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Immunologie

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Lothar Rink

Andrea Kruse
Hajo Haase

Immunologie
für Einsteiger
2. Auflage
Immunologie für Einsteiger
Lothar Rink
Andrea Kruse
Hajo Haase

Immunologie
für Einsteiger
2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage
Prof. Dr. Lothar Rink Dr. Andrea Kruse
Universitätsklinikum Aachen Inst. Immunologie Universität Lübeck Fak. Medizin
Aachen, Deutschland Inst. Systemische Entzündungsforschung
Lübeck, Deutschland
Prof. Dr. Hajo Haase
Technische Universität Berlin
Berlin, Deutschland

ISBN 978-3-662-44842-7    ISBN 978-3-662-44843-4 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4

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Planung und Lektorat: Merlet Behncke-Braunbeck, Dr. Meike Barth


Redaktion: Dr. Bärbel Häcker
Abbildungen: Dr. Martin Lay, Breisach

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.

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www.springer-spektrum.de
V

Gewidmet
Prof. Dr. med. Holger Kirchner
VII

Vorwort

Die Immunologie ist eines der modernsten und sich phisch oder esoterisch zu werden. Die letzten beiden
am schnellsten entwickelnden Gebiete der Lebens­ Kapitel beschäftigen sich dann mit den Immundefek­
wissenschaften. Dies macht das Bücherschreiben in ten, -diagnostik und -therapien, Themen, die sonst
diesem Gebiet so kompliziert, da bereits während der meist nur in umfangreichen Lehrbüchern der klini­
Schreibphase ein immenser neuer Erkenntnisgewinn schen Immunologie behandelt werden, aber gerade
dazukommt. Die Immunologie entwickelt sich aber auch von großem Interesse für den Einsteiger sind.
auch immer mehr zu einer Schlüsselwissenschaft in Erst das Versagen des Immunsystems verdeutlicht uns
der modernen Medizin, sodass viele Krankheiten im Alltag, wie wertvoll dieses komplizierte und den
heute über immunologische Prozesse erklärt werden gesamten Organismus überwachende Organ ist.
können und Immuntherapien sich als sehr wirksame
Strategien erwiesen haben. Somit bildet dieses Buch eine gelungene Übersicht
von der modernen molekularen Immunologie, über
Es gibt viele Lehr- und Sachbücher über Immuno­ die zellulären Interaktionen, bis in die praktische An­
logie bzw. das Immunsystem, und so sei einleitend wendung in Alltag und Klinik. Damit dürfte das Buch
die Frage gestattet, ob man noch ein weiteres Buch für eine breite Leserschaft interessant werden, da es
braucht. Im Fall dieses Buches möchte ich die Frage die Grundlagen vermittelt und gleichzeitig spannende
eindeutig mit ja beantworten, da es sich deutlich immunologische Fragestellungen, die auch im Fokus
von den vorhandenen Büchern absetzt. Ganz in der öffentlicher Diskussionen stehen, wissenschaftlich
Tradition des Buches Cytokine und Interferone – Bo- erörtert. Bisher sind diese Themen meist nur in sehr
tenstoffe des Immunsystems, das Frau PD Dr. Andrea spezieller Fachliteratur oder aber in nichtwissen­
Kruse und Prof. Dr. Lothar Rink zusammen mit ih­ schaftlicher Literatur im Buchmarkt vertreten, wes­
rem akademischen Lehrer Prof. Dr. Holger Kirchner halb diese Kenntnisse in der Bevölkerung und bei den
verfasst haben, vermittelt auch dieses Buch Fachwis­ Studierenden häufig nur ungenau oder sogar falsch
sen in einer allgemein­verständlichen Art und Weise, sind. Mit dem vorliegenden Buch können Studierende
ohne dabei oberflächlich zu werden. Dies haben die der Naturwissenschaften, der Medizin und benach­
beiden Autoren zusammen mit Prof. Dr. Hajo Haase barter Disziplinen mit dem notwendigen Grundwis­
wieder exzellent umgesetzt und werden damit nicht sen versorgt werden, ohne dass interessierte Laien bei
nur ihrem alten akademischen Lehrer, sondern einer der Lektüre überfordert werden.
Vielzahl von Lesern eine Freude bereiten.
Eine weitere Besonderheit des Buches sind die Exper­
Des Weiteren setzt dieses Buch sich durch die Aus­ tenboxen. Hier ist es gelungen, angesehene deutsche
wahl der Themen eindeutig von den übrigen immu­ Forscher aus den jeweiligen Bereichen zu gewinnen,
nologischen Büchern ab. In diesem Buch werden einen kurzen Beitrag über den aktuellen Stand der
nicht nur die immunologischen Grundlagen erklärt, Forschung und die Perspektiven im jeweiligen Feld
wie es die übrigen Bücher auch machen, sondern es zu geben. Die Beiträge verdeutlichen, dass wir in vie­
werden auch Gebiete auf dem aktuellen Stand der len Fragen erst am Anfang unseres Verständnisses
Forschung besprochen, die in den meisten Lehrbü­ sind und dass wir in den nächsten Jahren noch viel
chern aus verschiedenen Gründen ausgelassen wer­ Neues aus der Immunologie zu erwarten haben. Die
den oder aber nur in Spezialliteratur vertreten sind. Expertenboxen verdeutlichen aber auch, welchen Spa­
Aber gerade diese Themen sind für die Studierenden gat das Autorenteam bei der Auswahl leisten musste,
und den interessierten Laien von großem Interesse. da sich in der modernen Disziplin der Immunologie
Dabei handelt es sich um so einfache wie spannende der Kenntnisstand rasch verändert und Theorien
Fragen wie: Welchen Einfluss haben Geschlecht, Er­ auch wieder verworfen werden. So stellten sich neu
nährung, Rauchen, Alkoholmissbrauch, Sport oder beschriebene Zellpopulationen nach kurzer Zeit als
Schlaf auf das Immunsystem? Wie funktioniert eine Funktionszustände bekannter Populationen heraus,
Schwangerschaft immunologisch? Jeweils ein ganzes oder Prozesse wurden neu interpretiert durch die
Kapitel widmen die Autoren den Wechselwirkungen Entdeckung neuer Mediatoren und Rezeptoren. Je­
von Psyche und Immunsystem bzw. den Verände­ der Autor eines immunologischen Buches muss dabei
rungen im Immunsystem mit zunehmendem Alter. entscheiden, welche aktuellen Erkenntnisse Bestand
Damit werden sie zum einen dem demographischen haben werden und welche möglicherweise schon bald
Wandel in unserer Bevölkerung gerecht, zum anderen wieder überholt sein werden. Ich denke, die Autoren
beschreiben sie wissenschaftlich fundiert, wie Psyche haben eine glückliche Hand bei dieser Auswahl ge­
und Immunsystem zusammenhängen, ohne philoso­ habt, alles Weitere kann nur die Zukunft zeigen.
VIII Vorwort

Die Autoren berücksichtigen nicht nur die wichti­


gen aktuellen Fakten zum Aufbau und der Funktion
des Immunsystems. Vielmehr wird das umfangrei­
che Wissen in die komplexen Zusammenhänge der
menschlichen Physiologie und Pathophysiologie ein­
gebettet. Damit erfüllen die Autoren die wichtigste
Aufgabe eines Sach- und Lehrbuchs: Verständnis für
Zusammenhänge zu vermitteln und Spannung zu er­
zeugen. Ich wünsche den Autoren viel Erfolg und den
Lesern viel Spaß bei der Lektüre dieses besonderen
Immunologiebuchs.

Prof. Dr. med. Gregor Bein


Universitätsklinikum Gießen
Im Juli 2011
IX

Inhaltsverzeichnis

1 Das Immunsystem: eine Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1


Andrea Kruse
1.1 Was ist Immunologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Seit wann gibt es ein Immunsystem?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.3 Unser Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Äußere Schutzmechanismen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Das angeborene Immunsystem ist die erste Verteidigungslinie des Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Das adaptive Immunsystem passt sich der Natur des Erregers an und verfügt über ein Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . 7
1.4 Wenn das Immunsystem krank macht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2 Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15


Andrea Kruse
2.1 Die lymphatischen Organe: eine Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.2 Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Die Immunzellen entstehen aus hämatopoetischen Stammzellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Die Hämatopoese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Der Thymus und die Entwicklung der T-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.3 Die peripheren lymphatischen Organe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Lymphgefäße und Lymphknoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Die Milz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Das mucosaassoziierte lymphatische Gewebe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3 Das angeborene Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33


Hajo Haase
3.1 Barrieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.2 Lösliche Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Die Aktivierung des Komplementsystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Funktionen des Komplementsystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Regulation und Inaktivierung des Komplementsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.3 Zelluläre Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Granulocyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Mastzellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Das mononucleäre Phagocytensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Natürliche Killerzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

4 Antigenpräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Hajo Haase
4.1 Antigenpräsentierende Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
MHC I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Prozessierung und Präsentation endogener Antigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
MHC II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Prozessierung und Präsentation exogener Antigene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Kreuzpräsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
CD1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Superantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2 Weitere beteiligte Moleküle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
CD4 und CD8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Die Rolle costimulierender Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.3 Professionelle antigenpräsentierende Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Dendritische Zellen und Makrophagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
X Inhaltsverzeichnis

B-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

5 Die Immunantwort durch Lymphocyten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63


Andrea Kruse
5.1 Dendritische Zellen: Bindeglieder zwischen angeborener und adaptiver Immunantwort. . . . . . . . . . . . . . . . . 64
5.2 Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Die Wanderung der naiven Lymphocyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Die T-Zell-Antwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Die B-Zell-Antwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Der Weg zur Plasmazelle: Hypermutation, Affinitätsreifung und Isotypwechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
B-Zell-Rezeptor-Komplex und Aufbau der Immunglobuline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.3 Effektorzellen der adaptiven Immunantwort bekämpfen Pathogene im Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Die Rekrutierung von Effektorlymphocyten ins Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Die Abwehr von Bakterien und Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Die Abwehr von mehrzelligen Parasiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Die Subpopulationen der T-Helferzellen beeinflussen sich gegenseitig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.4 Die Beendigung der Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.5 Das immunologische Gedächtnis und die sekundäre Immunantwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Das Gedächtnis der B-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Das Gedächtnis der T-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

6 Molekulare Immunologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Hajo Haase
6.1 Signaltransduktion in Immunzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Grundprinzipien der Signaltransduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Wahrnehmung von präsentierten Antigenen: der T-Zell-Rezeptor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
6.2 Immungenetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Somatische Rekombination bei der Bildung von Antigenrezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Isotypwechsel von Immunglobulinen (Klassenwechsel). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98
Somatische Hypermutation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

7 Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101


Hajo Haase, Andrea Kruse, Lothar Rink
7.1 Cytokine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Hämatopoetische Rezeptoren der Klasse 1 und zugehörige Cytokine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Hämatopoetische Rezeptoren der Klasse 2 und zugehörige Cytokine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Cytokinrezeptoren der Immunglobulinsuperfamilie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Tumornekrosefaktor-Rezeptoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
7.2 Chemokine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
7.3 Adhäsion und Navigation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Adhäsionsmoleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Unser körpereigenes Navigationssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7.4 Regulatorische T-Zellen (Treg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Wofür brauchen wir regulatorische T-Zellen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Die Subpopulationen von regulatorischen T-Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Die Funktionen der regulatorischen T-Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
7.5 Ausnahmen bestätigen die Regel – immunprivilegierte Organe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Die Plazenta als Grenze zwischen zwei genetisch unterschiedlichen Individuen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Das mütterliche Immunsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Überlebensstrategien des kindlichen Gewebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Das Kind hinterlässt Spuren im Körper der Mutter – oft für Jahrzehnte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
XI
Inhaltsverzeichnis

8 Infektionsimmunologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Lothar Rink
8.1 Bedeutung der Infektionsimmunologie früher und heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
8.2 Die richtige Entscheidung zur protektiven Immunantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
8.3 Der zeitliche Ablauf von Immunantworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Primärantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Sekundärantwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
8.4 Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem bei Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Immunantwort gegen extrazelluläre Bakterien und kleine Sprosspilze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Immunantwort gegen intrazelluläre Bakterien und einzellige Protozoen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Immunantwort gegen Viren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Immunantwort gegen große Parasiten und Pilze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
8.5 Was entscheidet darüber, ob wir uns infizieren oder nicht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Die Rolle der Erregermenge bei der Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Die Rolle der Immunkapazität des Wirtes bei der Infektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Die Rolle des Eintrittsortes bei der Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
8.6 Infektionsprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Hygiene- und Schutzmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Die passive Immunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Impfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

9 Autoimmunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Andrea Kruse
9.1 Was ist Autoimmunität?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
9.2 Normalerweise verhindern zentrale und periphere Toleranzmechanismen gegen das „Selbst“
gerichtete Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Verschiedene Faktoren müssen zusammenkommen, um Autoimmunität zu erzeugen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
9.3 Einteilung der Autoimmunerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
9.4 Pathogene Mechanismen der Autoimmunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Autoantikörper gegen Antigene auf Zelloberflächen oder Antigene der extrazellulären Matrix
(Mechanismen vom Typ II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Autoantikörper gegen lösliche Antigene führen zu immunkomplexvermittelten Erkrankungen (Typ III) . . . . . . . 150
Autoreaktive T-Zellen schädigen das Gewebe direkt und aktivieren autoreaktive B-Zellen zur
Antikörperproduktion (Typ IV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

10 Allergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Hajo Haase
10.1 Typ-1-Allergie: Soforttyp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Häufige Typ-1-Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
10.2 Typ-2-Allergie: Allergie vom cytotoxischen Typ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Häufige Typ-2-Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
10.3 Typ-3-Allergie: immunkomplexvermittelte Allergie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
Häufige Typ-3-Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
10.4 Typ-4-Allergie: Spättyp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Häufige Typ-4-Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
10.5 Allergieursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Genetische Ursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Die Hygiene-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
10.6 Behandlungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Diagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Symptomatische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Ursächliche Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
XII Inhaltsverzeichnis

11 Tumorimmunologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Hajo Haase
11.1 Erkennung entarteter Zellen durch das Immunsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
11.2 Mechanismen der immunologischen Tumorabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
11.3 Abwehrmechanismen der Tumore gegen das Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Verminderung der Antigenpräsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Tolerogene Umgebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Aktiver Angriff gegen T-Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
11.4 Immunologische Ansätze der Tumortherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Immunologische Auswirkungen konventioneller Therapien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Impfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
T-Zell-basierte Therapien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Unspezifische Aktivierung des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Stammzelltransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

12 Transplantation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
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12.1 Immunologische Basis der Gewebeverträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Der Haupthistokompatibilitätskomplex. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Weitere bei Transplantationen relevante Antigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
12.2 Abstoßungsreaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
12.3 Verhinderung der Abstoßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Immunsuppression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Nebenwirkungen der Immunsuppression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

13 Psychoneuroimmunologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Hajo Haase
13.1 Das Immunsystem im Stress. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Kommunikation zwischen ZNS und Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Kommunikation zwischen Immunsystem und ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
13.2 Depression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
13.3 Schizophrenie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
13.4 Placebo-Effekt und Konditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

14 Immungerontologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
Lothar Rink
14.1 Angeborenes Immunsystem im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
Granulocyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
NK-Zellen im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
14.2 Antigenpräsentierende Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
14.3 Das T-Zell-System im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
14.4 Die humorale Immunität im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
14.5 Steuerung der Immunantwort im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
14.6 Immunseneszenz und altersbedingte Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Charakteristische Infektionen im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Krebserkrankungen im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Impfungen im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

15 Einflüsse auf das Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207


Lothar Rink
15.1 Einfluss von Geschlecht und Hormonen auf das Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Weibliche Geschlechtshormone. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Männliche Geschlechtshormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
XIII
Inhaltsverzeichnis

15.2 Einfluss von Drogen auf das Immunsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208


Alkohol. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Rauchen und Immunsystem (Nicotin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
15.3 Ernährung und Immunsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
Vitamine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Weitere Nahrungsbestandteile und Nahrungsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
15.4 Bewegung, Sport und Immunsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
15.5 Wechselseitige Einflüsse von Schlaf und Immunsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

16 Immundefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Lothar Rink, Hajo Haase
16.1 Primäre Immundefekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
Defekte der angeborenen Immunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
B-Zell-Defekte und Antikörpermangelsyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
T-Zell-Defekte und SCID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
Weitere gut definierte Immundefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
16.2 Sekundäre Immundefekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
HIV und AIDS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
16.3 Immuntoxikologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Verminderte Immunreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Gesteigerte Immunreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

17 Immundiagnostik und Immuntherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239


Lothar Rink
17.1 Immundiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Diagnose von Immundefekten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Diagnose von Autoimmunkrankheiten und Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
17.2 Immuntherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Immunstimulierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Immunsuppression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Gezielte Therapie mit monoklonalen Antikörpern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Substitutionstherapie mit Standardimmunglobulinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

18 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Lothar Rink
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
CD-Tabelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
1 1

Das Immunsystem:
eine Übersicht
Andrea Kruse

1.1 Was ist Immunologie?   –  2


1.2 Seit wann gibt es ein Immunsystem?  –  2
1.3 Unser Immunsystem – 4
1.4 Wenn das Immunsystem krank macht  –  12
Literatur – 14

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
2 Kapitel 1  •  Das Immunsystem: eine Übersicht

1.1 Was ist Immunologie? Der größte Sprung in der Evolution des Immunsystems er-
1 folgte vor circa 350 bis 400 Millionen Jahren bei den kiefertra-
Die Immunologie beschäftigt sich mit der Abwehr von Krank- genden Fischen. Das adaptive Immunsystem tauchte plötzlich
2 heitserregern (Pathogenen) sowie anderen körperfremden Stof- auf, mit seinen herausragenden Fähigkeiten, körpereigene von
fen, beispielsweise biologischen Giften, durch den Körper. Zu körperfremden Strukturen zu unterscheiden und sich Krank-
den Pathogenen gehören Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen und heitserreger zu merken. So verfügen Knorpelfische (Haie und
3 Helminthen (▶ Exkurs 1.1). Das Abwehr­system muss aber auch Rochen) bereits über ein organisiertes lymphatisches System mit
körpereigene funktionslose oder tote Zellen beseitigen, entste- den Hauptakteuren, den T- und B-Lymphocyten. Diese Lympho-
4 hende Tumorzellen unschädlich machen und nach besiegten cyten tragen spezifische Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, mit de-
Infektionen Aufbauarbeiten leisten. Der Erfolg der körpereige- ren Hilfe sie fremde Substanzen aufspüren können. Fremdstoffe
5 nen Abwehr, unseres Immunsystems, beruht auf einem äußerst (Antigene) werden, sofern sie eine spezifische Immunantwort
raffinierten Zusammen­spiel verschiedener Gruppen mobiler auslösen, als Immunogene bezeichnet. Die stärksten und wich-
Immunzellen, Navigationssystemen, löslicher Botenstoffe, spe- tigsten Antigene sind Eiweiße (▶ Exkurs 1.2). Jeder Lymphocyt
6 zifischer Antikörper, aktivierender, aber auch die Immunant- trägt Tausende Kopien eines spezifischen Antigenrezeptors auf
wort unterdrückender Proteine. Die einzelnen Akteure arbeiten seiner Oberfläche und ist somit spezifisch für nur ein bestimmtes
7 zusammen zum Wohl des Körpers. Sie zerstören und entfernen Antigen. Er unterscheidet sich damit in seiner Rezeptorspezifi-
alles, was nicht zum Selbst gehört. In der Regel geschieht dies mit tät von allen anderen Lymphocyten des Körpers. Diese Vielfalt
einer 100-prozentigen Erfolgsrate. wird während der Entwicklung eines jeden Lymphocyten durch
8 einen eleganten genetischen Mechanismus erzeugt, mit dessen
Hilfe die spezifische Antigenbindungsstelle der Rezeptoren nicht
9 1.2 Seit wann gibt es ein Immunsystem? von einem einzigen Gen, sondern von mehreren Gensegmenten
codiert wird. Im Laufe der Entwicklung eines jeden Lymphocy-
10 Das Erfordernis eines Organismus, sich gegen Pathogene zu ver- ten werden diese Gensegmente in seinem Genom umgruppiert
teidigen, ist schon sehr früh in der Geschichte des Lebens ent- und zu einer kompletten Sequenz zusammengebaut. Diese nur in
standen (. Abb. 1.3). Bereits mit dem Auftreten der ersten Viel- Lymphocyten stattfindende Umgruppierung der DNA bezeich-
11 zeller vor 500 bis 600 Millionen Jahren begann die Evolution des net man als somatische Rekombination. Die zugrunde liegenden
Immunsystems. Zunächst in Form von löslichen Proteinen, den Mechanismen werden in ▶ Kap. 6 beschrieben. Man geht davon
12 sogenannten Defensinen, die der Abwehr von Bakterien, Pilzen, aus, dass das plötzliche Auftreten der adaptiven Immunantwort
Toxinen und Viren dienten. Ein weiterer wichtiger Verteidigungs- in der Evolution durch ein springendes Gen, ein sogenanntes
mechanismus der einfachen Vielzeller bestand in Fresszellen Transposon, ermöglicht wurde, das sich in ein Rezeptor-Gen ein-
13 (Phagocyten), die Bakterien mit ihrer Plasmamembran umschlos- gefügt hat und dort die Fähigkeit zur Genumlagerung etablierte.
sen und in ihrem Innern verdauten, ein Vorgang, der Phagocytose T-Lymphocyten (oder auch T-Zellen) reifen im Thymus. Von
14 heißt. Um Pathogene erkennen zu können und damit die Phago- diesem Organ haben sie auch ihren Namen: thymusabhängige
cytose zu ermöglichen oder zumindest zu erleichtern, entwickel- Zellen. B-Lymphocyten (oder auch B-Zellen) entwickeln sich da-
15 ten sich sogenannte Mustererkennungsrezeptoren (PRR, pattern gegen im Knochenmark (engl. bone marrow). Benannt wurden
recognition receptor), die auf der Oberfläche der Phagocyten ex- sie aber nach der Bursa fabricii, einem nur bei Vögeln vorkom-
primiert werden. Sie binden an stark konservierte Strukturen auf menden lymphatischen Organ im Bereich der Kloake. Bei den
16 Krankheitserregern, den pathogenassoziierten molekularen Mus- antigenspezifischen Rezeptoren der B-Zellen handelt es sich um
tern (PAMP, pathogen-associated molecular pattern). Konserviert Antikörper (▶ Exkurs 1.3), die auch Immunglobuline genannt
17 bedeutet, dass sie in der Evolution kaum verändert wurden, da werden. Diese membrangebundenen Immunglobuline erken-
sie für die Mikroorganismen lebensnotwendig sind. Das Gleiche nen die dreidimensionale Struktur von Antigenen, die außerhalb
gilt auch für die Rezeptoren, die sie erkennen. Sie sind in allen von Zellen vorkommen. Der Rezeptor der T-Zellen ist dagegen
18 Tierstämmen zu finden und kommen auch auf Immunzellen der auf Antigene spezialisiert, die mithilfe spezieller Glykoproteine
Säugetiere vor. Diese Mustererkennungsrezeptoren auf der Ober- auf der Oberfläche von Körperzellen präsentiert werden. Diese
19 fläche der Phagocyten sind an sehr alte Signalübertragungswege Glykoproteine bezeichnet man als MHC-Moleküle. Sie werden
gekoppelt. Eine Bindung an PAMP der Erreger aktiviert die Im- von einem Genkomplex codiert, dem Haupthistokompatibilitäts-
20 munzellen zur Phagocytose und zur Freisetzung antimikrobiell komplex (MHC, major histocompatibility complex). MHC-Mole-
wirkender Faktoren. Zu diesen Mustererkennungsrezeptoren küle werden in zwei Klassen unterteilt: MHC-Klasse-I-Moleküle,
gehören Lektine, aber auch die Toll-ähnlichen Rezeptoren (TLR, die auf allen kernhaltigen Zellen vorkommen, und MHC-Klas-
21 Toll-like receptor), die zunächst bei der Taufliege Drosophila, spä- se-II-Moleküle, die nur auf antigenpräsentierenden Zellen expri-
ter aber bei allen möglichen Arten von Pflanzen bis zum Säugetier miert werden. Die Gene des MHC sind besonders polymorph,
22 nachgewiesen werden konnten. Im Lauf der Evolution ergänzten das heißt, es gibt innerhalb einer Population sehr viele Varian-
weitere Effektormechanismen, wie zum Beispiel Komplement- ten, deren Produkte das Antigen unterschiedlich gut präsentieren
komponenten, Komplementregulatorproteine, Adhäsionsmole- können. Deshalb sind niemals alle Individuen einer Population
23 küle, chemotaktische Faktoren und lösliche Botenstoffe in Form gleichermaßen anfällig für ein Pathogen (▶ Kap. 4). Epidemien
von cytokinähnlichen Proteinen, die ersten Verteidigungsstrate- werden dadurch immer von einer bestimmten Anzahl von In-
gien der wirbellosen Tiere und der Urchordaten. dividuen überlebt. Auch die MHC-Moleküle traten in der Evo-
1.2  •  Seit wann gibt es ein Immunsystem?
3 1

Exkurs 1.1: Bakterien und Co.  |       | 


Bakterien gehören zu den Prokaryoten, das Wirts können sie auf Körperoberflächen, in der Erreger der Malaria (Plasmodium falciparum),
heißt, sie haben keinen echten Zellkern. Ihre extrazellulären Flüssigkeit, im Cytosol oder in der Schlafkrankheit (Trypanosoma brucei), der
DNA liegt frei im Cytoplasma als ringförmige Vesikeln von Zellen leben. Amöbenruhr (Entamoeba histolytica) oder der
doppelsträngige DNA. Zusätzlich kommt Helminthen (Würmer) sind parasitär lebende Toxoplasmose (Toxoplasma gondii), um einige
oftmals extra­chromosomale DNA in Form vielzellige Organismen aus den Stämmen der Beispiele zu nennen. Die Vermehrung kann
von Plasmiden vor. Bakterien besitzen keine Plathelminthen und der Nematoden. Sie kön- asexuell oder sexuell erfolgen. Protozoen
Mitochondrien oder Chloroplasten. Die nen vor allem die Bauchorgane des Menschen können auf unterschiedlichen Wegen (Kot,
meisten Bakterien sind von einer Zellwand befallen. Der Umfang der Krankheitssymp- Insektenstiche, Nahrung) direkt von Wirt zu
umgeben, und viele tragen zusätzlich noch tome hängt von der Zahl der aufgenommenen Wirt oder über einen Zwischenwirt übertragen
Schleimhüllen oder Kapseln. Bakterien ver- Würmer ab. Bei geringem Wurmbefall kann die werden.
mehren sich asexuell durch Teilung. DNA kann Erkrankung unbemerkt bleiben. Viren bestehen aus einer Nucleinsäure
aber auch horizontal über Plasmabrücken Pilze sind einzellige (Sprosspilze) oder vielzel- (DNA oder RNA), die von einer Proteinhülle
zwischen Bakterien ausgetauscht (Konju- lige Organismen (Dermatophyten, Schim- umgeben ist. Sie sind keine Lebewesen, weil
gation) oder aktiv mithilfe von komplexen melpilze), die unterschiedliche Erkrankungen sie keinen eigenen Stoffwechsel besitzen. Um
Transportsystemen aus der umgebenden hervorrufen. Dermatophyten rufen Mykosen sich vermehren und ausbreiten zu können,
Flüssigkeit aufgenommen werden (Transfor- (Infektionskrankheit durch Pilze) der Haut, müssen sie eine Wirtszelle befallen und deren
mation). Bakterien spielen im menschlichen Nägel und Haare hervor; Sprosspilze der Gat- Zellmaschinerie benutzen. Viren können
Körper eine große Rolle. Die meisten sind tung Candida sind dagegen für Mykosen der sowohl Eukaryoten (Organismen, deren Zellen
völlig harmlos und gehören zur normalen Schleimhäute verantwortlich. Schimmelpilze einen Zellkern besitzen; also Tiere, Pflanzen
Darmflora. Auch Mundhöhle, Vagina und Haut wirken durch Stoffwechselprodukte (Myco- und Pilze) als auch Prokaryoten (Bakterien,
werden von kommensalen Mikroorganismen toxine), Zellwandbestandteile oder Sporen Archaeen) (. Abb. 1.2) befallen. Die Viren der
besiedelt. Sie konkurrieren mit pathogenen toxisch (. Abb. 1.1). Prokaryoten nennt man Bakteriophagen. Viren
Bakterien um Nahrung und verdrängen diese Protozoen sind eukaryotische Einzeller. Von sind auf den Wirt angewiesene (obligatori-
oftmals. Einige Bakterien verursachen aber ungefähr 40.000 beschriebenen Arten sind sche) Parasiten.
auch Infektionskrankheiten. Im Körper des circa 8000 Parasiten. Zu ihnen gehören die

Bakterien

Hefen

Schimmelpilze
Trypanosomen

1/10 Millimeter oder 100 Mikrometer

.. Abb. 1.1  Größenvergleich von Mikroorganismen. Dargestellt sind


Bakterien, Pilze und Protozoen (Trypanosoma brucei). (Aus Renneberg
und Süßbier.)

.. Abb. 1.2  Größenverhältnisse von Eukaryoten- und Prokaryoten-


zellen sowie Viren. (Aus Renneberg und Süßbier.)
4 Kapitel 1  •  Das Immunsystem: eine Übersicht

1 Alter in
Mio. Jahren
Quartär
2 Neogen
1,9
Tertiär 23
Paläogen
3 Kreide
65
135
Jura
4 erste Säugetiere
Trias
195
235
Perm
5 Karbon
290
erste Landwirbeltiere 340
Devon plötzliches Auftreten des adaptiven Immunsystems
6 erste Fische mit Kiefer
Silur
400
440
Ordovizium
7 Kambrium
500

erste komplexe Vielzeller 570 Erscheinen des angeborenen Immunsystems


Präkambrium
8 vor 600 Mio. Jahren

9 .. Abb. 1.3  Die Evolution des Immunsystems. Das Immunsystem lässt sich in zwei Systeme unter­gliedern. Das angeborene Immunsystem ist früh in der
Evolution entstanden, wahrscheinlich zusammen mit den ersten komplexen Vielzellern. Ihre Zellen verfügen über Muster­erkennungs­rezeptoren, die direkt im

10 Genom codiert sind. Diese erkennen konservierte, weit verbreitete pathogen­assoziierte molekulare Muster. Das andere System ist das adaptive Immunsys-
tem, das plötzlich vor ungefähr 400 Millionen Jahren bei den kiefertragenden Fischen (Kiefermäuler) auftrat. Mithilfe seiner spezifischen Rezeptoren kann es
auf alle Erreger reagieren. Diese Vielfalt wird im Lauf der Entwicklung der Lymphocyten durch die als somatische Rekombination bezeichnete Umlagerung der

11 DNA ermöglicht. Die daran beteiligten Gene treten erst bei den kiefertragenden Fischen auf. Andere Tierstämme wie die Gliederfüßer (zum Beispiel Insekten)
und Stachelhäuter (zum Beispiel Seesterne) haben dagegen andere genetische Mechanismen entwickelt, um ein größeres Pathogenspektrum zu erkennen

12 Exkurs 1.2: Antigen  |       |  Äußere Schutzmechanismen


Antigene können die Bildung von Antikörpern hervorrufen (Antigen
Eine wirkungsvolle äußere Barriere gegen Erreger aller Art ist die
13 ist eine Verkürzung des Begriffs „Antisomatogen“, was „Antikörper-
erzeuger“ bedeutet). Die wichtigsten und stärksten Antigene sind Haut, die aus einer mehrlagigen Epithelzellschicht besteht. Sie ist
Eiweiße (Proteine) oder Bruchstücke von Eiweißen (Peptide). Aber der erste Schutzschild des Körpers und kann von den meisten
14 auch Kohlenhydrate und Lipide können als Antigene wirken. Ein Pathogenen nicht durchdrungen werden. Erst Verletzungen der
Antikörper bindet spezifisch an eine bestimmte Stelle des Antigens,
tieferen Hautschichten ermöglichen es Krankheitserregern, in den
die sogenannte Antigendeterminante oder Epitop. Ein Antikörper
15 erkennt dessen dreidimensionale Struktur. T-Zellen erkennen nur Körper einzudringen. Weitere Schutzvorrichtungen stellen die
Peptidsequenzen, die gebunden an körpereigene MHC-Moleküle Schleimhäute der Atemwege, des Magen-Darm-Traktes und des
auf der Oberfläche von Zellen präsentiert werden. Antigene, die Urogenitalsystems dar (. Abb. 1.4). Über die Schleimhäute erfolgt
16 eine adaptive Immunantwort auslösen, sind immunogen. Es gibt ein großer Teil der Infektionen. Einige Krankheitserreger nutzen
auch kleine Moleküle, die zwar von Antikörpern gebunden werden,
dabei Moleküle auf der Schleimhautoberfläche, um in den Körper
aber alleine keine spezifische Immunantwort auslösen. Sie heißen
17 Haptene. Um Lymphocyten spezifisch aktivieren zu können, müssen zu gelangen. Doch auch hier befinden sich wirksame Einrichtun-
sie an ein Trägerprotein (Carrier) gebunden sein. gen, die den größten Teil der Erreger abhalten. So bilden die Haut,
die Zunge und die innere Oberfläche der Lunge β-Defensine, die
18 Bakterienwände zerstören. Spezialisierte Zellen der Dünndarm-
lution zum ersten Mal bei den Knorpelfischen auf. Über ihren schleimhaut, die sogenannten Paneth-Körnerzellen, produzieren
19 Ursprung ist wenig bekannt. Im Folgenden werden wir auf das α-Defensine (auch Cryptidine genannt), die in den Darm gelangte
Immunsystem der Säugetiere eingehen, das am intensivsten bei Pathogene an ihrer Vermehrung hindern oder sogar abtöten. Spei-
20 der Maus und beim Menschen erforscht wird. chel und Tränenflüssigkeit enthalten Lysozym, ein Enzym, das
ebenfalls der Abwehr bakterieller Infektionen dient. Mikroorga-
nismen und Fremdstoffe, die in die Bronchien gelangt sind, wer-
21 1.3 Unser Immunsystem den durch Schleime gebunden und über Flimmerhärchen nach
außen transportiert (. Abb. 1.5). Reflexe wie Husten und Niesen
22 Bakterien, Viren, Pilze und andere Pathogene umgeben uns unterstützen die Entfernung von Fremdstoffen. Darm, Urogenital-
überall, egal wo wir uns aufhalten. Wir essen sie, wir trinken sie, system und Haut werden zudem von harmlosen Mikroorganismen
mit jedem Atemzug können sie in unsere Lungen gelangen, sie besiedelt, die mit Pathogenen um Nahrung konkurrieren oder sie
23 sitzen auf unserer Haut und befallen unsere Schleimhäute. Doch durch Produktion hemmender Substanzen oder Säuren an ihrer
verschiedene biochemische und physikalische Schutzsysteme Vermehrung hindern. Durch Antibiotika, chemische Substanzen
verhindern ein Eindringen der meisten Erreger in den Körper. oder Infektionen kann die normale Darmflora geschädigt werden.
1.3 • Unser Immunsystem
5 1

biologische und biochemische und Schleim Cilien Fremdstoff


biochemische physikalische
Abwehrfaktoren Abwehrfaktoren

Augenlid
Lysozym in den
meisten Sekreten
Flimmerhärchen
in den
Atemwegen
Becherzellen Flimmerepithel

.. Abb. 1.5  Die Reinigung der Bronchien. Von den Becherzellen produzierte


Haut
Magen- Schleime und Flimmer­härchen auf der Oberfläche der Schleimhautzellen
β-Defensine
säure transportieren Fremdstoffe nach außen. (Verändert nach ▶ www.mediz.info)

Darm
α-Defensine den Mastzellen der Schleimhäute und Bindegewebe. Charakte-
ristisch für diese Zellen sind die cytoplasmatischen Granula. Sie
enthalten Enzyme und toxische Substanzen, die nach Aktivie-
kommensale
Keime in Darm
rung der Zellen auf den Erreger ausgeschüttet werden. In den
und Vagina entwickelten Ländern, in denen Infektionen mit wurmartigen
Parasiten äußerst selten auftreten, sind diese Zellen maßgeblich
an allergischen Reaktionen beteiligt (▶ Kap. 10).
Um eine Infektion erfolgreich bekämpfen zu können, brau-
chen die neutrophilen Granulocyten Unterstützung. Und die
bekommen sie durch die kurze Zeit später einwandernden Mo-
.. Abb. 1.4  Äußere physikalische und biochemische Schutzmechanismen. nocyten (2–7 % der zirkulierenden Leukocyten). Diese reifen
Sie verhindern das Eindringen der meisten Mikroorganismen in den Körper.
im Gewebe zu Makrophagen heran. Makrophagen erkennen
(Verändert nach Roitt, Brostoff und Male.)
wie alle Phagocyten Pathogene mit speziellen Rezeptoren, den
Mustererkennungsrezeptoren (PRR), die früh in der Evolution
Das angeborene Immunsystem ist die erste entstanden sind und sich in deren Verlauf kaum verändert haben.
Verteidigungslinie des Körpers Zu den Phagocyten gehören auch die dendritischen Zellen. Sie
sind Unterhändler zwischen dem angeborenen und dem adap-
Die Zellen des angeborenen Immunsystems tiven Immunsystem, denn sie überbringen den T-Lymphocyten
Überwinden Pathogene die äußeren Schutzbarrieren und drin- nicht nur die Nachricht von einer Infektion, sondern geben auch
gen in den Körper ein oder verdrängen Tumorzellen gesundes genauere Informationen über Ort, Art und Stärke einer Entzün-
Gewebe, werden Körperzellen verletzt und lokale Immunzellen dung und entscheiden, welche Immunantwort aufgebaut wird.
aktiviert. Dadurch werden Substanzen freigesetzt, die zu einer Dendritische Zellen und Makrophagen sind zudem hochaktive
erhöhten Durchblutung des beteiligten Gewebes führen, die Blut- Produzenten von Cytokinen, die wiederum zur Einwanderung
gefäßwände durchlässiger machen und die Einwanderung weite- und/oder Aktivierung weiterer Immunzellen führen. Die dendri-
rer Immunzellen bewirken. Spezielle Adhäsionsmoleküle auf der tischen Zellen und ihre Funktionen werden in ▶ Abschn. 5.1 nä-
Innenseite der Blutgefäßwände und Chemokine unterstützen die her beschrieben.
Rekrutierung der Immunzellen (▶ Kap. 7). Eine wichtige Zellpopulation zur Bekämpfung intrazellu-
Die ersten Zellen, die an den Infektionsort gelangen, sind lär lebender Parasiten (Viren, einige Bakterien und Protozoen)
verschiedene Arten von Fresszellen, die sogenannten Phagocy- und Tumorzellen sind die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen).
ten. Dazu gehören die neutrophilen Granulocyten. Sie machen Diese Zellen eliminieren kranke Zellen durch cytotoxische
55–75 % der zirkulierenden weißen Blutkörperchen (Leukocy- Mechanismen. Eine Grundvoraussetzung ist, dass natürliche
ten) aus. Obwohl sie nur wenige Tage leben, stellen sie eine Killerzellen in der Lage sind, zwischen gesunden und kranken
wichtige Komponente der angeborenen Immunabwehr dar. Sie Zellen zu unterscheiden (. Abb. 1.6). Wie dies geschieht, ist
spüren vor allem bakterielle Infektionen auf, phagocytieren die noch nicht genau bekannt. NK-Zellen verfügen über eine Reihe
Mikroorganismen und töten sie in intrazellulären Vesikeln durch aktivierender und hemmender Rezeptoren. Die verschiedenen
bakterizide Substanzen. Dadurch verhindern sie, dass Bakterien Aktivierungsrezeptoren erkennen Kohlenhydratstrukturen auf
ins Blut gelangen und sich ungehindert im ganzen Körper aus- der Oberfläche von Körperzellen (möglicherweise auch verän-
breiten. Neben neutrophilen Granulocyten gibt es noch eosino- derte Glykoproteine bei Tumoren oder nach Virusinfektionen).
phile (2–4 %) und basophile (0–1 %) Granulocyten. Ihre Funk- Eine Bindung an diese Strukturen aktiviert die NK-Zellen dazu,
tion ist weniger gut untersucht. Ihre eigentliche Aufgabe liegt in die Zielzelle zu töten. Das wird jedoch durch die hemmenden
der Abwehr wurm­artiger Parasiten, die aufgrund ihrer Größe Rezeptoren verhindert. Diese binden an MHC-Klasse-I-Mole-
nicht phagocytiert werden können. Sie werden unterstützt von küle, die wie bereits erwähnt von allen kernhaltigen Körperzel-
6 Kapitel 1  •  Das Immunsystem: eine Übersicht

1 te Zelle
Tumorzelle

2 klassische
Ziel-
zelle
Ziel-
zelle
MHC-I-Moleküle
KH
3 inhibitorischer
Rezeptor
Cytotoxizität
Aktivierungs-
4 Hemmung der NK-
Zelle
rezeptor NK-
Zelle
Cytotoxizität

5
.. Abb. 1.6  Natürliche Killerzellen müssen infizierte von nicht infizierten Zellen unterscheiden können. Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) tragen auf

6 ihrer Oberfläche Aktivierungsrezeptoren, die bestimmte Kohlenhydratstrukturen (KH) auf der Zielzelle binden. Die Bindung gibt das Signal zur Abtötung der
Zielzelle mit cytotoxischen Mitteln. Die hemmenden, auch inhibitorisch genannten Rezeptoren, binden nicht antigenspezifisch an MHC-Klasse-I-Moleküle.
Bei gesunden Zellen dominieren die hemmenden Signale, sodass die Zerstörung der Zielzelle blockiert wird. Einige Viren und Tumore sind in der Lage, die
7 MHC-Klasse-I-Moleküle herunterzuregulieren. Die hemmenden Signale fallen weg, und die NK-Zelle zerstört infizierte Zellen oder Tumorzellen

len getragen werden. Diese Bindung blockiert den Abtötungs- Bereich Botenstoffe frei, die Leberzellen dazu veranlassen, in-
8 mechanismus. Ob eine Zelle durch eine NK-Zelle getötet wird nerhalb von wenigen Stunden sogenannte Akute-Phase-Pro-
oder nicht, hängt letztendlich von der Summe der Signale ab, teine zu synthetisieren. Ihre Konzentration kann auf das Hun-
9 also welcher Rezeptortyp mehr Einfluss auf die Zelle nimmt. dertfache des Normalen ansteigen. Die Akute-Phase-Proteine
Viele Tumorzellen, Viren und andere intrazellulär lebende Para- setzen sich aus einer Vielzahl löslicher Faktoren zusammen,
10 siten entziehen sich dem Zugriff des adaptiven Immunsystems, welche die Immunantwort unterstützen. Dazu gehören unter
indem sie die MHC-Klasse-I-Molekül-Expression auf der Zelle anderem C-reaktives Protein (CRP), Coeruloplasmin, Seru-
herunterregulieren. Dadurch werden sie aber anfällig gegen- mamyloid A (SAA), Lipopolysaccharid (LPS) bindendes Pro-
11 über den natürlichen Killerzellen. Denn sind keine oder nur tein (LBP), α1-Antitrypsin, Komplementproteine und einige
eine geringe Menge an MHC-Molekülen auf der Zelloberfläche Gerinnungsfaktoren.
12 vorhanden, wird die Abtötungsblockade dieser Zellen durch- Erst die Zusammenarbeit und Koordination der Zellen
brochen und sie gehen zum Angriff über. Neben der direkten des angeborenen und adaptiven Immunsystems ermöglicht
Zerstörung von Tumorzellen und virusinfizierten Zellen spielen die Überwachung des Körpers, den Aufbau und das Beenden
13 NK-Zellen eine wichtige Rolle bei der Regulation von Immu- einer Immunantwort und schließlich die Auslösung der Hei-
nantworten. Durch die Produktion von Cytokinen, vor allem lungsprozesse. Diese Zusammenarbeit wird von einer Gruppe
14 von Interferon-γ (IFN-γ), fördern NK-Zellen die Aktivierung löslicher Botenstoffe, den Cytokinen, ermöglicht. Sie werden
von Immunzellen, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind von verschiedenen Zellen (vor allem von den Immunzellen)
15 (▶ Kap. 5 und ▶ Kap. 7). nach Aktivierung freigesetzt und können je nach Cytokin auf
die Produzentenzelle selbst (autokrine Wirkung), auf benach-
Auch lösliche Faktoren gehören barte Zellen (parakrine Wirkung) und/oder auf weit entfernt
16 zum angeborenen Immunsystem liegende Zellen (endokrine Wirkung) Einfluss nehmen. Cyto-
Unterstützt werden die Zellen des angeborenen Immunsystems kine sind Glykoproteine, die ihre Botschaft über Rezeptoren
17 durch eine Vielzahl löslicher Komponenten (▶ Kap. 3). Ein sehr auf der Oberfläche der Zielzellen vermitteln. Zu den Cytoki-
wirksames System ist das Komplementsystem, das aus einer nen werden Interleukine, die Tumornekrosefaktoren, Wachs-
Reihe nicht aktiver Proteine im Blutplasma und in der extrazel- tumsfaktoren und Interferone gezählt. Je nachdem, zu welcher
18 lulären Flüssigkeit besteht. In Gegenwart von mikrobiellen Kei- Gruppe sie gehören, steuern sie die Kommunikation zwischen
men oder von Antikörpern, die an die Oberfläche der Pathogene den Leukocyten und anderen Zellen, induzieren, steigern oder
19 gebunden haben, werden die Proteine kaskadenartig aktiviert. beenden Immunreaktionen, kontrollieren die Proliferation und
Zum Schluss formiert sich auf dem Pathogen ein Membranan- Differenzierung von Zellen, regulieren die Hämatopoese (Blut-
20 griffskomplex aus Komplementkomponenten, der zur Bildung bildung) oder wirken im Falle der Interferone antiviral. Eine
von Poren in der Membran und damit zur Lyse der angegriffe- Sondergruppe der Cytokine sind die Chemokine. Dabei handelt
nen Zellen führt. Bei der Aktivierung der Komplementproteine es sich um kleine chemoattraktive Proteine, die Leukocyten ent-
21 entstehen Spaltprodukte, die andere Immunzellen anlocken und lang eines Gradienten rekrutieren und aktivieren. Zusammen
aktivieren und somit die Abwehrmechanismen verstärken. Kon­ mit den Adhäsionsmolekülen spielen sie eine maßgebliche Rolle
22 trolliert wird dieses System durch Komplementregulatorproteine, bei der Rekrutierung von Leukocyten zum Entzündungsort und
die eine spontane, gewebeschädigende Bindung und Aktivierung der Wanderung der Lymphocyten. Näheres über die Botenstoffe
der Komplementproteine verhindern. des Immunsystems erfahren Sie in ▶ Kap. 7. Die zellulären und
23 Eine Infektion oder Verletzung ist oftmals durch eine löslichen Komponenten des angeborenen und des im Folgen-
systemische Reaktion des Körpers begleitet, die sogenannte den besprochenen adaptiven Immunsystems sind in . Tab. 1.1
Akute-Phase-Antwort: Immunzellen setzen im geschädigten zusammengefasst.
1.3 • Unser Immunsystem
7 1
Das adaptive Immunsystem passt sich
.. Tab. 1.1  Der Aufbau des Immunsystems. Die Immunabwehr be-
der Natur des Erregers an und verfügt über
steht aus dem angeborenen, un­spezifischen Immunsystem und dem
ein Gedächtnis adaptiven, spezifischen Immunsystem. Beide Systeme bestehen aus
Zellen und löslichen Komponenten, die im Kampf gegen Pathogene
Nicht immer gelingt es den Zellen und löslichen Faktoren der an- und Tumorzellen eng zusammen­arbeiten.
geborenen Immunabwehr, Eindringlinge vollständig abzuwehren
Angeborene Immunität Adaptive Immunität
und zu eliminieren. Einige virusinfizierte Zellen und Tumoren
regulieren ihre MHC-Klasse-I-Moleküle nicht herunter und kön- Eigenschaften Unspezifisch Spezifisch
nen deshalb nicht durch natürliche Killerzellen getötet werden, Reagiert sofort Reagiert verzögert
manche Bakterien sind von einer Schleimkapsel umgeben und
Kein Gedächtnis Gedächtnis, dadurch
entgehen dadurch der Erkennung durch Phagocyten oder der Immunität gegen
Zerstörung durch das Komplementsystem. Die Erreger der Tu- Re-Infektion
berkulose lassen sich zwar fressen, aber nicht verdauen und leben
Reagiert bei Re-Infektion Reagiert bei Re-In-
innerhalb der Phagocyten weiter und vermehren sich dort. wie zuvor fektion schneller und
In solch einem Fall muss das adaptive (erworbene) Immun- stärker
system eingreifen. Dazu gehören die T- und B-Lymphocyten und
Lösliche Kom- Lysozym Antikörper
die von den B-Zellen produzierten Immunglobuline oder Anti- ponenten
körper. Die Lymphocyten vermögen über die spezifischen Bin- Defensine

dungsstellen ihrer Rezeptoren fast jedes Fremdantigen zwischen Akute-Phase-Proteine


körpereigenen Strukturen aufzuspüren und auf seine besondere Komplement
Natur einzugehen. Sie formieren die Immunantwort neu und
Interferone
koordinieren die Zusammenarbeit aller Komponenten des Im-
munsystems. Zudem verfügen sie über ein Gedächtnis, das für Zellen Neutrophile Granu-
die Immunität gegenüber einmal überstandenen Krankheiten locyten
sorgt (▶ Kap. 5 und ▶ Kap. 8). Basophile Granulocyten T-Zellen
Um diesen Aufgaben gerecht zu werden und nicht selbst Eosinophile Granulocy- B-Zellen
Schaden hervorzurufen, musste das adaptive Immunsystem eine ten
erstaunliche Fähigkeit entwickeln. Es darf niemals körperfremde
Dendritische Zellen
mit körpereigenen Strukturen verwechseln. In den äußerst selte-
nen Fällen, in denen dies dennoch vorkommt, spricht man von Monocyten/Makropha-
gen
Autoimmunreaktionen. Doch wo lernen die T- und B-Zellen,
körperfremde Eiweiße von körpereigenen zu unterscheiden? Mastzellen

Natürliche Killerzellen
Die zentralen lymphatischen Organe:
Hämatopoese und Reifung der Lymphocyten
zu immunkompetenten Zellen zukünftigen T-Zellen aus dem Knochenmark aus, zirkulieren im
Die roten Blutkörperchen (Erythrocyten) und die als weiße Blut und begeben sich unter der Regie chemischer Lockstoffe in
Blutkörperchen (Leukocyten) bezeichneten Immunzellen ha- den Thymus, ein unter dem Brustbein und über dem Herzen ge-
ben nur eine begrenzte Lebenszeit und müssen ständig vom legenes lymphatisches Organ (. Abb. 1.7). Warum reifen T-Zellen
Organismus ersetzt werden. Diesen Prozess der Blutzellbildung im Thymus? Im Gegensatz zu B-Zellen können T-Zellen nicht die
bezeichnet man als Hämatopoese (▶ Kap. 2). Sie findet beim dreidimensionale Struktur von Antigenen erkennen. Ihre Anti-
erwachsenen Menschen vorwiegend im Knochenmark statt. gene müssen zuvor im Innern von Körperzellen in kleine Pep-
Dort gehen aus sogenannten hämatopoetischen Stammzellen tidfragmente zerlegt werden. Man bezeichnet diesen Prozess als
myeloide und lymphoide Vorläuferzellen hervor. Aus ihnen Antigenprozessierung. Spezialisierte Glykoproteine der Wirtszelle,
entwickeln sich die zwei Hauptlinien des hämatopoetischen die MHC-Moleküle, transportieren diese Fragmente an die Zell­
Stammbaums, die myeloide Zellreihe und die lymphatische oberfläche und präsentieren sie dort. Die T-Zellen erkennen ein
Zellreihe. Aus der myeloiden Reihe gehen die Erythrocyten, Peptid nur in Zusammenhang mit MHC-Molekülen (. Abb. 1.8).
Megakaryocyten (aus ihnen schnüren sich die Blutplättchen ab) Es gibt zwei funktionell unterschiedliche MHC-Mole-
und die größte Zahl der Zellen des angeborenen Immunsystems külklassen. Die MHC-Klasse-I-Moleküle kommen auf allen
hervor: eosinophile, basophile und neutrophile Granulocyten, Körperzellen vor, die einen Zellkern besitzen (und auf Throm-
Mastzellen, konventionell dendritische Zellen und Monocyten, bocyten). Sie präsentieren Fragmente, die im Cytosol der Zellen
aus denen sich im Gewebe Makrophagen entwickeln. Im lym- auftreten. Das können Fragmente von normalen körpereigenen
phoiden Ast des hämatopoetischen Stammbaums entwickeln Proteinen, aber auch Fragmente von Viren, im Plasma lebenden
sich natürliche Killerzellen, plasmacytoide dendritische Zellen, Bakterien oder Tumorantigenen sein. Die MHC-Klasse-I-Mo-
T- und B-Lymphocyten. leküle zeigen dem Immunsystem, ob eine Zelle infiziert bezie-
Während alle anderen Immunzellen mehr oder weniger ihre hungsweise verändert ist oder nicht. Peptidfragmente, die in
Reifung im Knochenmark vollenden, wandern Vorläuferzellen der MHC-Klasse-I-Moleküle eingebaut sind, werden cytotoxischen
8 Kapitel 1  •  Das Immunsystem: eine Übersicht

.. Abb. 1.7  Das lymphatische System. Es wird in das


1 zentrale (primäre)
lymphatische Organe
zentrale (primäre) und das periphere (sekundäre) lympha-
tische Gewebe unterteilt. Zu den zentralen lymphatischen
periphere (sekundäre) Geweben gehören beim Menschen das Knochenmark und
2 lymphatische Organe: der Thymus. Im Knochenmark findet die Entwicklung und
Tonsillen, Reifung der Immun­zellen statt. Die zukünftigen T-Zellen
Lymphknoten, Milz
Lymphknoten verlassen das Knochenmark auf einer frühen Vorläufer­stufe
3 schleimhautassozi- und wandern in den Thymus, wo sie zu immunkompeten-
iertes Gewebe ten T-Zellen reifen. In den peripheren oder sekundären
Thymus
lymphatischen Geweben (Lymphknoten, Tonsillen, Milz,
4 bronchienassoziiertes lymphatische Gewebe der Schleim­häute, zu denen auch
lymphatisches Gewebe
die Peyer-Plaques des Darms gehören) werden primäre
Lymphknoten
5 Knochenmark
Immun­antworten ausgelöst. (Verändert nach Roitt, Brostoff
und Male.)
Milz
6 lymphatisches Gewebe
mesenterische der Darmschleimhaut
7 Lymphknoten
Peyer-Plaques

8 Lymphknoten Urogenitalsystem

9
T-Zelle B-Zelle aber auch um Bakterien, Einzeller, Viren, Gifte, Antigene von
10 Helminthen oder Tumorzellen handeln. MHC-Klasse-II-Mo-
leküle zeigen dem Immunsystem, ob Krankheitserreger in den
Körper gelangt sind und sich außerhalb von Zellen aufhalten.
11 TCR
Ag
Ig Peptide, die in MHC-Klasse-II-Moleküle eingebaut werden,
Ag werden von CD4+-T-Helferzellen erkannt. Sie koordinieren die
12 MHC Immunantwort über Cytokine. Mehr über Antigenprozessierung,
DC Reifung von antigenpräsentierenden Zellen und die Rolle der
MHC-Moleküle erfahren Sie in ▶ Kap. 4.
13 Um der schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, körper-
fremde von körpereigenen Peptiden zu unterscheiden, die
14 .. Abb. 1.8  Antigenerkennung durch T- und B-Lymphocyten. T-Zellen zudem noch von körpereigenen MHC-Proteinen präsentiert
können mit ihrem spezifischen T-Zell-Rezeptor (TCR) nur aufbereitetes werden, müssen die T-Zellen im Thymus eine besondere Ent-
15 Antigen (Ag) erkennen, das in Form von Peptidfragmenten auf körpereigenen
MHC-Molekülen präsentiert wird. MHC-Klasse-I-Moleküle kommen auf allen
wicklung durchlaufen. Nach ihrer Ankunft bekommen die
Vorläufer der T-Zellen von den Stromazellen des Thymus ein
kern­haltigen Zellen vor und werden von cytotoxischen CD8+-T-Zellen erkannt.
Signal, das über den Rezeptor Notch 1 vermittelt wird. Es legt
16 MHC-Klasse-II-Moleküle kommen auf Immunzellen wie dendritischen Zellen,
Makrophagen und B-Zellen vor und werden von CD4+-T-Helferzellen erkannt. die Thymocyten, wie sie jetzt genannt werden, auf die T-Zell-Li-
B-Zellen tragen auf ihrer Oberfläche Immunglobuline (Ig), die auch als nie fest. Sie proliferieren zunächst und wandern dann in tiefere
17 Antikörper bezeichnet werden. Sie binden an freies Antigen (Ag), das heißt an Bereiche des Thymus, wo die Umgruppierung der Gensegmente
Proteinstrukturen auf der Oberfläche von Zellen, Bakterien, Helminthen, oder zum Aufbau des T-Zell-Rezeptors stattfindet, das sogenannte
aber an eiweißhaltige Toxine. Mithilfe bestimmter T-Helferzellen werden sie
DNA-Rearrangement. Dies erfolgt mithilfe spezieller Rekom-
18 aktiviert und differenzieren sich zu Plasmazellen, die lösliche Immunglobuline
binasen (▶ Kap. 6). 90 Prozent der Thymocyten bilden einen
bilden. Die sezernierten Immunglobuline haben die gleiche Spezifität wie die
membranständigen Immunglobuline der ursprünglichen B-Zelle T-Zell-Rezeptor, der aus einer Alpha- und einer Beta-Kette
19 besteht (α:β-T-Zellen). Nur wenige Thymocyten tragen einen
T-Zellen präsentiert. Diese cytotoxischen T-Zellen heißen auch T-Zell-Rezeptor mit Gamma/Delta-Ketten (γ:δ-T-Zellen). γ:δ-
20 CD8+-T-Zellen, nach einem für sie typischen Molekül auf ihrer T-Zellen erkennen die Antigene nicht in Verbindung mit klas-
Oberfläche. Durch sie werden kranke Zellen getötet und da- sischen MHC-Molekülen. Bedeutung und Funktion dieser Zel-
durch die Entstehungsorte neuer viraler Partikel und im Plasma len sind noch nicht vollständig verstanden. Zusammen mit dem
21 lebender Bakterien beseitigt. T-Zell-Rezeptor erscheinen CD3-Moleküle auf der Oberfläche
Die MHC-Klasse-II-Moleküle kommen dagegen nur auf den der Thymocyten, die der Signaltransduktion dienen. Die α:β-
22 sogenannten antigenpräsentierenden Zellen vor. Darunter fallen T-Zellen prägen zudem noch die Corezeptoren CD4 und CD8
die bereits erwähnten Makrophagen und dendritischen Zellen, aus, die an konservierte Bereiche der MHC-Moleküle binden
aber auch B-Zellen, die zum spezifischen Immunsystem gehören. können.
23 Sie präsentieren Peptidfragmente von Substanzen, die aus der Die α:β-T-Zellen werden nun in zwei Schritten getestet
extrazellulären Flüssigkeit aufgenommen wurden. Dabei kann es (. Abb. 1.9), ob sie für das Immunsystem und somit für den
sich wiederum um gealterte, abgestorbene körpereigene Zellen, Körper tauglich sind. Der erste Test erfolgt in der Rinde (Cor-
1.3 • Unser Immunsystem
9 1

Bindungsstärke keine schwach stark


Selbst-MHC-Erkennung – + +
Selbst-Peptid-Erkennung – – +
positive Selektion Apoptose Überleben Überleben
negative Selektion … Überleben Apoptose

.. Abb. 1.9  Die Ausbildung der T-Zellen im Thymus. Der Thymus ist ein zentrales lymphatisches Organ. Seine Hauptfunktion liegt in der Reifung der T-Zellen.
Nach erfolgreicher Genumlagerung erscheint bei 90 Prozent der T-Zellen ein α:β-T-Zell-Rezeptor auf der Oberfläche zusammen mit den Corezeptoren CD3,
CD4 und CD8. Es folgt eine positive und negative Selektion, bei der untaugliche T-Zellen oder potenziell autoreaktive T-Zellen eliminiert werden. In dem zwei-
stufigen Auswahlverfahren wird zunächst entschieden, ob die T-Zellen mit den eigenen MHC-Molekülen interagieren können. Zellen, die hier keine Bindung
zeigen, sterben bei der positiven Selektion durch Apoptose. Im zweiten Schritt entscheiden die Bindungsstärke und damit die Affinität zum Selbst-Peptid im
MHC-Molekül/Peptid-Komplex über das Schicksal der T-Zellen. Solche mit einer hohen Affinität zum Selbst-Peptid reagieren gegen den eigenen Körper (sind
autoreaktiv) und werden durch Apoptose ausgeschaltet (negative Selektion). Somit überleben nur T-Zellen, die die eigenen MHC-Moleküle erkennen, das dort
präsentierte Selbst-Peptid aber nicht oder nur sehr schwach. Die selektierten Rezeptoren haben somit eine mittlere Affinität zu den eigenen MHC-Molekülen
mit präsentierten Selbst-Peptid. Wird im Rahmen einer Immunreaktion das Selbst-Peptid im MHC/Peptid-Komplex durch ein Fremdantigen ersetzt, dürften
Rezeptoren mit einer hohen Affinität vorliegen.

tex) des Thymus durch die epithelialen Stromazellen. Sie tragen Auch B-Lymphocyten besitzen einen spezifischen B-Zell-Re-
auf ihrer Oberfläche MHC-Klasse-I- und MHC-Klasse-II-Mo- zeptor, der durch somatische Rekombination im Knochenmark
leküle. T-Zellen, deren T-Zell-Rezeptoren keine MHC-Mole- entstanden ist. Es handelt sich dabei zunächst um membran-
küle erkennen, sterben den Tod durch Vernachlässigung (death ständige Immunglobuline der Klasse IgM. Schafft es eine B-Zelle
of neglect). Sie bekommen keine weiteren Signale und werden nicht, einen funktionellen Antikörper auf der Oberfläche zu
apoptotisch. Nur die T-Zellen überleben, die an den eigenen exprimieren, so stirbt sie durch Apoptose (positive Selektion).
MHC mit mittlerer Affinität binden. Man spricht von einer po- B-Zellen erkennen mit ihrem Rezeptor freie oder gebundene
sitiven Selektion. Thymocyten, die mit ihrem T-Zell-Rezeptor Antigene unabhängig von MHC-Molekülen. Dennoch werden
MHC-I-Moleküle erkennen, werden zu CD8+-T-Zellen. Solche, sie im Knochenmark auf Selbst-Reaktivität überprüft. B-Zellen,
die an MHC-II-Moleküle binden, werden zu CD4+-T-Zellen. die im Knochenmark an körpereigene Strukturen binden, gehen
Diese positive Selektion bedingt auch die Selbstrestriktion von hier noch zugrunde (negative Selektion). Ändert die B-Zelle in
T-Zellen, d. h. T-Zellen können nur mit den eigenen MHC-Mole- diesem Stadium noch die Rezeptorspezifität durch einen Me-
külen interagieren. Dies bedingt, dass man eine T-Zell-Immuni- chanismus, der als Rezeptor-Editing bezeichnet wird, kann sie
tät auch nicht von einem Menschen auf den anderen übertragen dem Tod entkommen. Nur solche B-Zellen, die keine Selbst-An-
kann, während die humorale Immunität durch Antikörper im tigene erkennen, werden als reife Lymphocyten ins Blut entlas-
Rahmen der passiven Immunisierung (▶ Kap. 8) übertragbar ist. sen, wo sie zusammen mit den T-Zellen auf Wanderschaft gehen.
Der zweite Test wird durch dendritische Zellen im Mark (Me- Diese naiven B-Zellen tragen jetzt neben IgM auch IgD auf ih-
dulla) des Thymus ausgeführt. Diese wandern entweder als reife rer Oberfläche. Weitere Informationen über Antikörper sind in
Zellen in den Thymus oder entwickeln sich hier aus Stammzellen. ▶ Exkurs 1.3 und in ▶ Kap. 5 zu finden.
Die dendritischen Zellen präsentieren mithilfe von Molekülen Den Nachweis dieser Mechanismen erbrachte 1953 der eng-
beider MHC-Klassen die meisten Selbst-Antigene des Körpers. lische Transplantationsforscher Peter Medawar, der zeigte, dass
T-Zellen, die MHC-Molekül zusammen mit Selbst-Peptid er- Mäuse, die man in ihrer Embryonalentwicklung mit fremden
kennen, sterben durch Apoptose, denn sie sind potenziell auto- Geweben in Kontakt brachte, immunologisch tolerant gegen
reaktiv. Man bezeichnet diesen Prozess als negative Selektion. diese Gewebe wurden. Frank Macfarlane Burnet postulierte, dass
Nur solche T-Zellen überleben, die in der positiven Selektion an Lymphocyten, die gegen körpereigene Eiweiße reagieren, noch
den eigenen MHC binden, aber in der negativen Selektion kein vor ihrer Reifung vernichtet werden. Die Aussonderung von au-
Selbst-Peptid erkennen. Sie verlassen als naive T-Zellen (naiv, toreaktiven Lymphocyten heißt klonale Deletion. Diese Toleranz
weil sie noch keinen Antigenkontakt hatten) den Thymus und gegen den eigenen Körper wird im Knochenmark und Thymus
zirkulieren zwischen Blut und lymphatischem Gewebe auf der erzeugt, den zentralen lymphatischen Organen (. Abb. 1.9). Man
Suche nach Fremdantigen, das ihnen von körpereigenen Zellen spricht deshalb von zentraler Toleranz. Die zentralen lymphati-
präsentiert wird. schen Organe werden in ▶ Kap. 2 vorgestellt.
10 Kapitel 1  •  Das Immunsystem: eine Übersicht

Exkurs 1.3: Antikörper  |       |  von ihnen gelangen frei oder mithilfe von Zellen des angebore-
1 nen Immunsystems in das nächstgelegene lymphatische Gewebe
Antikörper oder Immunglobuline (Ig) sind Bestandteile des adap­ (. Abb. 1.7). Dieses lymphatische Gewebe stellt große Antigen-
2 tiven Immunsystems. Es handelt sich um Glykoproteine, die als
B-Zell-Rezeptoren auf der Oberfläche der B-Lymphocyten exprimiert
sammelstellen dar. Dazu gehören die Lymphknoten, die Tonsil-
werden. Nach Bindung des Antigens und Aktivierung, differen- len, die Milz und das lymphatische Gewebe der Schleimhäute
mit den Peyer-Plaques des Darms: Sie alle werden im Gegensatz
3 ziert sich die B-Zelle zur Plasmazelle. Diese scheidet nun lösliche
Antikörper der gleichen Antigenspezifität in großen Mengen in zu Knochenmark und Thymus, dem zentralen oder primären
die umgebende Körperflüssigkeit aus. Man unterscheidet fünf lymphatischen Gewebe, als periphere oder sekundäre lymphati-
4 Antikörperklassen: Immunglobulin M (IgM), Immunglobulin G (IgG),
Immunglobulin A (IgA), Immunglobulin D (IgD) und Immunglobu-
sche Gewebe bezeichnet (▶ Kap. 2).
lin E (IgE). Trotz struktureller Unterschiede gehen die Antikörper Der Transport der Antigene erfolgt vor allem mithilfe der
5 der einzelnen Klassen auf ein gemeinsames Grundmodell zurück. dendritischen Zellen und Makrophagen. Haben sie ein Pathogen
Sie besitzen eine Y-förmige Gestalt, die aus zwei leichten und zwei gefressen, machen sie sich auf den Weg in das nächstgelegene
schweren Ketten aufgebaut ist (. Abb. 1.10). Die Arme des Y bilden lymphatische Gewebe (. Abb. 1.11). Mithilfe von Chemokinen
6 an ihren Enden die Antigenbindungsstellen. Sie binden beide das
wandern dendritische Zellen dort in eine Zone, in der ausschließ-
gleiche Epitop des Antigens. Der Stamm des Y, der Fc-Teil, ist für
die Funktion des Antikörpers zuständig. Je nach Antikörperklasse lich T-Zellen nach Antigen suchen: die sogenannte T-Zell-Zone.
7 aktiviert er das Komplementsystem, vermittelt die Phagocytose oder Makrophagen sind überall im lymphatischen Gewebe verteilt,
aktiviert die Degranulierung der Mastzellen. um Antigene zu präsentieren, aber vor allem, um zu fressen. Und
das müssen sie auch, denn freie Bakterien, Viren oder Tumor-
8 zellen können die peripheren lymphatischen Gewebe erreichen
und müssen spätestens hier aus dem Verkehr gezogen werden.
9 Antigen-
bindungsstelle Die naiven Lymphocyten gelangen über das Blut in die pe-
ripheren lymphatischen Gewebe. Während die B-Zellen in die
10 B-Zell-Zone gelenkt werden, wandern T-Zellen in die T-Zell-
Zone zu den dendritischen Zellen. Dort angelangt, tasten sie
mit ihrem T-Zell-Rezeptor die MHC-Moleküle der dendritischen
11 variable
Domäne Zellen nach Antigenen ab. Das erste Treffen mit ihrem Antigen
löst die Proliferation der naiven T-Zelle und ihre Differenzie-
12 rung zur Effektorzelle aus. Man bezeichnet diesen Vorgang als
leichte Kette Priming. Er wird durch verschiedene Signale, die zwischen anti-
konstante genpräsentierender Zelle und T-Zelle ausgetauscht werden, ge-
13 Domänen Gelenk- steuert. Vor allem die von den dendritischen Zellen freigesetzten
region
Cytokine signalisieren der T-Zelle und ihren Klonen, welcher
14 Typ von Immunantwort, also welche Untergruppe an T-Zellen,
Disulfid- gebraucht wird (▶ Kap. 5).
brücke
15 Man unterscheidet verschiedene Sorten von T-Zellen. Die
cytotoxischen CD8+-T-Zellen erkennen Antigenfragmente zu-
schwere Kette
sammen mit MHC-Klasse-I-Molekülen. Ihre Aufgabe besteht
16 darin, infizierte Zellen beziehungsweise Tumorzellen zu töten.
.. Abb. 1.10  Schematische Darstellung eines Antikörpers. Ein Die CD4+-T-Helferzellen (TH-Zellen) nehmen Koordinations-
17 Antikörper besteht aus zwei identischen schweren Ketten und zwei
identischen leichten Ketten. Jede Kette enthält einen konstanten und
aufgaben wahr. Man unterscheidet verschiedene T-Helferzellen
einen variablen Teil. Die Arme des Antikörpers tragen an ihren Enden
(TH1-, TH2-, TH17-Zellen) und regulatorische T-Zellen. Diese
T-Zellen erkennen einen Komplex aus MHC-Klasse-II-Molekü-
18 die spezifischen Antigen­bindungs­stellen. Sie werden von den varia-
blen Teilen der leichten und der schweren Kette gebildet. Der Stamm len und Antigenfragment. Sie koordinieren die Immunantwort
des Antikörpers besteht aus den konstanten Teilen der schweren im entzündeten Gewebe, indem sie je nach Untergruppe ver-
19 Ketten und ist für die Funktion des Antikörpers zuständig. (Verändert schiedene Cytokine abgeben, die andere Zellen des Immunsys-
nach Roitt, Brostoff und Male.)
tems aktivieren oder in ihrer Funktion unterdrücken. TH1-Zel-
20 len aktivieren natürliche Killerzellen, cytotoxische T-Zellen und
Phagocyten und rufen eine zellvermittelte Immunantwort gegen
Primäre adaptive Immunantworten werden intrazellulär lebende Erreger hervor wie Viren und bestimmte
21 in den peripheren lymphatischen Organen Bakterien und Parasiten, aber auch gegen Tumore. TH1- und
ausgelöst vor allem TH2-Zellen aktivieren B-Zellen und regen sie an, ver-
22 Krankheitserreger können auf vielen Wegen in den Körper ein- schiedene Typen von Immunglobulinen (sogenannte Antikör-
dringen und an beliebigen Stellen Infektionen auslösen und das perklassen) zu bilden. Sie koordinieren somit die humorale, also
Gewebe schädigen. Auch Tumorzellen können spontan überall durch Antikörper vermittelte Immunantwort und spielen eine
23 im Körper entstehen. Doch wie finden die naiven Lymphocyten wichtige Rolle bei der Abwehr von Helminthen und extrazellu-
die winzigen Pathogene in einem aus ihrer Sicht riesigen Körper? lär lebenden Bakterien und bei der Neutralisation von Toxinen.
Alle in den Körper eintretenden Krankheitserreger oder Teile TH17-Zellen veranlassen lokale Gewebezellen, chemotaktische
1.3 • Unser Immunsystem
11 1

Ag

Aktivierung der DC durch Aufnahme


Ag dringt von Antigen und Präsenz von
in Körper ein Entzündungsmediatoren afferentes
Lymphgefäß
Ag

Wanderung der DC
in Lymphknoten B-Zell- T-Zell- Lymphknoten
Zone Zone

Ag ektor-
Phagocytose, B-Zelle
Produktion von Chemokinen, Ag-Präsentation
naive T-Zelle
Cytokinen und anderen Mediatoren, T-Zell-Aktivierung
die zusätzlich Abwehrkomponenten
T/B-Zell-
anlocken naive B-Zelle
Gewebe Interaktion
Blutgefäß
NK-Zelle DC Plasma-
zelle ektor-
T-Zellen

Makrophage
Granulocyt Lymphe geht über
efferentes Lymphgefäß und
Ductus thoracicus ins Blut

Antikörper
Blutgefäß

.. Abb. 1.11  Die spezifische Immunantwort wird bei einer Erstinfektion in den peripheren lymphatischen Geweben ausgelöst (zum Beispiel im Lymph-
knoten). Die erste Abwehrlinie im Falle einer Infektion stellen neutrophile Granulocyten, Makrophagen, NK-Zellen und lösliche Komponenten dar. Während
die angeborene Immunantwort im entzündeten Gewebe noch versucht, die Infektion in den Griff zu bekommen, werden die Pathogene, Teile von ihnen oder
bei Tumoren auch Fragmente von Tumor­zellen (hier als Antigen (Ag) bezeichnet) in das nächste periphere lymphatische Gewebe gebracht (zum Beispiel den
Lymphknoten). Dort werden primäre Immunantworten ausgelöst. Der Transport erfolgt mithilfe antigenpräsentierender Zellen, allen voran der dendritischen
Zellen (DC). Diese Zellen werden durch die Aufnahme der Antigene und die Anwesenheit von Entzündungsmediatoren aktiviert. Auf ihrer Wanderung zum
Lymphknoten, die als Reaktion auf Chemokine erfolgt, reifen sie. Sie prozessieren das Antigen und präsentieren es mithilfe von MHC-Molekülen auf der Ober-
fläche. Dendritische Zellen wandern in die T-Zell-Zone. Antigene und Tumorzellen können aber auch frei in den Lymphknoten gelangen. Sie werden dort von
Makrophagen gefressen oder durch B-Zellen gebunden. Die Lymphocyten (B- und T-Zellen) gelangen über das Blut in den Lymphknoten. Die T-Zellen werden
durch Chemokine zu den dendritischen Zellen in die T-Zell-Zone gelockt, während B-Zellen in die B-Zell-Zone wandern. Erkennen die Lymphocyten mit ihren
spezifischen Rezeptoren ein Antigen und werden sie durch zusätzliche Signale (von DC bei T-Zellen oder T-Helferzellen bei B-Zellen) aktiviert, proliferieren sie
und differenzieren sich zu Effektorzellen. Diese gelangen zusammen mit Antikörpern, die von Plasmazellen ausgeschieden werden, ins Blut. Die Effektorzellen
werden durch Adhäsionsmoleküle und Chemokine in das entzündete Gewebe geleitet, wo sie in die Abwehr eingreifen. (Verändert nach Banchereau und
Steinman.)

Moleküle zu produzieren, die Granulocyten an den Ort der Ent- das entzündete Gewebe. Hier greifen sie in die Verteidigung
zündung locken (. Abb. 1.12). des Körpers ein. Welche Funktion die Antikörper übernehmen,
Sobald B-Zellen ihr Antigen gebunden haben, nehmen sie wurde bereits im lymphatischen Gewebe von der T-Helferzelle
es in ihr Inneres auf (rezeptorvermittelte Endocytose), verdauen festgelegt. Einige neutralisieren Gifte oder heften sich an Viren,
es und präsentieren Peptidfragmente mithilfe von MHC-Klas- sodass sie nicht mehr in Körperzellen eindringen können. An-
se-II-Molekülen auf ihrer Oberfläche. Im peripheren lymphati- dere erkennen die Schleimkapseln von Bakterien und machen
schen Gewebe werden sie an der Grenze zwischen T-Zell-Zone sie so zugänglich für die Phagocytose oder aktivieren das Kom-
und B-Zell-Zone festgehalten. Dort treffen sie auf antigenak- plementsystem. Einige binden auch an Mastzellen in Haut und
tivierte T-Helferzellen (gekoppelte Erkennung). Die TH1- und Schleimhaut und dienen der Beseitigung parasitischer Würmer.
TH2-Zellen signalisieren den B-Zellen, welche Art von Anti- Ein Teil der antigenspezifischen Lymphocyten wandelt sich
körper produziert werden soll. Die aktivierten B-Zellen teilen in Gedächtniszellen um, die sich Jahrzehnte, vielleicht auch das
sich zunächst viele Male. Sie wandeln sich dann in Plasmazellen ganze Leben an das Pathogen erinnern, das in den Körper ein-
um, die Antikörper gegen das erkannte Antigen herstellen und gedrungen ist. Durch diese Zellen kann bei erneutem Kontakt
ausschütten. Millionen dieser Antikörper, aber auch von Effek- mit dem gleichen Antigen der Organismus schneller und besser
torlymphocyten, verlassen das periphere lymphatische Gewebe reagieren als bei der ersten Auseinandersetzung. Eine erneute
über efferente Lymphgefäße und gelangen schließlich über den Erkrankung bleibt entweder aus oder verläuft wesentlich schwä-
Ductus thoracicus (Milchbrustgang) ins Blut und von dort in cher. Auf diesen Gedächtniszellen beruht die Immunität. Diese
12 Kapitel 1  •  Das Immunsystem: eine Übersicht

1 DC
zusätzliche naive
Signale TH-Zelle
Zellvermittelte
Immunantwort:
TH1 Aktivierung von
2 Phagocyten, NK-Zellen,
cytotoxischen T-Zellen

3 DC
Humorale
TH2 Immunantwort:
Antikörper
4
5
TH17 Immunsuppression
Treg
Toleranz
6 Entzündung:
Veranlassen Körperzellen, Chemokine
und Cytokine zu produzieren. Diese locken
7 Granulocyten an, die bakterielle
Erreger bekämpfen.

