. Es handelt sich


hierbei um derivative Finanzprodukte, die die Kursentwicklung von
Aktien, Devisen, Indizes, Futures oder Rohstoffe abbilden.

44
Profitieren von fallenden Kursen - Leerverkäufe, inverse ETFs und Derivate

CFDs können mit und ohne Hebel gehandelt werden und haben dadurch
nicht nur ein Totalverlustrisiko, sondern auch eine Nachschusspflicht.
Anders als bei Futures ist die Kontraktgröße geringer und dadurch auch
dem Privatanleger zugänglich.
Beim CFD auf eine Aktie sind Sie nicht der Besitzer einer Aktie, son-
dern Inhaber eine Forderung. Dies hat den Vorteil, dass Sie nicht nur
Long (kaufen Sie einen CFD), sondern auch Short (verkaufen Sie ei-
nen CFD) gehen können. Ein weiterer Vorteil gegenüber Futures ist die
unbegrenzte Laufzeit (Ausnahme: CFDs auf Futures). Dies beinhaltet
dennoch Kosten für Sie, wenn Sie Ihre Positionen zum Beispiel für
einen längeren Zeitraum halten. Auch hier gibt es von Broker zu Bro-
ker Unterschiede. Ein maßgeblicher Grund, warum für einige Anleger
CFDs besonders attraktiv wirken, ist die Hebelwirkung:

5. Entwicklung von CDFs bei einem Verlust des Basiswerts um 2%

45
Profitieren von fallenden Kursen - Leerverkäufe, inverse ETFs und Derivate

In der Spalte „Aktie“ handelt es sich um einen gewöhnlichen Aktien-


Leerverkauf. Die Aktie verliert um 2% an Wert und Sie machen daher
einen Gewinn von 20 Euro. Verkaufen Sie einen CFD-Kontrakt und
der Basiswert (z. B einer Aktie) fällt um 2%, ist Ihr Gewinn 200 Euro.
Der ursprüngliche Wert des CFDs ist 10.000 (inklusive Hebel). Er ver-
liert 2% an Wert, also ist er nur noch 9.800 Wert.
Zwar sinkt der Wert des CFDs, aber Sie haben durch den Verkauf dieses
Kontrakts eine Short-Position eingenommen und Ihren Gewinn durch
den Hebel von 10 verzehnfacht.

Dasselbe Prinzip gilt beim Index-CFD, nur hier ist der Hebel 100 und
der Gewinn hat sich verhundertfacht.

Selbstverständlich können Spielchen mit Hebel auch gegen Sie ver-


laufen. Wäre im eben genannten Beispiel der Basiswert um denselben
Prozentsatz gestiegen, hätte sich Ihr Verlust vervielfacht. Der Hebel ist
ein Spiel mit dem Feuer und sollte daher nur äußerst bedacht eingesetzt
werden.

All die bereits erwähnten Produkte setzen einen hohen Grad an Know-
How und eine durchdachte Risikomanagement-Disziplin voraus. Für
Anleger mit „Waffenschein“ könnten vor allem Put-Optionen eine her-
vorragende Möglichkeit sein, um ihr Portfolio gegen sogenannte Tail
Risks zu schützen oder sehr hohe Gewinne einzufahren. Allerdings ent-
sprechen diese Vehikel weder unserem Anlagestil noch -horizont. Wir
schließen Put Optionen nicht kategorisch aus, allerdings sind wir nicht

46
Profitieren von fallenden Kursen - Leerverkäufe, inverse ETFs und Derivate

bereit, sehr hohe Prämien für unsere Positionen zu zahlen.

Die Kurse für Put- und Call-Optionen werden nicht nur durch Ange-
bot und Nachfrage ermittelt, sondern basieren auf relativ komplexen
Bewertungsmethoden wie dem Black-Scholes-Model. Allgemein gilt,
dass das Pricing einer Option auf der aktuellen und historischen Vola-
tilität des unterliegenden Werts basiert. Wenn eine Aktie sehr volatil
ist, wird die Option über den Verlauf seiner Lebensdauer mit starken
inhärenten Kosten belastet. Diese können leicht 40% betragen. Das
bedeutet, dass der Zeitwert Ihrer Option um 40% fällt, wenn der Kurs
sich nicht bewegt.

Allgemein gilt, dass circa 90% der erworbenen Optionen wertlos ver-
fallen. Andererseits ist der Hebeleffekt bei gewissen Optionen und
Optionsscheinen zwanzigmal und höher als bei einem ungehebelten
Leerverkauf. Das bedeutet, wenn Sie ausnahmsweise mal bei ihrer Ein-
schätzung richtig liegen und das Timing perfekt ist, Ihnen vielleicht
sensationelle Gewinne winken. Aber darauf verlassen können Sie sich
nicht, weil der Market Maker Ihnen einfach die notwendige Liquidität
verwehrt oder Preise stellt, die in keiner Weise berechtigt sind.

Einige professionelle Trader, die ich schätze, halten Ausschau nach


kurzfristigen Put-Optionen (weniger als sechs Monaten), die keinen
Hebel haben und bei denen der Strike Price sehr nah am Aktienkurs
liegt. Falls der Kurssturz der Aktie noch nicht in der erwarteten Zeit-
spanne eingetreten ist, dann schichten viele Trader die Put-Option

47
Profitieren von fallenden Kursen - Leerverkäufe, inverse ETFs und Derivate

bei Ablauf in eine ähnliche Put-Option um. In der Regel sind die jähr-
lichen Kosten dieser Put-Optionen deutlich geringer als bei längerfris-
tigen out-of-the money Optionen mit hohem Hebel.
Der Profi-Trader vergleicht dann die Kosten dieser Put-Option mit den
Kosten einer vergleichbaren Leerverkauf-Transaktion und entscheidet
sich für die liquideste und kostengünstigste Variante.

Ich war jahrelang als Options- und Derivate-Experte durch die ameri-
kanische Aufsichtsbehörde legitimiert und verstehe einiges von dieser
Thematik. Trotzdem ist dies ein Casino, in dem meistens nur der Be-
treiber verdient. Wollen Sie sich das wirklich antun?

Leerverkäufe ermöglichen außerdem das Halten von Positionen über


einen längeren Zeitraum mit überschaubaren Kosten. Auch sogenannte
Knock-Out Scheine oder Zertifikate begrenzen sicherlich das Risiko
eines Totalverlusts und einer Nachschusspflicht, sind aber so struktu-
riert, dass Sie in der Laufzeit der Option mit hoher Wahrscheinlichkeit
finanziell ausgeknockt werden und Ihr eingesetztes Kapital verlieren.

In der Regel sind die jährlichen Kosten für eine gewöhnliche Aktien-
leihe zwischen 2% und 5% und demnach weitaus günstiger als Kosten
von 30% bei Optionen im selben Zeitraum.

48
Investmentdisziplin

Ihr Ziel könnte sein, ein Portfolio zu entwickeln, das unabhängig von
der Marktlage sowohl bei steigenden und fallenden Kursen eine posi-
tive und absolute Performance aufweist. Um dies zu erreichen, müssen
Sie einige essentielle Regeln verinnerlichen, die allgemein-gültig sind.

Die erste Regel lautet, dass Sie niemals ein Wertpapier auf Empfeh-
lung kaufen, solange Sie das Chancen-Risiko-Verhältnis nicht eigen-
ständig verifiziert haben. Das minimale Verhältnis sollte 2-1 sein, bes-
ser 3-1 und idealerweise 5-1 oder mehr.
Im ersteren Fall bedeutet dies, Sie riskieren einen Euro, um zwei Euro
zu erwirtschaften. Im zweiten Fall riskieren Sie ebenfalls einen Euro,
allerdings mit der Möglichkeit, drei Euro zu erwirtschaften und so wei-
ter. In anderen Worten bedeutet ein Chancen-Risiko-Verhältnis von 5-1,
dass Sie in 80% der Fälle falsch liegen können und dennoch gewinnen,
wenn Sie in 20% der Fälle im Recht sind.
Es versteht sich daher: Je besser ein Chancen-Risiko-Verhältnis, desto
attraktiver ist ein Investment.

Ich habe im Laufe meiner Karriere eine Strategie entwickelt, die bis
heute leider nur von sehr wenigen Investoren konsequent und diszipli-
niert angewandt wird, die Competitive Verification. Es handelt sich
hierbei – in Anlehnung an Michael Porters Competitive Advantage
– um überlegene Recherche-Methoden, bei der nicht nur Informatio-
nen von Firmenchefs und Investment-Publikationen gesammelt wer-
den, sondern von einer Vielzahl von Marktteilnehmern: Frühere und

49
Investmentdisziplin

aktuelle Mitarbeiter, Konkurrenten, Zulieferer, Kunden, Aufsichtsräte,


Universitäten, Gläubiger, Handels- und Industrieverbände und je nach
Bereich viele andere Personen und Instanzen. Auskünfte vom Manage-
ment sind oftmals einseitig und leiden unter dem Agency Problem.

Competitive Verification ist daher eine Möglichkeit, sich gegenüber an-


deren Marktteilnehmern entscheidende legale Informationsvorsprünge
zu verschaffen.

Wir sind der Meinung, um wirklich erfolgreich Geld anzulegen, ist


eine breite Streuung nicht sinnvoll. Wir bevorzugen ein konzentrier-
tes Portfolio mit geringer Streuung, aber ausreichend diversifiziert, um
massive Verluste zu vermeiden. Dies bedeutet, dass eine Position nie-
mals größer als 20% sein sollte (und bei 20% sollte diese Position bes-
ser überragend sein) und nicht kleiner als 5%.
Zwischen fünf und zwanzig Positionen sind erstrebenswert, je nach
Qualität der einzelnen Investments. Sowohl bei Short- als auch Long-
Positionen sollte jede Position ab 20% Kursverlust geschlossen werden
(Stop Loss).

Oft stellt sich die Frage, ob man eine Short-Position aufstocken sollte,
die gegen einen läuft. Wenn Sie einen analytischen Vorteil haben und
sich Ihrer Sache sehr sicher sind, kann man das machen. Allerdings
sollten Sie nicht weniger als fünf Positionen halten und dadurch alles
auf eine oder zwei Karten setzen.
Als Mittfünfziger bin ich immer noch ein Fan von konzentrierten Port-

50
Investmentdisziplin

folios mit nicht mehr als zwanzig Kernwerten (core position), bei de-
nen ich wirklich weiß, warum ich long oder short bin. Ergo bin ich mir
sicher, dass ich mehr weiß als der Großteil der Marktteilnehmer. Das
liegt aber auch an meinem Alter und Risikoprofil. Als aufstrebender
junger Investor hielt ich nie mehr als fünf Aktien, am besten nur drei.
Falls meine Ideen nicht absolut überzeugend waren, hielt ich Cash, bis
sich eine vielversprechende Situation ergab.

Sollte man sich bei so wenigen Werten bei Kursverlusten verbilligen


(average down)? Eher nicht, sonst mutiert der Profi-Investor zum Ca-
sino-Zocker.

Generell gilt:
Be disciplined. Do not get greedy. Cut your losses and protect your
capital and let your profits run.
(Seien Sie diszipliniert. Schützen Sie Ihr Kapital (durch Stop Loss) und
lassen Sie Ihre Gewinne laufen.)

Es gibt zwei weitere Hinweise, die wir als enorm wichtig erachten. Si-
cherlich kennen alle die Stop-Loss-Order (SLO). Aber wie wichtig
ist es, bereits bestehende Gewinne sicherzustellen? Das nennen wir die
Lock-in-Profit-Order (LPO).

51
Investmentdisziplin

Ich kaufe Fielmann Aktien bei 50 Euro mit einem Kursziel von 70. Ich
sehe mein Kursrisiko bei 40 Euro. Das ergibt ein Chancen-Risiko-Ver-
hältnis von 2:1. Die Aktie steigt auf 65 Euro und fällt dann wieder auf
50 Euro zurück: nichts gewesen außer Spesen.
Die richtige Strategie wäre eine Lock-in-Profit-Order bei 60 Euro. Das
bedeutet, wenn der Kurs 60 Euro unterschreitet, verkaufen Sie und si-
chern sich circa 10 Euro Gewinn. Übrigens, ist Ihnen aufgefallen, dass
Fielmann Aktien bei einem Kurs von 60 Euro ein unattraktives Chan-
cen-Risiko-Verhältnis haben?

In diesem Beispiel ist das Chancen-Risiko-Verhältnis für Fielmann Ak-


tien (60 Euro) viel schlechter als bei 50 Euro. Sollte ich die Fielmann-
Position nicht bei 60 Euro zumindest halbieren?
Die Antwortet lautet: Selbstverständlich, weil mein Chancen-Risiko-
Verhältnis bei diesem Kurs unattraktiv ist. Und wenn Sie jetzt wieder
auf Cash sitzen, dann suchen Sie nach neuen Kauf- oder Leerverkauf-
Gelegenheiten mit einem attraktiven CRV. Generell gilt, an Gewinn-
mitnahmen stirbt kein Mensch, aber am ewigen average down und un-
disziplinierten Trading viele! Übrigens, in der Finanzwelt ist Hoffnung
keine Strategie.