8 .. Abb. 1.12  Dendritische Zellen sind Vermittler zwischen angeborener und adaptiver Immunantwort. Eine dendritische Zelle (DC) präsentiert im lympha-
tischen Gewebe einen Komplex aus Antigenpeptid und MHC-Klasse-II-Molekül. Wird dieser vom T-Zell-Rezeptor einer naiven CD4+-T-Helfer(TH)Zelle erkannt,
9 entscheiden zusätzliche Signale der dendritischen Zelle (costimulierende Moleküle und Cytokine), welcher T-Helferzelltyp für die Immunantwort gebraucht
wird. T-Helfer(TH)1-Zellen vermitteln eine zelluläre Immunantwort auf vorwiegend intrazelluläre Parasiten, TH2-Zellen eine antikörpervermittelte Immunant-
wort auf extrazellulär lebende Bakterien und andere Erreger (zum Beispiel Würmer, aber auch Allergene). TH17-Zellen vermitteln eine Entzündungsreaktion,
10 und regulatorische T-Zellen (Treg) verhindern, dass sich Immunantworten gegen körpereigene Strukturen richten. (Verändert nach Deenick und Tangye.)

sogenannte sekundäre Immunantwort wird bereits am Eintritts- Konsequenzen. Gewebe, zuweilen ganze Organe, können vom
11 ort des Erregers auslöst. Die Pathogene werden eliminiert, bevor eigenen Immunsystem geschädigt und sogar zerstört werden.
sie krank machen (▶ Kap. 5 und ▶ Kap. 8). Es entstehen Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Ar-
12 thritis, Multiple Sklerose, systemischer Lupus erythematodes
und Diabetes. Eine weitere Form der Fehlsteuerung sind Imm-
1.4 Wenn das Immunsystem krank macht unreaktionen, die gegen harmlose Antigene gerichtet sind und
13 zu unangemessenen und übersteigerten Reaktionen führen, den
Ein normal funktionierendes Immunsystem schützt uns vor sogenannten Hypersensitivitäts- oder Überempfindlichkeitsreak-
14 Krankheitserregern und Tumorzellen, ist aber gegenüber dem tionen. Die häufigste Form der Hypersensitivität sind Allergien.
körpereigenen Gewebe tolerant. Diese Toleranz wird in den zen- Hier mobilisiert das Immunsystem seine ganze Maschinerie,
15 tralen lymphatischen Organen erzeugt (zentrale Toleranz). Doch um Pollen, Hausstaub, Nahrungsmittelbestandteile, Insekten-
es kommt immer mal wieder vor, dass autoreaktive Lymphocyten gifte oder Medikamente zu bekämpfen. Diese Überempfindlich-
der Kontrolle im Thymus oder Knochenmark entgehen. Sie wer- keitsreaktionen vom Soforttyp werden durch IgE-Antikörper
16 den dann in den peripheren lymphatischen Geweben eliminiert vermittelt. Das Immunsystem kann allerdings auch zu schwach
oder ruhiggestellt. Man spricht in diesem Fall von peripherer To- reagieren und somit seiner Aufgabe, Pathogene und Tumorzellen
17 leranz, die durch verschiedene Mechanismen, wie dem Ausblei- zu eliminieren, nicht gerecht werden. Das ist bei den sogenann-
ben von Gefahrensignalen durch dendritische Zellen oder den ten Immundefekterkrankungen der Fall. In den meisten Fällen
Einsatz von regulatorischen T-Zellen, erfolgen kann. Mehr über beruhen diese Erkrankungen auf einem fehlerhaften Gen, das zu
18 die Möglichkeiten des Körpers, autoreaktive Lymphocyten in Ausfällen einer oder mehrerer Komponenten des Abwehrsystems
Schach zu halten, erfahren Sie in ▶ Kap. 5. Es gibt aber auch Be- führt. Die Immunschwäche kann aber auch erworben sein, wie
19 reiche im Körper, die aus immunologischer Sicht eine Sonderstel- im Fall von AIDS (acquired immune deficiency syndrome) durch
lung einnehmen. In diesen Regionen werden selbst Transplantate die Infektion mit HIV (human immunodeficiency virus). Patien-
20 von genetisch unterschiedlichen Spendern der gleichen Art (allo- ten mit schweren Immundefekten sterben oft an Infektionen, die
gene Transplantate) über einen langen Zeitraum, manchmal auch im gesunden Organismus keine oder nur leichte Erkrankungen
unbegrenzt, toleriert. Zu diesen immunprivilegierten Regionen auslösen. Die Prozesse, die zum Versagen des Immunsystems
21 im Körper gehören Auge, Gehirn, Hoden (Testes), Eierstock führen und dem Körper Schaden zufügen, werden in ▶ Kap. 9
(Ovar), Haarfollikel und der schwangere Uterus mit Plazenta und bis ▶ Kap. 12 und ▶ Kap. 16 beschrieben. Wie Alter, Sport und
22 Fetus, beim Hamster auch die Backentasche. Warum hier keine Ernährung die Schlagkraft unseres Immunsystems beeinflussen
Immunreaktionen im klassischen Sinn ablaufen dürfen und wie und welche Immuntherapien zur Vorbeugung von Infektionser-
sich diese Orte vor dem eigenen Immunsystem schützen, wird krankungen (Impfung; zu den ersten Impfungen siehe ▶ Ex-
23 in ▶ Kap. 7 besprochen. kurs 1.4) oder Behandlung von Fehlsteuerungen (Autoimmuni-
Versagen aber die Mechanismen der Selbst-Toleranz, richtet tät, Allergien, Transplantationen und Tumoren) zur Verfügung
sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper mit tragischen stehen, erfahren Sie in ▶ Kap. 13 bis ▶ Kap. 15 und ▶ Kap. 17.
1.4  •  Wenn das Immunsystem krank macht
13 1

Exkurs 1.4: Geschichte – Immunologie ist eine junge Wissenschaft: der Beginn der immunologischen Forschung  |       | 
Wenn wir uns mit unserer Geschichte Ehefrau des britischen Botschafters Lady Mary Jenners Methode war ein Erfolg, sie war im
befassen, können wir viel erfahren über den Wortley Montagu auf diese Methode auf- Vergleich zur Inokulation weitgehend unge-
Aufstieg und den Untergang von Kulturen, merksam und machte das Verfahren, nach der fährlich, die geimpftem Personen waren nicht
über Kriege, Eroberungen und kurze Zeiten erfolgreichen Impfung ihrer eigenen Kinder, ansteckend und die Pustelflüssigkeit verlor
des Friedens und der Ruhe. Aber die meisten in England bekannt. Doch Ende des 18. Jahr- nicht ihre Wirksamkeit, wenn sie von Mensch
Geschichtsbücher erwähnen die größten hunderts wurden die Bedenken gegen die zu Mensch übertragen wurde. Bereits Anfang
gemeinsamen Erlebnisse der Menschen Inokulation immer größer, da einige Menschen des 19. Jahrhunderts traten die ersten Impfge-
nicht: die großen Seuchen und die mit ihnen danach schwer an Pocken erkrankten. setze in Kraft. Trotzdem kam es 1870 bis 1873
einhergehende Angst, Not, Leiden und Tod. Zu dieser Zeit entdeckte Edward Jenner (1749– zu einer Pocken-Epidemie in Deutschland, der
Noch heute fordern Infektionskrankheiten 1823) ein neues Verfahren, die Kuhpockenimp- 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Es stellte
jährlich mehr Tote als alle Kriege auf der Welt fung oder Vaccination. Durch die in ländlichen sich heraus, dass eine einmalige Impfung nicht
zusammen. Über all die Jahrhunderte des Gegenden immer mal wieder auftretenden genügt, um vor den Pocken sicher zu sein.
Mittelalters hatte man den großen Infekti- Kuhpocken, infizierten sich Knechte und Nur eine erneute Impfung, eine sogenannte
onserkrankungen jedoch wenig entgegen- Mägde an erkrankten Tieren. Die Krankheit war Revaccination, schützte zuverlässig. Von nun
zusetzen, bis am Ende des 18. Jahrhunderts jedoch für den Menschen ungefährlich und an erhielten Kinder die erste Impfung bis zum
von dem englischen Landarzt Edward Jenner führte nur zu Pusteln an Händen und Armen. ersten Lebensjahr und die zweite mit zwölf
eine neue Wissenschaft begründet wurde: die Zudem war in der bäuerlichen Bevölkerung Jahren. 1980 erklärte die WHO die Pocken für
Immunologie. Zu dieser Zeit forderten neben allgemein bekannt, dass Menschen, die ausgerottet. Im Gegensatz zur weltweiten Po-
anderen Seuchen vor allem die Pocken viele zuvor an Kuhpocken erkrankt waren, von den ckenimpfpflicht, wurden und werden Impfun-
Menschenleben. Man geht davon aus, dass Menschenpocken verschont blieben. Nach gen gegen andere Infektionskrankheiten nicht
im 17. und 18. Jahr­hundert fünf Sechstel aller jahrelangen Beobachtungen machte Jenner so konsequent betrieben. Die Pocken sind
Menschen an Pocken erkrankten. Allein in im Mai 1796 ein bedeutsames Experiment deswegen die einzige Infektionskrankheit, die
Europa starben jährlich über 400.000 Personen (. Abb. 1.13): Er impfte den gesunden achtjäh- bisher weltweit beseitigt werden konnte.
an dieser Viruserkrankung. Ein Kind gehörte rigen James Phipps mit der Flüssigkeit, die er Als Jenner diese Experimente durchführte,
erst dann ganz zur Familie, wenn es die Pocken aus der Pustel einer an Kuhpocken erkrankten wusste er noch nichts über Krankheitserreger.
überstanden hatte. Es ist verständlich, dass Magd entnommen hatte. Nachdem die Infek- Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts glaubte
man nach Lösungen suchte, um sich davor zu tion bei dem Jungen abgeklungen war, impfte man, dass Schmutz und faulendes Material
schützen. Eine in Asien verbreitete Methode ihn Jenner sechs Wochen später mit Eiter von selbst Maden und anderes Ungeziefer entste-
war die Variolation oder Inokulation, bei der einem Pockenkranken. Das Kind blieb gesund. hen lässt. Erst gegen Ende jenes Jahrhunderts
Pockenmaterial aus den Pusteln Erkrankter, die Da Kuhpocken nur selten auftraten, impfte wiesen Robert Koch, Louis Pasteur und andere
bereits auf dem Weg der Besserung waren, ge- Jenner erst im Jahre 1798 erneut ein Kind. Forscher nach, dass Mikroorganismen die
wonnen und gesunden Personen in den Arm Diesmal übertrug er den Pustelinhalt direkt Verursacher der Infektionskrankheiten sind
eingeritzt wurde. Ende des 17. Jahrhunderts von der Kuh auf einen fünf Jahre alten Jungen und begründeten damit die medizinische
war diese Kenntnis von Sklavenhändlern nach und von diesem Kind auf ein weiteres und von Mikrobiologie.
Konstantinopel, der Metropole des osmani- dort auf ein drittes Kind und so fort. Alle Imp-
schen Reiches, gelangt. Dort wurde 1710 die fungen führten zum Schutz gegen die Pocken.

.. Abb. 1.13  Edward Jenner. Quelle: U.S. National Library of Medicine


14 Kapitel 1  •  Das Immunsystem: eine Übersicht

Literatur
1
Fachbücher
2 Kirchner H, Kruse A, Neustock P, Rink L (1993) Cytokine und Interferone: Bo-
tenstoffe des Immunsystems. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg

3 Lucius R, Loos-Frank B (2008) Biologie von Parasiten, 2. Aufl. Springer, Heidel-


berg
Murphy K, Travers P, Walport M (2009) Janeway Immunologie, 7. Aufl. Spektrum
4 Akademischer Verlag, Heidelberg
Renneberg R, Süßbier D (2009) Biotechnologie für Einsteiger, 3. Aufl. Spektrum
Akademischer Verlag, Heidelberg
5 Roitt I, Brostoff J, Male D (2001) Immunology, 6. Aufl. Mosby, London
Winkle S (2006) Geißeln der Menschheit. Kulturgeschichte der Seuchen, 3. Aufl.
Artemis und Winkler, Düsseldorf
6 Fachzeitschriften
Autoimmunity
7 Biology of Reproduction
Blood
Current Opinion in Immunology
8 European Journal of Immunology
Immunity

9 Immunological Investigations
Immunological Reviews
Journal of Immunology

10 Nature Immunology
Nature
Nature Medicine
11 Nature Reviews Immunology
Proceeding of the National Academy of Sciences
Trends of Immunology
12 Science

13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
15 2

Die lymphatischen Organe:


Blutbildung
und Konferenzzentren
Andrea Kruse

2.1 Die lymphatischen Organe: eine Übersicht   –  16


2.2 Die zentralen lymphatischen Organe:
die Wiege unserer Immunzellen  –  16
2.3 Die peripheren lymphatischen Organe  –  27
Literatur – 30

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
16 Kapitel 2  •  Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren

2.1 Die lymphatischen Organe: Wir wollen uns zunächst die zentralen lymphatischen Organe
1 eine Übersicht ansehen, die Orte, in denen unsere Immunzellen entstehen.

2 Die Träger der angeborenen und adaptiven Immunantwort sind


die weißen Blutkörperchen, die Leuko­cyten. Sie zirkulieren in 2.2 Die zentralen lymphatischen Organe:
unserem Blut, wandern als Wachposten in unsere Gewebe, schla­ die Wiege unserer Immunzellen
3 gen Alarm, wenn Eindringlinge in unseren Körper gelangen,
wehren sie ab, kommunizieren untereinander mithilfe löslicher Die Immunzellen entstehen
4 Stoffe, reparieren Wunden und machen uns schließlich immun. aus hämatopoetischen Stammzellen
Doch wo kommen sie her, die Leukocyten, unsere Körperpoli­
5 zei? Wann lernen Sondereinheiten dieser Zellen Pathogene ab­zu­ Die Mehrzahl der reifen Blutzellen hat eine kurze Lebensdauer
wehren, aber eigene Strukturen dagegen zu schonen? Wo treffen und existiert wenige Wochen oder Tage, manche Zellen leben nur
sie sich, um eine adaptive Immun­antwort einzuleiten? Stunden, bevor sie abgebaut werden (. Tab. 2.2). Sie müssen des­
6 Die Überwachung des Körpers durch Immunzellen und deren halb ständig vom Organismus ersetzt werden. Diesen Prozess der
schnelles und effektives Eingreifen im Falle eines Angriffs von au­ Blutzellbildung bezeichnet man als Hämatopoese. Die Hämato­
7 ßen oder innen setzt nicht nur ein feinmaschiges Transportsystem poese muss jedoch auch schnell und kontrolliert auf Situationen
voraus, sondern auch eine Organisation der Zellen in lymphatische wie Infektionen und Blutverlust durch Verletzungen reagieren
Organe. Man unterscheidet aufgrund ihrer Funktion zwei Typen können. Fehlfunktionen in diesem System können zu schweren
8 von lymphatischen Organen (. Tab. 2.1). Die sogenannten zen- Erkrankungen wie Anämie und Leukämie führen. Für einen ge­
tralen oder primären lymphatischen Organe dienen der Bildung, regelten Ablauf der Hämatopoese ist deswegen ein kompliziertes
9 Entwicklung und Reifung der Immunzellen. Dazu gehören beim Netzwerk von Wachstumsfaktoren, Botenstoffen, Chemokinen
erwachsenen Menschen das Knochenmark und der Thymus, beim und direkten Zell-Zell-Kontakten erforderlich.
10 Fetus auch die Leber. Im Knochenmark entstehen alle Zellen des Alle zellulären Bestandteile des Blutes, die sauerstofftrans­
Immunsystems und des Blutes aus einer gemeinsamen hämatopo- portierenden roten Blutkörperchen (Erythrocyten), die an der
etischen Stammzelle. Bis auf die T-Lymphocyten (auch T-Zellen Gerinnung beteiligten Blutplättchen (Thrombocyten) und die
11 genannt) vollenden hier alle übrigen Zellen weitestgehend ihre Leukocyten, unsere Immunzellen, stammen von ein und der­
Entwicklung. Dagegen reifen die T-Zellen im Thymus und werden selben Stammzelle ab. Man bezeichnet diese Zelle deshalb als
12 dort zu immunkompetenten Zellen erzogen. T-Vorläuferzellen, multipotente hämatopoetische Stammzelle. Bis heute ist nicht
die sich im Thymus befinden, bezeichnet man als Thymocyten. eindeutig klar, wann und wo in der Embryonalentwicklung die
Milz, Lymphknoten, die lymphatischen Gewebe der Schleim­ allerersten hämatopoetischen Stammzellen gebildet werden.
13 häute, die Tonsillen (Mandeln) des Rachens, der Blinddarm und Doch bereits kurz nach der Gastrulation ist Blutbildung im
die Peyer-Plaques des Darms werden zu den peripheren oder Dottersack als Band kernhaltiger Erythrocyten, den sogenann­
14 sekundären lymphatischen Geweben zusammengefasst. Sie sind ten Blutinseln, nachweisbar. Neben dem Dottersack gelten auch
Antigensammelstellen und „Konferenzzentren“ zugleich. In ih­ die Aorta-Gonaden-Mesonephros-Region und die Plazenta als
15 nen werden Antigene festgehalten, hier treffen sich naive T- und Quelle von hämatopoetischen Stammzellen. Von diesen Orten
B-Zellen, um nach Eindringlingen oder Tumorzellen zu suchen, dringen sie über die Blutzirkulation des Embryos zunächst in die
hier kommunizieren sie miteinander und mit Zellen des angebo­ fetale Leber und später ins Knochenmark ein. Bei erwachsenen
16 renen Immunsystems. Gegebenenfalls wird eine spezifische Im­ Säugetieren übernimmt hauptsächlich das Knochenmark die
munantwort ausgelöst. Während die Lymphocyten immer über Blutbildung. Doch die hämatopoetischen Stammzellen kommen
17 das Blut in die peripheren oder sekundären lymphatischen Or­ auch hier nicht zur Ruhe. Einige von ihnen verlassen kontinu­
gane einwandern, werden Antigene auf unterschiedliche Weise ierlich das Knochenmark – ein Prozess, der als Mobilisierung
eingefangen. Die über den Körper verstreut liegenden Lymph­ bezeichnet wird – und lassen sich vom zirkulierenden Blut zu
18 knoten sind über ein Netzwerk von Lymphgefäßen miteinander verschiedenen Geweben transportieren. Sie wandern in die
verbunden, über die Antigene im Fluss der Lymphe frei oder Lunge, Leber, Nieren und andere Organe ein, gehen von dort
19 mithilfe von Makrophagen oder dendritischen Zellen transpor­ in die Lymphe und gelangen über die Lymphe zurück ins Blut.
tiert werden. Die Milz sammelt Antigene aus dem Blut und die Von hier kehren sie entweder zurück ins Knochenmark (dieses
20 Peyer-Plaques der Darmwand erhalten Antigene über speziali­ Heimfinden wird Homing genannt) und unterstützen die dort
sierte Zellen der Schleimhaut, die sogenannten M-Zellen. Doch stattfindende Hämatopoese, oder sie nehmen an einem weiteren
auch das Knochenmark leistet wichtige Beiträge zur peripheren Reisezyklus teil. Obwohl die biologischen Gründe dieses „No­
21 Immunüberwachung. So bilden die Stromazellen des Knochen­ maden-Daseins“ noch nicht vollständig geklärt sind, könnten
marks wichtige Nischen, in denen antikörpersezernierende Plas­ zirkulierende hämatopoetische Stammzellen eine schnell rekru­
22 mazellen Überlebenssignale erhalten, mit deren Hilfe sie viele tierbare Quelle darstellen, die im peripheren Gewebe bei Gefahr
Jahre überdauern können. Unterstützt werden die Stromazellen die sofortige Produktion von Immunzellen ermöglicht. Auch
des Knochenmarks durch eosinophile Granulocyten, die überle­ könnte durch die Abgabe von Stammzellen ins Blut ihre Zahl im
23 benswichtige Cytokine und Proliferationsfaktoren bereitstellen. Knochenmark reguliert und eine zu große Anhäufung verhin­
Entfernt man die Eosinophilen aus der Nische, werden die Plas­ dert werden. Dies nutzt man heute medizinisch, indem man pe­
mazellen apoptotisch. riphere, im Blut zirkulierende Stammzellen isoliert und anstelle
2.2  •  Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
17 2

.. Tab. 2.1  Die lymphatischen Organe. Sie lassen sich in zentrale (primäre) und periphere (sekundäre) lymphatische Organe beziehungsweise Gewebe
unterteilen. Die Aufgabe der zentralen lymphatischen Organe ist die Blutzellbildung (Hämatopoese) und die Reifung und Selektion der Zellen des
adaptiven Immunsystems. Die peripheren lymphatischen Organe dienen dem Sammeln von Antigenen und der Präsentation der Antigene an T-Zellen,
der Kommunikation zwischen den Immunzellen und der Au­slösung einer primären Immunantwort. Bei einer primären Immunantwort hat das adaptive
Immun­system zum ersten Mal Kontakt mit einem bestimmten Erreger.

Zentrale oder primäre lymphatische Organe Periphere oder sekundäre lymphatische Organe

Organ/Gewebe Knochenmark Lymphknoten

Thymus Milz
Knochenmark

Mucosaassoziiertes lymphatisches Gewebe (MALT):


– Darmassoziiertes lymphatisches Gewebe (GALT)
– Bronchienassoziiertes lymphatisches Gewebe (BALT)
– Nasenassoziiertes lymphatisches Gewebe (NALT)

Funktion Hämatopoese, Reifung und Selektion der B-Zel- Festhalten der Antigene
len im Knochenmark Präsentation der Antigene
Kommunikation zwischen Zellen des adaptiven Immunsystems und mit
Zellen des angeborenen Immunsystems sowie mit Stromazellen

Reifung und Selektion der T-Zellen im Thymus Induktion einer primären Immunantwort
Überlebenssignale für Plasmazellen

.. Tab. 2.2  Zellen des Blutes. Angegeben sind die Normwerte von Erythrocyten, Thrombocyten und Leukocyten bei Erwachsenen beziehungsweise
der prozentuale Anteil einiger Leukocyten-Sub­populationen, die Lebensdauer und die pro Tag gebildete Anzahl dieser Zellen.

Normwerte im Blut Gebildete Lebensdauer im Körper (und als Prozentualer Anteil


(Erwachsener) Anzahl pro Tag Blutprodukt) der Leukocyten-Sub-
populationen im Blut

Erythrocyt 4,0–5,5 Mio. µl−1 200 Mil­liarden 120 Tage (45 Tage)

Thrombocyt 150.000–400.000 µl −1
220 Mil­liarden 5–10 Tage (5 Tage)

Leukocyt 4500–8000 µl −1

Granulocyt 3200–6700 µl−1 100–200 Mil­


– neutrophiler 2200–6500 µl−1 liarden 2–4 Tage 55–75 %
– eosinophiler 50–360 µl−1 2–10 Tage   2–4 %
– basophiler 0–70 µl−1 ?   0–1 %

Monocyt 40–630 µl−1 15 Mil­liarden 1–2 Tage im Blut, dann Wande-   2–7 %


rung ins Gewebe; dort Monate

Lymphocyt 1500–3000 µl−1 1 Milliarde 3 Tage (1–2 % der B-Zellen) bis 25–40 %


mehrere Jahre (Gedächtniszellen)

von Knochenmark transplantiert. Mobilisation und Homing und gelbes Knochenmark. Die Blutzellbildung findet nur im ro­
der Stammzellen wird durch Adhäsionsmoleküle, Chemokine ten Knochenmark statt.
und andere Faktoren ihrer funktionellen Umgebung gesteuert Während beim Neugeborenen fast alle Knochen rotes Kno­
(. Abb. 2.1). chenmark besitzen, kommt es bei Erwachsenen nur im Innern der
platten und kurzen Knochen vor. In den Schäften der Röhrenkno­
Nischen im Knochenmark chen wird es mit zunehmendem Alter durch das fetthaltige gelbe
Hämatopoetische Stammzellen sind täglich die Quelle von Mil­ Knochenmark ersetzt. Die inneren Hohlräume der Knochen sind
liarden neuer reifer Blutzellen (. Tab. 2.2). Nur dadurch können mit einem feinen Bindegewebe überzogen. Es wird als Endost
gealterte, kranke oder zerstörte Erythrocyten und Leukocyten bezeichnet. Vom Endost ausgehend, durchzieht retikuläres Bin­
ersetzt werden. Die Mehrzahl der hämatopoetischen Stamm­ degewebe die Hohlräume. Außerdem werden die Knochen von
zellen befindet sich im Knochenmark und bildet hier den Aus­ zahlreichen Blutgefäßen versorgt, die sich im Mark zu sogenann­
gangspunkt der Blutzellbildung. Fast alle Knochen enthalten ten Blutsinusoiden erweitern. Die Wände der Sinusoide werden
Knochenmark, vor allem aber die Röhrenknochen (Arm- und von einem dünnen, durchbrochenen Endothel ausgekleidet, das
Beinknochen), die platten Knochen des Schädeldachs, die Rip­ keine Basalmembran besitzt. Dadurch wird die Auswanderung
pen, das Becken und das Brustbein. Es füllt die Hohlräume der der im Knochenmark gebildeten Blutzellen in die Blutsinusoide
Knochen, die sogenannte Knochenmarkhöhle, und Hohlräume ermöglicht. Im Knochenmark besiedeln die Stammzellen spezi­
der Knochenbälkchen (Spongiosa) aus. Man unterscheidet rotes alisierte Nischen. Signale aus der Nische unterstützen ihr Über­
18 Kapitel 2  •  Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren

.. Abb. 2.1  Mobilisation und Homing von Stammzellen.


1 Verlassen des Knochen-
marks, Eintritt ins Blut,
Bei erwachsenen Säugetieren findet die Blut­zellbildung vor
allem im Knochenmark statt. Die Immunzellen entste-
Mobilisierung
hen aus hämatopoetischen Stamm­zellen. Doch einige
2 Stammzellen verlassen das Knochenmark (Mobilisierung),
zirkulieren im Blut und treten in die peripheren Gewebe
Verlassen des Blut-
ein. Diese verlassen sie über die Lymphe und gelangen
3 stroms, Rückkehr
ins Knochenmark, oder erneute Verlassen des Blutes, über den Ductus thoracicus schließlich wieder zurück ins
Eintritt in periphere Blut. Von hier kehren sie entweder zurück ins Knochenmark
Homing Zirkulation
(Homing) oder sie nehmen an einem weiteren Zyklus teil.
4 Gewebe
(Verändert nach Laird et al.)
physiologische Zirkulation
5 Eintritt über
der Stammzellen

Ductus thoracicus
6 ins Blut
Magen, Leber,
Pankreas
7
8 Lymphknoten
Verlassen der Gewebe
über die Lymphe
9
10 leben, Selbsterneuerung, Expansion und Differenzierung in reife (. Abb. 2.2). Ein Beispiel für einen Marker unreifer Zellen ist
Immunzellen. Die Nische besteht aus zellulären Komponenten CD34, das auch zum Anreichern von peripheren Stammzellen
wie Knochenbildungszellen (Osteoblasten), retikulären Stroma­ aus dem Blut genutzt wird.
11 zellen und Endothelzellen der Blutgefäße sowie der extrazellulä­
ren Matrix, an deren Aufbau wiederum die Osteoblasten durch Die myeloische Zell-Linie
12 die Produktion von Proteoglykanen und Glykoproteinen beteiligt Aus der myeloischen (myeloiden) Vorläuferzelle entwickeln sich
sind. Es kommt ständig zu Interaktionen zwischen Stammzellen, eosinophile, basophile und neutrophile Granulocyten, Blutmo­
Stromazellen und Komponenten der extrazellulären Matrix. Die nocyten und ihre gereifte Form, die Makrophagen der Gewebe,
13 Kommunikation erfolgt mithilfe von Adhäsionsmolekülen sowie myeloide dendritische Zellen (DC) und Mastzellen. Diese Leu­
ausgeschiedenen Wachstumsfaktoren, Lock- und Botenstoffen. kocyten stellen den größten Teil der angeborenen, unspezifischen
14 Diese Signale können zum Beispiel zu einer Polarisierung der Immunabwehr dar. Ihre Reifungsstufen sind in . Abb. 2.2 darge­
Stammzelle und zu asymmetrischen Zellteilungen führen. Wäh­ stellt. Außerdem entstehen in dieser Entwicklungsreihe auch die
15 rend eine Tochterzelle einen Differenzierungsstopp erhält und für den Sauerstofftransport zuständigen roten Blutkörperchen
Stammzelle bleibt, kann sich die andere Tochterzelle in Richtung (Erythrocyten) und die aus den Megakaryocyten hervorgehen­
der benötigten Blutzelle differenzieren. Einer der Faktoren ist der den Blutplättchen (Thrombocyten), die für die Blutgerinnung
16 Stammzellfaktor (SCF), der auf der Plasmamembran von Stroma­ essenziell sind. Mit ihnen wollen wir uns hier nicht beschäfti­
zellen vorkommt und das Wachstum der Stammzellen fördert. gen. Alle im Knochenmark herangereiften Zellen myeloiden Ur­
17 Zusammen mit Chemokinen und Proteasen wie Mitgliedern der sprungs gelangen schließlich in den Blutkreislauf und erfüllen je
ADAM-Familie (ADAM: a disintegrin and metalloproteinase) ent­ nach Typ dort oder in den Geweben ihre Funktion. Wie diese
scheiden diese Signale auch über Verbleib der Stammzellen im Zellen aussehen, soll im Folgenden kurz erläutert werden und
18 Knochenmark oder deren Mobilisierung. ist in den . Abb. 2.2 und . Abb. 2.3 dargestellt. Welche Rolle ih­
nen im Immunsystem zukommt, wird in ▶ Kap. 3 und ▶ Kap. 4
19 genauer beschrieben.
Die Hämatopoese
Polymorphkernige Granulocyten
20
Aus der undifferenzierten, multipotenten hämatopoetischen Polymorphkernige Granulocyten sind sehr kurzlebig und werden
Stammzelle (▶ Exkurs 2.1) gehen Vor­läufer­zellen hervor, die ihre je nach Subpopulation nach zwei bis zehn Tagen abgebaut. Na­
21 Stammzelleigenschaften (zum Beispiel die Fähigkeit zur Selbster­ mengebend für diese Leukocyten ist ihr unregelmäßig geformter,
neuerung) verloren haben und deswegen eingeschränkt in ihren also polymorpher Zellkern, der in drei bis vier Segmente unter­
22 Entwicklungsmöglichkeiten sind. Sie stellen die Basis für zwei teilt ist, und die reichhaltige Granulierung ihres Cytoplasmas.
verschiedene hämatopoetische Zellreihen dar, die myeloische Aufgrund der unterschiedlichen Anfärbbarkeit dieser Granula
und die lymphatische Entwicklungsreihe. Während ihrer Rei­ werden drei Subpopulationen unterschieden: die neutrophilen,
23 fung erlangen die Vorläuferzellen schrittweise die Funktionen, basophilen und eosinophilen Granulocyten.
die für die reifen Zellen charakteristisch sind. Eigenschaften Die neutrophilen Granulocyten stellen den größten Anteil
und Oberflächenmarker unreifer Zellen gehen dagegen verloren (55–75 %) der im Blut zirkulierenden Leukocyten dar. Sie ent­
2.2  •  Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
19 2

Exkurs 2.1: Was sind Stammzellen?  |       | 


Stammzellen sind unspezialisierte Vorläufer- Zellen sind totipotent. Aus ihnen können alle bezeichnet. Je nach Entwicklungsalter handelt
zellen, die eine besondere Fähigkeit besitzen: Zellen des Organismus entstehen, einschließ- es sich um fetale, neonatale oder adulte
Zum einen produzieren sie differenzierte lich der extraembryonalen Zellen der Plazenta Stammzellen. Ihr Differenzierungspotenzial
Tochterzellen mit speziellen Funktionen, (Trophoblast). Nachdem die Morula aus dem ist auf bestimmte Gewebe beschränkt. Als
gleichzeitig sind sie zur Selbsterneuerung Eileiter in den Uterus gewandert ist, setzen die Beispiel sind die adulten hämatopoetischen
fähig, um den Stammzellpool zu erhalten und ersten Differenzierungsprozesse ein. Es kommt Stammzellen zu nennen, die hauptsächlich
aufzufüllen. Die Mechanismen, die diesen zur Bildung der Blastocyste. Sie besteht aus im Knochenmark, aber auch in geringerem
Prozessen zugrunde liegen, sind noch nicht dem außen liegenden Trophoektoderm (nach Umfang im Blut und in noch kleinerer Zahl
vollständig geklärt. Wissenschaftliche Untersu- Implantation als Trophoblast bezeichnet), das im Gewebe von Erwachsenen vorkommen.
chungen lassen vermuten, dass die Stamm- die innen liegenden undifferenzierten Zellen, Sie sind multipotent und dienen sowohl dem
zellen Signale vom biologischen Mikromilieu die sogenannte innere Zellmasse oder den Austausch von kurzlebigen, reifen Effektor-
bekommen, also von der „Nische“, in der sie Embryoblast, umgibt. In der inneren Zellmasse zellen als auch der verletzungsinduzierten
lokalisiert sind. Um über lange Zeit erhalten zu befinden sich die embryonalen Stammzellen. Erneuerung von kranken oder geschädigten
bleiben, müssen Stammzellen solche Nischen Aus ihnen gehen sämtliche Zellen des Em- Tochterzellen. Adulte Stammzellen mit ande-
aufsuchen. bryos hervor, außer den Trophoblastzellen. Die rem Differenzierungspotenzial sind auch in der
Stammzellen werden nach ihrem ontogene- embryonalen Stammzellen sind pluripotent. Haut, im Fettgewebe, in der Leber, im Gehirn
tischen Alter und ihrem Differenzierungspo- Die nach der Embryonalzeit im Körper eines und anderen Organen zu finden. Beispiele
tenzial unterschieden. Die befruchtete Eizelle Säugetieres vorkommenden Stammzellen stellen die mesenchymalen und neuronalen
(Zygote) und die ersten daraus entstehenden werden als postembryonale Stammzellen Stammzellen dar.

halten eine Mischung aus basophilen und azidophilen Granula, IL-5. Da eosinophile Granulocyten in der Peripherie ebenfalls
die sich nur schwach anfärben lassen und deswegen als neutro­ IL-5 bilden, kommt es zu einer Verstärkung der Zellproduktion
phil bezeichnet werden. Im normalen, gesunden Gewebe sind (positive Rückkopplung). Das Verlassen des Blutstroms (Ex­
neutrophile Granulocyten kaum zu finden. Sie gehören zu den travasation) und die Einwanderung der eosinophilen Zellen in
wichtigsten Zellen der unspezifischen Immunabwehr im Kampf ein Gewebe erfolgt unter der strengen Kontrolle von vaskulä­
gegen Mikroorganismen, vor allem gegen Bakterien. ren Adhäsionsmolekülen und den Chemokinen CCL11, CCL24
Die Funktion der basophilen und eosinophilen Granulocy­ und CCL26, die unter dem Begriff Eotaxine zusammengefasst
ten ist die Abwehr großer extrazellulärer Parasiten wie Würmer werden. Eotaxine scheinen auch das Wanderungsverhalten von
(Helminthen). Sie sind neben den Mastzellen auch an allergi­ basophilen Granulocyten zu beeinflussen.
schen Reaktionen vom Soforttyp beteiligt. Basophile Granu-
locyten, deren Granula viele saure Proteoglykane enthalten und Mastzellen
die durch basische Farbstoffe dunkelviolett bis schwarz gefärbt Die Vorläuferzellen der Mastzellen im Knochenmark und Blut
werden können, machen im menschlichen Blut nur einen Anteil sind nur unzureichend bekannt. Die Mastzellen sind typische
von 0–1 % aus. Neue Untersuchungen zeigen, dass sie möglicher­ Zellen der Gewebe und reifen auch hier. Untersuchungen im
weise eine zentrale Funktion bei immunologischen Reaktionen Tiermodell zeigten, dass der Stammzellfaktor, IL-3 und die von
auf bakterielle Proteine und Eiweiße aus Impfstoffen haben. Nach TH2-Zellen produzierten Cytokine IL-4 und IL-9 die Entwick­
Bindung dieser Proteine setzen sie Cytokine wie Interleukin-4 lung dieser Zellen maßgeblich beeinflussen. Man unterscheidet
(IL-4) und IL-6 frei, die wiederum B-Zellen zur Antikörperbil­ zwei Arten von Mastzellen, die sich in ihrer Gewebeverteilung
dung stimulieren. Die Granula der eosinophilen Granulocyten und in ihren intrazellulären Granula unterscheiden. Die muco-
speichern argininreiche, basische Proteine, die durch den roten, saassoziierten Mastzellen sind im Darm und in den Atemwe­
sauren Farbstoff Eosin angefärbt werden können. Durch ihre gen besonders häufig und stellen eine erste Verteidigungslinie
unterschiedlichen Granula (saure versus basische Granula) sind gegen eindringende Parasiten dar. In ihrem Innern beherbergen
basophile und eosinophile Granulocyten zur Arbeitsteilung be­ sie große Granula, in denen unter anderem Histamin, Heparin
fähigt. Vereinfacht ausgedrückt: Was die eine Zelle nicht töten und die charakteristische Tryptase gespeichert sind. Ihre Diffe­
kann, fällt der anderen zum Opfer. Eosinophile halten sich meist renzierung ist abhängig von IL-3, das von anwesenden T-Zellen
in Geweben auf und repräsentieren nur 2–4 % der Leukocyten ausgeschieden wird. Die bindegewebeassoziierten Mastzellen
im Differenzialblutbild. Unter normalen Umständen werden Eo­ sind beim Menschen in der Haut und im interstitiellen Bindege­
sinophile nur in sehr geringer Zahl im Knochenmark gebildet. webe der Organe zu finden. Im Gegensatz zu den Mastzellen der
Die Bildung von eosinophilen und basophilen Granulocyten Schleimhäute enthalten ihre Granula außer Tryptase auch Car­
unterliegt im Knochenmark einer wechselseitigen Kontrolle, an boxypeptidase, Chymase und Cathepsin G. Ihre Differenzierung
der Cytokine wie IL-3, IL-5 und Wachstumsfaktoren wie TGF-β erfolgt T-Zell-unabhängig.
(transforming growth factor β) und GM-CSF (granulocyte-macro-
phage colony-stimulating factor) beteiligt sind. Bei Infektionen Monocyten und Makrophagen
und anderen Entzündungsreaktionen wird die Produktion der Sie stammen von Promonocyten des Knochenmarks ab und ent­
eosinophilen Granulocyten erhöht und ihre Zahl steigt im Blut wickeln sich unter Einfluss verschiedener Cytokine und Wachs­
dramatisch an. Verantwortlich für die vermehrte Bildung sind tumsfaktoren wie GM-CSF und M-CSF zu Monocyten, die ins
von T-Helfer-2-Zellen (TH2-Zellen) ausgeschüttete Cytokine wie Blut abgegeben werden. Dort stellen sie zwei bis sieben Prozent
20 Kapitel 2  •  Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren

1 multipotente Stammzelle

Selbsterneuerung

2
gemeinsame myeloische Vorläuferzelle
3
4 Myeloblast
Knochenmark

Proerythroblast Megakaryoblast
5
basophiler eosinophiler neutrophiler
Erythroblast Promegakaryocyt Monoblast
6 Promyelocyt Promyelocyt Promyelocyt

basophiler eosinophiler neutrophiler


Normoblast Megakaryocyt unbekannte Vorläufer Promonocyt
7 Myelocyt Myelocyt Myelocyt

basophiler eosinophiler neutrophiler


Retikulocyt
8
Stabkerniger Stabkerniger Stabkerniger

basophiler eosinophiler neutrophiler

9 Erythrocyt Thrombocyten Granulocyt Granulocyt Granulocyt


Vorläufer
unreife
Blut

dendritische Monocyt
der Mastzelle
Zelle
10
unreife/reife
Gewebe/lympha-
tisches Gewebe

11 Mastzelle dendritische Zelle Makrophage

12
13 .. Abb. 2.2  Der hämatopoetische Stammbaum. Die Leukocyten, Erythro­cyten und Thrombocyten leiten sich von multipotenten hämatopoetischen Stamm-
zellen im Knochen­mark ab. Die Stammzellen sind zum einen zur Selbsterneuerung fähig, zum anderen teilen sie sich und erzeugen myeloide und lymphati-
sche Vorläuferzellen. Aus der myeloiden Vorläuferzelle entstehen über mehrere Entwicklungs­stufen neutrophile, basophile und eosinophile Granulocyten, Mo-
14 nocyten, myeloide dendritische Zellen, Mastzellen, aber auch die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen. In der lymphatischen Reihe werden NK-Zellen,

15
B
N
16
17
E

18
19 20 µm 20 µm 20 µm

eosinophile (E), basophile (B) Monocyt Lymphocyt


20 und neutrophile (N) Granulocyten

.. Abb. 2.3  Histologische Darstellung der Immunzellen des Menschen. Charakteristisch für Granulocyten sind der polymorphe Zellkern und die starke

21 Granulierung des Cytoplasmas. Im Gegensatz zu Neutro­philen (N) können die Granula bei basophilen (B) und eosinophilen (E) Granulocyten durch ent­
sprechende Färbungen deutlich dargestellt werden. Basophile Granulocyten besitzen Granula mit vielen sauren Proteoglykanen. Sie werden durch basische
Farbstoffe dunkelviolett bis schwarz gefärbt. Die Granula der eosinophilen Granulocyten sind reich an argininhaltigen, basischen Proteinen, die durch den
22 roten, sauren Farbstoff Eosin angefärbt werden können. Monocyten sind mit etwa 15 µm die größten Blutzellen. Sie besitzen einen relativ großen Anteil an
Cytoplasma und einen ovalen bis nierenförmigen Zellkern. Lymphocyten im Blut sind kleine Zellen mit großem Zellkern und wenig Cytoplasma

23
2.2  •  Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
21 2

frühe gemeinsame lymphatische Vorläuferzelle

Knochenmark
lymphatische Vorläuferzelle frühe Vorläuferzelle der T-Zell-Linie

Pro-B-Zelle
weitere Entwicklung im Thymus
Prä-NK-Zelle
Thymocyt
Prä-B-Zelle
unreife NK-Zelle
unreife B-Zelle

tisches Gewebe
Blut/lympha-
plasmacytoide dendritische Zelle NK-Zelle B-Zelle CTL TH-Zelle

aktivierte T-Zellen

Gewebe
Plasmazelle

plasmacytoide dendritische Zellen (pDC) und die Zellen des adaptiven Immunsystems, die B-Zellen und die Vorläufer der T-Zellen, gebildet. Während die
B-Zellen den größten Teil ihrer Entwicklung im Knochenmark durchmachen, wandern die T-Zellen auf einer frühen Vorläuferstufe aus dem Knochenmark aus
und gelangen über das Blut zum Thymus. Dort reifen sie zu immunkompetenten T-Zellen heran. CTL: cytotoxischer T-Lymphocyt

der zirkulierenden Leukocyten dar. Mit einem Durchmesser von Stammzellen im Knochenmark ab (progenitor DC: Vorläufer­
etwa 15 µm sind Monocyten die größten Blutzellen. Im mikro­ zelle im Knochenmark) und gelangen über das Blut (precur-
skopischen Bild zeigen sie einen relativ großen Anteil an Cyto­ sor DC: Vorläuferzelle im Blut) ins Gewebe und werden dort
plasma und einen ovalen bis nierenförmigen Zellkern. Ihr Cyto­ ortsansässig (immature oder unreife DC). Im Gewebe sind die
plasma enthält viele lysosomale Enzyme. Monocyten zirkulieren cytoplasmatischen Ausläufer der unreifen dendritischen Zellen
für etwa 20 bis 30 Stunden im Blut und wandern schließlich in fortwährend in Bewegung, strecken sich durch die tight junctions
Organe und Gewebesysteme aus. Dort reifen sie zu Makropha­ der Deckgewebe, werden zurückgezogen und an anderer Stelle
gen. Monocyten und Makrophagen gehören neben den Granu­ wieder ausgestreckt. Dadurch sind sie in der Lage, überall Anti­
locyten und den dendritischen Zellen zu den Phagocyten des gene aufzuspüren. Die unreifen DC nehmen die eingefangenen
Immunsystems. Im Gegensatz zu den neutrophilen Granulocyten Antigene auf, degradieren sie in ihrem Innern, prozessieren und
sind sie langlebige Zellen. präsentieren sie auf MHC-Klasse-I- und MHC-Klasse-II-Mole­
külen (▶ Abschn. 5.1). Als Reaktion auf Gefahrensignale werden
Dendritische Zellen die unreifen DC des Gewebes zu reifen DC, die nun einem che­
Sie sind die dritte Phagocytengruppe des Immunsystems und motaktischen Gradienten folgend in die lymphatischen Organe
gehören zusammen mit den Monocyten, Makrophagen und wandern und dort mit T-Zellen interagieren. Neuere Untersu­
den B-Zellen zu den „professionellen“ antigenpräsentierenden chungen zeigen, dass sie im lymphatischen Gewebe auch mit
Zellen des Immunsystems. Sie wurden Mitte der 1970er-Jahre B-Zellen und NK-Zellen in Wechselwirkung treten und maß­
von Ralph Steinman beschrieben, der sie zuerst in der Milz geblich an deren Reifung (B-Zellen) und Aktivierung (NK-Zel­
entdeckte. Ihren Namen (lat. dendriticus, verzweigt) haben sie len) beteiligt sind. DC umfassen eine sehr heterogene Gruppe
von ihren langen, fingerförmigen cytoplasmatischen Ausläu­ von Zellen, deren genaue Entwicklungsstufen im Rahmen der
fern, die ihnen eine sternförmige Gestalt verleihen (aber nur Hämatopoese noch unklar sind. So unterscheidet man zum
innerhalb von Geweben). DC stammen von hämatopoetischen Beispiel die CD14-negativen Langerhans-Zellen der Epidermis,
22 Kapitel 2  •  Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren

Schleimhaut und Lunge von den CD14-exprimierenden inters­ surrogate light chains bezeichnet und entsprechen in ihrer Struktur
1 titiellen dendritischen Zellen. Auch können unter dem Einfluss der leichten Kette des B-Zell-Rezeptors, besitzen aber keine anti­
des Mikromilieus der Gewebe unreife DC zu Makrophagen und genspezifischen Bindungsstellen. Sie werden also von Genen co­
2 umgekehrt Monocyten zu dendritischen Zellen werden. Neben diert, die sich nicht umordnen und in jeder B-Vorläuferzelle gleich
den myeloischen dendritischen Zellen existiert auch eine kleine sind. Dieser Prä-B-Zell-Rezeptor befindet sich hauptsächlich im
Untergruppe, die einer lymphatischen Vorläuferzelle entstammt. Cytoplasma, erscheint aber auch auf der Zelloberfläche und ist mit
3 Dabei handelt es sich um die sogenannten plasmacytoiden den an der Signaltransduktion beteiligten invarianten Proteinen
dendritischen Zellen (pDC). Igα und Igβ assoziiert. In diesem Entwicklungsstadium wird die
4 B-Vorläuferzelle als große Prä-B-Zelle bezeichnet.
Die lymphatische Zell-Linie Die großen Prä-B-Zellen teilen sich rege. Danach differen­
5 Die frühen lymphatischen Vorläuferzellen können zu T-Lympho­ zieren sie sich zu kleinen ruhenden Prä-B-Zellen. Bindungen des
cyten, B-Lymphocyten oder natürlichen Killerzellen (NK-Zel­ Prä-B-Zell-Rezeptors an einen noch unbekannten Liganden sen­
len) werden (. Abb. 2.2). Auch die plasmacytoiden dendriti­ den Signale in die Zelle und führen zu Umlagerung der leichten
6 schen Zellen (pDC) entstehen in der lymphatischen Zellreihe. B-Zell-Rezeptorketten. An der Signalgebung sind die Bruton-Ty­
Im Gegensatz zu den Lymphocyten des adaptiven Immunsystems rosinkinase und das Signalmolekül BLNK beteiligt. Mutationen
7 (T- und B-Zellen) besitzen NK-Zellen und pDC keinen antigen­ im Gen, das für die Bruton-Tyrosinkinase codiert, führen beim
spezifischen Rezeptor. Sie werden deshalb dem angeborenen, Menschen zum Bruton-Syndrom, einer Immunschwäche, bei der
unspezifischen Immunsystem zugerechnet. NK-Zellen können keine reifen B-Zellen gebildet werden (▶ Kap. 16). Durch die ange­
8 trotzdem virusinfizierte Zellen und Tumorzellen von normalen stoßene Umlagerung der leichten B-Zell-Rezeptorketten wird die
Zellen unterscheiden. Wie dies geschieht, werden wir in ▶ Kap. 3 Bildung und Expression der Ersatzketten eingestellt. Aber auch die
9 betrachten. Im Folgenden soll auf die Entwicklung der Lympho­ Umlagerung neuer schwerer Ketten wird blockiert. Diese Blockade
cyten näher eingegangen werden. erzwingt einen Allel-Ausschluss, das heißt, innerhalb der diploi­
10 Wann die Trennung in T- und B-Zell-Linie innerhalb der den Zelle wird nur eines der beiden Allele für die schwere Kette
lymphatischen Reihe erfolgt, ist noch umstritten. Möglicherweise exprimiert (das gilt auch für die leichte Kette). Dadurch wird ver­
gehen die T-Zell-Vorläufer direkt aus der frühen gemeinsamen hindert, dass B-Zellen mit zwei oder mehr Rezeptorspezifitäten
11 lymphatischen Vorläuferzelle hervor. Wichtig ist, dass die frühe auf einer Zelle entstehen. Wurde eine leichte Immunglobulinkette
lymphatische Vorläuferzelle auf ihrer Oberfläche die Rezeptor­ aus Gensegmenten erfolgreich hergestellt, stoppen auch die Um­
12 tyrosinkinase FLT3 exprimiert, die mit den Liganden FLT3L ordnungsprozesse der leichten Kette. Neben dem Allel-Ausschluss
(FLT3-Ligand) und dem Stammzellfaktor auf den Stromazellen kommt es bei den leichten Ketten noch zu einem Isotypen-Aus­
in Wechselwirkung steht. Verstärkt werden diese direkten Zell- schluss, das heißt, die einzelne B-Zelle exprimiert nur einen Typ
13 Zell-Kontakte durch Adhäsionsmoleküle. Die über FLT3 gesen­ der leichten Kette (κ- oder λ-Kette). Es erscheinen nun vollstän­
deten Signale leiten Wachstum und die weitere Differenzierung dige IgM-Moleküle auf der Zelloberfläche, die mit den beiden Si­
14 der Vorläuferzelle ein. Sie exprimiert jetzt den Interleukin-7-Re­ gnalproteinen Igα und Igβ assoziiert sind. Die B-Zelle wird jetzt
zeptor (IL-7R). Über ihn vermittelt IL-7, das von den Stromazel­ als unreife B-Zelle bezeichnet. Schafft es eine B-Zelle nicht, einen
15 len im Knochenmark gebildet wird, Überlebenssignale für die funktionellen Antikörper auf der Oberfläche zu exprimieren, so
Vorläuferzellen der B- und T-Zellen. stirbt sie durch Apoptose (positive Selektion).
Unreife B-Zellen durchlaufen jetzt einen Selektionsprozess,
16 Knochenmark und B-Zell-Entwicklung bei dem die exprimierten membranständigen IgM-Moleküle
B-Zellen haben ihren Namen ursprünglich von ihrem Bildungs­ (B-Zell-Rezeptor) auf Autoreaktivität geprüft werden (negative
17 organ bei Vögeln, der Bursa fabricii. Dabei handelt es sich um ein Selektion) (. Abb. 2.4). Die in den zentralen lymphatischen Or­
sackförmiges lymphatisches Organ am Dach der Kloake. Beim ganen (Knochenmark und Thymus) erzeugte Toleranz wird als
Menschen und bei allen anderen daraufhin untersuchten Säu­ zentrale Toleranz bezeichnet. B-Zellen, die keine körpereigenen
18 getieren entstehen die B-Zellen im Knochenmark, daher erhielt Antigene binden, reifen heran, verlassen das Knochenmark und
der Buchstabe B hier nachträglich die Bedeutung des englischen wandern über das Blut in die peripheren lymphatischen Organe,
19 Wortes für Knochenmark: bone marrow. wo sie neben IgM auch IgD (natürlich mit der gleichen Rezep­
In der B-Zell-Reihe induziert IL-7 den B-Zell-linienspezifi­ torspezifität) auf ihrer Oberfläche exprimieren und zu zirkulie­
20 schen Transkriptionsfaktor E2A. E2A und IL-7 führen zur Expres­ renden naiven B-Zellen heranreifen.
sion eines frühen B-Zell-Faktors (early B cell factor; EBF), der die Unreife B-Zellen, deren B-Zell-Rezeptoren im Knochenmark
Zellen auf die B-Zell-Reihe festlegt (. Abb. 2.2 und . Abb. 2.4). multivalente körpereigene Moleküle erkennen und dadurch
21 Die erste Zelle, die in der B-Zell-Reihe aus der lymphatischen Vor­ quervernetzt werden, treten entweder in den programmierten
läuferzelle hervorgeht, wird als frühe Pro-B-Zelle bezeichnet. Sie Zelltod (Apoptose) ein und werden aus dem B-Zell-Pool ent­
22 beginnt mit der Umlagerung der Immunglobulingene (▶ Kap. 6). fernt oder durchlaufen ein sogenanntes Rezeptor-Editing. Bei
Es werden zunächst schwere μ-Ketten der Immunglobulinklasse diesem Prozess verändern sie ihre Rezeptorspezifität. Dies ist
M (IgM) gebildet, die jedoch nicht allein auf die Zelloberfläche möglich, weil in der unreifen B-Zelle die an der Genumlage­
23 transportiert werden können. Sie verbinden sich im endoplasmati­ rung beteiligten Proteine noch vorhanden sind. Kommt es also
schen Reticulum der Zelle mit einem von zwei Ersatzproteinen (λ5 durch Erkennen von multivalenten Selbst-Antigenen zu einer
und VpreB) für die leichte Kette. Diese Ersatzproteine werden als Aktivierung der B-Zelle, dann geht die Umlagerung der Gene
2.2  •  Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
23 2

B-Zell-Reifung im Knochenmark
Stamm- frühe Pro- späte Pro- große Prä- kleine unreife reife
zelle B-Zelle B-Zelle B-Zelle Prä-B-Zelle B-Zelle B-Zelle
Entwicklungstopp
ohne positives Signal
IgM IgD

schwere µ-Kette als intrazelluläre µ-Kette, IgM erscheint IgM und IgD
Umlagerung der Teil eines Prä-B-Zell- Umlagerung der auf der Oberfläche, auf der
a schweren µ-Kette Rezeptors; Proliferation leichten Kette Selektion Oberfläche

Selektion der B-Zellen im Knochenmark


lösliche körpereigene Moleküle, nicht quervernetzendes
keine Erkennung multivalentes
die den B-Zell-Rezeptor quervernetzen körpereigenes Molekül
körpereigener Moleküle körpereigenes Molekül

Ag

IgM

immunkompetente Apoptose Rezeptor-Editing, Anergie klonale Ignoranz


naive B-Zelle, neuer B-Zell-Rezeptor
im peripheren Gewebe
b exprimiert sie zusätzlich IgD

.. Abb. 2.4  Die Reifung und Selektion der B-Zellen. a) Reifung der B-Zellen. Am Anfang steht die hämatopoetische Stammzelle. Nachdem aus ihr hervor-
gehende Vorläuferzellen auf die B-Zell-Linie festgelegt wurden, beginnt die frühe Pro-B-Zelle mit der Umlagerung der Immunglobulingene. Sie werden in der
späten Pro-B-Zelle weitergeführt. Es werden zunächst schwere μ-Ketten gebildet. Um auf die Zelloberfläche gelangen zu können, lagern sie sich in der Zelle
mit einer Ersatzkette zusammen, die aber keine antigenspezifische Bindungsstelle besitzt. Dieser Prä-B-Zell-Rezeptor befindet sich hauptsächlich im Cytoplas-
ma, erscheint aber auch auf der Zelloberfläche und ist mit den invarianten Signalproteinen Igα und Igβ assoziiert. Die B-Vorläuferzelle wird nun als große Prä-
B-Zelle bezeichnet. Die großen Prä-B-Zellen proliferieren und entwickeln sich dann zu kleinen ruhenden Prä-B-Zellen. Diese beginnen mit der Umlagerung der
leichten B-Zell-Rezeptorketten. War die Umlagerung erfolgreich, erscheinen nun vollständige IgM-Moleküle auf der Zelloberfläche. Die B-Zelle wird jetzt als
unreife B-Zelle bezeichnet. Unreife B-Zellen durchlaufen einen Selektionsprozess, bei dem sie auf Autoreaktivität geprüft werden. b) Selektion der B-Zellen.
B-Zellen, die tolerant gegenüber körpereigenen Antigenen sind, verlassen das Knochenmark und wandern in die peripheren lymphatischen Organe. Hier voll-
enden sie ihre Reifung und stellen durch alternatives Spleißen der mRNA zusätzlich zur μ-Kette noch eine schwere δ-Kette her. Es erscheint deshalb neben IgM
auch IgD auf ihrer Oberfläche (a). Erkennt der B-Zell-Rezeptor (IgM) im Knochenmark multivalente körpereigene Moleküle, stirbt die B-Zelle entweder durch
Apoptose oder durchläuft ein Rezeptor-Editing, das heißt, die Gene für die leichte Kette werden so lange umgelagert, bis eine taugliche leichte Kette gebildet
wurde oder alle Gensegmente verbraucht sind. Reagieren unreife B-Zellen auf körpereigene kleine, lösliche Proteine mit wenigen Bindungsstellen, die zu
keiner starken Quer­vernetzung der B-Zell-Rezeptoren führen, werden sie reaktionsunfähig (anerg). Treffen unreife B-Zellen auf lösliche monovalente Antigene,
die keine Signalübertragung ins Zellinnere auslösen, ignorieren die B-Zellen dieses Antigen und setzen ihre normale Entwicklung fort. Sie sind potenziell
gefährlich. (Verändert nach Murphy, Travers und Walport.)

für die leichte Kette weiter. Ist der neu gebildete B-Zell-Rezeptor Während ihrer Entwicklung im Knochenmark bleiben die
nicht autoreaktiv, dann setzen die unreifen B-Zellen ihre normale reifenden B-Zellen nicht an einem Ort. Die ursprünglichen
Entwicklung fort. Reagiert auch der neue B-Zell-Rezeptor mit Stammzellen befinden sich noch am Endost, die weiteren Ent­
körpereigenen Strukturen, dann gehen die Umlagerungen weiter, wicklungsstadien (späte Pro-B-Zelle, große Prä-B-Zelle, kleine
bis schließlich eine taugliche leichte Kette gebildet wurde oder Prä-B-Zelle, unreife B-Zelle) verlagern sich immer weiter zum
alle Gensegmente verbraucht sind. Bleibt die Zelle autoreaktiv, zentralen Sinus der Knochenmarkhöhle. Die Positionierung der
stirbt sie schließlich durch Apoptose. einzelnen Reifungsstadien wird von Chemokinen bestimmt.
Reagieren unreife B-Zellen auf körpereigene kleine, lösliche Nachdem die B-Zellen die Selektionsprozesse durchlaufen haben,
Proteine mit wenigen Bindungsstellen, die zu einer geringen verlassen sie das Knochenmark über die Sinusoide und wandern
Quervernetzung der B-Zell-Rezeptoren führen, werden sie anerg. über das Blut in die peripheren lymphatischen Organe und voll­
Sie verlieren also ihre Reaktivität auf dieses Antigen. Sie wan­ enden hier ihre Entwicklung.
dern in die Peripherie, reifen, exprimieren zusätzlich IgD auf ihrer
Oberfläche, bleiben aber reaktionsunfähig und können sich in der
Regel nicht in Konkurrenz mit normalen B-Zellen behaupten. Der Thymus und die Entwicklung der T-Zellen
Treffen unreife B-Zellen auf lösliche monovalente Antigene,
die zur keiner Quervernetzung der B-Zell-Rezeptoren führen, Während sich der größte Teil der B-Zell-Reifung im Knochen­
gelangen keine Signale ins Zellinnere. Die Zellen ignorieren die­ mark abspielt, wandern die künftigen T-Zellen auf einer sehr frü­
ses Antigen und setzen ihre normale Entwicklung fort. Sie sind hen Vorläuferstufe aus dem Knochenmark aus, gelangen in das
potenziell gefährlich und können an Autoimmunerkrankungen Blut und wandern schließlich in den Thymus ein und reifen hier
beteiligt sein (. Abb. 2.2 und . Abb. 2.4). zu immunkompetenten T-Zellen heran (. Abb. 2.5). Von diesem
24 Kapitel 2  •  Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren

1
DN3
2
3 subkapsuläre
Region Thymus-
doppelt negative Thymocyten
CD3–, CD4–, CD8–
epithelzelle Umlagerung des
T-Zell-Rezeptors
4 DN2
DN4
Cortex reife γ :δ -T-Zelle doppelt positive Thymocyten
5 CD3+, CD4–, CD8– CD3+, CD4+, CD8+; pTα : β

DN1 Peripherie
6 cortico-medul-
läre Grenze
doppelt positive Thymocyten
7 Blutgefäß CD3+, CD4+, CD8+; α :β -TCR
positive und
negative Selektion
8 Medulla
DC

9 Selbst-MHC-restringiert, Nicht-Erkennen Erkennen präsen-


nicht autoreaktiv des Selbst-MHC tierter Selbst-Peptide,
autoreaktiv
10 Tod durch
reife α :β -T-Zelle reife α :β -T-Zelle Vernachlässigung Elimination

11 KM CD3+, CD4+, CD8–


einfach positiv
CD3+, CD4–, CD8+
einfach positiv Apoptose

12
13 Blutgefäß erentes
Lymphgefäß

14 Peripherie

15 .. Abb. 2.5  Entwicklung und Selektion der T-Zellen im Thymus. T-Vorläuferzellen verlassen auf einer frühen Entwicklungsstufe das Knochenmark (KM) und
wandern in den Thymus im Bereich der cortico­medullären Grenze ein. Die Thymusrinde (Cortex) besteht aus unreifen Thymocyten, corticalen Thymus-Epit-
helzellen und einigen Makrophagen. Das Thymusmark (Medulla) besteht aus reifen Thymocyten, medullären Thymus-Epithelzellen, Makrophagen und
16 dendritischen Zellen. Im Thymus wandern die frühen Thymocyten in den subkapsulären Bereich der Rinde. Sie tragen noch keine typischen T-Zell-Marker wie
T-Zell-Rezeptor, CD3, CD4 und CD8. Da sie keine CD4- und CD8-Moleküle exprimieren, werden sie als doppelt negativ (DN) bezeichnet. Im DN1-Stadium proli-
ferieren sie und werden auf die T-Zell-Linie festgelegt. Im DN2-Stadium beginnen die Thymocyten ihre β-, γ- oder δ-T-Zell-Rezeptorketten umzulagern. Die Um-
17 lagerungen setzen sich im DN3-Stadium fort und entscheiden, ob die Thymocyten sich zu T-Zellen mit einem γ:δ-T-Zell-Rezeptor (γ:δ-T-Zellen) oder zu T-Zellen
mit einem α:β-T-Zell-Rezeptor (α:β-T-Zellen) entwickeln. Entsteht vor dem γ:δ-Rezeptor eine funktionelle β-Kette, erscheint diese mit einer α-Ersatzkette (pTα)
und CD3-Molekülen auf der Zelloberfläche der Thymocyten. Die Zelle wird auf die α:β-Linie festgelegt. Dieses Stadium bezeichnet man als DN4. Es folgt die
18 Expression der Corezeptoren CD4 und CD8. Die Zellen werden jetzt als doppelt positiv bezeichnet. Nach raschen Zellteilungen beginnt die Genumlagerung
der α-Kette. Die Thymocyten exprimieren nun den endgültigen α:β-T-Zell-Rezeptor. Jetzt treten die Zellen in die Selektionsprozesse ein. Die positive Selektion
findet im inneren Rindenbereich statt und wird durch die Thymus-Epithelzellen durchgeführt. All jene doppelt positiven T-Zellen müssen sterben, die mit
19 ihrem α:β-T-Zell-Rezeptor keine MHC-Klasse-I- oder MHC-Klasse-II-Moleküle erkennen. T-Zellen, die mit dem α:β-T-Zell-Rezeptor MHC-I-Moleküle erkennen,
werden zu einfach positiven CD8-T-Zellen (CD8+-T-Zellen). Solche, die an MHC-II-Moleküle binden, werden zu einfach positiven CD4-T-Zellen (CD4+-T-Zellen).
Die negative Selektion erfolgt überwiegend bei einfach positiven T-Zellen in Cortex und Mark. Reagiert der T-Zell-Rezeptor einer sich entwickelnden T-Zelle
20 auf Selbst-Peptide, die von den MHC-Molekülen im Thymus präsentiert werden, stirbt sie durch Apoptose. Die Präsentation der Selbst-Peptide erfolgt durch
DC, Makrophagen und Thymus-Epithelzellen. Immunkompetente T-Zellen verlassen nun den Thymus über Blutgefäße und efferente Lymphgefäße. γ:δ-T-Zel-
len erkennen die Antigene nicht in Verbindung mit klassischen MHC-Molekülen. Ebenfalls im Thymus entstehen NKT-Zellen, die hauptsächlich mit CD1-Mole-
21 külen interagieren und nur eine geringe Diversität haben, und CD4+-regulatorische T-Zellen (nicht gezeigt). (Verändert nach Murphy, Travers und Walport.)

22 Organ haben T-Zellen auch ihren Namen: thymus(T)-abhängige lymphatischen Organen, die ausschließlich aus dem mittleren
Zelle oder T-Zelle. Keimblatt (Mesoderm) hervorgehen, besteht der Thymus aus
Der Thymus ist ein lymphatisches Organ, das im Brustkorb hin­ Strukturen, die sich aus allen drei Keimblättern bilden. Er wird
23 ter dem Brustbein und über dem Herzen liegt. Er entsteht früh daher auch als lymphoepitheliales Organ bezeichnet. Beim Men­
in der Embryonalentwicklung und ist ein Kopfdarmderivat aus schen ist der Thymus bei der Geburt voll ausdifferenziert und
der  3.  und  4.  Schlundtasche. Im Gegensatz zu allen anderen erreicht seine im Verhältnis zur Körpergröße maximale relative
2.2  •  Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
25 2

Ausdehnung im Kleinkindalter. Bis zur Pubertät behält er seine CXCL12, CCL25) spielen eine entscheidende Rolle, Letztere vor
absolute Größe bei. Jetzt erreicht auch die Produktion der T-Zellen allem bei der Positionierung der Zellen innerhalb des Cortex.
ihren Höhepunkt. Danach bildet sich der Thymus zurück (Involu­ Die ersten Thymocyten tragen noch keine spezifischen
tion des Thymus). Das Funktionsgewebe wird immer mehr durch T-Zell-Marker wie den T-Zell-Rezeptor, CD3 oder die Core­
Fettgewebe ersetzt. Bei älteren Personen bleibt nur ein Restkörper zeptoren CD4 und CD8. Sie werden bezugnehmend auf CD4
übrig, der aber immer noch T-Zellen produziert, wenn auch we­ und CD8 deshalb als doppelt negativ (DN) bezeichnet. Auf ihrer
nige, wie an über 100-Jährigen (Centenarians) festgestellt wurde. Oberfläche findet man stattdessen das Homing-Molekül CD44
Der vollständig entwickelte Thymus besteht aus zwei asymme­ und den Rezeptor des Stammzellfaktors c-Kit. Zu diesem Zeit­
trischen miteinander in Verbindung stehenden Lappen, die von ei­ punkt wird die α-Kette des IL-2-Rezeptors (CD25) noch nicht
ner Bindegewebskapsel umgeben sind. Von der Kapsel ziehen Bin­ exprimiert, auch hat die Umlagerung der T-Zell-Rezeptor-Gene
degewebsstränge (Trabekel) ins Innere des Organs und unterteilen noch nicht begonnen. Dieses Stadium wird als doppelt negativ 1
jeden Lappen in Läppchen oder Lobuli. Jedes Läppchen ist in einen (DN1) bezeichnet. Nach ungefähr einer Woche beginnen sich die
äußeren Rindenbereich, den Thymuscortex, und eine innen lie­ Thymocyten rege zu teilen. Sie exprimieren nun CD25 auf ihrer
gende Markregion, die Thymusmedulla, unterteilt. Die Rinde be­ Oberfläche. Man spricht vom DN2-Stadium. Die Thymocyten
steht aus unreifen Thymocyten und untereinander in Verbindung beginnen ihre β-T-Zell-Rezeptorkette umzulagern. Die Umla­
stehenden corticalen Thymus-Epithelzellen, die ein Maschenwerk gerungen setzen sich im DN3-Stadium fort. CD44 und c-Kit
bilden. Auch einige Makrophagen sind in der Thymusrinde zu werden vermindert ausgeprägt.
finden. Die Medulla besteht aus reifen Thymocyten und medullä­ Im Gegensatz zur B-Zelle entwickeln sich die T-Vorläufer­
ren Thymus-Epithelzellen. Weiterhin kommen Makrophagen und zellen zu zwei unterschiedlichen T-Zell-Typen: T-Zellen, die
dendritische Zellen (DC) vor, die ihren Ursprung im Knochen­ einen γ:δ-T-Zell-Rezeptor (γ:δ-T-Zellen) auf ihrer Oberfläche
mark haben. Charakteristisch für das Thymusmark sind die Has­ tragen, und T-Zellen mit einem α:β-T-Zell-Rezeptor (γ:δ-T-Zel-
sall-Körperchen. Ihre Funktion ist noch nicht vollständig geklärt. len, ▶ Exkurs 2.2). Wovon hängt nun ab, in welche Linie sich eine
Möglicherweise werden hier apoptotische Thymocyten abgebaut. T-Vorläuferzelle entwickelt? In der frühen T-Zell-Entwicklung
Die arterielle Versorgung des Thymus erfolgt über kleinere werden die Gensegmente der β-, γ- und δ-Kette des T-Zell-Re­
Gefäße, die aus der Arteria thoracica interna und ihren Ästen ent­ zeptors nahezu gleichzeitig umgelagert. Wird ein vollständiger,
springen. Das venöse Blut wird aus dem Thymus über Venolen in funktionsfähiger γ:δ-T-Zell-Rezeptor gebildet, bevor das Gen für
die Venae brachiocephalicae und die Venae thyroideae inferiores die β-Kette erfolgreich umgelagert wurde, sendet dieser Signale,
abgeleitet. Kapillaren und postkapilläre Venolen innerhalb des die weitere Umlagerungen der β-Kette stoppen. Die Zelle wird
Thymus weisen eine Blut-Thymus-Schranke auf. Der Zutritt aus auf die γ:δ-Linie festgelegt. Es bilden sich CD25−-CD4−-CD8−-
dem Blut in den Thymus wird also streng kontrolliert. Auch wird CD44−-γ:δ-T-Zellen. γ:δ-T-Zell-Rezeptor tragende T-Zellen er­
der Thymus nicht von afferenten (zuführenden) Lymphgefäßen kennen die Antigene ohne gleichzeitigen Kontakt mit klassischen
versorgt. Zusammen mit der Blut-Thymus-Schranke wird so der MHC-Molekülen oder mit CD1-Molekülen. Sie wandern nach
Kontakt zu körper­fremden Antigenen verhindert. Es wird aber Verlassen des Thymus in epidermale Gewebe und in den Repro­
Lymphe über efferente Lymphbahnen aus dem Thymusmark in duktionstrakt. Ihre Aufgabe ist noch nicht vollständig geklärt,
die mediastinalen Lymphknoten abgeleitet. sie werden aber funktionell der natürlichen Immunantwort zu­
T-Vorläuferzellen können aufgrund der Wechselwirkung gerechnet. Neben den doppelt negativen (CD4−-CD8−) γ:δ-T-
des Chemokinrezeptors CXCR4 mit dem Chemokin CXCL12 Zellen gibt es auch einen kleineren Anteil (ca. 20 %) von CD8+
das Knochenmark verlassen und gelangen über das Blut zum γ:δ-T-Zellen, während es keine CD4+ γ:δ-T-Zellen gibt. Somit
Thymus. Dort passieren sie mithilfe des Zelladhäsionsmoleküls haben γ:δ-T-Zellen eine überwiegend cytotoxische Funktion.
CD44 und den Chemokinrezeptoren CXCR4 und CCR9 die Blut- Entsteht vor dem γ:δ-Rezeptor eine funktionelle β-Kette, er­
Thymus-Schranke an der Grenze von Thymusrinde und Thymus­ scheint diese mit einer α-Ersatzkette (Prä-T-Zell-α-Kette, pTα)
mark (corticomedullärer Bereich). Angelockt werden sie durch und CD3-Molekülen auf der Zelloberfläche der Thymocyten.
die Chemokine CXCL12 (Ligand von CXCR4) und CCL25 (Li­ CD25 verschwindet von deren Zelloberfläche. Die Expression
gand von CCR9). Im Gewebe des Thymus regulieren die jetzt als des Prä-T-Zell-Rezeptors unterbindet die Umlagerung weiterer
Thymocyten bezeichneten Vorläuferzellen den Chemokinrezep­ β-Ketten und die Umlagerung der γ- und δ-Gensegmente. Die
tor CCR9 herunter und folgen einem starken CXCL12-Gradien­ Zelle wird auf die α:β-Linie festgelegt. Es kommt nun zu raschen
ten in die äußerste Rindenregion, den subkapsulären Bereich. Zellteilungen. Dieses Stadium bezeichnet man als DN4. Nach
In der Rinde erfolgt der größte Teil der T-Zell-Entwicklung. Die Beendigung der Proliferation erfolgt zunächst die Expression
Thymocyten stehen dabei immer in engem Kontakt mit den des Corezeptors CD8 und dann beider Corezeptoren (CD4 und
Stromazellen, den corticalen Thymus-Epithelzellen. Diese Inter­ CD8). Die Zellen werden jetzt als doppelt positiv bezeichnet.
aktion, die essenziell für die weitere Entwicklung der T-Vorläu­ Dann beginnt die Genumlagerung der α-Kette. Thymocyten mit
ferzellen ist, verläuft unter anderem über den Rezeptor Notch 1 einer erfolgreich umgelagerten α-Kette exprimieren den endgül­
auf der Oberfläche der Thymocyten. Über ihn empfangen sie Si­ tigen α:β-T-Zell-Rezeptor. Jetzt treten die Zellen in die Selekti­
gnale von den Thymus-Epithelzellen, die sie auf die T-Zell-Linie onsprozesse ein, an deren Ende nur wenige immunkompetente
festlegen. Notch 1 regelt auch spätere Differenzierungsschritte. T-Zellen übrig bleiben und den Thymus verlassen dürfen.
Aber auch Wachstumsfaktoren (wie Stammzellfaktor(SCF)-1, Es gibt noch eine weitere Subpopulation α:β-T-Zell-Rezep­
T-Zell-Faktor-1), Cytokine (wie IL-2, IL-7) und Chemokine (wie tortragender Zellen, die anstelle von CD4 und CD8 den NK-
26 Kapitel 2  •  Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren

Exkurs 2.2: γδ-T-Lymphocyten  |       | 


1
Die große Mehrzahl aller T-Lymphocyten im Genauigkeit einzelne Aminosäureaustausche Todesrezeptor/-ligand-Signalweg (z. B. Fas/

2 peripheren Blut trägt einen Antigenrezeptor


(T-Zell-Rezeptor), der sich aus einer α- und
in diesen Peptiden unterscheiden. Demgegen-
über erkennen γδ-T-Zellen ihre Liganden in
Fas-Ligand) infizierte Zellen und Tumorzellen
zerstören. Schließlich gibt es Hinweise, dass
einer β-Kette zusammensetzt, die sehr eng der Regel ohne Präsentation durch klassische γδ-T-Zellen (ähnlich wie Treg) auch regulatori-
3 (aber nicht-kovalent) mit dem signalüber-
tragenden CD3-Molekülkomplex assoziiert
MHC-I- oder MHC-II-Moleküle. Grundsätzlich
handelt es sich bei den Antigenen für γδ-T-
sche Aktivität haben und darüber hinaus sogar
ähnlich gut wie dendritische Zellen Fremd-An-
sind. Die scheinbar grenzenlose Vielfalt des Zellen (soweit identifiziert) oft um stressindu- tigen aufnehmen, prozessieren und über
4 αβ-T-Zell-Rezeptor-Repertoires beruht u. a.
auf der großen Anzahl verfügbarer variab-
zierbare Moleküle, in Übereinstimmung mit
der Annahme, dass γδ-T-Zellen vor allem eine
MHC-Klasse-II- bzw. MHC-Klasse-I-Moleküle
den αβ-T-Zellen präsentieren bzw. „kreuzprä-
ler Keimbahn-Genelemente für die α- und Rolle in der Immunüberwachung gegenüber sentieren“ können. Neben den Antigenrezep-
5 β-Kette. Im Rahmen der somatischen Genum- „gestressten“ (d. h. infizierten oder transfor- toren exprimieren γδ-T-Zellen weitere Rezep-
lagerung wird dann in jeder einzelnen T-Zelle mierten) Zellen spielen. Die Liganden für toren, mit denen sie „Stress“ bzw. „Infektion“
während der T-Zell-Reifung im Thymus je ein γδ-T-Zellen schließen auch ungewöhnliche wahrnehmen können, wie z. B. den aktivieren-
6 spezifisches variables α- bzw. β-Ketten-Gen Moleküle ein, wie z. B. phosphorylierte Meta- den NK-Rezeptor NKG2D oder auch Toll-ähnli-
verwendet. Neben diesen αβ-T-Zellen mit bolite des Cholesterolstoffwechsels. Hierbei che Rezeptoren. Insgesamt werden γδ-T-Zellen
ihren vielfältigen Untergruppen (CD4, CD8, handelt es sich um Pyrophosphate, die von als Bindeglied zwischen angeborener und ad-
7 TH1, TH2, TH17, Treg) gibt es T-Lymphocyten, die vielen Bakterien im sog. Rohmer-Stoffwechsel- aptiver Immunität angesehen, da sie über den
einen alternativen sog. γδ-T-Zell-Rezeptor auf weg der Isoprenoidsynthese gebildet werden. T-Zell-Rezeptor nur in begrenztem Umfang
der Zelloberfläche tragen. Auch hier assoziiert Eukaryotische Zellen produzieren Isopentenyl- unterschiedliche Liganden sehen können und
8 das γδ-T-Zell-Rezeptor-Heterodimer mit dem pyrophosphat (IPP) im sog. Mevalonat-Stoff- andererseits funktionell aktive Rezeptoren der
signalvermittelnden CD3-Komplex. Im Keim- wechselweg der Cholesterolsynthese. Viele angeborenen Immunität exprimieren.

9 bahngenom sind jedoch deutlich weniger


variable Gensegmente verfügbar; so gibt es
Tumorzellen produzieren mehr IPP als nicht
transformierte Zellen, und IPP kann dann als
Weiterführende Literatur:
Kalyan S, Kabelitz D (2013) Defining the nature
beim Menschen nur jeweils 6 Vγ- und Vδ-Gene, tumorassoziiertes Antigen von γδ-T-Zellen of human γδ T cells: a biographical sketch of

10 die funktionell benutzt werden können. Im


Blut gesunder Erwachsener sind zwischen 2
erkannt werden. Nur die Vγ9Vδ2-T-Zellen des
Menschen können solche mikrobiellen oder
the highly empathetic. Cell Mol Immunol 10:
21–29
und 6 % aller T-Zellen γδ-T-Lymphocyten; in tumorabhängigen Pyrophosphatantigene Vantourout P, Hayday A (2013) Six-of-the-best:
11 anderen Organen können γδ-T-Zellen jedoch
einen erheblich größeren Anteil der T-Zellen
erkennen; dies erklärt, warum γδ-T-Zellen
sowohl in der Infektions- als auch in der
unique contributions of γδ T cells to immuno-
logy. Nat Rev Immunol 13: 88–100
ausmachen. Innerhalb der γδ-T-Zellen im Blut Tumorabwehr eine Rolle spielen.
12 finden sich besonders häufig Zellen, die einen
Vγ-9 Vδ2-T-Zell-Rezeptor tragen; diese Zellen
γδ-T-Zellen können vielfältige Funktionen aus-
üben, jeweils abhängig vom zellulären Kontext
können spenderabhängig bis zu 95 % der γδ-T- und dem umgebenden Cytokin-Milieu. So sind
13 Zellen im Blut umfassen. In Schleimhäuten wie γδ-T-Zellen in der Maus (offensichtlich weniger
z. B. im Dünndarm finden sich prozentual mehr beim Menschen) eine entscheidende Quelle
γδ-T-Zellen als im Blut, hier werden präferenzi- für die frühe IL-17-Produktion. In der Haut von
14 ell auch andere Vγ- und Vδ-Elemente benutzt. Mäusen findet sich ein dichtes Netzwerk von
Warum gibt es zwei unterschiedliche T-Zell-Re- dendritic epidermal T cells (DETC), die alle γδ-T-
zeptoren? Die naheliegende Annahme ist, Zellen mit einem spezifischen T-Zell-Rezeptor
15 dass αβ- und γδ-T-Zell-Rezeptoren unter- darstellen. γδ-DETC überprüfen kontinuierlich
schiedliche Antigene erkennen. Das ist in der die Integrität der Epidermis und erkennen
Tat der Fall. αβ-T-Zellen erkennen über ihren stressinduzierte Liganden auf Keratinocyten.
16 Antigenrezeptor Eiweißfragmente (Peptide), Mit der Produktion von Keratinocyten-Wachs-
die ihnen von antigenpräsentierenden Zellen tumsfaktor und ähnlichen Botenstoffen tragen

17 (insbesondere den dendritischen Zellen) auf


der Oberfläche von MHC-Klasse-I-Molekülen
sie zur Wundheilung bei. γδ-T-Zellen können
darüber hinaus – abhängig von Differenzie- Prof. Dr.  med. Dieter Kabelitz
(für CD8+-αβ-T-Zellen) bzw. MHC-Klasse-II-Mo- rungssignalen – die typischen TH1- und TH2-Cy- Institut für Immunologie
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
18 lekülen (für CD4-αβ-T-Zellen) präsentiert
werden. αβ-T-Zellen können mit unglaublicher
tokine produzieren, aber auch durch Sekretion
von Perforin und Granzymen oder über den

19
Zell-Marker NK1.1 exprimieren. Es handelt sich um NKT-Zellen. MHC-Klasse-II-Molekülen besetzt sind. Diese Zellen haben
20 Sie interagieren hauptsächlich mit CD1-Molekülen, haben eine zahlreiche Ausläufer, die ein Maschenwerk bilden und engen
nur geringe Diversität und sind in frühe Abwehrprozesse von Kontakt zu den zu selektierenden doppelt positiven Thymocyten
Infektionserregern involviert. aufweisen. All jene doppelt positiven T-Zellen müssen sterben,
21 die mit ihren α:β-T-Zell-Rezeptoren keine MHC-Klasse-I- oder
Selektionsprozesse im Thymus MHC-Klasse-II-Moleküle zu erkennen vermögen. Sie sind für
22 Doppelt positive T-Zellen sterben nach wenigen Tagen durch den Körper nutzlos. Da auch die Corezeptoren CD8 und CD4
Apoptose, wenn ihr T-Zell-Rezeptor die erste Prüfung nicht mit konstanten Bereichen der MHC-Klasse-I- beziehungsweise
erfolgreich besteht. Für diesen als positive Selektion bezeich­ der MHC-Klasse-II-Moleküle interagieren, bestimmt dieser
23 neten Prozess wandern die T-Zellen in die innere Region der Selektionsprozess auch die Art des zukünftig exprimierten Co­
Rinde. Die positive Selektion wird durch die Epithelzellen des rezeptors. Vereinfacht ausgedrückt, „verlieren“ T-Zellen, die mit
Thymuscortex durchgeführt, die dicht mit MHC-Klasse-I- und ihrem α:β-T-Zell-Rezeptor MHC-I-Moleküle erkennen, CD4. Sie
2.3  •  Die peripheren lymphatischen Organe
27 2

werden zu einfach positiven CD8-T-Zellen (CD8+-T-Zellen). Sol­ führen zur positiven Selektion und bewahren die T-Zellen vor
che T-Zellen, die an MHC-II-Moleküle binden, „verlieren“ CD8. dem programmierten Zelltod. Sehr starke Signale führen da­
Sie werden zu einfach positiven CD4-T-Zellen (CD4+-T-Zellen). gegen zur negativen Selektion und zur Apoptose der Zelle. Ob
Die CD8+-T-Zellen sind cytotoxische T-Zellen, die virusinfizierte nur die Affinität des T-Zell-Rezeptors zum Selbst-MHC-Selbst-
Zellen töten. Da Viren jede Zelle befallen können, werden die Peptid-Komplex oder aber auch die Zahl der an der Interaktion
viralen Antigene auf körpereigenen MHC-Klasse-I-Molekülen beteiligten Rezeptoren eine Rolle spielt, wird diskutiert.
präsentiert, die auf allen kernhaltigen Körperzellen vorkommen. Das Resultat der beiden Selektionsprozesse sind immun­
CD8+-T-Zellen erkennen fremde Antigene also im Komplex kompetente, einfach positive reife T-Zellen, die anhand ihres
mit MHC-Klasse-I-Molekülen. CD4+-T-Zellen sind T-Helfer­ Corezeptors unterschieden werden können. Die CD4+-T-Zellen
zellen. Sie koordinieren die Immunantwort und erkennen nur werden nach Aktivierung zu T-Helferzellen, die CD8+-T-Zellen
fremde Antigene, die von professionellen antigenpräsentieren­ dagegen zu cytotoxischen T-Zellen. Durch Interaktion zwischen
den Zellen aus der Umgebung aufgenommen, verarbeitet und dem auf ihrer Oberfläche exprimierten Chemokinrezeptor CCR7
auf MHC-Klasse-II-Molekülen präsentiert werden. Die Tatsa­ und seinem Liganden CCL19 im Bereich der Mikrozirkulation
che, dass sich die Bindungsspezifität des T-Zell-Rezeptors nicht verlassen die T-Zellen den Thymus über Blut- oder efferente
auf das präsentierte Peptid allein, sondern auf den Komplex aus Lymphgefäße. Mit der Lymphe gelangen sie über den Ductus
Peptid und MHC-Molekül bezieht, bezeichnet man als MHC-Re- thoracicus im linken Venenwinkel (Zusammenfluss von Vena
striktion. Sie kommt nur bei T-Zellen vor. subclavia und Vena jugularis interna zur Vena brachiocephalica)
Neben diesen konventionellen CD4+- oder CD8+-T-Zell-Sub­ wieder ins Blut. Die Lymphe im Ductus thoracicus ist aufgrund
populationen entsteht noch eine kleine Population CD4+-T-Zel­ der hohen Zahl an Lymphocyten weißlich gefärbt. Er wird des­
len, die das Oberflächenmolekül CTLA-4, den Transkriptions­ halb auch als Milchbrustgang bezeichnet. Naive α:β-T-Zell-Re­
faktor FoxP3 und besonders stark CD25 exprimieren. Bei diesen zeptor tragende T-Zellen und naive B-Lymphocyten zirkulieren
CD4+-CD25+-CTLA+-FoxP3+-α:β-T-Zellen handelt es sich um zwischen Blut und peripheren lymphatischen Organen, immer
natürliche regulatorische T-Zellen, die in der Peripherie Imm­ auf der Suche nach Fremd-Antigen.
unreaktionen unterdrücken. Über die Entwicklungs- und Selek­
tionsschritte dieser Zellen ist wenig bekannt.
Die T-Zellen müssen noch einen weiteren Selektionsschritt 2.3 Die peripheren lymphatischen Organe
durchlaufen, die negative Selektion. Sie erfolgt überwiegend bei
einfach positiven Thymocyten. Reagiert der T-Zell-Rezeptor ei­ Krankheitserreger können über die Schleimhäute oder Ver­
ner sich entwickelnden T-Zelle auf Selbst-Peptide, die von den letzungen der Haut in den Körper eindringen und an jedem belie­
MHC-Molekülen im Thymus präsentiert werden, sterben sie bigen Ort Infektionen auslösen. Um zu gewährleisten, dass Zellen
durch Apoptose, denn sie sind potenziell gefährlich für den Kör­ der adaptiven Immunantwort den Eindringling in dem aus ihrer
per. Diese negative Selektion findet sowohl im Cortex als auch Sicht riesigen Körper finden, werden Fremd-Antigene mithilfe
in der Medulla statt. Die Präsentation der Selbst-Peptide erfolgt antigenpräsentierender Zellen in die peripheren lymphatischen
durch verschiedene Zelltypen. Die wichtigsten sind die dendriti­ Organe transportiert, können aber auch direkt mit der Lymphe
schen Zellen, die vorwiegend im Thymusmark zu finden sind, aber (Lymphknoten), dem Blut (Milz) oder spezialisierten Zellen der
auch durch Makrophagen und Thymus-Epithelzellen (. Abb. 2.5). Schleimhaut (M-Zellen) dorthin gelangen. Über das Blut wan­
Hinsichtlich der Toleranzerzeugung gegenüber körpereige­ dern naive Lymphocyten in diese Antigensammelstellen, immer
nen Strukturen, stellen sich zwei Fragen. Wie kommen seltene auf der Suche nach Eindringlingen. Die peripheren lymphati­
beziehungsweise gewebespezifische Autoantigene in den Thy­ schen Gewebe stellen aber auch „Konferenzzentren“ dar, in denen
mus, denn es wird ja auch Toleranz gegen Proteine erzeugt, die sich antigenspezifische T- und B-Zellen treffen und miteinander
zum Beispiel nur in der Bauchspeicheldrüse oder nur in der und mit Zellen des angeborenen Immunsystems über direkte
Schilddüse vorkommen? Der Mechanismus, über den Peptide Zell-Zell-Kontakte oder mithilfe von Cytokinen, Wachstumsfak­
gewebespezifischer Proteine wie Insulin im Thymus exprimiert toren und Chemokinen kommunizieren: die Voraussetzung für
werden, ist noch nicht vollständig geklärt. Möglicherweise spielt die Auslösung einer Immunantwort. Zu den peripheren lympha­
ein sogenannter Autoimmunregulator bei diesem Prozess eine tischen Organen gehören Lymphknoten, Milz und das mucosa(­
entscheidende Rolle. Dieser kurz auch als AIRE (autoimmune schleimhaut)assoziierte lymphatische Gewebe (mucosa-associated
regulator) bezeichnete Transkriptionsfaktor schaltet im Thymus lymphoid tissues; MALT). Das MALT wird weiter unterteilt in das
Gene an, die normalerweise nur in der Peripherie vorkommen. darmassoziierte lymphatische Gewebe (gut-associated lymphoid
Das für den AIRE codierende Gen wird in Thymus-Epithelzellen tissues; GALT), das bronchienassoziierte lymphatische Gewebe
der Medulla exprimiert. Ist das Gen defekt, entstehen Autoim­ (bronchial-associated lymphoid tissue; BALT) und das nasenas­
munerkrankungen (▶ Kap. 9). soziierte lymphatische Gewebe (nose-associated lymphoid tissue;
Wie werden bei der Erzeugung der Toleranz gegenüber kör­ NALT). Obwohl Lymphknoten, Milz und MALT sich deutlich in
pereigenen Strukturen positive Selektion und negative Selektion ihrem Erscheinungsbild unterscheiden, zeigen sie aber alle den­
in Einklang gebracht? Hypothesen besagen, dass die Stärke des selben Grundaufbau und funktionieren nach demselben Prinzip:
Signals, das der T-Zell-Rezeptor und der Corezeptor nach Bin­ 1. Antigene werden in lymphatische Organe transportiert, fest­
dung des Selbst-MHC-Selbst-Peptid-Komplexes aussenden, über gehalten und wandernden ungeprägten (naiven) oder Ge­
das weitere Schicksal der T-Zelle entscheidet. Schwache Signale dächtnis-(Memory-)Lymphocyten präsentiert.
28 Kapitel 2  •  Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren

1 B-Zell-Follikel
B-Zell-Follikel

DC T-Zellen
2
3 HEV

4
a
5
afferentes
Lymphgefäß
6 sekundärer Lymphfollikel
mit Keimzentrum

7 Keimzentrum

Randsinus
8 corticaler Sinus
paracorticale Zone Primärfollikel
(T-Zell-Zone)
9
Markstrang Marksinus

10 altes Keimzentrum
Vene
efferentes Arterie
Lymphgefäß
11 b
.. Abb. 2.6  Der Lymphknoten. a) Immunfluoreszenzaufnahmen eines Lymphknotens. Linkes Bild: Dargestellt ist das periphere Lymphknoten-Adressin (peri-

12 pheral lymph node adressin; PNAd; rot) der HEV (high endothelial venules) eines Lymphknotens. Mittleres Bild: B-Zellen sind in Follikeln organisiert (grün), dendri-
tische Zellen (DC; rot) kommen vorwiegend in der T-Zell-Zone vor. Rechtes Bild: Dargestellt sind B-Zell-Follikel (grün) und T-Zellen (rot), die in der T-Zell-Zone
lokalisiert sind. b) Die Lymphknoten befinden sich dort, wo die Gefäße des lymphatischen Systems zusammenlaufen. Sie sind von einer Bindegewebskapsel
13 umgeben und werden in Rinde (Cortex) und Mark (Medulla) unterteilt. In der Rinde befinden sich die in Follikel organisierten B-Zellen ohne (Primärfollikel)
oder mit Keimzentrum (Sekundärfollikel). Die Follikel sind von der T-Zell-Zone (paracorticale Region) um­geben, in der antigenpräsentierende DC mit T-Zellen
interagieren. Das Mark besteht aus dem Mark­sinus und den Marksträngen, die Makrophagen und Plasmazellen enthalten. Die Lymphe gelangt über afferente
14 Lymphgefäße in den Lymphknoten, ergießt sich in Sinusbereiche und strömt von dort in die zellulären Regionen des Lymphknotens. Über das im Mark
entspringende efferente Lymphgefäß wird die Lymphe abgeführt. Über die Lymphe gelangen Makrophagen, DC und freie Antigene in den Lymph­knoten. Die
Lymphocyten wandern über die HEV des Blutgefäßsystems in den Lymphknoten ein und begeben sich in ihre jeweiligen Zonen. Sie verlassen den Lymphkno-
15 ten über das efferente Lymphgefäß (Einbahnstraßensystem). (b Verändert nach Murphy, Travers und Walport.)