In vielen Fällen ist nichts die richtige Option, vor allem wenn die Chan-
cen-Risiko-Verhältnisse schwammig sind. Ich investiere in der Regel
nur dann, wenn ich mir im Klaren darüber bin, warum ich eine Aktie
kaufe oder eine andere leer verkaufe.
Denken Sie daran, dass einer der Hauptziele die Erhaltung von Kapital

52
Investmentdisziplin

ist und gezwungene Investments nicht zielführend sind. Bei Ihrer Port-
folio Struktur sollten Sie immer darauf achten, wie long oder wie short
Sie positioniert sind und mit welchem Hebel (der Wert ihrer Long und
Short Position geteilt durch Ihr Anlagekapital).

Insgesamt halte ich sehr wenig von stark gehebelten Investment Port-
folios („too much leverage is too risky“). Stetige Gewinne und Divi-
denden, exzellentes Stock-Picking, geringe Transaktionskosten, Ver-
lustvermeidung bzw. die Fähigkeit, in schwachen Märkten Geld zu
verdienen, gehören zu den wichtigsten Faktoren für exzellente, lang-
fristige und risikoadjustierte Performance. Um einen Verlust von 50%
aufzuholen, muss ein Portfolio um 100% steigen.

Deswegen achten Sie bitte auf Ihr Risikoprofil. Achten Sie auf ein Min-
destmaß an Diversifizierung. Sie müssen auch verstehen, dass Ihr Ka-
pital durch Stop-Loss-Disziplin geschützt werden muss, damit Sie wei-
terhin mit dem Rohstoff Geld arbeiten können.

53
Psychologie

Als Leerverkäufer müssen Sie einen starken Magen für Volatilität und
kurzzeitige Verluste haben. Börsen steigen über einen langfristigen
Zeitraum und das Sentiment im Markt ist überwiegend positiv.

Keynes sagte, die Märkte sind länger irrational als Sie solvent bleiben
können. Ein sehr wichtiges Statement, denn selbst wenn Sie einen ver-
meintlich brillanten Short-Kandidaten finden, kann es Monate, wenn
nicht Jahre dauern, bis der Markt dies realisiert. Es ist daher von höchs-
ter Bedeutung, Auslöser oder Events zu identifizieren, die den Prozess
beschleunigen. Es gibt eine Vielzahl von diesen, die entweder das Un-
ternehmen selbst, den Sektor oder den Gesamtmarkt betreffen.

Außer in Bärenmärkten schwimmen Sie stets gegen den Strom und das
ist kontraintuitiv. Sie müssen daher konträr denken und sämtliche Fak-
ten auf den Prüfstand stellen. Die Mehrheit der Anleger vertraut auf
Aussagen des Managements (Agency Problem) oder Analyseberichte.

Das Herdendenken ist ein weiteres Risiko für den Short Seller, da re-
sultierende Kursentwicklungen oftmals fundamental nicht gerechtfer-
tigt, sondern rein markttechnisch basiert sind. Übertreibung, Panik oder
Euphorie sind die Natur der Märkte und führen oftmals zu kurzzeitigen
Kursentwicklungen, die den emotionalen Short Seller an seinen Posi-
tionen verzweifeln lässt. Es ist daher ratsam, sich ausschließlich auf
Unternehmen zu konzentrieren, die von einem fundamentalen Problem
oder gar mehreren bedroht sind.

54
Psychologie

Als Privatanleger ist Ihnen ein Tool fast gänzlich verwehrt: Das akti-
ve Bewerben Ihrer Position. Marketing ist ein hervorragendes Mittel,
das vor allem bei US-amerikanischen Investoren beliebt ist, um auf
Missstände in Unternehmen aufmerksam zu machen. Mir wurde etliche
Male bei großen Short-Positionen wie MLP, WCM und Bremer Vulkan
„aktive Sterbehilfe“ vorgeworfen. Die Unternehmen hatten sich aus-
nahmslos selber heruntergewirtschaftet und in einigen Fällen viel zu
liberal bilanziert. Ich habe „nur“ auf diese Missstände hingewiesen.

Bei der Bekanntmachung von Short-Positionen von renommierten In-


vestoren kommt es daher oft zu einem Fall der Kurse und dies aus rein
psychologischer Sicht. Zwar haben Sie nicht denselben Bekanntheits-
grad wie jene Investoren von „Weltrang“, allerdings können Sie in Me-
dien wie wallstreet:online oder Seeking Alpha mit anderen Anlegern
Ihre Positionen diskutieren und Ideen austauschen.

Bedenken Sie dabei, Ihre Positionen – sofern dies zutrifft – offenzu-


legen und sich an die Regeln der jeweiligen Foren zu halten, um nicht
Opfer sinnloser Rechtsstreitigkeiten zu werden.

55
Black Swans als Chance oder Risiko

Mit seinem internationalen Bestseller „The Black Swan“ hat Nassim


Nicholas Taleb einer Begrifflichkeit, weit über die Finanzwelt hinaus,
zur Salonfähigkeit verholfen: Der „Schwarze Schwan“.
Es handelt sich bei Schwarzen Schwänen um äußerst unwahrschein-
liche Ereignisse, die jedoch eintreten können und komplett unerwartet
waren.

Beispiele hierfür sind das Internet, die Terroranschläge vom 11. Sep-
tember 2001 oder das Attentat auf Franz Ferdinand 1914 samt Folgen.
Streng genommen sind Black Swan Events per Definition nicht vor-
hersehbar, allerdings werden Ereignisse wie die Finanzkrise ab 2007
auch als Schwarzer Schwan bezeichnet.
Eine erweiterte Definition ist daher auch: Ereignisse, die von einer gro-
ßen Menge unvorhergesehen waren. Einige nennen solche Gescheh-
nisse „Grauer Schwan“.

Sicherlich fragen Sie sich, warum solche Events in diesem Buch the-
matisiert werden. Schwarze Schwäne tauchen in unregelmäßigen Ab-
ständen immer wieder auf, ob wirtschaftlicher, (geo-)politischer oder
gar biologischer Natur. Ihre Konsequenzen sind so weitreichend, dass
ihr Vorkommen für Short Seller von höchster Relevanz ist.

Hierzu möchten wir zwei Beispiele anführen, zum einen die Wahl von
US-Präsident Donald Trump und den Brexit.

56
Die Wahl des US-Präsidenten
Donald Trump - Risiko

Im Vorfeld der US-Wahlen wurde Donald Trump von der Mehrheit der
Medien dämonisiert und gemeinhin als Außenseiter angesehen. Einen
ernsthaften Wahlerfolg hat ihm kein Mainstreammedium so wirklich
zugetraut. Auch sogenannte „Meinungsforscher“ sahen Hillary Clin-
ton als klare Favoritin, trotz des Brexits als „Warnschuss“ gegen das
Establishment.

Für uns war Trump von Beginn an ein reelles Risiko (siehe „Endspiel“),
wenn auch nicht so schwerwiegend wie der Brexit. Seine populisti-
schen Aussagen sollten kritisch betrachtet werden, denn wie heißt es
so schön: „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“

Hillary Clinton war bei der Mehrheit der Wall Street die favorisierte
Kandidatin. Der Grund ist simpel, denn ihre Entscheidungen wären
berechenbar gewesen. Trump hingegen ist der Cowboy und seine Ent-
scheidungen wurden als unvorhersehbar bewertet.
In anderen Worten: Trumps Entscheidungen bedeuten Unsicherheit und
Märkte hassen Volatilität.

Schauen wir uns die wesentlichen Entwicklungen an : 8

57
Die Wahl von US-Präsident Donald Trump - Risiko

6. Kapitalmarktentwicklung nach US-Wahl

Die Entwicklungen am Kapitalmarkt waren vorhersehbar. Gold, Yen


und Euro als „sichere Häfen“ haben kurzfristig an Wert gewonnen. Die
größten Verlierer waren der Nikkei und vor allem der Mexikanische
Peso. Anhand des Wahlkampfes ließ sich eine Trading-Strategie ein-
fach rekonstruieren.
Trump drohte oftmals mit dem Bau einer Mauer, für die die Mexika-
ner aufkommen würden. Außerdem drohte er mit protektionistischen
Maßnahmen durch Zölle, um Dumping entgegenzuwirken. Unter die-
sen Gesichtspunkten sind die Kursentwicklungen plausibel gewesen.
Es kam zu Kursverlusten, die aber innerhalb weniger Handelstage in
die andere Richtung umschlugen.
Viele Shorties, die auf einen Crash spekulierten, haben ihre Leerver-
käufe eingedeckt, einige mit geringen Profiten, andere mit Verlusten.
Wo aber war der „Crash“? Ein „Blutbad“ oder Untergang der Börse wie

58
Die Wahl von US-Präsident Donald Trump - Risiko

von einigen Medien befürchtet, ist gänzlich ausgeblieben. Dies lässt


sich logisch begründen, denn Trump hat mitunter wirtschaftsfreundli-
che Pläne. Dazu gehören geringere Steuern, Investitionen in Billionen-
höhe, erhöhte Staatsausgaben und Deregulierung.
Wir werden nicht auf jedes Wahlkampfversprechen eingehen, aller-
dings sind die eben genannten Themen zentraler Bestandteil von Trumps
Wahlkampf gewesen.
Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, handelt es sich bei Kapital-
marktentwicklungen nicht immer um fundamentale und rationale Ent-
wicklungen. Oft sind panische Entscheidungen, die zu Kettenreaktionen
führen, unbegründet. Auch hier war die kurzzeitige Untergangsstim-
mung nicht gerechtfertigt und maßlos übertrieben.
Die von Trump versprochenen Reformen signalisierten einen kurzzeiti-
gen Wirtschaftsaufschwung, auch wenn wir fest davon überzeugt sind,
dass die Trump-Euphorie ein jähes Ende finden wird. Einige seiner
Versprechungen sind nicht praktikabel und einige andere bergen ein
erhebliches Risiko. So könnten protektionistische Maßnahmen vor al-
lem gegen China in einen Handelskrieg ausarten.

Was bedeuten diese Entwicklungen für den Short Seller? Kurzfristig


war die Wahl eine Chance (Baisse), die sich zu einem Risiko (Hausse)
entwickelte. Mit Höchstwerten bei Börsenbewertungen haben sich die
Chancen-Risiko-Verhältnisse allerdings zugunsten des Leerverkäufers
entwickelt. Das Risiko eines Crash steigt mittelfristig und birgt erheb-
liches Renditepotenzial.

59
Brexit - Chance

Der Brexit war streng genommen kein Schwarzer Schwan, eher dun-
kelgrau, denn ein Ausstieg aus der EU war durchaus realistisch, wenn
auch unerwartet. Wie im Beispiel Trump gilt auch hier, dass Märkte
Unsicherheit verabscheuen. Von dieser Unsicherheit konnte der Leer-
verkäufer profitieren und das sogar mit besseren Chancen- Risiko-Ver-
hältnissen als bei der Wahl des US-Präsidenten.

Aber schauen wir uns die konkreten Kursveränderungen an:

7. Kapitalmarktentwicklung nach Brexit

60
Brexit - Chance

Der Austritt Großbritanniens aus der EU kam für viele überraschend,


viel mehr noch als die Wahl Trumps. Dementsprechend waren die Kurs-
entwicklungen heftiger, wie Tabelle 4 zeigt.

Aber auch hier sind die Kursveränderungen plausibel: Der Pfund hat
gegenüber dem US-Dollar massiv an Wert verloren, die „Krisenwäh-
rung“ Gold hat ca. 8% zugelegt, ebenso wie der japanische Yen. Ein
erstarkter Yen wirkt sich negativ auf asiatische Exporteure aus, wes-
halb der Nikkei um ca. 8% fiel. Der wichtigste britische Aktienindex
FTSE 100 verlor mehr als 8% an Wert, insbesondere Bankenwerte lit-
ten unter dem Brexit.

Knapp ein Jahr danach befinden sich die meisten Werte auf dem Vor-
krisenniveau und Anleger haben sich vom kurzzeitigen Schreck er-
holt. Wer sich vor dem Brexit richtig positioniert hat und gegen den
allgemein erwarteten Ausgang gewettet hat, dürfte ansehnliche Ge-
winne erwirtschaftet haben. Durch den Brexit ergaben sich aber auch
Opportunitäten für Value-Investoren, insbesondere bei britischen Ak-
tientiteln.

61
Antizipation & Positionierung

Geopolitische Entscheidungen haben großen Einfluss auf Märkte, auch


wenn diese von Anlegern oftmals fundamental überbewertet werden.
In der Szene sagt man, politische Börsen haben kurze Beine. Entschei-
dend ist oftmals die Wahrnehmung, vor allem in kurzfristigen Kursbe-
wegungen.

Profitieren Sie von diesen. Der Brexit und die Wahl des US-Präsiden-
ten sind gute Beispiele, um kurzfristig von Panik und Übertreibung zu
profitieren. Ereignisse mit solchen Auswirkungen sind manchmal vor-
hersehbar (z.B. Brexit), manchmal jedoch gänzlich überraschend (z.B.
Terroranschläge). Handelt es sich wie beim Brexit um Graue Schwä-
ne, ist es empfehlenswert, sich dementsprechend zu positionieren und
Kursentwicklungen zu antizipieren. Solche Trades sind natürlich nicht
gänzlich ohne Risiko, allerdings ist das Chancen-Risiko-Verhältnis Ih-
nen opportun.
Nach dem EU-Referendum verlor das Pfund gegenüber dem US-Dollar
ca. 11% an Wert. Wie wäre aber die Kursentwicklung beim Verbleib?
Sicherlich nicht eine Steigerung um 11%.

Das Jahr 2017 bringt einige Schwarze Schwäne mit sich. Nur sind diese
schwarzen Schwäne mittlerweile Bestandteile der allgemeinen Wahr-
nehmung geworden und somit ist der negative Überraschungsfaktor si-
gnifikant gefallen. Unerwartete Wahlerfolge von rechten Parteien oder
Referenda ermöglichen überdurchschnittliche Profite für den Short Sel-
ler.

62
Antizipation & Positionierung

Halten Sie Ausschau nach solchen Möglichkeiten, aber denken Sie lie-
ber an das noch Undenkbare wie zum Beispiel einen großen Banken-
Kollaps oder einen Bailout in China, einen Handelskrieg zwischen
China, Mexiko und den USA, eine überraschende Renminbi Abwer-
tung, einen unerwarteten Krieg mit dem Iran, einen Schuldenverzicht
in Griechenland oder einen Banken-Kollaps in der Türkei. Seien Sie
skeptisch gegenüber „Meinungsforschern“, Massenmedien, Politkern,
Marktkommentatoren, Zentralbankern und anderen Mainstream-Mei-
nungsbildnern. Diese Propaganda-Outlets sind oftmals konfliktbehaf-
tet und haben meistens einen schlechten Track Record bei der Früh-
erkennung von Investment-Blasen und bevorstehenden Crashs.

Analysieren Sie selbstständig, suchen Sie konträre Meinungen, achten


Sie dabei auf veritable Investment-Koryphäen, vor allem solche, die
bisher in Baisse-Märkten sehr gut verdient haben: Stan Druckenmiller,
George Soros, Kyle Bass und Jim Rogers.

63
Risikomanagement

Pair Trading ist eine Möglichkeit, um gewisse Marktrisiken einzu-


grenzen. Hier ist man long eine oder mehrere Positionen (Perlen) und
short Schrott. Wenn der Markt steigt, laufen diese Werte kurzfristig mit
dem Markt.
Ein weiteres Tool, um Risiken zu reduzieren ist, dass man nicht sofort
alles auf eine oder mehrere Karten setzt.

Ich bin oft bestens damit gefahren, meine Investment Positionen in


zwei oder drei Stufen aufzubauen. Das liegt daran, dass es sehr schwer
ist, den optimalen Einstieg zu finden. Zum Beispiel vermuteten wir im
Juni 2015, dass die Deutsche Bank nicht ohne massive Bußgeldstrafen
aus dem US Mortgage-Debakel herauskommen würde. Uns war damals
auch bewusst, dass ein potentieller Geldwäsche-Skandal in Russland
drohte. Der Kurs stand im Juni 2015 bei 28 Euro und einige unserer
Kontakte begannen, die Aktie leer zu verkaufen oder wie wir Trader
sagen „anzufixen“.
Nur wenige Wochen später stieg die Aktie auf 32 Euro und die Short
Seller verdoppelten ihre Position.

Was hatte sich in einem Monat fundamental verändert?


Nichts, außer dass der Kurs gestiegen war. Da diese Position zu die-
sem Zeitpunkt aber mit fünf Prozent der Investment Portfolios noch
recht klein war, hat man die Short-Position nochmals verdoppelt, an-
statt Verluste zu realisieren. Die Short-Position belief sich somit auf
zehn Prozent des Investment Portfolios mit einem Einstandskurs von

64
Risikomanagement

30 Euro. Das war immer noch ein Verlust von 6%, aber noch weit von
der Stop-Loss-Marke von 36 Euro (minus 20%) entfernt.

Ein anderer Trader wollte nicht nur short Deutsche Bank sein. Er mein-
te, der Gesamtmarkt könnte steigen und die Deutsche Bank nach oben
mitziehen. Er war sich nicht sicher, ob das Desaster-Szenario bei der
Deutschen Bank wirklich eintreten würde. Deswegen suchte sich dieser
Trader eine vergleichbare große Universalbank, um sein Risiko beim
Deutsche-Bank-Short abzusichern. Die Idee für diesen Trade war, JP
Morgan (JPM)-Aktien zu kaufen; also eine gut geführte, hochprofitable
Bank mit solidem Eigenkapital und die Deutsche Bank leer zu verkau-
fen; eine unprofitable, schlecht geführte Bank mit erheblichen Risiken.

Fakt ist, dass beide Banken in dieser Phase Kursverluste erlitten, ob-
wohl der Gesamtmarkt stabil war. Der reine Leerverkäufer verdiente
zwar mehr als der Pair Trader, aber sein Risiko war höher.

65
Risikomanagement

Deutsche Bank

8. Drei-Jahres-Performance Deutsche Bank9

JP Morgan

9. Drei-Jahres-Performances JP Morgan10

66
Risikomanagement

Nicht alle Pair Trades reduzieren das Risiko. Man kann mit einem
schlechten Hedge auch das Risiko erhöhen, also auf der Long und der
Short Position Geld verlieren. Oft sichern Leerverkäufer ihre Short-
Position auch mit Index Futures ab. In diesem Fall wären auch Futures
auf diverse Bank Indizes geeignet gewesen.
Bei Futures kann man auch short gehen, aber das ist nur bei wenigen
Aktien möglich. Generell ziehen wir vor, bei höchster Qualität long zu
sein und Schrottwerte zu shorten. Mittelfristig und langfristig ist die
Kursperformance der Qualitätsaktien (Wertschöpfer, Value Creators)
wesentlich besser als die der Schrottwerte (Value Zerstörer, Value Des-
troyer). Im Englischen sagt man zwar „every dog has his day“, aber
prinzipiell sollten Sie sich als Long-Investor von den Aktien fern hal-
ten, die nicht nachhaltig Ihre Kapitalkosten (Eigen- und Fremdkapital)
erwirtschaften. Das Timing ist extrem wichtig und man sollte crowded
trades vermeiden, weil zu viele Profis, meistens zu viel besseren Kur-
sen, bereits in diesen Trades positioniert sind.

67
Technische Analyse

Oft erreichen uns Anfragen zur technischen Analyse, gepaart mit der
Frage, ob diese sinnvoll ist oder nicht. Diese Frage lässt sich pauschal
nicht beantworten, da sie von mehreren Faktoren abhängig ist.

Die technische Analyse, auch genannt Chartanalyse, ist eine rein sta-
tistische Analyse, bei der Fundamentaldaten der Unternehmen irrele-
vant sind und ignoriert werden. Basierend auf historischen Kursver-
läufen werden Trading-Entscheidungen gemacht.
Eine Grundannahme bei diesem System ist, dass alle Informationen, die
für den zukünftigen Kursverlauf nötig sind, in den historischen Werten
enthalten sind. Primäres Ziel ist die Ermittlung des idealen Einstiegs-
punktes (entry point, Kauf) und des Ausstiegspunkts (exit point, Ver-
kauf).

Eine weitere Annahme ist, dass sich die Geschichte wiederholt oder
zumindest reimt. Das bedeutet, der Trader wird, wenn er ein Muster
aus der Vergangenheit erkennt, sich in Antizipation dieses Ereignisses
dementsprechend positionieren. Gerade weil eine Vielzahl von Tra-
dern sich dieser Analysetechnik bedient, kann man der Chartanalyse
eine Daseinsberechtigung zusprechen. Das Verhalten der Märkte wird
durch das Verhalten der Menschen beeinflusst und wenn eine Vielzahl
an Tradern den Mustern folgt, dann wird der Trend – zu einem gewis-
sen Grad durch selbsterfüllende Prophezeiung – den Erwartungen fol-
gen. Ein erfolgreicher Hedgefonds-Manager, der diese Analysetechnik
erfolgreich anwendet, ist Paul Tudor Jones.

68
Technische Analyse

Nun ist es so, dass die technische Analyse eigentlich ein weitreichen-
der Begriff ist. Dazu gehören das einfache „Charten“, aber auch hoch-
komplexe mathematische Modelle oder automatisiertes Trading durch
Algorithmen. Einer der erfolgreichsten Hedgefonds dieser Welt hat die-
sen Stil perfektioniert: Renaissance Technologies. Geführt von aus-
schließlich Nicht-Wirtschaftswissenschaftlern, ist der Fonds berühmt-
berüchtigt für seine außerordentlich exzellente Performance, selbst in
Krisenzeiten. Die Kernstrategie ist statistische Arbitrage.
Renaissance sammelt einen unglaublichen Datensatz (Zeitungsartikel,
Analyse- und Wetterberichte, Bilanzen etc.) und versucht, kurzfristige
Preisentwicklungen zu antizipieren und von ihnen zu profitieren. Ge-
nauere Details sind nicht bekannt. Es ist für Sie als Privatanleger je-
doch unmöglich, diesem Stil nachzueifern, da allein die Infrastruktur
für diese Strategie derart komplex ist, dass Sie mit anderen Strategien
besser fahren.

Kurzum: Die technische Analyse kann, wenn Sie mit ihr umgehen kön-
nen, Ihren Investmentstil ergänzen, aber als Ersatz für die Fundamen-
talanalyse ist sie nicht geeignet.

69
Kapitel 3
Ideenfindung

„Sie sollten nicht in die Idee investieren,


die Sie nicht mühelos mit einem Bleistift
veranschaulichen können.“

- Peter Lynch
Ideenfindung

In diesem Kapitel kommen wir zum eigentlichen Herzstück dieses


Handbuchs: die Ideenfindung.
Grundsätzlich gilt: Jeder Leerverkauf ist einzigartig, aber oftmals wer-
den Sie Parallelen zwischen einzelnen Shorts entdecken. Beachten Sie
dennoch, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, sondern reimt. Es
liegt ganz bei Ihnen, Ihre ganz persönliche Short-Strategie zu entwi-
ckeln. Es gibt Dutzende Aktien, die fallen und mindestens genauso
viele, die steigen.
Wichtig bei Leerverkäufen ist, wie in vorherigen Kapiteln bereits be-
schrieben, sich die Kandidaten auszusuchen, die bereits angezählt sind
oder kurz davor. Noch besser, wenn der Markt diese Frösche für Prin-
zen hält.

Im Folgenden werden wir ein Framework präsentieren, das Sie als


Inspiration nutzen können, um solche Unternehmen zu identifizieren.
Die Liste wurde nicht nach Wichtigkeit der Punkte geordnet, da die-
se von Sektor zu Sektor und Unternehmen und Unternehmen unter-
schiedlich sind. Logischerweise betreffen die besten Leerverkäufe die
Kandidaten, die sowohl in Markt-, Industrie- und Unternehmensana-
lyse schlecht bis sehr schlecht abschneiden. Ein „ungenügend“ in der
Fundamentalanalyse des Unternehmens allein reicht manchmal schon
aus, vor allem, wenn es um einen Konkurs-Kandidaten geht. Um je-
doch das Chancen-Risiko-Verhältnis zu maximieren, sollten alle drei
Bereiche (Gesamtmarkt, Industrie, Unternehmen) rot aufleuchten.
Prinzipiell lassen sich Leerverkäufe in vier Bereiche einordnen:

71
Ideenfindung

Trash
Das sind für uns marginale Marktteilnehmer. Nehmen wir Bremer Vul-
kan. Dieser Schiffsbauer produzierte Containerschiffe, aus technolo-
gischer Sicht ein Low-Tech-Produkt, das in vielen Schwellenländern
deutlich günstiger produziert werden konnte. Um überleben zu können,
gab es ständig Subventionen. Die Bilanz war hochgradig intransparent
und selbst gute Analysten taten sich schwer, festzustellen, ob das Un-
ternehmen profitabel oder mit Verlust arbeitete. Das Unternehmen war
dramatisch überschuldet und konnte nur mit großer Mühe seine Zinsen
bedienen. Um zu überleben, setzte das Bremer Vulkan-Management
alles auf eine Karte und stieg in die Produktion von Kreuzfahrtschiffen
ein. Der Schwachpunkt war natürlich, dass ein Moped-Bauer nicht un-
bedingt Ferraris herstellen kann.
Die Wette ging nicht auf und Bremer Vulkan rutschte nicht nur in die
Pleite, sondern entpuppte sich als der größte Subventionsbetrug der
deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Strukturelle Shorts
Hierbei handelt es sich um Unternehmen mit substantiellen Problemen.
Dazu gehören untragbare Geschäftsmodelle, Finanzierungsrisiken oder
gefälschte Bilanzen.
Meistens besteht hier ein Gewinnpotential von über 80% bis zu 100%
(Insolvenz). Die Dauer der Leerverkaufsposition reicht von wenigen
Monaten bis hin zu über einem Jahr.