2. Die Lymphocyten sind in T- und B-Zell-Zonen organisiert. chert mit Stoffwechselprodukten der Zellen, und im Falle einer
16 3. Primäre Immunantworten des spezifischen Immunsystems, Infektion auch mit aktivierten antigenpräsentierenden Zellen,
die bei Erstkontakt mit einem Antigen entstehen, werden nur freien Mikroorganismen und Entzündungsmediatoren, zum
17 hier ausgelöst. nächsten drainierenden Lymphknoten (sentinel lymph node)
transportiert. Die Lymphkapillaren vereinigen sich zu größeren
Im Folgenden sollen die peripheren lymphatischen Organe in Lymphgefäßen, die wiederum in übergeordnete Lymphgefäße
18 ihrem Aufbau beschrieben werden. übergehen. Die Lymphgefäße der Arme, Beine, des Darmes und
des linken Brustkorbs münden in den Ductus thoracicus, der
19 schließlich die Lymphe zurück in das zirkulierende Blut über­
Lymphgefäße und Lymphknoten führt. Die Lymphknoten befinden sich dort, wo die Gefäße des
20 lymphatischen Systems eines Drainagegebietes (z. B. Achselhöh­
Neben dem Blutgefäßsystem gibt es noch ein weiteres Gefäßsys­ len für die Arme; Leistenregion für die Beine) zusammenlaufen.
tem im Gewebe, das Lymphgefäßsystem. Dabei handelt es sich Lymphknoten haben eine bohnenförmige Gestalt
21 um ein Drainagesystem mit zwischengeschalteten Filterstellen, (. Abb. 2.6). Sie sind von einer Bindegewebskapsel umgeben,
den Lymphknoten. Im Gegensatz zum Blutgefäßsystem ist das die ein Netzwerk retikulärer Zellen enthält. Deren Fibrillen sind
22 Lymphgefäßsystem ein offenes System. Die am Ende offenen wiederum zu Sinusoiden organisiert. Die Lymphe, die über die
Lymphkapillaren beginnen fingerförmig im Extrazellularraum afferenten (zuführenden) Lymphgefäße die Lymphknoten er­
(Zellzwischenraum oder Interstitium) und sammeln die extrazel­ reicht, ergießt sich in die Sinusoide und von dort in die zellulären
23 luläre Flüssigkeit (Lymphe). Diese entsteht durch fortwährende Bereiche. Histologisch besteht der Lymphknoten aus einer außen
Druckfiltration aus dem Blut. Der überwiegende Teil wird von gelegenen Rinde (Cortex) und einem inneren Mark (Medulla).
kleinen Blutgefäßen wieder aufgesaugt. Der Rest wird, angerei­ Der äußere Bereich der Rinde enthält vor allem B-Zellen, Mak­
2.3  •  Die peripheren lymphatischen Organe
29 2

rote Pulpa

perifollikuläre Zone
a
B-Zell-Corona
Randzone
Organkapsel weiße Pulpa rote Pulpa

zentrale Arteriole

venöser Sinus Keimzentrum

trabekuläre PALS
Vene

b trabekuläre Arterie c

.. Abb. 2.7  Die Milz. a) Das Schema zeigt den Aufbau der Milz aus roter und weißer Pulpa. b) Die weiße Pulpa ist das eigentliche lymphatische Organ der
Milz. Sie umgibt die Zentralarteriolen, die von der Trabekelarterie abzweigen und das Blut schließlich wieder der Trabekelvene zuführen. b) und c) Direkt an
die Zentralarteriole grenzt die als periarterielle lymphatische Scheide (PALS) bezeichnete T-Zell-Zone. Sie wird von B-Zell-Follikeln umgeben. Sekundärfollikel
bestehen aus Keimzentrum und B-Zell-Corona. Um die Follikel erstreckt sich die Rand- oder Marginalzone. Die Randzone wird schließ­lich von der perifolliku-
lären Zone umgeben. In diese Region enden kleine Blutgefäße, die sich von der zentralen Arteriole abzweigen. Hier werden über Erythrocyten angelieferte
Immunkomplexe angereichert. (Verändert nach Murphy, Travers und Walport.)

rophagen und die nicht dem hämatopoetischen System entstam­ Die Milz
menden follikulär dendritischen Zellen. Die B-Zellen sind in Fol­
likeln organisiert, die unstimuliert als Primärfollikel bezeichnet Schon der griechische Arzt und Anatom Aelius Galenus (129–
werden. Einige B-Zell-Follikel enthalten Keimzentren. In diesen 216) nannte die menschliche Milz ein rätselhaftes Organ. Betrach­
proliferieren antigenaktivierte B-Zellen und reifen zu Plasmazel­ tet man ihre Histologie, trifft dies heute noch zu (. Abb. 2.7). Bei
len, nachdem sie Unterstützung von aktivierten T-Helferzellen Menschen ist dieses Organ faustgroß, wiegt 150 bis 200 Gramm
erhalten haben. Diese Follikel werden Sekundärfollikel genannt. und liegt direkt hinter dem Magen. Die Milz wird von einer Binde­
Die T-Zellen befinden sich im inneren Bereich der Rinde, der so­ gewebskapsel umgeben, die von Peritonealepithel bedeckt ist. Von
genannten paracorticalen Region. Neben den T-Zellen kommen der Kapsel ziehen Bindegewebstrabekel und einige glatte Mus­
hier antigenpräsentierende Zellen wie Makrophagen, vor allem kelzellen ins Innere des Organs und bilden das Stützgerüst. Die
aber DC vor. Die Medulla enthält Makrophagen und antikör­ Milz nimmt im Gegensatz zu anderen peripheren lymphatischen
persezernierende Plasmazellen. Während DC und Makrophagen Geweben nur Antigene aus dem Blut auf. Die Blutversorgung er­
mithilfe von Chemokinen aktiv aus dem Gewebe über die affe­ folgt über die Milzarterie (Arteria lienalis), die am sogenannten
renten Lymphgefäße in den Lymphknoten und in ihre entspre­ Hilus in das Organ eintritt. Sie verzweigt sich und verläuft in den
chenden Zonen gelangen, wandern T- und B-Zellen aus dem Blut Bindegewebstrabekeln als Trabekelarterie. Aus ihnen gehen die
routinemäßig über spezialisierte postkapilläre Venolen mit sehr im Zentrum der Milzknötchen mündenden Zentralarterien her­
hohem Endothel in die Lymphknoten ein. Diese Venolen werden vor. Ein Anschluss an das lymphatische System besteht nicht. Das
nach ihrer Funktion und morphologischen Struktur als high en- Leistungsgewebe (Parenchym) der Milz wird in die rote Pulpa
dothelial venules, kurz HEV, bezeichnet. Diese Rekrutierung wie und die weiße Pulpa unterteilt. Der größte Teil der Milz gehört
das Aufsuchen der T- beziehungsweise B-Zell-Zonen wird durch zur roten Pulpa. Sie sammelt und beseitigt gealterte rote Blut­
Adhäsionsmoleküle und Chemokine kontrolliert. Myeloide Zel­ körperchen. Die Milz ist sehr blutreich. Schwere Verletzungen
len können nicht über die HEV in die Lymphknoten eintreten. der Milz, die infolge von Unfällen und Rippenbrüchen auftreten,
Sie tragen zwar die dafür notwendigen Adhäsionsmoleküle, aber können zu schweren Blutungen in die Bauchhöhle führen.
die „falschen“ Chemokinrezeptoren. Dadurch können sie zwar Die weiße Pulpa, die in die rote Pulpa eingelagert ist, stellt
Kontakt aufnehmen und Rollen, aber keine Bindung mit dem das eigentliche lymphatische Gewebe der Milz dar. Sie liegt rund
Endothel eingehen (▶ Kap. 7). Die Venolen liegen innerhalb der um die Zentralarteriolen. Direkt an die Arteriole grenzt die peri­
paracorticalen Bereiche nahe der Grenze zur B-Zell-Zone. Wie arterielle lymphatische Scheide, die PALS (periarteriolar lymphoid
Antigen, B-Zellen und T-Zellen einander treffen, eine Immu­ sheath). Sie ist die T-Zell-Zone und entspricht der paracorticalen
nantwort auslösen und B-Zellen zu antikörperproduzierenden Region der Lymphknoten. Die PALS wird von B-Zell-Follikeln
Plasmazellen reifen, wird in ▶ Kap. 5 beschrieben. Die Lymphe umgeben, die als Primär- oder Sekundärfollikel auftreten kön­
fließt durch den Lymphknoten und verlässt ihn zusammen mit nen. Sekundärfollikel bestehen aus Keimzentrum und umgeben­
den T- und B-Zellen über das efferente Lymphgefäß, das in der der B-Zell-Corona (ruhende B-Zellen). Um die Follikel erstreckt
Medulla entspringt. sich die Rand- oder Marginalzone. Sie enthält DC, Makrophagen,
30 Kapitel 2  •  Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren

am Beispiel der Peyer-Plaques beschrieben werden (. Abb. 2.8).


1 Antigen M-Zelle Die Lymphocyten der Peyer-Plaques bilden eine große folliku­
läre Vorwölbung, in der sich zahlreiche B-Zell-Follikel befinden.
2 B-Zell-Follikel mit
dendritische
Zelle
Diese werden von T-Zellen umgeben. Die Peyer-Plaques besitzen
Keimzentrum
keine afferenten Lymphgefäße. Antigene werden aus dem Darm­
lumen über sogenannte Mikrofaltenzellen, kurz M-Zellen, der
3 Darmschleimhaut in die unter dem Epithel liegenden Peyer-Pla­
ques transportiert. Diese spezialisierten Darmepithelzellen liegen
4 ith
el genau über dem lymphatischen Gewebe und besitzen im Gegen­
ep satz zu den normalen Zellen der Darmschleimhaut (Enterocyten)
rm T-Zellen
Da
5 keinen Bürstensaum. DC, die unterhalb der M-Zellen lokalisiert
sind, nehmen Krankheitserreger und andere Antigene auf und
efferente transportieren sie in die T-Zell-Zone. Die Lymphocyten erlangen
6 Lymphgefäße über spezialisierte postkapilläre Venolen mit hohem Endothel
(HEV) des Blutgefäßsystems Zugang zu den Peyer-Plaques, ver­
7 lassen sie aber über efferente Lymphgefäße. Die T- und B-Zellen
.. Abb. 2.8  Die Peyer-Plaques. Sie gehören zum mucosaassoziierten der Mucosa sind eine besondere Untergruppe der Lymphocyten,
die anderen Homing-Mechanismen unterliegen als jene der pe­
8 lymphatischen Gewebe und befinden sich in der Darmschleimhaut. Die
Peyer-Plaques enthalten zahlreiche B-Zell-Follikel, die von T-Zellen umgeben ripheren Lymphknoten (▶ Kap. 5).
werden. Die Antigene werden aus dem Darmlumen über M-Zellen der
9 Darm­schleim­haut in die Peyer-Plaques transportiert. Auch die lymphatischen
Gewebe der Bronchien und der Nasenschleimhaut werden von M-Zellen be-
Literatur
deckt. DC phagocytieren die Antigene und trans­portieren sie in die T-Zell-Zo-
10 ne. Die Lymphocyten gelangen über spezialisierte postkapilläre Venolen mit
hohem Endothel (HEV) in die Peyer-Plaques, verlassen sie aber über efferente Butcher EC, Picker LJ (1996) Lymphocyte homing and homeostasis. Science
Lymphgefäße. (Verändert nach Murphy, Travers und Walport.) 272:60–66
11 Campbell JJ, Butcher EC (2000) Chemokines in tissue specific and microen-
vironment-specific lymphocyte homing. Curr Opin Immunol 12:336–341
wenige T-Zellen und ortsfeste B-Zellen. Die genaue Funktion der Campbell JJ, Pan J, Butcher EC (1999) Cutting edge: developmental switches in
12 ortsfesten B-Zellen, die nicht an der Rezirkulation der Lymphocy­ chemokine responses during T cell maturation. J Immunol 163:2353–2357
ten teilnehmen, ist nicht bekannt. Die Randzone wird schließlich Ciofani M, Knowles GC, Wiest FL, von Boehmer H, Zuniga-Pflücker JC (2006)
Stage-specific and differential notch dependency at the αβ and the γδ T
von der perifollikulären Zone umgeben. Diese Region stellt ein
13 Netz aus retikulären Fasern dar. Kleine Blutgefäße, die sich von der
lineage bifurcation. Immunity 25:105–116
Cyster JG (2000) Leukocyte migration: scent of the T zone. Curr Biol 10:R30–R33
zentralen Arteriole abzweigen, gehen in ein Netzwerk aus Gefäßen Ebert LM, Schaerli P, Moser B (2004) Chemokine-mediated control of T cell traffic
14 über und enden schließlich in der perifollikulären Zone. Mikroor­ in lymphoid and peripheral tissues. Mol Immunol 42:799–809
ganismen und andere Antigene, Antigen-Antikörper-Komplexe Fu W, Chen W (2004) Roles of chemokines in thymopoiesis: Redundancy and
regulation. Cell Mol Immunol 1:266–273
15 und Lymphocyten verlassen hier die Zirkulation durch offene, mit
Holtmeier W, Kabelitz D (2005) Gammadelta T cells link innate and adaptive
Blut gefüllte Bereiche. Antigene werden in den Randbereichen immune responses. Chem Immunol Allergy 86:151–183
von dendritischen Zellen und Makrophagen phagocytiert. Die
16 aktivierten dendritischen Zellen wandern in die T-Zell-Zone, die
Kirchner H, Kruse A, Neustock P, Rink L (1993) Cytokine und Interferone: Bo-
tenstoffe des Immunsystems. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
PALS, um das Antigen dort den T-Zellen zu präsentieren. Das Blut Laird DJ, von Andrian UH, Wagers AJ (2008) Stem cell trafficking in tissue de-

17 kehrt wahrscheinlich durch Lücken zwischen den Endothelzellen


velopment, growth and disease. Cell 132:612–630
Melchers F, ten Boekel E, Seidl T, Kong XC, Yamagami T, Onishi K, Shimizu T,
in das Gefäßsystem zurück und wird schließlich über eine Ven­ Rolink AG, Andersson J (2000) Repertoire selection by pre-B-cell-recep-
ole, die in die Trabekelvene mündet, der Milzvene (Vena lienalis)
18 zugeführt. Sie transportiert das Blut zur Pfortader.
tors, and genetic control of B-cell development from immature to mature
B-cells. Immunol Rev 175:33–46
Mortellarco A, Wong SC, Fric J, Ricciardi-Castagnoli P (2010) The need to iden-
19 tify myeloid dendritic cell progenitors in human blood. Trends Immunol
31:18–23
Das mucosaassoziierte lymphatische Gewebe Murphy K, Travers P, Walport M (2009) Janeway Immunologie, 7. Aufl. Spektrum
20 Akademischer Verlag, Heidelberg
Die Schleimhäute, unsere innere Oberfläche, sind ständig Erre­ Nemazee D (2006) Receptor editing in lymphocyte development and central
gern aus der Nahrung und Luft sowie auch den auf ihnen leben­ tolerance. Nat Rev Immunol 6:728–740
21 den kommensalen Mikroorganismen ausgesetzt. Hier erfolgen
Papayannopoulou T (2000) Mechanisms of stem-/progenitor-cell mobilization:
the anti-VLA-4 paradigm. Sem Hematol 37:11–18
die meisten Infektionen. Deswegen befindet sich in der Schleim­ Randolph GJ, Angeli V, Swartz MA (2005) Dendritic cell trafficking to lymph
22 haut, der Mucosa, ein ausgedehntes System von lymphatischen nodes through lymphatic vessels. Nat Rev Immunol 5:617–628
Geweben. Sie werden als MALT zusammengefasst. Innerhalb des Raulet DH (2004) Interplay of natural killer cells and their receptors with the
MALT unterscheidet man das GALT, das BALT und NALT. Zum adaptive immune response. Nat Immunol 5:996–1002
23 GALT gehören Rachenmandeln, Gaumenmandeln, Blinddarm
Raulet DH (2009) Natural Killer cells: Remembrances of things past. Current
Biology 19:R294–R296
und die Peyer-Plaques des Dünndarms. Der Aufbau des GALT,
das besser organisiert ist als das bronchienassoziierte Gewebe, soll
Literatur
31 2
Rescigno M, Urbano M, Valzasina B, Francolini M, Rotta G, Bonasio R, Granucci F,
Kraehenbuhl JP, Ricciardi-Castagnoli P (2001) Dendritic cells express tight
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teria. Nat Immunol 2:361–367
Starr TK, Jameson SC, Hogquist KA (2003) Positive and negative selection of T
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Steiniger B, Barth P (2008) Microanatomy and function of the spleen Advances
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Steiniger B, Barth P, Hellinger A (2001) The perifollicular and marginal zones of
the human splenic white pulp: Do fibroblasts guide lymphocyte immigra-
tion? Am J Pathol 159:501–512
Xiong N, Raulet DH (2007) Development and selection of γδ T cells. Immunol
Rev 215:15–31
33 3

Das angeborene Immunsystem


Hajo Haase

3.1 Barrieren – 34
3.2 Lösliche Faktoren – 34
3.3 Zelluläre Komponenten – 37
Literatur – 49

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
34 Kapitel 3  •  Das angeborene Immunsystem

Das angeborene Immunsystem basiert auf drei Prinzipien zur 3.2 Lösliche Faktoren
1 Abwehr von Infektionen. Zunächst ist ein Organismus für Patho-
gene nicht frei zugänglich. Alle Oberflächen, die Kontakt mit der Die Schutzwirkung der Haut und der Schleimhäute wird durch
2 Außenwelt haben, verfügen über Barrieren, die das Eindringen eine Reihe von löslichen Faktoren unterstützt, den antimikrobi-
von Krankheitserregern verhindern sollen. Zusätzlich dazu gibt ellen Peptiden. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von über
es eine Reihe löslicher Faktoren, die an der Abwehr von Mikroor- 20 unterschiedlichen Polypeptiden, die aufgrund ihrer Funktion
3 ganismen beteiligt sind. Werden diese beiden Barrieren über- zusammengefasst werden. Sie werden unter Normalbedingun-
wunden, treffen die Krankheitserreger auf Zellen, die in der Lage gen in geringer Menge konstitutiv freigesetzt und tragen dazu
4 sind, eine sofortige, unspezifische Immunreaktion durchzufüh- bei, dass Infektionserreger nicht in den Körper eindringen. Nach
ren. Unspezifisch bedeutet in diesem Fall, dass die Zellen nicht Verletzung oder Infektion werden diese Substanzen vermehrt
5 jeweils über einen für sie spezifischen Antigenrezeptor verfügen, ausgeschüttet – sowohl von den Keratinocyten der Haut, als auch
wie im Fall der erworbenen Immunität. Sie sind dennoch in der von neutrophilen Granulocyten.
Lage, gezielt und hoch effizient gegen Pathogene vorzugehen und Die bekanntesten Vertreter der antimikrobiellen Peptide ge-
6 zwischen Selbst und Fremd zu unterscheiden. hören zur Familie der Defensine. Die Defensine sind 29–34 Ami-
nosäuren lange Peptide, die hauptsächlich von neutrophilen
7 Granulocyten und Epithelzellen freigesetzt werden. Sie wirken
3.1 Barrieren toxisch auf Bakterien, Hefen, Pilze und Viren. Ursprünglich
glaubte man aufgrund ihrer bakteriziden Wirkung, dass es sich
8 Eine Reihe von Mechanismen, die uns täglich vor Infektionen bei den antimikrobiellen Peptiden um körpereigene Antibiotika
schützen, wird zunächst gar nicht mit dem Immunsystem in Ver- handeln würde. Später wurde festgestellt, dass diese Peptide noch
9 bindung gebracht. Viele Krankheitserreger sind nicht in der Lage, weitere Funktionen haben. Cathelicidine und mehrere andere
durch die intakten Epithelien der Körperoberfläche zu dringen. Peptide wirken zusätzlich zu ihren mikrobiziden Eigenschaften
10 Die Haut verfügt auf ihrer Außenseite über eine Schicht abge- auch noch als Inhibitoren bakterieller Proteasen und als chemo-
storbener Epithelzellen (Stratum corneum), die durch Talgdrü- taktische Faktoren zur Rekrutierung von Leukocyten. Mitglieder
sen mit Fetten versorgt und dadurch wasserundurchdringlich der S100-Proteinfamilie, wie Calprotectin, können Metallionen
11 gemacht werden. Allerdings ist die Haut mit einer Fläche von bis binden und dadurch Bakterien eine wichtige Grundlage für ihr
zu 2 m2 nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Oberfläche, über Wachstum entziehen. Andere antimikrobielle Peptide wie RNase2
12 die wir mit Mikroorganismen in Kontakt kommen können. Die und RNase3 wirken durch ihre enzymatische Aktivität antiviral.
Lungenschleimhaut ist mit ungefähr 100 m2 um ein Vielfaches Lysozym ist ein Enzym mit antimikrobieller Aktivität insbe-
größer, wird aber noch von den Schleimhäuten des Verdauungs- sondere gegen grampositive Bakterien. Es kommt in Tränenflüs-
13 apparats mit 200–300 m2 übertroffen. Diese Oberflächen haben sigkeit, Speichel und Mucus vor. Lysozym kann die Zellwand von
nicht nur eine passive Barrierefunktion, um das Eindringen von Bakterien aufbrechen, indem es im Peptidoglykan die Bindung
14 Pathogenen zu verhindern. Die Epithelien produzieren Proteine, zwischen N-Acetylmuraminsäure und N-Acetylglucosamin spal-
sogenannte Mucine, die als Schleim auf der Epithel­oberfläche tet.
15 für zusätzlichen Schutz sorgen. Ein weiterer aktiver Mechanis- Auch die Interferone werden zu den löslichen Komponenten
mus sind die Flimmer­epithelien im Respirationstrakt. Sie sind der angeborenen Immunabwehr gezählt. Sie werden bei einer
in der Lage, Schleim, Partikel und Mikroorganismen durch die Virusinfektion von den infizierten Zellen freigesetzt, um benach-
16 gerichtete Bewegung von Cilien aus den Atemwegen zu trans- barte Zellen vor einer Infektion zu schützen. Ihre Funktion wird
portieren. Zusätzlich tragen auch noch die extremen pH-Werte im Rahmen der Cytokine in ▶ Abschn. 7.1 vorgestellt.
17 im Verdauungsapparat dazu bei, Pathogene aus der Nahrung zu Die Akute-Phase-Proteine (APP) sind eine Gruppe von un-
inaktivieren. gefähr 40 vorwiegend in der Leber produzierten Plasmaprotei-
Nicht alle Mikroorganismen sind für den Menschen pa- nen, deren Konzentrationen sich während der akuten Phase einer
18 thogen und erfordern eine Immunreaktion. Insbesondere im Entzündung, aber auch bei chronischen Entzündungsprozessen,
Verdauungstrakt leben sie als Kommensalen auf Schleimhäu- um mindestens 25 % verändern. Proteine, deren Konzentration
19 ten, wo sie vom Immunsystem des Wirtes toleriert werden. Im ansteigt, wie CRP oder Serum-Amyloid A, werden als positive
menschlichen Darm leben über 100.000 Milliarden Bakterien, APP bezeichnet. Proteine, deren Konzentration sinkt, wie Albu-
20 die mindestens 400 verschiedenen Spezies angehören, darunter min und Transferrin, sind negative APP. Die Konzentrationsver-
Escherichia coli und verschiedene Angehörige der Lactobacillen änderungen treten unter anderem nach Infektionen, Traumata,
und Bifidobakterien. Ihre Anwesenheit verhindert die Ausbrei- chirurgischen Eingriffen und Verbrennungen auf. Ausgelöst wer-
21 tung von pathogenen Mikroorganismen, mit denen sie um den den sie durch proinflammatorische Cytokine, insbesondere IL-6.
gemeinsamen Lebensraum konkurrieren. Zahlreiche Spezies Das vermutlich bekannteste APP ist das CRP (C-reaktives
22 tun dies auch mit relativ aggressiven Mitteln: Sie sondern an- Protein). Es kann bei Entzündungen bis zum 1000-Fachen sei-
tibakterielle Substanzen ab, die, auch zum Wohle des Wirts- ner normalen Konzentration ansteigen und ist daher ein häufig
organismus, die Ausbreitung der pathogenen Konkurrenten verwendeter diagnostischer Marker für entzündliche Prozesse.
23 verhindern. Sein Name stammt daher, dass es mit dem C-Polysaccharid von
Pneumokokken reagiert. Es ist ein Bestandteil des angeborenen
Immunsystems und bindet an Pathogene und geschädigte Zellen,
3.2 • Lösliche Faktoren
35 3
.. Abb. 3.1  Ablauf der Komplementreaktion. Die Kom-
plementreaktion kann in vier Phasen eingeteilt werden. C1q MBL
C3
Zunächst wird die Reaktion durch einen von drei Wegen Masp Masp
R S
(klassisch, Lektin, alternativ) ge­startet. Beim klassischen und tick over

Mannose

Mannose
Lektinweg kommt es zu einer Spaltung von C4 und C2 nach C3a
Bindung von C1qrs an einen Immunkomplex oder MBL/
C3b
MASP an Mannose. Beim alternativen Weg kommt es zur
spontanen Spaltung von C3 (tick over). Nach Bindung von
Faktor B wird dieser durch den Faktor D gespalten. In allen klassischer Weg Lektinweg alternativer Weg
Wegen kommt es zur Bildung einer C3-Konvertase (C4b2b
oder C3bBb), die mehrere C3-Moleküle in C3a und C3b C4a B
spaltet. Das dabei entstehende C3b kann als Startpunkt für C4
C2a
C2 C3b
den alternativen Weg dienen, wodurch sich die Komple-
Ba B
mentaktivität amplifiziert. Der nächste Schritt ist die Bildung D
einer C3/C5-Konvertase (C4b2b3b oder C3bBb3b), durch die
der Faktor C5 geschnitten wird und weiteres C3b zu einer
Verstärkung der Reaktion führt. Basierend auf C5b kommt es
C2b Bb
dann zur Bildung des Membranangriffskomplexes, der mit
C4b C3b
einer Pore aus C9-Molekülen die Zielmembran lysiert

C3-Konvertasen
C3a
C3 C3b

C2b Bb
C3b C4b C3b C3b

C3/C5-Konvertasen

C5a C3a C3b

C5
C6 C7 C6
C3 C5b C8
C9 C9 C9 C9 C7
C8
C9

Membranangriffskomplex (MAC)

wodurch es das Komplementsystem und Phagocyten aktivieren der Nähe seines Entstehungsortes und ist an der weiteren
kann. Weitere APP sind das Serum-Amyloid A, dessen Konzen- Reaktion beteiligt. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe
tration sich ebenso deutlich verändern kann wie beim CRP, und von Abbauprodukten der großen Fragmente, beispielsweise
das an der Blutgerinnung beteiligte Fibrinogen. Zu den APP zäh- C3d. Sie werden im Folgenden aus Gründen der Übersicht-
len auch mehrere Proteine, die zum Komplementsystem gehö-
ren. Aufgrund seiner großen Bedeutung für die Immunabwehr
wird das Komplement in den folgenden Abschnitten gesondert
diskutiert.
- lichkeit alle unter der Bezeichnung „b“ zusammengefasst.
Das kleinere Fragment („a“) diffundiert weg und dient
dazu, die Aktivierung des Komplementsystems an die zellu-
läre Immunabwehr zu kommunizieren1.

Es gibt drei Wege der Komplementaktivierung (. Abb. 3.1):


Die Aktivierung des Komplementsystems 1. Der Lektinweg beginnt mit dem MBL(mannosebindenden
Lektin)-Protein. MBL bindet an Zuckerstrukturen (Mannose)
Das Komplementsystem besteht aus über 60 verschiedenen Kom- auf der Oberfläche von Bakterien. Dies führt zur Aktivierung
ponenten und Spaltfragmenten, die zusammen in der Lage sind, von MASP(MBL-assoziierte Serinprotease)-1, -2 und -3. Die
Pathogene effektiv anzugreifen und zu zerstören (▶ Exkurs 3.1). MASP sind Proteasen und spalten das Komplementprotein
Nach der Aktivierung kommt es zu einer Kaskade von Plas- C4 in zwei Teile. Der größere Teil (C4b) bindet kovalent an
maproteinen, sogenannten Komplementfaktoren, die sich ak- in der Nähe befindliche Biomoleküle, meist die Membran
tivieren. Im ersten Teil der Komplementkaskade geschieht das des Erregers, der die Komplementreaktion ausgelöst hat.
durch die proteolytische Spaltung inaktiver Vorläuferproteine in

-
jeweils zwei Spaltprodukte:
Ein Größeres, das durch Anhängen eines „b“ an den
ursprünglichen Namen bezeichnet wird. Es verbleibt in
1 Dies ist eine vereinheitlichte Nomenklatur. In der Literatur wird in der Regel
das kleinere Spaltprodukt von C2 als C2b und das größere als C2a bezeich-
net.
36 Kapitel 3  •  Das angeborene Immunsystem

1 .. Tab. 3.1  Funktionen des Komplementsystems

Funktion Mediatoren Mechanismus


2 Opsonisie­rung C3b, C4b, C1q Bindung der Mediatoren an die Pathogenoberfläche (C3b und C4b kovalent), Erkennung
durch CR1-, CR3-, CR4-, CRIg-, C1qR-, SIGNR1-Rezeptoren auf Phagocyten

3 Chemotaxis C5a, C3a, (C4a) Werden über Komplementrezeptoren (u. a. C3aR und C5aR) auf Granulocyten, Monocyten,
DC und T-Zellen erkannt und rekrutieren die Zellen zum Ort der Komplementreaktion

4 Entzündung C5a, C3a, (C4a) Die durch die Chemotaxis angelockten Zellen werden durch die Komplementfaktoren
gleichzeitig aktiviert und schütten Entzündungsmediatoren aus

5 Lyse C5b, C6, C7, C8, C9 (= MAC) Bildung einer Pore in der Membran des Pathogens, die zum Zusammenbruch des Membran-
potenzials und dem Ausströmen des Cytoplasmas führt

Aktivierung von C3b Bindung von C3b an den CR2 (= CD21) auf B-Zellen sorgt für die Bildung des B-Zell-Gedächt-
6 B-Zellen nisses (präziser ein Folgespaltprodukt von C3b, das C3d)

Entsorgung von C3b, C4b Immunkomplexe werden durch den klassischen Weg mit C3b und C4b markiert. Diese
7 Immun­komplexen werden über den Komplement­rezeptor CR1 auf Erythrocyten gebunden, die die Immun­
komplexe zum Abbau in die Milz transportieren. Außerdem können Phagocyten über CR1
Immunkomplexe endocytieren
8
Das kleinere Spaltprodukt des Proteins (C4a) bleibt in Lö- also dazu, die Reaktion des Komplementsystems auf Ziele
9 sung. Als Nächstes wird C2 von C4b gebunden und durch die zu lenken, die durch das spezifische Immunsystem markiert
MASP gespalten. C2b bleibt an C4b gebunden und die beiden werden. Die Mechanismen, die nach der Erkennung des Im-
10 bilden einen heterodimeren Proteinkomplex (C4b2b). Dieser munkomplexes ablaufen, sind allerdings genau die gleichen
wird auch als C3-Konvertase bezeichnet, weil er in der Lage wie bei den beiden zuvor beschriebenen Wegen. Das erste
ist, das nächste Protein in der Kaskade zu spalten: C3. Protein des klassischen Wegs, C1q, bindet an die konstanten
11 Die C3-Konvertase spaltet mehrere C3. Wie C4b, so enthält Teile von Antikörpern des Typs IgM und IgG. Da es immer
auch das C3b eine hochreaktive Thioestergruppe, durch die mindestens zwei Fc-Teile binden muss, um aktiviert zu wer-
12 es sich kovalent an Biomoleküle in seiner Umgebung binden den, ist das multimere IgM ein besonders guter Aktivator für
kann. Lagert sich ein C3b an die C3-Konvertase an, bildet C1q. In seinem Aufbau aus sechs identischen Untereinheiten
sich dabei die C3/C5-Konvertase (C4b2b3b). Wie der Name und seiner Funktion entspricht C1q dem MBL-Protein aus
13 schon andeutet, spaltet sie C5 in C5a und C5b und weiterhin dem Lektinweg. Genau wie MBL bindet auch C1q an andere
C3. C5 ist das letzte Protein, das in der Komplementkaskade Proteine, in diesem Fall C1r und die Serinprotease C1s. C1s
14 gespalten wird. spaltet als nächstes C4 und C2. Von hier an entspricht der
2. Der alternative Weg braucht keinen besonderen Auslöser. Er weitere Ablauf dem des Lektinwegs.
15 beruht auf der spontanen Aktivierung des Komplementfak-
tors C3, die ständig im Körper abläuft. Dieser Prozess wird Alle drei Wege führen über eine C3-Konvertase letztendlich zur
als tick over bezeichnet. Ein kleiner Teil der C3-Proteine hy- Bildung einer C3/C5-Konvertase und damit zu einem gemein-
16 drolysiert in der Zirkulation spontan zu C3a und C3b, und samen weiteren Verlauf der Komplementreaktion. Das gebildete
C3b bindet an den Faktor B. C3b muss dabei an eine Ober- C5b verbindet sich mit C6, C7, C8 und bis zu 16 C9-Proteinen, die
17 fläche binden. Liegt kein Reaktionspartner (Hydroxylrest eine Pore in der Membran des Pathogens bilden, den sogenannten
von Proteinen oder Zuckern) vor, so reagiert C3b mit Wasser Membranangriffskomplex (MAC, membrane attack complex).
und wird inaktiviert. Der Komplex von C3b und Faktor B
18 wird durch den Faktor D gespalten, sodass ein Heterodimer
C3bBb entsteht. C3bBb ist eine alternative Form der C3-Kon- Funktionen des Komplementsystems
19 vertase und kann weiteres C3 spalten. Da C3b auch beim
Lektinweg (und wie wir unten sehen werden auch beim klas- Im Rahmen der Aktivierung des Komplementsystems wird eine
20 sischen Weg) entsteht und dabei natürlich auch den Faktor B Reihe von Faktoren gebildet, die eine Funktion in der Immun-
binden kann, läuft der alternative Weg auch immer als Folge abwehr haben. Durch sie kann das Komplementsystem direkt
einer Aktivierung der anderen beiden Komplementwege ab. Pathogene angreifen, sie für den Angriff durch Phagocyten mar-
21 C3bBb kann sich mit einem weiteren C3b zum C3bBb3b kieren oder Zellen zum Ort der Infektion leiten und eine Entzün-
verbinden. Dies ist die sogenannte C3/C5-Konvertase des dung auslösen (. Tab. 3.1).
22 alternativen Wegs, die C5 in C5a und C5b spaltet. Die direkte Wirkung auf Pathogene beruht auf der Bildung
3. Der klassische Weg basiert auf der Erkennung eines Immun- des MAC. C5b verbindet sich nacheinander mit C6, C7 und C8,
komplexes aus Antigen und Antikörpern. Streng genommen wobei hydrophobe Teile der Proteine exponiert werden und mit
23 gehört dieser Weg damit nicht ausschließlich zum angebo- der Lipidmembran interagieren können. C8 dringt in die Mem-
renen Immunsystem, da er von einem Produkt des spezifi- bran ein und destabilisiert sie dadurch. Zusätzlich löst es die Po-
schen Immunsystems abhängig ist. Der klassische Weg dient lymerisierung mehrerer C9-Moleküle aus. Dabei wird eine Pore
3.3 • Zelluläre Komponenten
37 3

gebildet, die die Zielmembran lysiert. Bei ausreichender Anzahl Regulation und Inaktivierung
von Poren kommt es zum Zusammenbruch sämtlicher Konzen- des Komplementsystems
trationsgradienten und zum Tod der Zielzelle.
Durch die Bindung von Komplementfragmenten, insbeson- Proteine, die ohne jegliche Kontrolle eine Immunreaktion aus-
dere C3b und C4b, auf der Oberfläche von Pathogenen erfolgt führen, stellen eine potenzielle Gefahr für den Organismus dar.
deren Opsonisierung („Schmackhaftmachen“). Da C3b und C4b Der alternative Weg wird ständig spontan aktiviert, und durch die
kovalent an die Erregeroberfläche binden, wird diese stabil mar- C3-Konvertase aller Wege kann eine große Menge C3 umgesetzt
kiert. Aufgrund dessen kann sie von den im nächsten Abschnitt werden, die sich durch den alternativen Weg noch weiter ampli-
näher beschriebenen neutrophilen Granulocyten und Makro- fiziert. Das Komplementsystem kann Membranen lysieren, Ent-
phagen, die Rezeptoren für Komplementfragmente auf ihrer zündungsreaktionen auslösen und Immunzellen anlocken. Selbst-
Oberfläche tragen, besser erkannt und phagocytiert werden. verständlich muss es daher Mechanismen geben, die dafür sorgen,
Auch die kleinen Spaltprodukte C5a, C3a und in geringe- dass das Komplement an der richtigen Stelle aktiviert wird, die
rem Maße auch C4a haben eigene Funktionen im Rahmen der das Ausmaß der Komplementreaktion begrenzen, es nach getaner
Immunreaktion. Neutrophile Granulocyten, Lymphocyten, Arbeit inaktivieren und sicherstellen, dass nur Pathogene, nicht
Mono­cyten/Makro­phagen und Mastzellen können sie durch aber eigene Zellen angegriffen werden. Die wichtigsten Komple-
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren wie C3aR und C5aR wahr- mentregulatoren sind in . Tab. 3.2 zusammengefasst.
nehmen. Durch diese Rezeptoren wird Chemotaxis ausgelöst Zu den Proteinen, die das Komplement gezielt an Stellen
und die Zellen werden zum Ort der Komplementreaktion ge- aktivieren, an denen seine Reaktion erwünscht ist, gehört Pro-
leitet. Darüber hinaus verstärkt Kontakt mit den Komplement­ perdin. Zum einen stabilisiert es die C3- und die C3/C5-Kon-
fragmenten den oxidative burst von neutrophilen Granulocy- vertasen des alternativen Wegs, weshalb der alternative Weg
ten, reduziert ihre Neigung zur Apoptose und führt in einer auch Properdinweg genannt wird. Zum anderen kann es an die
Reihe von anderen Zellen zur Aktivierung und Produktion Oberfläche von Pathogenen und apoptotischen Zellen binden
von inflammatorischen Cytokinen. Außerdem löst eine Akti- und die Komplementreaktion dorthin lenken. Eine ganze Reihe
vierung durch die Komplementfragmente die Degranulierung von anderen Faktoren dient dazu, die Komplementreaktion zu
von Mastzellen aus. Daher werden C5a, C3a und C4a auch als begrenzen. Dies ist besonders wichtig, um den Schutz der kör-
Anaphylatoxine bezeichnet. pereigenen Zellen sicherzustellen. Daher gibt es Vertreter der
Das Komplementsystem spielt auch eine Rolle bei der Ak- membrangebundenen Komplementinhibitoren (CD46, CD55,
tivierung der spezifischen Immunität. Hier ist es insbesondere CD59) auf der Oberfläche von allen Körperzellen, um deren
wichtig für das B-Zell-Gedächtnis, also die effizientere Produk- Lyse zu verhindern. Die Bedeutung dieser Proteine wird beim
tion von Antikörpern gegen ein bereits bekanntes Antigen. Das Krankheitsbild der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie
dafür benötigte CD21 ist ein Oberflächenmolekül auf B-Zel- (▶ Kap. 17) deutlich. Dieser Krankheit liegt ein Gendefekt am
len, das auch als Komplementrezeptor CR2 bekannt ist. Seine GPI-Ankerprotein zugrunde, das CD55 und CD59 auf der Plas-
Rolle bei der Bildung des B-Zell-Gedächtnisses kann durch das mamembran festhält. Dadurch kommt es insbesondere zur Lyse
Schlangengift CVF (cobra venom factor) sichtbar gemacht wer- von Erythrocyten, weil diese den dritten Regulator, CD46, nicht
den. CVF wirkt, indem es unter Beteiligung der Faktoren B und auf ihrer Oberfläche haben.
D eine C3-Konvertase bildet und den alternativen Weg aktiviert.
Dabei werden große Mengen Komplement verbraucht. Gibt man
CVF vor dem Erstkontakt mit einem Antigen, kann dieses nicht 3.3 Zelluläre Komponenten
mehr durch C3b markiert werden. Aufgrund dessen kommt es
beim Kontakt mit der B-Zelle zu keinem Signal über CD21 und Granulocyten
dadurch auch nicht zur Bildung eines B-Zell-Gedächtnisses. Die-
ses Experiment zeigt, dass die Interaktion von CD21 mit C3b Es gibt drei Arten von Granulocyten: neutrophile, eosinophile
während der Primärantwort essenziell für die verbesserte Anti- und basophile. Die neutrophilen sind zahlenmäßig die größte
körperantwort bei einer Sekundärinfektion ist. Gruppe und stellen im Blut über 95 % der Granulocyten, die eo-
Zusätzlich trägt das Komplement auch dazu bei, dass im sinophilen 1–3 % und die basophilen < 1 %. Sie entwickeln sich,
Körper aufgeräumt wird. Immunkomplexe im Blut, die durch zusammen mit den Mastzellen und den mononucleären Phago-
den klassischen Weg mit C3b und C4b markiert wurden, kön- cyten, aus dem gemeinsamen myeloischen Vorläufer im Kno-
nen von Erythrocyten durch den Komplementrezeptor CR1 chenmark. Die myeloiden Zellen bilden, zusammen mit den aus
gebunden werden. Auf diese Weise gelangen sie in die Milz. der lymphoiden Reihe stammenden NK-Zellen, die Zellen des
Dadurch wird nicht nur sichergestellt, dass sie sich nicht in der angeborenen Immunsystems.
Peripherie ablagern und dort durch Komplementaktivierung eine
unerwünschte Entzündungsreaktion auslösen. Da die Milz ein Neutrophile Granulocyten
sekundäres lymphatisches Organ ist, dienen die Antigene dort Wie im ▶ Kap. 2 schon dargestellt, werden die Neutrophilen in
auch zur Auslösung der adaptiven Immunantwort. Darüber hi- großen Mengen im Knochenmark produziert und ins Blut ab-
naus werden durch das Komplementsystem auch körpereigene gegeben. Signale, die von Pathogenen ausgehen, beispielsweise
apoptotische Zellen markiert, was zur schnelleren Phagocytose chemotaktische Komplementfragmente, oder die Chemokine
und damit der Beseitigung ihrer Überreste führt. geweberesidenter Makrophagen führen zu einer Einwanderung
38 Kapitel 3  •  Das angeborene Immunsystem

1 .. Tab. 3.2  Regulatoren des Komplementsystems

Aktivatoren

2 Regulator Ligand Regulierter Weg Mechanismus

Properdin C3bBb, C3bBb3b A Stabilisiert die Konvertasen des alternativen Wegs


3 Faktor D B A Spaltung von B in Bb

Inhibitoren
4 Regulator Ligand Regulierter Weg Mechanismus

C1INH (C1-Esterase) C1r-C1s, MASP2 K, L Inhibitor der Serinproteasen


5
C4BP C4b2b K, L Inaktiviert die C3-Konvertase vom klassischen und Lektinweg
durch Verdrängung von C2b
6 Faktor H C3bBb A Inaktiviert die C3-Konvertase des alternativen Wegs durch
Verdrängung von Bb
7 Faktor I C3b, C4b K, A, L Spaltet C3b und C4b

CD46 (MCP, membrane cofactor protein) C3b, C4b K, A, L Cofaktor für die Spaltung von C3b und C4b durch Faktor I
8 CD55 (DAF, decay-accelerating factor) C4b2b, C3bBb K, A, L Beschleunigt den Zerfall der C3-Konvertasen

CD59 (Protectin, MAC-Inhibitor) MAC K, A, L Hemmt die Bildung des MAC


9 Carboxypeptidase N C5a, C3a, C4a K, A, L Inaktiviert die Anaphylatoxine durch proteolytische Spaltung

10 CR1 (CD35) C4b2b, C3bBb K, A, L Beschleunigt den Zerfall der C3-Konvertasen

K: klassischer Weg; A: alternativer Weg; L: Lektinweg

11
ins Gewebe. Die Funktion der neutrophilen Granulocyten ist Er beginnt damit, dass zwischen zu phagocytierenden Patho-
12 einfach: Fressen und Töten. Ihre Aufgabe ist es, zwei Arten von genen oder apoptotischen Zellen auf der einen Seite und intakten
Partikeln möglichst schnell zu beseitigen. Zum einen apoptoti- Zellen auf der anderen Seite unterschieden werden muss. Dafür
sche Zellen, deren Fragmente schnell und unauffällig entfernt gibt es verschiedene Rezeptoren, die an Liganden auf der Ober-
13 werden müssen, bevor es zu einer entzündlichen Reaktion fläche von Partikeln binden können. Die meisten Partikel werden
kommt. Zum anderen pathogene Organismen (wie Bakterien dabei gleichzeitig von mehreren Rezeptoren erkannt, die dann
14
15
und Pilze), bevor sie sich im Wirt ausbreiten können. Dies ge-
schieht durch Phagocytose. Danach werden die so entstandenen
Phagosomen mit Granula verschmolzen, in denen sich mikro- -
zusammen die Phagocytose auslösen und synergistisch wirken.
Der Mannoserezeptor erkennt charakteristische Zucker-
strukturen aus Mannose und Fucose auf der Oberfläche

16
bizide Substanzen befinden, die die Pathogene abtöten. Parallel
dazu kommt es auch zur Freisetzung von Substanzen, die che-
motaktisch wirken, wie IL-8 (CXCL8). Aufgrund ihrer geringen
Lebensdauer sterben neutrophile Granulocyten relativ schnell
- von Pathogenen.
Wie oben bereits erwähnt, kann auch die Bindung von
Komplementspaltprodukten wie C3b und C4b die Oberflä-
che eines Partikels opsonisieren, also dessen Phagocytose
17 durch Apoptose und ihre Überreste werden von anderen Zellen, steigern. Die Erkennung dieser Proteine geschieht durch
wie Makrophagen, phagocytiert. In den letzten Jahren wurde die Komplementrezeptoren CR1, CR3 und CR4. In nicht
noch ein alternativer Mechanismus entdeckt, bei dem die Gra- weiter aktivierten Zellen stellen diese Rezeptoren nur den
18 nulocyten ihre DNA freisetzen, um in den dabei entstehenden Kontakt zum Partikel her, und erst nach Aktivierung durch

19
20
Netzen Erreger zu fangen.

Phagocytose
Auch wenn die meisten Körperzellen prinzipiell die Fähigkeit
- Cytokine kommt es zur Phagocytose.
Opsonisierung erfolgt auch durch an die Oberfläche gebun-
dene Antikörper. Diese werden über mehrere verschiedene
Fc-Rezeptoren auf der Phagocytenoberfläche gebunden.
zur Phagocytose haben, basiert die phagocytotische Beseitigung IgM und IgG tragen zusätzlich auch durch ihre Funktion
von Partikeln hauptsächlich auf zwei Zelltypen, den neutrophi- als Auslöser des klassischen Komplementwegs zur Opsoni-

-
21 len Granulocyten und den Makrophagen. Trotzdem die Phago- sierung bei.
cytose bei beiden Zellarten nicht identisch abläuft, basiert sie Scavenger-Rezeptoren erkennen apoptotische Zellen durch
22 auf gemeinsamen Grundprinzipien, die im Folgenden für beide Bindung an Phosphatidylserin auf der Außenseite von
Zelltypen zusammengefasst sind. Membranen oder durch Veränderungen in der Glykosylie-
Phagocytose ist die Aufnahme von Partikeln, üblicherweise rung auf der Zelloberfläche. Sie führen zur Aktivierung
23 mit einer Größe von 1 µm oder mehr, indem sie von der Plasma- der Phagocytose, ohne Freisetzung entzündlicher Medi-
membran des Phagocyten umschlossen werden. Dieser Prozess atoren und den Einsatz cytotoxischer Granula, denn eine
läuft in mehreren Schritten ab (. Abb. 3.3): Abtötung ist in diesem Fall nicht notwendig, sondern wäre
3.3 • Zelluläre Komponenten
39 3

Exkurs 3.1: Komplement als Gefahrensensor des Immunsystems  |       | 


Das Komplementsystem übernimmt als Teil Sensoren finden sich nicht nur bei Wirbeltie- Protein oder dem Serum-Amyloid P aus der
des angeborenen Immunsystems wichtige ren, sondern mit ganz ähnlicher Struktur auch Pentraxin-Familie.
Aufgaben bei der Erkennung und Abwehr von bei Insekten. Diese Immun- oder Gefahrensen- Ein weiterer Mechanismus, mit dem das
Pathogenen. Faszinierende Entdeckungen der soren (GS) erkennen sowohl hochkonservierte Komplementsystem Gefahren erkennt, ist
letzten fünf Jahre zeigen, dass das Kom- Strukturen von Bakterien, Parasiten oder Viren das sogenannte missing self-Prinzip. Intakte,
plementsystem nicht nur für Infektiologen als auch Strukturen, die z. B. während der vitale körpereigene Zellen schützen sich
von Interesse ist. Tatsächlich ist es Teil eines Apoptose auf körpereigenen Zellen exprimiert vor komplementvermittelter Lyse durch
Netzwerks des angeborenen Immunsystems, werden. Die GS können entweder löslich in membranständige Regulatorproteine wie
welches die Integrität unseres Organismus Körperflüssigkeiten wie z. B. im Blut vorliegen CD35, CD55, CD46 oder CD59. Im Rahmen des
garantiert und uns „gesund“ sein lässt. Fehl- oder auf bzw. in Zellen lokalisiert sein. Zu den apoptotischen Zelluntergangs kommt es zu ei-
funktionen des Systems sind nicht nur mit ei- löslichen GS gehört eine Reihe von Komple- nem Verlust dieser Regulatorproteine (altered
ner erhöhten Anfälligkeit für schwerwiegende mentfaktoren; die sogenannten Toll-ähnlichen self), sodass es zur ungebremsten Ablagerung
Infektionen verknüpft, sondern auch mit der Rezeptoren (TLR) bilden eine wichtige Gruppe von C3-Fragmenten auf der apoptischen Zelle
Entwicklung von allergischen Erkrankungen der zellulären GS. kommt, die damit zu einem attraktiven Ziel für
und Autoimmunerkrankungen. Im Konzept des Gefahren-Sensings nimmt das Phagocyten wird. Dieses Prinzip des missing
Lange Zeit sahen Immunologen die Haupt- Komplementsystem eine wesentliche Rolle self ist ein weit verbreitetes Erkennungsprin-
aufgabe des Immunsystems in der Unter-
scheidung zwischen körpereigen und fremd.
Ausgehend von dieser Sichtweise bestand -
wahr, indem es:
wichtige GS zur Verfügung stellt, die kon-
servierte Strukturen infektiöser als auch
zip des Immunsystems und wird z. B. auch
von natürlichen Killerzellen angewendet, die
durch die Anwesenheit von MHC-Klasse-I-Mo-
die zentrale Aufgabe des Immunsystems im
Schutz und der Abwehr von Gefahren, die au-
ßerhalb unseres Körpers lauern, wie z. B. bakte-
rielle, parasitäre oder virale Krankheitserreger.
- nichtinfektiöser Genese erkennen und
als Gefahren-Transmitter fungiert und
indem es durch zellgebundene Komple-
mentrezeptoren Spaltprodukte von C3
lekülen (MHC = major histocompatibility

complex,  Abschn. 12.1) in ihrer Killeraktivität
gebremst werden.
Im Zuge der Gefahrenerkennung steht das
Tatsächlich ist die Integrität und Funktion und C5 erkennt und die Information „Ge- Immunsystem vor dem Problem, die Gefahr
unseres Organismus nicht nur durch exogene fahr im Verzug“ in eine adäquate zelluläre bewerten zu müssen. Gefahren als Folge sich
Gefahren, sondern auch durch endogene Ge- Immunantwort übersetzt. wiederholender physiologischer Prozesse, wie
fahren bedroht, wie z. B. durch körpereigene Schlüsselmoleküle, die konservierte Gefahren- z. B. die Aufnahme von Fremdsubstanzen über
Zellen, die einen natürlichen Zelltod erleiden strukturen erkennen, sind C1q und mannose- mucosale Oberflächen der Lunge oder des
(Apoptose) und als „Zellmüll“ erkannt und bindendes Lektin (MBL) sowie Properdin. Mit Darmes oder der Anfall apoptotischer Zellen,
beseitigt werden müssen. Die Aufgabe des diesen Molekülen erkennt das Komplement- müssen anders bewertet werden als das
Immunsystems ist demnach komplexer und system ein weites Spektrum von Mikroorga- Eindringen eines hochpathogenen Erregers
beinhaltet sowohl die Erkennung und Abwehr nismen sowie auch Prionen, die mit großer oder die Zerstörung von Gewebe infolge eines
von exogenen als auch endogenen Gefahren. Wahrscheinlichkeit für die Creutzfeldt-Ja- ischämischen Gewebeschadens. Nachfolgend
Um diese enorme Aufgabe zu bewältigen, hat kob-Krankheit beim Menschen, BSE („Rin- werde ich Ihnen am Beispiel der Regulation
sich im Lauf der Entwicklung von primitiven derwahn“) beim Rind oder Scrapie (Traber- von mucosaler Toleranz in der Lunge und der
Lebensformen bis zum Homo sapiens in den krankheit) bei Schafen verantwortlich sind. Entwicklung des Asthma bronchiale zeigen,
letzten 800–1000 Millionen Jahren ein Netz- Zudem erkennen diese Komplementfaktoren welche wichtige Rolle das Komplementsystem
werk von hochkonservierten Immunsensoren GS-Fragmente und subzelluläre Fragmente in diesem Prozess spielt.
gebildet, die einen wichtigen Teil des angebo- von apoptotischen Zellen und wechselwirken
renen Immun­systems darstellen. Viele dieser mit anderen löslichen GS wie dem C-reaktiven

Regulation von mucosaler Toleranz in der Lunge und Einfluss auf die Entwicklung des Asthma bronchiale
In Industrieländern ist in den letzten Jahrzehn- das Zusammentreffen von Polymorphismen werden, während die DC beim Gesunden im
ten eine stetige Zunahme der Prävalenz und bestimmter Gene zur maladaptiven Immun- unreifen oder partiell reifen Status verharren,
Schwere des Asthma bronchiale zu beobach- antwort führt. weil sie richtigerweise kein Gefahrenpoten-
ten, die mittlerweile epidemische Ausmaße Klar ist, dass die oben genannten Substanzen zial registrieren (. Abb. 3.2a). Erkennt eine
angenommen hat. Die durchschnittliche das erworbene Immunsystem aktivieren; bei bestimmte TH-Zelle im Lymphknoten nun „ihr“
Prävalenz bei Erwachsenen in Westeuropa dieser Aktivierung spielen DC und T-Helferzel- von der DC angebotenes Antigen, so kommt
liegt bei etwa 6 %. Das Asthma bronchiale len vom Typ 2 eine entscheidende Rolle. Über es zur einer intimen Liaison zwischen DC und
stellt eine chronisch-entzündliche Erkrankung die Atmung kommen wir permanent mit ver- TH-Zelle, in deren Verlauf die TH-Zelle über
der Atemwege dar. Eine Reihe von Studien schiedensten Umweltsubstanzen – sogenann- verschiedene Zell-Zell-Kontakte und durch
hat gezeigt, dass dem Asthma bronchiale ten Aeroallergenen – in Kontakt. Spezialisierte die Ausschüttung von Botenstoffen derart
eine inadäquate Reaktion des Immunsystems Sensorzellen aus der Reihe der DC nehmen aktiviert wird, dass sie anfängt, sich zu teilen
auf eigentlich harmlose Substanzen, mit diese Substanzen auf, verarbeiten sie und und ihrerseits Botenstoffe ausschüttet, die zu
denen wir häufig in Kontakt kommen, wie z. B. entscheiden aufgrund der erhaltenen Signale, ausgeprägten Entzündungsreaktionen führen.
Gräserpollen oder Hausstaubmilben, zugrunde ob sie ein „Reifungsprogramm“ starten, bei Hierbei werden insbesondere eosinophile,
liegt. Insbesondere die inadäquate Aktivierung dem sie von der Lunge zu drainierenden basophile und/oder neutrophile Granulocyten
des erworbenen Immunsystems führt dann Lymphknoten wandern, ihr aufgenommenes angelockt und aktiviert. Außerdem werden
zu den pathophysiologischen Charakteristika Antigen prozessieren und dieses den T-Hel- B-Zellen dazu angeregt, antigenspezifische
wie bronchiale Hyperreaktivität, Atemwegs- ferzellen des erworbenen Immunsystems feil IgE- und IgG-Moleküle zu produzieren.
obstruktion und Atemwegsentzündung. Wir bieten. Bei Asthmatikern kommt es aus bisher Eine der großen Herausforderungen in der
wissen, dass diese inadäquate Immunreaktion noch nicht verstandenen Gründen häufig zum Asthmaforschung ist es, die Mechanismen zu
mit einer bestimmten genetischen Disposi- Start dieses Reifungsprogramms, da primär verstehen, die der mucosalen Toleranz in der
tion verknüpft ist. Allerdings ist unklar, wie harmlose Aeroallergene als Gefahr angesehen Lunge von Gesunden gegenüber den oben
40 Kapitel 3  •  Das angeborene Immunsystem

Exkurs 3.1: (Fortsetzung) Komplement als Gefahrensensor des Immunsystems  |       | 


1
genannten Aeroallergenen zugrunde liegt. Wir pathophysiologische Antwort verknüpft mit beim Menschen, dass bestimmte Polymorphis-

2 haben in unserem Labor zeigen können, dass


das Komplementsystem bei der Aktivierung
einer starken TH2-Antwort, hohen allergenspe-
zifischen IgE-Titern und starker Akkumulation
men im C5 vor der Entwicklung des Asthma
bronchiale schützen. Kritisch anzumerken ist
von DC durch Aeroallergene eine wichtige von eosinophilen Granulocyten in der Lunge. hier, dass diese Untersuchungen bisher nur an
3 Rolle spielt. Tatsächlich sprechen eine Reihe
von Daten dafür, dass es beim Menschen unter
Durch gezielte Blockade des C5aR während
der Allergen-Sensibilisierung konnten wir
einer kleinen Kohorte durchgeführt wurden.
In zukünftigen Studien wird zu zeigen sein,
steady state-Bedingungen permanent zu einer zudem zeigen, dass dieser protektive Effekt wie genau C5a pDC aktiviert, sodass sie
4 geringfügigen Aktivierung des Komplement-
systems in der Lunge kommt, sodass die
von C5a initial beim Erstkontakt mit dem Al-
lergen zum Tragen kommt und dass C5a seine
ihre Regulatorfunktion an der Schnittstelle
zwischen angeborener und erworbener Immu-
aktiven Spaltprodukte von C3 und C5, die so- inhibierende Wirkung durch Aktivierung einer nität wahrnehmen können.
5 genannten Anaphylatoxine (AT) C3a und C5a, bestimmten Population von DC – den soge-
Weiterführende Literatur
generiert werden. Bei Asthmatikern ist diese nannten plasmacytoiden dendritischen Zellen
Köhl J (2006) The role of complement in dan-
lokale, pulmonale Komplement­aktivierung (pDC) – induziert. Interessanterweise spielen
6 massiv gesteigert. In der entzündlich verän- diese Zellen nicht nur eine wichtige Kontroll-
ger sensing and transmission. Immunol Res 34:
157–176
derten Lunge des Asthmatikers haben die AT funktion beim experimentellen allergischen
Klos A, Tenner AJ, Johswich KO, Ager RR, Reis
eine Art Katalysatorfunktion, indem sie Granu- Asthma, sondern auch beim Asthma bron-
7 locyten anlocken und sowohl diese Zellen als chiale des Menschen. Die pDC übernehmen
ES, Köhl J (2009) The role of the anaphylato-
xins in health and disease. Mol Immunol 46:
auch Makrophagen und Mastzellen aktivieren. dabei zwei unterschiedliche Aufgaben: Zum
2753–2766
Über diesen Mechanismus steigern sie die einen inhibieren sie myeloide DC, denen eine
8 allergische Entzündungsreaktion und tragen Schlüsselrolle bei der Aufnahme von Aeroaller-
Zhang X, Köhl J (2010) A complex role for
complement in allergic asthma. Expert Rev Clin
zur Bronchokonstriktion und zur bronchialen genen zukommt und die vornehmlich für die
Immunol 6: 269–277
9 Hyperreaktivität bei. Die AT C3a und C5a ver-
mitteln ihre biologischen Funktionen, indem
Induktion der TH2 Antwort verantwortlich sind;
zum anderen können die pDC regulatorische
sie an spezifische zelluläre Rezeptoren binden; T-Zellen induzieren, die eine inhibitorische

10 C3a bindet an den C3a-Rezeptor (C3aR), C5a


an den C5aR und einen zweiten Rezeptor,
Wirkung auf mDC und auf TH2-Zellen ausüben
(. Abb. 3.2a). Unsere Daten sprechen dafür,
C5aR-like 2 (C5L2). dass die geringfügige Komplementaktivierung,
11 Interessanterweise weist das AT C5a noch eine
weitere, ganz gegensätzliche Funktion auf,
die natürlicherweise während des steady states
stattfindet, notwendig ist, damit pDC in einer
die zeitlich von der proallergischen Funktion „Hab-Acht“-Stellung sind und die Aktivierung
12 getrennt ist. Diese überraschende Funktion
konnten wir in verschiedenen experimentellen
von mDC und die Induktion einer erworbe-
nen Immunantwort verhindern (. Abb. 3.2a).
Asthmamodellen zeigen, bei denen Mäuse Kommt es aufgrund einer verminderten Gene-
13 entweder mit dem Modellallergen Ovalbumin rierung von C5, Spaltung zu C5a, verminderten
oder mit Hausstaubmilbenallergen immu- Expression des C5aR oder einer inadäquaten
nisiert wurden. Hierbei stellte sich heraus, Signalweiterleitung des Rezeptors zu einer ver-
14 dass C5- oder C5aR-defiziente Tiere eine stark minderten Aktivierung der pDC, so wird dieser
gesteigerte allergische Antwort aufweisen, mit Regelkreis durchbrochen, und das erworbene Prof. Dr.  med. Jörg Köhl
ausgeprägter Atemwegshyperreaktivität, mas- Immunsystem wird durch primär harmlose Ae-
15 siver Atemwegsentzündung und starker Mu- roallergene inadäquat aktiviert (. Abb. 3.2b).
Institut für Systemische Entzündungs-
forschung am Universitätsklinikum
cusproduktion. Tatsächlich ist diese gesteigerte Tatsächlich zeigen genetische Untersuchungen Schleswig-Holstein, Lübeck

16
ausschließlich Ursache für Kollateralschäden. Diese Verän- duktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS = reactive oxygen
17 derungen auf der Membran nennt man eat me-Signale. species), die als oxidative burst bezeichnet wird, und eine Reihe
von bakteriziden Proteinen. Zusammen sind diese Mechanismen
In der Folge kommt es zu Umlagerungen im Cytoskelett des in der Lage, alle aufgenommenen Pathogene schnell unschädlich
18 Phagocyten. Die führen dazu, dass das zu phagocytierende zu machen. Die für beide Mechanismen notwendigen Proteine
Partikel von Ausstülpungen der Plasmamembran, sogenannten werden einsatzbereit in cytoplasmatischen Granula gespeichert.
19 Pseudopodien, umschlossen und dann ins Zellinnere gezogen Nach der Phagocytose kommt es zur Entleerung dieser Granula
wird. Dieser Schritt verläuft sehr schnell. Ein stark opsonisiertes ins Phagosom. Dabei werden die Proteine in sehr hoher Menge
20 Partikel kann innerhalb von 20 Sekunden aufgenommen werden. eingesetzt. Ungefähr 40 % des Volumens in einem Phagosom
Alleine die Aufnahme eines Pathogens reicht aber noch nicht wird von Proteinen aus den Granula ausgefüllt. Dabei verfügen
aus, es muss auch noch abgetötet werden, und die Abtötung be- die neutrophilen Granulocyten über unterschiedliche Granu-
21 ginnt sofort nach der Aufnahme. Zunächst löst sich das Actin laarten:
wieder vom Phagosom, danach fusioniert es mit einer Reihe von Azurophile Granula (primäre Granula) enthalten zahlreiche
22 Granula, wobei deren toxische Inhaltsstoffe auf die Pathogene verschiedene Proteine zur Tötung und zum Verdau von Mikroor-
ausgeschüttet werden. ganismen. Sie beinhalten Myeloperoxidase, die drei Proteasen
Cathepsin G, Elastase und Proteinase 3 und zusätzlich antimi-
23 Intrazelluläre Abtötung von Pathogenen krobielle Proteine wie Defensine und Lysozym. Im Inneren der
In ihrem Arsenal haben neutrophile Granulocyten zwei Arten Granula sind diese Enzyme inaktiv, da zum einen der pH-Wert
von Waffen zur Abtötung der phagocytierten Pathogene: die Pro- in den Granula durch Protonenpumpen im sauren Bereich gehal-
3.3 • Zelluläre Komponenten
41 3

Exkurs 3.1: (Fortsetzung) Komplement als Gefahrensensor des Immunsystems  |       | 

Allergen initiale
Proliferation Apoptose
C5a
mDC-„Silencing” C5aR
hält die Zelle mDC
abortive
in unreifem Status Proliferation

naive
TH

C5a
pDC-„Tolerisierung” C5aR
hält die Zelle
naive
in unreifem Status pDC TH Treg-Generierung
a

Silencing
verminderte mDC
Treg-Sensibilisierung
Proliferation und
modifizierte C5-Biologie Differenzierung zu
<< Generierung TH2-Effektorzellen
<< Funktion C5a
C5aR- C5aR
modifizierte C5aR-Biologie signaling mDC
<< Expression
<< Funktion
>> Expression von C5L2 naive
TH

C5a
C5aR
verminderte pDC-„Tolerisierung” naive
pDC TH
verminderte
b Treg-Generierung

.. Abb. 3.2  Die Rolle von C5a bei der Aufrechterhaltung pulmonaler Toleranz bzw. bei Allergen-Sensibilisierung. a) Unter steady state-Bedingun-
gen bei Gesunden reguliert C5a den Reifungsgrad von mDC, die eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Aeroallergen sowie bei der Aktivie-
rung von naiven TH-Zellen spielen. Zudem reguliert C5a den Reifungsgrad von pDC, die inhibitorisch auf mDC wirken und regulatorische T-Zellen (Treg)
induzieren. Durch C5aR-signaling werden mDC im unreifen oder partiell reifen Zustand gehalten, sodass sie naive TH-Zellen initial zur Proliferation
stimulieren können, die in der Folge jedoch abortiv verläuft und zum programmierten Zelltod der stimulierten TH-Zellen führt. C5aR-aktivierte, unreife
pDC inhibieren mDC in ihrer Fähigkeit, naive TH-Zellen zu aktivieren, und induzieren Treg, die zum einen mDC und zum anderen TH2-Effektorzellen in-
hibieren. b) Kommt es durch verminderte Generierung oder Funktion von C5 oder des C5aR zu einer verminderten Aktivierung von mDC oder pDC, so
wird zum einen das Silencing von mDC vermindert und die Sensitivität von mDC für die Treg-vermittelte Inhibition reduziert, zum anderen die Fähigkeit
der pDC vermindert, mDC-Funktionen zu blocken und/oder Treg zu induzieren

Kontakt Aufnahme Abtötung


C3b
C3b

C3b

C3b

HOCl
H2O2
•O2–
O2 •O2–

NADPH NADP+ + H+

.. Abb. 3.3  Phagocytose. Die Phagocytose wird ausgelöst durch den Kontakt mit einer Reihe verschiedener Rezeptoren, die entweder direkt an charak-
teristische molekulare Strukturen auf Pathogenen binden oder die Opsonisierung durch Komplementfragmente oder Antikörper wahr­nehmen. Danach
kommt es zur Ausbildung von Pseudopodien, durch die das Partikel umschlossen und in die Zelle aufgenommen wird. Nachdem es sich in einem membran­
umschlossenen Kompartiment im Zellinnern (Phagosom) befindet, wird das Pathogen durch mikrobizide Proteine (rote Dreiecke) und die Produktion von ROS
durch den NADPH-Oxidase-Komplex (violett) abgetötet
42 Kapitel 3  •  Das angeborene Immunsystem

.. Abb. 3.4  Phagocytose und oxidative burst von


1 neutrophilen Granulocyten. Mikroskopische Aufnahmen
menschlicher neutrophiler Granulocyten 30 Minuten
nach der Phagocytose von E. coli. Gezeigt ist jeweils der
2 gleiche Bildausschnitt. a) In der Phasenkontrastaufnahme
ist eine Gruppe von sieben neutrophilen Granulocyten zu
erkennen, die die charakteristischen polymorphen Kerne
3 aufweisen. b) Die Färbung mit einem Fluoreszenzfarbstoff
für DNA zeigt neben den Zellkernen der Granulocyten
noch eine Reihe kleinerer heller Punkte – die DNA der
4 phagocytierten Bakterien. c) Die verwendeten Bakterien
exprimieren das grün fluoreszierende Protein GFP und sind

5 daher im Inneren der neutro­philen Granulocyten sichtbar.


d) Dihydroethidium wird durch reaktive Sauerstoffspezies
zu einem roten Fluoreszenzfarbstoff oxidiert und zeigt den

6 oxidative burst an

7
8
9
10
11
ten wird (pH 5) und zum anderen die Proteine an Proteoglykan (. Abb. 3.5). Durch die Superoxid-Dismutase wird •O2− in das
12 gebunden vorliegen. Beim Verschmelzen mit dem Phagosom Superoxidanion O22− (und Sauerstoff) umgewandelt, das zusam-
werden die Proteine freigesetzt und der pH-Wert ändert sich, men mit zwei Protonen Wasserstoffperoxid (H2O2) ergibt. Für
da insbesondere die Aktivität der NADPH-Oxidase zu seinem das H2O2 gibt es, neben der direkten Oxidation mikrobieller Pro-
13 Anstieg beiträgt. teine, mehrere weitere Reaktionswege. Die Myeloperoxidase, die
Spezifische Granula (sekundäre Granula) enthalten Lacto- bis zu 25 % des Inhalts der azurophilen Granula ausmacht, kata-
14 ferrin, Lysozym und Proteine für den NADPH-Oxidase-Kom- lysiert die Oxidation von Halogensalzen (z. B. NaCl) durch H2O2.
plex. Die dabei gebildeten Substanzen wie Hypochlorit sind besonders
15 Gelatinase-Granula (tertiäre Granula) enthalten das Enzym für die Abwehr von Pilzinfektionen von Bedeutung. Hypochlorit
Gelatinase, eine Protease. ist eine hochreaktive Substanz, die im täglichen Umgang unter
In einer späteren Phase kommt es zur Ansäuerung des Pha- anderem als Bleiche, Desinfektionsmittel und Rohrreiniger ver-
16 gosomeninhalts und zum weiteren Abbau der Pathogene. Dafür wendet wird. In einer durch Eisen(II)-Ionen katalysierten Reak-
verschmelzen die Phagosomen mit Lysosomen, in denen sich tion kann H2O2 in das Hydroxylradikal (•OH) umgesetzt werden.
17 vorwiegend Hydrolasen befinden, die bei saurem pH-Optimum Auch das •OH ist eine stark oxidierende Substanz mit biozidem
aktiv sind, und es kommt zur Bildung des Phagolysosoms. Potenzial, in vivo erfolgt diese Reaktion aber vermutlich nicht,
Die Bildung der ROS beginnt mit der NADPH-Oxidase, da freies Eisen in den Phagosomen durch Lactoferrin gebunden
18 einem Komplex aus fünf Proteinen (gp91, p22, p67, p47 und wird. H2O2 ist auch ein wichtiger Ansatzpunkt für die bakterielle
p40). Zusammen katalysieren diese Proteine eine Reaktion, bei Verteidigung gegen ROS. Das bakterielle Enzym Katalase ist in
19 der unter Verbrauch von NADPH Elektronen auf Sauerstoff im der Lage, H2O2 in Wasser und Sauerstoff zu zersetzen und da-
Innern des Phagosoms übertragen werden. Der Nettoeffekt die- durch zu inaktivieren.
20 ser Reaktion ist, dass hochreaktive Superoxidradikale (•O2−) im Eine weitere Gruppe von reaktiven Substanzen, die beim
Inneren des Phagosoms entstehen. Dabei werden beachtliche oxidative burst entstehen können, sind reaktive Stickstoffspezies
Mengen von •O2− gebildet. Berechnungen haben ergeben, dass in (RNS = reactive nitrogen species). Stickstoffmonoxid (NO) wird
21 den Phagosomen insgesamt zwischen 1 und 4 mol/Liter erzeugt durch die NO-Synthase aus L-Arginin gebildet und kann entwe-
werden, die schnell weiterreagieren, sodass zu einem gegebenen der direkt auf Pathogene wirken oder mit dem Superoxidanion
22 Zeitpunkt mikromolare Konzentrationen im Phagosom vorlie- zusammen das hochreaktive Peroxynitrit bilden. Während bei
gen. Wie man in . Abb. 3.4 sehen kann, ist die Produktion von Mäusen insbesondere die Makrophagen signifikante Mengen
ROS auf bestimmte Bereiche der Zellen begrenzt, in denen sich RNS herstellen, ist ihre Bildung beim Menschen hingegen kaum
23 die phagocytierten Erreger befinden. nachweisbar. Das Fehlen von NO-Synthase hat in den Mäusen
Es kommt zu einer Reihe von Reaktionen, bei denen aus kaum einen Effekt auf die Eliminierung von Pathogenen in Neu-
dem zunächst gebildeten •O2− weitere ROS hergestellt werden trophilen, ist aber von Bedeutung bei der Abwehr der intrazel-
3.3 • Zelluläre Komponenten
43 3

NADPH + O2 L-Arginin
NADPH-
NO-Synthase
Oxidase
•O2– NO
Superoxidradikal Stickstoffmonoxid
Superoxid-
Dismutase
Katalase H2O2 ONOO–
O2 + H2O
Wasserstoffperoxid Peroxynitrit
Myelo- Fe2+
peroxidase
HOCl •OH
Hypochlorige Säure Hydroxylradikal

.. Abb. 3.5  Reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies beim oxidative burst. Dargestellt sind die wichtigsten Reaktionswege (nicht stöchiometrisch) für die
Umwandlung von mikrobiziden ROS und RNS (rot) und nicht reaktiven Stoffen (weiß) ineinander. Die zentrale Rolle spielt die NADPH-Oxidase, die das Supero-
xidradikal (•O2−) bildet, das als Ausgangspunkt für die weiteren reaktiven Sauer­stoff­spezies dient. Aus ihm wird durch die Superoxid-Dismutase Wasserstoff-
peroxid (H2O2) gebildet. H2O2 wird durch die Myeloperoxidase zur Oxidation von Halogeniden verwendet und kann theoretisch in Gegenwart von Eisen(II)-Io-
nen zum Hydroxylradikal reagieren. Ein wichtiger bakterieller Verteidigungs­mechanismus ist das Enzym Katalase, durch das H2O2 zu Wasser und Sauerstoff
inaktiviert wird. Besonders in Mäusen kommt es auch noch zur Bildung von RNS. Die Reaktion beginnt mit der Bildung von Stickstoffmonoxid, das mit dem
Superoxidradikal zum Peroxynitrit reagiert

.. Abb. 3.6  Neutrophil extracellular traps (NETs). Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen von NETs aus menschlichen PMN. a Mit Fluoreszenzfarbstoffen
wurden die intrazelluläre DNA in den Zell­kernen intakter Zellen (blau) und die in NETs enthaltene extrazelluläre DNA (rot) sichtbar gemacht. b Detailansicht
einer NET-Struktur (rot), in der sich fluoreszenzmarkierte E. coli (grün) verfangen haben

lulären Erreger Listeria monocytogenes, Salmonella typhimurium neutrophile extrazelluläre Fallen) können verschiedene Bakterien
und Mycobacterium tuberculosis durch Makrophagen. (Staphylococcus aureus), Hefen (Candida albicans) und andere
Pilze (Aspergillus fumigatus) eingefangen und durch die enthal-
Bildung neutrophiler extrazellulärer Fallen tenen Proteine abgetötet werden.
Selbst nach ihrem Tod können neutrophile Granulocyten noch
eine antimikrobielle Wirkung haben. Anstelle einer Apoptose Eosinophile Granulocyten
kommt es in einigen Fällen zum Anschwellen des Zellkerns, einer Die Aufgabe von eosinophilen Granulocyten liegt in der Abwehr
Auflösung der Chromatinstruktur und Freisetzung der DNA aus von parasitären Würmern (Helminthen). Dabei können sie zum
der Zelle. Sie bildet außerhalb der Zelle netzförmige Strukturen einen direkt gegen die Erreger vorgehen und zum anderen mit
(. Abb. 3.6), an die auch Proteine aus dem Kern (Histone) und Mastzellen und T-Zellen kommunizieren. Sie verbleiben unge-
den ebenfalls aufgelösten Granula (Defensine, Myeloperoxidase, fähr 18–25 Stunden in der Zirkulation, bevor sie in das Gewebe
Cathepsin G, Elastase, Lactoferrin, Calprotectin, uvm.) gebunden einwandern. Im Falle einer Infektion werden sie aus der Zirkula-
sind. In diesen NET-Strukturen (neutrophil extracellular traps, tion zu den Entzündungsherden rekrutiert, insbesondere durch
44 Kapitel 3  •  Das angeborene Immunsystem