72
Ideenfindung

Taktische Shorts
Leerverkäufe diese Art sind oftmals markttechnisch und nicht funda-
mental basiert. Dazu gehören special situations wie Spin-Offs, Insi-
der-Verkäufe oder kurzfristige Entscheidungen mit mittelfristige Fol-
gen für die Wirtschaft (z.B Brexit). Die Dauer dieser Shorts reichen
von wenigen Tagen bis hin zu drei Monaten.

Hedging Shorts
Ein Hedgegeschäft wird eingegangen, um eine parallel laufende Trans-
aktion abzusichern. Ziel ist, Markt- und Industrierisiko bestmöglich zu
eliminieren. Beim sogenannten Pair Trade geht der Fundamentalinves-
tor im selben Sektor eine Long und Short Position ein und erwartet,
dass die Long-Position sich besser entwickelt.
Der Short Seller ähnelt bei der Analyse dem Long-only Investor. Der
Leerverkäufer muss das Geschäftsmodell, die Bilanz, die Treiber hin-
ter dem Wachstum und den Sektor verstehen. Ein Unterschied ist je-
doch die Suche nach red flags, also schwerwiegenden Problemen, die
als Katalysator für eine Kurskorrektur oder gar Insolvenz dienen, die
vom Markt noch nicht realisiert wurden.

Im Kapitel „Fundamentalanalyse“ wird genauer auf unternehmens-


spezifische Kennzahlen eingegangen.

Die Immobiliengesellschaft WCM war ein anderer Fall. Dieses Unter-


nehmen hatte ein Vermögen in Commerzbank-Aktien investiert – auf

73
Ideenfindung

Pump finanziert. Im Crash von 2000 bis 2002 fiel der Commerzbank
Kurs von 250 auf 40 Euro. Auch andere stark finanzierte Wertpapiere
erlitten schwere Kursverluste. Die WCM-Kreditgeber wollten ihr Geld
zurück und der WCM-Kurs implodierte um über 90%. 11

WCM und Bremer Vulkan sind für mich klare Fälle, dass man als Long
Investor die Finger von extrem verschuldeten Firmen lassen sollte.

Commerzbank

10. Kursentwicklung Commerzbank seit 199812

74
Ideenfindung

WCM

11. Kursentwicklung WCM AG seit 199813

75
Gesamtmarktanalyse

Es ist sinnvoll, mit einer Makro-Analyse zu beginnen und dann Schritt


für Schritt sich zu einzelnen Unternehmen „vorzuanalysieren“. Ihr Ziel
ist es, die Konsequenzen für verschiedene Industrien und Unternehmen
durch makroökonomische Veränderungen früh zu antizipieren und sich
dementsprechend zu positionieren.

Wir haben im Buch „Endspiel“ die aktuelle Marktlage hinreichend ana-


lysiert und kommentiert, daher empfehlen wir Ihnen, sich diese durch-
zulesen.

Um den Umfang dieses Buchs nicht zu überschreiten, werden wir uns


auf einige wenige verlässliche Indizes fokussieren:

Buffett-Index
Benannt nach dem Investor Warren Buffett vergleicht dieser Index die
Marktkapitalisierung der größten börsennotierten Unternehmen mit
dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Dieser Index ist für uns einer der,
wenn nicht sogar der wichtigste und zuverlässigste aller Indizes, empi-
risch bewiesen.

76
Gesamtmarktanalyse

The Buffet Indicator: Corporate Equities to GPD

12. Buffet-Index im Februar 201714 (dshort.com, Februar 2017, Q4 Advance Estimate)

Shiller P/E Ratio


Ein Bewertungsmaß, um die zukünftige Rendite von Aktien einzuschät-
zen. Aufgrund seines historischen Erfolgs wird die Shiller P/E Ratio
auch als Indikator für Börsencrashs gesehen. Berechnet wird die Ratio,
indem der Aktienkurs eines Unternehmens durch die durchschnittli-
chen 10-Jahresgewinne – inflationsadjustiert – geteilt wird.

77
Gesamtmarktanalyse

13. Shiller P/E Ratio im Februar 201715

Tobin’s Q
Diese Kennzahl, auch genannt Kurs-Substanzwert-Verhältnis, wird
ermittelt, indem der Marktwert eines Unternehmens durch den Wieder-
beschaffungswert aller Vermögensgegenstände geteilt wird. Ist dieser
Wert über 1, gilt das Unternehmen relativ zu seiner Bewertung als über-
bewertet. Ist der Wert unter 1, gilt das Unternehmen als unterbewertet
und könnte daher Opfer einer feindlichen Übernahme oder einer M&A-
Transaktion sein. Für Sie als Short Seller ist diese Kennzahl daher be-
sonders wichtig.

78
Gesamtmarktanalyse

Q Ratio Since 1990

14. Q-Ratio im Februar 201716 (dshort.com, February 2017, Data through January)

Dividendenrendite
Die Dividendenrendite berechnet sich aus der Dividende pro Aktie ge-
teilt durch den Kurs der Aktie. Der Wert schwebt knapp über seinem
Allzeittief und deutet auf eine Vielzahl von Risiken hin. Long sollte der
Investor sein bei hohen Dividendenrenditen und günstigen Kursen und
short vice versa, natürlich in Kombination mit anderen Katalysatoren.

79
Gesamtmarktanalyse

Verhältnis von Aktienperformance & FED-Bilanz


Die Börsen boomen, solange die Notenbanken fieberhaft Geld drucken
(quantitative easing). Nach dem Ende von QE1, QE2 und QE3 sind
die Kurse sofort gefallen, zuletzt in der Börsenkorrektur vom August
2015. Werden Gelddruck-Maßnahmen gestoppt und Zinsen erhöht, ist
die Party schnell vorbei und die Wahrscheinlichkeit für eine Marktkor-
rektur steigt.

S&P 500 Index

15. Verhältnis vom S&P 500 und QE17

80
Gesamtmarktanalyse

Bloomberg Commodity Index (BCOM)


Ein kaum beachteter Indikator für Börsenbaissen und frühzeitiges Sig-
nal für Wirtschaftsschwäche.

16. Bloomberg Commodity Index18

Baltic Dry Index (BDI)


Wie der BCOM ein verlässlicher Index, der Veränderungen im Welt-
handel frühzeitig anzeigt. Die sieben eben genannten Indizes sind von
enormer Wichtigkeit und deuten auf eine schwere Baisse hin. Die meis-
ten Werte sind zeitlos und befinden sich – je nach Index – auf einem
oder in der Nähe des Rekordhochs oder -tiefs.

Wir haben jedoch noch drei weitere ungewöhnliche, aber interessante


Indikatoren, an die die meisten Marktteilnehmer nicht denken.

81
Gesamtmarktanalyse

17. Baltic Dry Index19

Luxus-Indizes
Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl an Indizes, die verschiede-
ne Entwicklungen abbilden: Rekordverkäufe in Auktionshäusern, der
Aktienkurs von Sotheby’s, oder Industrien, in die Abgänger von Elite-
Universitäten in Massen schwärmen (Startup- und Venture-Capital-
Boom).

Skyscraper-Index
Sie werden lachen, aber diesen Index sollten Sie ernst nehmen. Es scheint
einen Zusammenhang zwischen gigantischen Bauprojekten (z.B Jed-
dah Tower, Burj Khalifa, Sky Mile Tower) und Marktkorrekturen zu
geben: Genau in der Phase, in der China plante, zahlreiche Hochhäuser
zu bauen, kam es zu einer Korrektur von 40%.

82
Gesamtmarktanalyse

IQ-Index
Achten Sie auf Investoren, die jahrzehntelang eine hervorragende Per-
formance – vor allem in Bärenmärkten – aufzuweisen haben: George
Soros, Jim Rogers, Stanley Druckenmiller, Carl Icahn, Nassim Taleb
und viele andere. Zwar sind diese Experten keine Propheten, allerdings
ist ihr Wort ein Beitrag zum allgemeinen Sentiment.

Diese zehn Indizes dienen seit mehreren Jahrzehnten als verlässliche


Bewertungskriterien für ein allgemein schwaches oder schwächelndes
Börsenumfeld. Nun ist es aber so, dass fallende Kurse auch in Bullen-
märkten auftreten. Es handelt sich hierbei um einzelne Unternehmen
oder gar ganze Industrien, die Gegenstand des nächsten Teils werden.

83
Industrieanalyse

Bei der Industrieanalyse unterscheidet man grundsätzlich von allge-


meinen und spezifischen KPIs (Key Performance Indicator).

Zu den allgemeinen gehören:

Natur der Industrie


Um welchen Wirtschaftsbereich handelt es sich? Ist der Markt kapital-
intensiv oder saisonabhängig?

Größe des Marktes


Handelt es sich um einen Nischenmarkt mit geringer Nachfrage oder
einen Massenmarkt mit hoher Nachfrage?

Phase
Ist der Markt eine Neuheit, wachsend, ausgereift oder gar rückgängig?
Besteht die Chance, dass der Markt in Zukunft gänzlich verschwindet?

Marktkonzentration
Wie viele Unternehmen teilen sich diesen Markt?

84
Industrieanalyse

Wettbewerbssituation
Wie viel Marktmacht haben einzelne Teilnehmer des Marktes? Gibt es
de facto Monopole oder Oligopole? Wie sind Produktdifferenzierung
und Preisunterschiede zu bewerten?

Dynamik
Unterliegt der Markt regulatorischen Restriktionen? Wie verhalten sich
Markteintrittsbarrieren oder Marktaustrittsbarrieren?

Neben allgemeinen Industrie-Kennzahlen hat jeder Sektor seine eige-


nen Kennzahlen.

Eine Auswahl an KPIs ist im Folgenden aufgelistet:

Luftfahrt
Belegung der Sitze im Durchschnitt in %, Kosten pro Flugstunde, Ren-
dite pro Sitz, Ölpreiskosten vor allem im Verhältnis zu den Lowest Cost
Producers, Alter der Flotte.

Banken
Kreditausfallquote, Assets Under Management (AUM), Marktpenetra-
tion, Qualität der Vermögenswerte, Kundentreue, Eigenkapitalquote,
Nettozinsmarge. Generell kauft man Bankaktien, wenn das Kreditvo-

85
Industrieanalyse

lumen stark steigt und die Kreditausfälle eine geringe Bedrohung dar-
stellen. Investmentbanken sollte man schleunigst verkaufen, wenn sich
IPO, M&A und Eigenhandelsgeschäft seit längerem auf Höchstständen
befinden, wie zurzeit.

Hotels & Restaurants


Rendite pro verfügbarem Raum, Auslastung, durchschnittlicher Tages-
satz; durchschnittliche Rechnung pro Gast. Hotels sind konjunkturan-
fällig. Lage und Entwicklung der geplanten Hotelzimmer in einer Re-
gion (Angebotsentwicklung).

Versicherung
Verhältnis von Forderung und Kosten, gesetzliche Rücklage, Qualität
der Vermögenswerte, Zinsniveau und der Einfluss auf wichtigste Er-
tragsbringer, Vertriebskosten, Performance und Kompetenz im Inves-
titionsbereich (siehe Warren Buffet und GEICO).

Medien & Telekommunikation


Durchschnittliche Rendite pro User, Nettoerhöhung der User, Preisver-
fall. Hier sollte man auch auf Consumer Trends achten. Zum Beispiel
sehen immer weniger junge Menschen Fernsehen und wandern in an-
dere Bereiche wie YouTube, Netflix ab. Das gleiche gilt für Printme-
dien. Es ist schwierig, sich drastischen Verschiebungen im Konsum-

86
Industrieanalyse

verhalten zu entziehen.

High-Tech
Produktinnovation und Marktakzeptanz, Reaktionsfähigkeit auf neue
Entwicklungen, Marktanteile. Hier muss man extrem achtsam sein,
denn der Marktführer von heute ist recht oft der Absteiger von morgen.
Apple versus Nokia. Apple und Microsoft versus IBM. Google versus
AOL. A never ending story.

Industrie
Verhältnis von Aufträgen zum Umsatz, Kapazitätsauslastung, Umfang
der Aufträge, unerfüllter Auftragsbestand. Performance dieser Unter-
nehmen im zyklischen Abschwung, vor allem der Gewinnmargen. Die-
se Werte kauft am besten, wenn sie am Boden sind, aber nicht Pleite
gehen werden.

Autos und Automobilzulieferer


Hier sollte man auf das durchschnittliche Alter der Gebrauchtwagen
achten. Je älter desto interessanter. Je jünger, desto uninteressanter. Si-
gnifikante Trends wie zum Beispiel der Shift in Richtung Elektroautos
und der damit verbundene Investitionsaufwand.

87
Industrieanalyse

Immobilien
Belegung, Miete pro Quadratmeter, Kapitalisierungsrate. Muss man
nicht unbedingt haben, wenn die Zinsen steigen. Affordability ratio:
Wie ist das Verhältnis der Einkommen zum Immobilienpreis? Prämie
oder Abschlag zum Liquidationswert (net asset value), Hochschreibun-
gen, demographische Trends.

Energie & Bergbau


Produktions- und Förderkosten, Reserven, Reserven-Erneuerungsrate,
Investitionsaufwand, Explorationserfolg, Nutzung und Kapazität der
Raffinerie, Volumen der Reserven, Zyklizität.

Handel
Eröffnung und Schließung von Shops, Bestandsänderungen, erwartete
Rendite pro neuem Shop, Kundenzufriedenheit und Loyalität, Ertrag
pro Quadratmeter, Like-for-Like Umsatzentwicklung (Wachstum), On-
line-Konkurrenz.

88
Fundamentalanalyse

Für Leerverkäufe gibt es eine Vielzahl an fundamentalen Kriterien.


Wir werden die wichtigsten von Ihnen hier auflisten.

Produkt
Competitive Advantage(s), Investitionen in R&D (bisherig, gegenwär-
tig und zukünftig), Marketing, Skalierbarkeit, Kundentreue, Wechsel-
kosten, Alternativ- und Konkurrenzprodukte, Patente, regulatorische
Restriktionen

Kunden
Kundenkonzentration, internationale und nationale Verkäufe, Position
des Unternehmens in der Wertschöpfungskette

Management
Track Record von Key Men, Vergangenheit von Managemententschei-
dungen, Wertschöpfung für Aktionäre, Allokation von Kapital, Repu-
tation, Ethik, Eigentümerstruktur, Kompensation des Vorstandes, Insi-
dertransaktionen (Käufe und Verkäufe)

Gefahren
Juristische Risiken, Produktzyklus und Alternativen, Wettbewerb, Re-
gulierungsrisiken, strukturelle Änderungen im Geschäftsmodell, aus-

89
Fundamentanalyse

laufende Patente, sinkende Nachfrage für Kernprodukte

Andere Eigenschaften sind unter anderem:

• Stark überbewertet, auch im Branchenvergleich

• Zyklische Produkte, bei denen die Kaufentscheidung leicht verzö-


gert werden kann

• Branchen, in denen regelmäßig ein brutaler Preiskampf stattfindet

• Geringe Gewinnmargen

• Hohe Zinsbelastung und Verschuldung

• Wenig Substanz und Eigenkapital

• Geschwächte oder allgemein schwache Position gegenüber Kon-


kurrenten

• Wenig Preissetzungsmacht (pricing power) und sehr viel Wettbe-


werb

• Wenige oder keine positiven Alleinstellungsmerkmale

• Unternehmen mit enormen Nachteilen bei den Produktionskosten

90
Fundamentanalyse

relativ zur Konkurrenz

• Transparente und unverständliche Bilanzen

• Liberale, freizügige Bilanzierungs-Praktiken

• Unternehmen mit hohem Erfolgsdruck („Hop oder Flop“) durch


Konkurrenz oder technologische Entwicklungen (z.B. Filmstudios
oder Technologieunternehmen wie Atari, Nokia, Yahoo, America
Online etc.)

• Signifikante Insider-Verkäufe

• Ein aus charttechnischer Sicht schlechtes Bild

• Deutliche Verschlechterung bei den Gewinnmargen, dem Auftrags


bestand und den wichtigsten Bilanzrelationen

• Unternehmen in Branchen, die sehr krisenanfällig sind und kaum


oder gar nicht ihre Kapitalkosten verdienen (z.B. Fluggesellschaf-
ten wie Lufthansa, marginale Autohersteller wie Fiat oder Stahl-
produzenten wie Thyssen)

• Niedrige und unregelmäßige Dividenden bzw. schlechte Dividen-


denhistorie

91
Kapitel 4
Fallstudien

„Die meisten Leute interessieren sich für eine Aktie,


wenn es auch jeder andere tut.
Die richtige Zeit, sich für etwas zu interessieren ist,
wenn niemand anders sich dafür interessiert.
Du kannst nicht das kaufen, was gerade beliebt ist
und gut abschneiden. “

- Warren Buffet
Aktien: Chemours

Die Chemours-Aktie haben wir deshalb ausgewählt, weil selbst profes-


sionelle Leerverkäufer falsch liegen können. Chemours war ein Spin-
off von DuPont. Die Gesellschaft ist in hochgradig zyklischen Berei-
chen tätig, unter anderem in der Titandioxid-Produktion. Des Weiteren
bestanden erhebliche juristische Risiken, die von einigen Analysten
auf zwei bis drei Milliarden US-Dollar beziffert wurden.
Die Gesellschaft war und bleibt extrem verschuldet. Zudem bilanzier-
te Chemours, zumindest in der Vergangenheit, äußerst kreativ. DuPont
hat sich aus diesen Gründen in der Form eines Spin-Offs von diesem
hässlichen Entlein getrennt.

Andrew Left von Citron Research hat über Chemours einen Research-
Bericht veröffentlicht. Besitzen Sie durchschnittliches Schulenglisch,
lesen Sie sich seinen Bericht zu Chemours durch:

http://www.citronresearch.com/wp-content/uploads/2016/06/cc-final-a.pdf

Die Kernthese der Citron Research Studie war, dass Chemours defini-
tiv Pleite geht. Das wurde mir von allen Marktteilnehmern, außer Uli
Hoeneß, bei der Sanierung von Borussia Dortmund auch mal attestiert.
Aber Totgesagte leben nun einmal länger. Einige sollen sogar aufer-
standen sein. Bei Borussia Dortmund erholte sich der Aktienkurs nach
der erfolgreichen Sanierung von 77 Eurocent auf 5,80.

93
Aktien: Chemours

Chemours

18. Kursentwicklung von Chemours in den letzten 12 Monaten20

Im August 2016 stand die Chemours-Aktie noch bei 6 Dollar, nachdem


sie aufgrund der Short-Attacke um 25% gefallen ist. Danach hat sich
die Aktie fast versechsfacht! Was ist passiert?

Ein in den USA sehr bekannter Hedgefonds-Manager, David Einhorn,


hat massiv Chemours-Aktien gekauft und auf eine Erholung der we-
sentlichen Industriesparten der Gesellschaften gesetzt. Das ist mittler-
weile eingetreten. Auch bei den juristischen Risiken hat Einhorn besser
recherchiert als Citron Research. Die Kosten belaufen sich auf „nur“
ein paar Hundert Millionen US-Dollar, die sich DuPont und Chemours
teilen. Chemours veräußerte außerdem eine ganze Division, um sich
zu entschulden und die Preise für Titandioxid haben sich merklich er-

94
Aktien: Chemours

holt. Restrukturierungsmaßnahmen wurden eingeleitet und exempla-


risch umgesetzt. Somit wurden die Kosten drastisch gesenkt und die
Gewinne erhöht. Schulden wurden reduziert und ein Cashbestand auf-
gebaut. Das reicht aber noch lange nicht, um den Chemours-Kurs zu
vervierfachen. Die Shortseller wurden mit dem Anstieg der Chemours-
Aktie zertrümmert (Short Squeeze).

Nicht nur David Einhorn und seine Firma Greenlight Capital haben
massiv Aktien gekauft, sondern auch weitere Insider und das zu sehr
niedrigen Preisen. Da wir davon ausgehen, dass diese Insider wesent-
lich mehr wissen als wir, haben wir uns von einer Short-Position von
Anfang an distanziert.
Einhorn ist kompetent und erfolgreicher als Citron Research, er ist bes-
tens dafür bekannt, dass er seine Hausaufgaben sehr gründlich macht
(man bezeichnet ihn auch als „dean of short selling“).

Generell halten wir nichts von Firmen, die sich wie Citron Research
ausschließlich mit Leerverkäufen beschäftigen. Das führt letztlich zu
einer negativen und einseitigen Betrachtung. Nicht anders sind jedoch
die Leute, die wir als naive Perma-Bullen bezeichnen. Andererseits
interessiert es mich schon, was diese Leute sagen, um die Short-Argu-
mente besser zu verstehen.

Mittlerweile hat die Chemours-Aktie eine Bewertung erreicht, die wir


trotz der superben Entwicklungen nicht mehr so recht nachvollziehen
können. Vielleicht bekommen wir ja eine zweite Einstiegschance, um

95
Aktien: Chemours

diesen zyklischen Wert anzufixen, vor allem wenn die Insider und Da-
vid Einhorn ihre Bestände verkaufen (Einhorn hat seinen Bestand be-
reits reduziert). Auf dieses Signal müssen wir achten. Dann sollten wir
auf Baisse setzen, aber nicht bevor wir unsere Hausaufgaben gemacht
machen und neue Entwicklungen grundlegend analysiert haben.

Die Lektion dieser Geschichte: Bleiben Sie neutral, recherchieren Sie


intensiv und achten Sie auf wesentliche preisbestimmende Faktoren.
Noch wichtiger ist es, den Stop-Loss spätestens bei einem Verlust von
20% zu aktivieren, auch wenn das weh tut. Ich möchte nicht wissen,
wie viele Short-Spekulanten bei Chemours mittlerweile Haus und Hof
verzockt haben. Irgendwann werden sie sicherlich Recht haben, wenn
sie nicht schon lange vorher Pleite gegangen sind.

96
Währung: Yen

In „Endspiel“ haben wir auf die eklatanten Risiken im Yen / USD Ver-
hältnis hingewiesen. Für uns ist der Yen eine reine Ponzi-Währung.
Der durchschnittliche Japaner ist 55 Jahre alt, eine verheerende Alters-
struktur für jedes Land. Schon jetzt müssen drei Arbeiter einen Rentner
bzw. Pflegefall durchfüttern. Zinskosten fressen mehr als die Hälfte der
Steueraufnahmen auf. Die japanische Zentralbank arbeitet mit einem
Hebelfaktor von circa 20.000%. Das bedeutet, die Verbindlichkeiten
übersteigen das Eigenkapital um das Zweihundertfache. Wenn Sie das
nicht verstehen, dann schauen Sie mal auf ihr Bankkonto und Wert-
schriften und multiplizieren diesen Betrag mal 200. Das wären dann
Ihre Schulden, die Sie irgendwie zurückzahlen und bedienen müssen.
Crazy! Das ist sechsmal mehr als Lehman Brothers vor der Pleite.

19. Demographie Japans zwischen 1880 und 210021

97
Währung: Yen

Immer weniger arbeitende Japaner müssen irgendwann diese eklatan-


ten und ständig wachsenden Staatsschulden bedienen. Die Bevölke-
rung schrumpft von ca. 128 Millionen Einwohnern im Jahr 2003 auf
100 Millionen in den nächsten 33 Jahren. Die Japaner schaffen sich
wortwörtlich ab. Seit Jahren gibt die japanische Regierung doppelt so
viel aus, wie sie an Steuern einnimmt.

Japan Government Debt to GDP

20. Verhältnis von japanischen Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt22

Noch eklatanter ist die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP (Brut-


toinlandsprodukt) mit sagenhaften 22%. Selbst die de facto bankrotten
Griechen bestechen mit einem Verschuldungsgrad von „nur“ 160%.
Argentinien ging mit schlappen 50% Pleite. Und die ehemals vorzüg-
lichen japanischen Sparer haben mittlerweile eine geringere Sparquo-

98
Währung: Yen

te als die konsumorientierten Amerikaner. Dieser Trade hat sich noch


nicht besonders gut ausgezahlt, aber wir würden wetten, dass der Yen
vor dem USD kollabiert. Hier sollte man etwas Geduld mitbringen. Es
könnte einige Jahre dauern.

99
Rohstoffe: Kobalt

Im Frühjahr 2016 haben wir Kobalt als äußerst attraktiven Rohstoff


identifiziert. Das Downside-Risiko haben wir damals auf maximal
50% geschätzt, das Upside-Potential liegt zwischen 500-1.000% auf
5-Jahres-Basis. Seit einem Jahr hat sich der Preis nahezu verdoppelt
mit nach wie vor starkem Aufwärtspotential.