Chemokine, PAF (platelet activating factor) und die Cytokine IL- B-Zellen zu interagieren und die Produktion von IgE zu fördern.
1 3, IL-5 und GM-CSF von Mastzellen. Die Produktion von IL-4 hat aber noch eine weitere Wirkung.
Dort angekommen, verwenden sie ein ähnliches Arsenal Experimente zeigten, dass Basophile unter bestimmten expe-
2 wie die neutrophilen Granulocyten. Auch Eosinophile verfügen rimentellen Bedingungen in der Lage sind, in den Lymphkno-
über Granula, die mikrobizide Proteine enthalten (▶ Kap. 8). Im ten zu wandern und dort als antigenpräsentierende Zelle naive
Gegensatz zu neutrophilen Granulocyten, deren Granulainhalte T-Zellen durch IL-4 zu TH2-Zellen zu aktivieren. Das deutet an,
3 kontrolliert in die Phagosomen im Inneren der Zelle abgege- dass Basophile eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der
ben werden, erfordert die Bekämpfung nicht phagocytierbarer TH2-Antwort gegen Parasiten, aber auch gegen Allergene haben
4 Erreger die Freisetzung von Mediatoren wie MBP (major basic könnten. Eine solche TH2-Antwort wird allerdings immer noch
protein), EPO (eosinophil peroxidase) und EDN (eosinophil-de- in genetisch modifizierten Mäusen ausgelöst, die nahezu keine
5 rived neurotoxin) in den extrazellulären Raum. Dafür ordnen Basophilen mehr haben. Daher ist es fraglich, ob Basophile unter
sich Eosinophile direkt neben dem Pathogen an und schütten physiologischen Bedingungen wirklich in der Lage sind, effektiv
den Inhalt ihrer Granula in dessen Richtung aus. Eosinophile Antigene zu präsentieren.
6 setzen ebenfalls die NADPH-Oxidase ein, nur dass sich der Pro-
teinkomplex bei diesen Zellen auf der Plasmamembran befindet
7 und die ROS in die Peripherie abgibt. Neben der Schädigung des Mastzellen
Pathogens führen die Degranulierung und der oxidative burst
der Eosinophilen daher auch zu erheblichen Kollateralschäden Mastzellen gehören ebenfalls zum angeborenen Immunsystem
8 an körpereigenen Zellen. und haben ähnliche Aufgaben wie die eosinophilen und baso-
Durch das freigesetzte MBP und ihre proinflammatorischen philen Granulocyten. Sie sind zuständig für die Abwehr großer
9 Cytokine stimulieren Eosinophile auch Mastzellen, sodass sich Pathogene, die nicht durch Phagocytose, sondern durch De-
die beiden Zelltypen gegenseitig aktivieren. Darüber hinaus sind granulierung angegriffen werden. Mastzellen kommen nicht im
10 Eosinophile in der Lage, in drainierende Lymphknoten einzu- Blut vor, sondern befinden sich vor Ort im Gewebe, insbeson-
wandern und dort Antigene zusammen mit CD80/CD86 an dere an Stellen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für einen
T-Helferzellen zu präsentieren. Zusammen mit der Ausschüt- Kontakt mit Pathogenen wie der Haut und den Schleimhäuten.
11 tung erheblicher Mengen des TH2-Cytokins IL-4 führt dies zu Die Aktivierung von Mastzellen erfolgt hauptsächlich durch
TH2-Polarisierung und Bildung von IL-4, IL-5 und IL-13 durch den FcεRI. An diesen Rezeptor liegt IgE gebunden vor, und
12 die T-Zellen. Es ist allerdings unklar, ob Eosinophile wirklich in es kommt bei Kontakt mit einem passenden Antigen zu einer
der Lage sind, naive T-Zellen zu aktivieren und dabei zu TH2-Zel- Vernetzung der Rezeptoren und Aktivierung der Mastzelle. Da-
len zu differenzieren. Möglicherweise können sie auch nur be- rüber hinaus tragen Mastzellen auch noch mehrere Rezeptoren
13 reits aktivierte T-Effektorzellen weiter zur Proliferation anregen gegen IgG, Komplement und bestimmte molekulare Struktu-
und tragen durch die Ausschüttung von IL-4 insgesamt zu einer ren von Pathogenen, durch die sie ebenfalls aktiviert werden
14 Prävalenz von TH2-Zellen bei. können. Aufgrund der zentralen Rolle, die Mastzellen in der
Da Infektionen mit Helminthen in der westlichen Welt heut- Allergie vom Soforttyp spielen, werden die Mediatoren, mit de-
15 zutage selten geworden sind, sind die Eosinophilen hauptsäch- nen Mastzellen in die Immunreaktion eingreifen, im Detail in
lich für ihre Beteiligung an der allergischen Reaktion bekannt, ▶ Kap. 10 behandelt.
insbesondere bei allergischem Asthma. Hierbei kooperieren die
16 Eosinophilen mit Mastzellen und Basophilen und fördern die
Produktion von IgE durch die Polarisation zu TH2-Zellen, genau Das mononucleäre Phagocytensystem
17 wie bei der Abwehr größerer Pathogene wie Helminthen.
Nach ihrer Reifung im Knochenmark wandern Monocyten ins
Basophile Granulocyten Blut, wo sie beim Menschen ungefähr 10 % der Leukocyten aus-
18 Die Frage, welche Aufgabe basophile Granulocyten im Immun- machen. Diese Zellen können phagocytieren und nach Stimula-
system haben, ist noch nicht endgültig geklärt. Wegen ihrer Ko- tion eine Reihe von Entzündungsmediatoren freisetzen. Sie sind
19 operation mit Mastzellen und eosinophilen Granulocyten ist es daher wichtige Regulatoren für entzündliche Prozesse bei der
wahrscheinlich, dass sie ebenfalls an der Abwehr von Helminthen Abwehr von Pathogenen, aber auch beteiligt an der Pathogenese
20 beteiligt sind. Aufgrund der geringen Anzahl im Blut und ihrer von rheumatoider Arthritis und Atherosklerose. Monocyten ha-
ähnlichen Effektorfunktionen werden die basophilen Granulocy- ben eine typische Morphologie, mit einer unregelmäßigen Zell-
ten häufig als eine untergeordnete Population von zirkulierenden form, ovalem oder nierenförmigen Zellkern und einem hohen
21 Mastzellen bezeichnet. Sie werden, ebenso wie die Eosinophi- Verhältnis von Cytoplasma zu Zellkern. Charakteristisch ist für
len, von Mastzellen zum Ort einer Entzündung geführt. Dort sie die Expression des Leitmarkers CD14, auch wenn es einen
22 können sie dann nach Stimulation über den FcεRI-Rezeptor zur kleinen Teil CD14-negativer Monocyten gibt.
IgE-abhängigen Freisetzung von Histamin und Leukotrienen in Monocyten können auch ins Gewebe auswandern, wo sie
die Immunreaktion eingreifen. Trotzdem kann man die Basophi- als Vorläuferzellen für Makrophagen und bestimmte Subpo-
23 len klar von den Mastzellen abgrenzen. Basophile produzieren pulationen von DC dienen. Unter normalen Bedingungen sind
IL-4 und IL-13 und können den Liganden für CD40 (CD154) auf Monocyten wichtig, um die verschiedenen Makrophagenpopu-
ihrer Oberfläche exprimieren. Dadurch sind sie in der Lage, mit lationen in den Geweben zu bilden, wie Kupffer-Zellen (Leber),
3.3 • Zelluläre Komponenten
45 3

Mesangialmakrophagen (Niere), Synovia-A-Zellen (Gelenke),


Alveolarmakrophagen (Lunge), Osteoklasten (Knochen) und
Mikroglia (Gehirn). Die Monocyten dienen auch als Quelle für
DC, unter anderem für konventionelle DC in Milz und Haut. An-
dere DC entstehen aber auch aus lymphatischen Vorläuferzellen
oder geweberesidenten Zellen, die sich vor Ort vermehren und Antigenpräsentation
den Nachschub sicherstellen. Unter entzündlichen Bedingun- Abtöten
gen, wie UV-Bestrahlung der Haut, bei Verletzungen oder der
Anwesenheit von Pathogenstrukturen, können die Monocyten
.. Abb. 3.7  Phagocytierende Zellen und Antigenpräsentation. Im Gewebe
in gesteigertem Umfang ins Gewebe auswandern und die dort
gibt es drei Arten von Zellen, die in nennenswertem Umfang Phagocytose
vorhandenen Zellpopulationen verstärken. betreiben: neutrophile Granulocyten, Makrophagen und DC. Während die
Die Hauptaufgabe der DC ist die Antigenpräsentation an Phagocytose bei den neutrophilen Granulocyten ausschließlich der Vernich-
T-Zellen, auf die in ▶ Kap. 4 näher eingegangen wird. Monocy- tung der aufgenommenen Pathogene dient, können die beiden anderen
ten und Makrophagen können zwar auch Antigene präsentieren, Zellen die aufgenommenen Antigene an T-Zellen präsentieren. Bei Makropha-
gen ist dies nur ein Aspekt ihrer Funktionen in der Infektions­abwehr und dient
wenngleich deutlich weniger effizient als DC, sie haben aber auch
hauptsächlich dazu, T-Zell-Hilfe zu erhalten. Dagegen ist Antigenpräsentation
noch mehrere andere Aufgaben. Sie produzieren eine Reihe von zur Aktivierung naiver T-Zellen die zentrale Aufgabe der DC
Cytokinen, insbesondere die drei proinflammatorischen Cyto-
kine TNF-α, IL-1β und IL-6, aber auch andere Cytokine wie
IL-10 und das Chemokin CXCL8 (IL-8) und inflammatorische Erkennung von Pathogenen
Mediatoren wie Prostaglandine. Wie die neutrophilen Granu- Die Erkennung von Pathogenen durch die Zellen des mononucle-
locyten, so sind Monocyten und Makrophagen in der Lage, ären Phagocytensystems, aber auch durch eine Reihe von ande-
pathogene Mikroorganismen zu phagocytieren und durch die ren Zellen, basiert auf besonderen Rezeptoren. Diese erkennen
Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies und NO sowie den molekulare Strukturen, die spezifisch auf Pathogenen vorhanden
Inhalt cytotoxischer Granula abzutöten. Darüber hinaus sind sie sind (PAMP, pathogen-associated molecular patterns). Dazu ge-
an der Beseitigung apoptotischer Zellüberreste beteiligt. Außer- hören Proteine, Kohlenhydrate, Lipide und Nucleinsäuren von
dem haben Makrophagen Funktionen beim Aufbau und bei der Pathogenen. Die PAMP sind Gefahrensignale für die Zellen des
Umstrukturierung von Geweben, beispielsweise Osteoklasten im Immunsystems. Ihre Rezeptoren werden als PRR (pattern recog-
Knochen oder Mikroglia bei der neuronalen Entwicklung. nition receptor) bezeichnet. Eine Aktivierung der PRR durch Bin-
Monocyten sind wichtig für die Abwehr einer Reihe von dung ihrer Liganden führt zu einer Aktivierung und Ausreifung
Erregern, die vorwiegend im Innern von Zellen des Wirtsor- von antigenpräsentierenden Zellen, gesteigerter Phagocytose und
ganismus vorkommen, wie Listeria monocytogenes, Salmonella der Produktion von Cytokinen.
typhimurium und Mycobacterium tuberculosis. Bei L. monocyto- Die ersten PRR, die entdeckt wurden, waren die Toll-ähnli-
genes sieht man dies bereits am Namen, der von der Beobach- chen Rezeptoren (TLR, Toll-like receptor). Diese Transmembran-
tung abgeleitet wurde, dass eine Infektion mit diesen Erregern proteine kommen hauptsächlich auf Monocyten, Makrophagen
zur Einwanderung von Monocyten in das infizierte Gewebe und DC, aber auch auf B-Zellen und aktivierten T-Zellen vor. Die
führt. Interessanterweise haben diese Pathogene sich gut an ih- TLR erkennen verschiedenste PAMP (. Tab. 3.3). Man kann sie
ren Gegner angepasst. Sie haben Mechanismen entwickelt, um aufgrund ihrer Lokalisation in der Zelle in zwei Gruppen ein-
aktiv in Makrophagen aufgenommen zu werden und können in teilen. TLR-1, TLR-2, TLR-4, TLR-5 und TLR-6 befinden sich
ihrem Innern leben und sich sogar vermehren. Beispielsweise auf der Plasmamembran. Sie erkennen Pathogenbestandteile in
verwendet L. monocytogenes Monocyten als „Trojanisches Pferd“, der Umgebung der Zelle. Zusätzlich zu den in . Tab. 3.3 aufge-
innerhalb dessen sie sich im Blut ausbreiten können. Auch eine führten Liganden gibt es noch viele weitere, und ständig wer-
Infektion des Zentralnervensystems (Meningitis) erfolgt, indem den neue entdeckt. Insbesondere durch Zusammenarbeit mit
die Listerien im Innern von Monocyten eingeschleust werden. anderen Proteinen können durch TLR verschiedene Liganden
Die Bekämpfung dieser intrazellulären Erreger erfordert TH1- gebunden werden. So erkennt TLR-2 unterschiedliche PAMP, je
Hilfe. Die Makrophagen werden durch Cytokine wie IFN-γ, nachdem, ob es als TLR-2/TLR-1- oder als TLR-2/TLR-6-Hetero-
TNF-α und IL-12 aktiviert, es kommt zur Produktion reakti- dimer vorliegt. Die TLR können aber nicht nur untereinander,
ver Sauerstoff- und Stickstoffspezies. Antigenpräsentation auf sondern auch mit anderen Proteinen Rezeptorkomplexe bilden.
MHC-II-Molekülen ist unerlässlich, um diese T-Zell-Hilfe zu TLR-4 ist der Rezeptor für LPS, aber bindet dies nicht alleine,
erhalten. Zusätzlich wurde in vitro ebenfalls gezeigt, dass Anti- sondern zusammen mit MD2, nachdem das LPS vom löslichen
genpräsentation durch Makrophagen naive T-Zellen aktivieren LBP (LPS-binding protein) gebunden und dieser Komplex durch
kann. Ob sie diese Funktion in vivo wirklich ausüben, wird aber CD14 (das man früher für den LPS-Rezeptor hielt) zu TLR-4/
noch diskutiert. Sicher ist, dass es ohne DC keine Aktivierung MD2 gebracht wurde. Zusätzlich dazu kann TLR-4, vermutlich
von T-Zellen gibt und sie sicherlich die entscheidende Zell- mit anderen Partnern, auch das Pneumolysin von Streptococcus
population für diese Aufgabe sind. Die anderen wesentlichen pneumoniae oder Fusionsproteine von RSV (respiratory syncytial
Phagocyten des angeborenen Immunsystems, die neutrophilen virus) erkennen. TLR haben auch Liganden, die nicht zu den
Granulocyten, sind dagegen gar nicht zur Antigenpräsentation PAMP gehören. Dies sind insbesondere Moleküle des Wirtsor-
an T-Helferzellen fähig (. Abb. 3.7). ganismus, die durch Zelltod, Verletzung oder Tumorzellen ent-
46 Kapitel 3  •  Das angeborene Immunsystem

1 .. Tab. 3.3  Toll-ähnliche Rezeptoren des menschlichen Immunsystems

Rezep­tor Lokalisation Liganden Erkannte Pathogene


2 TLR-1 Plasmamembran Triacylierte Lipopeptide (als Dimer mit TLR-2) Gramnegative Bakterien, Mycobakterien und Myco-
plasmen
3 TLR-2 Plasmamembran Peptidoglykane, Lipopeptide, Zymosan Grampositive und -negative Bakterien, Mycobakterien,
Mycoplasmen, Hefen, Pilze, Parasiten, Viren

4 TLR-3 Vesikel Doppelsträngige RNA RNA-Viren

TLR-4 Plasmamembran und Lipopolysaccharid Gramnegative Bakterien

5 Endosomen

TLR-5 Plasmamembran Flagellin Bakterien

6 TLR-6 Plasmamembran Diacylierte Lipopeptide (als Dimer mit TLR-2) Grampositive Bakterien und Mycoplasmen

TLR-7 Vesikel Einzelsträngige RNA Viren

7 TLR-8 Vesikel Einzelsträngige RNA Viren

TLR-9 Vesikel Unmethylierte CpG-Sequenzen in DNA Bakterien und Viren


8 TLR-10 Plasmamembran Unbekannt Unbekannt

9 stehen und so eine entzündliche Reaktion auslösen. Die Funktion darauf, dass deren Proteinsynthese durch CTL (cytotoxische
der PRR ist, trotz ihres Namens, also nicht auf die Erkennung von T-Lymphocyten) überwacht wird. Dies geschieht, indem die CTL
10 PAMP beschränkt. den auf MHC(major histocompatibility complex)-Klasse-I-Mole-
Die zweite Gruppe von TLR, bestehend aus TLR-3, TLR-7, külen präsentierten Inhalt der Zelle auf virale oder Tumorpro-
TLR-8 und TLR-9, kommt vorwiegend auf intrazellulären Kom- teine überprüfen. In den folgenden Kapiteln wird noch genauer
11 partimenten wie Endolysosomen vor. Sie erkennen pathogenty- ausgeführt, wie dies abläuft. Eine MHC-I-abhängige Form der
pische Nuclein­säuren. Dies sind beispielsweise doppelsträngige Abwehr funktioniert aber nur, wenn auch wirklich MHC-I-Mo-
12 RNA und unmethylierte DNA, die nicht beim Menschen vor- leküle mit den entsprechenden Antigenen auf der Oberfläche zu
kommen. Nicht alle TLR führen zur gleichen zellulären Reaktion. finden sind. Stellt eine Zelle die Expression von MHC-I-Mole-
Beispielsweise lösen Rezeptoren für virale Nucleinsäuren insbe- külen ein, kann sie vom spezifischen Immunsystem nicht mehr
13 sondere die Produktion von Typ-I-Interferonen aus, die die an- kontrolliert werden. Eine Reihe von Viren macht sich dies aktiv
tivirale Abwehr aktivieren. PRR signalisieren dem angeborenen zunutze, indem sie die Präsentation von MHC-I-Molekülen auf
14 Immunsystem also nicht nur die Anwesenheit von Pathogenen der von ihnen infizierten Zelle verhindern. Auch bei Tumorzellen
im Allgemeinen. Durch Rezeptoren für verschiedene Arten von wird häufig beobachtet, dass sie eine geringere MHC-I-Expres-
15 PAMP, die unterschiedliche Signale in die Zelle leiten, wird auch sion haben. Bei bestimmten Tumorarten wurde in 80 bis 90 % der
eine Information über die Art des Pathogens und damit die er- untersuchten Fälle eine nur geringe oder gänzlich undetektier-
forderliche Immunreaktion mitgeliefert. bare Expression von MHC-I-Molekülen auf der Zelloberfläche
16 Nach den TLR wurde auch noch eine Reihe von cytosoli- festgestellt. Durch die Verminderung ihrer MHC-I-Expression
schen PRR entdeckt. Zwei wichtige Familien sind die RLR (RIG- können Zellen zwar der Vernichtung durch CTL entgehen, doch
17 I-like receptors) und die NLR (NOD-like receptors). Zu den RLR hier kommen die NK-Zellen ins Spiel. Sie erkennen Körperzel-
gehören drei Rezeptoren (RIG-I, Mda5 und LGP2), die nach Er- len, die keine MHC-I-Moleküle exprimieren (missing self), und
kennung viraler RNA eine antivirale Reaktion auslösen. Von den eliminieren sie durch die Freisetzung des cytotoxischen Inhalts
18 NLR wurden bisher über 20 verschiedene Vertreter entdeckt, da- ihrer Granula.
runter NOD1 und -2 und NALP3. Die NLR erkennen verschie- NK-Zellen gehören zu den Lymphocyten. Sie sind aber den-
19 dene PAMP, haben aber auch andere cytoplasmatische Auslöser noch ein Teil des angeborenen Immunsystems. Im Gegensatz
wie Asbest, Silikate oder Harnsäurekristalle. Ihre Besonderheit zu T- und B-Zellen verfügen sie nicht über einen spezialisierten
20 ist die Bildung eines intrazellulären Komplexes aus mehreren Rezeptor gegen ein Antigen, der durch Genumlagerung ent-
Proteinen, dem Inflammasom, das durch eine Aktivierung der steht. Sie haben stattdessen eine Vielzahl von Rezeptoren, die
Caspase-1 die Prozessierung und Freisetzung der entzündungs- entweder zur Erkennung von Zielzellen dienen und die cyto-
21 fördernden Cytokine IL-1β und IL-18 verursacht. toxischen Eigenschaften der Zellen aktivieren oder die inhibie-
rend wirken, um intakte Zellen zu verschonen. Ihre Aktivität
22 wird durch die Balance der Signale dieser beiden Rezeptortypen
Natürliche Killerzellen bestimmt (. Abb. 3.8). Es gibt keinen spezifischen Leitmarker
für NK-Zellen. Sie werden charakterisiert durch die Proteine
23 Die Abwehr von Tumorzellen oder von Zellen, die mit einem CD16 (Fcγ-RIII) und CD56 auf ihrer Oberfläche und zusätzlich
Virus infiziert sind, ist eine wesentliche Aufgabe des Immun- durch die Abwesenheit von CD3. Das Fehlen von CD3 ist wich-
systems. Eine Strategie zur Erkennung solcher Zellen beruht tig, um die NK-Zellen von den NKT-Zellen zu unterscheiden.
3.3 • Zelluläre Komponenten
47 3
.. Abb. 3.8  Regulation der NK-Zell-Aktivität über akti-
vierende und inhibierende Rezeptoren. Um die Ober­ NK-Zelle
flächenmoleküle einer Zielzelle zu überprüfen, bildet die
NK-Zelle durch Interaktionen mit Ad­häsions­molekülen eine

ICAM LFA1

ICAM LFA1
immunologische Synapse aus. Sie verfügt sowohl über
aktivierende (rot) als auch inhibierende (grün) Oberflächen-
rezeptoren. Die Entscheidung, ob eine NK-Zelle die von ihr
gebundene Zielzelle tötet oder nicht, hängt von der Summe
Zielzelle
der Signale ab, die sie über die immuno­logische Synapse
empfängt. Überwiegen die aktivierenden Signale (linke
Seite), kommt es zur gerichteten Ausschüttung cytoto-
xischer Granula. Überwiegen die inhibierenden Signale
(rechte Seite), wird der Kontakt gelöst und die Zielzelle bleibt NK-Zelle NK-Zelle
unbehelligt

ICAM LFA1
ICAM LFA1

ICAM LFA1

ICAM LFA1
Zielzelle Zielzelle

.. Tab. 3.4  Auswahl wichtiger NK-Zell-Rezeptoren

Rezeptor Funktion Ligand

CD16 (Fcγ-RIII) Aktiviert NK-Zellen zur ADCC IgG

LFA-1 (CD11a/CD18) Zell-Zell-Kontakt und Voraktivierung der NK-Zelle ICAM (intercellular adhesion molecule)

KIR (killer cell immunoglobulin-like receptor)-Familie Inhibierende Rezeptoren* HLA-A, HLA-B, HLA-C

CD94/NKG2A Inhibierender Rezeptor* HLA-E

NKp46 Aktivierender Rezeptor Virales Hämagglutinin

*einige Rezeptoren der KIR- und NKG2-Familien können auch aktivierend wirken.

NKT-Zellen gehören zu den T-Lymphocyten. Sie entstehen aus Zielzellen überprüfen. Wenn die aktivierenden Signale überwie-
Thymocyten und tragen einen α:β-TCR, haben zusätzlich aber gen, kommt es im letzten Schritt der Interaktion zur Degranulie-
auch einige Oberflächenproteine mit den NK-Zellen gemein- rung und damit zur Tötung der Zielzelle.
sam.
Die Interaktion zwischen einigen Immunzellen und ihren Aktivierende Rezeptoren auf NK-Zellen
Zielzellen erfolgt durch die Ausbildung einer spezifischen Kon- Das Fehlen von MHC-I-Molekülen ist ein wesentlicher Mecha-
taktstelle, die als immunologische Synapse bezeichnet wird. nismus für die Aktivierung von NK-Zellen. Sie reagieren dadurch
Definiert ist die immunologische Synapse als die Kontaktstelle auf das Fehlen einer Oberflächenstruktur, die nachweist, dass die
zweier Zellen, von denen mindestens eine zum Immunsystem Zielzelle zum Körper gehört und keine verdächtigen Proteine
gehört und bei der es auf einer begrenzten Fläche zur Freisetzung herstellt. Fehlende MHC-I-Moleküle (missing self) bedeuten also,
von Proteinen kommt. Am Anfang steht die Kontaktaufnahme dass sich eine Zelle nicht als ordentliche Körperzelle ausweisen
zwischen den beiden Zellen. Sie erfolgt durch die Interaktion kann. Zusätzlich dazu sind noch weitere Signale von Seiten der
von Adhäsionsmolekülen. LFA-1 auf der NK-Zelle bindet an Zielzelle für die Erkennung und Abtötung notwendig.
ICAM-1, -2, -3 und -4 auf der Zielzelle. Danach interagieren die LFA-1 (ein Komplex aus CD11a und CD18) stellt nicht nur
aktivierenden und inaktivierenden Rezeptoren der NK-Zelle die Verbindung zur Zielzelle her, sondern sorgt dafür, dass die
mit ihren jeweiligen Liganden, soweit diese vorhanden sind. Die Granula in der Nähe der immunologischen Synapse angeord-
Reaktivität der NK-Zelle basiert auf dem Verhältnis von akti- net werden. Eine Aktivierung von LFA-1 bereitet die NK-Zelle
vierenden zu inaktivierenden Signalen, die von der Anzahl der dadurch auf eine mögliche Eliminierung der Zielzelle vor, führt
jeweiligen Liganden auf der Oberfläche der Zielzelle abhängen. aber alleine noch nicht zur Degranulierung. Liganden, die sich
Dieses Gleichgewicht wird auch durch das Verhältnis der akti- auf infizierten, transformierten oder gestressten Zellen befinden,
vierenden zu inaktivierenden Rezeptoren auf ihrer Oberfläche werden durch andere aktivierende Rezeptoren erkannt. Dazu
geprägt (. Tab. 3.4). Wichtig ist dabei, dass die inhibierenden gehören NKp44 und NKp46. Sie binden an Influenza-Hämag­
Liganden in der Lage sind, die aktivierenden zu dominieren. So- glutinin auf der Oberfläche einer Zielzelle. Ihre Liganden auf
lange genug inhibierende Rezeptoren aktiviert werden, kommt Tumorzellen sind unbekannt, ebenso wie bei einer ganzen Reihe
es nicht zum Angriff auf die Zielzelle. In diesem Fall löst sich die von weiteren aktivierenden Rezeptoren, deren genaue Liganden
immunologische Synapse wieder, und die NK-Zelle kann weitere noch nicht identifiziert sind.
48 Kapitel 3  •  Das angeborene Immunsystem

NK-Zellen verfügen noch über eine weitere Art, Zielzellen Vorläuferproteine synthetisiert. Erst durch die Abspaltung zweier
1 wahrzunehmen. Sie basiert auf dem niedrigaffinen IgG-Rezep- Aminosäuren am N-Terminus, entweder durch Cathepsin C oder
tor Fcγ-RIII (CD16, einer der charakteristischen Marker von durch einen IL-2-stimulierten zusätzlichen Weg, wird die kata-
2 NK-Zellen). Wenn Antikörper gegen virale Strukturen oder Tu- lytisch wirksame Form gebildet. Außerdem sind die Granzyme
morproteine auf der Oberfläche einer Zielzelle gebunden haben, bei dem sauren pH-Wert innerhalb der Granula nahezu inaktiv.
kommt es durch eine Aktivierung von CD16 ebenfalls zur De- Anfänglich wurde angenommen, dass Perforin Poren formt,
3 granulierung; dieser Prozess wird als ADCC (antibody-dependent durch die Granzyme ins Innere der Zielzelle eindringen. In
cell-mediated cytotoxicity) bezeichnet. Wirklichkeit verursacht Perforin allerdings nur relativ kleine
4 Poren, durch die Calcium in die Zielzelle einströmt. Granzyme,
Inaktivierende Rezeptoren auf NK-Zellen die sich aufgrund elektrostatischer Wechselwirkungen an die
5 Der wichtigste Ligand für die inaktivierenden Rezeptoren ist das Zielmembran anlagern, werden daraufhin durch Endocytose
MHC-I-Molekül. Viele dieser Rezeptoren gehören zur Familie aufgenommen. Sie entkommen innerhalb von Minuten aus den
der KIR (killer cell immunoglobulin-like receptor). Sie erkennen Endosomen und lösen durch mindestens drei verschiedene Wege
6 die klassischen antigenpräsentierenden Moleküle HLA-A, -B Apoptose aus. Granzym A schädigt die Mitochondrien, wodurch
und -C. Zusätzlich gibt es auch noch Rezeptoren wie CD94, der es zu einem apoptotischen Zelltod kommt, der aber komplett
7 zusammen mit NKG2A HLA-E erkennt. Die Gruppe der inak- unabhängig von den zentralen Effektormolekülen der Apoptose,
tivierenden Rezeptoren kann zusätzlich zum MHC-I-Molekül den Caspasen, ist. Im Gegensatz dazu spaltet und aktiviert Gran-
auch andere zelluläre Strukturen erkennen. Zum Beispiel bindet zym B die zentrale Caspase-3. Zusätzlich kann Granzym B auch
8 der Rezeptor KLRG1 Cadherine. Verminderte Cadherin-Expres- noch direkt eine Reihe von Substraten der Caspase-3 aktivieren
sion kann ein Warnsignal für eine maligne Entartung sein; diese und dadurch den apoptotischen Prozess in Gang setzen.
9 Adhäsionsproteine werden von metastasierenden Epithelzell-Tu- Als weitere Mechanismen für eine cytotoxische Wirkung set-
moren herunterreguliert. zen die NK-Zellen auch noch FAS-Ligand und TRAIL frei. Beide
10 Um zu entscheiden, welche Reaktion auf die Signale der ver- gehören zur TNF-Superfamilie. Die Bindung von FAS-Ligand
schiedenen Rezeptoren erfolgen soll, müssen die aktivierenden an seinen Rezeptor FAS (= CD95) oder von TRAIL an meh-
und inaktivierenden Stimuli gegeneinander abgewogen werden rere Rezeptoren der TNF-Rezeptor-Superfamilie führen in den
11 (. Abb. 3.8). Die aktivierenden Rezeptoren verfügen in ihrem Zielzellen ebenfalls zu Apoptose. Die Vielfalt der verschiedenen
intrazellulären Teil über ITAM (immunoreceptor tyrosine-based Wege, die NK-Zellen einsetzen, um den programmierten Zell-
12 activation motif)-Sequenzen (▶ Kap. 6), die zur Degranulierung tod auszulösen, dient vermutlich der Absicherung. Sollte eine
führende Signale auslösen. Auf den inhibierenden Rezeptoren Zielzelle eine Möglichkeit finden, einen der Wege zu blockieren,
befinden sich stattdessen ITIM (immunreceptor tyrosine-based wird ihre Eliminierung durch eine Reihe anderer Mechanismen
13 inhibitory motif)-Sequenzen. Diese rekrutieren Phosphatasen, sichergestellt. Somit ist ein einzelner Verteidigungsmechanismus
die durch Dephosphorylierung die Signale der aktivierenden nicht in der Lage, die Kontrolle durch NK-Zellen zu umgehen.
14 Rezeptoren abschalten.
Zusätzliche Interaktionen von NK-Zellen
Tötungsmechanismus
15 Es gibt mindestens zwei unterschiedliche Arten von NK-Zellen.
Die Waffe, mit der NK-Zellen ihre Zielzellen eliminieren kön- Im Blut exprimieren über 90 % der NK-Zellen nur wenig CD56
nen, sind ihre bereits erwähnten cytotoxischen Granula. Den (CD56schwachCD16+). Zusätzlich gibt es noch weitere NK-Zellen,
16 gleichen Mechanismus verwenden auch cytotoxische T-Zellen die deutlich mehr CD56, aber kein CD16 auf ihrer Oberfläche
(CTL). Bei der Degranulierung kommt es zunächst zu Umlage- haben (CD56starkCD16−). Zwischen diesen Subpopulationen be-
17 rungen des Cytoskeletts und einer Anordnung der Granula in steht eine Arbeitsteilung. Während die CD56schwachCD16+ für die
der Nähe der Membran. Nach der Aktivierung verschmelzen die klassische Funktion der NK-Zellen als cytotoxische Effektorzelle
cytotoxischen Granula mit der Plasmamembran, und ihr Inhalt zuständig ist, die ohne Voraktivierung unspezifisch Zielzellen
18 wird in die immunologische Synapse freigesetzt. Die wichtigsten vernichtet, kommunizieren die CD56starkCD16− über Cytokine
Granula-Proteine sind Perforin, Granzyme, FAS-Ligand (TNF mit anderen Immunzellen und wirken dadurch auch prägend auf
19 superfamily, member 6) und TRAIL (tumor necrosis factor-related das spezifische Immunsystem ein. In lymphatischen Geweben
apoptosis-inducing ligand). Es handelt sich dabei um eine loka- ist der Anteil an CD56starkCD16−-NK-Zellen daher auch deutlich
20 lisierte und kontrollierte Freisetzung in Richtung der Zielzelle, höher als im Blut. Es gibt eine gegenseitige Wechselbeziehung
bei der Kollateralschäden durch die Ausbildung der immunolo- von NK-Zellen mit DC. Zum einen werden NK-Zellen durch di-
gischen Synapse weitgehend vermieden werden. Die NK-Zelle rekten Zellkontakt und die Cytokine IL-2, IL-12, IL-15, IL-18 von
21 selbst kommt zwar in direkten Kontakt mit dem Inhalt ihrer Gra- DC aktiviert. Das regt die Bildung von Perforin, die Produktion
nula, wird bei diesem Vorgang aber nicht beschädigt. Sie schützt von IFN-γ und ihre Funktion als cytotoxische Zellen an. Zum
22 sich durch Proteine, die Perforin spalten (Cathepsin B) und anderen führt die Freisetzung von IFN-γ, TNF-α und GM-CSF
Granzyme inaktivieren (Serpin), und kann nach getaner Arbeit durch die NK-Zellen zur Aktivierung und Reifung von DC. Da-
weitere Zielzellen überprüfen und gegebenenfalls eliminieren. rüber hinaus sind NK-Zellen Produzenten von TH1-Cytokinen
23 Auch innerhalb der Zelle ist sichergestellt, dass der Inhalt der und eine wichtige Quelle von IFN-γ zu Beginn der Immunant-
Granula die NK-Zelle nicht beschädigt. Die Proteine der Gran- wort, die eine TH1-Reaktion einleitet. Sie können in Kontakt mit
zym-Familie sind Serinproteasen. Granzyme werden als inaktive derselben DC sein, die eine naive T-Helferzelle aktiviert, und als
Literatur
49 3

Antwort auf IL-12 von der DC das IFN-γ für die Polarisierung
der naiven T-Helferzelle in Richtung TH1 produzieren. Darüber
hinaus schütten NK-Zellen Chemokine wie CCL3, -4 und -5 aus,
durch die unreife DC und TH1-Zellen angelockt werden. Zusätz-
lich zu ihrer Funktion in der angeborenen Immunität regulieren
NK-Zellen also auch wesentliche Schritte am Beginn der adap-
tiven Immunantwort.
Des Weiteren können NK-Zellen auch mit Makrophagen in-
teragieren. Die Interaktion verläuft ähnlich wie bei den DC und
kann zur Proliferation, Cytokinproduktion und Aktivierung der
NK-Zellen führen. Wenn Makrophagen mit einer großen Menge
LPS stimuliert wurden, kommt es nicht zu einer regulatorischen,
sondern zu einer cytotoxischen Interaktion. Sie exprimieren
dann den Liganden für den aktivierenden NK-Zell-Rezeptor
NKG2D und werden trotz vorhandener MHC-I-Moleküle von
der NK-Zelle getötet. Es wird vermutet, dass es sich dabei um
einen Mechanismus handelt, durch den überstimulierte Makro-
phagen eliminiert werden.

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51 4

Antigenpräsentation
Hajo Haase

4.1 Antigenpräsentierende Moleküle – 52


4.2 Weitere beteiligte Moleküle  –  60
4.3 Professionelle antigenpräsentierende Zellen  –  60
Literatur – 62

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
52 Kapitel 4 • Antigenpräsentation

Zellen des angeborenen Immunsystems, beispielsweise die Mak- Der MHC-Komplex hat eine Größe von ungefähr 3,6 Mb
1 rophagen, verfügen über eine Reihe von Rezeptoren, die es ihnen (Megabasen = Millionen Basenpaare DNA) und besteht aus drei
ermöglichen, Pathogene anhand hoch konservierter molekularer Regionen, in denen sich insgesamt mehr als 0,1 % der Gene des
2 Muster direkt zu binden. T-Zellen erkennen keine freien Anti- menschlichen Genoms befinden. Die Regionen, in denen die
gene, sie werden nur dann aktiviert, wenn antigen­präsentierende Moleküle der Klasse I und II codiert sind, werden dementspre-
Zellen (APC, antigen-presenting cells) die Peptidfragmente, an chend auch als Region I bzw. II bezeichnet. Die Klasse-III-Region
3 bestimmte Oberflächenproteine gebunden, dem T-Zell-Rezeptor befindet sich zwischen den beiden anderen Regionen und enthält
präsentieren. Der T-Zell-Rezeptor (TCR, T cell receptor) wird Gene für weitere an der Antigenprozessierung und -präsenta-
4 bereits während der Reifung der T-Zellen im Thymus (▶ Kap. 2) tion beteiligte Proteine, aber auch viele immunologisch relevante
danach ausgewählt, ob er mit den antigenpräsentierenden Mo- Proteine ohne direkte Funktion bei der Antigenpräsentation wie
5 lekülen des Organismus zu interagieren vermag. beispielsweise Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und mehrere
Fast alle Zellen des menschlichen Körpers sind grundsätzlich Komplementproteine (z. B. C4).
in der Lage, Antigene auf ihrer Ober­fläche zu präsentieren. Das Die MHC-Moleküle sind die Basis für die Antigenpräsenta-
6 ist wichtig, damit bei einer viralen Infektion an eine cytotoxi­ tion. Sie sind in Wirbeltieren aber auch die Ursache für die Unter-
sche T-Zelle signalisiert werden kann, dass eine bestimmte Zelle scheidung von Selbst und Nicht-Selbst durch das Immunsystem.
7 befallen ist und zum Schutz des Organismus eliminiert werden Bei Wirbellosen kommen sie nicht vor. Es wird aufgrund ihrer
muss. Dadurch wird die weitere Ausbreitung der Infektion ein- strukturellen und funktionellen Ähnlichkeit vermutet, dass sich
gedämmt. MHC-I und MHC-II aus einem gemeinsamen Vorläufer entwi-
8 Darüber hinaus gibt es noch einige professionelle APC, die ckelt haben. Bei den Genen für beide MHC-Klassen gibt es so-
den T-Zellen Antigene präsentieren, entweder um diese Zellen wohl Polygenie als auch Polymorphismen. Polygenie bezeichnet
9 zu aktivieren, oder um von ihnen aktiviert zu werden (▶ Ab- das Vorhandensein verschiedener Gene, zum Beispiel enthält das
schn. 4.3). Diese Vorgänge sind wichtig für die Steuerung und menschliche Genom nicht nur eine Version von MHC-II, sondern
10 Kontrolle der adaptiven Immunantwort, da hier entschieden gleich drei (HLA-DR, -DQ und -DP), deren Produkte jeweils ein
wird, gegen welche Antigene eine adaptive Immunreaktion aus- anderes Spektrum von Peptiden binden. Polymorphismus bedeu-
gelöst wird. tet, dass es eine Anzahl verschiedener möglicher Allelvarianten
11 für jedes der Gene gibt. Die Anzahl an Polymorphismen ist bei
den MHC-Proteinen ausgesprochen hoch. Wie der Begriff „His-
12 4.1 Antigenpräsentierende Moleküle tokompatibilität“, also „Gewebeverträglichkeit“, schon andeutet,
sind diese Gene ausschlaggebend für die Kompatibilität von Ge-
Die Gene einer ganzen Reihe der wichtigsten an der Antigen- weben bei der Transplantation, und der starke Polymorphismus
13 präsentation beteiligten Proteine sind in dem sogenannten ist ein großes Hindernis für die allogene Transplantation, also
Haupthistokompatibilitätskomplex codiert (MHC, major histo- zwischen Individuen derselben Art. Die zugrunde liegenden Me-
14 compatibility complex). Der menschliche MHC befindet sich auf chanismen werden in ▶ Kap. 12 eingehender behandelt.
dem kurzen Arm von Chromosom 6. Der entsprechende Gen- MHC-Moleküle präsentieren nur Peptidfragmente, keine
15 komplex der Maus (H-2) auf Chromosom 17. Der MHC codiert ganzen Proteine. Daher müssen die Proteine in den APC zu-
zwei Arten von antigenpräsentierenden Molekülen, die beide zur nächst in kürzere Bruchstücke aufgespalten werden, bevor diese
Immunglobulinsuperfamilie gehören: die MHC-Moleküle der auf die MHC-Proteine geladen und an die Oberfläche transpor-
16 Klassen I und II. Dabei dient die Klasse I zur Präsentation an tiert werden, wo sie dann den T-Zellen als Antigene präsentiert
cytotoxische T-Lymphocyten (CTL, cytotoxic T lymphocytes) und werden können. Generell kann man zwei Arten von Antigenen
17 die Klasse II zur Präsentation an T-Helferzellen. Diese Festlegung anhand ihrer Herkunft unterscheiden:
wird als MHC-Restriktion bezeichnet. So wird bereits von der Endogene Peptide werden innerhalb der Zelle produziert
APC festgelegt, welche T-Zell-Funktion gegen dieses Antigen und auf MHC-I-Molekülen präsentiert.
18 zum Tragen kommt: Tötung oder Hilfe. Beim Menschen wer- Exogene Peptide stammen aus der Umgebung professi-
den die MHC-Proteine als HLA (Humanes Leukocytenantigen) oneller APC und werden von diesen aufgenommen und auf
19 bezeichnet. HLA-Moleküle binden ausschließlich Peptide, die MHC-II-Molekülen präsentiert.
dann an der Zelloberfläche zur Schau gestellt werden, wo sie in
20 Kontakt mit dem TCR von T-Zellen kommen können. Der TCR
MHC I
interagiert dabei sowohl mit einem Teil des MHC als auch mit
dem Antigen, und T-Zellen können, wie bereits erwähnt, Anti-
21 gene nur in Kombination mit körpereigenen MHC-Molekülen Beim Menschen gibt es Gene für acht MHC-Proteine der
erkennen. Für diese experimentelle Erkenntnis erhielten Peter Klasse I: HLA-A, -B, -C, -E, -G, -F sowie MIC (MHC class I chain
22 Doherty und Rolf Zinkernagel im Jahr 1996 den Nobelpreis. related) A und B. Davon gelten aber nur HLA-A, -B und -C als
Befindet sich auf dem MHC ein Antigen, an das der TCR stark die sogenannten klassischen MHC-I-Proteine, die einen hohen
genug binden kann, kommt es zu einer Interaktion zwischen den Polymorphismusgrad aufweisen und ubiquitär für die Präsen-
23 beiden Zellen: Das Antigen wurde erfolgreich präsentiert. tation endogener Peptide zuständig sind. Ein MHC-I-Molekül
besteht aus einer in der Plasmamembran verankerten α-Kette
4.1 • Antigenpräsentierende Moleküle
53 4
.. Abb. 4.1  Das MHC-I-Molekül. Das MHC-I-Molekül
besteht aus einer in der Plasmamembran verankerten
α-Kette (rot), die in drei Domänen (α1, α2 und α3) unterteilt
ist. Zusätzlich ist daran das β2-Mikroglobulin (β2m) assoziiert α2 α1
(blau). Das Antigen (grün) wird in einer Bindungsgrube
gehalten, die aus Teilen der Domänen α1 und α2 aufgebaut
ist. Die Strukturinformation für die rechte Abbildung stammt
aus der RCSB Protein Data Bank (PDB-ID 3LN5) α3 β2m

.. Abb. 4.2  Beladung von MHC-I-Molekülen. Mit Ubiquitin


(Uq) markierte Proteine (1) werden durch das Proteasom
(ein großer cytosolischer Protease-Komplex) in kürze-
re Ketten gespalten (2). Diese werden dann durch den
TAP-Transporter (3) in das ER überführt. Sowohl vor als auch 8
nach dem Transport ins ER werden die Antigene durch
Peptidasen noch weiter prozessiert (4). Im ER befindet sich Proteasom
das MHC-I-Molekül, das durch Proteine wie Calnexin (5) ge-
faltet und durch Tapasin zum TAP rekrutiert (6) und dort so Uq 2
Uq
lange stabilisiert wird, bis es ein passendes Antigenpeptid Uq
gebunden hat. Danach wird das fertig beladene MHC-I-Mo- 1 Uq
7
lekül durch den Golgi-Apparat (7) an die Zelloberfläche (8) 3

TAP1
TAP2
transportiert

Tapasin
5

xin
ne
6

Cal
ER 4

von 45 kD, die sich aus den drei Domänen α1, α2 und α3 zusam- Prozessierung und Präsentation endogener
mensetzt, an die nichtkovalent ein β2-Mikroglobulin assoziiert Antigene
ist (. Abb. 4.1). Eine Bindungsgrube zwischen den Domänen α1
und α2 nimmt die ungefähr 8 bis 9 Aminosäuren langen Pep- Im Fall einer viralen Infektion oder einer malignen Transforma-
tidantigene auf. Diese Peptide werden durch die im folgenden tion kommt es in der Zelle zu einer Veränderung im Spektrum
Abschnitt beschriebenen Mechanismen generiert und auf das der synthetisierten Proteine. Zusätzlich zu den physiologischen,
MHC-I-Protein geladen. Zahlreiche Proteine, die an diesem körpereigenen Proteinen werden auch virale Proteine oder,
Vorgang beteiligt sind, sind ebenfalls im MHC codiert. Hier im Falle einer malignen Transformation, mutierte oder nor-
allerdings nicht zusammen mit den MHC-I-Proteinen in der malerweise nicht exprimierte Proteine hergestellt. Wenn CTL
MHC-I-Region, sondern in der MHC-II-Region. Dazu gehören wahrnehmen, dass eine Zelle fremde oder veränderte Proteine
unter anderem die beiden TAP(transporter associated with anti- herstellt, wird diese als virusinfizierte Zelle oder Tumorzelle er-
gen processing)-Proteine und die zwei Proteasomkomponenten kannt und vernichtet. Dafür werden diese endogenen Peptide
LMP(large multifunctional peptidase)2 und LMP7 sowie Tapasin. auf MHC-I-Molekülen an der Oberfläche den CTL präsentiert,
MHC-I-Moleküle finden sich auf so gut wie allen kernhalti- die diese auf fremde oder unnormale Genexpression überprü-
gen Zellen des Körpers und auf Thrombocyten (aber nicht auf fen. Bei dieser Form der Antigenpräsentation wird nicht zwi-
den kernlosen Erythrocyten), wo sie hauptsächlich dazu dienen, schen Selbst und Fremd unterschieden. Die Zelle präsentiert ein
in der Zelle hergestellte Peptide an CTL zu präsentieren, die nach Repertoire aus allen Proteinen in ihrem Inneren, wobei tausende
Anzeichen für virale Proteine oder eine maligne Transforma- verschiedener Peptide an der Zelloberfläche ausgestellt sein kön-
tion suchen. Viren haben zahlreiche Mechanismen entwickelt, nen.
um die Expression ihrer Antigene durch MHC-I-Moleküle zu Die Präsentation endogener Peptide auf MHC-I-Molekülen
verhindern (▶ Kap. 8). Darum werden MHC-I-Moleküle zusätz- resultiert aus der Kombination zweier Vorgänge (. Abb. 4.2):
lich auch noch durch NK-Zellen erkannt, in diesem Fall aber Zum einen werden im endoplasmatischen Reticulum (ER) leere
unabhängig vom gebundenen Antigen. Dadurch wird der NK- MHC-I-Moleküle bereitgestellt und bis zur Beladung mit den
Zelle signalisiert, dass immer noch eine MHC-I-Präsentation antigenen Peptiden stabilisiert. Zum anderen werden im Cyto-
stattfindet. Fehlt dieses Signal (missing self), kann die Zelle nicht plasma intrazelluläre Proteine in Peptidfragmente gespalten und
nachweisen, dass sie genügend endogene Peptide präsentiert, um von dort ins ER transportiert.
eine mögliche Virusinfektion aufzuzeigen. Dann wird sie von
einer NK-Zelle getötet.
54 Kapitel 4 • Antigenpräsentation

.. Abb. 4.3  Aufbau des MHC-II-Moleküls. Das MHC-II-Mo-


1 lekül besteht aus zwei in der Membran verankerten
Proteinen, der α- (rot) und der β-Kette (blau), die sich jeweils
α1 β1 aus zwei Domänen zusammen­setzen. Das Antigen (grün)
2 wird in einer Bindungsgrube präsentiert, die von Teilen der
beiden Ketten gebildet wird. Die Strukturinformation für die
rechte Abbildung stammt aus der RCSB Protein Data Bank
3 α2 β2 (PDB-ID 3PDO)

4
5
6 Exkurs 4.1: Bare Lymphocyte Syndrome  |       |  Pore in der ER-Membran, durch die die Peptide transportiert
werden. Es wird vermutet, dass die Bindung der Peptide an die
Ein Beispiel für die Bedeutung, die die Antigenpräsentation über
7 MHC-II-Moleküle hat, ist das bare lymphocyte syndrome (BLS). C-terminale Domäne eine Konformationsänderung auslöst, die
Bei dieser sehr seltenen, autosomal rezessiv vererbten Krankheit zur Hydrolyse von ATP führt, durch welche dieser Transport
angetrieben wird.
8 wird aufgrund von Mutationen in Transkriptionsfaktoren, die die
Expression von MHC-II-Molekülen regulieren, kein MHC-II-Molekül Dabei haben die TAP eine gewisse Selektivität bezüglich der
gebildet. Von dieser offiziell als MHC-II-Defizienz bezeichneten
transportierten Peptide. Während des ersten Schritts des Trans-
9 Krankheit gibt es weltweit weniger als 80 bestätigte Fälle. Die
Unfähigkeit, MHC-II-Moleküle zu exprimieren, führt zu einem schwer ports, der Bindung der Peptide, werden die zu transportierenden
beeinträchtigten Immunsystem, dem keine angemessene zelluläre Fragmente anhand ihrer carboxyterminalen und drei aminoter-
10 oder humorale Reaktion auf Fremd-Antigene möglich ist. Beginnend
im ersten Lebensjahr haben die Patienten mit BLS eine extrem hohe
minalen Aminosäuren ausgesucht. Obwohl diese Selektion weit-
gehend den Bindungsanforderungen des MHC-I-Moleküls ent-
Anfälligkeit für Infektionen mit Viren, Bakterien, Protozoen und
spricht, hat TAP durch diese Auswahl vermutlich einen gewissen
11 Pilzen und versterben ohne Knochenmarktransplantation vor dem
zehnten Lebensjahr. Immunologisch auffällig ist, dass trotz normaler Einfluss darauf, welche Epitope präsentiert werden.
Anzahl von zirkulierenden B- und T-Lymphocyten (bei stark vermin-
12 dertem Anteil von T-Helferzellen) Hypogammaglobulinämie be- Beladung des MHC-I-Moleküls
obachtet wird und keine oder zumindest eine deutlich verminderte Das neu gebildete MHC-I-Protein kann mit dem TAP assoziieren
Antikörperbildung in Folge von Impfungen und Infektionen auftritt.
und verbleibt dort, bis Peptide mit einer passenden Affinität ins
13 ER gelangen. Der Zusammenbau eines kompletten, beladenen
MHC-Klasse-I-Proteins erfordert die Beteiligung mehrerer wei-
14 Fragmentierung der endogenen Proteine terer Proteine.
Intrazelluläre Proteine, die abgebaut werden sollen, werden Die neu synthetisierten α-Ketten binden zunächst an das
15 durch Bindung an das Protein Ubiquitin gekennzeichnet. Bei die- Chaperonprotein Calnexin. Calnexin sorgt für die korrekte
ser sogenannten Ubiquitinierung werden Ketten von mehreren Faltung und Ausbildung von Disulfidbrücken der α-Kette und
der nur 76 Aminosäuren großen Ubiquitinproteine kovalent an fördert ihre Bindung an β2-Mikroglobulin. Ein weiteres Protein
16 das zu degradierende Protein gebunden. Diese Proteine werden in dem Komplex zur Beladung des MHC-I-Proteins ist Tapasin,
dann innerhalb der Zelle durch das Proteasom, einen großen ein 48 kD Transmembran-Glykoprotein im ER, ohne das kein
17 cytoplasmatischen Protease-Komplex aus zahlreichen Unterein- stabil beladenes MHC-I-Protein an die Zelloberfläche gelangen
heiten, abgebaut. Dabei entstehen die Peptidfragmente für die könnte. Tapasin stabilisiert die Bindungsgrube des unbelade-
Beladung der MHC-I-Moleküle. nen MHC-I-Moleküls und verhindert dadurch dessen irrever-
18 Das Proteasom erkennt und entfaltet ubiquitinierte Proteine sible Denaturierung. Weiterhin kann Tapasin die Be- und Ent-
durch seine 19S-Untereinheit und leitet die deubiquitinierten ladung mit Peptiden beschleunigen. Dies sorgt dafür, dass das
19 Proteine an die katalytische 20S-Zentraleinheit zur Proteolyse MHC-I-Molekül mit Peptiden beladen wird, mit denen es einen
weiter. Sie ist aus 28 Untereinheiten aufgebaut, die unter dem ausreichend stabilen Komplex bildet, was als peptide editing be-
20 Elektronenmikroskop wie eine aus mehreren Ringen zusam- zeichnet wird. Zusätzlich vermittelt Tapasin die Bindung leerer
mengesetzte Röhre aussehen. Im Innern dieser Röhre werden MHC-Klasse-I-Moleküle an den TAP-Komplex (zusammen mit
die Proteine unter Verbrauch von ATP in Peptidfragmente ge- ihrem Proteinkomplex aus Calreticulin, Calnexin und der Re-
21 spalten. duktase ERp57). Dabei werden bis zu vier MHC-I/Tapasin-Kom-
plexe an ein TAP1/2-Dimer gebunden.
22 Transport der Peptidfragmente Unvollständige MHC-I-Moleküle liegen an ihre Chape-
Die im Cytosol generierten Peptide werden durch den TAP-Kom- ronproteine gebunden vor. Sie werden im ER solange zurück-
plex in das ER transportiert. TAP ist ein Heterodimer aus den gehalten, bis ein Peptid mit ausreichender Affinität gebunden
23 Proteinen TAP-1 und -2, die jeweils eine N-terminale Transmem- hat, da die Bindung des Peptids essenziell für die Stabilität des
brandomäne enthalten. Die Transmembranhelices bilden eine MHC-I-Moleküls ist. Erst nach der Beladung mit dem zu prä-
4.1 • Antigenpräsentierende Moleküle
55 4

Phagocytose Makropinocytose rezeptorvermittelte


C3b Endocytose

.. Abb. 4.4  Die drei Arten der Antigenaufnahme in professionelle APC. Exogene Antigene können über verschiedene Mechanismen in die professionel-
len APC aufgenommen werden. Phagocytose ermöglicht die Aufnahme von größeren Partikeln (> 1 µm). Hierbei kommt es zur Bindung durch Rezeptoren,
unter anderem Fc-Rezeptoren, Komplementrezeptoren und Lektinen, die das Partikel binden und die Phagocytose auslösen. Es kommt zu Umlagerungen im
Actin-Cytoskelett und dadurch zur Ausbildung von Pseudopodien, die das aufzunehmende Partikel umschließen. Die Makro­pino­cytose erfolgt ebenfalls durch
eine Umlagerung des Actin-Cytoskeletts. Hierbei werden aber keine Partikel, sondern extrazelluläre Flüssigkeit und darin gelöste Antigene aufgenommen.
Dieser Prozess erfolgt konstitutiv in DC und Makrophagen und erfordert keine auslösenden Reize oder Rezeptoren. Die dritte Art der Antigenaufnahme ist die
rezeptorvermittelte Endocytose, die z. B. wichtig für B-Zellen ist, bei der Antigene an Rezeptoren gebunden und durch Einstülpungen der Plasmamembran, die
beispielsweise durch Anlagerung von Clathrin oder Caveolin zustande kommen, in endocytotische Vesikel aufgenommen werden

sentierenden Antigen dissoziiert das MHC-I-Molekül von den Phagocytose bezeichnet die Internalisierung partikulärer
Chaperonen ab, und die fertigen MHC-I-Moleküle werden dann Antigene. Sie dient der Aufnahme von Pathogenen, Liposomen,
durch den Golgi-Apparat an die Zelloberfläche transportiert. den Überresten apoptotischer Zellen und anderem partikulärem
Material. Die Phagocytose erfolgt nach Bindung der Antigene
an verschiedene Rezeptoren, darunter Fc- und Komplementre-
MHC II zeptoren und Lektine. Im Verlauf der Phagocytose kommt es zu
einer Umlagerung des Actin-Cytoskeletts, bei der das zu phago-
MHC-Klasse-II-Moleküle sind Heterodimere aus einer α- und cytierende Partikel durch Ausstülpungen der Plasmamembran,
einer β-Kette, die beide in der MHC-Region  2 codiert sind sogenannte Pseudopodien, umschlossen wird.
(. Abb. 4.3). Sie präsentieren exogene Peptidantigene an T-Hel- Makropinocytose funktioniert ähnlich wie die Phagocytose.
ferzellen (▶ Exkurs 4.1). Ihre Bindungsgrube ist an den Seiten Auch hier kommt es zur Umlagerung des Cytoskeletts. Es gibt al-
offen und erlaubt dadurch die Präsentation von Peptiden, die lerdings zwei Unterschiede zwischen den beiden Mechanismen.
mit 10 bis 15 Aminosäuren etwas länger sind als diejenigen auf Zum einen dient die Makropinocytose zur Aufnahme löslicher
MHC-I-Molekülen. MHC-II-Moleküle werden auf professionel- Antigene, hier wird extrazelluläre Flüssigkeit aufgenommen
len APC (DC, Makrophagen, B-Zellen), nach Aktivierung auch und die in ihr enthaltenen Antigene werden internalisiert. Zum
auf T-Zellen exprimiert. anderen kann die Makropinocytose konstitutiv ablaufen, das
heißt die Aufnahme von Antigenen ist nicht von der Bindung
an bestimmte Rezeptoren abhängig. Somit können auch Anti-
Prozessierung und Präsentation exogener gene aufgenommen werden, die die APC nicht mittels spezieller
Antigene Rezeptoren erkennen.
Rezeptorvermittelte Endocytose unterscheidet sich von
Aufnahme exogener Antigene den beiden anderen Mechanismen dadurch, dass die Bildung der
Der einfachste Weg, MHC-II-Moleküle mit Peptiden aus der Endosomen nicht auf einer Umlagerung des Actin-Cytoskeletts,
Umgebung der APC zu beladen, wäre sicherlich die direkte sondern auf der Ausbildung von Einstülpungen der Plasmamem-
Bindung von Peptiden aus der umgebenden Flüssigkeit an freie bran durch zelluläre Proteine wie Clathrin oder Caveolin beruht.
MHC-II-Moleküle auf der Zelloberfläche. Tatsächlich findet Dieser Prozess kann durch die Bindung von Liganden an eine
man einige wenige „unbeladene“ (d. h. nur mit CLIP, class-II-as- Reihe verschiedener Rezeptoren ausgelöst werden. Unter ande-
sociated invariant-chain peptide, beladene) MHC-II-Moleküle rem sind dies Fc-Rezeptoren, Lektine, Scavenger-Rezeptoren,
auf den Oberflächen von APC, sodass bei entsprechender Pep- Komplementrezeptoren und der B-Zell-Rezeptor.
tidkonzentration eine direkte Bindung von Peptiden an der Zel-
loberfläche theoretisch möglich wäre. Trotzdem ist solch eine Prozessierung exogener Antigene
Beladung von MHC-II-Molekülen auf der Zelloberfläche, wenn Nach der Endocytose haben die Endosomen aller aufgenomme-
überhaupt, in vivo nur von sehr geringer Bedeutung. In der Re- nen Antigene ein gemeinsames Schicksal: Sie fusionieren mit
gel erfolgt die Beladung von MHC-II-Molekülen im Zellinnern, Lysosomen, die Proteine enthalten, durch die die Antigene für
nachdem die präsentierten Antigene über spezielle Mechanis- die Beladung des MHC-II-Moleküls prozessiert werden. Lysoso-
men aufgenommen und verarbeitet wurden. Dabei gibt es drei men haben außerdem V-ATPasen. Diese Enzyme sorgen dafür,
Hauptwege, über die exogene Antigene ins Zellinnere gelangen dass Protonen in die Lysosomen gepumpt werden, wodurch der
können (. Abb. 4.4): Inhalt angesäuert wird. Dabei sinkt der pH-Wert in ihrem Innern
56 Kapitel 4 • Antigenpräsentation

1 (MHC-II / li)3 MHC-II / CLIP MHC-II / Antigen

2 Cathepsine HLA-DM

3
4
.. Abb. 4.5  Beladung von MHC-II-Molekülen. Das MHC-II-Molekül liegt an die invariante Kette Ii gebunden vor. Durch Proteasen, hauptsächlich Mitglieder
der Familie der Cathepsine, die auch die Proteinantigene in Peptidfragmente spalten, wird Ii teilweise abgebaut. Dabei bleibt zunächst der in der Antigenbin-
5 dungsgrube enthaltene Teil der Ii als CLIP-Fragment erhalten. Chaperonproteine wie das nichtklassische HLA-DM begünstigen dann den Austausch von CLIP
gegen das zu präsentierende Antigen

6
auf ungefähr 4,5 ab. Bei diesem pH-Wert gibt es die optimale (. Abb. 4.6). Wie das Tapasin beim MHC-I-Molekül, so können
7 Aktivierung von Proteasen aus der Familie der Cathepsine, die auch hier die Chaperone durch peptide editing die Auswahl der
Proteinantigene in kürzere Ketten aufspalten. Diese Proteasen präsentierten Peptide beeinflussen. Nach Abschluss der Beladung
sind nicht besonders spezifisch und würden die Peptide daher re- mit Antigenen werden die MHC-II-Komplexe dann an die Zel-
8 lativ schnell komplett verdauen. Dementsprechend gibt es keinen loberfläche transportiert, wo sie die Antigene an CD4+-T-Zellen
Grund anzunehmen, dass dieser Abbau endet, sobald die Pep- präsentieren.
9 tide die optimale Länge für die Beladung des MHC-II-Moleküls
erreicht haben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass größere
Kreuzpräsentation
10 Peptidketten zunächst an die an beiden Seiten offene Antigenbin-
dungsgrube des MHC-II-Moleküls binden und dann die überste-
henden Enden durch Proteasen entfernt werden, während das zu Cytotoxische T-Zellen sind wesentlich für die Immunabwehr
11 präsentierende Peptid durch die Bindung im MHC vor weiterem gegen intrazelluläre Pathogene (z. B. Viren) und Tumoren. Sie
Abbau geschützt ist. erkennen ihre Zielzellen durch die Präsentation von MHC-I/
12 Antigen-Komplexen auf der Zelloberfläche. Um zu vermeiden,
Beladung von MHC-II-Molekülen dass gesunde, unbeteiligte Zellen in der Umgebung eliminiert
Die MHC-II-Moleküle werden im endoplasmatischen Retiku- werden, muss weitgehend ausgeschlossen werden, dass Über-
13 lum synthetisiert. Dabei bilden sie einen Komplex mit der in- reste der infizierten oder malignen Zellen in die Beladung von
varianten Kette Ii (CD74). Ii ist ein Trimer aus drei identischen MHC-I-Molekülen gelangen. Die Immunreaktion ist dadurch auf
14 Proteinen, die jeweils ein Dimer aus einer α- und einer β-Kette Zellen begrenzt, in denen pathogene Mikroorganismen vorhan-
vom MHC-II-Molekül binden, sodass insgesamt ein Komplex den sind oder die Tumorantigene produzieren.
15 aus neun Proteinen vorliegt (. Abb. 4.5). Das Ii erfüllt in diesem Eine strikte Begrenzung von MHC-I-Molekülen auf die
Komplex gleich mehrere wichtige Aufgaben. Zum einen gibt es Präsentation endogener Antigene führt allerdings zu einem
im ER zahlreiche Peptide für die Beladung von MHC-I-Mo- Problem: Genau wie T-Helferzellen brauchen auch naive
16 lekülen. Läge das MHC-II-Molekül hier frei vor, bestünde die cytoto­xische T-Zellen die Aktivierung durch professionelle
Gefahr mit Antigenpeptiden beladen zu werden. Dies darf APC. Wenn ein Virus professionelle APC nicht infiziert (wie
17 nicht geschehen, da es erst zu einem späteren Zeitpunkt mit beispielsweise das Hepatitis-B-Virus oder Poliovirus) oder ein
den exogenen Peptiden in Kontakt kommt. Ein Teil des Ii befin- Tumor nicht von solch einer Zelle abstammt, würden gegen de-
det sich in der Antigenbindungsgrube des MHC-II-Moleküls, ren Antigene keine CTL aktiviert. Daher ist es notwendig, dass
18 stabilisiert das Molekül und schützt dabei vor vorzeitiger Bela- professionelle APC in der Lage sind, auch exogene Peptide auf
dung. Darüber hinaus ist das Ii auch wichtig, um den Komplex MHC-I-Molekülen an naive CTL zu präsentieren. Die Fähigkeit
19 in das MHC-II-Kompartiment zu dirigieren. Das sind Vesikel, einiger APC, Peptidfragmente von exogenen Antigenen anstatt
die das MHC-II-Molekül zu den antigenhaltigen Endolysoso- auf MHC-II- auch auf MHC-I-Molekülen zu präsentieren und
20 men transportieren, wo es mit exogenen Antigenen beladen dadurch bei CTL entweder eine Aktivierung oder Toleranz ge-
wird. genüber diesem Antigen hervorzurufen, wird als Kreuzpräsen-
Ebenso wie die aufgenommenen extrazellulären Antigene tation bezeichnet.
21 wird auch die Ii durch Proteasen wie die asparaginspezifische Normalerweise werden MHC-I-Moleküle im ER beladen.
Endopeptidase und Cathepsine teilweise abgebaut. In der Anti- Hier müssten aber die wenigen aufgenommenen Peptide mit der
22 genbindungsgrube befindet sich noch ein Rest des Ii, das soge- großen Zahl endogener Peptide um die verfügbaren Bindungs-
nannte CLIP(class-II-associated invariant-chain peptide)-Frag- stellen auf MHC-I-Molekülen konkurrieren. Es wurde gezeigt,
ment. Der Austausch von CLIP gegen die Antigenpeptide erfolgt dass sämtliche für die Beladung von MHC-I-Molekülen notwen-
23 durch die Chaperonproteine HLA-DM und HLA-DO und wird digen Proteine durch einen bislang unbekannten Mechanismus
durch den sauren pH-Wert innerhalb der Lysosomen begünstigt auch in Phagosomen gelangen können, wo die exogenen Peptide
4.1 • Antigenpräsentierende Moleküle
57 4
.. Abb. 4.6  Prozessierung und Präsentation exoge-
ner Antigene auf MHC-II-Molekülen. (1) Ein exogenes
Antigen wird in die Zelle aufgenommen und gelangt in ein

C3b
Endosom, hier gezeigt am Beispiel der Phagocytose nach
Aktivierung von Fc-Rezeptor, Komplementrezeptor und 6
Lektin. (2) Durch Verschmelzung mit dem MHC-II-Kompar-
timent gelangen MHC-II/Ii-Komplexe in das Endolysosom.
(3) Durch Ansäuern des Endolysosoms und die Einwirkung 1
von Proteasen werden das Antigen und Ii teilweise abge-
baut. (4) Aufgrund der Interaktion mit Chaperonproteinen
wird der Rest der Ii (CLIP) gegen ein Antigenpeptid ausge-
2 5
tauscht. (5) Das Antigenpeptid wird auf seine endgültige
Länge von 10 bis 15 Aminosäuren geschnitten. (6) Das fertig
beladene MHC-II-Molekül wird zur Antigenpräsentation an 3
die Zelloberfläche transportiert
4
2

ohne die Konkurrenz aus dem ER auf MHC-I-Moleküle geladen präsentation auf MHC-Klasse-I-Moleküle an CTL Toleranz
werden können. gegen Nahrungsantigene oder kommensale Bakterien erzeu-
Die Wahrscheinlichkeit für Autoimmunreaktionen vermin- gen, die über die Blutversorgung aus dem Gastrointestinaltrakt
dert sich, wenn ein Antigen unabhängig voneinander von zwei kommen.
Lymphocyten, wie beispielsweise einer B- und einer T-Helfer- Man sollte erwarten, dass kreuzpräsentierende DC wäh-
zelle, erkannt werden muss, die beide eine negative Selektion rend einer viralen Infektion von bereits aktivierten CTL getötet
durchlaufen haben. Auch CTL haben ein großes Potenzial, werden. Dies wurde auch beobachtet, es scheint allerdings die
Schäden anzurichten, und auch hier ist die zentrale Toleranz Immunreaktion nicht zu beeinträchtigen. Zum einen wird die
nicht 100%ig effektiv, sodass potenziell autoreaktive naive CTL in Apoptose von DC durch einen Rezeptor aus der TNF-Rezep-
die Zirkulation gelangen können. Im Gegensatz zu B-Zellen ha- tor-Familie gehemmt, dessen Ligand von aktivierten T-Zellen
ben CTL keine MHC-II-Moleküle und können daher nicht direkt exprimiert wird. Zum anderen sind die naiven CTL bereits nach
mit TH-Zellen interagieren. Stattdessen wirken die kreuzpräsen- einem Tag aktiviert und haben kurze Zeit später schon ihre vol-
tierenden DC wie eine Brücke zwischen den beiden Arten von len cytotoxischen Fähigkeiten. Auf diese Weise kann eine ausrei-
T-Zellen, denn für eine erfolgreiche Kreuzpräsentation brauchen chende Anzahl an CTL aktiviert werden, bevor es zur Abtötung
DC zusätzlich Signale von spezifischen TH-Zellen, unter anderem der DC kommt.
die Interaktion von CD40-Ligand (= CD154) auf T-Helferzellen
mit CD40 auf den DC. Um das extrem unwahrscheinliche Zu-
sammentreffen von drei seltenen Immunzellen zu erleichtern, CD1
die alle ein bestimmtes Antigen präsentieren, beziehungsweise
erkennen, werden nach dem erfolgreichen Zusammentreffen von Die klassische Erkennung von Antigenen basiert auf der Präsen-
DC und T-Helferzelle die noch fehlenden CTL durch Chemokine tation von Peptidantigenen durch MHC-Moleküle. Pathogene
gezielt herbeigelockt. bestehen aber noch aus anderen Verbindungen, die das adap-
Wenn CTL ohne Beteiligung von T-Helferzellen aktiviert tive Immunsystem für ihre Erkennung nutzen kann. Zusätzlich
werden, haben sie nur eine kurze Lebenszeit und funktionie- zu den MHC-Molekülen gibt es auch eine Antigenpräsentation
ren nicht als cytotoxische Zellen. Eine immunogene Antwort durch CD1-Moleküle, die einen weiteren Weg der T-Zellaktivie-
erfordert, dass DC Antigene zusammen mit PAMP (patho- rung darstellt.
gen-associated molecular patterns) oder anderen Gefahrensi- Die CD1-Familie der MHC-Klasse-I-ähnlichen Glykopro-
gnalen aufnehmen. Stimulation der Toll-ähnlichen Rezepto- teine (beim Menschen: CD1a, CD1b, CD1c, CD1d und CD1e)
ren TLR(Toll-like receptor)-3 und TLR-9 führt zu verstärkter präsentieren sowohl eigene als auch fremde Lipidantigene an
Beladung von MHC-I-Molekülen in Endosomen und daher darauf restringierte T-Zellen. Dabei werden die Proteine CD1a,
tritt Kreuzpräsentation verstärkt auf. Zusätzlich führen auch CD1b und CD1c zur Gruppe 1 zusammengefasst, von der sich
von virusinfizierten Zellen gebildete Typ-I-Interferone zu ver- CD1d in der Art der Zielzellen unterscheidet. CD1e wird nicht an
stärkter Reifung von DC und verstärken die Kreuzpräsentation. der Oberfläche exprimiert, sondern hat vermutlich eine Funktion
Selbst-Antigene können ebenfalls kreuzpräsentiert werden. bei der Antigenprozessierung.
Aufgrund der fehlenden Aktivierung durch PAMP und T-Hel- Die für die CD1-Proteine codierenden Gene befinden sich
ferzellen kommt es dabei zu einer Eliminierung autoreaktiver nicht wie die Gene für MHC-I- und -II-Moleküle im MHC-Clus-
CTL und damit zu peripherer „Kreuztoleranz“. Zusätzlich zu ter, sondern in einem Gencluster auf Chromosom  1 (Maus:
DC können sinusoidale Endothelzellen der Leber durch Kreuz- Chromosom 3). Im Gegensatz zu den charakteristischen Poly-
58 Kapitel 4 • Antigenpräsentation

.. Abb. 4.7  Aufbau von CD1. Die Struktur von CD1 erinnert


1 stark an die des MHC-I-Moleküls. Es ist ebenfalls aus einem
in der Plasmamembran verankerten Protein mit drei Domä-
α2 α1 nen (rot) und einem daran assoziierten β2-Mikroglobulin
2 (blau) aufgebaut. Die Bindung des Antigens (grau) erfolgt
ebenfalls durch die Domänen 1 und 2. Die Bindungsgrube
ist allerdings tiefer als beim MHC-I-Molekül und enthält
3 α3 β 2m hydrophobe Aminosäuren, sodass Lipide gebunden werden
können. Die Struktur­information für die rechte Abbildung
stammt aus der RCSB Protein Data Bank (PDB-ID 2H26)
4
5
6
morphismen von MHC-Klasse-I- und -II-Genen ist die allelische Beladung und Präsentation von CD1
7 Variation der CD1-Gene extrem gering. Dies liegt vermutlich Neu synthetisierte CD1-Moleküle assoziieren im ER mit β2-Mi-
daran, dass die Biosynthese von Lipiden ein mehrstufiger, durch kroglobulin und mit den Chaperonen Calnexin, Calreticulin
Enzyme vermittelter Prozess ist. Daher sind die Lipide der durch und ERp57. Dort werden sie auch mit Selbst-Lipiden beladen,
8 CD1 gebundenen Antigene wesentlich weniger variabel als Pro- was vermutlich für ihre Stabilität erforderlich ist. Die fertigen
teine, und folglich ist der Bedarf an Polymorphismen, um auf CD1-Moleküle wandern zunächst über den Golgi-Apparat auf
9 Veränderungen der präsentierten Antigene vorbereitet zu sein, die Plasmamembran. Von dort werden sie wieder internalisiert
bei der CD1-Antigenbindungsstelle deutlich geringer als bei Bin- und nehmen in endosomalen und lysosomalen Kompartimenten
10 dungsstellen der MHC-Moleküle. andere Selbst- oder Fremd-Lipide auf, um danach an die Oberflä-
CD1d-restringierte T-Zellen sind an der Immunantwort che zurückzukehren und diese Lipide an T-Zellen zu präsentie-
gegen Infektionen mit Bakterien, Parasiten, Viren und Pilzen ren. Im Gegensatz zu den MHC-Molekülen sind CD1-Moleküle
11 beteiligt, töten infizierte Zellen, haben mikrobizide Effekte und allerdings auch in der Lage, auf der Zelloberfläche Lipidantigene
sind beteiligt an Antitumorimmunität und der Regulation des aus der Umgebung direkt zu binden.
12 Gleichgewichts von Toleranz und Autoimmunität. Die Fremd-Lipide stammen aus phagocytierten Mikroorga-
nismen, wie bei den MHC-Molekülen, oder aus aufgenomme-
Aufbau von CD1 nen Lipoproteinpartikeln. Dabei handelt es sich vorwiegend um
13 Die CD1-Proteine sind in Sequenz und der Domänenstruktur eine Reihe verschiedener Lipide aus der Zellwand von Myko-
den MHC-I-Molekülen ähnlich. Beide sind Heterodimere, beste- bakterien, z. B. dem Mycobacterium tuberculosis, und es wurde
14 hend aus einer schweren Kette mit drei extrazellulären Domänen gezeigt, dass antigenspezifische, CD1b-restringierte T-Zellen
α1, α2 und α3, die nichtkovalent mit β2-Mikroglobulin assoziiert mit M. tuberculosis infizierte Makrophagen CD1b-abhängig
15 sind. Die α1- und α2-Domänen bilden dabei die Antigenbin- töten.
dungsstelle, die über die immunglobulinähnliche α3-Domäne in
der Membran verankert ist (. Abb. 4.7). Zielzellen von CD1
16 Trotz der Ähnlichkeit im Aufbau bestehen Unterschiede zwi- CD1-restringierte T-Zellen können CD4+, CD8+ oder DN (CD4−-
schen CD1- und MHC-I-Molekülen, insbesondere hinsichtlich und CD8−-doppelt negativ) sein und sind genau wie MHC-res-
17 deren Antigenbindungsstellen. Die Struktur der CD1-Moleküle tringierte T-Zellen in der Lage, alle Arten von T-Zellantworten
erlaubt die Einbettung von Kohlenwasserstoffketten verschiede- auszulösen (. Tab. 4.1). Sie können als Effektorzellen durch Per-
ner Lipidantigene in die hydrophoben Kanäle der Antigenbin- forin und Granzyme (▶ Kap. 3) infizierte Zellen lysieren oder
18 dungsstelle im Innern des CD1-Moleküls. Der TCR erkennt die direkt antimikrobiell wirken. Als Helferzellen interagieren sie
oben herausragenden polaren Kopfgruppen zusammen mit den mit verschiedenen anderen Zellarten und haben dadurch einen
19 Oberflächenmerkmalen des CD1, ähnlich wie bei der Peptider- Einfluss auf angeborene und adaptive Immunität.
kennung bei den MHC-Molekülen. CD1a-, b- und c-restringierte T-Zellen verhalten sich nach
20 CD1 exprimierende Zellen
der Erkennung von mikrobiellen Lipiden vergleichbar den
MHC-restringierten T-Zellen nach Erkennung von mikrobiellen
CD1-Moleküle werden vorwiegend auf professionellen APC prä- Peptiden, die in ▶ Kap. 5 genauer beschrieben wird. Es kommt
21 sentiert, insbesondere auf DC. Sie folgen dabei aber nicht den zur klonalen Expansion und Bildung von Gedächtniszellen. Auch
Expressionsmustern des MHC-II-Moleküls während der Reifung die Primärstruktur der TCR, die CD1a–c erkennen, unterschei-
22 dieser Zellen. Während innerhalb von Stunden nach Aktivierung det sich nicht von den TCRs, die peptidbeladene MHC-I- oder
MHC-II-Moleküle in großer Menge an die Zelloberfläche ge- -II-Moleküle wahrnehmen.
bracht werden, zeigt die Oberflächenexpression von CD1a–d im Im Gegensatz dazu agieren die CD1d-restringierten Lym-
23 Verlauf der DC-Reifung nur geringe Veränderungen. phocyten wie Zellen des angeborenen Immunsystems. Zahl-
reiche CD1d-restringierte T-Zellen exprimieren CD161, ein
4.1 • Antigenpräsentierende Moleküle
59 4

.. Tab. 4.1  Vergleich von MHC und CD1

MHC I MHC II CD1

Aufbau α1–2–3; β2M α1–2; β1–2 α1–2–3; β2M

Präsentierte Peptide Peptide Lipide, hydro-


Antigene phobe Peptide

Exprimiert Kernhaltigen Professionellen Professionellen


auf Zellen APC APC

Zielzellen CD8+-T-Zellen CD4+-T-Zellen CD8+-, CD4+-,


DN-, NKT-Zellen .. Abb. 4.8  Verbindung des TCR mit einem MHC-II-Molekül durch ein Su-
Chromosom 6 (MHC-I) 6 (MHC-II) 1 perantigen. Linke Seite: Wird auf dem MHC-II-Molekül der APC das zum TCR
der T-Zelle passende Antigen präsentiert, kommt es zur Bindung zwischen
Polygenie HLA-A, -B, -C HLA-DR, -DQ, CD1a, b, c, d beiden Zellen. Mitte: Wenn das Antigen nicht zur Spezifität des TCR passt,
-DP kommt es normalerweise nicht zu einer Interaktion zwischen T-Zelle und
Polymorphie Hoch Hoch Sehr gering APC. Rechte Seite: Obwohl kein passendes Antigen präsentiert wird, kann
eine Verbindung zwischen T-Zelle und APC zustande kommen, wenn TCR
DN, doppelt negativ (= T-Zellen ohne CD4 und CD8); β2M, β2-Mikro- und MHC-II-Molekül durch ein Superantigen (rot) verbunden werden, das
globulin außerhalb der Antigenbindungsstelle mit hoher Affinität bindet

Oberfläche der APC binden (. Abb. 4.8). Gleichzeitig binden sie


Oberflächenmolekül von NK-Zellen, und werden daher den auch auf der T-Zelle an die variable Region der β-Kette (Vβ) des
NKT-Zellen zugeordnet. Eine außergewöhnliche Eigenschaft TCR. Dabei kommt es zu einem Kontakt von MHC-II-Molekül
eines Teils der CD1d-restringierten T-Zellen ist ihre invariante und TCR, auch wenn das präsentierte Antigen gar nicht durch
TCRα-Kette. TCR werden im Verlauf der T-Zell-Reifung aus die T-Zelle erkannt wird.
mehreren Komponenten zusammengesetzt, für die es jeweils Die antigenunspezifische Bindung an T-Zellen ist für jedes
zahlreiche unterschiedliche Gensegmente gibt (eine Darstellung Superantigen spezifisch für bestimmte Vβ-Typen, wodurch es
der molekularen Vorgänge bei der Entstehung der TCR-Diversi- zu einer oligoklonalen Aktivierung von 4–20 % aller T-Lympho-
tät findet sich im ▶ Kap. 6). CD1d-restringierte T-Zellen haben cyten, je nach Häufigkeit der gebundenen Vβ-Typen, kommt.
einen invarianten TCR, dessen α-Kette beim Menschen aus- Konventionelle Antigene reagieren dagegen nur mit ca. 0,001–
schließlich aus den Vα24- und Jα1-Gensegmenten zusammen- 0,0001 % aller T-Zellen. Aufgrund der superantigenvermittelten
gesetzt ist, und dessen β-Kette in den meisten Fällen vom Typ Aktivierung einer großen Zahl von APC und T-Zellen schütten
Vβ11 ist. diese im Rahmen eines sogenannten Cytokinsturms massiv Cy-
Im Gegensatz zu Gruppe-1-CD1- und MHC-restringierten tokine wie TNF-α, IL-1, -2, -6 und IFN-γ aus. Die Aktivierung
T-Zellen können TCRα-invariante, CD1d-restringierte T-Zellen der T-Zellen durch Superantigene führt nach der überschie-
innerhalb von Minuten große Mengen von Cytokinen (IFN-γ, ßenden Reaktion zunächst zu einem Refraktärzustand und
IL-4, IL-2, IL-5, IL-10, IL-13, GM-CSF und TNF-α) freisetzen. zu anschließendem aktivierungsinduziertem Zelltod (AICD,
Einmal aktiviert, stimulieren diese NKT-Zellen DC, Makropha- activation-induced cell death) der T-Zellen über FAS/FAS-Li-
gen und NK-Zellen, rekrutieren Neutrophile und beeinflussen gand-Wechselwirkungen.
die adaptive Reaktion von T- und B-Zellen. Zusätzlich zur Cyto- Durch ihren Einfluss auf das Immunsystem lösen Superan-
kinproduktion können CD1d-restringierte T-Zellen auch cyto- tigene Fieber und Schock aus und sind wichtige Pathogenitäts-
toxisch wirken, indem sie Zielzellen durch Perforin und Gran- faktoren für die Bakterien Staphylococcus aureus (produzieren
zyme lysieren und durch Expression von membrangebundenen Staphylokokken-Enterotoxine und das toxic shock syndrome
Mitgliedern der TNF-Familie Apoptose auslösen. Diese schnelle toxin, TSST) und Streptococcus pyogenes (produzieren Strepto-
Effektorfunktion, ausgelöst durch einen invarianten Rezeptor, kokken-Pyrogene, Exotoxine), die auf Haut, Nase und oberen
erinnert eher an eine angeborene als an eine adaptive Immun- Atemwegen des Menschen vorkommen können. Darüber hinaus
reaktion. gibt es auch einige Viren, die Superantigene produzieren können,
wie das mouse mammary tumour virus (MMTV). Es kommt zwar
durch Superantigene zu einer Aktivierung der Immunreaktion,
Superantigene aber diese irregeleitete Überaktivierung und eine massive De-
letion von T-Zellen verhindern eine effektive Immunantwort
Auch wenn der Name es vermuten lässt, handelt es sich bei den gegen den Erreger und erhöhen dadurch seine Chancen, nicht
Superantigenen nicht um Antigene im eigentlichen Sinn, die von eliminiert zu werden.
antigenpräsentierenden Zellen über MHC- oder CD1-Moleküle
präsentiert werden. Es sind vielmehr mikrobielle Toxine, die
ohne Aufnahme in eine APC und daher ohne Prozessierung au-
ßerhalb der Antigenbindungsstelle an MHC-II-Moleküle auf der
60 Kapitel 4 • Antigenpräsentation