Wir werden unseren Analysebericht stark verkürzen und nur die we-
sentlichen Punkte nennen, warum ein weiterer Anstieg der Kobaltprei-
se sehr wahrscheinlich ist:

• Geopolitische Risiken in der Demokratischen Republik Kongo (DR


Kongo) können die Versorgungssicherheit gefährden. Es gibt ein
immenses Supply-Chain-Risiko durch Bürgerkriege, Rebellen und
Korruption in der Demokratischen Republik Kongo.
Wenn Minen beschlagnahmt oder Minenrechte widerrufen werden,
wird es zu einem kurzfristigen Versorgungsengpass kommen. Es
gab bereits einen Fall, nämlich als die DRK-Regierung die Lizenz
von First Quantum Materials für das Kolwezi-Tailings-Projekt wi-
derrief

• Übermäßige Abhängigkeit von DRK-Ressourcen unter Berücksich-


tigung der steigenden Nachfrage und des Mangels an Vorkommen
außerhalb der DRK

• Kobalt wird zu 97% als Nebenprodukt produziert und ist daher mit

100
Rohstoffe: Kobalt

der Produktion von Kupfer und Nickel verknüpft, zwei Elemente


mit Überkapazitäten und depressiven Preisen. Wenn Unternehmen
aufhören, Nickel und/oder Kupfer abzubauen, wird das Angebot an
Kobalt deutlich sinken

• Mangelnde Infrastruktur, Menschenrechtsverletzungen und man-


gelnde Fachkräfte könnten zu internationalen Sanktionen oder Ein-
schränkungen des DRK-Kobalts führen. Da viele „grüne Unterneh-
men“ eine nachhaltige Umwelt als besonders wichtig erachten, er-
höht dieses Problem den [sozialen] Druck auf das Supply Chain
Management und erfordert die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen
(Corporate Social Responsibility)

• Es gibt keine kurzfristigen Alternativen für die Kobaltproduktion.


Jeder Endnutzer, der Kobalt ohne Leistungsverlust ersetzen kann,
hat dies bereits getan. Besonders für Hochleistungsbatterien gehört
Kobalt zum „must have“

• Die Regierung fördert die globale „grüne Bewegung“ mit mehr


Subventionen, was bedeutet, dass die Nachfrage nach EVs weiter
steigen wird

• China ist der größte Kobaltraffineur. Im Falle von politischen


Spannungen kann die chinesische Regierung ihre Kobaltexporte
beschränken. Die USA und die EU sehen Kobalt als strategisches
oder kritisches Metall an und sind beide stark vom Export abhän-

101
Rohstoffe: Kobalt

gig. Obwohl die USA 15% ihres Kobaltkonsums recyceln, werden


protektionistische Maßnahmen die Preise dramatisch beeinflussen

• Eine globale Wirtschaftskrise führt zu einem weiteren Abwärts-


druck auf Nickel- und Kupferpreise und somit zu einer Aussetzung
des Abbaus, was zu Lieferengpässen führt

• Viele Explorationsprojekte sind fremdfinanziert. Eine Zahlungsver-


zug für Kredite kann den Abbau kurzfristig verzögern und folglich
die Versorgung für einen kurzen Zeitraum verknappen

• Investoren-Hype-Risiko. Ähnlich wie bei Lithiumpreisen, kann


ein Hype oder Manie zu einer kurzfristigen Explosion der Preise
führen, unabhängig von den Fundamentaldaten

• Kobalt ist von größter Bedeutung für militärische Anwendungen.


Es ist also ein „war play“.

Nun ist Kobalt allein zwar ein sehr interessantes Investment mit einem
exzellenten Chancen-Risiko-Verhältnis, aber es bleibt ein zyklisches
Metall, das in der Vergangenheit mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP)
stiegt oder fiel. Ein Investor könnte sich daher dafür entscheiden, das
Downside-Risiko zu minimieren, indem er einen anderen Rohstoff als
Pair Trade leerverkauft. Nun springt ein Rohstoff dabei besonders ins
Auge: Kupfer. Da Kobalt zu 97% als Nebenprodukt von Nickel und
Kupfer entsteht, gibt es einen Zusammenhang zwischen Angebot an

102
Rohstoffe: Kobalt

Kobalt und Kupferpreisen. Sollte es zu einer Rezession oder Depres-


sion kommen, so werden in der Regel Bergbauaktivitäten eingestellt.

Zwei Szenarien sind denkbar:

Kobalt ist von essentieller Bedeutung in militärischen und technischen


Anwendungen. Daher beschließen Produzenten, weiter Kobalt und da-
mit automatisch Nickel und Kupfer zu fördern. Dies hätte zwei Effek-
te. Ausreichend Kobalt wird produziert, um die Nachfrage zu decken.
Gleichzeitig gerät Kupfer aber unter Preisdruck, da Überkapazitäten
herrschen und in einer Rezession das Angebot die Nachfrage überstei-
gen wird. Kupfer ist aktuell ca. 85% über dem Preisniveau nach der
Rezession 2008 und ist daher ein geeignetes Pair-Trade-Paar.

Es könnte aber auch dazu kommen, dass Produzenten sich entschlie-


ßen, die Produktion herunterzufahren oder ganz stillzulegen. Dann wür-
de es zu einem Angebotsmangel an Kobalt kommen, der die Preise in
die Höhe schießen lässt. Kupferproduktionen werden heruntergefahren
oder gänzlich stillgelegt, um einen Preissturz zu verhindern. Dadurch
ist das Downside-Risiko bei Kupfer beschränkt, aber das Upside-Po-
tential bei Kobalt höher. In beiden Szenarien wird der Investor aller
Wahrscheinlichkeit nach als Gewinner hervorgehen.

103
Rohstoffe: Kobalt

Cobalt Price 23.18 USD/Ib, 3 Mar‘17

21. Preisentwicklung von Kobalt in den letzten zwölf Monaten23

104
Rohstoffe: Kobalt

Copper Price 2.68 USD/Ib, 3 Mar‘17

22. Preisentwicklung von Kupfer in den letzten zwölf Monaten24

105
Nachwort: Reflexion und Ausblick
2017 bis Ende 2019 (März 2017)

Seitdem wir „Endspiel“ geschrieben haben, hat sich einiges, was wir
als sehr wahrscheinlich präsentiert haben, bewahrheitet.
Donald Trump wurde Präsident der Vereinigten Staaten. Diverse Fi-
nanzinstitute wie zum Beispiel die Deutsche Bank, Credit Suisse und
etliche italienische Banken erlitten massive Kursverluste, der Bloom-
berg Warentermin Index fiel auf ein 30-Jahres-Tief. Selbst der Yen und
der Euro haben deutlich an Wert gegenüber dem US Dollar verloren.
Der Goldpreis stieg zwischenzeitlich um 25% und Goldminenwerte
legten im Schnitt circa 80% zu. Mit Short und Long Empfehlungen in
einem Bullenmarkt durchschnittlich 50% zu erzielen ist ungewöhnlich,
also keine ganz so schlechte Empfehlungsbilanz von unserer Seite.

In den nächsten zwei bis drei Jahren geht es ans Eingemachte, nämlich
um Ihr Vermögen und Ihre wirtschaftliche Freiheit und Unabhängig-
keit. Seit dem Erscheinen von „Endspiel“ wurde beschlossen, den 500
Euro-Schein abzuschaffen. In Indien wurden Banknoten über 7 Euro
als nichtig erklärt. In Schweden wird auf höchster Ebene über die Ab-
schaffung des Bargelds debattiert. In Spanien, Italien, Griechenland
und Frankreich wird es immer schwieriger, größere Summen bar ab-
zuheben. In Portugal und Italien werden zum Teil absurde Steuern er-
hoben, wie zum Beispiel eine Weitblick- und Klimaanlagen-Steuer.

Gehen Sie davon aus, dass Sie immer seltener mit Bargeld bezahlen
können oder noch größere Summen bei Ihrer Bank in Bargeld abheben
können. Das geht, innerhalb der EU nur noch in wenigen Ländern.

106
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

Die USA sind mittlerweile im 8. Jahr einer Wirtschaftsexpansion. Nor-


malerweise dauert diese fünf bis maximal sieben Jahre an. Nur zwei-
mal, seitdem diese Daten seit 1900 erhoben werden, gab es eine der-
art lange und positive Konjunkturphase. Beide Male war die Federal
Reserve Bank mit Gelddruck-Maßnahmen dabei. Diesmal ist es wieder
so, und diesmal ziehen alle wesentlichen Zentralbanken an derselben
Schnur. Das Geld fällt förmlich vom Himmel, kommt aber bei denen
an, die es am wenigsten benötigen: dem globalen Geldadel und den
ohnehin Vermögenden. Die langatmige, sehr schwache und schön ge-
redete Wirtschaftserholung überrascht uns keineswegs. Die Bevölke-
rungsstruktur belegt unmissverständlich eine drastisch alternde Gesell-
schaft in den wichtigsten Wirtschaftsregionen sowie eine ungesunde
Verschuldung auf breiter Flur. Das billige Geld und die Geldvermeh-
rung durch die Zentralbanken belebt die Konjunktur durch minimale
Zinskosten künstlich. Das verlängert lediglich den Zyklus, führt aber
letztendlich zu viel größeren Schäden, wenn die Exzesse der Vergan-
genheit bereinigt werden müssen.

Die Wahl Trumps bringt neue, wichtige Parameter in das Investment-


Geschehen. Bei Trump sollte man auf keinen Fall darauf achten, was er
sagt, sondern nur darauf, was er macht. Es ist wahrscheinlich, dass eine
Steuerentlastung für Gesellschaften und Privathaushalte wirtschaftliche
Impulse geben kann. Bankaktien haben sich seit der Wahl Trumps stark
entwickelt. Das gleiche gilt für Rohstoffaktien, Öl- und Rohstoff-Werte
sowie die Aktien von börsennotierten Gesellschaften, die Gefängnisse
verwalten. Ob dieser Trump-Bonus an den US- und diversen interna-

107
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

tionalen Börsen weiter läuft, erachten wir als äußerst fragwürdig.

Bei derart massiven Steuerentlastungen wird das amerikanische Haus-


haltsdefizit massiv steigen, da größere nachhaltige Sparmaßnahmen der-
zeit nirgends erkennbar sind. Auch die amerikanische Schuldengrenze
muss im März nach oben angepasst werden. Die Zinsentwicklung in
den USA hat sich bereits auf diese Entwicklung zumindest teilweise
eingestellt. Die Zinssätze für 30-jährige Hypotheken sind von 3% auf
4.3% gestiegen und die der 10-jährigen Bundesanleihen von 1.3% auf
über 2.5%.
Bei einer exakten Analyse der Nachfrage und dem Angebot von Staats-
anleihen ergibt sich kein besonders helles Bild. Die Zinsen sollten in
den USA weiter steigen, weil steigende Defizite finanziert werden müs-
sen bei gleichbleibender, aber eher fallender Nachfrage aus Europa
und China. Dieser Trend verschärft sich in den nächsten Monaten und
Quartalen.

Auffallend ist, dass Trump in den wichtigsten Wirtschaftsämtern noch


keinen Experten ernannt hat und sich derzeit mehr mit Migrations-
thehmen beschäftigt. Auch Obamacare soll drastisch verändert wer-
den. Zudem wird Mitte März die US Schuldenfalle zuschnappen. Mit
derart vielen Nebenkriegsschauplätzen tippen wir, dass sich die an-
gekündigten Steuerreformen sowie das Billionenschwere Infrastruk-
turprogramm erheblich verzögern werden. Leider ist der Markt derart
hoch bewertet und hat diese Entwicklungen bereits in den Börsenkur-
sen vorweggenommen. Für Enttäuschungen und signifikante zeitliche

108
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

Verschiebungen gibt es wenig Spielraum.

Auch in Deutschland tut sich einiges. Zeitweise fielen große deutsche


Immobilienwerte um 20% an der Börse. In dieser Zeit stieg der DAX
Aktien-Index über 10%. Eine derartig schlechte Performance sollte
man ernst nehmen und sich fragen, ob Immobilienwerte in Deutsch-
land größtenteils ihr Potential ausgereizt haben. Dieser Trend der stei-
genden Zinsen könnte in Deutschland anhalten, da die amerikanische
Zentralbank bereits jetzt von drei weiteren Zinserhöhungen im laufen-
den Jahr spricht. Ob sich die EZB noch etliche Jahre erfolgreich mit
manipulativen Praktiken gegen diesen Trend stellen kann, ist fraglich.
Unsere professionellsten Kunden sind seit Monaten short auf diverse
Immobilienwerte und Anleihen und viele haben große Gewinne reali-
siert.