4.2 Weitere beteiligte Moleküle Aktivierte T-Helferzellen können noch weitere Mole-
1 küle auf ihrer Oberfläche exprimieren. Der CD40-Ligand
CD4 und CD8 (CD40L = CD154) bindet an CD40 auf einigen APC, was auf
2 Makrophagen zu einer Verstärkung der Aktivierung durch
Auf der Oberfläche von T-Zellen befinden sich unter anderem TH1-Zellen führt. Bei B-Zellen ist die Interaktion zwischen
auch die Corezeptoren CD4 und CD8. Wie schon in ▶ Kap. 2 CD40 und CD40L ein wichtiger Bestandteil der Aktivierung
3 besprochen, kann auf reifen T-Zellen jeweils nur eines der bei- durch T-Helferzellen. Eine Störung im CD40-Signalsystem führt
den Moleküle vorkommen, und es legt dadurch fest, ob es sich zum Hyper-IgM-Syndrom, bei dem es aufgrund mangelnder
4 um eine T-Helferzelle (CD4) oder um eine cytotoxische T-Zelle T-Zell-Hilfe nicht mehr zum Immunglobulinklassenwechsel
(CD8) handelt. Die Corezeptoren CD4 und CD8 binden an das kommt.
5 MHC-Molekül und verstärken dadurch die Interaktion zwischen Diese komplizierten Mechanismen der Wechselwirkung
TCR und MHC-Molekül. Dabei kann das MHC-I-Molekül nur zwischen Zellen während der Antigenpräsentation haben einen
durch CD8 gebunden werden, wohingegen das MHC-II-Molekül Sinn: Wenn man bedenkt, welches hohe Potenzial Autoantikör-
6 nur an CD4 bindet. Aufgrund dieser Wechselwirkung werden per oder autoreaktive T-Zellen haben, um bei einer fehlgeleiteten
durch MHC-II-Moleküle nur Antigene an T-Helferzellen und Aktivierung dem eigenen Körper Schaden zuzufügen, bietet das
7 durch MHC-I-Moleküle ausschließlich Antigene an cytotoxische Zusammenspiel mehrerer Zellen eine Reihe von Schutzmecha-
T-Zellen präsentiert. Diese Festlegung wird als MHC-Restriktion nismen, die dafür sorgen, dass zum einen eine hocheffektive und
bezeichnet. spezifische Immunantwort gewährleistet ist, aber auch mehrere
8 Sicherheitsmechanismen existieren, die verhindern, dass die Im-
munreaktion sich gegen nichtpathogene, körpereigene Struktu-
9 Die Rolle costimulierender Moleküle ren richtet. Die Antigenpräsentation erfordert jeweils eine In-
teraktion zwischen mindestens zwei Zelltypen, die unabhängig
10 Es reicht nicht, einer naiven T-Zelle ein Antigen zu präsentieren, voneinander ein Antigen erkennen und als gefährlich einschät-
um sie zu aktivieren. DC nehmen konstant körpereigene Mo- zen. Sollte eine der Zellen das Antigen nicht als gefährlich einstu-
leküle auf, die dann ebenfalls den T-Zellen präsentiert werden fen, kommt es zu keiner Aktivierung oder in vielen Fällen sogar
11 können. Da die negative Selektion im Thymus nicht vollständig zur Inaktivierung der potenziell autoreaktiven Zelle und damit
vor der Bildung potenziell autoreaktiver T-Zellen schützt, wür- zur Bildung peripherer Toleranz.
12 den die T-Zellen dann die körpereigenen Strukturen ebenfalls
als fremd erkennen und es kann zu einer Autoimmunreaktion
kommen. Daher bedarf es eines Gefahrensignals, durch das die 4.3 Professionelle antigenpräsentierende
13 APC der naiven T-Zelle eindeutig mitteilt, dass es sich bei dem Zellen
präsentierten Antigen um ein Fremd-Antigen handelt.
14 Dafür gibt es weitere, costimulierende Oberflächenmoleküle Die Fähigkeit zur Antigenpräsentation ist weit verbreitet. Alle
auf APC, die als zweites Signal der T-Zelle signalisieren, dass es kernhaltigen Zellen und Thrombocyten können endogene Pep-
15 sich wirklich um ein Antigen handelt, gegen das eine Immun- tide über MHC-I-Moleküle auf ihrer Oberfläche präsentieren,
reaktion erforderlich ist. Nur wenn dieses zweite Signal anzeigt, damit sie von cytotoxischen T-Zellen auf eine mögliche Virusin-
dass das Antigen von einem Pathogen stammt, wird die T-Zelle fektion überprüft werden können. Darüber hinaus gibt es noch
16 aktiviert. Im Gegensatz dazu führt eine Präsentation von Antige- einige Zelltypen, die Antigene an T-Zellen präsentieren, um sie
nen ohne costimulierende Moleküle zur Anergie (fehlende Reak- zu aktivieren oder von ihnen aktiviert zu werden, was wesentlich
17 tion) der T-Zellen, was als periphere Toleranz bezeichnet wird. für die Steuerung der adaptiven Immunantwort ist. Diese Zellen
Ohne zusätzliche Aktivierung haben APC keine oder zumin- werden als professionelle antigenpräsentierende Zellen bezeich-
dest nur wenige costimulierende Moleküle auf ihrer Oberfläche. net. Dazu zählen DC, Makrophagen und B-Zellen.
18 Erst beim Kontakt mit PRR (pattern recognition receptors), die Unter bestimmten Bedingungen können auch einige andere
die Präsenz von Pathogenen anzeigen, werden APC dazu ange- Zellen nennenswerte Mengen von MHC-II-Molekülen und
19 regt, costimulierende Moleküle auf ihrer Oberfläche zu präsen- manchmal auch von costimulierenden Molekülen exprimieren
tieren. Die wichtigsten sind B7.1 (CD80) und B7.2 (CD86). Sie und an T-Zellen präsentieren. Dies sind beispielsweise einige
20 interagieren auf der T-Zelle mit CD28. Ebenso wie der TCR löst Tumor-, Endothel- oder Epithelzellen. Trotzdem werden diese
auch die Bindung von CD28 an einen seiner Liganden intrazel- Zellen nicht zu den professionellen APC gezählt und im Folgen-
luläre Signalwege aus. Nur wenn Signale von beiden Rezeptoren den nicht weiter erwähnt.
21 kommen, wird die T-Zelle ordnungsgemäß aktiviert, andern-
falls wird sie anerg. Nach Aktivierung können T-Zellen das mit
22 CD28 verwandte CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte associated Dendritische Zellen und Makrophagen
antigen 4 = CD152) bilden. Es bindet ebenfalls an B7 und zwar
mit höherer Affinität als CD28, leitet aber inhibitorische Signale Dendritische Zellen sind der Sammelbegriff für eine Gruppe von
23 in die Zelle weiter und kann dadurch die Stimulation durch die Zellen mit ähnlicher Funktion, die sich aber aus unterschiedli-
APC beenden. chen Vorläufern entwickeln. Zu ihnen gehören die konventionel-
4.3  •  Professionelle antigenpräsentierende Zellen
61 4

Exkurs 4.2: Einfluss des Antigens bei Blutgruppenunverträglichkeit  |       | 


Die chemische Natur des Antigens ist bei Klassen IgG, -A oder -E, sondern ausschließlich einer Entbindung oder Bluttransfusion, kann
der Bildung von Antikörpern gegen die von Antikörpern vom Typ IgM. Bei komplett zur Immunisierung führen. Die gebildeten
verschiedenen Blutgruppen von großer aus Protein bestehenden Antigenen, wie dem IgG-Antikörper können während einer nachfol-
Bedeutung. Beim AB0-System besteht der Rhesusantigen D, ist bei Rhesus(Rh)-negativen genden (weiteren) Schwangerschaft durch
sich zwischen den verschiedenen Blutgrup- Menschen T-Zell-Hilfe möglich, sodass auch die Blut/Plazenta-Schranke in den kindlichen
pen unterscheidende, immunogen wirkende andere Antikörperklassen, insbesondere IgG, Blutkreislauf gelangen und dort zu einem
Teil (die möglichen Haptene) ausschließlich gebildet werden können. Abbau der Erythrocyten führen. Aufgrund des
aus Kohlenhydraten. Da der Proteinanteil bei Dies hat unter anderem Auswirkungen bei dabei freigesetzten Bilirubins kommt es zu
allen Menschen gleich ist und nur dieser auf unterschiedlichen Blutgruppen von Mutter schweren gesundheitlichen Schäden, dem so-
MHC-II-Molekülen präsentiert werden kann, und Fetus während der Schwangerschaft. genannten Morbus Haemolyticus Neonatorum
gibt es aufgrund der Selbst-Toleranz keine Zwar kommt das Immunsystem der Mutter (Neugeborenenhämolyse). Eine AB0-Unver-
T-Helferzellen, die diesen Protein-Carrier während der Schwangerschaft normalerweise träglichkeit führt in der Regel nicht zu diesem
erkennen würden. Daher kommt es nicht zur nicht mit kindlichem Blut und seinen Anti- Krankheitsbild, da die IgM-Antikörper nicht
T-Zell-Hilfe und somit nicht zu einem Klas- genen in Kontakt. Ein früherer Kontakt einer plazentagängig sind.
senwechsel mit Bildung von Antikörpern der Rh−-Mutter mit Rh+-Blut, beispielsweise bei

len DC (cDC), die plasmacytoiden DC (pDC) und die Langer- von TH1-Zellen angewiesen sind. Zum anderen wird angenom-
hans-Zellen der Epidermis. Die primäre Funktion von DC ist die men, dass Makrophagen auch T-Zellen aktivieren. Im Vergleich
Präsentation von Antigenen an T-Zellen. Sie sind in den meisten mit DC wandern Makrophagen nur in deutlich geringerem Um-
peripheren Geweben zu finden, insbesondere an den Grenzflä- fang in sekundäre lymphatische Organe, um dort Antigene an
chen zur Umwelt, wie der Haut und den Schleimhäuten. Dort naive T-Zellen zu präsentieren. In Experimenten mit Mäusen
machen die DC rund 1–2 % der Gesamtzellzahl aus. Im Nor- wurde festgestellt, dass ein Fehlen von Makrophagen die Ein-
malzustand nehmen DC ständig Antigene aus ihrer Umgebung leitung der adaptiven Immunantwort nicht nachhaltig stört.
auf, ohne dabei zwischen Selbst und Fremd zu unterscheiden. DC sind für diese Vorgänge allerdings essenziell, was zeigt, dass
Ihre primäre Funktion ist die Präsentation dieser Antigene an zumindest die Hauptmenge der Antigenpräsentation zur Ak-
naive T-Zellen. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die tivierung naiver T-Zellen durch DC wahrgenommen wird. In
Aktivierung der adaptiven Immunantwort werden die DCs in vitro-Studien haben aber gezeigt, dass Makrophagen T-Zellen
▶ Abschn. 5.1 im Detail beschrieben. aktivieren können, was möglicherweise an Infektionsherden oder
Follikuläre dendritische Zellen sind, trotz ihres Namens, bei chronisch-entzündlichen Prozessen relevant ist.
keine DC im eigentlichen Sinne und gehören auch nicht zu den
professionellen antigenpräsentierenden Zellen. Weder entstam-
men sie der hämatopoetischen Entwicklungslinie, noch sind B-Zellen
sie in der Lage, Antigene aufzunehmen, zu prozessieren und
auf MHC-II-Molekülen an T-Zellen zu präsentieren. Vielmehr B-Zellen sind die dritte große Gruppe der professionellen APC.
versorgen sie B-Zellen in den Keimzentren sekundärer lympha- Im Gegensatz zu DC präsentieren sie Antigene aber nicht mit
tischer Organe mit Antigenen, indem sie an ihrer Oberfläche dem Ziel der Aktivierung von T-Zellen, sondern um T-Zell-Hilfe
Antigen/Antikörperkomplexe über Fcγ-Rezeptoren festhalten bei der Produktion von Antikörpern zu bekommen. Wenn es zu
(▶ Kap. 5). einer Erkennung des Antigens kommt, kann die T-Helferzelle
Makrophagen zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche durch costimulierende Moleküle und Cytokine die B-Zelle akti-
Endocytosefähigkeit aus. Sie können bei der Phagocytose größe- vieren und ihr obendrein signalisieren, dass sie einen Immung-
rer Partikel bei einem einzigen Vorgang bis zu 50 % ihrer Oberflä- lobulinklassenwechsel durchführen soll (▶ Kap. 5).
che internalisieren. Innerhalb einer Stunde kann durch Recycling Das Hapten-Carrier-Prinzip besagt, dass das Hapten (die
internalisierter Plasmamembran eine Oberfläche aufgenommen chemische Struktur, die vom BCR erkannt wird, alleine aber
werden, die doppelt so groß ist wie die der ganzen Zelle. Mak- keine Immunreaktion auslöst) an einen Protein-Carrier (der
rophagen haben die Fähigkeit, die so aufgenommenen Antigene Epitope enthält, die von T-Helferzellen erkannt werden) ge-
zu präsentieren, sind dabei aber weniger effektiv als DC. Dafür bunden vorliegen muss, damit es zur T-Zell-Hilfe kommen
sind die Lysosomen von Makrophagen besser geeignet als die der kann. Dafür ist es wichtig, dass das zu erkennende Hapten
DC, um aufgenommene Pathogene zu töten und abzubauen. Ihre an ein ausreichend großes Protein gebunden ist, dessen Frag-
Aufgabe in vivo liegt vermutlich vorwiegend bei der Aufnahme mente auf MHC-II-Molekülen präsentiert werden können, da
und Abtötung von Mikroorganismen, während die Antigenprä- das Hapten alleine zu klein ist, um eine Beteiligung von T-Zel-
sentation einen geringeren Stellenwert hat. len auszulösen. Es ist dabei nicht notwendig, dass die T-Hel-
Die Antigenpräsentation durch Makrophagen dient vermut- ferzelle das gleiche Epitop (die Stelle des Antigens, die vom
lich zwei Zielen. Zum einen gibt es Erreger, die sich intrazellulär BCR oder TCR erkannt wird) erkennt wie die B-Zelle. Dieses
in Makrophagen vermehren (z. B. Mycobakterien) und für deren Prinzip ist, unter anderem, von Bedeutung bei der Bildung von
Eliminierung die Makrophagen auf die IFN-γ-vermittelte Hilfe Antikörpern gegen die Blutgruppenantigene (▶ Exkurs 4.2).
62 Kapitel 4 • Antigenpräsentation

.. Abb. 4.9  Antigenpräsentation mittels einer B-Zelle


1 BCR-abhängige
Endocytose
MHC-II-Beladung Präsentation an
T-Helferzellen
an eine T-Helferzelle. Die B-Zelle bindet durch ihren
membranständigen B-Zell-Rezeptor ein Antigen, das
daraufhin aufgenommen und dessen Protein­anteil (sofern
2 vorhanden) prozessiert und auf MHC-II-Molekülen prä-

Cytokin
sentiert wird. Nach Transport an die Zelloberfläche kann

CD40L CD40
es zur Erkennung durch eine T-Helferzelle kommen, die
3 daraufhin durch costimulierende Oberflächenmoleküle

e
(hauptsächlich CD40L) und Cytokinsekretion die B-Zelle
zur Produktion von Antikörpern und zum Immunglobulin-
4 klassenwechsel aktiviert. Die von BCR und TCR erkannten
Signale Epitope stimmen dabei in der Regel nicht überein.
zum Ig-
5 Klassen-
wechsel

6
7
8
Medizinisch macht man sich das Hapten-Carrier-Prinzip bei Literatur
9 den sogenannten Konjugatimpfstoffen zu Nutze. Polysaccha-
ride, beispielsweise aus der Hülle von Pneumokokken, können Barral DC, Brenner MB (2007) CD1 antigen presentation: how it works. Nat Rev
Immunol 7:929–941
10 nicht über MHC-II-Moleküle präsentiert werden, da es sich
Guermonprez P, Valladeau J, Zitvogel L, Théry C, Amigorena S (2002) Antigen
nicht um Peptidantigene, sondern um Kohlenhydrate handelt. presentation and T cell stimulation by dendritic cells. Annu Rev Immunol
Daher kommt es bei einer Impfung mit diesen Stoffen nicht 20:621–667
11 zu einer Immunantwort mit T-Zell-Hilfe. Man kann Impfstoffe Kumanovics A, Takada T, Fischer Lindahl K (2003) Genomic Organization of the
herstellen, bei denen diese Polysaccharide an Protein-Carrier Mammalian MHC. Annu Rev Immunol 21:629–657

12 gebunden (= konjugiert) werden, vorzugsweise an solche Car-


Kurts C, Robinson BWS, Knolle PA (2010) Cross-Priming in Health and Disease.
Nat Rev Immunol 10:403–414
rier, gegen die bereits T-Helferzellen aufgrund früherer Imp- Trombetta ES, Mellman I (2005) Cell biology of antigen processing in vitro and
fungen vorhanden sind (z. B. Diphterie- oder Tetanus-Toxoid).
13 Dies führt durch T-Zell-Hilfe zu stärkerer und lang anhalten-
in vivo. Annu Rev Immunol 23:975–1028

der Immunisierung gegen die Polysaccharide, bei der nicht nur


14 IgM, sondern auch IgG gebildet wird. Es ist dabei unerheblich,
dass die T-Helferzellen eigentlich gegen Proteine eines anderen
15 Erregers gerichtet waren.
B-Zellen unterscheiden sich von DC und Makrophagen hin-
sichtlich der Möglichkeiten, die sie haben, um Antigene aufzu-
16 nehmen. Das Ziel ihrer Antigenpräsentation ist eine Bestätigung,
dass gegen das an ihren BCR bindende Antigen Antikörper ge-
17 bildet werden sollen. Dazu passend ist der einzige Weg, über den
B-Zellen effizient Antigene aufnehmen, der, dass sie gebunden
an ihren BCR internalisiert werden (. Abb. 4.9). So sind die von
18 B-Zellen auf MHC-II-Molekülen präsentierten Antigene immer
in Verbindung mit einem Epitop aufgenommen worden, gegen
19 das der BCR gerichtet ist. Im Gegensatz zu den anderen APC
nehmen B-Zellen die zu präsentierenden Antigene nicht durch
20 Phagocytose auf und haben nicht die Fähigkeit zur Aktivierung
naiver T-Zellen durch Kreuzpräsentation.

21
22
23
63 5

Die Immunantwort
durch Lymphocyten
Andrea Kruse

5.1 Dendritische Zellen: Bindeglieder zwischen


angeborener und adaptiver Immunantwort  –  64
5.2 Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren
lymphatischen Organen ausgelöst  –  66
5.3 Effektorzellen der adaptiven Immunantwort
bekämpfen Pathogene im Gewebe  –  81
5.4 Die Beendigung der Immunreaktion  –  84
5.5 Das immunologische Gedächtnis
und die sekundäre Immunantwort  –  85
Literatur – 87

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
64 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

In den vorherigen Kapiteln haben wir erfahren, dass viele Krank- Im Gewebe werden die unreifen DC ortsansässig. Der
1 heitserreger vom angeborenen Immunsystem vernichtet werden, Grund dafür sind die von ihnen exprimierten Chemokinre-
sobald sie unseren Körper befallen. Wir merken nichts von der zeptoren CCR1, CCR5, CCR6. Durch Interaktion mit den vor
2 Infektion und erkranken nicht. Einigen Pathogenen gelingt es Ort produzierten Chemokinen werden die dendritischen Zellen
jedoch, die Abwehrmechanismen der angeborenen Abwehr zu im Gewebe festgehalten. Die unreifen DC der peripheren Ge-
überwinden. Um mit diesen Pathogenen fertig zu werden, muss webe tragen auf der Oberfläche nur wenige MHC-Klasse-I- und
3 das spezifische Immunsystem eingreifen. Wir haben auch erfah- MHC-Klasse-II-Moleküle und nur wenige costimulierende Mo-
ren, dass nicht überall im Körper eine adaptive Primärantwort leküle und können deswegen hier keine naiven T-Zellen aktivie-
4 ausgelöst werden kann. Infektionserreger, die an jeder beliebigen ren. Sie sind darauf spezialisiert, bei einer Infektion möglichst
Stelle in den Körper eindringen können, werden deshalb in das viele Antigene aufzunehmen. pDC zeigen in dieser Hinsicht eine
5 nächste periphere lymphatische Gewebe transportiert, das die wesentlich geringere Aktivität als myeloide DC, ebenso eine ge-
Infektionsstelle drainiert. Das Gleiche gilt für ihre Stoffwechsel- ringere Expression von MHC-Klasse-II-Molekülen und von co-
produkte sowie auch für im Körper entstehende Tumorzellen stimulierenden Molekülen. Ihre Aufgabe besteht vielmehr in der
6 (▶ Kap. 2). In diese Antigensammelstellen wandern naive T- und Freisetzung großer Mengen Interferon-α, besonders als Antwort
B-Lymphocyten aus dem Blut ein und suchen nach Antigenen. auf Virusinfektionen. Dabei spielen die von ihnen intrazellulär
7 Nur hier werden primäre Immunantworten ausgelöst. In diesem exprimierten Toll-ähnlichen Rezeptoren, TLR-7 und TLR-9, eine
Kapitel wollen wir betrachten, wie eine primäre Immunantwort wesentliche Rolle; sie erkennen Bestandteile von Mikroorganis-
induziert wird, welche Immunzellen daran beteiligt sind und wie men, vor allem von Viren. Das Festhalten und die Weitergabe
8 letztendlich die entstehenden Effektorzellen die Infektion im Ge- von Mikroorganismen an die intrazellulären TLR scheint über
webe bekämpfen. Siglec-H zu erfolgen, ein typischer Marker der pDC. Einige mar-
9 kante Unterschiede zwischen pDC und mDC sind in . Tab. 5.1
aufgeführt. Im Folgenden wollen wir uns auf die Beschreibung
5.1 Dendritische Zellen: Bindeglieder
10 zwischen angeborener und adaptiver
der myeloiden DC beschränken.
Bei myeloiden DC erfolgt die Aufnahme von Antigenen
Immunantwort durch Makropinocytose, rezeptorvermittelte Phagocytose
11 oder durch die Infektion mit Viren. Bei der Makropinocytose
Die professionellen antigenpräsentierenden Zellen (APC) sind werden größere Mengen an extrazellulärer Flüssigkeit und die
12 das entscheidende Bindeglied zwischen angeborener und adapti- darin gelösten Antigene (Toxine, Viren) von Plasmaausläufern
ver Immunantwort. Die potentesten unter ihnen sind die dendri- umschlossen und ins Innere der Zellen aufgenommen. Bei der
tischen Zellen (DC), auf die wir uns hier beschränken wollen rezeptorvermittelten Phagocytose erkennen die Rezeptoren pa-
13 (weitere Informationen zu Makrophagen ▶ Kap. 2–4). DC sind thogenassoziierte molekulare Muster (PAMP) auf Krankheits-
unabkömmlich für die Auslösung einer adaptiven Immunant- erregern. Zu diesen Rezeptoren (pattern recognition receptor;
14 wort. Von ihnen gibt es mindestens zwei Hauptgruppen, die PRR) gehören zum Beispiel der Mannoserezeptor und DEC 205,
konventionellen und die plasmacytoiden dendritischen Zellen. die eine große Zahl an Viren und Bakterien erkennen, Scaven-
15 Beide Gruppen entstehen im Knochenmark aus einer hämato- ger-Rezeptoren, die Lipoproteine zu binden vermögen und an
poetischen Stammzelle, schlagen jedoch unterschiedliche Ent- der Phagocytose apopototischer Zellen beteiligt sind, und TLR.

16
17
-
wicklungswege ein:
Die konventionellen dendritischen Zellen entwickeln sich
in der myeloiden Reihe (sie werden deswegen auch als mye-
loide dendritische Zellen bezeichnet; mDC). Es lassen sich
Im Gegensatz zu den Mannose- und Scavenger-Rezeptoren er-
folgt über die TLR keine rezeptorvermittelte Phagocytose. Über
die TLR wird die Produktion und Expression von löslichen Me-
diatoren und costimulierenden Molekülen eingeleitet (▶ Kap. 4).
mehrere myeloide Subpopulationen unterscheiden, wie die Außerdem verstärken die TLR auch die Prozessierung von An-
Langerhans-Zellen der Haut und verschiedene interstitielle tigenen.

-
18 dendritische Zellen. Die rezeptorvermittelte Aufnahme von Mikroorganismen
Die plasmacytoiden dendritischen Zellen (pDC), die ihren aus der extrazellulären Flüssigkeit und ihr Einschluss in En-
19 Namen ihrem plasmazellähnlichen Aussehen verdanken, dosomen mit anschließender Prozessierung ermöglicht es den
entstehen dagegen in der lymphatischen Reihe. Auch bei dendritischen Zellen, Pathogenbestandteile über MHC-Klas-
20 ihnen gibt es Hinweise auf phänotypisch und funktionell se-II-Moleküle den CD4+-T-Helferzellen zu präsentieren (exo-
verschiedene Untergruppen. gener oder endosomaler Weg). Außerdem können dendritische
Zellen von Viren infiziert werden, die Zelloberflächenmoleküle
21 Nach Freisetzung aus dem Knochenmark zirkulieren mDC und als Eintrittsrezeptoren verwenden. Sie gelangen ins Cytoplasma
pDC als sogenannte precursor-DC im Blut. Als Antwort auf che- und nutzen den Syntheseapparat der Zelle, um sich zu ver-
22 motaktische Signale wandern sie als unreife DC in die peripheren mehren. Die synthetisierten viralen Proteine werden über die
Gewebe ein, wobei der Nachweis von Homing-Molekülen (zum im Cytoplasma lokalisierten Proteasomen prozessiert und die
Beispiel α4:β7-Integrin) auf der Oberfläche dendritischer Subpo- entstehenden Peptide werden im endoplasmatischen Reticulum
23 pulationen auf unterschiedliche Gewebepräferenzen hindeutet. in MHC-Klasse-I-Moleküle eingebaut. Sie werden den cytotoxi-
Man vermutet, dass pDC zusätzlich auch über das Blut in die schen CD8+-T-Zellen präsentiert (endogener Weg). Außerdem
peripheren Lymphknoten rekrutiert werden. sind nur dendritische Zellen zur Kreuzpräsentation befähigt
5.1  •  Dendritische Zellen: Bindeglieder zwischen angeborener und adaptiver Immunantwort
65 5

.. Tab. 5.1  Unterschiede zwischen plasmacytoiden (pDC) und myeloiden (mDC) dendritischen Zellen

pDC mDC

Oberflächenmoleküle MHC-Klasse-I- und -II-Moleküle (geringer) MHC-Klasse-I- und -II-Moleküle


costimulierende Moleküle (geringer) costimulierende Moleküle
CD4 CD4
Siglec-H (sialic acid binding Ig-like lectin H) kein Siglec-H
kein CD11c CD11c
kein CD1 CD1
kein CD11b CD11b
kein CD14 CD14+/− je nach Subpopulation

Toll-ähnliche Rezeptoren TLR-1, TLR-6, TLR-7, TLR-9, TLR-10 TLR-1,TLR-2, TLR-3, TLR-4, TLR-5, TLR-6, TLR-7, TLR-8,
TLR-10

Cytokine Typ-1-Interferone, IL-6, IL-10, TNF-α; nur wenig IL-12; IL-12; IL-6, IL-10, TNF-α, TGF-β
TGF-β möglicherweise bei Sub­population

rezeptorvermittelte Phagocytose, schwach stark


Makropinocytose im Gewebe

.. Tab. 5.2  Wege der Antigenpräsentation durch dendritische Zellen

MHC-Klasse-I-Weg MHC-Klasse-II-Weg Kreuzpräsentation CD1

endogener Weg exogener oder endosomaler Weg exogen aufgenommene Antigene Präsentation von Glykolipiden,
Viren befallen DC und vermeh- Antigene werden aus der extrazel- werden auf MHC-Klasse-I-Molekü- Phospholipiden und Lipopeptidan-
ren sich in ihnen. Virale Proteine lulären Umgebung aufgenommen len präsentiert tigenen mikrobiellen Ursprungs
werden in den Proteasomen und in Endosomen prozessiert des exogenen und endogenen
prozessiert und auf MHC-Klas- und auf MHC-Klasse-II-Molekülen Weges
se-I-Molekülen präsentiert präsentiert

Aktivierung von cytotoxischen Aktivierung von CD4+-T-Helfer- Aktivierung von cytotoxischen Aktivierung von CD1-restringierten
CD8+-T-Zellen zellen CD8+-T-Zellen α:β-T-Zellen, NKT-Zellen, γ:δ-T-
Zellen

(cross presentation), bei der auch von außen aufgenommene An- den Molekülen CD80 (B7.1-Molekül) und CD86 (B7.2-Mole-
tigene auf MHC-Klasse-I-Molekülen dargeboten werden. Dies kül) auf der Oberfläche der dendritischen Zelle, die sich nun in
gilt vor allem für Viren, die nicht in der Lage sind, DC zu infi- eine professionell antigenpräsentierende Zelle umgewandelt hat
zieren. Glykolipid-, Phospholipid- und Lipopeptidantigene des (. Abb. 5.1). Außerdem werden die Chemokinrezeptoren CCR1,
exogenen und endogenen Weges werden über CD1-Moleküle CCR5 und CCR6, die für den Verbleib der DC im Gewebe ver-
(▶ Abschn. 4.1) dargeboten. Durch diese unterschiedlichen Me- antwortlich waren, herunterreguliert. Stattdessen erscheint der
chanismen der Antigenaufnahme und Präsentation (. Tab. 5.2) Chemokinrezeptor CCR7 auf der Oberfläche der aktivierten
können dendritische Zellen Antigene von praktisch allen Krank- DC. CCR7 bindet die Chemokine CCL19 und CCL21, die von
heitserregern (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten), die den Körper den Endothelzellen der fingerförmigen, im Gewebe offen enden-
befallen, präsentieren. Neben der Antigenaufnahme und der Ak- den Lymphkapillaren, von den Stromazellen und reifen DC der
tivierung über TLR werden DC zusätzlich über Fc-Rezeptoren, lymphatischen Organe produziert werden. Mithilfe dieser Che-
die Antikörper als Bestandteil von Immunkomplexen binden, mokinrezeptor-Liganden-Interaktion können die DC das Ge-
über Komplementrezeptoren (CR3, CR4), Rezeptoren der Hit- webe verlassen und im Strom der Lymphe über afferente Lymph-
zeschockproteine Hsp70 und gp96 und Cytokine in Alarmbe- gefäße in die Lymphknoten wandern. Auf ihrem Weg treiben
reitschaft versetzt. Diese im Gewebe erzeugten Alarmsignale die Chemokine den Differenzierungsprozess der dendritischen
entscheiden darüber, ob, und wenn ja, welche, adaptive Immun- Zellen voran. Es erscheinen immer mehr MHC-Moleküle und
antwort ausgelöst wird. costimulierende Moleküle auf ihrer Oberfläche. Im Lymphkno-
Nach der Aktivierung reifen die DC aus. Die im Gewebe ten ergießt sich die Lymphe in den Randsinus (▶ Kap. 2). Von
aktivierten dendritischen Zellen verändern ihren Phänotyp, hier wandern die dendritischen Zellen aktiv dem Chemokingra-
ihr Verhalten und ihre Funktion. Es setzt jetzt ein Differenzie- dienten folgend in die T-Zell-Zone. Die DC haben während der
rungsprozess ein, bei dem zunächst durch verstärkte Makro- Reifung ihre Fähigkeit zur Phagocytose und Makropinocytose
pinocytose vorübergehend mehr Antigene aufgenommen wer- verloren, präsentieren große Mengen an MHC-Peptid-Komple-
den, woraufhin dann die Phagocytoseaktivität vermindert wird. xen, B7-Molekülen (CD80, CD86) und Adhäsionsmolekülen wie
Die bereits aufgenommenen Antigene werden prozessiert und ICAM-1, LFA-3 und DC-SIGN. Die dendritischen Zellen sind
in MHC-Klasse-I- beziehungsweise MHC-Klasse-II-Moleküle jetzt in der Lage, naive T-Zellen zu aktivieren, ein Vorgang, der
eingebaut. Diese erscheinen zusammen mit den costimulieren- als licensing bezeichnet wird. Außerdem produzieren sie jetzt
66 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

.. Abb. 5.1  Vergleich unreifer und reifer DC. Im unreifen


1 unreife DC reife DC CD86 Zustand nehmen DC Antigene aus ihrer Umgebung durch
Phagocytose, Makropinocytose und rezeptorvermittelte
C3b
Endocytose auf. Zu diesem Zeitpunkt werden die meisten

86
2

CD
dieser Antigene im Zellinneren in Vesikeln gespeichert, und
es findet nur eine geringe Präsentation von MHC-Molekülen

86
CD
und costimulierenden Molekülen auf der Zelloberfläche
3

80
CD80 statt. Nach vollständiger Aktivierung durch Gefahrensignale
CD

CD
86 wird die Produktion, Beladung und Präsentation von MHC-I-
und -II-Molekülen sowie von CD80 und CD86 gesteigert,
4

CD 0
8
sodass die DC alle Voraussetzungen für eine effektive

CD

86
Stimulation naiver T-Zellen erfüllt. Die fluoreszenzmikros-

5 kopischen Aufnahmen zeigen DC aus einer in vitro-Kultur.

CD80
Die in grün dargestellte Färbung des MHC-II-Moleküls zeigt

CD80
CD86

die Morphologie der Zelle, die in blau dargestellte DNA

6 den Zellkern. Auf der linken Seite sieht man eine naive
0

DC, rechts nach Aktivierung mit einem Gefahrensignal


CD 8

(Lipopolysaccharid). Die reife Zelle hat deutlich ausgepräg-


7 tere Dendriten, durch die die Interaktion mit den T-Zellen
CD80
0

CD86
CD8

erleichtert wird. (Fluoreszenzbilder zur Verfügung gestellt


von Dr. Julia Ober-Blöbaum und Prof. Dr. Björn Clausen.)
8
9
10
11
12
unreife DC reife DC
13
14 selbst Chemokine wie CCL18, das naive T-Zellen direkt zu ih- stimmte Bereiche verlassen, die postkapillären Venolen (HEV;
nen lockt. high endothelial venules; ▶ Kap. 2). Die einzelnen Schritte beim
15 Es muss betont werden, dass DCs in verschiedenen Reifungs- Verlassens des Blutstroms – die Extravasation – und die Eigen-
stadien in die Lymphknoten gelangen können und auch einige schaften der daran beteiligten Adhäsionsmoleküle und Che-
unreife dendritische Zellsubpopulationen kontinuierlich in die mokine werden detailliert in ▶ Kap. 7 besprochen. Wichtig ist,
16 peripheren lymphatischen Gewebe wandern, um dem adapti- dass das koordinierte Zusammenspiel von Adhäsionsmolekülen
ven Immunsystem einen Status-quo-Bericht aus dem Gewebe und Chemokinen entscheidet, welche Zellen in das periphere
17 zu überbringen. Liegt keine Infektion oder Entzündungsreak- lymphatische Gewebe einwandern dürfen und welche nicht.
tion vor, exprimieren sie jedoch nur sehr wenig MHC-Moleküle, Auch unterliegen die T- und B-Zellen der Schleimhaut, die eine
CD80 und CD86 auf ihrer Oberfläche und lösen keine Immun- besondere Untergruppe der Lymphocyten darstellen, anderen
18 reaktionen aus. Man geht davon aus, dass diese unreifen DCs Homing-Mechanismen als jene der peripheren Lymphknoten.
Selbst-Antigene präsentieren und bei den mit ihnen interagie- Eine kurze Zusammenfassung gibt . Tab. 5.3.
19 renden T-Zellen Toleranz auslösen. Nachdem die naiven T- und B-Zellen die Blutbahn verlas-
sen haben, wandern sie innerhalb des peripheren lymphatischen
20 Gewebes in ihre speziellen Zonen (▶ Kap. 2). Die Migration der
5.2 Eine primäre Immunantwort B-Zellen wird durch die Wechselwirkung des Chemokinrezep-
wird in den peripheren lymphatischen tors CXCR5 mit seinem Liganden CXCL13 beeinflusst. CXCL13
21 Organen ausgelöst wird unter anderem von follikulär dendritischen Zellen der
Lymphfollikel gebildet. T-Zellen werden sowohl durch Wech-
22 Die Wanderung der naiven Lymphocyten selwirkung zwischen CCR7 und den Chemokinen CCL19 und
CCL21 als auch durch das Chemokin CCL18 (Rezeptoren CCR6
Im Gegensatz zu den dendritischen Zellen gelangen naive Lym- und CCR8) in die T-Zell-Zone gelockt.
23 phocyten nur über das Blut in die peripheren lymphatischen
Organe. Sie können routinemäßig den Blutstrom nur über be-
5.2  •  Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
67 5

.. Tab. 5.3  Costimulierende Moleküle und ihre Bedeutung bei der Auslösung einer primären T-Helferzell-Antwort

T-Zelle dendritische Zelle Wirkung

CD28 CD80, CD86 (B7.1, B7.2) aktivierend; IL-2-Produktion und Proliferation CD4+- und CD8+-T-Zellen

CD40L CD40 aktivierend; stimuliert DC dazu, weitere B7-Moleküle zu exprimieren.


Dadurch wird Proliferation der T-Zelle verstärkt; aktiviert B-Zellen; Ausbil-
dung von Gedächtniszellen

OX40 (CD134) OX40L (CD252) aktivierend; Polarisierung der T-Zell-Differenzierung

ICOS (inducible costimulatory molecule); LICOS aktivierend; reguliert die Bildung von polarisierenden Cytokinen wie IL-10
erscheint erst 1–2 Tage nach Antigen-
kontakt auf den aktivierten T-Zellen

CD27 CD70 aktivierend; bedeutend für die Anfangsphase der T-Zell-Aktivierung; spielt
auch eine bedeutende Rolle bei der B-Zell-Aktivierung und Immunglobu-
linsynthese

LFA-1 ICAM-1 aktivierend; initialer Kontakt, Bildung der immunologischen Synapse;


ICAM-1 LFA-1 Polarisierung der T-Zell-Differenzierung

CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associa- CD80, CD86 (B7.1, B7.2) Hemmung; inhibiert die Proliferation der aktivierten T-Zelle
ted antigen 4; CD152)

PD-1 (programmed death-1) B7-H1 Hemmung der T-Zell-Proliferation und Cytokinproduktion bei CD4+- und
CD8+-T-Zellen

BTLA (B and T lymphocyte attenuator) B7-H4 Hemmung; dämpft die IL-2-Antwort, kommt nicht auf TH2 Zellen vor

L: Ligand

Die T-Zell-Antwort die Wechselwirkung zwischen dendritischer Zelle und T-Zelle


über Tage aufrechterhalten werden. Außerdem kommt es mit-
Trifft eine naive CD4+- oder CD8+-T-Zelle auf eine aktivierte hilfe des Cytoskeletts bei beiden Zellen zu einer Verlagerung und
dendritische Zelle, die den passenden MHC-Peptid-Komplex Konzentration der „längeren“ Adhäsionsmoleküle an den Rand
präsentiert, wird eine T-Zell-Antwort ausgelöst; es entstehen der Kontaktstelle, die „kleineren“ T-Zell-Rezeptoren, CD4- oder
T-Effektorzellen, die ins Gewebe wandern, um dort in den Kampf CD8-Moleküle bzw. MHC-Moleküle werden dagegen zur Mitte
gegen ein Pathogen einzugreifen und die Immunantwort zu ko- der Kontaktstelle verschoben. Auf diese Weise entsteht eine
ordinieren. Die Auslösung einer T-Zell-Antwort im peripheren immunologische Synapse, über die sehr zielgerichtet, schnell
lymphatischen Gewebe wird als Priming bezeichnet und um- und effektiv Informationsaustausch durch Cytokine möglich ist
fasst mindestens drei Schritte, bei denen verschiedene Signale (. Abb. 5.3).
das Schicksal der naiven Zelle bestimmen. Wir wollen uns diesen Doch die TH-Zelle braucht weitere Signale, um zu proliferie-
Vorgang zunächst im Falle der CD4+-T-Zellen (T-Helferzellen; ren und um sich zur benötigten Effektorzelle zu differenzieren.
TH) ansehen (. Abb. 5.2). Diese Signale (Signal 2 und 3) bekommt sie hauptsächlich von der
dendritischen Zelle, mit der sie in Kontakt steht. Für Signal 2 sind
Die Bildung von CD4+-T-Helferzellen die costimulierenden Moleküle verantwortlich. Die wichtigsten
CD4+-T-Zellen nehmen, sobald sie die T-Zell-Zone erreicht sind die B7-Moleküle (CD80 und CD86), die auf der Oberfläche
haben, mit jeder verfügbaren dendritischen Zelle Kontakt auf. von aktivierten dendritischen Zellen vorkommen und zusammen
Dieser erfolgt zunächst antigenunabhängig über Adhäsionsmo- mit den MHC-Molekülen hochreguliert werden. Sie binden an
leküle und ihre Liganden (. Abb. 5.3). Dadurch kommt es zu CD28, das auf der naiven T-Zelle exprimiert wird, und induzie-
einer Annäherung zwischen beiden Zellen. Die T-Zelle hat so ren (zusammen mit Signal 1) zum einen den Eintritt der T-Zelle
genügend Zeit, mit ihrem T-Zell-Rezeptor die MHC-Moleküle in die G1-Phase des Zellzyklus, zum anderen die Produktion von
der dendritischen Zelle nach spezifischen Peptiden abzutasten. IL-2 und die Synthese von CD25, der α-Kette des IL-2-Rezep-
Hat die T-Zelle den MHC-Molekül-Peptid-Komplex spezifisch tors. Diese α-Kette verbindet sich mit den bereits von der naiven
erkannt, bekommt sie das erste Signal (Signal 1), das die Weichen T-Zelle exprimierten β- und γ-Ketten zu einer hochaffinen Form
für ihren weiteren Werdegang stellt. Die Bindung des TCR an des IL-2-Rezeptors, der bereits durch geringe Mengen des Cyto-
den MHC-Molekül-Peptid-Komplex und des CD4-Moleküls an kins aktiviert werden kann. Als Reaktion auf IL-2 durchläuft die
konservierte Teile des MHC-Moleküls führt zu einer Konfor- CD4+-T-Zelle in einem Zeitraum von mehreren Tagen zahlrei-
mationsänderung des Integrins LFA-1, das mit hoher Affinität che Zellteilungen. Es entstehen so aus einer antigenspezifischen
an die ICAMs der dendritischen Zelle bindet. Dadurch kann T-Zelle Tausende T-Zellen mit der gleichen Rezeptorspezifität
68 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

1
2 unreife
Gewebe

DC

Gefahrensignale: keine Gefahrensignale:


3 Pathogene (Fremdantigen):
PAMP/PRR-Interaktion,
Selbstpeptid bzw. harmlose
Fremdantigene (z. B. väterliche
Cytokine, Chemokine, Antigene im schwangeren Uterus),

4 Hitzeschockproteine,
Histamin, Prostaglandine
keine Entzündungsmediatoren, TGF-β

5
aktivierte co-stimulatorische Moleküle ruhige
DC DC
6
peripheres lymphatisches Gewebe

Cytokine
7 naive
Signal 1

TH-Zelle naive
Signal 2

Signal 3
T-Zelle
8 IL-2
IFN-γ
IL-2
IL-2
IL-21
IL-6 IL-2
IFN-γ IL-4
IL-1β (Mensch)
9 IL-12 IL-4 TGF-β Signal 3

β -
TGF
IL-10 IL-21
kein IL-12

10 STAT1
STAT6
STAT3
TH-Polari-
STAT4 RORγt FoxP3
GATA sierung
T-bet (Mensch RORC)
11
TH1 TH2 TH17 iTreg Anergie, Apoptose

12 zellvermittelte humorale zellvermittelte Immunsuppression


Immunantwort Immunantwort gegen Immunantwort gegen
13 gegen intrazelluläre extrazelluläre Pathogene extrazelluläre Pathogene
Gewebe

Pathogene (Parasiten, Bakterien) (Pilze, Bakterien)


(Viren, Bakterien)
14 Autoimmunität,
DTH
Allergie vom Soforttyp,
Asthma
Autoimmunität

15 .. Abb. 5.2  Auslösung einer Immunantwort: die Bildung von TH-Zellen. Aktivierte dendritische Zellen (DC) verlassen das Gewebe und wandern über die
Lymphgefäße in den nächsten drainierenden Lymphknoten. In der T-Zell-Zone präsentieren sie das prozessierte Antigen auf MHC-Klasse-II-Molekülen den
16 naiven CD4+-TH-Zellen. Je nach Art des Antigens, der involvierten TLR, der freigesetzten Entzündungsmediatoren und anderen Komponenten des Mikromilieus
induzieren die DC die Bildung unterschiedlicher TH-Subtypen (TH1-, TH2-, TH17-Zellen). Um sich differenzieren zu können, benötigt eine naive T-Zelle mindestens
drei Signale:  Signal 1 stellt die spezifische Erkennung des MHC-Peptid-Komplexes durch den TCR dar und führt zur Ausbildung einer immunologischen Synap-
17 se. Das Signal 2 geben die costimulierenden Moleküle, die zusammen mit Signal 1 die Proliferation der naiven T-Zellen veranlassen, die Polarisierung einleiten
und die zeitliche Abstimmung der nun einsetzenden Cytokinfreisetzung durch die DC als auch durch die naiven T-Zellen beeinflussen. Die Art der sezernierten
Cytokine (Signal 3) legt die proliferierenden TH-Zellen auf die benötigte Subpopulation fest. Die von der DC sezernierten Cytokine sind in roter Schrift, die von
18 der naiven TH-Zelle freigesetzten Cytokine in grüner Schrift dargestellt. Dazu werden je nach Cytokinkombination unterschiedliche signalvermittelnde Proteine
und Transkriptionsfaktoren in der TH-Zelle aktiviert, die schließlich zur Bildung von TH1-, TH2- oder TH17-Zellen führen. Jede Subpopulation bildet ihr charakteris-
tisches Cytokinmuster, mit dessen Hilfe sie Immunantworten gegen intrazelluläre Erreger, extrazelluläre Bakterien, mehrzellige Parasiten oder Pilze koordiniert.
19 Einzelne Subpopulationen sind aber auch mit Autoimmunerkrankungen (TH1-, TH17-Zellen) und Hypersensitivitätsreaktionen vom verzögerten Typ (DTH, delay-
ed-type hypersensitivity) (TH1-Zellen) assoziiert und spielen eine Rolle bei der Entstehung von Allergien vom Soforttyp und beim Asthma (TH2-Zellen). Erkennung

20 von Selbst-Peptiden oder harmlosen Fremd-Peptiden bei gleichzeitigem Fehlen von costimulierenden Signalen resultiert in Anergie, Apoptose oder der Bildung
von induzierten regulatorischen T-Zellen (iTreg). PAMP: pathogenassoziierte molekulare Muster (pathogen-associated molecular patterns); PRR: Mustererken-
nungsrezeptoren (pattern recognition receptor) (Verändert nach Deenick und Tangye; verändert nach DiCesare, DiMeglio und Nestle.)

21
(klonale Expansion). IL-2 wiederum verstärkt die Signale der Die Interaktion der costimulierenden Moleküle mit ihren Ligan-
22 costimulierenden Moleküle, wodurch noch mehr IL-2 gebildet den auf der dendritischen Zelle fördert zum einen die Prolife-
wird (positive Rückkopplung). Die Aktivierung der T-Zelle ration der T-Zellen, indem sie die Expression der B7-Moleküle
durch Signal 1 und 2 bewirkt außerdem die Expression weiterer hochregulieren (z. B. die Interaktion zwischen CD40L/CD40). Sie
23 costimulierender Moleküle auf der Oberfläche der T-Zellen, zum bewirkt aber auch die optimale und zeitlich abgestimmte Bildung
Beispiel CD40L, OX40, CD27 oder ICOS. Diese costimulieren- von Cytokinen, die die Differenzierung in die benötigten T-Hel-
den Moleküle gehören entweder zur CD28- oder TNF-Familie. fer-Subpopulationen vorantreiben (zum Beispiel ICOS/LICOS-,
5.2  •  Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
69 5

Transport der
DC-SIGN ICAM-3 Aufbau der Verbindung Stabilisierung
MHC/TCR-Moleküle
ICAM-1 LFA-1
naive T-Zelle

MHC TCR LFA-1


TCR
LFA-3 CD2

ICAM-1 aktiviertes
LFA-1 ICAM-1
MHC
dendritische
naive T-Zelle
Zelle dendritische Zelle

a b
.. Abb. 5.3  Die immunologische Synapse. Der erste Kontakt zwischen DC und TH-Zelle erfolgt über verschiedene Adhäsionsmoleküle wie LFA-1, LFA-3, CD2,
ICAM-1, ICAM-3 und DC-SIGN (dendritic cell-specific intercellular adhesion molecule-3-grabbing non-integrin). Dadurch kommen sich die Zellen so nahe, dass die
T-Zellen die MHC-Klasse-II-Peptid-Komplexe mit ihren TCR abtasten können. Kommt es zu einer spezifischen Erkennung, folgt eine Konformationsänderung
der Integrine, wie z. B. des LFA-1, das jetzt mit hoher Affinität an seinen Liganden ICAM-1 bindet. Mithilfe des Cytoskeletts werden die Adhäsionsmoleküle
an den Rand, die kürzeren MHC/TCR-Moleküle in die Mitte der Kontaktzone transportiert. Es bildet sich eine immunologische Synapse, die eine schnelle und
effektive Informationsübertragung zwischen den Zellen ermöglicht. (Verändert nach Bleijs et al. und nach Grakoui et al.)

OX40/OX40L-, aber auch LFA-1/ICAM-1-Interaktionen). Es Welche TH-Subpopulationen gibt es?


gibt aber auch costimulierende Moleküle, zum Beispiel das von CD4+-T-Zellen können sich zu vier verschiedenen Subpopu-
der T-Zelle exprimierte CTLA-4 (CD152), die die Proliferation lationen mit bestimmten Effektoreigenschaften differenzieren:
und Differenzierung der T-Zelle unterbinden. CTLA-4 bindet TH1-Zellen, TH2-Zellen, TH17-Zellen und induzierte regulato-
wie CD28 an die B7-Moleküle, jedoch mit wesentlich höherer rische T-Zellen (iTreg). Diese Subpopulationen sind im Rahmen
Affinität. Dadurch bekommt die aktivierte T-Zelle inhibitorische einer Immunantwort nach den von ihnen ausgeschiedenen Cy-
Signale und wird unempfindlich gegenüber IL-2. . Tab. 5.3 zeigt tokinen definiert worden. Die unterschiedlichen Cytokinmuster
einige der von T-Zellen und dendritischen Zellen exprimierten der einzelnen Subpopulationen (TH1, TH2, TH17) aktivieren je-
costimulierenden Moleküle und ihre Wirkung. weils bestimmte Zellen des angeborenen und adaptiven Immun-
Erfolgt eine Interaktion zwischen TCR und MHC-Mole- systems. Nur so können die unterschiedlichsten Pathogene vom
kül-Peptid-Komplex ohne Costimulierung, werden die nach- Virus bis zum Wurm bekämpft werden. Die Cytokine der iTreg
folgenden Signale unterbunden oder verändert. Dies ist zum
Beispiel bei der Erkennung von Selbst-Peptiden der Fall und
führt entweder zur Anergie oder bei hoher Konzentration von
Selbst-Peptiden zur Apoptose der naiven T-Zelle (klonale Dele-
-
inhibieren dagegen Immunantworten (▶ Exkurs 5.1).
TH1-Zellen bilden unter anderem IFN-γ, IL-2 (wird
allgemein als TH1-Cytokin benannt, kann aber von ver-
schiedenen T-Zell-Populationen gebildet werden), IL-3,
tion). Starke und lang andauernde Interaktionen zwischen TCR Lymphotoxin und GM-CSF. Sie dienen vorwiegend der
und MHC mit gleichzeitig starker Costimulierung bereiten da- Koordination der Immunreaktion gegen Viren, intrazel-
gegen den Weg zur Bildung von äußerst wirkungsvollen Effek- lulär lebenden Bakterien wie zum Beispiel Mycobakterien
torzellen und Gedächtniszellen. (Erreger der Tuberkulose und der Lepra), stimulieren aber
Um sich in die erforderliche T-Helfer-Subpopulation diffe- auch B-Zellen zur Produktion von Antikörpern, vor allem
renzieren zu können, müssen die proliferierenden naiven CD4+- IgG, gegen extrazellulär vorkommende Bakterien. Sie sind
T-Zellen ein drittes Signal empfangen. Signal  3 wird von der aber auch mit Autoimmunerkrankungen und Hypersensiti-
dendritischen Zelle meistens in Form von Cytokinen übermittelt. vitätsreaktionen vom verzögerten Typ (DTH; delayed-type
Die Art und Menge der von der DC gebildeten Cytokine hängt ab
vom Subtyp der DC, der Art des Antigens, der involvierten TLR,
der freigesetzten Entzündungsmediatoren und anderen Kom-
ponenten des Mikromilieus des Gewebes und des Lymphkno-
- hypersensitivity reaction) assoziiert.
TH2-Zellen bilden IL-4, IL-5, IL-6, IL-13 und IL-10, aktivie-
ren naive B-Zellen und bewirken einen Klassenwechsel vor
allem zu IgE und IgA. Sie spielen aber auch eine wichtige
tens sowie auch von der Art der involvierten costimulierenden
Moleküle. Aber auch die proliferierende T-Zelle gibt Cytokine
ab (IL-2 und IFN-γ, IL-2 und IL-4, oder IL-2 und IL-21), die
autokrin wirken und ihre eigene Differenzierung in verschiedene
- Rolle bei Allergien vom Soforttyp und Asthma.
TH17-Zellen produzieren IL-17, IL-21, IL-22 und IL-26. Sie
arbeiten mit TH1- und TH2-Zellen zusammen, vor allem im
Kampf gegen extrazelluläre Pathogene (Bakterien, Pilze).
Subpopulationen unterstützen (. Abb. 5.2). Zunächst wollen wir Allerdings wurde eine Vielzahl von Autoimmunerkran-
uns jedoch ansehen, welche T-Helfer-Subpopulationen gebildet kungen mit einer Überproduktion von TH17-Cytokinen
werden können. assoziiert (. Abb. 5.2). Immunreaktionen werden nie
von einer Subpopulation allein bestritten, je nach Art des
Erregers und der Infektion kann aber die eine oder andere
70 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

Subpopulation dominieren. Das gilt auch für allergische Induzierte Treg entstehen als Reaktion auf erkannte Selbst-Pep-

-
1 und autoimmune Reaktionen. tide oder harmlose Fremd-Antigene, die von unreifen, nicht ak-
Treg, die beim Priming aus naiven T-Zellen hervorgehen, tivierten dendritischen Zellen (geringe Antigenpräsentation und
2 werden als induzierte Treg (iTreg) bezeichnet. Im Gegen- Costimulierung) in Anwesenheit von TGF-β und Abwesenheit
satz zu den im Thymus gebildeten natürlichen Treg (nTreg), von Entzündungssignalen wie IL-6 präsentiert werden.
stellen sie eine heterogene Gruppe von Zellen dar. Sie
3 unterdrücken T-Zell-vermittelte Immunreaktionen durch Die Bildung von cytotoxischen CD8+-T-Zellen
Cytokine wie IL-10 und TGF-β (transforming growth CD8+-T-Zellen sind nicht für die Koordination der Immunantwort
4 factor-β). Neben den CD4+-Treg gibt es auch CD8+-Treg. Auf zuständig. Sie spielen vielmehr eine Rolle bei der Erkennung des
die Funktion regulatorischer T-Zellen wird in ▶ Kap. 7 „veränderten Selbst“. Der TCR der CD8+-T-Zellen interagiert mit
5 detailliert eingegangen. MHC-Klasse-I-Molekülen, die auf allen kernhaltigen Körperzellen
vorkommen. Diese MHC-Moleküle präsentieren stichprobenartig
T-Helferzellen, die noch in der Lage sind, Cytokine aller Subpo- die intrazelluläre Proteinzusammensetzung einer Zelle. Bei Virus­
6 pulationen zu produzieren, werden vielfach als TH0-Zellen be- infektionen oder im Fall einer Tumorzelle erscheinen also auch
zeichnet. Lange Zeit wurde diskutiert, ob TH0-Zellen eine eigene virale Peptide oder veränderte Eigen-Peptide auf den MHC-Mo-
7 Population darstellen. Heute geht man davon aus, das TH0-Zellen lekülen. Diese werden von den CD8+-T-Zellen erkannt und die
ein Entwicklungsstadium im Differenzierungsprozess darstellen, infizierte Zelle oder Tumorzelle wird getötet. CD8+-T-Zellen sind
das zwischen der Aktivierung der naiven T-Zelle und der Diffe- cytotoxische Zellen, also Killerzellen und somit sehr gefährlich für
8 renzierung in TH1-, TH2- oder TH17-Zellen anzusiedeln ist. den Körper, denn geprimten Killerzellen reicht ein Signal, um zu
töten. Es ist leicht vorstellbar, dass das Priming dieser Zellen stär-
9 Wie entstehen die TH-Subpopulationen ker kontrolliert werden muss als das der CD4+-T-Zellen. Zunächst
in den peripheren lymphatischen Organen? kommt es auch bei der CD8+-T-Zelle zu einer Kontaktaufnahme
10 Wesentlich für die Differenzierung in TH1-, TH2-, TH17-Zellen mit der dendritischen Zelle über Adhäsionsmoleküle, die es ihr
oder iTreg sind die Art der Cytokine, die von der dendritischen ermöglichen, mit ihrem TCR die präsentierten MHC-Klasse-I-
Zelle an die T-Zellen weitergegeben werden, und die Cytokine, Peptid-Komplexe zu überprüfen. Kommt es zu einer spezifischen
11 die die T-Zellen nach Aktvierung selbst freisetzen (. Abb. 5.2). Erkennung, führt dies zur Übertragung des ersten Signals und der
Hohe Mengen an IFN-γ und IL-12 bewirken die Differenzierung Ausbildung einer immunologischen Synapse.
12 von TH1-Zellen. Die Cytokine binden dazu an ihre Rezeptoren, Für das zweite Signal, das die klonale Expansion der T-Zelle
die auf den proliferierenden TH0-Zellen exprimiert werden. Die zur Folge hat, bedarf es auch hier der Aktivierung durch die
Rezeptoren stehen wiederum mit bestimmten signalvermitteln- costimulierenden Moleküle CD80 und CD86. Eine direkte Ak-
13 den Proteinen in Verbindung. So aktiviert IFN-γ das signalver- tivierung von CD8+-T-Zellen durch die dendritische Zelle ist
mittelnde Protein STAT1, das in der T-Zelle die Expression des selten. Sie erfolgt in der Regel nur, wenn die DC selbst infiziert
14 Transkriptionsfaktors T-bet bewirkt. T-bet wiederum führt zur ist und außergewöhnlich viel CD80 und CD86 exprimiert. Ge-
Expression einer Untereinheit des IL-12-Rezeptors und schaltet dächtniszellen werden unter diesen Umständen nicht gebildet, da
15 das IFN-γ-Gen in der T-Zelle an. Die Interaktion von IL-12 und CD8+-T-Zellen kein CD40L tragen und es folglich nicht zu einer
seinem Rezeptor führt über die Aktivierung von STAT4 zur Dif- Hochregulation der costimulierenden Moleküle kommt. In den
ferenzierung von TH1-Zellen. überwiegenden Fällen erhalten CD8+-T-Zellen jedoch die Hilfe
16 Die Polarisierung zu TH2-Zellen benötigt dagegen die Anwe- von CD4+-T-Zellen, die mit derselben DC in Kontakt stehen. Sie
senheit von IL-4 und die Abwesenheit von IL-12. IL-4 vermittelt fördern die Proliferation, Differenzierung und Generierung von
17 die Aktivierung von STAT6. Dieses signalvermittelnde Protein CD8+-T-Gedächtniszellen.
führt zur Expression des Transkriptionsfaktors GATA-3. GATA-3
schaltet Cytokingene an, die für TH2-Zellen typisch sind. Neue
18 Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch geringe Mengen Die B-Zell-Antwort
an IL-10 und der von T-Zellen exprimierte Notch-Rezeptor eine
19 Rolle bei der Generierung von TH2-Zellen spielen. Täglich werden viele 100 Millionen B-Zellen im Knochenmark
Untersuchungen in der Maus zeigen, dass die Differenzierung gebildet und ins Blut abgegeben. Die neugebildeten B-Zellen sind
20 von TH17-Zellen die Anwesenheit von IL-6 (beim Menschen zu- noch unreif. Sie tragen auf ihrer Oberfläche große Mengen an
sätzlich IL-1β), IL-21 und TGF-β und die Abwesenheit von IL-4 IgM, aber nur wenig IgD. Um auszureifen und zu langlebigen
und IL-12 benötigt. IL-6 und TGF-β sind entscheidend für die B-Zellen zu werden, müssen sie in die peripheren lymphatischen
21 Aktivierung eines molekularen Schalters, des Transkriptionsfak- Gewebe einwandern, um dort in die B-Zell-Zone zu gelangen
tors RORγT (entspricht RORC-Variante 2 beim Menschen), der (▶ Kap. 2). Doch nicht alle neugebildeten B-Zellen überleben die
22 wiederum die Expression des IL-23-Rezeptors bewirkt. Lange ersten Tage in der Peripherie. Ist es ihnen nicht gelungen, einen
Zeit wurde angenommen, dass IL-23 eine wichtige Rolle bei der Follikel in den peripheren lymphatischen Organen aufzusuchen,
Differenzierung von TH17-Zellen in den peripheren lymphati- gehen sie zugrunde. Man geht davon aus, dass die unreifen B-Zel-
23 schen Organen spielt. Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass len in den Follikeln wichtige Überlebenssignale in Form von lös-
IL-23 erst später auf diese Zellen einwirkt, wenn sie schon auf lichen Faktoren bekommen, die dort von konventionellen DC
ihre T-Zell-Linie festgelegt sind. und Makrophagen produziert werden. Um Zugang zu den Folli-
5.2  •  Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
71 5

Exkurs 5.1: Wie viele Subpopulationen von T-Helferzellen gibt es wirklich?   |       | 


T-Helferzellen sind entscheidende Koordi- Bald nach ihrer Erstbeschreibung wurden wich- Das Trio aus TH1-, TH2- und TH17-Zellen hat in
natoren im Immunsystem, indem sie mit tige Prinzipien der Entstehung und Bedeutung den letzten Jahren weiter Zuwachs bekom-
den anderen Immunzellen interagieren und der T-Helferzell-Untertypen deutlich. So entste- men. So gibt es mittlerweile TH9-, TH22- und
deren Aktivität kontrollieren. Allerdings sind hen sämtliche Untertypen aus einer gemeinsa- TH39-Zellen sowie TFH-Zellen, die nicht über
die Bedürfnisse des Immunsystems sehr men Vorläuferzelle. Welcher Untertyp jeweils ihre Cytokinproduktion, sondern über ihre
breit – meterlange Würmer und im Zellinnern entsteht, wird durch Produkte derjenigen Lokalisation in den Keimzentren der Lymph-
angesiedelte Viren müssen gleichermaßen antigenpräsentierenden Zelle (z. B. dendritische follikel beschrieben wurden. Diese Inflation
angegriffen werden. Es ist daher nicht ver- Zelle) beeinflusst, auf der die Vorläuferzelle an Untertypen einerseits und die unterschied-
wunderlich, dass T-Helferzellen ihrerseits eine ihr Antigen zum ersten Mal erkennt. Diese liche Art der Definition andererseits führen
heterogene Population darstellen. So wurden jeweiligen Produkte wiederum sind maßgeblich zunehmend zu einem Problem: Wann lohnt
in der Vergangenheit verschiedene stabile von Komponenten des Erregers abhängig. Ein es sich, einen neuen Untertyp zu definieren –
Untertypen definiert, die durch die Synthese weiteres wichtiges Prinzip ist, dass die Unterty- und wann handelt es sich um unterschiedliche
jeweils spezifischer Produkte charakterisiert pen jeweils ihre eigene Vermehrung unter- Zustandsformen bereits bekannter Unterty-
sind. Zu diesen gehören v. a. die Cytokine, stützen und andere Untertypen supprimieren. pen? So produzieren etwa TFH-Zellen in situ die
aber auch andere Produkte, wie etwa das Dies kann zu einem sich selbst verstärkenden Cytokine IL-4 und IL-21, die man in vitro TH2-
cytolytisch wirksame Perforin. Entscheidend Ungleichgewicht führen und in der Folge zu Er- bzw. TH17-Zellen zugeordnet hat. Andererseits
für die Definition eines Untertyps ist jeweils krankungen, die durch ein Zuviel der jeweiligen können etablierte Untertypen zu unterschied-
das Vorhandensein spezifischer Transkrip- Untertypen ausgelöst werden. Beispiele sind lichen Zeiten nach ihrer Aktivierung sehr
tionsfaktoren, also derjenigen Proteine, die Vermittlung von Autoimmunerkrankungen unterschiedliche Cytokine sezernieren – dieser
die an die Promotoren von Genen binden durch TH1-Zellen und die Begünstigung von kinetische Aspekt muss also berücksichtigt
und die Gentranskription vermitteln. Aus Allergie durch TH2-Zellen. Wichtig ist weiterhin, werden. Dieselbe Zelle würde gegebenenfalls
der Produktion jeweils unterschiedlicher dass ein Organismus auf eine gegebene Infek- zu unterschiedlichen Zeiten der Analyse einer
Cytokine in den Untertypen ergibt sich tion mit der Expansion sinnvoller Untertypen anderen Unterart zugeordnet werden. Letzt-
also die Aktivität jeweils unterschiedlicher reagieren kann, aber auch, genetisch bedingt, lich gibt es auch immer mehr Berichte darüber,
Transkriptionsfaktoren. Insbesondere ist mit Untertypen, die den jeweiligen Krank- dass mehrere vermeintlich unterschiedliche
jeder Untertyp durch einen ganz spezifischen heitsverlauf massiv verschlechtern können. Untertypen dasselbe Cytokin sezernieren
„Master“-Regulationsfaktor charakterisiert. Hierdurch erklärt sich beispielsweise der tuber- können, abhängig von der Kinetik und den
Eine weitere Voraussetzung für die Definition kuloide (TH1) und lepromatöse (TH2) Verlauf bei jeweiligen Stimulationsbedingungen.
eines stabilen Untertyps sind epigenetische der Lepra. Ein weiteres wesentliches Prinzip ist, Solche Gedanken führen in der Fachwelt
Veränderungen am Chromatin: Die Genloci dass der jeweils vorhandene T-Helferzell-Unter- zurzeit zu einer gewissen Skepsis über die aus-
für jeweils „erlaubte“ Cytokine bleiben stabil typ auf die anderen vorhandenen Immunzellen ufernden Neubeschreibungen von T-Helfer-
geöffnet, während diejenigen für „verbotene“ „abfärbt“. So sezernieren andere Immunzellen zell-Untertypen. Es wäre sicher gut, wenn hier
Cytokine beispielsweise durch Methylierung sehr häufig eine der T-Helferzelle sehr ver- die ursprünglichen Kriterien, ein spezifischer
unzugänglich gemacht werden. gleichbare Kombination an Cytokinen. „Master“-Regulatorfaktor und eine vererbbare
Die ersten nach diesen Kriterien beschrie- Dieses TH1/TH2-Konzept wurde 1986 etabliert stabile Veränderung am Chromatin, wieder
benen Untertypen waren TH1-Zellen als und hatte etwa 20 Jahre Bestand. Allerdings vermehrt zu Rate gezogen werden könnten.
Produzenten von IFN-γ und TNF-α mit dem gab es einige Befunde, die mit diesem Konzept
„Master“-Regulationsfaktor T-bet und TH2-Zel- nicht befriedigend erklärt werden konnten.
len als Quelle von IL-4, IL-5 und IL-13 mit dem So blieb unklar, warum TH1-Zellen einerseits
Faktor GATA3. Nachdem diese Untertypen beschuldigt wurden, Multiple Sklerose mit-
zunächst in vitro beschrieben wurden, fand zuvermitteln, andererseits sich aber im Maus-
man entsprechende Cytokinmuster bald auch modell ein Fehlen von IFN-γ krankheitsver-
bei sehr unterschiedlichen Erkrankungen in stärkend und nicht etwa -mildernd auswirkt.
vivo. So sind TH1-Zellen wegen ihrer Cytokine Im Jahre 2005 führte dies zur Beschreibung
wichtig zur Aktivierung von Makrophagen, eines weiteren Untertyps, der nach seinem
damit diese die in ihnen vorhandenen Erreger, Produkt IL-17 als TH17-Zelle bezeichnet wird.
wie etwa Bakterien (z. B. Tuberkuloseerreger), TH17-Zellen exprimieren den „Master“-Faktor
Protozoen (z. B. Leishmanien), aber auch Viren, RORγt und sind sehr wichtig bei der Abwehr
abtöten können. Im Gegensatz dazu benötigt extrazellulärer Bakterien und Pilze, maßgeblich
man TH2-Zellen zur Abwehr großer extrazellu- vermittelt durch die Anlockung neutrophiler
lärer Erreger wie Würmer, indem B-Zellen von Granulocyten über IL-17. Der beschriebene
TH2-Zellen zur Synthese besonderer Antikörper widersprüchliche Befund bei der Pathogenese
aktiviert werden, die sich an die Würmer bin- der Multiplen Sklerose wird mittlerweile da- Prof. Dr. med. Michael Lohoff
den. Die Abtötung erfolgt durch ebenfalls von durch erklärt, dass TH1- und TH17-Zellen offen- Institut für Medizinische Mikrobiologie und
den TH2-Zellen aktivierte eosinophile Granu- bar nacheinander beide wichtig zur Auslösung Krankenhaushygiene
locyten, die wiederum die Fc-Teile der an die der Erkrankung sind, dass TH1-Zellen aber die Universitätsklinikum Gießen und Marburg
Würmer gebundenen Antikörper erkennen. Entstehung von TH17-Zellen unterdrücken. GmbH, Standort Marburg BMFZ

keln zu bekommen, müssen die unreifen B-Zellen mit ebenfalls B-Zellen erkennen eine Vielzahl von Antigenen
zuwandernden B-Gedächtniszellen konkurrieren, die aufgrund B-Zellen (▶ Exkurs 5.2) können je nach Spezifität ihrer membran-
anderer Chemokinrezeptoren bevorzugt werden. Man geht da- ständigen Immunglobuline eine große Vielzahl von Antigenen
von aus, dass 1–2 % der neugebildeten B-Zellen in der Peripherie erkennen. Diese gehören zu den Polysacchariden, Glykopro-
nach wenigen Tagen sterben. teinen, Lipiden, Nucleinsäuren und Proteinen und können auf
72 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

Exkurs 5.2: B-1-Zellen  |       |  thymusunabhängiges thymusabhängiges


1 Antigen Antigen
B-1-Zellen repräsentieren beim Menschen nur 5–10 % aller B-Zellen.

2 Sie entstehen früh in der Ontogenese, vor den konventionellen


B-Zellen (B-2-Zellen) und verfügen nur über ein eingeschränktes

Cytokine
B-Zell-Rezeptor-Repertoire. Sie kommen vor allem in der Bauch-

CD40L CD40
3 höhle und Lungenhöhle vor. Ihre Liganden stellen von Bakterien
stammende Kohlenhydrat- und Lipidantigene dar, auf Protein-
Internalisierung

Cyt-R
PRR
antigene reagieren sie nur schwach. B-1-Zellen gehören zu den Prozessierung

4 Produzenten von natürlichen Antikörpern. Sie stellen eine erste


Verteidigungslinie gegen häufig auftretende Mikroorganismen dar.
B-Zell- zweites
Rezeptor Signal B-Zell-
Präsentation

Rezeptor zweites Signal


Möglicherweise dienen sie dabei dem Schutz der Körperhöhlen.
5 Von den konventionellen B-Zellen unterscheiden sie sich durch die
Expression von CD5, einer hohen Dichte an membranständigem IgM
B-Zell-
Aktivierung
B-Zell-
Aktivierung
und wenig IgD. Bei Mäusen wurde in der Bauchhöhle auch eine Sub-
6 population CD5−-B-1-Zellen nachgewiesen, die im Gegensatz zu den .. Abb. 5.4  Thymusabhängige und -unabhängige Antigene. B-Zellen
CD5+-B-1-Zellen (B-1a-Zellen) als B-1b-Zellen bezeichnet werden. können sowohl unter Beteiligung von T-Zellen (= thymusabhängig), als auch
Beim Menschen gibt es zwei Subpopulationen an CD5-tragenden ohne deren Hilfe (= thymusunabhängig) aktiviert werden. Ohne Beteili-
7 B-1-Zellen, von denen eine den B-1a-Zellen der Maus ähnelt. gung von T-Zellen gibt es kein Signal zum Immunglobulinklassenwechsel,
sodass gegen thymusunabhängige Antigene immer nur IgM gebildet wird.
Weiterhin gibt es auch keine somatische Hypermutation, Affinitätsreifung
8 der Oberfläche von Bakterien, Viren und eukaryotischen Zellen
oder Bildung von Gedächtniszellen. Linke Seite: Aktivierung einer B-Zelle mit
einem thymusunabhängigen Antigen. Sich wiederholende Epitope erzeugen
vorkommen, mit anderen chemischen Strukturen assoziiert sein durch Kreuzvernetzung der BCR starke Signale zur Aktivierung der B-Zelle.
9 und/oder in löslicher Form vorliegen. Einige dieser Strukturen Das für die Aktivierung notwendige zweite Signal kommt durch PAMPs (rot),
können B-Zellen direkt aktivieren, das heißt ohne die Hilfe von die mit dem Antigen assoziiert sind. Rechte Seite: Aktivierung einer B-Zelle

10 T-Zellen (. Abb. 5.4). Diese Antigene sind aus sich ständig wie- mit einem thymusabhängigen Antigen. Das für die Aktivierung notwendige
zweite Signal kommt in diesem Fall von einer T-Helferzelle, der das Antigen
derholenden (repetierenden) Epitopen aufgebaut. Dazu gehören
präsentiert wird
komplexe Polysaccharide auf Bakterien. Diese Antigene können
11 durch Kreuzvernetzung der BCR starke Signale erzeugen und
zur Aktivierung der B-Zellen führen. Die B-Zellen differenzieren Zellen sind sie über Desmosomen und Gap-Junction-Proteine
12 sich zu Plasmazellen und produzieren IgM. Es bilden sich aber verbunden. fDC betreiben keine Phagocytose und exprimieren
keine Gedächtniszellen. Auch kommt es in der Regel zu keiner keine MHC-Klasse-II-Moleküle. Dennoch sind sie essenziell für
Keimzentrumreaktion, somatischen Hypermutation, Affinitäts- die Entwicklung, Aktivierung, Differenzierung, Proliferation
13 reifung oder einem Klassenwechsel. Diese Antigene werden als und das Überleben der B-Zellen. fDC fangen Antigene in Form
thymusunabhängige Antigene (thymus independent; TI-Anti- von Immunkomplexen ein, also Antigen-Antikörper-, Anti-
14 gene) bezeichnet. Ein Beispiel für die sogenannten natürlichen gen-Komplement- oder Antigen-Antikörper-Komplement-Kom-
Antikörper sind die gegen die Blutgruppenantigene A und B ge- plexe, die über Fc-Rezeptoren oder Komplement-Rezeptoren
15 richteten Isoagglutinine (▶ Kap. 12). (CR1, CR2) gebunden und unprozessiert auf ihrer Oberfläche
Bei anderen Antigenen, vor allem Proteinen, benötigen präsentiert werden. Außerdem produzieren sie das Chemokin
B-Zellen die Hilfe von T-Zellen, um sich zu antikörperpro- CXCL13, das B-Zellen in die B-Zell-Zone lockt. Dendritische
16 duzierenden Plasmazellen weiterentwickeln zu können. Diese Zellen und Makrophagen geben wichtige Überlebenssignale
Antigene führen zur Ausbildung eines Keimzentrums, somati- für sowohl unreife B-Zellen als auch für B-Zellen, die sich zu
17 scher Hypermutation, Klassenwechsel und zur Ausbildung eines Plasmazellen differenzieren. Eines dieser Überlebenssignale ist
B-Zell-Gedächtnisses. Sie werden als thymusabhängige Anti- der B-Zell-aktivierende Faktor (B cell activating factor of the
gene (thymus dependent; TD-Antigene) bezeichnet. Die Reak- TNF family, BAFF). Dieses Cytokin bindet an den auf unreifen
18 tion auf diese Antigene nennt man T-Zell-abhängige B-Zell-Ant- B-Zellen exprimierten BAFF-Rezeptor. Dieser Rezeptor wird
wort. Sie wird in den folgenden Abschnitten näher beschrieben. bei der Differenzierung der B-Zelle nach Antigenkontakt hoch-
19 gefahren. BAFF- oder BAFF-Rezeptor-defiziente Mäuse zeigen
Zellen der B-Zell-Zone eine gestörte B-Zell-Entwicklung. Ihnen fehlen reife follikuläre
20 In der B-Zell-Zone sind die B-Zellen in sogenannte B-Zell-Fol- B-Vorläuferzellen und Marginalzonen-B-Zellen. B-1-Zellen und
likel organisiert, die unstimuliert als Primärfollikel bezeichnet im Knochenmark reifende B-Zellen sind nicht betroffen. Makro-
werden. Findet in den Follikeln eine Auseinandersetzung mit phagen sind auch an der Beseitigung von apoptotischen B-Zellen
21 Antigenen statt, wandeln sie sich zu Sekundärfollikeln mit Keim- beteiligt.
zentrum um. Neben den B-Zellen kommen noch andere Zel-
22 len in den Follikeln vor, wie die follikulär dendritischen Zellen Wo treffen B-Zellen auf ihr Antigen?
(fDC), Makrophagen und wenige konventionelle dendritische B-Zellen, die durch den Körper wandern, können mit ihren
Zellen hämatopoetischen Ursprungs. fDC gehören nicht zu den membranständigen Immunglobulinen (B-Zell-Rezeptoren,
23 Immunzellen und stammen nicht aus dem Knochenmark. Sie BCR) Antigene im Blut binden oder sie treffen in den peripheren
sind wahrscheinlich mesenchymalen Ursprungs und tragen lymphatischen Organen auf freie Antigene, die mit der Lymphe
lange, stark verzweigte dendritische Fortsätze. Mit benachbarten herbeitransportiert wurden. Weiter ist das Erkennen von Antige-
5.2  •  Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
73 5

Lymphknoten Primärfollikel

Sekundärfollikel

B-Zelle

M
mit Ag Ag

an
te
lzo
AK CC

ne
R 7
Gedächtniszellen postkapilläre
CXCR5
IgG B-Zelle Venole
IgE Endocytose
Ig/Ag-Komplex naive B-Zelle
oder
CXCR5
Plasmazelle
IgA
CCR7

CXCR5
CCR7
Keimzentrum

Klassen- Affinitäts-
wechsel reifung aktivierte aktivierte naive T-Zelle
B-Zelle T-Zelle
CXCR5

DC

B-Zell-Zone T-Zell-Zone

.. Abb. 5.5  B-Zellen differenzieren sich in peripheren lymphatischen Organen mithilfe von TH-Zellen zu Plasmazellen. B-Zellen treffen im Blut oder in den
peripheren lymphatischen Organen auf Antigene (Ag) und binden sie spezifisch über ihre membranständigen Immunglobuline (BCR). Um sich in Plasmazellen
differenzieren zu können, braucht der größte Teil der B-Zellen die Hilfe von TH-Zellen, die durch das gleiche Antigen aktiviert wurden (gekoppelte Erkennung).
Um miteinander interagieren zu können, treffen sich antigenaktivierte B-Zellen und T-Zellen an der Grenze von T- und B-Zell-Zone. Um dorthin zu gelangen,
ändern beide Zellarten die Chemokinrezeptoren auf ihrer Oberfläche. B-Zellen sind auch APC und präsentieren den TH-Zellen das prozessierte Antigen auf
MHC-Klasse-II-Molekülen. Die T-Zelle wird dazu aktiviert, die B-Zellen mithilfe costimulierender Moleküle und Cytokine in die Proliferation und Differenzierung
zu treiben. Der größte Teil der aktivierten B-Zellen und die mit ihnen assoziierten TH-Zellen wandern in die B-Zell-Follikel ein und bilden ein Keimzentrum: Der
Follikel wird zum Sekundärfollikel. Mit Unterstützung der assoziierten TH-Zellen kommt es im Verlauf der B-Zell-Differenzierung zur somatischen Hypermuta-
tion und Affinitätsreifung der BCR. Im fortgeschrittenen Verlauf einer Primärreaktion können B-Zellen einen Klassenwechsel vollziehen, der nur die konstante
Region der schweren Kette des Antikörpers, niemals die Antigenbindungsstelle betrifft. Schließlich bilden sich antikörperproduzierende Plasmazellen und
langlebige Gedächtniszellen

nen möglich, die als Immunkomplexe an der Oberfläche von fDC Organe in räumlich getrennten Zonen? Antigenspezifische
fixiert sind. Bewirkt die Bindung eines Antigens eine Querver- Aktivierung führt sowohl bei TH-Zellen als auch bei B-Zellen
netzung der membranständigen Immunglobuline, kommt es zur zu einer Veränderung der exprimierten Chemokinrezeptoren
rezeptorvermittelten Endocytose des Antigens. Im Innern der (. Abb. 5.5). Aktivierte T-Zellen regulieren den Chemokinrezep-
B-Zelle wird es verdaut, prozessiert und auf MHC-Klasse-II-Mo- tor CCR7 herunter. Stattdessen erscheint ein Chemokinrezeptor
lekülen auf der Oberfläche der B-Zelle präsentiert. B-Zellen ge- auf ihrer Oberfläche, der für naive B-Zellen charakteristisch ist:
hören zu den professionellen antigenpräsentierenden Zellen. CXCR5. Mit ihm folgen die aktivierten TH-Zellen dem chemo-
Um sich zu einer antikörperproduzierenden Plasmazelle diffe- taktischen Gradienten von CXCL13, dessen Konzentration in
renzieren zu können, benötigt der größte Teil der B-Zellen noch der B-Zell-Zone am höchsten ist. Ähnliches gilt für aktivierte
weitere Signale. Diese bekommen sie von TH-Zellen, die durch B-Zellen. Sie regulieren CXCR5 herunter und exprimieren das
das gleiche Antigen aktiviert wurden (gekoppelte Erkennung) für naive TH-Zellen charakteristische CCR7. Sie können jetzt
(siehe Hapten-Carrier-Prinzip ▶ Kap. 4). Die erkannten Epitope den entsprechenden Chemokingradienten (CCL19; CCL21) in
brauchen nicht die gleichen zu sein, sie müssen nur vom glei- Richtung T-Zell-Zone folgen. Am Rande der B- und T-Zell-Zone
chen Antigen, zum Beispiel vom gleichen Bakterium, stammen. treffen sich T- und B-Lymphocyt und interagieren miteinander
Die gekoppelte Erkennung ist ein Mechanismus der peripheren (. Abb. 5.5). Auch hier erfolgt die Kontaktaufnahme über Ad-
Toleranz, mit dessen Hilfe autoimmune Reaktionen in Schach häsionsmoleküle, und es kommt zur Ausbildung einer immu-
gehalten werden (▶ Kap. 9). nologischen Synapse. Die Bindung des T-Zell-Rezeptors an den
Doch wie kommen antigenaktivierte T- und B-Zellen zu- MHC-Klasse-II-Peptidantigen-Komplex der B-Zelle vermittelt
sammen, sie befinden sich doch innerhalb der lymphatischen wichtige Signale. Die TH-Zelle wird angeregt, die B-Zellen über
74 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

1 .. Tab. 5.4  Eigenschaften der verschiedenen Antikörperklassen

Eigenschaften IgA1 IgA2 IgD IgE IgG1 IgG2 IgG3 IgG4 IgM
2 schwere Kette α1 α2 δ ε γ1 γ2 γ3 γ4 μ

Anzahl der konstanten Domänen der schweren 3 3 3 4 3 3 3 3 4


3 Kette

Halbwertszeit im Serum (Tage) 6 6 3 2 21 20 7 21 10


4 Serumspiegel (Mittelwert mg/ml) bei Erwach- 3,0 0,5 0,03 5 × 10 −5
9 3 1 0,5 1,5
senen

5 Komplementaktivierung
– klassischer Weg − − − − + − ++ − +++
– alternativer Weg + − − − − − − − −
6 Bindung an Phagocyten + + − + + − + −/+ −

7 hochaffine Bindung an Mastzellen und baso-


phile Granulocyten
− − +++ + − + − −

Bindung an NK-Zellen − − − − +++ − ++ −


8 Opsonisierung + + − − +++ + ++ + (+)

9 Neutralisierung ++ ++ − − ++ ++ ++ ++ +

plazentagängig − − − − +++ + ++ (+) −

10 Reaktivität mit Protein A von Staphylococcus


aureus
− − − − + + −/+ + −

11 Von −/+ nach +++: Zunahme der Stärke der Funktion


−: negativ

12
costimulierende Moleküle und sezernierte Cytokine in die Pro- und den mit ihnen in Kontakt stehenden T-Zellen in die Pri-
liferation und Differenzierung zu treiben. Eines der wichtigsten märfollikel der B-Zell-Zone. Voraussetzung für die Migration in
13 costimulierenden Moleküle ist der von T-Zellen exprimierte die Follikel ist wahrscheinlich ein erneuter Wechsel der Chemo-
CD40L. Eine Bindung von CD40L an CD40, das auf B-Zellen kinrezeptoren auf der Oberfläche der B-Zellen. In den Follikeln
14 konstitutiv exprimiert wird, veranlasst die B-Zelle in den Zell- vermehren sich die aktivierten B-Zellen mit Unterstützung der
zyklus einzutreten und verstärkt CD80 und CD86 zu exprimie- sie begleitenden T-Zellen und bilden ein Keimzentrum. Die sie
15 ren. Diese Moleküle fördern wiederum die Differenzierung der umgebenden ruhenden naiven B-Zellen werden an den Rand des
TH-Zellen, ein Prozess, der durch die Interaktion der costimu- Follikels gedrängt und bilden die sogenannte Mantelzone. Der
lierenden Moleküle 4-1BB (auf der T-Zelle) mit 4-1BBL (auf der Primärfollikel wird zum Sekundärfollikel (. Abb. 5.5). Die pro-
16 B-Zelle) verstärkt wird. Von der TH-Zelle sezernierte Cytokine liferierenden B-Zellen teilen sich ungefähr zwei- bis dreimal am
unterstützen die Signale der costimulierenden Moleküle und füh- Tag, sodass innerhalb von einer Woche Tausende von B-Zellen
17 ren zu klonaler Expansion der aktivierten B-Zelle und zur deren entstehen. Man unterscheidet zwei Zonen an proliferierenden
Differenzierung zu Plasmazellen. B-Zellen innerhalb des Keimzentrums. Außen gelegen befin-
den sich rasch teilende B-Zellen, die Centroblasten, die wenige
18 Immunglobuline auf ihrer Oberfläche tragen. Da diese Zone
Der Weg zur Plasmazelle: Hypermutation, aufgrund der großen Mengen an B-Zellen im histologischen
19 Affinitätsreifung und Isotypwechsel Bild dunkel erscheint, wird sie als dunkle Zone bezeichnet. In-
nen befindet sich die helle Zone, in der Centrocyten lokalisiert
20 Einige der aktivierten, proliferienden B-Zellen und die mit ihnen sind. Diese B-Zellen teilen sich weniger häufig, tragen dafür aber
interagierenden aktivierten T-Zellen bilden zunächst einen Pri- wieder mehr membranständige Immunglobuline. Während der
märfocus und die B-Zellen produzieren als sogenannte Plasma­ häufigen Teilungen kommt es in Centroblasten und Centrocyten
21 blasten schützende Antikörper (Immunglobuline; Ig) der Klasse zu einem Prozess, der als somatische Hypermutation bezeichnet
IgM, die nach einigen Tagen im Serum nachweisbar sind (Sero- wird (▶ Kap. 6). Dabei kommt es im Bereich der hypervariablen
22 konversion). Das erste Immunglobulin, das bei einer primären Region der rekombinierten Immunglobulingene zu einer über-
Immunantwort gebildet wird, ist immer IgM. Es ist auch das durchschnittlich hohen Zahl an Punktmutationen. Die Folgen
charakteristische Immunglobulin der primären Immunantwort sind für die B-Zelle unterschiedlich. Einige Mutationen beein-
23 (▶ Kap. 8). Erst später im Verlauf der Immunreaktion können flussen die Spezifität des BCR für sein Antigen nicht. Andere ver-
IgG und andere Antikörperklassen hinzukommen. Die B-Zellen ändern den BCR so, dass er das ursprüngliche Antigen schlechter
des Primärfocus folgen schließlich anderen aktivierten B-Zellen oder gar nicht mehr binden kann. Manchmal ruft eine Mutation
5.2  •  Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
75 5

auch eine höhere Affinität zum Antigen hervor. Außerdem kön-


nen Immunglobuline entstehen, die gegen Selbst gerichtet sind B-Zell-Corezeptor-
C3b Komplex
(Autoantikörper). Deshalb wird nach jeder Zellteilung der BCR
der B-Zelle erneut überprüft. Dazu interagieren die B-Zellen mit Ag
den auf den fDC dargebotenen Antigenen oder mit freien Anti- Ig C3
d
CD21
genen vor Ort. B-Zellen, die mit ihrem BCR das Antigen nicht
mehr erkennen oder mit nur geringer Affinität binden, sterben
durch Apoptose und werden schließlich von Makrophagen be-

CD81
seitigt. Solche Zellen, die über einen hochaffinen BCR verfügen,

CD19
Igα
Igα

Igß
Igß
werden positiv selektiert, das heißt, sie erhalten Überlebenssi-
gnale. Diese stammen zum einen vom Antigen, das die mem- Fyn/Blk/Lyn
branständigen Immunglobuline quervernetzt, zum anderen von
costimulierenden Molekülen (CD40L/CD40-Interaktion) der Syk Vav/Pl-3K
assoziierten T-Zellen. Durch diesen Vorgang, der als Affinitäts-
reifung bezeichnet wird, kommt es bei erfolgreich selektierten .. Abb. 5.6  B-Zell-Rezeptor- und B-Zell-Corezeptor-Komplex. Die Querver-
B-Zellen zu einer ständigen Verbesserung der Spezifität der BCR netzung der B-Zell-Rezeptoren durch ein Antigen (Ag) führt zur Aggregation
(▶ Kap. 6). Bei autoreaktiven BCR können die T-Zellen die von der BCR-Komplexe auf der Oberfläche der B-Zelle und löst die Aktivierung
der Tyrosinkinasen Lyn, Fyn, Blk aus. Sie phosphorylieren die ITAMs in den
den B-Zellen präsentierten Selbst-Peptidfragmente nicht erken-
Igα- und Igβ-Ketten des BCR-Komplexes, an die jetzt die Tyrosinkinase Syk
nen und geben keine Überlebenssignale. binden kann. Syk aktiviert jetzt weitere Zielproteine der intrazellulären
Mithilfe der T-Zellen reifen die selektierten B-Zellen ent- Signalkaskade. Der B-Zell-Rezeptor wird durch den B-Zell-Corezeptor-Kom-
weder zu Gedächtniszellen oder zu Plasmazellen. Die Signale, plex (CD19, CD21, CD81) unterstützt, der nach Bindung seines Liganden
die entscheiden, welche Richtung eingeschlagen wird, sind noch das antigenabhängige Signal des BCR verstärkt. Antigene werden oft von
Komplementkomponenten markiert. Wenn der BCR ein solches Antigen spe-
nicht bekannt. Plasmazellen unterscheiden sich deutlich von
zifisch erkennt, bindet die Komplementkomponente C3d an CD21. BCR und
B-Zellen. Sie teilen sich nicht mehr, tragen kaum noch membran- Corezeptor-Komplex kommen eng zusammen, und die cytoplasmatische
ständige Immunglobuline und exprimieren keine MHC-Klas- Domäne von CD19 wird phosphoryliert. Sie interagiert mit Tyrosinkinasen
se-II-Moleküle mehr. Sie können also nicht mehr mit T-Hel- der Src-Familie und zahlreichen wichtigen Signalproteinen wie Vav und PI-3-
ferzellen interagieren. Ihre Hauptaufgabe ist die Ausschüttung Kinase. Ig: membranständiges Immunglobulin (B-Zell-Rezeptor). (Verändert
nach Roitt, Brostoff und Male.)
großer Mengen löslicher Immunglobuline.
Im fortgeschrittenen Verlauf einer Primärreaktion, wenn die
T-Zell-Hilfe voll ausgebildet ist, können B-Zellen einen soge- genspezifischen Teil des BCR-Komplexes dar. Von den Plasma-
nannten Klassenwechsel oder Isotypwechsel vollziehen. Er be- zellen werden sie ohne Transmembrankomponente in löslicher
trifft nur die konstante Region der schweren Kette des Antikör- Form ausgeschieden. Bevor wir auf die Struktur der Antikörper
pers, niemals die variablen Regionen (Antigenbindungsstelle). eingehen, wollen wir den Aufbau des BCR-Komplexes und des
Statt IgM erscheint jetzt IgG, IgA oder IgE auf der B-Zell-Ober- B-Zell-Corezeptor-Komplexes betrachten.
fläche. Dieser Klassenwechsel ist nur mit Unterstützung von
CD4+-TH-Zellen und der von ihnen sezernierten Cytokine mög- B-Zell-Rezeptor-Komplex und B-Zell-Corezeptor-
lich. Den Anstoß zum Klassenwechsel gibt die T-Helferzelle Komplex
über die CD40L/CD40-Interaktion. Je nachdem, welche TH-Sub- B-Zellen besitzen antigenspezifische B-Zell-Rezeptor-Komplexe
population (TH1, TH2) mit den B-Zellen assoziiert ist, werden (BCR) (. Abb. 5.6). Da deren membranständige Immunglobu-
unterschiedliche Cytokine ausgeschüttet (▶ Abschn. 5.3, TH1-, line selbst kaum intrazelluläre Domänen aufweisen, erfolgt die
TH2-Zellen). Sie entscheiden, zu welcher Immunglobulinklasse Signalübertragung ins Zellinnere über die assoziierten invarian-
der Wechsel erfolgen soll. Nach dem Isotypwechsel differenzieren ten Ketten Igα und Igβ. Diese tragen in ihrem intrazellulären Be-
sich Plasmazellen, die IgG, IgA oder IgE produzieren. Die ver- reich ITAM-Sequenzen. Die Quervernetzung der membranstän-
schiedenen Immunglobulinklassen haben die gleiche Antigen- digen Immunglobuline durch ein Antigen führt zur Aggregation
spezifität, aber unterschiedliche Effektorfunktionen (. Tab. 5.4). der BCR-Komplexe und zur Aktivierung der rezeptorassoziierten
Während alle Immunglobuline als Monomer auf der Oberfläche Proteintyrosinkinasen der Src-Familie (Fyn, Blk und Lyn). Diese
der B-Zellen erscheinen, liegen IgM und IgA in löslicher Form phosphorylieren jetzt Tyrosinreste in den ITAM-Sequenzen der
als Pentamer (teilweise Hexamer) beziehungsweise als Dimer vor. assoziierten Ketten. An die phosphorylierten ITAM-Sequenzen
des Igβ bindet die cytosolische Tyrosinkinase Syk, die dann akti-
viert wird. Aktiviertes Syk phosphoryliert weitere Proteine, unter
B-Zell-Rezeptor-Komplex und Aufbau anderem das Adapterprotein BLNK. BLNK aktiviert zusammen
der Immunglobuline mit der Kinase btk die Phospholipase PLCγ2. Diese generiert Bo-
tenstoffe, die die intrazelluläre Signalübertragung weiterführen.
Immunglobuline oder Antikörper sind Glykoproteine, die spe- Außer dem BCR exprimieren B-Zellen noch den B-Zell-Co-
zifisch Strukturen auf Antigenen erkennen und viele Effektor- rezeptor-Komplex (. Abb. 5.6), der aus den Zelloberflächen-
funktionen im Immunsystem ausüben (. Tab. 5.4). Sie kommen molekülen CD19, CD21 (Komplementrezeptor-2; CR2) und
auf der Oberfläche von B-Zellen vor und stellen dort den anti- CD81 besteht. Er verstärkt nach Bindung seines Liganden das
76 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

1 Antigenbindungsstelle Fab Fab

–S H
2
–S


V
–S
–S
–S


–S
–S
variable

–S

L
V
–S H 1

–S


3

C
Domäne

–S
–S
–S

C –

(VL bzw. VH)

–S
–S
–S

–S

L
– –S

–S –
–S –S–S–
4 –S–S– leichte Kette
konstante
Gelenkregion
Domänen Gelenk-
5
–S–S–

–S–S–
CH2
(CL bzw. CH) region

6
–S–S–

–S–S–
CH3

Fc

7 schwere Kette
a b

8 .. Abb. 5.7  Grundaufbau eines Antikörpers (IgG). a Schematische Struktur des humanen IgG1. Antikörper haben eine Y-förmige Gestalt. Sie bestehen aus
zwei identischen schweren Ketten (heavy chains ; H) und zwei identischen leichten Ketten (light chains; L), die über Disulfidbrücken (S–S) miteinander ver-
bunden sind. Die leichten Ketten setzen sich aus einer variablen (VL) und einer konstanten (CL) Domäne zusammen. Die schweren Ketten bestehen aus einer
9 variablen Domäne (VH) und beim IgG aus drei konstanten (CH) Domänen. Eine Domäne umfasst 110 bis 115 Aminosäuren und bildet über eine Disulfidbrücke
eine Schleife. Die V-Regionen der schweren und leichten Kette bilden die Antigenbindungsstelle: In dieser befinden sich die hypervariablen Regionen, die

10 für die Bindung des Antigens verantwortlich sind, und konservierte Bereiche, die framework regions. Der Fc-Teil bildet den Stamm des Y und vermittelt die
Funktion des Antikörpers. So bewirkt bei IgG die Domäne CH2 die Aktivierung des Komplementsystems, CH3 dagegen die Bindung an die Fc-Rezeptoren
der Makrophagen. (Verändert nach Roitt, Brostoff und Male.) b Bänderdarstellung eines intakten monoklonalen IgG1-Antikörpers (Röntgenstrukturanalyse).

11 Quelle: RCSB Protein Data Bank (http://www.pdb.org) (PDB-ID 1IGY, Harris et al.)

12 antigenabhängige Signal des BCR. Wir wollen diesen Prozess schweren Ketten bestehen je nach Antikörperklasse aus je einer
näher betrachten. Viele Antigene, vor allem Bakterien, aktivie- variablen (VH) und drei konstanten Domänen (CH1, CH2, CH3)
ren das Komplementsystem. Komplementkomponenten lagern bei IgG, IgA und IgD oder vier konstanten Domänen (CH1, CH2,
13 sich auf der Antigenoberfläche an und opsonisieren das Anti- CH3, CH4) bei IgM und IgE. Jede Domäne ist aus etwa 110–115
gen. Eine dieser Komplementkomponenten ist CD3d, das an Aminosäuren aufgebaut, der sogenannten Immunglobulin-
14 CD21 bindet. Erkennt der BCR spezifisch das mit der Komple- domäne, die ebenfalls über Disulfidbrücken stabilisiert wird.
mentkomponente C3d beladene Antigen, bindet das Antigen Es gibt beim Menschen fünf verschiedene Typen von schweren
15 an den BCR und C3d an CD21 des Corezeptor-Komplexes. Da- Ketten, die als µ- (IgM), δ- (IgD), γ- (IgG), α- (IgA) oder ε- (IgE)
durch lagern sich der BCR-Komplex und der Corezeptor-Kom- Ketten bezeichnet werden.
plex zusammen und vernetzen. Die mit dem BCR assoziierten Die variablen Regionen der Arme des Y, die sich jeweils aus
16 Tyrosinkinasen können jetzt auch den cytoplasmatischen An- der schweren und leichten Kette zusammensetzen, bilden an ih-
teil des CD19-Moleküls phosphorylieren. Das phosphorylierte ren Enden die Antigenbindungsstellen. Sie sind spezifisch für je-
17 CD19 bindet nun ebenfalls Tyrosinkinasen der Src-Familien des Immunglobulinmolekül und stellen den Idiotyp dar. Wie ist
und verstärkt das antigenabhängige Signal des BCR, interagiert die Antigenbindungsstelle aufgebaut? Innerhalb jeder variablen
aber auch mit zahlreichen Signalproteinen wie Vav und der PI- Region befinden sich drei hypervariable Regionen (HV1, HV2,
18 3-Kinase und setzt zusätzliche Signalwege in Gang. Die Rolle HV3) und vier konservierte Bereiche, die als framework regions
von CD81 innerhalb des Corezeptor-Komplexes ist noch nicht (FR1–4) bezeichnet werden. In den hypervariablen Regionen va-
19 vollständig geklärt. riiert die Zusammensetzung der Aminosäuren extrem stark. Die
hypervariablen Regionen liegen in der dreidimensionalen Form
Struktur der Immunglobuline (Antikörper)
20 des Antikörpers innerhalb einer variablen Region dicht beieinan-
Die Struktur der Antikörper wurde Anfang der 60er-Jahre des der und sind für die Bindung an Teile des Antigens (. Exkurs 5.3),
vorherigen Jahrhunderts von Gerald M. Edelman und Rodney die sogenannten Epitope oder Antigendeterminanten, verant-
21 R. Porter aufgeklärt, die 1972 dafür den Nobelpreis für Medizin wortlich. Da die hypervariablen Regionen zu den Bindungsstruk-
erhielten. Antikörper haben eine Y-förmige Gestalt. Sie beste- turen des Antigens komplementär sind, werden sie auch als CDR
22 hen aus zwei identischen schweren Ketten (heavy chains; H) und (complementarity determining regions) bezeichnet. Das daraus
zwei identischen leichten Ketten (light chains, L), die über Disul- entstehende Abbild des Epitops wird auch Paratop genannt. Die
fidbrücken kovalent miteinander verbunden sind (. Abb. 5.7). framework regions bilden das Füllwerk zwischen den CDR. Detail-
23 Die leichten Ketten bestehen aus einer variablen Domäne (VL) lierte Auskünfte zur Antikörpergenetik siehe ▶ Kap. 6.
und einer konstanten Domäne (CL). Beim Menschen kommen Die Kraft, mit der ein Antikörper ein Epitop bindet, bezeich-
zwei Typen von leichten Immunglobulinketten vor: κ und λ. Die net man als Antikörperaffinität. Die gesamte Bindungsstärke, die
5.2  •  Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
77 5

.. Tab. 5.5  Immunglobuline und Fc-Rezeptoren

Zellen Rezeptor IgA1 IgA2 sIgA IgD IgE IgG1 IgG2 IgG3 IgG4 IgM

Mastzellen, Basophile, FcεRI − − − − +++ − − − − −


aktivierte Eosinophile Wirkung: Degranulierung

Makrophagen, DC, FcγRI (CD64) − − − − − ++ (+) ++ + −


aktivierte Neutrophile, Wirkung: Phagocytose, Akti-
aktivierte Eosinophile vierung, Degranulierung

Makrophagen, Neut- FcγRIIA − − − − − +++ + + (+) −


rophile, Eosinophile, (CD32)
Thrombocyten, Langer- Wirkung: Phagocytose
hans-Zellen Degranulierung

B-Zellen FcγRII-B1 − − − − − ++ (+) ++ + −


Mastzellen (CD32)
Wirkung: hemmt Zell-Akti-
vierung

Makrophagen, Neutro- FcγRII-B2 − − − − − ++ (+) ++ + −


phile, Eosinophile (CD32)
Wirkung: Aufnahme, hemmt
Zell-Aktivierung

NK-Zellen, Makrophagen, FcγRIII − − − − − ++ − ++ − −


Neutrophile, Eosinophile, (CD16)
Mastzellen Wirkung: Signal zum Töten

Makrophagen, Neutro- FcαRI ++ ++ − − − − − − − −


phile, Eosinophile (CD89)
Wirkung: Aufnahme, Signal
zum Töten

Makrophagen, B-Zellen Fcα/μP + + − − − − − − − +++


Wirkung: Aufnahme

−: keine Bindung; von (+) nach +++: Zunahme der Bindungsaffinität zwischen Fc-Rezeptor und Fc-Teil des Antikörpers

ein multivalenter Antikörper mit einem multivalenten (mehrere Klassen werden nochmals in Untergruppen gegliedert. Die Im-
Bindungsstellen) Antigen eingehen kann, heißt Avidität. Die munglobulinklassen, die auch als Isotypen bezeichnet werden,
Gesamtbindungsstärke ist dabei größer als die Summe der Ein- sind IgM, IgD, IgG, IgE, IgA. Sie unterscheiden sich hinsicht-
zelbindungen. Auch winzige Antigene, die über nur eine einzige lich ihrer Struktur und Aufgabe im Immunsystem (. Abb. 5.9;
Bindungsstelle (monovalent) verfügen, sogenannte Haptene, . Tab. 5.4) und sollen im Einzelnen kurz vorgestellt werden.
können von Antikörpern gebunden werden. Sie lösen aber keine
Immunantwort aus. Um Antikörper gegen das Hapten zu ge- IgM
nerieren, muss es an einen Carrier, zum Beispiel ein größeres IgM ist das Immunglobulin, das bei einer primären Immunant-
Protein, gebunden werden (Hapten-Carrier-Prinzip). Erkennt wort zuerst gebildet wird und eine akute Infektion anzeigt. In
ein Antikörper auf unterschiedlichen Antigenen identische oder seiner sezernierten Form stellt es ein Pentamer (teilweise He-
strukturell ähnliche Epitope, kann es zu einer Kreuzreaktion xamer) dar, in dem sich fünf IgM-Moleküle zusammenlagern
kommen. Die Bindung zwischen Antigendeterminante und An- und durch eine J(joining)-Kette stabilisiert werden, die auch
tikörper ist nicht kovalent und ist daher reversibel. Sie erfolgt von der B-Zelle produziert wird. IgM hat keine Gelenkregion,
über Van-der-Waals-Kräfte, hydrophobe Wechselwirkungen, stattdessen eine zusätzliche konstante Domäne. Jede der fünf
elektrostatische Kräfte und Wasserstoffbrücken. Untereinheiten erkennt das gleiche Epitop, bindet es aber nur
Der Stamm des Y stellt den sogenannte Fc-Teil (fragment mit geringer Affinität, da in der frühen Phase der Immunantwort
crystallizable) dar. Er ist für die Funktion des Antikörpers zu- die somatische Hypermutation und Affinitätsreifung aufgrund
ständig. Je nach Antikörperklasse aktiviert er das Komplement- einer fehlenden oder nicht voll ausgebildeten T-Zell-Hilfe noch
system, vermittelt die Phagocytose oder aktiviert die Degranu- nicht oder kaum stattgefunden hat. Aufgrund der Multivalenz
lierung von NK-Zellen, Granulocyten und Mastzellen (. Tab. 5.4 (zehn Bindungsstellen pro Pentamer) ist die Bindungsavidität
und 5.5; ▶ Exkurs 5.4). (Gesamtbindungsstärke) jedoch hoch. IgM interagiert mit sich
wiederholenden Epitopen, vor allem Polysaccharidstrukturen,
Immunglobulinklassen die auf der Oberfläche von Mikroorganismen exprimiert wer-
Antikörper werden in fünf verschiedene Klassen unterteilt, je den. Dadurch kann es zum Beispiel mehrere Bakterien gleich-
nach der Art des konstanten Teils ihrer schweren Kette. Einige zeitig binden. Die dabei entstehenden großen Immunkomplexe
78 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

Exkurs 5.3: Antigen-Antikörper-Reaktion, Präzipitation, Heidelberger-Kurve  |       | 


1
Antigene tragen in der Regel mehrere ver- eine wässrige Lösung oder in Serum mit einem immer größere Vernetzungen aus Antigen-

2 schiedene Epitope auf ihrer Oberfläche, von


denen jedes in zahlreichen Kopien vorkommt.
konstanten Antikörpergehalt zunehmende
Mengen an Antigen, bilden sich schließlich
und Antikörpermolekülen. Die Menge der
ausgefällten Immunkomplexe nimmt zu. Der
Antikörper besitzen zwei oder mehr Bindungs- Präzipitate, die nach Gewinnung durch Zen- Höhepunkt wird in der sogenannten Äquiva-
3 stellen. Sie sind damit bivalent oder multiva-
lent. Mischt man nun in einer Lösung Antigen
trifugation Rückschlüsse auf die Menge des
ausgefällten Antikörpers zulassen. Trägt man
lenzzone oder Gleichgewichtszone erreicht
(Scheitel der Kurve). Alle Antikörper und
und darauf spezifisch reagierende Antikörper die Menge des gefällten Antikörpers gegen alle Antigene sind an der Präzipitatbildung
4 in ausreichender Menge, bilden sich Vernet-
zungen zwischen den Antigenmolekülen und
die Menge des eingesetzten Antigens auf, so
erhält man eine Kurve (Heidelberger-Kurve),
beteiligt. Es kommt zur Bildung sehr großer
Antigen-Antikörper-Komplexe. Im Überstand
Antikörpermolekülen, die als sichtbare Anti- bei der sich drei Bereiche unterscheiden lassen sind keine freien Antigene, Antikörper oder
5 gen-Antikörper-Komplexe (Immunkomplexe) (. Abb. 5.8): lösliche Immunkomplexe zu finden. Im rechten
ausfallen. Je nach Größe des Antigens spricht Bei Zugabe kleiner Mengen des Antigens Teil der Kurve liegt ein Antigenüberschuss
man von einer Präzipitation (Ausfällung freier, herrscht ein Antikörperüberschuss. Unter die- vor. Es bilden sich nur kleine Immunkomplexe,
6 löslicher Teilchen) oder von Agglutination sen Umständen werden auf jedem Antigenmo- die löslich bleiben. Im Überstand findet man
(Ausfällung korpuskulärer Teilchen). Die Größe lekül alle Determinanten von den Antikörpern freies Antigen und lösliche Komplexe, aber
der sich bildenden Aggregate hängt von den besetzt, schließlich bilden sich Quervernet- keine freien Antikörper. Diese Wechselwirkung
7 Bindungsstellen (Valenzen) des Antikörpers zungen zu anderen Antigenmolekülen aus. zwischen Antigen und Antikörper war lange
und des Antigens und vom Mengenverhält- Es bilden sich Komplexe, die präzipitieren. Im Zeit Grundlage zur quantitativen Bestimmung
nis Antigen zu Antikörper ab. Die zugrunde Überstand findet man freie Antikörper, aber der Antikörperkonzentration im Serum, dient
8 liegenden Mechanismen dieser Reaktion keine freien Antigene. Mit steigender Konzen- aber auch dem Verständnis der Immunkom-
lassen sich wie folgt ermitteln: Gibt man in tration des zugefügten Antigens, entstehen plexbildung im Körper.

9
10 Antikörper-
überschuss
Gleich-
gewicht
Antigen-
überschuss
.. Abb. 5.8  Bildung von Immunkomplexen in Abhängigkeit von der
Menge des zugefügten Antigens bei konstanter Antikörperkonzentration.
Da Antikörper mindestens bivalent sind und Antigene in der Regel über

11 mehrere Epitope verfügen, an die die Antikörper binden können, kommt es


bei Mischung ausreichender Mengen von Antigen und Antikörper zur Quer-
vernetzung zwischen den Antigen- und Antikörpermolekülen: Es bilden sich
12 Präzipitate. Gibt man steigende Antigenkonzentrationen zu einer Lösung
mit konstanter Antikörperkonzentration und trägt die Menge der gefällten
Immunkomplexe gegen die zugegebene Menge an Antigen auf, bekommt
13
Menge der gefällten Immunkomplexe

man eine charakteristische Kurve, die Heidelberger-Kurve, die sich in drei


Bereiche unterteilen lässt: Antikörperüberschuss (an jedes Antigenmolekül
binden mehrere Antikörper, schließlich kommt es zu Quervernetzungen),
14 Gleichgewichtszone (große Immunkomplexe, alle Antigen- und Antikörper-
moleküle sind an der Präzipitatbildung beteiligt) und Antigenüberschuss (es
bilden sich nur kleine Immunkomplexe, die löslich bleiben). (Verändert nach
15 Murphy, Travers und Walport.)

16
17 Menge des zugefügten Antigens

18 aktivieren sehr gut den klassischen Weg des Komplementsys- IgG


tems. Bereits ein IgM-Molekül kann die Aktivierung des Kom- IgG wird erst in der Spätphase einer Primärantwort gebildet
19 plementsystems anstoßen (▶ Kap. 3). IgM wird als Monomer und ist das typische Immunglobulin der Sekundärantwort (wie-
auf der Oberfläche von naiven B-Zellen exprimiert und fungiert derholter Kontakt mit dem gleichen Antigen) mit einer langen
20 dort als BCR. Die natürlichen Antikörper im Blut, die gegen Halbwertszeit (21 Tage, Ausnahme IgG3 mit 7 Tagen). Mit unge-
die Blutgruppenantigene A und B gerichtet sind, gehören zur fähr 75 % bildet es den Hauptimmunglobulinanteil im Serum.
Klasse IgM. Der Nachweis von IgG im Serum weist auf eine überstandene
21 Infektion oder eine Impfung hin. IgG ist ein Monomer mit Ge-
IgD lenkregion und besteht aus drei konstanten Domänen. Es kommt
22 IgD befindet sich zusammen mit IgM auf der Oberfläche naiver auch in der extrazellulären Flüssigkeit vor. Die Affinität, mit der
B-Zellen, kommt als Monomer in sehr geringen Mengen auch IgG-Antikörper ihre Antigene binden, ist höher als bei IgM, die
in der sezernierten Form im Blut vor (unter 1 % der gesamten Avidität dagegen geringer. IgG-Antikörper aktivieren ebenfalls
23 Immunglobuline im Serum). Seine genaue Funktion ist nicht den klassischen Komplementweg, doch bedarf es mindestens
bekannt, zumal es keinen Rezeptor für IgD gibt, ihm wird aber zweier IgG-Moleküle auf der Antigenoberfläche, um die Kom-
eine Rolle bei der B-Zell-Reifung zugeschrieben. plementkaskade in Gang zu setzen. Beim Menschen existieren
5.2  •  Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
79 5

IgG1 IgG2 IgG3 IgG4

VL VH

CL Cγ 31

VL VH VL VH VL VH

CL Cγ11 CL Cγ21 CL Cγ 41

Gelenk- Disulfid-
region brücke
C γ 12 Cγ 22 Cγ 32 C γ 42

Cγ 1 3 Cγ 23 Cγ 33 Cγ 43

IgD IgA1 IgE

VL VH VL VH

VL VH
CL Cδ 1 CL Cα 1

CL Cε 1

Kohlen- Cε 2
hydratrest

Cδ 2 Cα 2 Cε 3

Cδ 3 Cα 3 Cε 4

sekretorisches IgA (sIgA) IgM

VH VL
VH VL

Cµ 1 CL
Cα 1 CL

Cµ 2

Cµ 3

Cα 2 Cµ 4

Cα 3
sekretorische
Komponente
J-Kette
J-Kette

.. Abb. 5.9  Immunglobulinklassen. Immunglobuline werden in fünf verschiedene Klassen (IgM, IgD, IgG, IgE, IgA) unterteilt, je nach der Art des konstanten
Teils ihrer schweren Kette. Die schweren Ketten werden je nach Immunglobulinklasse (Isotyp) als μ- (IgM), δ- (IgD), γ- (IgG), α- (IgA) oder ε-Ketten (IgE) bezeich-
net. Einige Isotypen sind in Unterklassen gegliedert. So gibt es beim Menschen vier IgG-Unterklassen (IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4) und zwei IgA-Unterklassen
(IgA1 und IgA2). IgA2 ist nicht im Bild dargestellt. Die schweren Ketten der verschiedenen Isotypen unterscheiden sich hinsichtlich der Glykosylierung, der An-
zahl und Lage der die Ketten verbindenden Disulfidbrücken und dem Fehlen oder Vorhandensein einer Gelenkregion. IgM und IgE haben keine Gelenkregion,
stattdessen eine zusätzliche konstante Domäne in jeder schweren Kette (CH4). IgG3 hat durch die sehr lange Gelenkregion eine kürzere Halbwertszeit, ist aber
sehr flexibel. Neutralisierende Antikörper (z. B. gegen Toxine) sind häufig von diesem Typ. (Verändert nach Roitt, Brostoff und Male.)
80 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

kommt in geringer Konzentration im Serum vor. Dimeres IgA ist


1 dimeres IgA freigesetztes
IgA (Dimer) dagegen das vorherrschende Immunglobulin der Körpersekrete
und ist in der Tränenflüssigkeit, im Speichel, in Bronchial- und
Poly-Ig-
2 Rezeptor Urogenitalsekreten, auf der Darmschleimhaut und in der Mutter-
milch zu finden. Hier stellt es einen effektiven Schutz vor Mikro­
organismen und deren Produkten (Toxine) dar, die den Körper
3 vorwiegend über die Schleimhäute befallen. Die in Schleimhäu-
sekretorische
Komponente ten lokalisierten Plasmazellen produzieren IgA in seiner dimeren
4 Form. Dabei handelt es sich um zwei IgA-Moleküle, die über
eine J(joining)-Kette (wie beim IgM) verbunden sind. Die dimere
5 Form ist notwendig für den Transport durch die Schleimhaut­
epithelien zur inneren Körperoberfläche (. Abb. 5.10). Der
Lumen Lumen Transport erfolgt mithilfe eines Poly-Immunglobulinrezeptors,
6 abgewandte zugewandte der an der Basis der Epithelien lokalisiert ist. Er bindet das
Seite des Seite des
Epithels Epithels IgA-Dimer. Der Komplex aus Rezeptor und Dimer wird in ein
7 Vesikel aufgenommen und durch die Epithelzelle auf die innere
Oberfläche transportiert. Hier wird der extrazelluläre Teil des
.. Abb. 5.10  Transport des IgA-Dimers durch Epithelien. IgA ist der vorherr-
Rezeptors, die sogenannte sekretorische Komponente, durch
8 schende Schleimhautantikörper. Auf Schleimhäuten lokalisierte Plasmazellen
Enzyme abgespalten. Sie bleibt mit dem freigesetzten IgA-Mo-
sezernieren IgA als Dimer. Um auf sein spezifisches Antigen treffen zu können,
muss das Dimer durch die Epithelien auf die Oberfläche der Schleimhaut lekül verbunden und schützt es vor Proteasen. IgA blockiert die
9 transportiert werden (Transcytose). Der Transport erfolgt mithilfe eines Wechselwirkung von Mikroorganismen und Toxinen mit der
Poly-Immunglobulinrezeptors (Poly-Ig-Rezeptor), der auf der dem Lumen ab- Schleimhaut und verhindert dadurch einen Befall der Körpers.
gewandten Seite der Epithelien lokalisiert ist. Der Komplex aus Rezeptor und
10 Dimer wird in ein Vesikel aufgenommen und durch die Epithelzelle transpor-
Beim Menschen sind zwei Subklassen bekannt: IgA1 und IgA2.
tiert. Auf der luminalen Oberfläche wird der Poly-Ig-Rezeptor durch Enzyme Bei komplementaktivierenden Antikörpern (IgM, IgG3,
IgG1) befinden sich oberhalb des Kreuzungspunktes der beiden
11 gespalten. Ein Teil des Rezeptors, die sogenannte sekretorische Komponente,
bleibt mit dem freigesetzten IgA-Molekül verbunden. Die sekretorische schweren Ketten keine Disulfidbrücken und keine oder nur eine
Komponente schützt IgA vor Proteasen, trägt aber auch Kohlenhydrate, die an geringe Glykosylierung. Grundsätzlich können alle Immunglo-
12 Bestandteile im Schleim binden und IgA dadurch auf den Epithelien fixieren.
(Verändert nach Roitt, Brostoff und Male.)
buline als BCR auf B-Zellen vorkommen. Sie werden immer als
Monomere auf der Oberfläche exprimiert. Sezerniert tritt IgM als
Pentamer (teilweise als Hexamer) und IgA als Monomer oder Di-
13 mehrere Subklassen, die auch als Allotypen bezeichnet werden: mer auf. Die fünf IgM-Moleküle beziehungsweise die als Dimer
IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4, die überlappende bis unterschiedliche vorliegenden IgA-Moleküle werden durch eine J(joining)-Kette
14 Funktionen im Immunsystem haben. IgG-Moleküle sind beim stabilisiert. Die sekretorische Komponente des IgA-Dimers wird
Menschen plazentagängig und verleihen dem Neugeborenen für nicht von den Plasmazellen sezerniert, sondern ist ein Teil des
15 die ersten Lebenswochen eine Immunität. IgG-Antikörper sind Poly-Immunglobulinrezeptors.
aber auch für die Folgen verantwortlich, die bei der Rhesus-In-
kompatibilität zwischen Mutter und Kind auftreten (▶ Kap. 7). Immunglobuline vermitteln ihre Wirkung
16 über Fc-Rezeptoren
IgE Antikörper neutralisieren Viren und Toxine und opsonisieren
17 IgE ist der Antikörper, der im Kampf gegen mehrzellige Parasi- Bakterien. Doch das reicht nicht, um die Pathogene unschädlich
ten wie Würmer eingesetzt wird. In Industrieländern, in denen zu machen. Es bedarf weiterer Abwehrmechanismen, um die Er-
Wurmerkrankungen nur selten oder gar nicht mehr vorkommen, reger zu eliminieren und aus der Zirkulation zu entfernen. Eine
18 vermittelt IgE allergische Reaktionen vom Soforttyp. Außer bei Möglichkeit ist die Aktivierung des Komplementsystems durch
Allergikern ist die Konzentration von IgE im Serum gering. Es Antikörper, die Antigene gebunden haben (▶ Kap. 3). Ein ande-
19 ist das einzige Immunglobulin, das im Gewebe an der Oberfläche rer Mechanismus umfasst Immunzellen, die sogenannte Fc-Re-
von Zellen gebunden wird, ohne als Immunkomplex vorzuliegen. zeptoren auf ihrer Oberfläche exprimieren (. Tab. 5.5). Für die
20 IgE bindet mit seinem Fc-Teil an die hochaffinen IgE-Rezepto- unterschiedlichen Immunglobulinisotypen gibt es verschiedene
ren auf basophilen Granulocyten, Mastzellen und aktivierten Fc-Rezeptoren. Sie binden Antigen-Antikörper-Komplexe über
eosinophilen Granulocyten. Führt die Bindung eines Antigens die Fc-Teile der Antikörper. Da Immunkomplexe viele Antikör-
21 zur Quervernetzung der zellgebundenen Antikörper, kommt es per enthalten, interagieren mehrere Antikörper mit mehreren
zur Degranulierung der Zellen. Wie IgM hat auch IgE statt einer Fc-Rezeptoren auf einer Immunzelle. Dies führt zu einer Quer-
22 Gelenkregion eine zusätzliche konstante Domäne. vernetzung der Fc-Rezeptoren, was die Aktivierung der Immun-
zelle bewirkt. Eine Ausnahme bildet IgE, das ohne vorherige An-
IgA tigenbindung mit dem Fcε-Rezeptor interagiert. Darauf beruht
23 Sezerniertes IgA kann in zwei Formen vorkommen, als Mono- die Allergie vom Soforttyp: Das Allergen interagiert mit IgE-An-
mer oder als Dimer. In Spuren vorkommende Tri- oder Tetra- tikörpern, die bereits über Fcε-Rezeptoren auf der Oberfläche der
mere sind fehlgebildete Komplexe. Die monomere Form des IgA Mastzelle gebunden sind. Die Mastzellen degranulieren, sobald
5.3  •  Effektorzellen der adaptiven Immunantwort bekämpfen Pathogene im Gewebe
81 5

Exkurs 5.4: Enzymatische Spaltung eines Immunglobulins  |       | 


Im Labor kann das Immunglobulinmolekül stelle (variable Region). Das sind die beiden dieser Enzyme wurden die Struktur und die
durch Enzyme gespalten werden (. Abb. 5.11). Fab-Fragmente (fragment antigen binding). Funktion von einzelnen Antikörperfragmen-
Eines dieser Enzyme ist Papain, das in der Das dritte Fragment ist der Fc-Teil (fragment ten untersucht. Mittlerweile kann man auch
Natur in der grünen Schale der Papayafrucht crystallizable) und enthält die konstanten Re- gentechnisch Antikörperfragmente herstellen,
vorkommt. Das Enzym, eine Protease, wird gionen. Ein weiteres proteinspaltendes Enzym sogenannte Fv-Fragmente (fragment variable).
benutzt, um Immunglobuline in Fragmente ist Pepsin, ein Verdauungsenzym, das auch im Sie stellen die kleinste Einheit eines Immun­
zu zerlegen. Es spaltet das Molekül oberhalb Magen des Menschen vorkommt. Es spaltet globulins dar und bestehen aus einer mit
der Disulfidbrücke der Gelenkregion. Dabei das Immunglobulin unterhalb der Disulfidbrü- einem Peptid stabilisierten Antigenbindungs-
entstehen drei Fragmente: Zwei Fragmente cke der Gelenkregion. Das Ergebnis sind ein stelle. Man hofft, Fv-Fragmente, gekoppelt an
entsprechen den Armen des Y-Moleküls und zusammenhängendes F(ab′)2-Fragment und Medikamente, gegen Tumore einsetzen zu
enthalten jeweils eine Antigenbindungs- mehrere kleine Fc-Fragmentstücke. Mithilfe können.

.. Abb. 5.11  Enzymatische Spaltung von IgG-Spaltung mit Papain IgG-Spaltung mit Pepsin
humanem IgG1. Die Protease Papain spaltet
das Immunglobulin IgG1 oberhalb der Disulfid­
brücke der Gelenkregion in drei Fragmente: zwei
Fab-Fragmente und ein Fc-Fragment. Fab hat nur Fv
eine Bindungsstelle und kann deshalb nur noch Fab F(ab')2
blockieren, die übrigen Antikörperfunktionen aber
nicht mehr wahrnehmen. Die Protease Pepsin spal-
tet das Immunglobulin unterhalb der Disulfidbrü-
cke der Gelenkregion in ein F(ab′)2-Fragment und
IgG
mehrere kleine Fc-Fragmentstücke. Das größte unter
ihnen nennt man pFc′-Fragment. F(ab′)2 hat zwei
Papain
Bindungsstellen. Es kann deshalb kreuzvernetzen
bzw. präzipitieren und agglutinieren. Gentechnisch Fc-Fragment-
Pepsin
hergestellte Fv-Fragmente bestehen nur aus einer stücke
stabilisierten Antigenbindungsstelle. (Verändert
nach Roitt, Brostoff und Male.) Fc
sekundäre
Spaltstellen pFc'

das Allergen die IgE-Antikörper quervernetzt. Für IgD gibt es möglich, weil die Effektorzellen im Verlauf ihrer Differenzierung
keine Fc-Rezeptoren. Über die Bindung an ihre Fc-Rezeptoren das Expressionsmuster der Adhäsionsmoleküle und Chemokin-
vermitteln die Antikörper ihre Effektorfunktionen wie Degra- rezeptoren auf ihrer Oberfläche ändern. Sie können jetzt, gelei-
nulierung von Mastzellen, NK-Zellen, eosinophilen, basophilen tet durch die entzündungsspezifische Expression von vaskulären
und (bei nicht phagocytierbaren Erregern) neutrophilen Gra- Adhäsionsmolekülen und Chemokinen, dorthin gelangen, wo sie
nulocyten, Phagocytose von Immunkomplexen und intrazel- gebraucht werden. Die Veränderungen des Endothels der lokalen
luläre Abtötung der Erreger durch neutrophile Granulocyten, Blutgefäße in Entzündungsgebieten beruhen auf den von Granu-
Makrophagen und dendritische Zellen und Aktivierung oder locyten, Makrophagen und anderen Immunzellen freigesetzten
Hemmung von Immunzellen. Cytokinen und Chemokinen. Wie reguliert das Homing der Ef-
fektorlymphocyten abläuft, zeigt . Tab. 5.6, wo aus Gründen der
Übersicht nur die Veränderungen der Adhäsionsmoleküle auf
5.3 Effektorzellen der adaptiven der Oberfläche von Effektorlymphocyten im Vergleich zu naiven
Immunantwort bekämpfen Pathogene Lymphocyten dargestellt sind. Die molekularen Mechanismen
im Gewebe der Extravasation sind in ▶ Kap. 7 beschrieben.

Die Rekrutierung von Effektorlymphocyten


ins Gewebe Die Abwehr von Bakterien und Viren

Adaptive Immunantworten werden bei einer Primärinfektion T-Helferzellen


nur in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst. Be- Zuerst erscheinen TH-17-Zellen im infizierten Gewebe, denn
kämpft werden die Erreger aber am Ort der Infektion. Die gebil- sie sind die ersten T-Effektorzellen, die im Rahmen einer pri-
deten Effektorzellen verlassen das lymphatische Gewebe über die mären Immunantwort generiert werden. Sie sezernieren hohe
efferenten Lymphgefäße, gelangen über den Ductus thoracicus Mengen an IL-17, IL-21, IL-22 und IL-26. IL-17 und IL-21 re-
ins Blut und wandern von dort an den Infektionsort. Dies ist gen Epithelzellen, Bindegewebszellen und Immunzellen an, wei-
82 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

1 .. Tab. 5.6  Das Homing von naiven und Effektorlymphocyten

 Lymphocyt Zielgewebe Adhäsionsmoleküle auf den Liganden auf der Oberfläche der Lymphocyten
2 Endothelzellen der HEV Kontakt – Rollen – Bindung – Diapedese

naive B- und T-Zellen Peyer-Plaques MAdCAM-1-CHO L-Selektin

3 der Mucosa MAdCAM-1


ICAMs
α4:β7
LFA-1

Effektorlymphocyten Lamina propria der Schleimhaut MAdCAM-1 α4:β7


4 Gedächtniszellen ICAMs LFA-1

naive B- und T-Zellen periphere Lymphknoten PNAd L-Selektin


5 ICAMs LFA-1

Effektorlymphocyten Haut E-Selektin CLA


6 Gedächtniszellen VCAM-1
ICAMs
α4:β1
LFA-1

7 CHO: Kohlenhydratrest
Naive T- und B-Zellen (fette Schrift), die in die peripheren Lymphknoten wandern, exprimieren sehr stark das Adhäsionsmolekül L-Selektin auf ihrer
Oberfläche. Sie sind dadurch in der Lage, mit ihrem Liganden, dem peripheren Lymphknoten-Addressin (peripheral lymph node addressin; PNAd),
8 zu interagieren. PNAd wird als vaskuläres Addressin auf den HEV der peripheren Lymphknoten exprimiert. Die naiven Lymphocyten rollen über die
Gefäßwand und werden langsamer. Sie können jetzt durch Chemokine, die auf der Oberfläche der HEV immobilisiert vorliegen, aktiviert werden. Dies
führt zu einer Konformationsänderung des Integrins LFA-1 auf der Oberfläche der Lymphocyten, die jetzt an ICAMs binden. Naive Lymphocyten (fette
9 Schrift), die in die lymphatischen Gewebe der Dünndarm-Mucosa (Peyer-Plaques) wandern, exprimieren auf ihrer Oberfläche L-Selektin nur schwach.
Sie binden über L-Selektin an Zuckerketten, die das vaskuläre Addressin MAdCAM-1 modifizieren. Diese Interaktion leitet das Rollen ein. Abgebremst
werden die naiven Lymphocyten durch das Integrin α4:β7, das direkt an MAdCAM-1 auf den Endothelzellen bindet. Nach Aktivierung durch Chemo-
10 kine kommt es auch hier zu einer aktivierungsabhängigen Bindung an das Endothel, die über α4:β7-Integrin/MAdCAM-1- und LFA-1/ICAM-1-Interak-
tionen erfolgt. Die naiven Lymphocyten können jetzt zwischen den Endothelzellen in das unterliegende Gewebe wandern. Effektorzellen (magere
Schrift) haben ein anderes Expressionsmuster an Adhäsionsmolekülen und Chemokinrezeptoren. Effektorlymphocyten, die nach Antigenkontakt in
11 den Lymphkoten entstanden sind, verlieren L-Selektin und exprimieren stattdessen das cutane lymphocytenassoziierte Antigen (cutane lymphocyte
antigen; CLA) und α4:β1-Integrin. Diese Adhäsionsmoleküle interagieren mit vaskulärem E-Selektin und VCAM-1, die im Rahmen von Entzündungen
auf Endothelzellen der Haut exprimiert werden. Dadurch sind die Zellen in der Lage, in die infizierte Haut einzuwandern. Effektorzellen, die in den
12 Peyer-Plaques generiert wurden, exprimieren kein L-Selektin mehr, regulieren aber α4:β7-Integrin hoch. α4:β7-Integrin interagiert mit MAdCAM-1 der
Lamina propria und ermöglicht es den Zellen, direkt in die infizierte Schleimhaut einzuwandern. (Verändert nach Butcher et al.)

13
tere Chemokine, Cytokine und Wachstumsfaktoren abzugeben. Im Gewebe suchen die T-Helfer-Effektorzellen ihre Zielzel-
14 Diese steigern die Produktion von Leukocyten des angeborenen len, die antigenpräsentierenden Zellen (APC), auf. Dies erfolgt
Immunsystems im Knochenmark und rekrutieren sie zum Ent- mithilfe von lokalen entzündungsspezifischen Chemokinen. Der
15 zündungsort. IL-22 und IL-26 wirken ausschließlich auf Gewe- erste Kontakt mit den APC erfolgt wieder über Adhäsionsmole-
bezellen, vor allem der äußeren Körperbarriere (Haut, Niere, küle, von denen die Effektorzellen jedoch wesentlich mehr expri-
Verdauungs- und Respirationstrakt). Vor allem IL-22 fördert die mieren als naive T-Zellen. Das ermöglicht ihnen auch mit Zellen
16 Abwehr von Mikroorganismen, den Schutz vor Gewebezerstö- zu interagieren, die arm an kontaktaufnehmenden Molekülen
rung, die Reorganisation des Gewebes und die Enddifferenzie- sind. Nach Erkennung des präsentierten Antigens auf den APC
17 rung von Keratinocyten (. Abb. 5.12). kommt es zur Ausbildung einer immunologischen Synapse und
Den TH17-Zellen folgen im weiteren Verlauf der Immunre- zur Freisetzung von Cytokinen. Weitere Signale werden nicht
aktion die anderen T-Effektor-Subpopulationen und noch etwas mehr benötigt. Cytokine sind die Waffen der T-Helferzellen.
18 später die Plasmazellen. Wenn es sich um Infektionen mit Vi- Mit ihrer Hilfe steuern und koordinieren sie die Immunantwort.
ren, intrazellulär lebenden Bakterien oder Einzellern handelt, Cytokine wirken unmittelbar dort, wo sie gebildet werden, und
19 sind es vornehmlich TH1-Zellen, cytotoxische T-Zellen und aktivieren andere Immunzellen. Sie wirken aber auch über weite
IgG-produzierende Plasmazellen. Bei Infektionen mit großen Entfernungen, sogar bis ins Knochenmark und steigern dort den
20 Parasiten wie zum Beispiel Würmern oder bei allergischen Re- Nachschub an Leukocyten.
aktionen dominieren TH2-Zellen und Plasmazellen, die einen TH1-Zellen sezernieren eine Reihe von Cytokinen, die für
Isotypwechsel zu IgG, IgA, vor allem aber zu IgE durchlaufen die Koordination der zellvermittelten Immunantwort essenziell
21 haben. Einige T-Effektorzellen verbleiben im lymphatischen sind, wie IFN-γ, IL-2, IL-3, TNF-α und GM-CSF. Das wichtigste
Gewebe, um die B-Zell-Differenzierung voranzutreiben. Dies Cytokin ist IFN-γ. Es steigert zusammen mit IL-2 oder in Syn­
22 gilt auch für einige der Plasmazellen, die in den peripheren ergismus mit TNF-α die Cytoxizität von CD8+-T-Zellen und
lymphatischen Organen Antikörper sezernieren, die dann über NK-Zellen und veranlasst diese Leukocyten, selbst Cytokine wie
die efferente Lymphe ins Blut gelangen. Eine Subpopulation von IFN-γ, TNF-α und im Fall der CD8+-Zellen auch IL-17 abzuge-
23 Plasmazellen wandert ins Knochenmark, wo sie sich unter dem ben. IFN-γ führt zu einer verstärkten Expression von MHC-Klas-
Einfluss des Mikromilieus des Knochenmarks zu langlebigen se-I-Molekülen auf virusinfizierten Zellen und fördert somit ihre
Plasmazellen differenzieren. Abtötung durch cytotoxische T-Zellen. IFN-γ steigert die Ex-
5.3  •  Effektorzellen der adaptiven Immunantwort bekämpfen Pathogene im Gewebe
83 5

pression von costimulierenden Molekülen auf Makrophagen und


dendritischen Zellen, die von intrazellulär lebenden Bakterien DC
IL-23
und anderen Parasiten befallen sind. Dadurch gelangen Signale TH17
effektiver in die Zelle, die wiederum eine vermehrte Abtötung
der intrazellulären Parasiten veranlassen (▶ Kap. 3). Außerdem IL-22, sezernierte
löst IFN-γ die Expression von MHC-Klasse-II-Molekülen auch IL-26 Cytokine:
auf nichtprofessionell antigenpräsentierenden Zellen aus, z. B. IL-17, IL-21
Endothelzellen. IL-2 aktiviert Lymphocyten und steigert die
Vermehrung und Cytokinproduktion von Immunzellen. TNF-α
induziert in infizierten Zellen oder Tumorzellen Apoptose. Frei-
gesetzte Wachstumsfaktoren wie IL-3 und GM-CSF, aber auch
das Cytokin IL-17 verstärken die Produktion, Rekrutierung und
Aktivierung von Phagocyten. Epithelzellen, Fibroblasten Makrophage
Die von den Plasmazellen freigesetzten IgG-Antikörper
markieren und opsonisieren Bakterien, die durch die Ausbil-
dung von Schleimhüllen oder Kapseln schwer zugänglich sind. proinflammatorische Cytokine (z.B. IL-1ß, IL-6),
Defensine, Chemokine (CXCL8, CXCL1, CXCL10)
Sie neutralisieren Gifte und freie Viren in der extrazellulären
Flüssigkeit und verhindern dadurch einen Befall von gesunden
Mobilisierung aus dem Knochenmark,
Zellen. Über Fc-Rezeptoren auf Phagocyten können diese „ta- Rekrutierung, Aktivierung
felfertigen“ Immunkomplexe aus Antikörper und Antigenen
phagocytiert werden. Mehrere IgG-Antikörper auf der Oberflä-
che von Bakterien aktivieren den klassischen Komplementweg
und verstärken die Opsonisierung der Bakterien durch Abla-
gerungen von Komplementkomponenten. Dies ist wichtig für
Immunkomplexe, die nur wenig IgG-Moleküle enthalten und neutrophiler Makrophage
Granulocyt
deswegen nicht über Fc-Rezeptoren phagocytiert werden kön-
nen (. Tab. 5.5; . Abb. 5.13).
.. Abb. 5.12  TH17-Zellen: Abwehr extrazellulärer Bakterien und Pilze.
Cytotoxische T-Zellen töten ihre Zielzellen, TH17-Zellen sind die ersten T-Effektorzellen, die in einer primären Immun-
antwort gebildet werden und am Infektionsort erscheinen. Angeregt durch
indem sie den programmierten Zelltod auslösen IL-23, das von DC vor Ort gebildet wird, produzieren sie große Mengen
Cytotoxische CD8+-T-Zellen töten virusinfizierte Zellen und an IL-17 und IL-21, die wiederum Epithelzellen, Bindegewebszellen und
Tumorzellen, in dem sie in ihnen den programmierten Zelltod Immunzellen anregen, weitere Chemokine, Cytokine und Wachstumsfaktoren
(Apoptose) induzieren (. Abb. 5.13). Die Abtötung erfolgt dabei abzugeben. Diese steigern die Produktion, Rekrutierung und Aktivierung von
Phagocyten, vor allem von Granulocyten. IL-22 und IL-26 wirken ausschließ-
in mehreren Schritten. Der erste Schritt ist die Kontaktaufnahme
lich auf Gewebezellen, sind antimikrobiell und dienen der Reorganisation des
durch Adhäsionsmoleküle. Dadurch kommen sich die Zellen Gewebes nach Verletzungen und Infektionen
nahe und die T-Zellen können mit ihrem TCR überprüfen, ob sie
das vom MHC-Klasse-I-Molekül dargebotene Peptid erkennen.
Erfolgt eine Bindung, bildet sich eine immunologische Synapse Die Abwehr von mehrzelligen Parasiten
aus. Es werden jetzt von der cytotoxischen T-Zelle cytotoxische
Granula freigesetzt, die zielgerichtet und schnell auf die infi- TH2-Zellen beherrschen Immunreaktionen gegen mehrzellige
zierte Zelle einwirken. Die immunologische Synapse zwischen Parasiten, wie Würmer (Helminthen) (. Abb. 5.14). Diese Pa-
den cytotoxischen T-Zellen und ihren Zielzellen ist von großer thogene sind zu groß, um phagocytiert zu werden. Sie können
Bedeutung, da die freigesetzten hochtoxischen Proteine in den nur zerstört werden, wenn ihre äußere Körperwand durch toxi-
infizierten Zielzellen Apoptose auslösen sollen, gesundes Gewebe sche Produkte von degranulierenden Mastzellen, eosinophilen
aber nicht treffen dürfen. Die Granula enthalten ein Gemisch von und basophilen Granulocyten beschädigt wird. Die wichtigsten,
Perforin, Granzymen und Granulysin. Der Mechanismus, über von TH2-Zellen freigesetzten Cytokine sind IL-3, IL-4, IL-5,
den diese Proteine Apoptose erzeugen, gleicht dem der NK-Zel- IL-6, IL-9, IL-10, IL-13 und GM-CSF. IL-3, IL-5 und GM-CSF
len und wird detailliert in ▶ Kap. 3 beschrieben. Ein weiterer wirken im Knochenmark auf Vorläuferzellen von eosinophilen
Mechanismus der cytotoxischen T-Zellen, um in den Zielzellen und basophilen Zellen ein und erhöhen deren Produktion. IL-10
Apoptose einzuleiten, erfolgt über die Interaktion von FasL auf fördert die Vermehrung und Differenzierung von B-Zellen, IL-13
der T-Zelle und Fas auf der Zielzelle. Cytotoxische T-Zellen ge- und IL-4 bewirken in B-Zellen den Klassenwechsel zu IgE oder
hen bei dem Angriff selbst nicht zugrunde. Vielmehr lösen sie IgA. Sezerniertes IgE oder IgE-produzierende Plasmazellen ge-
nach getaner Arbeit ihren Kontakt zur Zielzelle, wenden sich langen über Lymphe und Blut ins Gewebe. Das dort freigesetzte
benachbarten Zellen zu und überprüfen diese auf Präsentation IgE bindet an hochaffine Rezeptoren auf Mastzellen, Basophilen
von Fremd-Antigenen. Das ist sinnvoll, da bei einer Virusinfek- und aktivierten Eosinophilen. Durch die spezifische Bindung an
tion oder einem Tumor meist mehrere Zellen eines Zellverbandes große Parasiten kommt es zur Quervernetzung der rezeptorge-
betroffen sind. bundenen IgE-Moleküle und zur Freisetzung der intrazellulären
84 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

1 DC
IL-22 Gewebezellen der äußeren Körperbarriere

2 IL-12 Abwehr von Mikroorganismen,


Reorganisation des Gewebes,
TH 1 Differenzierung der Keratinocyten

3
IFN-γ, aktivierte
4 IL-2, IL-3, Lymphotoxin, GM-CSF, Chemokine B-Zelle

5
CTL NK-Zelle
6 Cytokine, Granulocyt Plasmazelle
Cytokine, Cytokine, Chemokine,
IFN-γ, IL-17 IFN-γ und andere
7 Faktoren
Chemokine

Tod: Tod:
8 Granula,
FAS/FASL
Granula,
FAS/FASL
Makrophage Granulocyt IgG
9 Tötung virusinfizierter Zellen aktivierter Makrophage zer- verstärkte Phagocytose Opsonisierung,
und Tumorzellen durch stört intrazelluläre Parasiten von Immunkomplexen Komplement-
10 Induktion der Apoptose (Viren, Bakterien) und Bakterien aktivierung

.. Abb. 5.13  TH1-Zellen: Koordination der zellvermittelten Immunantwort gegen intrazelluläre Pathogene. TH1-Zellen steuern die Immunantwort gegen in-
11 trazellulär lebende Viren und Bakterien, z. B. Mycobacterium tuberculosis. Das wichtigste von ihnen freigesetzte Cytokin ist IFN-γ. Es regt zusammen mit anderen
von der TH1-Zelle gebildeten Cytokinen CD8+-T-Zellen (CTL) und NK-Zellen zur gesteigerten Cytotoxizität und Cytokinproduktion an, ermöglicht Makrophagen
die Abtötung von intrazellulären Bakterien, verstärkt bei Granulocyten die Phagocytose von Immunkomplexen und aktiviert antigenspezifische B-Zellen zum
12 Klassenwechsel nach IgG

13 Granula. IgA gelangt mithilfe von Transportproteinen durch werden. Die verschiedenen Chemokine wirken jeweils auf andere
die Epithelzellen auf die Oberfläche der Mucosa und verhindert Immunzellen und verstärken entweder die TH1-vermittelte oder
14 durch die Bindung der Erreger deren Zutritt in den Körper. IL-4 TH2-vermittelte Immunantwort. Auch Hormone modulieren Im-
fördert aber auch die Generierung weiterer TH2-Zellen in den munreaktionen, worauf in ▶ Kap. 15 genauer eingegangen wird.
15 peripheren lymphatischen Organen. IL-9 und IL-13 aktivieren
die Epithelzellen der Schleimhäute zur Chemokinproduktion
und zur vermehrten Schleimproduktion. Die Chemokine lo- 5.4 Die Beendigung der Immunreaktion
16 cken weitere TH2-Zellen und Eosinophile an. Auch Mastzellen,
eosinophile und basophile Granulocyten setzen Cytokine und Fast alle Infektionen werden schließlich vom adaptiven Immun-
17 Wachstumsfaktoren frei, die den Effekt verstärken. Sie führen system beseitigt. Nach Beendigung der Infektion gehen die meis-
auch zu einer weiteren Aktivierung der TH2-Zellen. ten pathogenspezifischen Effektorzellen zugrunde. Wie dies im
Einzelnen geschieht und welche Mechanismen dabei ablaufen, ist
18 bis jetzt weitgehend unbekannt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass
Die Subpopulationen der T-Helferzellen fehlende Überlebenssignale eine wichtige Rolle spielen. Sind alle
19 beeinflussen sich gegenseitig Pathogene eliminiert, bekommen die Effektorzellen des angebo-
renen und adaptiven Immunsystems keine Reize mehr. Die Cy-
20 Immunreaktionen sind komplex und die daran beteiligten Im- tokin- und Chemokinproduktion wird eingestellt. Eine zentrale
munzellen und deren Produkte beeinflussen sich und verstärken Rolle in diesem Prozess spielen die sogenannten SOCS-Proteine
die Polarisierung der Immunantwort. So blockieren die TH1- und (suppressors of cytokine signaling), die cytokininduzierte Sig­nal­
21 TH2-Cytokine die Bildung von TH17-Zellen. TH2-Zellen unter- transduktionswege blockieren. Es werden keine neuen Effektor-
drücken über IL-4 und IL-10 die TH1-Antwort, während IFN-γ zellen mehr gebildet, rekrutiert und aktiviert. Effektorlymphocy-
22 die TH2-Antwort supprimiert. IL-21 und IL-6 (beim Menschen ten exprimieren im Verlauf einer Immunreaktion vermehrt das
zusätzlich IL-1β), die zusammen mit TGF-β für die Differenzie- inhibitorische Molekül CTLA-4, wodurch ihre Vermehrung und
rung von TH-17-Zellen verantwortlich sind, hemmen die Bildung Cytokinfreisetzung gestoppt, zumindest aber herunterreguliert
23 von iTreg (▶ Kap. 7). Chemokine unterstützen diesen Prozess. wird. Finden T-Effektorzellen am Ende einer Immunantwort
Werden Makrophagen durch IFN-γ aktiviert, produzieren sie keine MHC-Molekül-Peptid-Komplexe mehr, an die sie binden
ein anderes Chemokinmuster, als wenn sie durch IL-4 stimuliert können, treten sie aufgrund ausbleibender Signale in die Apop-
5.5  •  Das immunologische Gedächtnis und die sekundäre Immunantwort
85 5

Gewebezellen der äußeren Körperbarriere


Reorganisation des Gewebes

IL-13
IL-4, IL-5

TH2

IL-4,
IL-3, IL-5, IL-6, IL-9, IL-10, IL-13, GM-CSF, Chemokine aktivierte
B-Zelle

Mastzelle eosinophiler basophiler Plasmazelle


Wachstum, Granulocyt Granulocyt
Entwicklung, Mobilisierung, Mobilisierung,
Aktivierung Rekrutierung, Rekrutierung,
Aktivierung Aktivierung

mehrzelliger IgE
Parasit IgA
(Wurm) IgG

extrazelluläre
Zerstörung

.. Abb. 5.14  TH2-Zellen: Koordination der humoralen Immunantwort gegen mehrzellige Parasiten. TH2-Zellen koordinieren die Immunantwort gegen
Würmer. In den Industrieländern spielen sie eine maßgebliche Rolle bei der Auslösung der Allergie vom Soforttyp. Die wichtigsten, von TH2-Zellen ausgeschüt-
teten Cytokine sind IL-4, IL-5 und IL-13. IL-4, IL-5, IL-10 und IL-13 bewirken in antigenaktivierten B-Zellen den Klassenwechsel zu IgE oder IgA. IL-4 fördert die
Bildung weiterer TH2-Zellen. Die Cytokine IL-3 und IL-5 steigern die Produktion, Rekrutierung und Aktivierung von eosinophilen und basophilen Granulocyten.
IL-9 aktiviert Epithelzellen zur vermehrten Schleimproduktion und Mastzellen zur Freisetzung von Histaminen und anderen Entzündungsmediatoren. IL-13
ist wichtig für die Reorganisation des Gewebes. Die mehrzelligen Parasiten werden zerstört, wenn Mastzellen, eosinophile und basophile Granulocyten über
IgE-Antikörper – die gebunden an Fcε-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche vorkommen – an Epitope auf der Körperhülle des Parasiten binden und degranulieren.
Auch Granulocyten und NK-Zellen können degranulieren und den Vorgang unterstützen, wenn sie mit ihren Fcγ-Rezeptoren an IgG-Antikörper binden, die
(im Gegensatz zu IgE!) den Parasiten opsonisieren

tose ein. Cytotoxische T-Zellen, die sowohl den Todesrezeptor Proliferation und die Kollagensynthese durch die Fibroblasten.
Fas (CD95) als auch seinen Liganden FasL auf ihrer Oberfläche Von den Wundrändern aus bauen sich Kollagenfasern entlang
tragen, interagieren aufgrund mangelnder Zielzellen immer öf- des gebildeten Fibrinnetzes auf und bilden neues Bindegewebe.
ter miteinander und töten sich gegenseitig durch Auslösen des Für uns ist die Infektion damit abgeschlossen. Die Wunden sind
programmierten Zelltods. Apoptotische Zellen werden aufgrund verheilt. Doch unser Immunsystem hat eine weitere faszinierende
ihrer veränderten Zellmembran (Strukturen der Innenseite wie Eigenschaft, es kann den Erreger beziehungsweise dessen Gifte
Phosphatidylserin gelangen nach außen) schließlich von Mak- in Erinnerung behalten.
rophagen und anderen Phagocyten erkannt und beseitigt. Ma-
krophagen, γ:δ-T-Zellen, TH2-Zellen, Fibroblasten, Epithel- und
Endothelzellen beginnen dann mit den Aufbauarbeiten. Sie bil- 5.5 Das immunologische Gedächtnis
den eine Reihe von Wachstumsfaktoren, die der Gewebebildung und die sekundäre Immunantwort
und der Wundheilung dienen. Dazu gehören GM-CSF, TGF-β
(transforming growth factor), FGF (fibroblast-growth factor), Neben der Bildung von Effektorlymphocyten werden bei jeder
IL-10, IL-13, VEGF (vascular endothelial growth factor), PDGF spezifischen Immunreaktion auch Gedächtniszellen (memory
(platelet-derived growth factor). Es kommt zur Neubildung von cells) gebildet. B-Gedächtniszellen liegen ungefähr vier Wochen
Blutgefäßen, die das Gewebe im Bereich der Wunden durchblu- nach Auslösung einer primären Immunreaktion in ihrer maxi-
ten und mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Fibroblasten malen Konzentration vor und ihre Zahl bleibt über Jahre relativ
vor Ort werden stimuliert, vermehren sich und füllen den Wund- konstant. T-Gedächtniszellen treten etwas früher auf, ihre Zahl
defekt aus. Gleichzeitig erfolgt der Abbau des Fibrinnetzes (Fi- ist zunächst sehr hoch, sinkt in den ersten sechs Monaten nach
brinolyse). TGF-β und IL-13 fördern die Fibroblastenmigration, Infektion wieder etwas ab und bleibt dann konstant. Ob sich die
86 Kapitel 5  •  Die Immunantwort durch Lymphocyten

.. Abb. 5.15  Wanderung der T-Gedächtniszellen. Effector


1 Haut
Darm Lunge memory T-Zellen (TEM) exprimieren kein CCR7 und kein
L-Selektin. Sie können nicht in die sekundären lymphati-
schen Organe einwandern. Stattdessen tragen sie andere
2 Homing-Moleküle und Chemokinrezeptoren, die es ihnen
ermöglichen, zwischen Blut und Gewebe zu patrouillieren.
Sie leiten bei erneuter Infektion mit dem gleichen Antigen
3 TEM wandern aus dem
Blut ins periphere Gewebe eine Immunantwort vor Ort ein, die schneller anläuft als die
Primärreaktion. Central memory T-Zellen (TCM) exprimieren
TEM
TEM auf ihrer Oberfläche CCR7 und L-Selektin und patrouillieren
4 TEM
R7 zwischen Blut und den peripheren lymphatischen Organen
CC (z. B. Lymphknoten). Bei erneutem Kontakt mit dem glei-
TCM
5 CCR7
chen Antigen differenzieren sie sich schnell zu Effektorlym-
phocyten und regulieren die costimulierenden Moleküle
TCM Homing der und die Cytokinproduktion hoch. Sie sorgen dafür, dass die
T-Gedächtniszellen
6 Sekundärreaktion stärker ausfällt als die Primärreaktion

TEM
7
CCR7

zurück ins TCM


CCR7

TCM
8 Blut über
Ductus thoracicus

9 Lymph-
knoten CC
R 7 TCM wandern aus dem
Blut in die peripheren
TCM
lymphatischen Gewebe
10
11
12
Gedächtniszellen zusammen mit den Effektorzellen während ei-
ner primären Immunantwort bilden oder ob einige von ihnen
aus Effektorzellen hervorgehen, die der Apoptose entgangen
- Zum anderen gibt es B-Gedächtniszellen. Sie unterscheiden
sich von naiven B-Zellen durch die Isotypklassen des von
ihnen exprimierten BCR. Während naive B-Zellen mem-
sind, wird diskutiert. Gedächtniszellen reagieren bei wiederhol- branständiges IgM und IgD als BCR tragen, befinden sich
tem Kontakt mit dem gleichen Erreger schneller und mit höherer auf der Oberfläche der Gedächtniszellen IgG, IgA oder IgE,
13 Qualität, sodass die Erkrankung kein zweites Mal ausbricht oder je nachdem, ob und wenn ja, welcher Klassenwechsel bei
sehr viel schwächer abläuft. Diese Immunantworten werden als der Primärantwort stattgefunden hat. Es gibt auch einzelne
14 sekundäre Immunantworten bezeichnet. Auf den Gedächtnis- Berichte über IgM-tragende Gedächtniszellen. Der größte
zellen beruht unsere Immunität, die manchmal ein Leben lang Teil der B-Gedächtniszellen exprimiert jedoch IgG. Da in
15 anhält. Die Fähigkeit unseres Immunsystems, ein Gedächtnis für den Körper eingedrungene Erreger immer in die lymphati-
Antigene zu entwickeln, macht man sich bei Impfungen zunutze schen Gewebe transportiert werden, lösen sie hier bei wie-
(▶ Kap. 8). Welche Eigenschaft haben Gedächtniszellen und wo derholtem Kontakt eine Sekundärantwort aus. Diese erfolgt
16 werden sekundäre Immunreaktionen ausgelöst? Dazu wollen wesentlich schneller und effektiver als die Primärantwort,
wir die B- und T-Gedächtniszellen getrennt betrachten. da die B-Gedächtniszellen schon vorbereitet („geprimt“)
17 sind. Sie exprimieren vermehrt MHC-Klasse-II-Moleküle,
wodurch die Antigenpräsentation gesteigert wird, und ver-
Das Gedächtnis der B-Zellen mehrt costimulierende Moleküle (CD80, CD86). Dies er-
18 leichtert die Interaktion mit Gedächtnis-T-Helferzellen und
Es gibt zwei Arten des immunologischen Schutzes durch B-Zel- ermöglicht dadurch eine schnelle Antikörperfreisetzung.

-
19 len: Da bei den meisten B-Gedächtniszellen die Immunglobu-
Zum einen existieren Plasmazellen, die unter anderem im linklasse zu IgG gewechselt hat, werden sofort die hochaf-
20 Knochenmark Überlebenssignale erhalten und dadurch finen IgG-Antikörper gebildet. Ebenfalls nachweisbar sind
sehr langlebig sind. Sie produzieren ständig hochaffine IgE und IgA, aber nur sehr geringe Mengen an IgM. Die
Antikörper, die ins Blut und in die Gewebe gelangen. Diese aus den Gedächtniszellen hervorgegangenen Plasmazellen
21 sorgen für einen dauerhaften spezifischen Antikörpertiter sowie die von ihnen sezernierten Antikörper gelangen über
im Blut gegen den Krankheitserreger beziehungsweise die efferente Lymphe ins Blut und von dort in die Gewebe.
22 Impfstoff. Bei einer erneuten Infektion mit einem aus der Jeder weitere Kontakt mit dem gleichen Erreger führt zu ei-
Sicht des Immunsystems bekannten Erreger, wird dieser ner Verstärkung der Reaktion (▶ Kap. 8). B-Gedächtniszel-
sofort von den vorhandenen Antikörpern neutralisiert len sind langlebiger als Plasmazellen, sodass noch Gedächt-
23 und opsonisiert und durch das angeborene Immunsystem niszellen vorhanden sein können, wenn keine spezifischen
eliminiert. In der Regel ist damit die Infektion beendet. Antikörper mehr nachweisbar sind.
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Zum einen gibt es die effector memory-Zellen (TEM). Sie activation. Science 285:221–227
exprimieren kein CCR7 und kein L-Selektin und können somit Greenhalgh CJ, Hilton DJ (2001) Negative regulation of cytokine signaling. J
nicht in die sekundären lymphatischen Organe einwandern. Leukoc Biol 70:348–356
Stattdessen tragen sie andere Homing-Moleküle (zum Beispiel Harrington LE, Hatton RD, Mangan PR et al (2005) Interleukin 17-producing
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α4:β1-Integrin) und Chemokinrezeptoren für entzündungsspezi-
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indem sie die costimulierenden Moleküle und die Cytokinpro- Immunol 251:167–171
duktion hochregulieren. Diese Zellen wandern jetzt in die Ge- Veldhoen M, Hocking RJ, Atkins CJ, Locksley RM, Stockinger B (2006) TGF-beta
webe ein, wo sie TH1- oder TH2-Hilfe leisten. Eine Subpopulation in the context of an inflammatory cytokine milieu supports de novo diffe-
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Hilfe. Die Aktivierung von CD8+-T-Gedächtniszellen bedarf, wie
schon ihre Bildung, der Hilfe von CD4+-T-Gedächtniszellen. Die
TCM sind dafür verantwortlich, dass die Sekundärreaktion stärker
ausfällt als die Primärreaktion.
Immunologische Sekundärantworten setzen sofort bei wie-
derholtem Erregerkontakt ein, da Gedächtniszellen, insbeson-
dere die TEM, sofort in das infizierte Gewebe einwandern und
eine Immunantwort auslösen. In den peripheren lymphatischen
Organen werden durch das Wirken der TCM zügig cytotoxische
T-Zellen und hochaffine antikörperproduzierende Plasmazellen
bereitgestellt. Die Erforschung und genaue Kenntnis der Mecha-
nismen, die dem immunologischen Gedächtnis zugrunde liegen,
sind von essenzieller Bedeutung für die Entwicklung neuer Impf-
stoffe zum Beispiel gegen HIV (▶ Kap. 8).