Mit Argusaugen achten wir auf Entwicklungen in China. Der rote Rie-
se verschuldet sich mit einem atemberaubenden Tempo, um die Wirt-
schaft wieder auf Wachstumskurs zu halten. Mittlerweile fließen Bil-
lionen ins Ausland. Der Yuan oder Renminbi verliert ständig an Wert
gegenüber dem US Dollar. China befindet sich in einem waghalsigen
Vabanquespiel. Sie müssen die Geldflüsse ins Ausland bremsen, müs-
sen einen Handelskrieg mit den USA vermeiden, ihre Verschuldung in
den Griff bekommen und weiterhin die Wirtschaft ankurbeln. Die chi-
nesische Währung sollte nicht zu viel gegenüber dem US Dollar ver-
lieren, sonst läuft Trump mit Importsteuern Amok.

109
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

Wie soll das alles gut gehen? In Europa kann die „Sozialisierung“ (Ver-
gemeinwirtschaftung) der Staatsschulden der Mitgliedsländer zu erheb-
lichen latenten Bilanzrisiken führen. Die EU-Schulden sind zumindest
teilweise Bestandteil der deutschen Zahlungsverpflichtungen gewor-
den, auch wenn das kaum einer wahrhaben will. Wie würde sich ein
Schuldenschnitt in Griechenland auf die Marktstimmung auswirken?
Politisch ist ein Rechtsdrall erkennbar, und nicht nur in Italien gewin-
nen die EU- und Euro-Gegner an Macht.

Der Trump-Faktor beinhaltet inhärent eine gewisse Inflationsgefahr für


Anleihen, die bei steigenden Zinsen auch Aktien Konkurrenz machen
werden. Das gleiche gilt für erhöhte Einfuhrsteuern, die durch höhere
Preise Konsumgüter verteuern könnten. Und wenn überhaupt noch je-
mand auf Fundamentaldaten achtet, sind die US Unternehmensgewin-
ne seit acht Quartalen rückläufig, auch teilweise, weil der US Dollar
gegenüber allen anderen wesentlichen Währungen aufgewertet wurde.
Die Bilanzierungspraktiken in den USA und Europa sind mittlerweile
so lasch, dass die ausgewiesenen Gewinne häufig 50% höher liegen als
verlässliche US GAAP Zahlen.

Trump will die Regulierung im Bankwesen und beim Umweltministe-


rium (Environmental Protection Agency, EPA) drastisch zurückfahren.
Trump will die Einkommenssteuer für Firmen und Privatpersonen dra-
matisch reduzieren. Diese Maßnahmen haben fast immer eine positive
Auswirkung auf das Wirtschaftsgeschehen, weil dadurch die Unterneh-
mensgewinne steigen. Deswegen muss man dieses Thema auch ernst

110
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

nehmen. Zumindest haben die US-Börsen, Rohstoffwerte und Bank-


aktien sehr positiv auf die angekündigten Trump-Maßnahmen reagiert
und einiges durch markante Kurssprünge bereits vorweggenommen.
Falls die Unternehmenssteuern tatsächlich auf 15% reduziert werden
sollten, werden viele US Gesellschaften deutlich mehr verdienen. Aber
unsere Analyse zeigt, dass der Steuersatz der zehn größten US Unter-
nehmen ohnehin bereits nur 16% beträgt. Das sauber gerechnete US
GAAP Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 Aktienindex
liegt bereits bei schwindelerregenden 26.2. Die amerikanischen Inlands-
werte werden im Russell 2000 Index abgebildet. Dort liegt das KGV
auf US GAAP Basis bei über 200, eine absurde Bewertung. Selbst bei
einer drastischen Steuersenkung läge das KGV immer noch bei 140.
Das erinnert an den Nikkei Index der frühen 90er Jahre.

Im Vergleich liegt das durchschnittliche KGV des deutschen Aktienin-


dex DAX 30 für 2017 bei circa 15. Aber auch dieser optisch niedrig an-
mutende KGV ist im Verhältnis zur ehemaligen HGB Bewertung oder
einer sauberen US GAAP Bewertung weniger aussagefähig. Alle rele-
vanten und verlässlichen Investment-Parameter, wie der Buffet-Index,
das Case Shiller PE, EV/EBITDA, EV/Buchwert signalisieren mittler-
weile drastische historische Überbewertung.

Trotzdem könnte Trump durch eine markante Steuerreduzierung (bis


zu 7.500 US-Dollar pro Haushalt) sowie einer Vereinfachung der ame-
rikanischen Steuergesetze für die amerikanische Mittelschicht deutlich
positive Wirtschaftswachstumsimpulse herbeiführen. Das ist aber nicht

111
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

das, was die Milliardäre im Trump-Kabinett derzeit anstreben. Die-


se betuchten Herren wollen, dass circa 75% der Steuerentlastung dem
reichsten einen Prozent der Amerikaner zukommen. Das würde wenig
Zuwachs für die Gesamtwirtschaft bedeuten, aber die Nachfrage für
Privatflugzeuge erhöhen. Das wird auf Widerstand stoßen. Auch die
Mitglieder der Tea Party wollen niedrigere Steuern, aber nur wenn die
Steuererlässe umsatzneutral sind und die Staatsschulden nicht weiter
erhöht werden. Das ist extrem unwahrscheinlich und rein mathematisch
unmöglich, da Trump den US-Militärhaushalt signifikant erhöhen will.
Zudem sind laut David Stockman, ehemaliger Chef-Buchhalter und
Kongressmitglied unter Ronald Reagan, weitere 10 Billionen Dollar
Staatsschulden in den USA in den nächsten zehn Jahren vorprogram-
miert. Ähnlich wie die Situation in China fragen wir uns, wie soll das
gehen ohne markante Volatilität an den Märkten zu erzeugen?
Die wichtigste Frage ist aber, wie soll das alles bezahlt werden und
welche Kompromisse muss Trump in Washington eingehen, damit sei-
ne Pläne umgesetzt werden können? Das amerikanische Haushaltdefi-
zit könnte sich innerhalb von zwei Jahren auf eine Billion Dollar ver-
dreifachen. Würden die Zinsen dann nicht auf fünf Prozent steigen und
Anleihen attraktiver erscheinen als Aktien, die zurzeit mit weniger als
2% rentieren? Das Land, seine Bundesstaaten, die große Mehrzahl der
Firmen und Haushalte sind bereits eklatant verschuldet. Im Kreditbe-
reich der Automobilindustrie und bei den Student Loans gibt es bereits
Entwicklungen, die an den überhitzten Immobilienmarkt von 2007 er-
innern.
Wer soll die angesagten Infrastrukturprogramme und die Aufrüstung

112
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

der US-Armee bezahlen? Ist eine Deregulierung der Finanzbranche


wirklich sinnvoll oder erhöht man dadurch die Risiken eines erneuten
Finanzdebakels? Werden sich Trump und seine Republikaner erinnern,
dass sie sich im Wahlkampf offiziell für eine Neuversion des Glass-
Steagall-Acts (Trennung der Banken in Investmentbank und Geschäfts-
bank) mit demokratischer Unterstützung ausgesprochen haben?

Insgesamt sehen wir keinen Grund, von unserer negativen Markt- und
Wirtschaftsmeinung abzuweichen. Die Romanze der Börse mit Trump
könnte von relativ kurzer Dauer sein. Demographisch verheerende Ten-
denzen in Großteilen Europas, in Japan und zunehmend in den USA und
China sind wichtiger als das tägliche Techtelmechtel im Wirtschaft und
Politik-Geschehen. Auch die Überschuldung der Firmen, Staaten und
Zentralbanken ist noch eklatanter als vor einem Jahr. Über die Hälf-
te der US-Haushalte verfügt nicht einmal über die Mittel, eine kleine
500 Dollar-Autoreparatur aus vorhandenen Mitteln zu tätigen. Die Ein-
kommen und Vermögen der Top 1% dagegen wachsen nahezu unauf-
haltsam, während der Mittelstand und die Unterschicht den Geldadel
finanziert und zunehmend verarmt. Das ist insgesamt kein gesunder
wirtschaftlicher und politischer Cocktail.

Immer wieder vernehmen wir von unseren Kunden eine spürbare Exis-
tenzangst. Etliche Leser flüchten in Immobilien-Investments, andere
kaufen Aktien, einige stocken ihre Golddepots auf. Ich möchte hier
betonen, dass ein Dach über dem Kopf, exzellentes Wetter, ein Brun-
nen sowie ein Gemüse- und Obstgarten kein teures Investment sein

113
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

müssen. Bei monatliche Kosten zwischen 200 und 400 Euro kann man
unter gewissen Bedingungen in Teilen Europas recht gut leben. Das
setzt aber den Besitz einer entsprechenden Immobilie voraus, die es
ermöglicht, größtenteils autark und sehr kostengünstig zu leben. So et-
was gibt es in Italien und in Teilen Spaniens. Mittlerweile kennen wir
etliche Leser, die diesen Schritt bereits für Summen zwischen €20.000
und €100.000 umsetzen. Vor circa 15 Jahren lag der Preis dieser länd-
lichen Immobilen drei- bis sechsmal höher. Für uns ist so etwas ein
richtiger Lifestyle und existenzieller Hedge.

Trotzdem spricht wenig dagegen, dass diverse Märkte wie der DAX oder
der Eurostoxx 600 ihre alten Höchstwerte übertreffen. Aber wenn die
peripheren Märkte steigen, die small caps performen und letztlich Otto
Normalverbraucher wieder Aktien kauft, nachdem er eine 300-Pro-
zent-Rally verpasst hat, dann sind wir in der Hausse sehr weit fortge-
schritten. Das Wichtigste ist, dass es beim Investieren prinzipiell um
die Ermittlung von Chancen-Risiko-Verhältnissen geht und diese stim-
men uns negativ. Auch wenn die Märkte weitere 10% steigen sollten,
gibt es mittelfristig ein Kursrisiko zwischen 30% und 60%. Die Paral-
lelen zur Zeit der großen Depression unter der Regie von US-Präsident
Herbert Hoover und die aktuelle Politik von Donald Trump regen zum
Denken an.
Deswegen haben wir zu diesem Thema auch ein Video veröffentlicht,
dass Sie sich anschauen sollten:

https://www.youtube.com/watch?v=QeABcgmSkM8

114
Nachwort: Reflexion und Ausblick 2017 bis Ende 2019 (März 2017)

In diesem Jahr rechnen wir einerseits mit weiteren Höchstständen im


DAX, aber auch mit der einen oder anderen Korrektur. Dann werden
Investoren nochmals diese Korrekturen kaufen (buying the dips), weil
das bisher 64mal seit 2009 funktioniert hat. Bis Ende 2019 erwarten
wir mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Crash oder mit einer
30-prozentigen Chance eine langatmige japanische Wirtschaftssklero-
se.

Lehnen Sie sich einfach zurück und beachten Sie das Marktgesche-
hen objektiv. Wenn Sie leerverkaufen, dann fangen sie gemächlich und
überlegt damit an. Circa 40% der US-Börsenvolumina bestehen der-
zeit aus M&A Transaktionen und Aktienrückkauf-Programmen. Falls
Trump eine Steueramnestie für US Unternehmen durchsetzt, die er-
hebliche Barmittel im Ausland halten, dann könnte sich dieses M&A
Fieber und die Share buyback Manie noch länger halten.

Der größte Aktienindex, der S&P 500, boomt, gefolgt durch die ame-
rikanischen Small Cap Werte. Dann streben die europäischen Aktien
ihre alten Höchststände an, obwohl das wirtschaftliche und politische
Umfeld schwer belastet ist. Letztlich ist der Eurostoxx 600 um einiges
günstiger als der S&P 500. Selbst Emerging Markets performen wie-
der sehr gut und Junk Bond Anleihen werden fieberhaft gekauft. Jetzt
fehlen nur noch die Privatanleger, die die 300 Prozent Rally verpasst
haben und in der Krise 2008 /2009 mit schweren Wunden ausgestiegen
sind. Die klassische Rotation an den Börsen ist nahezu perfekt. Das ist
ein erstklassiges Szenario, um bei dieser weit entwickelten Top Forma-

115
tio, selektiv Baisse-Positionen aufzubauen. Dann kommt das Endspiel!
Wie immer.

Schauen Sie bei Interesse an unserem Börsenbrief-Projekt gerne auf


unserer Webseite vorbei:

anderen Themen auf meinem YouTube-Kanal:

Wir wünschen Ihnen bei Ihren Investments und Ihrer Krisenvorberei-


tung viel Erfolg. Investieren Sie weiter in Ihr Wissen, und glauben Sie
bitte nicht alles, was Ihnen Politiker, Staatsökonomen, Zentralbanker
-
schen verfügen insgesamt über eine äußerst schlechte Leistungsbilanz
beim Erkennen von Wirtschaftsblasen und Investmentkrisen. Wir sehen
-
lässige Kontra-Indikatoren. Achten Sie vor allem in diesem Investment-
klima auf das Chancen-Risiko-Verhältnis bei jedem Aktieninvestment.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg, beste Gesundheit und Erfüllung.

116
Die Lage in Bildern

eine Vielzahl an Missständen in unserer Gesellschaft auf und dienen

Rusell 2000 EV/EBITDA

25

117
Glossar

Total Number of Births in the G7 Countries

26

Global Central Bank Balance Sheet Global Debt And GDP


Explosion, 1995-2015 1994 and 2014
($ Trillio
TTrillions)
ns)

27

118
Über die Autoren

Florian Homm
Dr. h.c. Florian Homm, MBA (geboren 1959) gehört zu Deutschlands
bekanntesten Fondsmanagern. Er istAbsolvent des Harvard College‚82
Merrill Lynch in den Be-
reichen Investmentbanking, Securities Research und Sales. Nach Ab-
schluss der Harvard Business School ’87 arbeitete er als Analyst und
Fondsmanager bei sowie als Di-
rektor und Leiter des Bereiches Institutionelles Asset Management bei
Bank Julius Bär AG. Bei Tweedy Browne war Homm geschäftsführen-
der Gesellschafter in Europa.

Von 1993 bis 2001 war Homm Gründer und Vorstandsvorsitzender der
(Börse Frankfurt) und von 2002
ACMH Gruppe
(Börse London und Frankfurt).

Florian Homm verfügt über vier Jahrzehnte Erfahrung als Nostro-Händ-


ler, Venture Capitalist, Investor, Hedgefonds-Manager, Serienunterneh-
mer und Investmentbanker.

Homm spricht sechs Sprachen, ist ehemaliger Botschafter und UNE-


SCO Delegierter, ehemals Basketball Junioren Nationalspieler und
wurde einem breiten Publikum durch die erfolgreiche Sanierung des
BVB bekannt.
Sein Track Record beruht zu einem erheblichen Teil auf exzellenter

119
Über die Autoren

-
gen, unter anderem:

• No.1 Germany Fund 2002-2004 (3 years) Finanzen


• No.1 European Hedge Fund 1994 HFR, HFI
• No.1 European Hedge Fund 2002 HFR, HFI
• No.1 European Hedge Fund 2005 HFR, HFI
• No.1 US Specialty Fund 1988, Lipper, Fidelity
• No.1 1990 Top European Equity Fund BJB
• No.1 1994 - 1997 European Equity Pension Fund AAA Foundation
• No.1 Best Hedge Fund Group, 2006 Hedge Fund Rev.
• No.1 European Event Driven Fund, 2005 Eurohedge
• No.1 Risk Adjusted Long/Short Fund 2005 Barclay Group
• No.1 Germany Fund over 1, 2 and 3 years, 2004 Micropal
• No.1 European Long Short Fund, 2002 HFI

Florian Homm ist praktizierender Christ und engagiert sich neben sei-

Er ist Autor mehrerer Bücher unter anderem die Spiegel Bestseller


„Kopf Geld Jagd“ und „Endspiel“.

120
Über die Autoren

Gublan D. Dag
Gublan D. Dag arbeitete mit Florian Homm an einer Vielzahl von Pro-

mehrere Begabtenakademien in Europa und ein Praktikum an einer


führenden Forschungsinstitution in Deutschland.

Florian Müller
-
ler- weile hat er einen eigenen Blog: www.boerseneinmaleins.de und hat
mehrere Einführungsbücher zur Börse für Anfänger geschrieben.

121
Glossar

Absolute Capital Management Holding (ACMH) – Eine 2001 von


Florian Homm gegründete Hedgefondsgesellschaft mit Sitz auf den
Cayman-Inseln

Aktie – Anteil an einer Aktiengesellschaft (AG), die durch Ausgabe

Anleihe
Unternehmen oder Staaten dient

Babyboomer – Mensch, der in den Jahren mit hohen Geburtenraten


(1945 bis 1964) geboren wurde

Baissier

Bruttoinlandsprodukt (BIP) — Wert aller in einem Land erbrachten


Wirtschaftsleistungen (Waren und Dienstleistungen) in einer Periode
(in der Regel ein Jahr)


innerhalb eines Zeitraums

Deutscher Aktienindex (DAX) — Börsenverzeichnis mit den 30


größten und umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland, die an
der Frankfurter Börse notiert sind

122
Glossar

Depotbank —

Depression — Absturz der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung


durch steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Einkommen, fallende Prei-
se sowie Rückgang des Sozialprodukts

Derivat — Finanzprodukt, das aus einem Basisinstrument (zum Bei-


spiel Aktie) abgeleitet wird und von dessen (Preis-) Entwicklung ab-

etc.

Dividende — Anteil des Gewinns, den eine Aktiengesellschaft an ihre


Aktionäre auszahlt

Emittent — Institution oder Person, die Wertpapiere in Form von Ak-


tien, Anleihen oder Optionen ausgibt

Enterprise Value — Wert eines Unternehmens, unabhängig von seiner


Finanzierung; Summe aus Marktkapitalisierung und Schulden minus

Exchange Traded Fund (ETF) — An einer Börse gehandelter Invest-


mentfonds

Haussier —

123
Glossar

Hedgefonds — Investmentfonds, der in Bezug auf die Anlagepolitik


weniger gesetzlicher Regulation unterliegt

Klumpenrisiken — Anhäufung von Ausfallrisiken durch mangelnde


Risikostreuung

Leerverkauf (short sale) — Verkauf von Wertpapieren wie zum Bei-


spiel Aktien, Anleihen etc. auf Leihbasis, über die der Verkäufer/Spe-
kulant zum Verkaufszeitpunkt nicht verfügt

Liquidität —
-
men

New Economy — Bezeichnung für einen aufstrebenden Wirtschafts-


zweig, welcher stark durch informationstechnologiebasierte Produkte
geprägt wird; Gegenpol zur Old Economy, die auf Warenproduktion
ausgerichtet ist

Nikkei 225 — Japanischer Aktienindex, bestehend aus den 225 der


bedeutendsten Aktien (Pendant zum DAX); gleichzeitig wichtigster
Aktienindex Asiens

Option — Finanzinstrumente beziehungsweise Derivate; mit dem

124
Glossar

Beispiel eine Aktie) zu einem vorher festgelegten Preis zu einem be-


stimmten späteren Zeitpunkt zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put)

Portfolio — Zusammenfassung beziehungsweise Gesamtheit des Ver-


mögens und der Investition einer Person oder eines Unternehmens,
bestehend aus verschiedenen Werten, zum Beispiel Immobilien, Ak-
tien etc.

Restrukturierung — Prozesse und Maßnahmen zur Verbesserung,


Umgestaltung und Wiederherstellung angeschlagener Unternehmen

Rendite (Return) — Erwirtschafteter Ertrag, den ein Investment ab-


wirft; stellt das Verhältnis zwischen eingezahltem und ausgezahltem

Rezession —
-
pression

Rückstellungen — Höhe und Fälligkeit der Verbindlichkeiten eines


Unternehmens, welche noch ungewiss sind

S&P 500 (Standard & Poor’s 500) — Neben Dow-Jones wichtigster


US-amerikanischer Aktienindex, welcher die 500 größten börsenno-
tierten amerikanischen Unternehmen umfasst
Schwarzer Schwan (Black Swan) — Unvorhergesehenes und höchst

125
Glossar

unwahrscheinliches Ereignis, welches (wirtschaftliche) Entwicklun-

Spin-Off — Ausgliederung eines bestehenden Teils eines Unterneh-


mens als eigenständige Firma; im Gegenzug erhalten Aktionäre Ak-
tien des neuen Unternehmens gratis oder das Recht, diese zu kaufen

Track Record —
tung und Referenz über die Erfolge von getätigten Investitionen eines
Investors, Managers etc.

„Too big to fail“ („Zu groß, um zu scheitern“) — Bezeichnung von


systemrelevanten Unternehmen, primär Finanzinstituten und Banken,
deren Insolvenz nicht hinnehmbar ist

Value Investing (Wertorientiertes Anlegen) — Anlagestrategie, bei


der ein Investor die Aktie eines Unternehmens unter oder über ihrem
Realwert kauft oder verkauft

Venture Capital (Risiko- beziehungsweise Wagniskapital) — Form


-
ligung mit sehr hohem Risiko, welche nicht an der Börse handelbar
ist; Fokus der Investition liegt auf Unternehmen, welche sich in der

Verbindlichkeit —

126
Glossar

Unternehmens gegenüber Dritten; im Gegensatz zu Rückstellungen


sind Höhe und Fälligkeit der Verbindlichkeiten bekannt

Volatilität —
anzugeben

Voll investiert — Beschreibung für einen Fonds, der sein gesamtes

127
Quellen

1. Es handelt sich hierbei um ein stark vereinfachtes Beispiel. In der Realität kom-

2. Bei diesem Gebührenmodell verlangt der Fondsmanager eine management fee


-

3 -
schmelze des Finanzsystem sicher überstehen.

6.

7. Nach meinem Weggang von Absolute Capital Management (ACMH) brach der
-

ermöglichen.

8.
-

128
Quellen

mern sind negativ.

9.

10.

11. Quelle: https://regioblog-ostwuerttemberg.de/wirtschaft/wie-gewonnen-zerron-


nen/

12.

13.
AG-Aktie

14. Quelle:https://www.advisorperspectives.com/dshort/updates/2017/02/02/mar-
ket-cap-to- gdp-an-updated-look-at-the-buffett-valuation-indicator

15. Quelle: http://www.multpl.com/shiller-pe/

16. Quelle: https://www.advisorperspectives.com/dshort/updates/2020/03/03/the-q-


ratio-and-market-valuation-february-update

17. Quelle: http://www.marketoracle.co.uk/Article43648.html

129
Quellen

18.

19. Quelle: https://www.quandl.com/data/LLOYDS/BDI-Baltic-Dry-Index

20.

21. Quelle: https://socioecohistory.wordpress.com/2010/05/18/japan-the-sleeping-


sovereign-debt-crisis-giant/

22. Quelle: http://www.tradingeconomics.com/japan/government-debt-to-gdp

23. Quelle: http://www.infomine.com/investment/metal-prices/cobalt/1-year/

24. Quelle: http://www.infomine.com/investment/metal-prices/copper/1-year/

25. Der Russell 2000 ist ein Small Cap Aktienindex. Dieser wird aktuell bei un-
glaublichen Höchstwerten gehandelt (230 mal (!) dem ausgewiesenen Gewinn).
Das langfristige Verhältnis Unternehmenswert (Enterprise Value) und EBITDA
(Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) liegt im historischen Vergleich

in noch dramatischeren Worten könnte dies einer der größten Börsencrashs der letz-
ten 100 Jahre werden. Quelle: http://csinvesting.org/2016/12/14/performance-pa-
nic/

130
Quellen

26. -
-

Durchschnitt höher als das ihrer Eltern und Großeltern, ergo mit fatalen Folgen für
-
fel daran bestehen, dass die Babyboomer sich in Zukunft auf ihre Altersvorsorge

Lösung. Quelle: http://www.new-normal.com/wp-content/uploads/2013/02/Boom-


Gloom-and-the-New-Normal.pdf

27. Wie Sie vermutlich schon wissen, sind Zentralbanken auf der ganzen Welt dazu
in der Lage, beliebig viel Geld zu drucken. In der Fachsprache spricht man von
quantitativer Lockerung (quantitative easing). Zwischen 1995 und 2015 hat die
Geldmenge sich etwa verzehnfacht. Zwischen 1994 und 2014 stieg das Bruttoin-
-

Unter keinen Umständen werden diese Schulden jemals bedient werden können.
Eine Entschuldung durch massive Gelderhöhung hat fatale Auswirkungen auf den
-
rung für Zentralbanker.
Quelle: http://davidstockmanscontracorner.com/wp-content/uploads/2015/09/Cap-
ture20.png und Quelle: http://davidstockmanscontracor-ner.com/wp-content/up-
loads/2015/09/Capture14.png

131
Abbildungen

1.

2. Tagesumsatz der VW-Aktie Ende Oktober 2008

3.

4.

5.

6.

7.

8. Drei-Jahres-Performance Deutsche Bank

9. Drei-Jahres-Performance JP Morgan

10.

11.

12. Buffet-Index im Februar 2017

13. Shiller P/E Ratio im Februar 2017

14. Q-Ratio im Februar 2017

15. Verhältnis vom S&P 500 und QE

16. Bloomberg Commodity Index

17. Baltic Dry Index

18.

19. Demographie Japans zwischen 1880 und 2100

20. Verhältnis von japanischen Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt

21.

132
Abbildungen

22.

23. Der Russell 2000 EV/EBITDA

24. Die Geburtenraten nach dem Zweiten Weltkrieg

25. Balance Sheet of Global Central Bank and Global Debt and GDP

26. Cover illustration by rawpixel.com / Freepik

133

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