Literatur

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272:60–66
Bleijs DA, Geijtenbeek TBH, Figdor CG, van Kooyk Y (2001) DC-SIGN and LFA-1:
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Curotto de Lafaille MA, Lafaille JJ (2009) Natural and adaptive foxp3+ regulatory
T cells: more of the same or a division of labor? Immunity 30(5):626–635
89 6

Molekulare Immunologie
Hajo Haase

6.1 Signaltransduktion in Immunzellen  –  90


6.2 Immungenetik – 93
Literatur – 100

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
90 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie

In diesem Kapitel wollen wir die molekularen Grundlagen der lysieren, werden Kinasen genannt. Interessanterweise werden
1 Signalweiterleitung in Leukocyten und die genetische Grundlage viele Kinasen selbst durch eine oder mehrere Phosphorylierun-
der Vielfalt von Antikörpern und T-Zell-Rezeptoren besprechen. gen in ihrer Aktivität reguliert, sodass sich ganze Kaskaden von
2 Kinasen bilden, die sich nacheinander phosphorylieren und da-
durch Signale weiterleiten. Um die Signale zu beenden, gibt es
6.1 Signaltransduktion in Immunzellen eine andere Gruppe von Enzymen, die Proteinphosphatasen.
3 Sie spalten die Phosphatgruppe wieder ab und versetzen das
Grundprinzipien der Signaltransduktion Protein in seinen Ausgangszustand. Während Kinasen meistens
4 eine hohe Substrat­spezifität haben, d. h. nur sehr klar definierte
Die Zellen des Immunsystems kommunizieren untereinander Zielsequenzen phosphorylieren, ist die Substratspezifität der Pro-
5 durch verschiedene Mechanismen. Dazu gehören Cytokinsig- teinphosphatasen weniger eng, und sie können eine größere Zahl
nale, Antigenpräsentation und Wechselwirkungen zwischen unterschiedlicher Proteine dephosphorylieren. Zusätzlich gibt es
ihren Oberflächenmolekülen. Zusätzlich sind einige Zellen in meist mehrere Proteinphosphatasen, die das gleiche Substrat ha-
6 der Lage, Pathogenbestandteile direkt zu erkennen. Ständig tref- ben und sich gegenseitig ersetzen können. Anfangs ist man des-
fen viele Reize auf der Zelloberfläche ein, und die Zelle muss sie halb davon ausgegangen, dass Phosphorylierungssignale einzig
7 wahrnehmen, gegeneinander abwägen und am Ende eine Re- durch Kinasen übermittelt würden und die Proteinphosphatasen
aktion zeigen, die der Gesamtsituation angemessen ist. Damit einfach nur dazu da wären, das Signal der Kinasen nach einer
die Zelle ihr Verhalten anpassen kann, müssen all diese Reize gewissen Zeit automatisch wieder abzuschalten. Allerdings ist
8 aufgenommen und im Inneren verarbeitet werden. Dies ist die die katalytische Phosphataseaktivität in der Zelle tausendfach
Aufgabe der Signaltransduktion. Dafür greift das Immunsystem höher als die der Kinasen, sodass ohne eine Regulation der
9 auf molekulare Mechanismen zurück, die auch für die Steuerung Phosphataseaktivität die Phosphorylierungssignale sehr schnell
bei allen anderen Zellen des Körpers verwendet werden. Eine beendet wären. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Aktivität
10 umfassende Diskussion der Signaltransduktion würde den Rah- von Phosphatasen zu regulieren. Sie können durch Andocken an
men dieses Buches bei Weitem sprengen, daher sollen im Folgen- Bindungsmotive in bestimmten Regionen der Zelle angereichert
den nur einige Grundprinzipien eingeführt werden und danach werden, entweder um sie gezielt in die Nähe ihrer Substrate zu
11 am Beispiel eines wichtigen Signalsystems, dem T-Zell-Rezeptor, bringen oder sie davon fernzuhalten. Ihre Aktivität kann, wie die
ausgewählte Mechanismen der Signaltransduktion verdeutlicht der Kinasen, durch Phosphorylierung reguliert werden. Außer-
12 werden. In ▶ Kap. 7 wird darüber hinaus kurz auf die Signalüber- dem können die Proteintyrosinphosphatasen durch die Bindung
tragung durch Cytokinrezeptoren eingegangen. des Second Messengers Zink inhibiert werden und haben ein
Die Wahrnehmung extrazellulärer Nachrichten erfolgt durch katalytisch aktives Cystein, das durch Oxidation des Schwefela-
13 Rezeptorproteine oder kurz Rezeptoren. Diese befinden sich toms reversibel inaktiviert werden kann. Während man früher
meistens auf der Plasmamembran. An ihren extrazellulären Teil allgemein von „oxidativem Stress“ gesprochen hat, bedeutete die-
14 binden die durch sie wahrgenommenen Botenstoffe, die soge- ser Begriff, dass jede Form von reaktiven Sauerstoffspezies eine
nannten Liganden. Die Bindung führt zu Veränderungen im unerwünschte Belastung für die Zellen darstellt. Heute weiß man,
15 intrazellulären Teil des Rezeptors. Im Zellinnern wird das Signal dass reaktive Sauerstoffspezies kontrolliert in der Zelle freigesetzt
weitergegeben, wobei es zur Aktivierung von Kaskaden nachei- werden, wo sie an der Signaltransduktion beteiligt sind.
nander aktivierter Signalproteine kommt. Neben der Phosphorylierung gibt es auch noch andere Re-
16 Eine Möglichkeit, Informationen innerhalb einer Zelle zu gulationsmechanismen, wie die Ubiquitinierung. Hierbei wird
transportieren, sind sekundäre Botenstoffe oder auch Second das 76 Aminosäuren große Protein Ubiquitin kovalent über eine
17 Messenger (. Abb. 6.1). Dies sind relativ kleine Moleküle, die in seiner Lysinseitenketten an das Zielprotein gebunden, häufig in
der Zelle nach Stimulation eines Rezeptors gebildet oder freige- Form von Polyubiquitinketten, also mehreren miteinander ver-
setzt werden. Durch die Veränderung ihrer Konzentration wird knüpften Ubiquitinen. Dieser Mechanismus ist zum einen wich-
18 eine biologische Information übertragen. Dabei kann es sich um tig bei der Kennzeichnung von Proteinen, die durch das Pro-
so einfache Strukturen wie Ca2+- und Zn2+-Ionen handeln, die aus teasom abgebaut werden sollen, wobei auch die Peptidantigene
19 membranumschlossenen Kompartimenten im Zellinnern frei- zur Präsentation auf MHC-I-Molekülen entstehen (▶ Kap. 4).
gesetzt werden oder von außen in die Zelle einströmen. Es gibt Hierbei werden zur Verknüpfung meist die Lysine 11 und 48
20 aber auch 3′,-5′-cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP), das verwendet. Im Gegensatz dazu dienen über Lysin 63 verbundene
durch eine enzymatische Reaktion aus dem Energieträger ATP Polyubiquitine als Steuerungselemente in Signalwegen, wie dem,
gebildet wird, oder Signale, die durch Inositolphosphate oder der zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB (nuclear fac-
21 Stickstoffmonoxid transportiert werden. tor kappa-light-chain-enhancer of activated B cells) führt.
Ein weit verbreiteter Mechanismus ist die Phosphorylierung. Ein wichtiges Prinzip ist die Signalverstärkung. Wenn ein
22 Dies ist die reversible kovalente Bindung von Phosphatgruppen einzelner Ligand an seinen Rezeptor bindet, kann dies zur Frei-
an Tyrosin-, Serin- oder Threoninseitenketten in Proteinen. Sie setzung vieler identischer Second Messenger führen. Ist eine
führt zu einer Veränderung in den Eigenschaften des phospho- Kinase einmal aktiviert, kann sie nicht nur ein Zielprotein phos-
23 rylierten Proteins. Die Phosphorylierung erfolgt durch die Über- phorylieren, sondern den Vorgang mehrmals hintereinander
tragung einer Phosphatgruppe vom ATP auf die −OH-Gruppen wiederholen. Dadurch wird das Signal auf jeder Stufe nicht nur
der drei Aminosäuren. Die Enzyme, die diesen Vorgang kata- linear, sondern exponentiell verstärkt. Es kann darüber hinaus
6.1  •  Signaltransduktion in Immunzellen
91 6

auch mehrere Zielproteine für eine Kinase geben, sodass die Si-
gnalwege sich verzweigen. L
Wie eingangs erwähnt, treffen üblicherweise mehrere Signale R R
gleichzeitig auf der Zelloberfläche ein. Dann ist es notwendig,
dass die ausgelösten Wege untereinander in Wechselwirkung Plasmamembran
treten, es kommt zum sogenannten Cross-Talk. Dadurch ent-
steht eine einheitliche Reaktion der Zelle, die entweder allen
eintreffenden Signalen gerecht wird oder die Signale gegenei- K1
nander abwägt und einigen Priorität einräumt. Daher kann es
P
sein, dass ein Signalweg einen anderen abschaltet, sodass trotz K2 K2
hoher extrazellulärer Konzentration eines Liganden kein Signal
K5 K5 P
mehr im Zellkern ankommt. Zum Beispiel sorgt die Aktivierung K3 K3
einer naiven T-Helferzelle durch das TH2-Cytokin IL-4 dafür,
P P
dass die β-Kette des Rezeptors für das TH1-Cytokin IL-12 und P K4 K4
P1 P1 K6 K6
das zugehörige Signalprotein STAT4 herunterreguliert werden,
sodass die Zelle keine zu TH1 polarisierenden IL-12-Signale mehr P P P
wahrnehmen kann. T1 T1 T2 T2 T3 T3
Nachdem eine Reihe von wichtigen Mechanismen in der Sig-
naltransduktion aufgeklärt waren, begann man festzustellen, dass
nicht nur die Bildung von Second Messengern oder Proteinen
und deren Phosphorylierung für Signale ausschlaggebend war, P P
T1 T2 T3
sondern auch deren Aufenthaltsort innerhalb der Zelle. Erst die
Ausbildung von Komplexen aus mehreren miteinander interagie-
renden Proteinen ermöglicht es, dass sie ihre Signale untereinan- inaktives Protein L = Ligand
der weitergeben können. In der Plasmamembran existieren Be- aktives Protein R = Rezeptor
reiche, die lipid rafts genannt werden. In diesen Mikrodomänen inaktiver 2nd-Messenger K = Kinase
von geringer Membranfluidität, die wie Flöße in der Membran aktiver 2nd-Messenger P = Proteinphosphatase
schwimmen, können sich Signalproteine anreichern und befin- P Phosphatgruppe T = Transkriptionsfaktor
den sich dadurch in ausreichender Zahl nahe beieinander, um Aktivierung Translokation
zusammen Signale auszulösen.
Intrazellulär gibt es eine Reihe von Proteinen, deren Funk- .. Abb. 6.1  Allgemeines Schema der intrazellulären Signalweiterleitung.
tion es ist, als Gerüst zu wirken und interagierende Proteine zu- Nach Bindung eines Liganden an seinen Rezeptor auf der Zelloberfläche leitet
sammenzubringen. Außerdem wurden in den Kinasen der Src dieser die Information über seinen intrazellulären Teil weiter, was zur Akti-
Familie sogenannte SH2-Domänen (Src-homologe Domäne 2) vierung mehrerer Signalkaskaden führt. Hierbei werden Second Messenger
gebildet und Kinasen oder Phosphatasen von Second Messengern oder durch
beschrieben, die nur an bestimmte Peptidsequenzen in Proteinen
Phosphorylierung in ihrer Aktivität reguliert. Am Ende kommt es zur Regulati-
binden, wenn ein darin enthaltener Tyrosinrest phosphoryliert on von Transkriptionsfaktoren, durch deren Bindung an die Promotorregionen
ist. Dadurch werden die Proteine mit SH2-Domänen in der Nähe von Zielgenen deren Expression verändert wird. Es existiert noch eine Reihe
von Phosphorylierungssignalen festgehalten. Heutzutage weiß weiterer Regulationsmechanismen, die hier nicht berücksichtigt sind
man, dass diese Domänen neben den Src-Kinasen auch in zahl-
reichen anderen Signalproteinen vorkommen. wesentlich daran beteiligt, zu steuern, wie lange eine mRNA stabil
In vielen Fällen führen die auf der Zelloberfläche eintreffen- bleibt, mit welcher Häufigkeit sie in Proteine umgeschrieben wird
den Signale zu einer Veränderung der Gen­expression, indem sie und wie Vorläuferproteine in die biologisch wirksamen Formen
auf Transkriptionsfaktoren einwirken. Diese Proteine binden an umgewandelt werden. In den letzten Jahren ist die RNA-Interfe-
die DNA im Bereich des Promotors, einem Abschnitt, der die Ex- renz ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Hierbei wird in
pression eines Gens reguliert und am 5′-Ende des Bereichs liegt, der genomischen DNA codierte Information in RNA umgeschrie-
der in die Boten-RNA (mRNA, Messenger-RNA) umgeschrieben ben, die als microRNA an Komplementärsequenzen in mRNA
wird. Dabei wirken sie entweder aktivierend oder inaktivierend binden, die nicht in Protein umgeschrieben werden (die soge-
auf die Genexpression. Die Regulation der Aktivität von Tran- nannten 3′-untranslatierten Regionen). MicroRNA führen dabei
skriptionsfaktoren erfolgt durch ihre eigene Genexpression, durch den RISC(RNA-induced silencing complex)-Proteinkomplex an
Phosphorylierung, Oxidation, Bindung von Zinkionen oder die diese mRNA, der sie daraufhin abbaut. Ungefähr 700 microRNA
Interaktion mit anderen Proteinen. Manche Transkriptionsfakto- wurden bereits im menschlichen Genom entdeckt und mehr
ren können selbst als Rezeptoren wirken, wie die Rezeptoren für als 100 davon werden in Zellen des Immunsystems exprimiert.
Steroidhormone, indem ihre Liganden in die Zellen eindringen Die immunologische Bedeutung von microRNA und RISC
und einen Transkriptionsfaktor durch Bindung direkt aktivieren. ist übrigens nicht auf die Signaltransduktion von Immunzellen
Die Verarbeitung von Signalen endet keineswegs in dem Mo- beschränkt. Zahlreiche Viren speichern ihre genetische Informa-
ment, in dem die Transkription eines bestimmten Gens gestartet tion in Form von RNA. In Pflanzen und Insekten ist der Abbau
wurde. Eine Reihe von posttranskriptionalen Mechanismen ist viraler RNA durch microRNA/RISC ein wesentlicher Verteidi-
92 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie

komplexes von der Kinase Lck phosphoryliert werden. Danach


1 dienen sie als Andockstationen für die Kinase ZAP-70, die zwei
Plasmamembran APC
SH2-Domänen enthält.
2 ITAM sind keine Besonderheit des TCR, sie sind auch an der
Signaltransduktion des B-Zell-Rezeptors (BCR), von verschie-
denen Fc-Rezeptoren und mehreren aktivierenden Rezeptoren
3 Vα Vβ auf NK-Zellen beteiligt. Ähnlich zu den ITAM gibt es auch noch
ITIM(immunoreceptor tyrosine-based inhibitory motif)-Sequen-
4 Cα Cβ zen, die beispielsweise in den inhibierenden Rezeptoren von
NK-Zellen vorkommen. Sie wirken den aktivierenden Signalen
5 Plasmamembran T-Zelle durch die Bindung von Proteintyrosinphosphatasen entgegen.
Durch die ZAP-70 werden, wie in . Abb. 6.3 dargestellt, Sig-
SH2
Y Y P nalwege ausgelöst, die die TCR-abhängige Genexpression verur-
6 Y
Y
Y
Y
Y
Y
Y
Y
Y
Y P SH2
ZAP-70
sachen. Dabei aktivieren mitogenaktivierte Proteinkinasen den
γ δ Transkriptionsfaktor AP-1, und die Proteinkinase C aktiviert den
ε ε
7 Y
Y
Y
Y
NFκB. Darüber hinaus werden Calciumsignale erzeugt, die die
Phosphatase Calcineurin aktivieren. Calcineurin dephospho-
ζ ζ ryliert den Transkriptionsfaktor NFAT (nuclear factor of activa-
8 SH2 ted T cells), der dadurch aktiviert wird und in den Kern wandert.
Y Y P ZAP-70
Y P
Y SH2 Der Wirkmechanismus einiger Immunsuppressiva (beispiels-
9 weise Cyclosporin A und Tacrolimus), die zur Verhinderung von
.. Abb. 6.2  TCR, CD3 und das Auslösen der TCR-abhängigen Signalwege.
Transplantatabstoßungen eingesetzt werden, beruht auf einer In-
10 Der TCR besteht aus mehreren Proteinen. Die Antigenerkennung erfolgt teraktion mit diesem Signalweg (▶ Kap. 17).
durch die α- und β-Kette des eigentlichen TCR – diese sind aber nicht in der Die Abbildung beinhaltet nur einige zentrale Second Messen-
Lage, intrazellulär Signale auszulösen. Dies erfolgt durch die zusätzlichen ger und Proteine. Man weiß, dass weit über 100 Komponenten
11 Ketten CD3γ, -δ, -ε und -ζ. Zusammengenommen enthalten sie 10 ITAM-Mo-
an der TCR-Signaltransduktion beteiligt sind; aus Gründen der
tive, die nach Aktivierung des Rezeptors durch die Kinase Lck phosphoryliert
werden. Nach Phosphorylierung der ITAM an jeweils zwei Tyrosinseitenketten
Übersichtlichkeit wurde auf die Darstellung der meisten davon
12 kann die Kinase ZAP-70 über SH2-Domänen daran binden. Sie wird später verzichtet.
ebenfalls durch die Lck mittels Phosphorylierung aktiviert und vermittelt Der TCR arbeitet nicht alleine. Die Aktivierung einer T-Zelle
dann die Aktivierung der TCR-abhängigen Signale. In γ:δ-T-Zellen besteht erfordert noch eine Reihe von weiteren Signalen. Dafür befindet
13 der Rezeptor nicht aus α- und β-Ketten, sondern aus den ihnen funktionell
sich der TCR zusammen mit anderen an seinen Signalen betei-
entsprechenden γ- und δ-Ketten
ligten Proteinen in den bereits erwähnten lipid rafts. Hier werden
14 die miteinander interagierenden Proteine nahe zusammengehal-
gungsmechanismus gegen virale Infektionen. In Säugetieren wird ten, um effektiv interagieren zu können. Eine Auflösung der lipid
15 die antivirale Verteidigung allerdings hauptsächlich durch das In- rafts verhindert die Aktivierung der TCR-Signaltransduktion.
terferonsystem vermittelt, und eine Beteiligung von microRNA/ Je nachdem, ob es sich um eine T-Helferzelle oder eine cyto-
RISC gilt allgemein als nicht nachgewiesen. toxische T-Zelle handelt, tragen sie die Corezeptoren CD4 bezie-
16 hungsweise CD8. Deren Bindung an das jeweilige MHC verstärkt
die Interaktion mit dem TCR, aber darüber hinaus binden sie,
17 Wahrnehmung von präsentierten Antigenen: abhängig vom Second Messenger Zink, auch noch die Kinase Lck.
der T-Zell-Rezeptor In dem Moment, wo CD4 oder CD8 durch ihre extrazelluläre In-
teraktion mit dem MHC in die Nähe des TCR gebracht werden,
18 Der T-Zell-Rezeptor (TCR, T cell receptor) erkennt die auf bringen sie dadurch intrazellulär genau die Kinase in die unmittel-
MHC-Molekülen präsentierten Antigene. Er ist aber selbst nicht bare Nachbarschaft des TCR, die die ITAM-Motive phosphoryliert
19 in der Lage, intrazelluläre Signale auszulösen. Dafür braucht er und dadurch die TCR-vermittelte Signaltransduktion startet.
eine Gruppe von Proteinen, die zusammen als CD3 bezeichnet CD45 ist bekannt als Pan-Leukocytenmarker, das heißt, es
20 werden. Der TCR ist in Wirklichkeit ein Komplex aus den beiden wird auf der Oberfläche aller Leukocyten gefunden. Die Funk-
eigentlichen Proteinketten des TCR, zusammen mit jeweils einer tion von CD45 liegt in der Signaltransduktion. Der intrazelluläre
γ- und δ- sowie zwei ε- und zwei ζ-Ketten des CD3 (. Abb. 6.2). Teil von CD45 ist eine Proteintyrosinphosphatase und dephos-
21 CD3 ist unerlässlich für einen funktionierenden TCR, daher fin- phoryliert Tyrosinseitenketten in Proteinen. Beim TCR-Signaling
det man es auf T-Zellen und Thymocyten. Da es auf anderen spielt die CD45 eine wichtige Rolle, denn sie dephosphoryliert
22 Immunzellen nicht vorkommt, wird CD3 als Leitmarker für diese Phosphotyrosine der Lck. Die Lck inaktiviert sich selbst, wenn
Zellen verwendet. ihre SH2-Domäne an das phosphorylierte Tyrosin 505 bindet und
Die intrazellulären Teile der CD3-Proteine enthalten die Kinase dadurch zusammengeklappt in einer inaktiven Kon-
23 ITAM(immunoreceptor tyrosine-based activation motif)-Sequen- formation vorliegt. Erst die Dephosphorylierung durch CD45
zen (…  YXX[L/I]X6–9YXX[L/I] …). In denen befinden sich je- versetzt die Lck in einen Zustand, in dem sie aktiviert werden
weils zwei Tyrosinreste, die nach Aktivierung des TCR-Rezeptor- kann, um die ITAMs an CD3 zu phosphorylieren (. Abb. 6.4).
6.2 • Immungenetik
93 6

Ca2+ Plasmamembran
α β
Plasmamembran B7

CD3δ
CD3γ
CD4

CD3ε

CD3ε
ζ ζ Ca2+
PLCγ ZAP-70

CD45

CD28
α β
IP3
DAG

CD3δ
CD3γ
Ca2+

CD3ε

CD3ε
Lck ζ ζ
PKC MAPK CaN
Priming ZAP-70
Initiali-
P sierung
Iκ B NF-κ B AP-1 NFAT
Uq
Uq
Antigenerkennung Aktivierung
Uq
Abbau Uq
.. Abb. 6.4  Kooperation zwischen T-Zell-Rezeptor und anderen Rezepto-
durch das P
ren. Der Kontakt des TCR mit einem passenden Antigen auf einem MHC-Kom-
Proteasom NF-κ B AP-1 NFAT
plex ist alleine nicht ausreichend, um eine naive T-Zelle zu aktivieren.
Zusätzlich bedarf es der Mitwirkung anderer Rezeptoren. Besonders wichtig
Kinase Ionenkanal sind die Corezeptoren CD4 (oder CD8), an deren intrazellulärer Domäne die
Phosphatase/Phospholipase P Phosphatgruppe Kinase Lck gebunden ist, die durch Phosphorylierung von ITAM-Sequenzen
Transkriptionsfaktor Uq Ubiquitin die Signalübertragung durch TCR/CD3 initiiert. Da die an einem bestimmten
Aktivierung Translokation Tyrosinrest phosphorylierte Lck in einer inaktiven Konformation vorliegt,
erfordert ihre Beteiligung an der Signaltransduktion, dass die Proteintyro-
sinphosphatase CD45 sie durch Dephosphorylierung in einen aktivierbaren
.. Abb. 6.3  Stark vereinfachte Darstellung der TCR-Signaltransduktion.
Zustand versetzt (priming). Die Signale des TCR würden alleine noch nicht für
Zur Weiterleitung seiner Signale verwendet der TCR-Komplex eine Reihe von
eine Aktivierung ausreichen, und die T-Zelle würde anerg, wenn ausschließ-
Signalwegen. ZAP-70 aktiviert die Phospholipase C (PLC), die Phospholipide
lich die Signale des TCR in ihrem Inneren eintreffen, durch die mitgeteilt wird,
in die Second Messenger Inositol-1,4,5-trisphosphat (IP3) und Diacylglycerin
dass ein passendes Antigen erkannt wurde. Daher ist zusätzlich noch die Ak-
(DAG) spaltet. Durch IP3 kommt es zur Aktivierung von Calciumsignalen (Ca2+)
tivierung von CD28 durch Kontakt mit B7-Molekülen auf der APC notwendig,
und dadurch der Phosphatase Calcineurin (CaN), die durch Dephosphorylie-
durch die bestätigt wird, dass es sich um ein gefährliches Antigen handelt
rung den Transkriptionsfaktor NFAT aktiviert. DAG aktiviert die Proteinkinase
C (PKC), die den Abbau des Inhibitorproteins IκB und dadurch die Wanderung
des Transkriptionsfaktors NFκB in den Kern auslöst. Weiterhin aktivieren von 6.2 Immungenetik
ZAP-70 ausgehende Signale mitogenaktivierte Proteinkinasen (MAPK) und
diese wiederum den Transkriptionsfaktor AP-1
Es galt lange Zeit als sicher, dass alle Zellen eines Körpers das
komplette Genom enthalten, das sich höchstens in einigen spon-
Auf naiven T-Zellen wird die Isoform CD45RA exprimiert, tanen Mutationen unterscheidet. Außerdem wurde angenom-
die aufgrund der Größe ihrer extrazellulären Domäne nur men, dass ein Gen jeweils die Information für genau ein Protein
schlecht mit dem TCR-Signalkomplex in Kontakt kommt. Durch codiert. Dies bedeutete ein Problem:
alternatives Spleißen (splicing) ist die extrazelluläre Domäne In ▶ Kap. 2 wurde bereits beschrieben, dass es eine große
der CD45R0, der auf T-Gedächtniszellen exprimierten Form, Vielfalt der B- und T-Zell-Rezeptoren gibt, jeweils mit Milliar-
deutlich kleiner. Dadurch hat die CD45 besseren Zugang zum den verschiedener Antigenspezifitäten. All diese verschiedenen
TCR-Komplex, sodass dessen Signale in diesen Zellen besser Rezeptoren im Genom zu codieren und jeweils nur einen davon
weitergeleitet werden. zu verwenden, würde weit mehr Information darstellen, als die
Ein weiterer wichtiger Mitspieler bei der Aktivierung von wenigen Zehntausend Gene, die darin gespeichert sind. Aller-
T-Zellen ist das CD28. Es bindet an die costimulierenden B7-Pro- dings zeigt die klonale Expansion, dass die Spezifitäten der An-
teine auf der Oberfläche der APC, mit denen die APC signalisie- tigenbindungsstellen von TCR und BCR an Tochterzellen vererbt
ren, dass das präsentierte Antigen von einem Pathogen stammt werden können. In den 1970er-Jahren zeigte Susumu Tonegawa,
und die Interaktion zu einer Aktivierung der T-Zelle führen der dafür 1987 den Nobelpreis erhielt, dass es bei der Bildung
soll. Durch CD28 werden in der T-Zelle zusätzliche Signalkas- von Antikörpern durch B-Zellen zu Umlagerungen der DNA
kaden ausgelöst. In erster Linie ist das der Phosphatidylinosi- kommt. Die Gene für einzelne Segmente, aus denen die variable
tol-3-Kinase/AKT-Weg, der zur Aktivierung des Transkriptions- Region des BCR zusammengesetzt wird, lagen in reifen B-Zellen
faktors NFκB beiträgt. Eine alleinige Aktivierung der Signale des dichter zusammen als zuvor. Dieser Prozess der somatischen
TCR führt zur Anergie der naiven T-Zelle. Nur wenn zusätzlich Rekombination tritt nur in T- und B-Zellen auf und trägt dazu
auch über CD28 signalisiert wird, kommt es zur Aktivierung der bei, dass aus relativ wenigen Genen eine fast unbegrenzte Anzahl
naiven T-Zelle, während einer Gedächtniszelle auch das einzelne von Rezeptoren entstehen kann.
TCR-Signal ausreicht.
94 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie

1 a Keimbahn-DNA
V1 V2 V3 V51 D1 D2 D3 D4 D27 J1 J2 J3 J4 J5 J6 Cµ Cδ

2 b rekombinierte DNA
V3 V51 D1 D2
V1 V2 D3 J5 J6 Cµ Cδ
3 D4 D27 J1 J2 J3 J4
c Primärtranskript wurden herausgeschnitten

4 V2 D3 J5 J6 Cµ Cδ

d mRNA
5 V2 D3 J5 Cµ J6 Cδ
wurden herausgeschnitten
6 e Protein

7
8
9
.. Abb. 6.5  Rekombination der schweren Kette des Immunglobulins aus verschiedenen Gensegmenten. Für die schweren Ketten eines Antikörpers gibt
10 es in der Keimbahn-DNA jeweils 51 V(variable)-, 27 D(diversity)- und 6 J(joining)-Segmente, aus denen die variable Region zusammengesetzt werden kann.
Daneben befinden sich Segmente für die konstanten Regionen, aus denen die verschiedenen Antikörperklassen gebildet werden. Um eine einsatzfähige
DNA für einen Antikörper herzustellen, wird zunächst ein beliebiges D- mit einem J-Segment kombiniert, gefolgt von der Verknüpfung eines V-Segments mit
11 DJ. Die jeweils zwischen den ausgewählten Segmenten liegenden Teile der DNA werden herausgeschnitten und gehen verloren. Die so rekombinierte DNA
wird in RNA um­geschrieben, wobei zunächst ein Primärtranskript entsteht, in dem noch die nicht heraus­geschnittenen J-Segmente und die Segmente für die
schweren Ketten µ und δ enthalten sind. Durch RNA-Splicing werden dann die überzähligen J-Segmente und eine der beiden schweren Ketten entfernt (hier
12 dargestellt für die Bildung eines Antikörpers der Klasse IgM). Aus der so gebildeten mRNA kann dann das Protein für die schweren Ketten angefertigt werden.
Die leichten Ketten werden nach dem gleichen Prinzip zusammengesetzt. Da hier keine D-Segmente vorhanden sind, gibt es allerdings ausschließlich eine

13 VJ-Rekombination

Somatische Rekombination bei der Bildung gewähltes V-Segment mit dem zuvor kombinierten DJ verbun-
14 von Antigenrezeptoren den, und die dazwischen liegenden V- und D-Segmente werden
entfernt. In dem auf diese Weise in der DNA einer B-Zelle co-
15 In Säugetieren gibt es sieben Genloci, in denen Proteine für die dierten Antikörper können sich immer noch mehrere J-Ketten
spezifische Antigenerkennung codiert sind. Für den TCR sind befinden. Diese werden nachher auf RNA-Ebene durch Spleißen
dies jeweils eine für die α-, β-, γ- und δ-Kette. Bei Immunglobu- entfernt. Beim Ablesen der RNA werden zwei Segmente für den
16 linen ist es ein Locus für die schwere Kette (IgH) und zwei für konstanten Teil der schweren Kette des Antikörpers verwendet:
die leichten Ketten κ und λ. Sie setzen sich zusammen aus hin- die Segmente Cμ und Cδ. Erst beim Zuschneiden der RNA wird
17 tereinander aufgereihten Segmenten für verschiedene Teile der ein Segment entfernt, und es entsteht mRNA, die entweder für
Rezeptoren: variable (V), diversity (D, existiert nur bei der schwe- IgM oder IgD codiert. Daher können B-Zellen anfänglich beide
ren Kette vom Ig und TCRβ und -δ) und joining (J), gefolgt von Antikörperklassen bilden.
18 der konstanten Region (C). Im Verlauf der V(D)J-Rekombination Die Steuerung der Rekombination erfolgt durch Sequen-
wird das Gen für die jeweilige variable Region des Rezeptors aus zen, die sich neben jedem codierenden Segment befinden, den
19 jeweils einem Segment für jeden V(D)J-Teil zusammengesetzt. RSS (recombination signal sequence). Die RSS schließen sich an
Dies verläuft bei T- und B-Zellen nach einem sehr ähnlichen die codierende Sequenz an und bestehen aus einem Heptamer
20 Verfahren. Daher soll im Folgenden nur die Entstehung der Im- CACAGTG, einer als Spacer bezeichneten Region, die entwe-
munglobuline im Detail beschrieben werden. der aus 12 oder 23 (± 1) bp (Basenpaaren) besteht, und einem
B-Zellen beginnen immer mit der Umlagerung der schwe- Nonamer ACAAAAACC. Ein wichtiges Prinzip hierbei ist, dass
21 ren Kette (▶ Kap. 2). Im Verlauf dieser in . Abb. 6.5 dargestell- eine Rekombination immer nur zwischen Segmenten erfolgen
ten Rekombination zur schweren Kette kommt es zunächst zur kann, wenn eines einen 12-bp- und das andere einen 23-bp-Spa-
22 DJ-Rekombination. Das bedeutet, dass ein zufällig ausgewähl- cer hat. Da im IgH-Genlocus neben den V- und J-Segmenten
tes D-Segment mit einem beliebigen J-Segment verbunden jeweils  23-bp-Spacer und an beiden Seiten der D-Segmente
wird, wobei die dazwischen liegenden D- und J-Segmente aus 12-bp-Spacer liegen, sind immer nur VD- und DJ-Kombinati-
23 der DNA herausgeschnitten werden. Diese „überflüssige“ DNA onen möglich, eine VJ-Rekombination aber nicht (. Abb. 6.6).
gehört nicht mehr zur genomischen DNA und geht verloren. Die gleichen RSS gibt es auch bei den Leichtketten κ und λ
Bei der darauf folgenden VDJ-Rekombination wird ein zufällig und den verschiedenen Ketten des TCR (. Abb. 6.7). Bei den β-
6.2 • Immungenetik
95 6

VH He 23 No No 12 He DH He 12 No No 23 He JH

No 12 He DH He 12 No
VH He 23 No
VH He 23 No No 12 He DH He 12 No

JH He 23 No
JH He 23 No

keine Rekombination
bei 23/23-Anlagerung

VH He 23 No No 12 He DH JH

.. Abb. 6.6  Rekombination der schweren Kette. Der Ablauf der Rekombination ist hier dargestellt am Beispiel der DJ-Rekombination der schweren Kette.
Die darauf folgende VDJ-Rekombination und die VJ-Rekombinationen der leichten Ketten laufen nach dem gleichen Prinzip ab. Dabei lagern sich die neben
den zu kombinierenden Segmenten liegenden RSS (recombination signal sequence) nur so aneinander, dass Paarungen aus einem 12-bp-Spacer (schwarz) und
einem 23-bp-Spacer (weiß) entstehen. Wichtig hierfür sind Kontakte zwischen den Heptamer(He)- und Nonamer(No)-Sequenzen. Eine Anlagerung von zwei
23-bp-Spacern, wie sie bei der Kombination eines V- mit einem J-Segment auftreten würde, kann nicht stattfinden. So ist gewährleistet, dass immer nur die
Kombination VDJ entstehen kann. Dies führt zur Bildung einer Verbindung der codierenden D- und J-Segmente in der genomischen DNA. Die hier dargestellte
Variante, dass beide codierenden Sequenzen die gleiche Leserichtung haben, ist die häufigste. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen die Richtungen ent­gegen­
gesetzt verlaufen, sodass leicht abweichende Rekombinationsschleifen auftreten, um die richtige Orientierung der codierenden Sequenzen zu gewährleisten

Chromosom Rezeptorkette Anordnung der RSS

14 IgH VH He 23 No No 12 He DH He 12 No No 23 He JH

2 Igκ Vκ He 12 No No 23 He Jκ

22 Igλ Vλ He 23 No No 12 He Jλ

14 TCRα:δ Vα /δ He 23 No No 12 He Dδ He 23 No No 12 He Jδ No 12 He Jα

7 TCRβ Vβ He 23 No No 12 He Dβ He 23 No No 12 He Jβ

7 TCRγ Vγ He 23 No No 12 He Jγ

.. Abb. 6.7  RSS der verschiedenen Segmente von Antigenrezeptoren. Neben jedem Segment, aus dem variable Regionen von BCR oder TCR zusammengesetzt
sein können, befindet sich entweder eine RSS mit einem 12-bp-Spacer (schwarz) oder einem 23-bp-Spacer (weiß). Da eine Rekombination nur beim Zusammen-
treffen zweier RSS mit unterschiedlichen Spacern erfolgen kann, wird dadurch festgelegt, Segmente welcher Abschnitte miteinander kombiniert werden können

und δ-Segmenten des TCR sind die RSS neben den D-Segmen- den Sequenz und dem Heptamer des RSS. Alle weiteren Pro-
ten so angeordnet, dass theoretisch auch eine VJ-Rekombination zesse, in denen die DNA wieder zusammengesetzt wird, erfolgt
möglich wäre, hier gibt es aber zusätzliche Mechanismen, um si- durch Proteine, die auch normalerweise für die Reparatur von
cherzustellen, dass immer nur eine VDJ-Rekombination erfolgt. DNA-Schäden eingesetzt werden. Die Bedeutung der RAG-Pro-
Bei der Rekombination des TCR werden die herausgeschnit- teine ist nicht zu unterschätzen. Ein Funktionsverlust führt dazu,
tenen Segmente zu ringförmiger DNA zusammengefügt, den dass keine Antigenrezeptoren gebildet werden können, daher
sogenannten TREC (TCR rearrangement excision circles). TREC auch keine reifen T- und B-Zellen vorkommen; das Resultat ist
werden im Verlauf der Zellteilung nicht vervielfältigt und dem- ein schwerer Immundefekt (SCID, ▶ Kap. 16).
zufolge nur auf eine der beiden Tochterzellen übertragen. Sie Wie in . Abb. 6.8 dargestellt, ergibt sich aus der Kombination
sind daher ein Maß für den Anteil einer T-Zellpopulation, der der verschiedenen Gensegmente eine Zahl von über zweiein-
im Thymus neu entstanden ist, und können verwendet werden, halb Millionen verschiedener Antikörper. Eine vergleichbar hohe
um beispielsweise den altersbedingten Rückgang der Thymusak- Anzahl an möglichen Kombinationen gibt es auch für den TCR
tivität zu messen. (. Tab. 6.1). Dabei ist auffällig, dass die Variationen vorwiegend
RAG(recombination activating gene)-1 und RAG-2 sind bei den α:β-TCR auftreten, wohingegen der γ:δ-TCR nur wenig
die beiden einzigen für Lymphocyten spezifischen Proteine, die mehr als 2000 Kombinationen erlaubt und damit vergleichsweise
für die V(D)J-Rekombination gebraucht werden. Sie sorgen für wenig variiert.
die korrekte 12/23 Paarung der RSS und verursachen den not- Bei den in . Tab. 6.1 angegebenen Zahlen handelt es sich um
wendigen Doppelstrangbruch der DNA zwischen der codieren- die ungefähre Anzahl verwendbarer Gensegmente zur Herstel-
96 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie

1 κ-Leichtkette schwere Kette λ-Leichtkette Heptamer Nonamer


A C C A C A G T G Spacer A C A A A A A C C
Vκ Jκ VH DH JH Vλ Jλ VH
T G G T G T C A C 23 bp T G T T T T T G G
2 40 5 51 27 6 29 4 a
DH
T C C A C A G T G Spacer A C A A A A A C C
DH JH A G G T G T C A C 12 bp T G T T T T T G G
3 162

Vκ Jκ VH DH JH Vλ Jλ A C C T
4 200 8 262 116 b VH
T G G A
DH

1 652 400 958 392


5 Antikörper mit
κ-Leichtkette
Antikörper mit
λ-Leichtkette ACG
c VH DH
2 610 792 T T C GA
6 Antikörper insgesamt
T
7 .. Abb. 6.8  Anzahl der möglichen V(D)J-Kombinationen bei Antikörpern.
Ausgehend von den in . Tab. 6.1 angegebenen Anzahlen der im Genom d VH
A C GAG T C A G
DH
T G T C GA T C GA
codierten V-, D- und J-Segmente der κ- und λ-Leichtketten sowie der schwe- G
8 ren Kette kann man die bei jedem Rekombinationsschritt maximal mögliche
Anzahl an Kombinationen berechnen. Zusammengenommen ergeben sich N-Nucleotide
mehr als 2,5 Millionen möglicher Kombinationen, die in einem fertigen A CGAG T C AGC T AGC T
e VH DH
9 Antikörper auftreten können T GC T C AG T CGA T CGA
P-Nucleotide

10 .. Tab. 6.1  Anzahl der VDJ-Gensegmente und ihrer möglichen Kom- .. Abb. 6.9  Einfügen von P- und N-Nucleotiden. Im Verlauf der Verbindung
binationen in BCR und TCR der codierenden V(D)J-Sequenzen werden zusätzliche Nucleotide einge-
fügt. Im ersten Schritt (a) kommt es zu einer An­lagerung von RSS mit 12-
11 IgH Igκ Igμ TCRα TCRβ TCRγ TCRδ und 23-bp-Spacern und einer Spaltung zwischen codierender Sequenz und
Heptamer durch RAG-1/-2. Der Schnitt ist im Bild durch einen roten Strich ge-
V 51 40 29 70 52 12 4
kennzeichnet, muss aber nicht immer genau am Übergang der codierenden
12 D 27 – – – 2 – 3 Sequenz zum Heptamer erfolgen. b) Ebenfalls durch RAG-1/-2 kommt es zur
Ausbildung von haarnadelförmigen (hairpin) Strukturen an den Enden der
J 6 5 4 61 13 5 3
13 Mögliche ~ 2,6 × 106 ~ 5,8 × 106 2160
codierenden Sequenzen. Diese hairpin-Strukturen werden kurz darauf durch
eine Endonuclease geöffnet (Schnittstellen angedeutet durch rote Striche).
Rezeptoren c) Der Schnitt erfolgt wenige Basen vom Scheitelpunkt entfernt, sodass eini-

14 Die in dieser Tabelle verwendeten Zahlen sind die ungefähre Anzahl


ge Basen der ursprünglichen Sequenz an einer Seite überstehen. d) An den
Enden ergänzt die TdT (Terminale Desoxyribonucleotidyl-Transferase) zufällig
funktioneller Segmente im humanen Genom. Die Gesamtzahl an weitere Nucleotide (grün dargestellt). Es kommt zur Anlagerung der losen
15 Segmenten im Genom ist deutlich höher als hier an­gegeben, aber
viele davon sind Pseudogene und führen nicht zu einem funktionel-
Enden durch zufällig entstandene komplementäre Sequenzen. Sollten dabei
an den Enden nicht komplementäre Nucleotide vorhanden sein, werden sie
len Antigen­rezeptor. abgespalten (gekennzeichnet durch rote Striche). e) Fehlende Nucleotide
16 werden aufgefüllt, sodass zwei durchgängige, komplementäre DNA-Stränge
entstehen. Dieser aufgefüllte Strang enthält jetzt zwei Arten von Nucleoiden,
die nicht in der ursprünglichen genomischen Sequenz vorhanden waren. Die
17 lung der jeweiligen Antigenrezeptoren. Zusätzlich gibt es eine P(palindromisch)-Nucleotide (blau) entstanden aus den unsymmetrischen
große Menge von Pseudogenen, bei deren Verwendung kein Schnitten der hairpin-Strukturen, und die N(nicht codiert)-Nucleotide (grün)
sind die zufälligen Ergänzungen der TdT
funktionierender Antigenrezeptor zustande kommt. Insgesamt
18 sind beispielsweise im humanen IgH-Locus 123 V-Segmente
codiert, die sich über 2000–3000 kpb erstrecken. Auch die weit wenn nicht genug B-Zellen im Körper vorhanden sind, damit
19 entfernten V-Segmente werden nicht seltener eingesetzt als die alle möglichen Varianten auch wirklich vorkommen könnten.
nahe an den D-Segmenten liegenden, und der Abstand zwischen Das tatsächliche Repertoire dürfte also wenige Milliarden unter-
20 den RSS scheint keinen Einfluss darauf zu haben, wie häufig schiedlicher Antikörper beinhalten.
ein V-Segment in der Rekombination Verwendung findet. Das bedeutet, dass es noch weitere Mechanismen geben
Die VDJ-Rekombination alleine reicht noch nicht aus, um die muss, durch die zusätzliche Vielfalt in die Antigenrezeptoren
21 Zahl aller möglichen Antikörper zu erklären. Es können nicht eingebracht wird. Dies erfolgt dadurch, dass bei den Verbindun-
nur Milliarden verschiedener Antigene erkannt werden, es gibt gen der codierenden  V(D)J-Segmente zusätzliche Nucleotide
22 gegen diese Antigene auch noch mehrere mögliche variable Re- eingefügt werden (. Abb. 6.9). In einem ersten Schritt werden
gionen. Beispielsweise können zwei Antikörper exakt dasselbe durch den RAG-1/-2-Komplex Doppelstrangbrüche zwischen
Antigen erkennen, es aber aufgrund unterschiedlicher variab- der codierenden Sequenz und der RSS eingefügt. Dieser Schnitt
23 ler Regionen mit unterschiedlicher Affinität binden. Die Größe erfolgt nicht immer direkt neben dem Heptamer, sodass einige
des gesamten möglichen Antikörperrepertoires dürfte nach Basenpaare mehr oder weniger übrig bleiben können. Die En-
Schätzungen bei mehr als einhundert Milliarden liegen, auch den der codierenden Sequenz werden zu einer hairpin(= Haar-
6.2 • Immungenetik
97 6

Exkurs 6.1: Produktion monoklonaler Antikörper durch B-Zell-Hybridome  |       | 


Die Möglichkeit, dem Immunsystem gezielt B-Zellen werden dann mit immortalisierten da die B-Zellen eine limitierte Lebensspanne
Antikörper mit einer bestimmten Spezifität (unsterblichen) Myelomzellen fusioniert, um haben. Im Anschluss daran kann aus den
zuzuführen, bietet ein großes therapeutisches so Hybridomzellen zu erzeugen, die weiterhin so gewonnenen Hybridomzellen ein Klon
Potenzial, da auf diese Weise eine antikör- Antikörper produzieren und sich in vitro ausgewählt werden, der einen Antikörper der
pervermittelte Immunreaktion gegen eine unbegrenzt vermehren lassen. Dazu wird ein gewünschten Spezifität produziert.
beliebige Zielstruktur gerichtet werden kann. eleganter Mechanismus verwendet, um die Auf diese Weise hergestellte monoklonale
Dafür ist es notwendig, den entsprechenden große Anzahl der Zellen, bei denen keine Antikörper stammen aus der Maus und sind
Antikörper in nahezu unbegrenzter Menge Fusion stattgefunden hat, zu eliminieren: nur von geringem therapeutischem Nutzen.
herzustellen. Die Lebensdauer von B-Zellen in Die Zellen werden nach der Fusion in HAT(Hy- Sie werden vom Körper als fremd erkannt, und
Kultur ist allerdings sehr begrenzt. Dies führt poxanthin, Aminopterin, Thymidin)-Medium es kommt zur Bildung von HAMA (Humanen
dazu, dass gut charakterisierte monoklonale kultiviert. Aminopterin inhibiert die Dihy- anti-Maus-Antikörpern). Ein entsprechen-
Antikörper, also identische Antikörper, die von drofolat-Reduktase, die für die Synthese des Verfahren, um menschliche B-Zellen
einem einzelnen B-Zell-Klon produziert wer- von ATP, GTP und TTP notwendig ist. Es gibt zu immortalisieren, existiert nicht. Daher
den, nicht ohne Weiteres produziert werden aber alternative Wege, durch die Zellen ATP wurden verschiedene Ansätze entwickelt, um
können. und GTP produzieren können. Aus dem vom menschlichen Immunsystem tolerierte
1975 publizierten Georges Köhler und César zugegebenen Thymidin kann TTP gebildet Antikörper herzustellen. Dazu gehören die
Milstein eine Technik, mit der es möglich werden. Die Synthese von GTP und ATP Immortalisierung menschlicher B-Zellen durch
war, unsterbliche Zellen zu generieren, die ist aus Hypoxanthin unter Beteiligung der das Epstein-Barr-Virus, der Austausch der
monoklonale Antikörper mit einer gewünsch- HGPRT (Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribo- nicht antigenspezifischen Regionen gegen die
ten Spezifität produzieren (. Abb. 6.10). Im syl-Transferase) möglich. Der Myelomzell-Linie entsprechenden humanen Teile durch moleku-
Jahr 1984 erhielten sie dafür, zusammen mit fehlt allerdings HGPRT, sodass die Zellen an larbiologische Methoden oder der Einsatz von
Nils Jerne, den Nobelpreis. Um die soge- GTP-Mangel sterben. Bei einer Fusion zur B-Zellen aus transgenen Mäusen, bei denen
nannten Hybridomzellen herzustellen, muss Hybridomzelle steuert die B-Zelle HGPRT bei die Genloci für die leichten und schweren
man zunächst Mäuse gegen das gewünschte und die Myelomzelle ihre Unsterblichkeit. Nur Antikörperketten durch die entsprechenden
Antigen immunisieren. Nach Entnahme der Zellen mit der Kombination aus beiden sind menschlichen Gegenstücke ersetzt wurden.
Milz werden daraus B-Zellen gewonnen. Diese über längere Zeit im HAT-Medium lebensfähig,

Immunisierung Zucht von Myelomzellen


von Mäusen HGPRT+

HGPRT+ HGPRT+ HGPRT– HGPRT– HGPRT–


Fusion
HGPRT+
HG
PR

HGPRT+ HGPRT+ HGPRT– HGPRT–


T
+

kein Überleben in HAT-Medium


sterben nach 3–6 Wochen
in Kultur von allein HGPRT+

HGPRT+

sterbliche Zellen HGPRT+ unsterbliche Zellen

.. Abb. 6.10  Herstellung von B-Zell-Hybridomen. Zunächst werden nach Immunisierung einer Maus aus deren Milz B-Zellen gewonnen. Diese
werden mit HGPRT-negativen Myelomzellen fusioniert, wobei es zu zufälligen Kombinationen aller vorhandenen Zelltypen kommen kann und auch
manche Zellen nicht fusionieren. Nach Kultur in HAT-Medium überleben nur Hybridomzellen, da sie die immor­talisierten Eigenschaften der Myelom-
zelle und zusätzlich die HGPRT der B-Zelle besitzen. Im An­schluss an den hier dargestellten Vorgang müssen noch einzelne Hybrid-Klone identifiziert
werden, die die gewünschte Antigenspezifität aufweisen, da in der Mäusemilz trotz vorhergehender Immunisierung auch B-Zellen gegen zahlreiche
andere Antigene vorhanden sind
98 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie

1 V DJ S Cµ Cδ S Cγ 3 S Cγ 1 S Cα 1 S Cγ 2 S Cγ 4 S Cε S Cα 2

2
.. Abb. 6.11  Verschiedene Segmente für den konstanten Teil der schweren Kette codieren für unter­schiedliche Antikörperklassen. Im menschlichen
Genom liegen die C-Segmente für die verschiedenen Antikörperklassen im IgH-Locus nebeneinander aufgereiht vor. Aufgrund der Position von Cμ und Cδ
neben den rekombinierten VDJ-Segmenten wird in B-Zellen zunächst nur IgM und IgD gebildet. Damit andere C-Segmente verwendet werden können, ist ein

3 Rekombinationsvorgang notwendig, für den die S-Regionen gebraucht werden. Zwischen Cμ und Cδ gibt es keine S-Region, sodass diese immer gemeinsam
abgelesen oder entfernt werden

4 nadel)-Struktur verbunden. Das Chromosom ist zu diesem Zeit- Der RAG-1/-2-Proteinkomplex und die RSS werden für alle
punkt in zwei Teile geteilt, die jeweils mit einem hairpin enden. Genumlagerungen in TCR- und BCR-tragenden Zellen verwen-
5 Dieser hairpin wird kurz darauf von einer Endonuclease wieder det. Trotzdem kommt es nur zu einem bestimmten Zeitpunkt
gespalten, allerdings meist einige Basen neben dem Punkt, an zur Rekombination an jeweils einer genau festgelegten Stelle.
dem der RAG-1/-2-Komplex die Stränge verbunden hatte. An die Es kommt in Prä-B-Zellen zu keinen Umlagerungen in den
6 Enden werden dann von der TdT (Terminale Desoxyribonucleo- TCR-Genen. Woran erkennt der RAG-1/-2-Komplex, welches
tidyl-Transferase) nach dem Zufallsprinzip weitere Nucleotide Gen umgelagert werden muss und welche nicht? Eine Rekombi-
7 angebracht. Im Folgenden kommt es zur Zusammenlagerung nation kann nicht an einer beliebigen Stelle der DNA erfolgen,
zufällig komplementärer Sequenzen von beiden Teilen des Chro- da die Chromatinstruktur zu unzugänglich für diesen Vorgang
mosoms. An den Enden eventuell überstehende nicht komple- ist. Erst nachdem die Zugänglichkeit jeweils nur in bestimmten
8 mentäre Basen können durch eine Exonuclease entfernt werden, Zellen und auf genau definierten Stufen des Entwicklungspro-
und die fehlenden Basen der noch inkompletten Stränge werden zesses gegeben ist, kann es zu einer somatischen Rekombination
9 aufgefüllt. Danach ist die genomische DNA wieder durchgän- kommen.
gig und enthält eine Reihe neuer Nucleotide, die in der Keim-
10 bahn-DNA nicht enthalten waren.
Isotypwechsel von Immunglobulinen
Der Schnitt neben dem Scheitelpunkt der hairpin-Struktur
führt dazu, dass einige Basenpaare, die komplementär waren, (Klassenwechsel)
11 jetzt in der Sequenz nebeneinander liegen, sodass eine palin-
dromische Sequenz entsteht. Daher werden diese Nucleotide als In den Genloci für die leichten Antikörperketten und die
12 P-Nucleotide bezeichnet. Die Sequenz der von der TdT ange- TCR-Ketten ist jeweils nur ein Segment für den konstanten Teil
brachten Nucleotide war vor Beginn der Rekombination nicht im enthalten. Im Gegensatz dazu gibt es bei der schweren Antikör-
Genom codiert, daher werden diese als N-Nucleotide (non-co- perkette mehrere verschiedene Segmente, die für die konstanten
13 ding) bezeichnet. Teile der jeweiligen Antikörperklassen codieren (. Abb. 6.11).
Alle drei Mechanismen, das ungenaue Schneiden neben Wie oben beschrieben, werden zunächst nur die Gensegmente
14 dem Heptamer sowie das Einfügen der P- und N-Nucleotide, für IgM und IgD abgelesen, sodass auch nur diese beiden An-
geschehen unkontrolliert, und es gibt keine Garantie dafür, dass tikörperklassen gebildet werden. Damit eine reife B-Zelle im
15 die Veränderungen im Leseraster bleiben, d. h., dass immer nur Rahmen des bereits in ▶ Kap. 5 beschriebenen Isotypwechsels
Dreierpaare eingefügt werden, die einer neuen Aminosäure ent- (class switch) auch die anderen Isotypen produzieren kann, ist
sprächen. Daher sollten zwei Drittel der Verbindungen zu einer ein weiterer Rekombinationsprozess notwendig.
16 Verschiebung des Leserasters und zu einem vorzeitigen Abbruch Die Klassenwechsel-Rekombination erfolgt zwischen be-
der Proteinsynthese führen. Damit wäre die Rekombination stimmten Abschnitten, den S(switch)-Regionen, die am 5′-Ende
17 fehlgeschlagen. Es ist aber möglich, die VJ-Rekombination zu vor den Segmenten für die verschiedenen konstanten Regionen
wiederholen, solange noch ungeschnittene V- und J-Segmente liegen. Die S-Regionen bestehen aus kurzen (20–80 bp) Sequen-
vorhanden sind. Erst danach müsste der Vorgang beim anderen zen mit hohem Guanosin-Anteil, die insgesamt 1–12 kb lang
18 Allel wiederholt werden. Dennoch lohnt sich das relativ hohe sind. Wie in . Abb. 6.12 dargestellt, kommt es zu einer Rekombi-
Risiko, keinen funktionellen Rezeptor zu erzeugen, da im Er- nation zwischen den S-Regionen vor Cμ und dem Segment für die
19 folgsfall die neuen Nucleotide die Antigenbindung beeinflussen konstante Region, zu der der Klassenwechsel stattfindet, wobei
können. Durch diese Prozesse wird die Anzahl der möglichen der dazwischen liegende Teil der DNA herausgeschnitten wird.
20 variablen Regionen vervielfacht, und erst dadurch wird die hohe Da es vor dem Segment Cδ keine S-Region gibt, werden immer
Zahl an unterschiedlichen Antigenbindungsstellen von TCR und mindestens Cμ und Cδ herausgeschnitten, und ein Klassenwech-
BCR möglich. sel zu IgD ist nicht möglich. Selbstverständlich kann auch nicht
21 Die Rekombination kann jeweils auf beiden Allelen der wieder zu einer Antikörperklasse zurückgewechselt werden, die
schweren und leichten Ketten stattfinden, aber eine B-Zelle kann bereits herausgeschnitten wurde, da der Vorgang irreversibel
22 immer nur einen bestimmten BCR produzieren. Sobald eine er- ist. Es ist aber möglich, weitere Wechsel zu noch vorhandenen
folgreiche Rekombination durchgeführt wurde, ist der Prozess C-Segmenten zu machen. In dem Beispiel in . Abb. 6.12 wäre
für diesen Genlocus beendet und das entsprechende andere Allel noch ein weiterer Klassenwechsel von IgE zu IgA möglich, wenn
23 wird stillgelegt. Dies wird als alleler Ausschluss bezeichnet. Es das Cε durch Rekombination entfernt würde.
kommt also zu einem Wettlauf der Allele um die Fertigstellung Der erste Schritt bei der Klassenwechsel-Rekombination er-
der Rekombination. fordert das Enzym AID (activation-induced cytidine deaminase).
6.2 • Immungenetik
99 6

a V DJ S Cµ Cδ S Cε S Cα 2 ACG T CACG T
T GC AG T GC A
AID

A CG T UA CG T


T GC AG T GC A

S
b V DJ Cε S Cα 2
ACG T T ACG T ACG T ACG T A T
T GCAA T GCA T G C AG T G C A T G C AG T G C A
c V DJ S Cε S Cα 2

ACG T AACG T A C T AGA C C T


.. Abb. 6.12  Somatische Rekombination beim Immunglobulinklassen-
T GCA T T GCA T GA T C T GGA
wechsel. Dargestellt ist der Klassenwechsel von IgM/D zu IgE. a) Zunächst
kommt es in den S(switch)-Regionen von Cμ und Cε zu Doppelstrangbrüchen alternative diverse
(dargestellt durch rote Striche). b) Beim Zusammenfügen der Enden wird der Mutationen Alternativen
am 5′-Ende gelegene Teil der zu Cμ gehörenden S-Region mit dem 3′-Teil der T G
Cε-S-Region ver­bunden. Dabei gehen die dazwischen liegenden Regionen A C
unwiederbringlich verloren. c) Übrig bleibt der IgH-Genlocus mit der vorher
bereits vorhandenen VDJ-Sequenz (der Antikörper behält seine Spezifität) .. Abb. 6.13  Mechanismus der somatischen Hypermutation. Im ersten
neben Cε, sodass ab jetzt Antikörper der Klasse IgE produziert werden. Die Schritt kommt es zur De­saminierung eines Cytidins zu Uracil (grün) durch
vor Cε liegende S-Region ist weiterhin funktional, sodass theoretisch noch ein die AID. Im zweiten Schritt können durch drei verschiedene Mechanismen
weiterer Klassenwechsel erfolgen kann Mutationen (rot) auftreten. Wie auf der linken Seite dargestellt, kann bei der
DNA-Replikation eine U/A-Paarung auftreten, sodass es in einem der Tochter-
stränge zu einer C→T-Mutation kommt. Der mittlere Weg beginnt, wie beim
Sie wandelt Cytidine in den S-Regionen durch Desaminierung in Klassenwechsel, mit der Entfernung des Uracils. An dieser Stelle kann anstelle
Uracil um. Der Immunglobulinklassenwechsel findet vorwiegend der fehlenden Base eine beliebige neue Base eingebaut werden. Auf der
in den Keimzentren der sekundären lymphatischen Organe statt. rechten Seite kommt es nach Erkennung der U/G-Fehlpaarung zunächst zur
Dort muss eine B-Zelle für eine Klassenwechsel-Rekombination Ent­fernung mehrerer Basen. Diese werden dann mit einer hohen Ungenauig-
keit ersetzt, sodass mehrere Mutationen auftreten. In allen drei Fällen zeigen
mindestens zwei Teilungszyklen durchlaufen. Währenddessen
die zellulären Reparaturmechanismen eine ungewöhnlich hohe Fehlerrate,
kommt es durch Stimulation des IL-4-Rezeptors und CD40 zur verglichen mit der Präzision, mit der DNA-Schäden normalerweise repariert
Aktivierung der Transkriptionsfaktoren STAT6 und NFκB, die werden
die Bildung von AID-mRNA induzieren.
Das Uracil wird dann durch den Basenaustausch-Reparatur- chen Antigenrezeptoren beiträgt, gibt es ausschließlich in B-Zel-
mechanismus der DNA entfernt, was zunächst zu einem Einzel- len noch einen weiteren Mechanismus, um die variablen Teile
strangbruch führt. Liegen zwei davon dicht genug beieinander, der Antikörper zu verändern: die somatische Hypermutation. Im
wird daraus ein Doppelstrangbruch. Die an den Enden überste- Verlauf der B-Zell-Proliferation in den Keimzentren kommt es
henden Einzelstrangenden werden aufgefüllt oder abgeschnitten nicht nur zum Immunglobulinklassenwechsel. Gleichzeitig tritt
und die S-Regionen so neu zusammengefügt, dass eine rekombi- auch eine hohe Rate an Mutationen in der variablen Region der
nierte DNA entsteht, bei der sich die VDJ-Region neben einem schweren Kette auf. Dabei handelt es sich in der Regel um Ver-
neuen C-Segment befindet. änderungen einzelner Basen, die 100–200 bp nach dem Trans­
Den Anstoß zum Klassenwechsel gibt die T-Helferzelle durch kriptionsstart auftreten und sich über eine Länge von 1,5–2 kbp
CD40L. Zusätzlich dazu schüttet sie Cytokine aus, die steuern, erstrecken, sodass sie die VDJ-Region betreffen, nicht aber den
zu welcher Antikörperklasse der Wechsel erfolgen soll. Das Sub- Promotor oder die C-Region. Im Vergleich zur normalen Muta-
strat für AID ist einzelsträngige DNA und die AID wird durch tionsrate von ungefähr einer Mutation auf 109 bp pro Zellteilung
die RNA-Polymerase II gebunden, sodass die Desaminierung verändert sich in diesem Bereich eine Base von 105–103 bp, was
an Stellen mit Transkriptionsaktivität erfolgt. In 5′-Position zu einer 10.000- bis 1.000.000-fachen Verstärkung entspricht.
den S-Regionen befinden sich Promotoren, die durch Cytokine Die somatische Hypermutation wird durch den gleichen Me-
angesteuerte Elemente beinhalten. So erzeugt Kontakt mit den chanismus ausgelöst wie der Klassenwechsel: eine durch AID ka-
steuernden Cytokinen Transkriptionsaktivität in der S-Region talysierte Desaminierung eines Cytidins zu Uracil. In der Folge
neben dem Segment, zu dem der Klassenwechsel erfolgen soll. kommt es nicht zur Ausbildung eines Doppelstrangbruches,
Dabei wird sterile RNA gebildet, die nicht für Proteine codiert. sondern zum Einbau neuer Basen durch zelluläre Reparaturme-
Stattdessen dient der Vorgang ausschließlich dazu, die richtige chanismen für DNA-Schäden (. Abb. 6.13). Entweder wird bei
Position für den Angriff der AID zu öffnen. der nächsten Replikation das U als ein A abgelesen, woraufhin
im Komplementärstrang ein T eingebaut wird. Alternativ wird
die U:G-Fehlpaarung erkannt, das fehlerhafte Nucleotid entfernt
Somatische Hypermutation und durch ein neues ersetzt. Dabei wird das auf dem entgegen-
gesetzten Strang gelegene Guanin nicht berücksichtigt, sodass
Zusätzlich zu der oben beschriebenen somatischen Rekombina- zufällig eine der vier Basen an dieser Stelle eingebaut wird. Gleich
tion, die in B- und T-Zellen zur Entstehung der unterschiedli- mehrere Mutationen können in die Sequenz eingebracht werden,
100 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie

wenn im Verlauf der Reparatur ein längeres Stück um das Uracil


1 entfernt wird. Die Sequenz wird nur ungenau ersetzt, sodass es
in diesem Abschnitt auch zu Mutationen in den Basenpaaren in
2 der Umgebung des ursprünglich durch die AID-veränderten C:G
kommt. Während die DNA-Reparaturmechanismen der Zelle
normalerweise die ursprüngliche Sequenz möglichst getreu wie-
3 derherstellen, tritt in der VDJ-Region eine ungewöhnlich hohe
Fehlerrate auf, sodass es zu Hypermutationen in der variablen
4 Region kommt. Es ist bislang ungeklärt, warum die AID gerade
in der VDJ-Region aktiv wird und aus welchen Gründen die Re-
5 paraturmechanismen hier eine so ungewöhnlich hohe Fehlerrate
aufweisen. Die dadurch entstehenden Mutationen sind die Basis
der Veränderungen in den Antigenbindungseigenschaften von
6 Antikörpern, auf denen die Affinitätsreifung beruht.

7
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16
17
18
19
20
21
22
23
101 7

Die Regulation
des Immunsystems
und immunprivilegierte Organe
Hajo Haase, Andrea Kruse, Lothar Rink

7.1 Cytokine – 102
7.2 Chemokine  – 107
7.3 Adhäsion und Navigation  –  108
7.4 Regulatorische T-Zellen (Treg) – 113
7.5 Ausnahmen bestätigen die Regel –
immunprivilegierte Organe – 116
Literatur – 119

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
102 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

7.1 Cytokine Die Signaltransduktion durch die Rezeptoren für die IL-2-Fa-
1 milie ist prototypisch für die einer großen Zahl von Cytokinre-
Nur durch das Zusammenwirken mehrerer Zelltypen ist eine ef- zeptoren (. Abb. 7.1): Die Rezeptoren selbst verfügen über keine
2 fektive Immunantwort möglich. Um diese zu koordinieren, gibt eigene Kinaseaktivität und sind stattdessen auf die Bindung von
es eine Reihe von Mechanismen zur Kommunikation zwischen Janus-Kinasen (JAK) angewiesen. Diese phosphorylieren sich
Immun­zellen, unter anderem eine Vielzahl von immunmodulie- gegenseitig an Tyrosinresten, aber auch Tyrosine des Rezeptors
3 renden Signalmolekülen, die Cytokine. Eine offiziell anerkannte und eine Gruppe von Transkriptionsfaktoren, die sogenannten
Definition der Cytokine gibt es nicht. Von den Peptidhormonen STAT(signal transducers and activators of transcription)-Proteine,
4 kann man sie aufgrund ihrer Größe und der Tatsache, dass sie die als Dimere in den Kern wandern und einen Großteil der cy-
nicht nur von speziell dafür existierenden Zellen gebildet werden, tokinvermittelten Genexpression regulieren. Darüber hinaus
5 abgrenzen. Die Cytokine lassen sich daher wie folgt beschreiben: werden aber auch noch weitere Signalwege, wie MAP-Kinasen
Cytokine sind Proteine, die von verschiedenen Zellen (d. h. kei- und die PI-3-Kinase, aktiviert.
nen spezialisierten Drüsenzellen) produziert werden können und Es gibt vier JAK- und sieben STAT-Proteine. Je nach Rezeptor
6 über spezifische Rezeptoren auf der Zellmembran Signale von oder werden ein oder mehrere unterschiedliche Vertreter der beiden
auf Zellen des Immunsystems übertragen. Gruppen für die Signaltransduktion verwendet. Das Cytokinsi-
7 Die meisten Cytokine wurden zunächst aufgrund ihrer Funk- gnal kann durch die Internalisierung und den Abbau der Rezep-
tion in den Überständen aktivierter Zellen identifiziert und wa- toren in Endosomen beendet werden. Darüber hinaus werden
ren lange unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt, bis man im Verlauf der Aktivierung der Zellen auch SOCS(suppressor
8 sie aufreinigte und genauer untersuchte. Man erkannte, dass es of cytokine signaling)-Proteine induziert, die an die JAK binden
sich bei den in verschiedenen Labors untersuchten Faktoren häu- können und sie dadurch inaktivieren. Auf diese Weise lösen die
9 fig um das gleiche Protein handelte. Beispielsweise gibt es mehr Cytokinrezeptoren eine negative Rückkopplung (feedback) aus,
als vierzig verschiedene Namen für Interleukin(IL)-1, die aber die nach einiger Zeit zur Beendigung der Signale führt.
10 heute kaum noch gebräuchlich sind.
Rezeptoren aus drei Untereinheiten
In . Tab. 7.1 befindet sich eine Zusammenstellung der Ei-
genschaften einer Reihe von Cytokinen. Diese Aufstellung ließe Neben dem IL-2 gehören zu dieser Gruppe noch IL-4, -7, -9, -15
11 sich noch deutlich erweitern, und die wichtigsten der zahlreichen und -21. Allen gemeinsam ist die Interaktion mit Rezeptoren, die
Funktionen der Cytokine sind an den entsprechenden Stellen in aus drei Untereinheiten aufgebaut sind. Dabei ist die α-Unterein-
12 diesem Buch eingehender beschrieben. heit jeweils spezifisch für die Ligandenbindung, während die β-
Aufgrund der immensen strukturellen und funktionellen und γ-Untereinheiten für die Signaltransduktion verantwortlich
Unterschiede ist eine Klassifizierung der Cytokine schwierig. sind. Die γ-Untereinheit (= CD132) ist in allen Rezeptoren dieser
13 Begriffe wie Lymphokine oder Monokine, für Cytokine, die von Familie identisch und wird daher auch als gemeinsame γ-Kette
Lymphocyten, beziehungsweise Monocyten produziert werden, (common γ chain) bezeichnet.
14 leiten eine Einteilung von den produzierenden Zellen ab, die IL-2 ist das wesentliche Cytokin für die Proliferation von
aber nicht strikt gilt. Ein anderer Ansatz verwendet die Bezeich- T-Zellen, und die α-Untereinheit seines Rezeptors wird auf akti-
15 nung Interleukine. Ein Cytokin darf als Interleukin bezeichnet vierten T-Zellen hochreguliert, damit sie IL-2-vermittelte Proli-
werden, wenn das Protein kloniert, exprimiert, gereinigt und ferationssignale empfangen können. Diese Untereinheit ist auch
sequenziert wurde. Zusätzlich muss nachgewiesen sein, dass es als CD25 bekannt und wird häufig als Marker für die Aktivierung
16 ein natürliches Produkt von Zellen des Immunsystems ist und von T-Zellen verwendet.
es im Immunsystem seine Hauptfunktion hat. Bisher sind nach
17 dieser Definition die Interleukine 1 bis 38 identifiziert worden. Rezeptoren aus zwei Untereinheiten
Cytokine können aber auch nach ihrer Funktion in Gruppen IL-3, IL-6 und einige weitere Cytokine werden ähnlich wie die
eingeteilt werden. Proinflammatorische Cytokine wie IL-1, IL-6 in . Abb. 7.1 dargestellten von Zellen erkannt, der zugehörige
18 und Tumornekrose­faktor(TNF)-α sind beispielsweise wichtige Rezeptor besteht dabei aber nur aus zwei verschiedenen Unter-
Entzündungsmediatoren. Im Folgenden sind die strukturellen einheiten. IL-3, IL-5 und GM-CSF werden jeweils durch eine
19 Ähnlichkeiten der Cytokine und ihrer entsprechenden Rezepto- Kombination aus einer für das jeweilige Cytokin spezifischen
ren für eine Einteilung herangezogen worden. α-Kette sowie der gemeinsamen β-Kette gp140 (Glykoprotein
20 von 140 kDa) gebunden. Ganz ähnlich werden IL-6, IL-11, IL-12,
IL-23, IL-27 und G-CSF durch eine spezifische α-Kette und die
Hämatopoetische Rezeptoren der Klasse 1 β-Kette gp130 von Zellen wahrgenommen.
21 und zugehörige Cytokine
Rezeptoren aus einer Untereinheit
22 Die Klasse-1-Rezeptoren werden aufgrund ihres ähnlichen Auf- Als letzte Gruppe gibt es auch einige Klasse-1-Rezeptoren, bei
baus und aufgrund der Mechanismen, mit denen die Signale von denen nur eine Kette für die Erkennung und Signalweiterleitung
der Oberfläche ins Zellinnere weitergeleitet werden, zusammen- verantwortlich ist. Dazu gehören die Rezeptoren für Erythro-
23 gefasst. Dennoch gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede zwi- poietin, Thrombopoietin, Prolactin und G-CSF. Sie bilden nach
schen einzelnen Untergruppen, die in den folgenden Abschnitten Bindung des spezifischen Liganden Homodimere aus, die die
kurz vorgestellt werden. üblichen JAK/STAT-Signalwege aktivieren.
7.1 • Cytokine
103 7

.. Tab. 7.1  Übersicht ausgewählter Cytokine

Cytokin Größea Ursprung/Expressionb Wirkungb Medizinische Anwendung

EPO 166 Niere Differenzierung und Reifung von Erythrocyten Anämie

G-CSF 207 Mo, Ma, PMN Hämatopoese von Gra Neutropenie

M-CSF 256–554 Mo, Ec, Gra, F Entwicklung von Mo und Ma

GM-CSF 127 T, Ma Wachstum von Gra- und Mo-Vorläuferzellen

IFN-α 156–172 pDC, Mo, Ma Antiviral Virale Hepatitis (chro-


nisch), verschiedene
Leukämien

IFN-β 166 pDC, F, Ep Antiviral Multiple Sklerose, schwere


Viruserkrankungen

IFN-γ 146 (ho) TH1, NK, CTL Fördert TH1 und zelluläre Immunität, aktiviert Ma Septische Granulomatose

IL-1 159 IL-1α Mo, Ma, Ec, F, T, B, Fördert Entzündung und Akutphase, stimuliert TH und
153 IL-1β NK, … B, u.v.m.

IL-1Ra 152 Mo, Ma, PMN, F, Ep, … Hemmt IL-1 durch Blockade des IL-1-Rezeptors Rheumatoide Arthritis

IL-2 133 T T-Proliferation Metastasierendes Nieren-


zellkarzinom

IL-3 133 T, N, MC, Ec, Mo Wachstumsfaktor in der Hämatopoese

IL-4 129 T H2 Fördert TH2 und humorale Immunität

IL-5 115 T Wachstumsfaktor für Eosinophile

IL-6 185 Mo, F, Ec, T, B, Ma, Gra Entzündung


B-Differenzierung
CTL-Differenzierung

IL-7 152 KMS; Thymus Hämatopoese von T und B

IL-8 72 Mo, Ma, F, Ec Chemotaxis

IL-9 144 TH Produktion von IgG, IgM und IgE durch B

IL-10 160 (ho) T, Mo, MC Antiinflammatorisch, hemmt die TH1-Antwort

IL-11 179 KMS Hämatopoese

IL-12 306 IL-12p40 B, T Aktivierung von TH1


197 IL-12p35
(he: p35/p40; ho:
p40)

IL-13 111 T H2 Antiinflammatorisch, Aktivierung von B

IL-14 483 T Proliferation von B

IL-15 114 Muskel, Plazenta Proliferation von T, MC, Reifung von NK

IL-16 121 CTL Chemotaxis von TH, DC, Mo, Ma

IL-17A 155 (ho) TH17 Inflammatorisch, Mobilisierung von PMN


IL-17F 153 (ho)

IL-18 193 Mo, Ma, DC, Ep, Ec Inflammatorisch, fördert TH1

IL-19 159 Mo, Ep Antiinflammatorisch, fördert TH2

IL-20 176 Mo, Ep, DC Unbekannt

IL-21 131 TH17, NKT Reguliert Ig-Produktion und Induktion von TH17

a 
Die Größe der Cytokine ist angegeben (soweit bekannt) als Anzahl der Aminosäuren des aktiven humanen Proteins, bei Multimeren jeweils bezo-
gen auf ein Monomer (ho: Homodimer; he: Heterodimer).
b
B: B-Zellen; DC: dendritische Zellen; Ec: Endothelzellen; Ep: Epithelzellen; F: Fibroblasten; Gra: Granulocyten; KMS: Knochemarkstroma; MC: Mast-
zellen; Ma: Makrophagen; Mo: Monocyten; NK: natürliche Killerzellen; pDC: plasmacytoide dendritische Zellen; PMN: neutrophile Granulocyten; T:
T-Zellen; TH: T-Helferzellen; Treg: regulatorische T-Zellen
104 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

1 .. Tab. 7.1 (Fortsetzung) Übersicht ausgewählter Cytokine

Cytokin Größea Ursprung/Expressionb Wirkungb Medizinische Anwendung


2 IL-22 179 T Inflammatorisch

IL-23 170 IL-23p19 M, DC Fördert TH17


3 306 IL12-p40
(he)

4 IL-24 206 Mo, Ep, TH2 Antibakteriell, Antitumor?

IL-25 Murines Homolog zu IL-17E


5 IL-26 171 (ho?) T Antiviral?

IL-27 243 IL-27p28 DC, Ma, Ec stimuliert TH1


6 228 EBI-3(he)

IL-28A 200 Mononucl. Leukocyten Antiviral (schwach)

7 (IFN-λ2)

IL-28B 200 Mononucl. Leukocyten Antiviral (schwach)


(IFN-λ3)
8 IL-29 200 Mononucl. Leukocyten Antiviral (schwach)
(IFN-λ1)
9 IL-30 = IL-27p28

IL-31 141 T H2 Inflammatorisch


10 IL-32 Mehrere Spleißva- T, NK Induziert inflammatorische Cytokine in Mo, Apoptose
rianten in T
11 IL-33 270 F, Ep Inflammatorisch, aktiviert TH2

IL-34 242 Milz, Haut, Hirn Fördert myeloide Differenzierung


12 IL-35 228 EBI-3 Treg Antiinflammatorisch, fördert Treg, hemmt TH17
197 IL-12p35
13 (he)

IL-36 3 Familienmitglie- Mo, Ma, DC, T, B, Ep, F Inflammatorisch, fördert TH1 und TH17

14 der (α, β, γ) mit


Spleißvarianten

IL-36Ra 155 Mo, B, DC Antiinflammatorisch


15 IL-37 5 Spleißvarianten NK, Mo, B Antiinflammatorisch

16 IL-38 152 Ep, B Antiinflammatorisch

SCF 248 F Hämatopoese

17 TGF-β 112 (ho) Thrombocyten, T, NK,


DC,
Inhibiert Wachstum und Aktivität von Leukocyten,
induziert Treg

18 TNF-α 157 (Trimer) Ma, Mo, T, NK Inflammatorisch, Akutphase

TPO 353 Leber, KMS Stimuliert Megakaryocyten zur Bildung von Throm-
bocyten
19 a 
Die Größe der Cytokine ist angegeben (soweit bekannt) als Anzahl der Aminosäuren des aktiven humanen Proteins, bei Multimeren jeweils bezo-
gen auf ein Monomer (ho: Homodimer; he: Heterodimer).
20 b
B: B-Zellen; DC: dendritische Zellen; Ec: Endothelzellen; Ep: Epithelzellen; F: Fibroblasten; Gra: Granulocyten; KMS: Knochemarkstroma; MC: Mast-
zellen; Ma: Makrophagen; Mo: Monocyten; NK: natürliche Killerzellen; pDC: plasmacytoide dendritische Zellen; PMN: neutrophile Granulocyten; T:
T-Zellen; TH: T-Helferzellen; Treg: regulatorische T-Zellen
21
22
23
7.1 • Cytokine
105 7
Hämatopoetische Rezeptoren der Klasse 2
IL-2
und zugehörige Cytokine
α α
Die Rezeptoren der Klasse 2 sind Multimere aus verschiedenen β γ β γ
Untereinheiten, die zu einer eigenen Gruppe zusammengefasst
JAK1 JAK3 JAK1 JAK3
werden, da sie nur wenig Ähnlichkeiten zum Aufbau der Klas- P P
se-1-Rezeptoren haben. Dennoch signalisieren auch sie über
P P
JAK- und STAT-Proteine. Zu dieser Gruppe gehören die Inter- a b
leukine IL-10, -19, -20, -22, -24, -26 und die im nächsten Ab-
schnitt behandelten Interferone. IL-2 IL-2

α α
Interferonrezeptoren und Interferone
Die Interferone (IFN) wurden entdeckt als Proteine, die infolge β γ β γ
einer Virusinfektion die Infektion mit anderen Viren hemmen. JAK1 JAK3
P JAK1 JAK3
P
P P
Von diesem Phänomen der „viralen Interferenz“ leitet sich auch
ihr Name ab. Inzwischen weiß man, dass sie darüber hinaus eine P P P P P P
STAT5 STAT5
Rolle in der Tumorabwehr, bei der Bekämpfung von bestimmten
bakteriellen Erregern und als Immunregulatoren für Zellen des
angeborenen und adaptiven Immunsystems haben. STAT5
P P
Typ-1-Interferone STAT5
c d
Die Familie der Typ-1-Interferone besteht aus mehreren Sub-
typen von IFN-α, aus IFN-β und aus einer Reihe weniger be- .. Abb. 7.1  Schematische Darstellung der Signalweiterleitung von hämat-
opoetischen Rezeptoren der Klasse 1 am Beispiel des IL-2-Rezeptors. a) In
deutender Vertreter wie IFN-δ, -ε, -κ, -τ, und -ω. IFN-α und -β
Abwesenheit des Liganden IL-2 liegt der Rezeptor auf der Plasma­membran
wirken über einen gemeinsamen Rezeptor, bestehend aus einer in seiner inaktiven Form vor. Hier gezeigt ist der hochaffine Rezeptor, der
α- und einer β-Untereinheit, durch den sie die Expression von niedrig­affine Rezeptor besteht nur aus β- und γ-Kette. b) Nach Bindung des
mehreren Hundert Genen beeinflussen können. zugehörigen Cytokins phosphorylieren Januskinasen (JAK) sich gegensei-
Nahezu alle Zellen können Interferone vom Typ 1 als Ant- tig sowie den Rezeptor. c) An die Phospho­rylierungs­stellen des Rezeptors
binden STAT-Proteine, die in der Folge ebenfalls durch die JAK phosphoryliert
wort auf eine virale Infektion produzieren. Dabei sind die Men-
werden. d) Phosphorylierte STAT-Proteine bilden Dimere, die in den Zellkern
gen, die von plasmacytoiden dendritischen Zellen produziert wandern und dort als Transkriptionsfaktoren wirken
werden, besonders groß, insbesondere in der Frühphase einer
Infektion, was auch ihren Namen „natürliche interferonprodu-
zierende Zellen“ begründet. aber auch bei bestimmten Krebserkrankungen. Die Wirkung ge-
Die antivirale Wirkung von IFN-α und -β beruht auf meh- gen maligne Zellen beruht auf einer Aktivierung von NK-Zellen
reren Mechanismen: sowie auf antiproliferativen und proapoptotischen Effekten und
a) ihrer Fähigkeit, die Proteinexpression von Zellen und damit die einer negativen Wirkung auf die sogenannte Angiogenese, die
virale Replikation zu vermindern. Dabei wird die IFN-indu- Bildung von Blutgefäßen zur Versorgung des Tumors. Darüber
zierte Proteinkinase aktiviert, die durch Phosphorylierung des hinaus wird bei Multipler Sklerose Interferon-β als immunmo-
Translationsapparates die Translation von mRNA inhibiert. dulierende Therapie gegeben, wobei der Wirkmechanismus hier
b) dem Abbau viraler Nucleinsäuren. Die 2′-5′-Oligoade- noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Als wirkungsvolle Immun-
nylat-Synthetase wird durch IFN induziert. Sie bildet in An- regulatoren sind die Interferone aber nicht frei von Nebenwir-
wesenheit von doppelsträngiger RNA Oligoadenylate, die kungen. Im Rahmen einer Interferontherapie kann es zu autoim-
eine RNA-abbauende Ribonuclease aktivieren. munen Erkrankungen wie Thyreoiditis, Lupus erythematodes
c) einer verbesserten Erkennung infizierter Zellen. Typ-1-Inter- und Typ-1-Diabetes kommen, was eine Rolle der Interferone in
ferone steigern die Expression von MHC-I-Molekülen, über der Entstehung dieser Erkrankungen andeutet.
die virale Antigene an cytotoxische T-Zellen präsentiert wer-
den. Typ-2-Interferon
d) der erleichterten Eliminierung virusinfizierter Zellen. Es IFN-γ ist der einzige Vertreter der Typ-2-Interferone. Es unter-
kommt nach Kontakt mit Typ-1-Interferonen zu einer erhöh- scheidet sich von den Typ-1-Interferonen in seiner Sequenz, der
ten Neigung zur Apoptose, was die Abtötung durch NK-Zel- Tatsache, dass es in vivo als Homodimer vorliegt, dem Rezeptor,
len und cytotoxische T-Zellen erleichtert. an den es bindet, und durch sein Wirkungsspektrum. Im Gegen-
e) der Aktivierung von Immunzellen. Von plasmacytoiden DC satz zu den Typ-1-Interferonen ist IFN-γ nur für die Immun­
produziertes IFN ist essenziell für die NK-Zell-vermittelte antwort gegen eine begrenzte Anzahl von Viren hilfreich. Es ist
Tötung virusinfizierter Zellen. hingegen essenziell für die Immunität gegen in Makrophagen
vorkommende Bakterien, Pilze und Parasiten.
Klinische Bedeutung haben die Typ-1-Interferone bei der Thera- IFN-γ wird von NK-Zellen und T-Zellen produziert und
pie von chronischen Viruserkrankungen wie Hepatitis B und C, polarisiert das TH1/TH2-Gleichgewicht in Richtung TH1. Es
106 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

inaktiv aktiv
1 .. Tab. 7.2 Chemokinrezeptoren und zugehörige Chemokine
NH2 NH2
CXC-Rezeptoren Chemokin

2 Rezeptor Liganden

CXCR1 (CD181) CXCL6, -7, -8


3 CXCR2 (CD182) CXCL1, -2, -3, -5, -6, -7, -8

CXCR3 (CD183) CXCL4, -9, -10, -11


α COOH COOH

4 CXCR4 (CD184) CXCL12


γ β
GDP γ β α
(siehe ▶ Exkurs 7.1) GTP
5 CXCR5 (CD185) CXCL13

CXCR6 (CD186) CXCL16 .. Abb. 7.2  Chemokinrezeptoren. Chemokinrezeptoren bestehen aus


6 CXCR7 CXCL12
sieben Transmembrandomänen und übertragen ihre Signale ins Zellinnere
durch heterotrimere G-Proteine. In Abwesenheit des Chemo­kins liegen die
G-Proteine im inaktiven, Guanosindiphosphat(GDP)-bindenden Zustand vor.
7 CC Rezeptoren
Durch Interaktion des Chemokins mit seinem Rezeptor kommt es zum Aus-
Rezeptor Liganden tausch von GDP gegen Guanosintriphosphat (GTP), gefolgt vom Zerfall des

8 CCR1 (CD191) CCL3, -5, -7, -13, -14, -15, -16, -23 G-Protein-Komplexes in die α- und die βγ-Untereinheit. Beide Untereinheiten
sind dann in der Lage, nachgeschaltete zelluläre Signalwege zu aktivieren
CCR2 (CD192) CCL2, -7, -8, -13, -16

9 CCR3 (CD193) CCL5, -7, -8, -11, -13, -15, -16, -24, -26, -28 Typ-3-Interferone
CCR4 (CD194) CCL17, -22 In den letzten Jahren wurde eine weitere Gruppe von antiviral
10 CCR5 (CD195) CCL3, -4, -5, -8, -11, -14, -16
wirksamen Cytokinen entdeckt, die als IFN-λ1 (IL-29), -λ2 (IL-
28A) und -λ3 (IL-28B) bezeichnet werden. Sie sind den Typ-1-In-
CCR6 (CD196) CCL20, -18 terferonen in Sequenz, Funktion und induzierenden Agenzien
11 CCR7 (CD197) CCL19, -21 ähnlich, werden aber durch einen eigenen Rezeptor detektiert,
CCR8 (CD198) CCL1, -18
der sich aus einem spezifischen IFN-λ-Rezeptorprotein und der
12 CCR9 (CD199) CCL25
β-Kette des IL-10-Rezeptors zusammensetzt, die auch an der Er-
kennung von IL-10, IL-22 und IL-26 beteiligt ist.
13 CCR10 CCL27, 2–8

XC- und CX3C-Rezeptoren


Cytokinrezeptoren
14 Rezeptor Liganden der Immunglobulinsuperfamilie
CX3CR1 CXC3L1

15 XCR1 XCL1, XCL2 Zu der Gruppe von Cytokinrezeptoren, die Immunglobulin-


domänen enthalten, gehören unter anderem die Rezeptoren für
Pseudorezeptoren
IL-1, IL-18 und IL-33. IL-1 besteht dabei aus mehreren Formen,
16 Rezeptor Liganden die wichtigsten sind die beiden aktivierenden Liganden IL-1α
CCX-CKR CCL19, -21, -25 und -β und der antagonistische Ligand IL-1Ra (Ra = Rezepto-
17 D6 CCL2, -3L1,-4, -5,- 7, -8, -11, -13, -14, -17,
rantagonist), der zwar auch an die IL-1-Rezeptoren binden kann,
-22 aber dabei kein Signal auslöst und sie für die aktivierenden For-
men des IL-1 blockiert.
18 DARC (CD234) CCL2, -7, -8, -11, -13, -14, -16, -17CXCL1, -5,
IL-1 kann durch zwei Rezeptoren auf der Zelloberfläche
-6, -7, -8, -9, -11, -13
gebunden werden, wobei eine hohe Ähnlichkeit zwischen der
19 Die Chemokinrezeptoren gehören zur Gruppe der Sieben-Transmem-
bran-Rezeptoren, das heißt, sie bestehen aus sieben helikalen, die
Signalübertragung des IL-1-Rezeptors vom Typ  1 und den
Membran durchspannenden Regionen, die durch Peptidschleifen au-
Toll-ähnlichen Rezeptoren besteht. Beide verwenden MyD88
20 ßerhalb der Membran verbunden sind (. Abb. 7.2). Es gibt ungefähr und TRIF-abhängige Signalwege. Der IL-1β-Rezeptor vom Typ 2
20 verschiedene Chemokinrezeptoren, die alle durch heterotrimere bindet zwar IL-1, löst aber keine intrazellulären Signale aus und
G-Proteine signalisieren. Zusätzlich gibt es auch Pseudorezeptoren, dient vermutlich dazu, die Konzentration an IL-1 zu vermindern.
21 die Chemokine binden und dadurch aus dem Verkehr ziehen, aber
Dieser Rezeptor wird auch von der Zelloberfläche abgespalten
keine Signale weiterleiten.
und kann im Plasma IL-1 binden, bevor es den aktivierenden
22 Rezeptor erreicht.
ist ein charakteristisches TH1-Cytokin, es vermittelt die durch Im Gegensatz zu den meisten anderen Cytokinen werden
TH1-Zellen ausgelöste Aktivierung von Makrophagen zur Abtö- die der IL-1-Familie nicht vom Golgi-Apparat über sekretori-
23 tung intrazellulärer Erreger, insbesondere von Mycobakterien sche Vesikel aus den Zellen freigesetzt. IL-1α hat hauptsächlich
sowie die Aktivierung von B-Zellen zum Immunglobulinklas- auto- oder parakrine Wirkungen und bleibt vorwiegend an der
senwechsel. produzierenden Zelle gebunden, während die Hauptmenge an
7.2 • Chemokine
107 7

sezerniertem IL-1 aus der β-Form besteht. Die 31-kDa-Form des Exkurs 7.1: CXCR4/CCR5 und HIV  |       | 
IL-1β ist biologisch nicht aktiv und muss durch proteolytische
Spaltung in die aktive 17-kDa-Form überführt werden. Dies ist Chemokinrezeptoren sind an einer Reihe von Krankheitsbildern be-
die Aufgabe einer Gruppe von cytoplasmatischen Proteinkom- teiligt; unter anderem der HIV-Infektion. HI-Viren binden an CD4 auf
Makrophagen und T-Helferzellen. Damit es zu einer Fusion zwischen
plexen, die als Inflammasome bezeichnet werden. Sie aktivieren
zellulärer und viraler Membran kommt, brauchen sie aber auch den
die Caspase-1, die auch als ICE (interleukin-1 converting enzyme) Kontakt mit CCR5 (Makrophagen, T-Zellen) oder CXCR4 (T-Zellen) als
bekannt ist, die dann IL-1, aber auch IL-18 und IL-33 spaltet. Corezeptoren. Eine bei ungefähr einem Prozent der kaukasischen
Bevölkerung natürlich vorkommende Deletionsmutante des CCR5,
bei der 32 Basenpaare im Gen fehlen (CCR5Δ32), sorgt dafür, dass
Tumornekrosefaktor-Rezeptoren das CCR5-Protein nicht an die Zelloberfläche gelangt. Personen, die
homozygot den veränderten CCR5 haben, sind fast vollständig resis-
tent gegen eine Infektion mit monocytotropem HIV-1, da die in der
Die Familie der TNF-Rezeptoren erkennt TNF-α und die Lym- Frühphase der Infektion wichtige Aufnahme des Virus in Makropha-
photoxine. Charakteristisch ist, dass diese Cytokine, genau wie gen nicht stattfinden kann.
ihre fünf Rezeptoren, als Trimere vorkommen. Dabei gibt es
nicht nur Homotrimere, sondern auch Komplexe aus verschiede-
nen Untereinheiten, sodass sich ein Netzwerk aus Liganden- und der, bezeichnet man die Proteine als CC- oder β-Chemokine. Der
Rezeptorkombinationen ergibt, das sowohl an der Regulation jeweilige Name der einzelnen Chemokine setzt sich zusammen aus
der Entwicklung von Lymphgeweben als auch an entzündlichen der Familienbezeichnung, einem „L“ für Ligand und einer Num-
Prozessen beteiligt ist. Die Liganden werden zunächst in mem- mer. Damit wird der achte Ligand aus der Gruppe der CXC-Che-
brangebundener Form auf der Zelloberfläche präsentiert, kön- mokine als CXCL8 bezeichnet. Hier wird deutlich, dass die Tren-
nen aber auch, wie beispielsweise beim TNF-α, durch Proteasen nung zwischen den verschiedenen Untergruppen der Cytokine
abgespalten und dadurch in die Umgebung freigesetzt werden. nicht absolut anwendbar ist. CXCL8 wurde vor der Einführung
Die durch die Rezeptoren der TNF-Familie ausgelösten Si- einer einheitlichen Nomenklatur für Chemokine als IL-8 bezeich-
gnale unterscheiden sich von denen der JAK/STAT-abhängigen net, und dieser Name ist auch heute noch weit verbreitet. Zusätz-
Klasse-1- und -2-Cytokinrezeptoren. Zum einen werden die Si- lich zu den beiden Hauptgruppen gibt es noch drei verwandte
gnale durch Todesdomänen des Rezeptors weitergeleitet, was zur Proteine, die ebenfalls zu den Chemokinen gezählt werden. Dies
Aktivierung von Caspasen und zur Apoptose führt, und zum sind die γ-Chemokine XCL1 und XCL2, denen eines der namens-
anderen wird die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB gebenden Cysteine fehlt, und das δ-Chemokin CX3CL1, bei dem
ausgelöst. Zusammen können diese Signale sowohl Zelltod, als die Cysteine durch drei andere Aminosäuren getrennt sind.
auch Überleben und Differenzierung auslösen. Die Benennung der Chemokinrezeptoren erfolgt in Anleh-
nung an die der Chemokine und setzt sich zusammen aus der
Bezeichnung der Chemokinfamilie, die ein Rezeptor erkennt,
7.2 Chemokine dem Buchstaben „R“ für Rezeptor und einer Nummer, beispiels-
weise CXCR1.
Immunzellen sind ständig im Körper unterwegs. Dabei ist es Bei vielen anderen Cytokinen besteht eine enge Zuordnung
wichtig, dass sie in ausreichender Anzahl an ihre Zielorte ge- zwischen Liganden und Rezeptoren, das heißt, für die meisten
langen, beispielsweise in die Lymphknoten oder zum Ort einer Cytokine gibt es nur einen (oder wenige) Rezeptoren, die dann
Infektion. Eine Navigationshilfe, an der sich die Zellen dabei relativ spezifisch auf dieses eine Cytokin (oder zumindest wenige,
orientieren, sind Chemokine, 8–14 kDa große Proteine, die in verwandte Cytokine) reagieren. Die Chemokine bilden eine Aus-
Geweben eine zielgerichtete Wanderbewegung von Immunzellen nahme. Hier ist es die Regel, dass sowohl mehrere verschiedene
induzieren; diese Wanderbewegung wird auch als Chemotaxis Chemokine einen Rezeptor aktivieren als auch einzelne Che-
bezeichnet. Die Zellen bewegen sich dabei entlang eines Kon- mokine an eine Reihe von verschiedenen Rezeptoren binden
zentrationsgradienten zum Ort der höchsten Chemokinkon- (. Tab. 7.2). Daher steht die Nummer eines Rezeptors in den
zentration. Hierbei nehmen die Zellen eine polarisierte Gestalt meisten Fällen in keiner Beziehung zur Nummer der von ihm
an, in der sie sich durch Umlagerungen des Actin-Cytoskeletts gebundenen Chemokine. Es gibt aber auch Chemokinrezepto-
in Richtung eines Pseudopodiums bewegen, das auf die höchste ren, die ein oder maximal zwei Liganden binden. Sie sind in die
Chemokinkonzentration ausgerichtet wird. Prozesse des Homings involviert.
Für die Chemokine wurde gegen Ende der 1990er-Jahre eine Chemokine können aufgrund ihrer Funktion in zwei große
systematische Nomenklatur vorgeschlagen, die inzwischen die Gruppen unterteilt werden: konstitutive (oder homöostatische)
vorher üblichen und zum Teil redundanten Bezeichnungen er- Chemokine und induzierbare (oder inflammatorische) Chemo-
setzt. Chemokine werden aufgrund ihrer Aminosäuresequenz in kine. Konstitutive Chemokine werden in wenigen Geweben stän-
zwei größere Familien eingeteilt, die aber keine Aussage bezüglich dig produziert und weisen den Weg bei der Wanderung zwischen
ihrer Funktion erlauben (. Tab. 7.2). Ausschlaggebend sind dabei verschiedenen Organsystemen des Körpers. Damit im Lymph-
zwei Cysteine im N-terminalen-Teil. Befindet sich zwischen den knoten eine aktivierte dendritische Zelle einer naiven T-Zelle
beiden Cysteinen noch eine weitere Aminosäure, handelt es sich Antigen präsentieren kann, müssen sich beide Zellen am selben
um CXC-Chemokine, die manchmal auch als α-Chemokine be- Ort befinden (. Abb. 7.3). Beide exprimieren dafür CCR7 und
zeichnet werden. Liegen die beiden Cysteine direkt nebeneinan- werden durch CCL19 und CCL21 zum Lymphknoten als dem
108 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

.. Abb. 7.3  Die Navigation von Immunzellen im Körper


1 inflammatorisch konstitutiv
erfolgt durch Gradienten konstitutiver und induzierbarer
Chemokine. Eine dendritische Zelle nimmt in einer infizier-
ten Region Antigene auf, reift und wird über CCR7 durch
2 die Lymphbahnen in einen Lymphknoten geführt. Naive
T-Helferzellen aus dem Blut werden ebenfalls über CCR7 in
CCR7 die Lymphknoten gelockt. Nach der Aktivierung der T-Zelle
3 Reifung
kommt es zur Expression anderer Chemokinrezeptoren, die
CCR7 ihr erlauben, sich in Richtung von B-Zell-Follikeln oder zum
Infektionsherd zu bewegen
4
5
6 CXCR3

7
CCR4

CCR8

Reifung Rei CXCR5


fun
CCR5 g
8 Lymph-
knoten CXCR5

9
10
Ort ihrer Interaktion geleitet. Wenn sich im Verlauf der Reifung Konzentrationsgradienten entstehen durch Diffusion und
11 einer Zelle die Region ändert, in die diese Zelle wandern muss, sind anfällig gegenüber Strömungen der sie umgebenden Flüs-
wechseln dabei auch die Chemokinrezeptoren auf ihrer Oberflä- sigkeit. Spätestens wenn der Chemokingradient ein Blutgefäß
12 che. Beispielsweise reduziert eine T-Helferzelle nach ihrer Akti- erreicht, würden die Chemokine weggespült, und die Zelle hätte
vierung die Expression von CCR7 und steigert die von CXCR5, keinen Hinweis, an welcher Stelle sie ins Gewebe auswandern
was ihr erlaubt, zu den B-Zell-Follikeln zu wandern. Alternativ muss, um zum Entzündungsort zu gelangen. Chemokine bin-
13 können die aktivierten T-Helferzellen auch über Rezeptoren wie den daher an Glucosaminoglykane auf der Oberfläche von Endo-
CXCR3 im Gewebe zum Entzündungsherd geführt werden, um thelzellen und von Zellen im Gewebe, wodurch die Chemokine
14 vor Ort als Effektorzelle zu wirken. immobilisiert sind und der Konzentrationsgradient länger auf-
Dies ist nur ein einzelnes, vereinfachtes Beispiel. Die Che- rechterhalten werden kann.
15 motaxis der Immunzellen wird kontrolliert durch ein komplexes
Zusammenspiel von insgesamt über 50 Chemokinen und ihrer
Rezeptoren. Darüber hinaus gibt es auch Ausnahmen von der 7.3 Adhäsion und Navigation
16 oben gegebenen Definition, dass die Wanderung immer in Rich-
tung der höchsten Chemokinkonzentration zu erfolgen hat. Neu Adhäsionsmoleküle
17 gebildete T-Zellen bewegen sich von CXCL12 weg, und werden
so dazu gebracht, aus dem Thymus auszuwandern. Adhäsive Wechselwirkungen zwischen Zellen oder zwischen Zel-
Induzierbare Chemokine werden im Rahmen einer Ent- len und der extrazellulären Matrix (außerhalb der Zellen gele-
18 zündungsreaktion gebildet, um Leukocyten an den Ort einer gene Strukturbestandteile eines Gewebes) sind an einer Vielzahl

19
Infektion zu rekrutieren. Im Gegensatz zu den konstitutiven
Chemokinen existieren diese Gradienten nur für begrenzte Zeit.
--
von physiologischen Prozessen beteiligt. Dazu gehören:
Kontaktaufnahme und Erkennung von Zellen,

20
Ausgelöst wird die Bildung von induzierbaren Chemokinen durch
eine Reihe von inflammatorischen Cytokinen wie IL-1, IL-6, TNF,
-- Differenzierung und Proliferation von Zellen,
Reifungsprozesse zum Beispiel bei der Wundheilung,
IFN-γ, aber auch durch pathogenassoziierte molekulare Struk-
turen (PAMP, pathogen-associated molecular patterns) oder ein
- die Zusammenlagerung von Blutplättchen,
das kontrollierte Verlassen des Blutgefäßsystems durch

-
21 Trauma. Neben der Induktion kann die Aktivität von Chemo- Leukocyten (Extravasation),
kinen auch durch Prozessierung reguliert werden, bei der durch die Wanderung von Leukocyten in bestimmte Gewebe
22 Peptidasen wie die Dipeptidyl-Peptidase IV (CD26) oder Mat-
rix-Metallo-Proteinasen einige Aminosäuren am N-terminalen
-- (Homing; Heimfinden),
Signaltransduktionsprozesse, aber auch
23 Ende abgespalten werden. Diese Region ist besonders wichtig für
die Interaktion mit den jeweiligen Rezeptoren, und die Spaltung
führt in den meisten Fällen zu einem Liganden, der immer noch
an den Rezeptor bindet, ihn aber nicht mehr aktiviert.
-
die Implantation der befruchteten Eizelle im Uterus,
die Ausbildung der Plazenta und andere embryonale Ent-
wicklungsprozesse.
7.3  •  Adhäsion und Navigation
109 7

NH2

Ca++
D1 LFA-1

S–S
Ca++
H2N D2

S–S
NH2
EGF-Domäne H2 N
D3 Mac-1

S–S
β-Kette S–
D4

S–S
S–

CR-Domäne D5

S–S
α-Kette
CR-Domäne außen
Zellmembran
innen

Selektin (L-Selektin) Integrin (LFA-1) CAM der Ig-Super-


familie (ICAM-1)

.. Abb. 7.4  Schematische Darstellung der Selektine, Integrine und Zelladhäsionsmoleküle (CAMs) der Ig-Superfamilie. Selektine bestehen aus einer N-ter-
minalen C-Typ-Lektin-Domäne, einer angrenzenden EGF(epidermal growth factor)-homologen Einheit, einer variablen Zahl von Domänen, die Verwandtschaft
zu Komplementregulationsproteinen (CR-Proteinen) aufweisen, einem trans­membranen und einem cytoplasmatischen Segment (dargestellt ist L-Selektin).
Die Anzahl der CR-Domänen bedingt die Größe und Flexibilität der Selektine und ist artspezifisch. So besitzt L-Selektin beim Menschen und bei der Maus zwei
solcher Elemente, E-Selektin sechs und P-Selektin beim Menschen neun, bei der Maus aber nur acht. Wahrscheinlich sind Selektine zur Signaltransduktion
befähigt. Zurzeit geht man davon aus, dass die Signale, die von den Selektin-Ligand-Bindungen hervorgerufen werden, gemeinsam mit anderen Aktivie-
rungssignalen (Chemokine, Entzündungs­mediatoren) in den Extravasationprozess involviert sind. Integrine wie zum Beispiel LFA-1 sind aus einer α- und einer
β-Untereinheit aufgebaute heterodimere Glykoproteine. Sie besitzen die Fähigkeit, auf intrazelluläre Signale mit schnellen und dramatischen Veränderun-
gen in ihrer adhäsiven Funktion zu reagieren. Neben dem extrazellulären Anteil besitzen Integrinketten einen transmembranen und intrazellulären Anteil.
Die intrazelluläre Domäne der Ketten interagiert mit den cytosolischen Cyto­skelett-Proteinen Actin und Talin. Bindungspartner der Integrine sind CAMs der
Ig-Superfamilie. Sie sind aus einer variablen Zahl von Ig-ähnlichen Domänen aufgebaut, die jeweils 70–110 Aminosäuren umfassen. Sie besitzen einen trans-
membranen Anteil und eine in die Signaltransduktion involvierte intrazelluläre Domäne. ICAM-1 zum Beispiel bindet mit seiner ersten Domäne (D1) an LFA-1,
mit seiner dritten Domäne (D3) kann es mit Mac-1 interagieren. Es wird von Rhinoviren als Rezeptor benutzt. S-S: Disulfidbrücken. Glykosylierungen wurden
aufgrund einer besseren Übersicht nicht dargestellt

Zelluläre Adhäsionsmechanismen sind auch in die Pathogenese pende Gruppen von Kohlenhydrat-Liganden auf vorbeiziehen-
verschiedener Entzündungsprozesse, Tumorinvasion und Metas- den Leukocyten oder auf Endothelzellen. Die Zuckerketten un-
tasierung involviert. Die Moleküle, die diese Vorgänge maßgeb- terscheiden sich in ihrer Struktur, weisen aber auch gemeinsame
lich koordinieren, sind die Zelladhäsionsmoleküle (cell adhesion Elemente auf, wie z. B. Sialyl-Lewisx (sLex) oder sLex-ähnliche
molecules; CAM), hier kurz als Adhäsionsmoleküle bezeichnet. Strukturen. So erkennen P- und E-Selektin zum Beispiel dieses

--
Sie werden in vier große Familien unterteilt:
Selektine,
Oligosaccharid auf neutrophilen Granulocyten. Das auf Leukocy-
ten exprimierte L-Selektin wiederum bindet an sLex-Gruppen

- Integrine,
Adhäsionsmoleküle der Immunglobulin(Ig)-Superfamilie
auf vaskulären Adressen wie dem peripheren Lymphknoten-Ad-
ressin (peripheral lymph node addressin; PNAd). PNAd kommt

- und
Cadherine.

In diesem Kapitel werden wir zwei der wichtigsten Funktionen


auf den Venolen mit hohem Endothel (high endothelial venules;
HEV) der peripheren Lymphknoten vor. Wichtig ist, dass viele
Moleküle, die an der spezifischen Wanderung von Leukocyten
beteiligt sind, durch diese selektinbindenden Kohlenhydrat-Li-
der Adhäsionsmoleküle bei der Regulation von Immunantworten ganden modifiziert sind.
detailliert betrachten: die Extravasation und die Navigation von Selektine sind also nicht nur Moleküle, die Blutzellen einfan-
Leukocyten zu ihren Bestimmungsorten. Zuvor wollen wir die gen und ihnen den Kontakt zu der Wand der Blutgefäße vermit-
Mitglieder der einzelnen Familien kurz vorstellen. teln. Sie stellen auch wichtige Adressen auf den Endothelzellen
beziehungsweise „Visitenkarten“ auf den Leukocyten dar. Selek-
Selektine tine spielen auch eine wichtige Rolle bei der Implantation, also
Sie sind die kleinste Familie der Adhäsionsmoleküle. Sie bestehen bei der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Uterusschleim-
aus drei Mitgliedern: Leukocyten-Selektin (L-Selektin; CD62L), haut. Hier ermöglichen sie die Kontaktaufnahme und das Rollen
Plättchen-Selektin (P-Selektin; CD62P) und Endothel-Selektin der Blastocyste über die Uteruswand.
(E-Selektin; CD62E). Ihre Bedeutung liegt in der Navigation L-Selektin (CD62L) kommt in unterschiedlichem Ausmaß
der Leukocyten innerhalb des Blutgefäßsystems. Sie sind für auf zirkulierenden Leukocyten vor. Es spielt eine entscheidende
den ersten Kontakt zwischen Leukocyten und Blutgefäßwand Rolle bei der Wanderung der naiven Lymphocyten in die peri-
verantwortlich und leiten das Rollen der Leukocyten über die pheren Lymphknoten und auch in das organisierte lymphatische
Gefäßwand ein. Selektine sind Glykoproteine mit einer N-ter- Gewebe der Schleimhäute.
minalen lektinähnlichen Domäne (dargestellt für L-Selektin, P-Selektin wird auf aktivierten Endothelzellen und Blut-
. Abb. 7.4). Mithilfe dieser Domäne, die sich bei den einzelnen plättchen ausgeprägt. Die Aktivierung dieser Zellen erfolgt im
Selektinen unterscheidet, erkennen sie verschiedene bis überlap- Verletzungs- oder Entzündungsfall zum Beispiel durch das in
110 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

die Blutgerinnung involvierte Thrombin, das von Mastzellen diese Patienten normale T-Zellfunktionen. Der Grund ist darin
1 freigesetzte Histamin, das Komplementspaltprodukt C5a oder zu sehen, dass T-Zellen außer LFA-1 noch viele andere Adhäs-
Cytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), aber auch durch ionsmoleküle auf ihrer Oberfläche tragen, die das Fehlen von
2 Bakterienbestandteile selbst. P-Selektin erscheint innerhalb von β2-Integrinen ausgleichen. Integrine sind auch interessante An-
Minuten auf der Oberfläche der aktivierten Zellen. Es muss nicht griffspunkte für die Entwicklung neuartiger Therapieformen,
erst gebildet werden, sondern ist in den Weibel-Palade-Körper- wie zum Beispiel die Blockierung von α4:β1-Integrin, das eine
3 chen der Endothelzellen und in den Granula der Plättchen ge- Rolle bei allergischem Asthma, Multipler Sklerose und anderen
speichert. P-Selektin ist ein Notfallmolekül. Krankheiten spielt.
4 Im Gegensatz zu P-Selektin muss E-Selektin synthetisiert
werden. Es erscheint innerhalb von zwei Stunden auf der Ober- Adhäsionsmoleküle
der Immunglobulinsuperfamilie
5 fläche der Endothelzellen. P- und E-Selektin spielen eine maß-
gebliche Rolle bei der Rekrutierung von neutrophilen Granu- Einige Mitglieder der Immunglobulin(Ig)superfamilie haben
locyten. Diese Zellen können mithilfe der Selektine bei Gefahr wir schon kennengelernt, wie die spezifischen Rezeptoren der
6 augenblicklich das Blutgefäßsystem verlassen und zum Entzün- T- und B-Zellen, die T-Zell-Corezeptoren CD4 und CD8, die
dungsort vordringen. Zusätzlich spielt E-Selektin eine wichtige B-Zell-Corezeptorkomponente CD19 und die Domänen der
7 Rolle für die Rekrutierung von Monocyten als auch für die spe- MHC-Moleküle. Sie sind aus einer variablen Zahl von Ig-ähn-
zifische Wanderung von aktivierten T-Zellen in die Haut bei lichen Domänen aufgebaut, die jeweils 70–110  Aminosäuren
Entzündungsprozessen. umfassen. Zu dieser Superfamilie gehören auch verschiedene
8 Zelloberflächenproteine, die an Zelladhäsionsprozessen betei-
Integrine ligt sind. Das sind zum Beispiel die Bindungspartner der an der
9 Integrine sind Glykoproteine auf Zelloberflächen, die aus zwei Extravasation beteiligten Integrine wie MAdCAM-1, VCAM-
unterschiedlichen, miteinander assoziierten Ketten (α- und 1, ICAM-1 und ICAM-2. MAdCAM-1 wird auf den HEV der
10 β-Kette) aufgebaut sind (. Abb. 7.4). An der Bindung des Li- Schleimhäute und von den postkapillären Venolen der Lamina
ganden sind beide Untereinheiten beteiligt. Integrine vermitteln propria (Bindegewebsschicht unterhalb des Schleimhautepithels)
Adhäsionen mit anderen Zellen oder mit Proteinen der extrazel- des Darmes exprimiert. Dort ist es für das Homing von α4:β7-In-
11 lulären Matrix. Beim Menschen sind 18 α-Untereinheiten und tegrin tragenden Lymphocyten verantwortlich. VCAM-1 kommt
acht β-Untereinheiten bekannt, die sich zu 24 Integrinen kom- im Rahmen von Entzündungsprozessen auf Endothelzellen au-
12 binieren lassen. Die Bedeutung der Integrine liegt zum einen in ßerhalb der Schleimhäute vor. Dort unterstützt es die Adhäsion
ihrer Mannigfaltigkeit. Integrine sind aber auch in der Lage, auf von Lymphocyten, Monocyten und Granulocyten über α4:β1- als
intrazelluläre Signale mit schnellen und dramatischen Verände- auch aktiviertem α4:β7-Integrin. ICAM-1 und ICAM-2 werden
13 rungen in ihrer adhäsiven Funktion zu reagieren. Dabei kommt als konstitutive Rezeptoren für β2-Integrine auf vielen Endothel-
es zu einer Konformationsänderung der Integrine, die ihre Affi- zellen exprimiert, deren Expression bei Entzündungsprozessen
14 nität zum Bindungspartner dramatisch erhöht. stark hochreguliert wird.
Die an der Extravasation beteiligten Integrine sind die α4-In-
Integrine und Adhäsionsmoleküle der
15 tegrine (α4:β7-Integrin, α4:β1-Integrin) und die β2-Integrine (αLβ2
Immunglobulinsuperfamilie spielen
(leukocyte function associated antigen, LFA-1); αMβ2 (CD11b
oder Mac-1)). α4-Integrine sind vor allem in spezifische Leukocy- auch eine große Rolle bei der Interaktion
16 ten-Endothelzell-Interaktionen involviert. Sie kontrollieren die von Immunzellen
Wanderung der Leukocyten zu ihren Zielgeweben. Sie können Bestimmte Leukocytenintegrine und Adhäsionsmoleküle der
17 auch den initialen Kontakt von Immunzellen mit dem Endothel Immunglobulinsuperfamilie sind auch für die Wechselwirkung
von Venolen vermitteln. β2-Integrine sind erst in spätere akti- zwischen verschiedenen Immunzellen essenziell. LFA-1 ist zum
vierungsabhängige Adhäsionsprozesse involviert. Die Bindungs- Beispiel für die Interaktion zwischen dendritischen und naiven
18 partner der α4- bzw. β2-Integrine sind Adhäsionsmoleküle, die T-Zellen als auch für die Adhäsion von Effektor-T-Zellen an ihre
zur Immunglobulinsuperfamilie gehören, wie das mucosal ad- Zielzellen verantwortlich. Es bindet an die interzellulären Adhäs-
19 dressin cell adhesion molecule-1 (MAdCAM-1), das vascular cell ionsmoleküle ICAM-1 und ICAM-2, die unter anderem auf anti-
adhesion molecule-1 (VCAM-1) und die intercellular adhesion genpräsentierenden Zellen vorkommen. ICAM-3 wird dagegen
20 molecules (ICAMs). von naiven T-Zellen exprimiert und vermittelt die Interaktion
Die Bedeutung der Integrine als Schlüsselmoleküle der Ex- mit dendritischen Zellen über LFA-1 und DC-SIGN. Ebenfalls
travasation wurde im Zusammenhang mit Erkrankungen wie zur Immunglobulinsuperfamilie gehören das Adhäsionsmolekül
21 dem Leukocytenadhäsionsdefekt-1 (LAD-1 entdeckt). Diese CD2, das auf T-Zellen ausgeprägt wird, und sein Ligand LFA-3
Patienten leiden unter schweren, immer wiederkehrenden In- auf den dendritischen Zellen.
22 fektionen. Ihre Leukocyten tragen aufgrund eines genetischen
Defekts keine funktionelle β2-Integrin-Untereinheit (CD18) und Cadherine
damit kein funktionelles LFA-1 und CD11b. Dadurch ist die Die Cadherine sind calciumabhängige Adhäsionsmoleküle, die
23 Auswanderung von Leukocyten ins Gewebe stark eingeschränkt. homotypische molekulare Interaktionen vermitteln und die Ver-
Obwohl LFA-1 auch bei Interaktionen zwischen naiven T-Zel- bindung von gleichartigen Zellen unterstützen. Dies spielt zum
len und antigenpräsentierenden Zellen eine Rolle spielt, haben Beispiel eine Rolle zur Erhaltung der Integrität von epithelialen
7.3  •  Adhäsion und Navigation
111 7

Oberflächen. Die Expression und Funktion des in Epithelien cyten regelmäßig nach Antigenen suchen. Alle anderen kleinen
vorkommenden E-Cadherins geht zum Beispiel in Karzinomen Gefäße sind zurückhaltender. Sie lassen Lymphocyten und an-
verloren. Dadurch können die Tumorzellen invasiv werden. Cad- dere weiße Blutkörperchen, von Ausnahmen abgesehen, erst bei
herine spielen auch in der Embryogenese eine Rolle. Außerdem Gefahr durchtreten.
scheinen sie die Bindung von Epithelzellen an intraepitheliale Leukocyten sind beim Verlassen des Blutstroms extremen
Leukocyten über α4:β7-Integrin zu vermitteln. Integrin-Cadhe- physikalischen Bedingungen ausgesetzt. Das fließende Blut
rin-Interaktionen spielen somit eine Rolle bei der Lokalisation schwemmt schnell Zellen weg, die die Gefäßwand berühren.
von Lymphocyten im Gewebe. Deswegen benötigen Immunzellen Adhäsionsmoleküle, die
stabile Brücken mit ihren Partnern, den vaskulären Adhäsions-
molekülen, auf der Gefäßwand bilden. Wie wir schon erfahren
Unser körpereigenes Navigationssystem haben, dienen diese nicht nur als Anker, sondern auch als gewe-
bespezifische Adressen, die die benötigten Typen von Immun-
Wir haben in den vorherigen Abschnitten viel über die Adhäsi- zellen zur richtigen Zeit am richtigen Ort aus dem Blutstrom
onsmoleküle und Chemokine und ihre Eigenschaften erfahren. entlassen. Dieser Prozess, die sogenannte Extravasation, ist ein
Nun wollen wir anhand der Extravasation und des Homings ihre kritischer Punkt innerhalb des Immunsystems. Er kontrolliert
Bedeutung im Körper als Navigationssystem kennenlernen. die Einwanderung von spezialisierten Lymphocytenuntergrup-
Lymphocyten sind viel unterwegs. Sie wandern ständig durch pen aber auch von Zellen des angeborenen Immunsystems in
den Körper. Naive Lymphocyten zirkulieren im Blut, gehen auf ganz bestimmte Gewebe und beeinflusst dadurch maßgeblich
der Suche nach Antigen in die peripheren lymphatischen Organe, die Art der Immunantwort. Falsche Zellen am falschen Ort
verlassen sie durch die abführenden Lymphgefäße und gelangen können zu Immunreaktionen führen, die körpereigene Ge-
schließlich oberhalb des Herzens über den in den linken Venen- webe schädigen. Die Spezifität der Leukocytenwanderung zu
winkel mündenden Ductus thoracicus (Milchbrustgang) wieder und innerhalb von Geweben und Organen wird maßgeblich
zurück ins Blut. Sind sie im lymphatischen Gewebe auf ihr spe- durch Zelladhäsionsmoleküle und die gewebespezifische oder
zifisches Antigen gestoßen, differenzieren sie sich noch hier zu entzündungsspezifische Bildung von chemischen Lockstoffen,
Effektorzellen, die sich dann sofort in das entzündete Gewebe den Chemokinen, bestimmt.
begeben, um vor Ort die Infektion zu bekämpfen. Gedächtnis-
zellen patrouillieren je nach Typ zwischen Blut und lymphati- Extravasation – ein Prozess in mehreren
schen Gewebe oder zwischen Blut und ehemaliger Eintrittsstelle Schritten
des Erregers (es ist wahrscheinlich, dass bei einer Reinfektion Für die Extravasation der Leukocyten sind vor allem die ers-
der Erreger über gleichartiges Gewebe wieder in den Körper ten drei Familien der Adhäsionsmoleküle von Bedeutung: die
gelangt). Auch andere Leukocyten gelangen nach ihrer Bildung Selektine, Integrine und die Mitglieder der Immunglobulinsu-
aus dem Knochenmark ins Blut, verlassen es schnell wieder und perfamilie. Sie ermöglichen es den Leukocyten, den Blutstrom zu
wandern in bestimmte Gewebe ein. Dies erfolgt wie im Falle der verlassen und in ein Gewebe einzuwandern. Dieser Prozess kann
Granulocyten hauptsächlich bei Gefahr, andere Immunzellen in vier aufeinanderfolgende Schritte unterteilt werden:
wie Monocyten, Mastzellen, NK-Zellen und dendritische Zellen 1. die Kontaktaufnahme der Leukocyten mit der Innenaus-
suchen die Gewebe in gewissem Umfang auch routinemäßig auf, kleidung der Blutgefäße, dem Endothel, und das Rollen der
um hier auszureifen und als Wachposten bei möglichen Infek- Leukocyten über die Blutgefäßwand,
tionen sofort eine Immunantwort einleiten zu können. Diesen 2. eine schnelle Aktivierung der Immunzellen durch Entzün-
Prozess bezeichnet man als Homing. Bei Gefahr wird dieser Pro- dungsmediatoren und/oder Chemokine,
zess dramatisch hochgefahren, sodass innerhalb kürzester Zeit 3. die aktivierungsabhängige stabile Haftung der Leukocyten an
Immunzellen in die infizierten Gewebe gelangen können. Doch das Endothel und
auch im Gewebe sind Leukocyten in Bewegung und wandern 4. die Durchwanderung der Blutgefäßwand, die Diapedese.
in bestimmte Mikrokompartimente, um ihren Aufgaben nach-
zukommen. Aufgrund der Reibung des Blutes an der Gefäßwand, bewegt
Wie schafft es der Körper, seine verschiedenen funktionellen sich die Blutsäule in verschiedenen Schichten unterschiedlich
Lymphocytentypen zu lenken? Wann weiß ein Leukocyt, wann schnell. Die geringste Geschwindigkeit befindet sich am Rand
und wo er die Blutbahn zu verlassen hat, um eine Entzündung und die höchste Geschwindigkeit in der Mitte des Blutstroms.
zu bekämpfen? Die Antwort lautet: Der Körper verfügt über ein Leukocyten werden im Blutstrom mit einer nicht zu unterschät-
Navigationssystem, das die Lymphocyten und auch die anderen zenden Geschwindigkeit mitgerissen. Würde man zum Beispiel
Immunzellen zu ihren jeweiligen Bestimmungsorten leitet. Zum die Geschwindigkeit eines Leukocyten in der Mitte einer Venole
einen verlassen Leukocyten den Blutstrom vorwiegend in ganz mit der eines Kleinwagens auf der Autobahn vergleichen, würde
bestimmten Bereichen, den postkapillären Venolen. Das sind das Auto mit einer Geschwindigkeit von 300 bis 400 km/h auf
kleine Venenabschnitte, die an die Kapillaren angrenzen. Sie der linken Spur rasen.
haben genau den richtigen Durchmesser, damit aus dem Blut- Bestimmte Bedingungen ermöglichen es den Leukocyten
strom austretende Leukocyten nicht den Gasaustausch mit dem jedoch, mit dem Endothel der Blutgefäße in Kontakt zu kom-
Gewebe behindern. Routinemäßig geschieht das hauptsächlich men. Im Bereich der postkapillären Venolen erweitert sich das
in den lymphatischen Geweben, denn dort müssen die Lympho- Gefäßbett beträchtlich und führt zu einer Verlangsamung der
112 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

Leukocyt Oligo-
1 saccharide
Blutfluss

2
3
Selektin

4
5
6
.. Abb. 7.5  Selektine, die wichtigsten Initiatoren der Extravasation. Selektine binden mit ihrer lektin­ähnlichen Domäne verschiedene bis überlappende
Gruppen von Kohlenhydratliganden auf vorbei­ziehenden Leukocyten oder auf Endothelzellen. Sie binden schnell und mit großer Zugfestigkeit. Doch unter
7 dem Druck des fließenden Blutes lösen sich die Bindungen zwischen den Selektinen und ihren Liganden stromaufwärts der Leukocyten, stromabwärts werden
sie aber sofort wieder neu geknüpft. Diese permanente Dissoziation und Assoziation der Bindungen setzen ein sogenanntes Rollen der Leukocyten über die

8 Gefäßwand in Gang. Dieses Gleichgewicht zwischen Festhalten und Loslassen der Bindungspartner kann man sich gut vorstellen, wenn man einen Gibbon
beim Klettern betrachtet, der mit einer Hand nach dem nächsten Ast greift, danach die zweite Hand löst, um nach dem nächsten Ast zu greifen und so weiter.
(Verändert nach Murphy, Travers und Walport, Gibbons: ▶ dieKLEINERT.de/Enno Kleinert.)

9
Blutströmung. Dadurch verringern sich die Scherkräfte zwischen Affinität zu ihren Liganden auf den Endothelzellen. Diese er-
10 den Erythrocyten, die jetzt zur Aggregation neigen (Geldrollen- höhte Affinität vermittelt eine aktivierungsabhängige Bindung
bildung). Diese schweren Zellaggregate bewegen sich nun in der der Leukocyten an die Oberfläche des Endothels. Die Bindung
Mitte des Blutstroms und drängen die kleineren Leukocyten in der Integrine an Adhäsionsmoleküle der Ig-Superfamilie setzt
11 den langsamer fließenden Randstrom, in die Nähe des Endothels ebenfalls Signaltransduktionsprozesse in Gang (outside-in-si-
der Gefäßwand. gnaling). Unter Einbezug des Cytoskeletts verändern die Leu-
12 Damit eine Kontaktaufnahme zwischen Leukocyten und En- kocyten nun ihre Gestalt und breiten sich auf der Innenwand
dothel möglich wird, werden Adhäsionsmoleküle benötigt, die der Blutgefäße aus. Es folgt der finale Schritt der Extravasation:
darauf spezialisiert sind, schnell und mit großer Zugfestigkeit die Diapedese. Bei diesem Prozess wandern die Leukocyten
13 zuzupacken. Die wichtigsten Initiatoren der Adhäsion sind die durch das Endothel in das darunterliegende Gewebe und von
drei Selektine. Man nennt sie auch primäre Adhäsionsmoleküle. dort in bestimmte Bereiche, wo sie ihre Funktion ausüben. Diese
14 Sie binden schnell und mit großer Zugfestigkeit, doch diese Bin- Schritte werden ebenfalls durch Adhäsionsmoleküle und Che-
dungen sind nicht von Dauer. Eine Anheftung der Zellen an mokine ermöglicht (. Abb. 7.6).
15 die Gefäßwand erfolgt nicht. Unter dem Druck des fließenden
Immunzellen und ihre Bestimmungsorte
Blutes lösen sich die Bindungen zwischen den Selektinen und
ihren Liganden stromaufwärts der Leukocyten, stromabwärts Worin liegt nun die Spezifität des Homings? Woher weiß eine
16 werden sie aber sofort wieder neu geknüpft. Diese permanente Zelle, wo sie die Blutbahn verlassen muss? Die unterschiedliche
Dissoziation und Assoziation der Bindungen setzen ein soge- Expression von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen ent-
17 nanntes Rollen der Leukocyten über die Gefäßwand in Gang spricht einer Adresse mit einer Postleitzahl, die aus drei Ziffern
(. Abb. 7.5). Um das Rollen abzubremsen und zu stoppen, besteht, die unterschiedlich kombiniert werden können. Die
müssen die Zellen zusätzliche Adhäsionsmoleküle in Anspruch einzelnen Leukocytensubpopulationen, wie naive Lymphocy-
18 nehmen. Diese sogenannten sekundären Adhäsionsmoleküle ten, Effektorzellen, Gedächtniszellen, T-Vorläuferzellen, aber
gehören alle zur Integrinfamilie. Es handelt sich um die α4- und auch Zellen des angeborenen Immunsystems, haben den jewei-
19 β2-Integrine. Während β2-Integrine (zusammen mit den α4-Inte- ligen Schlüssel dazu. Manche tragen ihn ständig, andere erhal-
grinen) in späte Adhäsionsprozesse involviert sind, können die ten oder ändern ihn bei Differenzierungs- und Entzündungs-
20 α4-Integrine auch der Kontaktaufnahme dienen. Dies ist der Fall, prozessen. Das Gleiche gilt für die Adressen der Blutgefäße.
wenn keine Selektine ausgeprägt sind. Während die Selektine Die erste Ziffer der Adresse ist der initiale Kontakt, der über
konstitutiv aktiv sind, müssen Integrine erst aktiviert werden, drei verschiedene Selektine und ihre Partner und/oder über
21 um an ihre Liganden auf den Endothelzellen der Blutgefäße bin- die α4-Integrine und ihre vaskulären Liganden VCAM-1 und
den zu können. Dies ist wichtig, weil es sonst zu gefährlichen MAdCAM-1 erfolgen kann. Die zweite Zahl sind gewebespe-
22 unspezifischen Adhäsionen innerhalb der Blutgefäße kommen zifische oder entzündungsspezifische Chemokine und andere
könnte. Das Rollen bringt die Leukocyten in Kontakt mit den Aktivierungsmediatoren. Die dritte Ziffer stellen wiederum die
Endothelzellen, sodass sie nun zugänglich für die Aktivierung Integrine und ihre Liganden dar. In . Abb. 7.6 ist das Homing
23 durch Chemokine und Entzündungsmediatoren sind. Diese von naiven Lymphocyten und zentralen T-Gedächtniszellen un-
lösen eine schnelle Konformationsänderung der Integrine aus ter der Kontrolle von Adhäsionsmolekülen und Chemokinen
(inside-out-signaling). Jetzt haben die Integrine eine erhöhte dargestellt.
7.4 • Regulatorische T-Zellen (Treg)
113 7

1 2
erster lockeres 4
Kontakt Rollen langsames feste 5
Rollen Anheftung Diapedese
3
Zelloberfläche Aktivierung durch
Chemokine

Endothel

α4β7, α4β1 αMβ2, αLβ2


Zelloberfläche sLex, L-Selektin α4β7, α4 β1
ICAM-1, ICAM-2,
sLex, P-Selektin, MAdCAM-1,
Endothel MAdCAM-1,
E-Selektin VCAM-1
a VCAM-1
Wanderung
Lymphknoten: 1 2 3 4 5
im Lymphknoten
naive B-Zelle L-Selektin-PNAd CCR7-CCL21 LFA-1-ICAM-1 ja CXCR5-CXCL13
CXCR4-CXCL12
naive T-Zelle und L-Selektin-PNAd CCR7-CCL21 LFA-1-ICAM-1 ja CCR7-CCL19?
Gedächtnis-T-Zelle (TCM) (CXCR4-CXCL12)

Monocyten, Granulocyten L-Selektin-PNAd – – –

Effektor-T-Zellen und Effektor- – – – –


Gedächtniszellen (TEM)

b
.. Abb. 7.6  Der Prozess der Extravasation und die Spezifität des Homings in die peripheren Lymph­knoten. a) Das Verlassen des Blutstroms (Extravasation)
ist ein maßgeblicher Vorgang innerhalb des Immunsystems. Hier wird festgelegt, welche Zellen an einen Entzündungsort oder in ein lympha­tisches Gewebe
einwandern dürfen und welche nicht. Deswegen wird die Extravasation auf Molekül­ebene kontrolliert. Adhäsionsmoleküle stellen den ersten Kontakt zwi-
schen Leukocyt und Innenwand des Blutgefäßes her, führen zum Abrollen der Zellen und schließlich zur Ansammlung auf der Gefäß­wand. Chemokine oder
Entzündungsmediatoren aktivieren die Zellen über Rezeptoren und ver­anlassen eine stabile Bindung, eine Voraussetzung für den anschließenden Durchtritt
der Zelle durch die Gefäßwand in das darunterliegende Gewebe (Diapedese). Je nach Gewebe oder Entzündung werden unterschiedliche Adhäsionsmole-
küle oder Chemokine von den Endothelzellen exprimiert (grau unterlegt). Auch die Immunzellen unterscheiden sich in der Expression von Liganden (hellrot
unter­legt), die an die vaskulären Adhäsionsmoleküle zu binden vermögen. b) Naive B-Zellen, naive T-Zellen als auch zentrale T-Gedächtniszellen (TCM) sind
durch eine hohe Expression von L-Selektin charakterisiert. Außerdem tragen sie noch das β2-Integrin LFA-1 und Chemokinrezeptoren. α4-Integrine kommen
auf ihrer Oberfläche nicht vor. Der Ligand von L-Selektin ist PNAd, das auf den hohen Endothelien (HEV) der peripheren Lymphknoten vorkommt. Es fängt
naive L-Selektin tragende Lymphocyten und zentrale T-Gedächtniszellen ein. Die L-Selektin/PNAd-Interaktion veranlasst das Rollen der Leukocyten auf der
Blutgefäßwand. Die Oberfläche der HEV präsentiert die Chemokine CCL21 und in einem geringen Umfang CCL19 und CXCL12. CCL21 wird von den HEV der
Lymph­knoten konstitutiv gebildet. CCL19 stammt von Zellen innerhalb des Lymphknotens. Beide binden an den Chemokinrezeptor CCR7, der auf der Oberflä-
che der Lymphocyten exprimiert wird. Diese Bindung führt zu einer Konformationsänderung des Integrins LFA-1 (αLβ2) auf den Leukocyten. Dieses β2-Integrin
kann nun an ICAM-1 binden, das auf den HEV exprimiert wird. Bei B-Zellen kann die Aktivierung von LFA-1 auch über die Stimulation des Chemokinrezeptors
CXCR4 durch das Chemo­kin CXCL12 erfolgen. Es folgen Diapedese und die Wanderung der Lymphocyten in ihre speziellen Zonen innerhalb des Lymphkno-
tens. Die Migration der B-Zellen wird durch die Wechsel­wirkung des Chemokinrezeptors CXCR5 und seinem Liganden CXCL13 beeinflusst. T-Zellen werden
möglicher­weise durch CCL19 und andere Chemokine in die T-Zell-Zone gelockt. Myeloide Zellen können nicht über die HEV in die Lymphknoten eintreten. Sie
exprimieren zwar L-Selektin und LFA-1, aber kein CCR7 oder CXCR4. Diese Zellen können zwar Kontakt aufnehmen und rollen, aber keine Bindung mit dem
Endothel eingehen. Aktivierte T-Effektorzellen und Effektor-Gedächtniszellen (TEM) wiederum tragen kein L-Selektin. Ihnen sind die Kontaktaufnahme und das
Rollen verwehrt. (a: verändert nach v. Andrian und Mackay; b: verändert nach Campbell und Butcher.)

7.4 Regulatorische T-Zellen (Treg) und Stillstellen von autoreaktiven Zellen im Thymus und Kno-
chenmark wurde bereits im Kapitel Hämatopoese besprochen.
Wofür brauchen wir regulatorische T-Zellen? Diesen Teil nennt man zentrale Toleranz. Dem gegenüber steht
die periphere Toleranz, die zum einen entstehen kann, wenn
Das Immunsystem hat ein großes autoaggressives Potenzial, da naive Lymphocyten nur ihr antigenspezifisches 1. Signal erhalten
alle Abwehrsysteme auch den Körper selbst angreifen können. (▶ Kap. 5), aber weitere Signale, die die Differenzierung einleiten,
Deshalb muss das Immunsystem stark kontrolliert werden. Au- ausbleiben. Ein weiterer Mechanismus der peripheren Toleranz
toreaktive Zellen müssen still gestellt oder unterdrückt und die ist die Unterdrückung der Immunreaktion durch regulatorische
Immunreaktion auch wieder abgeschaltet werden. Dies ist not- T-Zellen. In den übrigen Kapiteln wird oftmals der Oberbegriff
wendig, da eine anhaltende Entzündungsreaktion mit den Be- Treg für regulatorische T-Zellen verwendet, tatsächlich gibt es aber
gleiterscheinungen auch schlecht für den Körper ist. Das Abtöten verschiedene Treg-Typen, die hier kurz vorgestellt werden sollen.
114 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

.. Abb. 7.7  T-Zell-Regulation. a) Natürliche regulatorische


1 periphere lymphatische Organe
T-Zellen (nTreg) entstehen im Thymus unter dem Einfluss
von TSLP und produzieren TGF-β, mit dem sie die anderen
Thymo- Thymus Zellpopulationen unter­drücken können und die Bildung
2 cyt von induzierbaren iTreg in der Peripherie fördern. Ebenfalls
iTreg außerhalb des Thymus entstehen die Tr1, eine Sondergrup-
TS
LP

FoxP3 nTreg pe der iTreg, die kein FoxP3 exprimieren. Zur Differenzierung
3 FoxP3 benötigen die Zellen spezifische Cytokine, die von den APC
nTreg F-β und weiteren an der Immunreaktion beteiligten Zellen, z. B.
FoxP3 TG NK
IFN-γ von den NK-Zellen, kommen. Je nach Aktivierung
4 naive produzieren DC dabei IL-1 und IL-23 oder IL-12 bzw. IL-10.
TH


Interleukin-4 ist bereits präformiert in den basophilen und

IFN
5 eosinophilen Granulocyten, die ebenfalls APC-Funktion
haben. Die übrigen Zell­populationen stehen ebenfalls in
naive T H1 einem Wechselspiel, indem sie jeweils die eigene Aktivität
TH t-bet
6 IL-1
2 fördern und die der übrigen Zellen unterdrücken. Unter
der Bezeichnung der Zellpopulation ist der für die jeweilige
TH17 naive Zellpopulation charakteristische Transkriptionsfaktor (z. B.
APC
RORγ t TH
7 IL-1, IL-23
IL-4
FoxP3) kursiv angegeben. Es gibt Hinweise dafür, dass durch
starke Gefahrensignale iTreg auch in TH17-Zellen umgewan-
naive T H2
IL-10

delt werden können. b) Die TH-Zellpopulationen unter-


TH GATA-3
8 drücken in der Regel die Bildung der jeweiligen anderen
Populationen und fördern ihre eigene Entstehung. Grüne
naive Pfeile stellen eine Aktivierung über die jeweiligen Cytokine
9 TH dar, rote Pfeile eine Inhibition. Einfache graue Pfeile symbo-
lisieren die Differenzierung zum jeweiligen Subtyp. FoxP3:
forkhead box P3, t-bet: T-Box expressed in T cells, GATA-3:
10 GATA-binding protein-3, RORγt: retinoic acid-related orphan
Tr1 receptor γt (bei Menschen RORC)
??
11 a

12 IFN-γ

TH1
t-bet TH1
13 t-bet IFN

F-β IL-
10 IL-
TG 17
14 n/iTreg TH2 Tr1 TH17
IFN-γ

IL-17
IL-4

FoxP3 TGF-β GATA-3 IL-10 ?? RORγ t

15 TG
F-β
IL-
10
TH 2
IL-
4

iTreg TH17 GATA-3


16 FoxP3 IL-17 RORγ t
IL-4
b
17
Neben der wichtigen Funktion der Treg sollte man aber be- Die Subpopulationen von regulatorischen
18 denken, dass auch die übrigen Populationen der TH-Zellen sich T-Zellen
gegenseitig regulieren (. Abb. 7.7).
19 Historisch hat man schon früh erkannt, dass es regulato- Ob Treg wirklich eine eigene Subpopulation sind oder eigentlich
rische Zellen im Immunsystem gibt. 1970 wurde erstmals von nur spezifische Funktionszustände von TH-Zellen darstellen, ist
20 Suppressorzellen gesprochen, die später als CD8+-T-Zellen de- in der Literatur noch heftig umstritten. Auch ist die Anzahl der
finiert wurden, weshalb im klinischen Alltag häufig noch von Treg-Subpopulationen noch nicht genau geklärt. Das Problem
einem Quotienten von Helfer/Suppressorzellen gesprochen wird, ist, dass Treg schwierig anhand von eindeutigen Markern zu de-
21 wenn man das Verhältnis von CD4+/CD8+-T-Zellen meint. Das finieren sind. Auch der Reaktionstyp von Treg ist nicht eindeutig.
Konzept der Suppressorzellen wurde in den späten 1980er-Jahren Während die meisten Treg antigenspezifisch die Immunantwort
22 wieder verworfen, denn die CD8+-T-Zellen haben mehrheitlich unterdrücken, können die Treg auch über ihre Cytokine anti-
eine cytotoxische Funktion. Mitte der 1990er-Jahre wurden Treg genunabhängig die Immunantwort supprimieren. Die wichtigs-
definiert als TH-Zellen, die andere TH-Zellen in ihrer Funktion ten Subpopulationen sind die natürlichen FoxP3+ (nTreg) und
23 unterdrücken können. die induzierbaren (iTreg) regulatorischen T-Zellen. Bei den iTreg
unterscheidet man Tr1-Zellen (regulatorische T-Zellen Typ 1)
und TH3-Zellen, wobei der Name TH3-Zellen umstritten ist, da
7.4 • Regulatorische T-Zellen (Treg)
115 7

die Abgrenzung von nTreg anhand von Markern sehr schwierig diese sublingual (unter die Zunge) appliziert werden. Solch ein
ist, weshalb hier nur von iTreg gesprochen wird. FoxP3 (forkhead Schwellenwert muss aber nicht nur für die definitiv harmlosen
box P3) ist ein Transkriptionsfaktor, der stark in den Treg (außer Antigene aus der Nahrung eingerichtet werden, sondern auch
Tr1) exprimiert wird und deshalb heute als einer der wichtigs- für andere schwache Antigene, z. B. für die Antigene von kom-
ten Marker für Treg gilt. Die nTreg entstehen direkt im Thymus, mensalen Bakterien, die ja toleriert werden sollen, da sie zur
nach neuesten Erkenntnissen wahrscheinlich in den Hassal’schen natürlichen Immunabwehr beitragen. Dieser Schwellenwert ist
Körperchen unter dem Einfluss von TSLP (thymic stromal-de- auch für die Unterdrückung von Reaktionen auf kreuzreaktive
rived lymphopoietin), und haben eine hohe Affinität zu ihrem Antigene wichtig. Dies nutzen Erreger beim molekularen Mimi-
Antigen (. Abb. 7.7). Die iTreg entstehen im Verlauf einer Imm- kry aus, welches bei der Autoimmunität näher besprochen wird.
unreaktion, wo wahrscheinlich auch die Aufgabenteilung dieser Letztlich findet eine ähnliche Form der Toleranzbildung auch in
beiden Populationen liegt. Die nTreg sorgen mehrheitlich für die der Induktion der fetomaternalen Toleranz statt, um eine intakte
Selbst-Toleranz, während die iTreg mehrheitlich die Immunreak- Schwangerschaft zu gewährleisten.
tion regulieren. FoxP3 ist aber nicht exklusiv für Treg, und nicht Komplizierter wird die Funktion in der Immunregulation,
alle Treg-Subpopulationen exprimieren diesen Transkriptionsfak- wo eine Immunantwort zunächst gewünscht ist. Der Balanceakt
tor. Neben FoxP3 gibt es weitere Marker für Treg, die mehr oder der Treg besteht dabei darin, die Immunreaktion gegen einen Er-
weniger spezifisch für diese Zellpopulation sind. Die wichtigsten reger zuzulassen, aber gleichzeitig die überschießende Reaktion
Marker sind die hohe Expression von CD25 (CD25hi), CTLA-4 zu unterdrücken, die eine Immunpathologie nach sich ziehen
(cytotoxic T lymphocyte-associated antigen 4), GITR (glucocorti- würde, d. h., das Immunsystem würde mehr Gewebe zerstören als
coid-induced tumor necrosis factor receptor family related gene) retten. Man kann dies experimentell nachvollziehen und kennt
und LAG-3 (lymphocyte activation gene-3) sowie die niedrige Ex- die Bedeutung der Treg, aber die molekularen Mechanismen sind
pression von CD127 (IL-7-Rezeptor-α-Kette) gegenüber anderen noch nicht alle verstanden. Gut zu verstehen ist der Eingriff der
T-Zellen. Die Tr1-Zellen unterscheiden sich wesentlich von den Treg in die Entscheidung des Reaktionstyps der Immunantwort
nTreg und den übrigen iTreg, da sie kein FoxP3 und kein oder nur bei T-Zellen, d. h. die Entscheidung zu TH1-, TH2- oder TH17-Im-
wenig CD25 exprimieren und vor allem unter dem Einfluss von munreaktionen, und B-Zellen, d. h., den Immunglobulinklassen-
IL-10 entstehen. Bei all diesen Unterschieden ist den Treg gemein- wechsel. Hier können die Treg über die von ihnen produzierten
sam, dass sie selbst kein IL-2 produzieren, aber von diesem als Cytokine nicht nur die Immunreaktion unterdrücken, sondern
Überlebensfaktor abhängig sind. auch in eine entsprechende Richtung lenken. So unterdrückt z. B.
TGF-β die Produktion von IgG, fördert aber die Produktion von
IgA. Ein Beispiel für die T-Zellen wurde mit der Umschaltung
Die Funktionen der regulatorischen T-Zellen von Treg auf IL-17-Produktion bereits oben gegeben.
Extrem wichtig für ein intaktes Immunsystem ist die Ab-
Die Treg haben wichtige Funktionen, auf die in den jeweiligen schaltung der Immunreaktion, wenn der Erreger eliminiert ist,
funktionellen Kapiteln näher eingegangen wird. Ursprünglich da eine chronische Entzündungsreaktion langfristig den Körper
entdeckte man die Treg als Zellen, die die natürliche Selbst-To- stark schädigt. Die Abschaltung der Zellaktivierung ist deshalb
leranz aufrechterhalten. Dies sind vor allem die nTreg und diese ein automatisches Programm, das bereits bei der Aktivierung
sind antigenspezifisch. Die Selbst-Toleranz entsteht also durch der Zellen mit induziert wird. In der Spätphase der Immunre-
die Elimination von autoreaktiven Zellen und durch die anti- aktion kann man deshalb die Treg nicht mehr anhand aller oben
genspezifische Unterdrückung autoreaktiver Zellen durch nTreg genannten Marker von aktivierten T-Zellen unterscheiden. Alle
ähnlicher Spezifität, d. h. mit Spezifität für das gleiche Anti- T-Zellen regulieren nach Stimulation schnell den hochaffinen
gen, aber nicht für das gleiche Epitop. Vergleichbar unterdrü- IL-2-Rezeptor (CD25) herauf, sodass die Abgrenzung zu den Treg
cken die iTreg die Entstehung von Allergien, indem sie durch schwierig wird. Durch stärkere Expression von CD25 konkurrie-
ihre Suppression die Reaktionsschwelle gegen Antigene ohne ren die aktivierten T-Zellen mit den Treg um IL-2 als Wachstums-
Gefahrensignale hochhalten. Dies wird dadurch erreicht, dass faktor, was den Schwellenwert für die Aktivierung bedingt. Im
die Treg bei Stimulation über Rezeptoren der angeborenen Im- selbstregulierenden Programm wird dann ca. 2–3 Tage nach der
munität (z. B. TLR) aufgrund der Gefahrensignale umschalten Aktivierung in den T-Zellen CTLA-4 hochreguliert, womit eine
und IL-17 produzieren und damit eine Immunantwort zulas- erneute Stimulation unterdrückt wird. Damit nutzen die nor-
sen (. Abb. 7.7). Klinisch sieht man die Rolle in Autoimmu- malen T-Zellen wiederum einen Marker, den die Treg konstitutiv
nität und Allergie am XLAAD (X-linked autoimmunity-allergic exprimieren. Dementsprechend wirken in der Abschaltung der
dysregulation syndrome), bei dem FoxP3 defekt ist und deshalb Immunregulation autoregulatorische Mechanismen in den Ef-
früh fatale autoimmune und allergische Reaktionen auftreten. fektor-T-Zellen und Treg zusammen.
Besonders wichtig ist die Induktion der Toleranz durch Treg in Bei allen drei oben beschriebenen Szenarien ist es die Re-
der Ernährung, d. h. wir müssen gegen alle Antigene unserer gel, dass die Treg in einem gemeinsamen Verbund mit den APC
Nahrung tolerant werden, um uns ohne Risiko ausgewogen zu und den Effektor-T-Zellen interagieren. Die Treg und die APC,
ernähren. Diese Toleranz wird vor allem über Treg in der Leber vor allem DC, beeinflussen sich also gegenseitig; dies geschieht
und dem MALT des Mundraumes induziert, man spricht von z. B. über cAMP (cyclisches Adenosin­mono­phosphat) der Treg
oraler Toleranz. Diesen natürlichen Toleranzinduktionsweg zur Inhibition der DC und proinflammatorische Cytokine der
nutzt man bei der Desensibilisierung gegen Allergene, bei der DC zur Inhibition der Treg. In diesem Wechselspiel entscheidet
116 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

1 Plazenta

2 FASL
Trophoblast Komplement-
regulatorpro-
3 IDO
tein Crry
uNK-Zelle Hemmung der Phagocyten
4 Proliferation

angiogenetische
5 Faktoren TGF-β
Wachstums- IFN-γ T-Zellen
faktoren
6 IL-10
Immunsuppression
DC
TGF-β Makrophage
7 mütterliches
Blutgefäß

8 selektive
Rekrutierung
Treg = Toleranz ?
?
von Leukocyten Lymphknoten
9 mütterliches Gewebe
Induktion von
Toleranz

10 .. Abb. 7.8  Die Plazenta als immunologische Barriere zwischen Mutter und Fetus. Bei normal ver­laufenden Schwangerschaften entwickelt sich der semial-
logene (genetische Eigenschaften von der Mutter und vom Vater) Fetus, ohne eine Abstoßungsreaktion durch das mütterliche Immunsystem hervorzurufen.
11 Eine besondere Rolle spielt der fetale Trophoblast, der eine Grenzschicht zwischen Fetus und mütterlichem Immunsystem darstellt. Diese Barrierefunktion er-
klärt jedoch nicht das Aus­bleiben einer Abstoßungsreaktion gegen die fetalen Plazentazellen selbst. Vielmehr haben sich mütterliche und fetale Mechanismen
gebildet, die das fremde Gewebe während der Dauer der Schwanger­schaft tolerieren. Dazu gehören Kontrolle der Leukocyteneinwanderung; Vorbereitung
12 des mütterlichen Gewebes und der lokalen Blutgefäße auf die einwandernden Plazentazellen als auch deren Kontrolle durch uterine NK-Zellen. Des Weiteren
sind die Induktion von Toleranz und Immun­suppression durch dendritische Zellen und regulatorische T-Zellen wichtige Mechanismen. Tropho­blastenzellen
exprimieren IDO, Fas-Ligand und Crry, um mütterliche T-Zellen beziehungs­weise Komplementkomponenten zu unterdrücken. Crry: complement receptor-1-re-
13 lated protein y; IDO: Indolamin-2,3-Dioxygenase; uNK: uterine NK-Zelle

14 sich aufgrund der Stärke der Stimulation der APC, ob der dritte Granula, Chemokine locken weitere Leukocyten an, cytotoxische
Partner, die Effektor-T-Zelle, aktiviert wird. Killerzellen töten virusinfizierte Zellen und Tumorzellen. Anti-
15 körper markieren Mikroorganismen und Parasiten, um ihre Ver-
nichtung zu erleichtern oder führen nach Bindung des Antigens
7.5 Ausnahmen bestätigen die Regel – zur Degranulierung von Mastzellen und anderen Immunzellen.
16 immunprivilegierte Organe Die meisten Gewebe des Körpers können das verkraften,
ohne bleibende Schäden davonzutragen. Die immunologisch
17 Wir begeben uns jetzt in Bereiche des Körpers, die aus immu- privilegierten Regionen dagegen nicht. Sie enthalten äußerst
nologischer Sicht mehr als ungewöhnlich sind. In diesen Berei- empfindliche Gewebe, die nicht erneuerbar sind, deren Zellen
chen lösen selbst Transplantate von genetisch unterschiedlichen sich nicht mehr teilen können oder hochgradig differenziert sind,
18 Spendern der gleichen Art (allogene Transplantate) keine Imm- wie die Netzhaut des Auges, die Keimzellen und das ungeborene
unreaktion und somit auch keine Abstoßungsreaktion aus. Sie Kind. Zellverluste in diesen Bereichen sind nicht kompensierbar
19 werden über einen längeren Zeitraum, manchmal auch unbe- und hätten nicht nur für die Funktion dieser Bereiche fatale Fol-
grenzt, toleriert. gen, sondern langfristig auch für das Überleben des Organismus
20 Mittlerweile kennt man mehrere sogenannte immunprivile- oder der Art. In diesen Regionen sind deshalb die Immunreakti-
gierte Regionen im Körper. Neben Auge und Gebärmutter mit onen sehr stark limitiert oder im Vergleich zu anderen Organen
Plazenta und Fetus gehören Gehirn, Hoden (Testes), Eierstock so verändert, dass sie das Gewebe nicht schädigen.
21 (Ovar) und Haarfollikel, beim Hamster auch die Backentasche Doch wie schützen sich immunologisch privilegierte Regio-
dazu. Aber warum dürfen hier keine Immunreaktionen im klas- nen vor dem eigenen Immunsystem? Sie sind in der Regel von
22 sischen Sinn ablaufen? Die Antwort des Körpers auf Krankheits- Barrieren umgeben, den sogenannten Blut-Gewebe-Schranken,
erreger beinhaltet drastische Maßnahmen, in deren Verlauf es die sie vom Rest des Körpers trennen. So wird zum Beispiel das
notgedrungen zu Entzündung und Verletzung des beteiligten Gehirn durch die Blut-Hirn-Schranke und das Auge durch die
23 Gewebes kommt. Komplementkomponenten lysieren Bakterien Blut-Okular-Schranke geschützt. Dendritische Zellen, die Anti-
und aktivieren zusammen mit Cytokinen Immunzellen, Phago- gene aus den immunologisch privilegierten Regionen in das für
cyten fressen den Erreger oder attackieren ihn mithilfe toxischer diesen Bereich zuständige lymphatische Gewebe transportieren
7.5  •  Ausnahmen bestätigen die Regel – immunprivilegierte Organe
117 7

(beim Auge die Milz), induzieren Toleranz. Dies geschieht mög-


licherweise über die Generierung von regulatorischen T-Zellen.
Zudem ist die Expression von klassischen MHC-Molekülen in
diesen Geweben verringert. Auch hohe Konzentrationen von
immunsuppressiven Cytokinen limitieren aggressive Immunre-
aktionen. Ein weiterer Schutzmechanismus ist die Ausprägung
des Fas-Liganden auf der Oberfläche von Gewebezellen an strate-
gisch günstigen Stellen. Dieses Molekül treibt aktivierte Lympho-
cyten, die in das Gewebe eindringen, in die Apoptose. Nicht alle
diese Mechanismen haben in allen immunologisch privilegierten
Regionen den gleichen Stellenwert, manche fehlen in bestimmten
Bereichen und einige Funktionen werden wissenschaftlich noch
diskutiert.

Die Plazenta als Grenze zwischen zwei


genetisch unterschiedlichen Individuen .. Abb. 7.9  Uterine natürliche Killerzelle. Die dargestellte transelektronen-
mikroskopische Aufnahme einer uterinen natürlichen Killerzelle (uNK-Zel-
Wie eingangs erwähnt, ist das langfristige Überleben von alloge- le) stammt aus der Gebärmutter einer trächtigen Maus. Doch auch beim
Menschen sind uNK-Zellen die vorherrschende Leukocytenpopulation im
nen Transplantaten ein Kennzeichen von immunologisch privile-
schwangeren Uterus. Sie sind vier- bis fünfmal größer als die NK-Zellen des
gierten Orten. Doch Transplantate sind künstliche Produkte der Blutes oder anderer Gewebe. Sie enthalten in ihrem Inneren große Granula
Medizin. Das einzige „natürliche Transplantat“, das wir kennen, (erkennbar als große schwarze Flecken im Cytoplasma), gefüllt mit Enzymen.
ist der Fetus und die Plazenta. Denn im mütterlichen Uterus ist Im schwangeren Uterus stellen sie eine der wichtigsten Zellpopulationen dar.
das kindliche Gewebe fremd, hat es doch 50 % seiner genetischen Sie helfen beim Umbau der mütterlichen uterinen Blutgefäße, bereiten das
mütterliche uterine Gewebe auf die Plazenta vor, kontrollieren die Einwande-
Anlagen vom Vater geerbt. Während der Fetus selbst durch die
rungstiefe der Trophoblastenzellen, beeinflussen Reifung und Aktivität der
Plazentaschranke vor den Immunzellen der Mutter abgeschirmt dendritischen Zellen und wehren Krankheitserreger ab
wird, erklärt das nicht das Ausbleiben einer Abstoßungsreaktion
gegen die fetalen Plazentazellen, die sogenannten Trophoblas-
tenzellen. Diese müssen, um ein funktionierendes Versorgungs- gleichzeitig aber aus der Außenwelt kommende Krankheitser-
organ aufbauen zu können, tief in das Gewebe und die Blutgefäße reger in Schach halten. Ganz nebenbei müssen sie das mütter-
der mütterlichen Gebärmutter eindringen. Dabei kommen sie in liche Gewebe der Gebärmutter auf die sich bildende Plazenta
direkten Kontakt mit zellulären und löslichen Komponenten der vorbereiten, den fetalen Trophoblastenzellen Zugang zum Ver-
mütterlichen Immunabwehr. Wie Plazenta und mütterliches Im- sorgungssystem der Mutter ermöglichen, gleichzeitig aber deren
munsystem sich gegenseitig zum Wohl des Kindes beeinflussen, übermäßige Expansion verhindern.
beschäftigt die Forschung seit den 1950er-Jahren. Die damals Untersuchungen in der Maus zeigen, dass die Zusammenset-
durchgeführten Forschungen des britischen Transplantationspi- zung der mütterlichen Immunzellen an der mütterlich/fetalen
oniers Sir Peter Medawar bilden den Grundstein, auf den sich alle Grenzfläche schon in den uterinen Blutgefäßen entschieden wird.
neueren Forschungen zu diesem Thema aufbauen. Mittlerweile Nur Leukocyten, die den Code der vaskulären Adressen kennen,
weiß man, dass viele verschiedene Faktoren für das Gelingen der werden eingelassen. Im schwangeren Uterus unterstützen Che-
Schwangerschaft zusammenarbeiten (. Abb. 7.8). Sehen wir uns mokine die Wanderung der mütterlichen Leukocyten an ihren
zunächst an, was das mütterliche Immunsystem zu bieten hat, Bestimmungsort. Produziert werden die chemischen Lockstoffe
um eine Immuntoleranz an der mütterlich/fetalen Grenzschicht von mütterlichen Bindegewebszellen, den Immunzellen selbst,
zu etablieren und somit das fremde Gewebe für neun Monate als aber auch von den fetalen Trophoblastzellen.
„Selbst“ zu behandeln. Was sind das für Immunzellen, die Zutritt zum schwangeren
Uterus bekommen? Im Grunde alle Immunzellen, die die loka-
len Immunreaktionen zum Vorteil des Embryos regulieren und
Das mütterliche Immunsystem alles tun, damit er kontrolliert wachsen und gedeihen kann. Die
meisten von ihnen gehören zum angeborenen Immunsystem,
Das erfolgreiche Zusammenleben von fetalen Trophoblasten- das in diesem außergewöhnlichen Organ eine sehr dominante
zellen und mütterlichen Immunzellen macht den schwangeren Rolle spielt. Eine der ungewöhnlichsten Zellpopulationen sind
Uterus einzigartig unter all den anderen Organen und Geweben. die uterinen natürlichen Killerzellen (. Abb. 7.9). Sie kommen
Es ist also selbstverständlich, dass nicht jede Immunzelle Zutritt sowohl bei der Maus als auch beim Menschen vor und haben bei
zu diesem besonderen Ort erlangt und auch nicht erlangen darf. beiden Spezies viele übereinstimmende Merkmale und Funktio-
Potenziell gefährliche T- und B-Zellen sind zumindest zu Beginn nen. Während der frühen Phase der Schwangerschaft stellen sie
der Plazentaentwicklung nicht erwünscht. Es werden vielmehr die vorherrschende Zellpopulation dar. Ziemlich überraschend
Spezialeinheiten von mütterlichen Immunzellen benötigt, die zeigte sich, dass diese extrem großen Zellen – sie sind vier- bis
auf der einen Seite Toleranz gegen das fetale Gewebe erzeugen, fünfmal größer als NK-Zellen im Blut – für die Etablierung ei-
118 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

ner erfolgreichen Schwangerschaft unerlässlich sind. Durch die bremsen. Eine Untergruppe dieser immunhemmenden T-Zellen
1 Produktion von Cytokinen, vor allem von Interferon-γ, Wachs- erkennt ihre Antigene jedoch nicht über die von den dendriti-
tumsfaktoren für Gefäße (angiogenetische Faktoren) und Che- schen Zellen präsentierten MHC-Moleküle. Sie binden vielmehr
2 mokinen tragen sie entscheidend zur Erweiterung und zum spezifisch an seltene embryonale Selbst-Antigene, sogenannte
Umbau bestehender uteriner Gefäße bei, ermöglichen die Be- onkofetale Moleküle, die vom Trophoblasten exprimiert werden.
siedlung der uterinen Spiralarterien durch Trophoblastzellen und Dadurch stimuliert, entfalten sie ihre hemmende Wirkung.
3 führen zu Veränderungen der Bindegewebszellen des schwan- Regulatorische T-Zellen, uterine natürliche Kil­lerzellen,
geren Uterus. Beim Menschen sind sie auch an der Ausreifung dendritische Zellen und Deciduazellen (Decidua: nach der Im-
4 der fetalen Trophoblastenzellen beteiligt und kontrollieren deren plantation der Eizelle umgewandelte Gebärmutterschleimhaut)
Ausbreitung im mütterlichen Gewebe. Zusätzlich spielen sie eine sind Schlüsselfiguren des lokalen mütterlichen Immunsystems,
5 Schlüsselrolle bei der Abwehr von Krankheitserregern, die wäh- zumindest während der kritischen frühen Phase einer Schwan-
rend der Schwangerschaft in den Uterus gelangen. Dennoch darf gerschaft.
man nicht vergessen, dass sie Killerzellen sind, die ein tödliches
6 Arsenal in ihrem Inneren tragen. Doch die fetalen Plazentazellen
verfügen über Verteidigungsmechanismen, mit deren Hilfe sie Überlebensstrategien des kindlichen Gewebes
7 sich dem cytotoxischen Potenzial dieser Zellen entziehen. Mehr
noch, die Trophoblastenzellen nutzen spezielle Rezeptoren auf Die fetalen Trophoblastenzellen der Plazenta setzen wiederum
der Oberfläche der uterinen NK-Zellen, um ihre eigene Ausbrei- auf die Strategie des Ausweichens und der Selbstverteidigung,
8 tung und somit die Plazentabildung zu regulieren. geben aber auch Signale, die schwangerschaftsnotwendige Ver-
Aber wie wird eine natürliche Killerzelle zur uterinen na- änderungen des mütterlichen Gewebes hervorrufen. Ihr Ziel ist
9 türlichen Killerzelle, die den Gegebenheiten im schwangeren die Sicherung des eigenen Überlebens und das des sich entwi-
Uterus so einzigartig angepasst ist? Dabei spielt eine weitere ckelnden Kindes. Dabei wenden sie Tricks an, um das mütterli-
10 wichtige Zellpopulation des mütterlichen Immunsystems eine che Immunsystem zu überlisten, tragen aber auch Oberflächen-
wichtige Rolle: die dendritischen Zellen. Zumindest eine Un- moleküle, mit denen sie notfalls die Attacken des mütterlichen
tergruppe von ihnen schafft zusammen mit Bindegewebszellen Immunsystems abwehren, zumindest aber dämpfen können.
11 genau dasjenige Mikromilieu, das die uterinen NK-Zellen für So tragen die Plazentazellen kaum klassische MHC-Moleküle
ihre Reifung und die Entwicklung ihrer speziellen Funktionen (HLA-C ist hier das einzige MHC-Molekül mit nennenswertem
12 brauchen. Dazu müssen dendritische Zellen und uterine NK-Zel- Polymorphismus). Dadurch machen sie sich weitestgehend un-
len miteinander kommunizieren. Man spricht von einem soge- sichtbar für die mütterlichen T-Zellen. Stattdessen exprimieren
nannten Cross-Talk. Dieses „Zwiegespräch“ erfolgt über lösliche sie gering polymorphe MHC-Klasse-I-Moleküle (beim Men-
13 Botenstoffe, aber auch über direkte Kontakte zwischen diesen schen HLA-G und HLA-E), die keine spezifischen Immunreakti-
beiden Immunzellen. Während die dendritischen Zellen ihre onen auslösen. HLA-E hemmt die Tötungsfunktion der uterinen
14 „Gesprächspartner“ aktivieren, all das zu tun, was für die Bil- natürlichen Killer­zellen. HLA-G und HLA-C helfen dagegen bei
dung einer Plazenta nötig ist, scheinen die uterinen NK-Zellen der Plazentabildung, indem sie über die Aktivierung von uteri-
15 eher beruhigend auf die dendritischen Zellen zu wirken. Dies ist nen NK-Zellen den Umbau der mütterlichen Gefäße vorantrei-
wichtig, denn dendritische Zellen haben noch eine weitere sehr ben und die Kontrolle der Trophoblasteninvasion übernehmen.
wichtige Aufgabe an der mütterlich/fetalen Grenzschicht. Sie Außerdem tragen die fetalen Plazentazellen zahlreiche Mo-
16 sind an der Auslösung der Toleranz gegenüber dem kindlichen leküle zur Selbstverteidigung wie das Todessignal Fas-Ligand.
Gewebe beteiligt. Sie produzieren das Enzym Indolamin-2,3-Dioxygenase, kurz
17 Unreife dendritische Zellen phagocytieren im schwangeren IDO genannt. IDO baut die lebensnotwendige Aminosäure
Uterus Fremd-Antigen in Form von fetalen Zellen, aber, und Tryptophan ab, die von T-Zellen zur Teilung und Funktion be-
das ist der Unterschied zu Entzündungsreaktionen in anderen nötigt wird. Funktionelle Untersuchungen bei trächtigen Mäusen
18 Geweben, sie bleiben ruhig, sie prägen nicht mehr MHC-Mo- zeigten, dass eine chemische Hemmung von IDO zu Aborten
leküle und keine zusätzlich aktivierenden Moleküle aus und si- von Feten genetisch unterschiedlicher Eltern führt. Feten von
19 gnalisieren keine Gefahr. Der Grund ist zum einen das Fehlen genetisch gleichen Eltern (Inzuchtstämme) blieben dagegen un-
von Entzündungsfaktoren, die die dendritische Zelle aktivieren behelligt. Diese Beobachtungen unterstützten die Hypothese,
20 könnten. Zum anderen gibt es im schwangeren Uterus hohe Kon- dass die Plazenta mithilfe der Tryptophanverarmung mütterli-
zentrationen an hemmenden Faktoren, die eine Aktivierung der che T-Zellen unter Kontrolle hält, die gegen MHC-Proteine des
dendritischen Zellen unterdrücken. Auch die uterinen NK-Zel- Vaters gerichtet sind.
21 len spielen, wie bereits erwähnt, eine wichtige Rolle in diesem Die Trophoblastenzellen exprimieren auch Komplementre-
Prozess. Wenn die uterinen dendritischen Zellen nun in das gulatorproteine, die eine Aktivierung des mütterlichen Komple-
22 nächste lymphatische Gewebe wandern, präsentieren sie zwar mentsystems verhindern. Ein regulatorisches Protein in Nage-
Fremd-Antigen, signalisieren aber: „Keine Gefahr!“ Naive T-Zel- tieren, das sogenannte complement receptor-1-related protein y
len bekommen keine weiteren Signale und werden funktionsun- oder auch Crry, hat in der Reproduktionsbiologie für Aufregung
23 fähig oder sterben durch Apoptose. Möglicherweise sind diese gesorgt, als festgestellt wurde, dass Knockout-Mäuse, bei denen
dendritischen Zellen auch mit der Bildung von regulatorischen das Gen für dieses Protein ausgeschaltet wurde, keinen Nach-
T-Zellen assoziiert, die wiederum das Immunsystem der Mutter wuchs bekommen konnten. Sie zeigten schon in frühen Stadien
Literatur
119 7

der Trächtigkeit eine Abstoßung der Feten. Untersuchte man die ben in der Regel in friedlicher Koexistenz mit dem Immunsys-
Implantationsstellen dieser Mäuse, so fand man Komplement­ tem des Gastorganismus. Doch erhöhte Zahlen der Fremdlinge
aktivierung auf der Oberfläche des Trophoblasten und eine da- im mütterlichen Körper sind oft assoziiert mit Krankheiten wie
durch ausgelöste dramatische Zuwanderung von Immunzellen. systemische Sklerose, einer autoimmunen Bindegewebserkran-
Entzündungsreaktionen und die damit einhergehende Zerstö- kung der Haut und inneren Organe und anderen Autoimmuner-
rung des Trophoblasten beendeten die Trächtigkeit. Obwohl ein krankungen. So wurden im Blut von Frauen mit systemischer
humanes Äquivalent für Crry nicht existiert, scheinen andere Sklerose bis zu dreißigmal mehr Zellen des Kindes gefunden als
regulatorische Proteine seine Funktionen in der menschlichen bei gesunden Vergleichspersonen. Darunter befinden sich auch
Plazenta zu übernehmen. Ob allerdings eine Abwesenheit oder fetale Immunzellen. Sie erneuern sich immer wieder aus fetalen
ein Mangel an diesen Komponenten beim Menschen zu Aborten Stammzellen, die bei der Schwangerschaft oder Geburt in den
führt, bedarf weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen. mütterlichen Organismus gelangten.

Das Kind hinterlässt Spuren im Körper Literatur


der Mutter – oft für Jahrzehnte
Allen S et al (2007) Chemokine: Receptor Structure, Interactions, and Antago-
nism. Annu Rev Immunol 25:787–820
Obwohl die Plazenta ihr Fremdsein sehr gut kaschieren kann, be-
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einflusst die Schwangerschaft das Immunsystem des ganzen Kör- tolerance to the fetus. Nat Immunol 5:266–271
pers. So kommt es zum Beispiel zu einer systemischen Expansion Arend WP, Palmer G, Gabay C (2008) IL-1, IL-18, and IL-33 families of cytokines.
der regulatorischen T-Zellen. Dies führt zur Verbesserung von Immunol Rev 223:20–38
Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis. Doch Ashkar AA, Di Santo JP, Croy BA (2000) Interferon contributes to initiation of
uterine vascular modification, decidual integrity, and uterine natural killer
auch das Kind hinterlässt Spuren in der Mutter. Je tiefer die Pla-
cell maturation during normal murine pregnancy. J Exp Med 192:259–269
zenta in das mütterliche Gewebe der Gebärmutter hineinwächst, Baker SJ, Rane SG, Reddy EP (2007) Hematopoietic cytokine receptor signaling.
und Menschen haben die invasivste Form im Tierreich, desto Oncogene 26(47):6724–6737
wahrscheinlicher ist ein Transfer von Zellen zwischen beiden Behrends J, Karsten CM, Wilke S, Röbke A, Kruse A (2008) Identification of ITGA4/
Organismen. Bei jeder Geburt treten zum Beispiel fetale Zel- ITGB7 and ITGAE/ITGB7 expressing subsets of decidual dendritic-like cells
within distinct microdomains of the pregnant mouse uterus. Biol Reprod
len in den mütterlichen Kreislauf über. Aber auch während der
79:624–632
Schwangerschaft schnürt der Trophoblast Knospen und Mikro- Bettini ML, Vignali DAA (2010) Development of Thymically-Derived Natural Re-
partikel ab und entlässt sie ins mütterliche Blut. gulatory T Cells. Ann NY Acad Sci 1183:1–12
Das Immunsystem der Mutter reagiert spezifisch auf die Bianchi DW, Zickwolf GK, Weil GJ, Sylvester S, DeMaria MA (1996) Male fetal
fremden Zellen. Das zeigt am deutlichsten eine schwere Erkran- lymphoid progenitor cells persist in maternal blood for as long as 27 years
post-partum. Proc Natl Acad Sci USA 93:705–708
kung des Neugeborenen, der Morbus haemolyticus neonatorum,
Blois S, Soto ACD, Tometten M, Klapp BF, Margni RA, Arck PC (2004) Lineage,
der oftmals auf einer Blutgruppenunverträglichkeit zwischen maturity and phenotype of uterine murine dendritic cells throughout ge-
Mutter und Kind im Rhesus-System beruht. Voraussetzung ist, station indicate a protective role in maintaining pregnancy. Biol Reprod
dass die Mutter schon einmal mit dem inkompatiblen Blutgrup- 70:1020–1034
penmerkmal bei einer vorherigen Schwangerschaft, Fehlgeburt Butcher EC, Picker LJ (1996) Lymphocyte homing and homeostasis. Science
272:60–66
oder Transfusion in Kontakt gekommen ist. Diese Sensibilisie-
Butcher EC, Williams M, Youngman K, Rott L, Briskin M (1999) Lymphocyte traf-
rung führt zur Bildung von IgG-Antikörpern gegen die inkompa- ficking and regional immunity. Adv Immunol 72:209–253
tiblen Blutgruppenmerkmale des Kindes. Bei der nachfolgenden Campbell JJ, Pan J, Butcher EC (1999) Cutting edge: developmental switches in
Schwangerschaft passieren die bereits vorhandenen Antikörper chemokine responses during T cell maturation. J Immunol 163:2353–2357
die Plazentaschranke und führen zur Lyse der roten Blutkörper- Campbell JJ, Butcher EC (2000) Chemokines in tissue specific and microen-
vironment-specific lymphocyte homing. Curr Opin Immunol 12:336–341
chen des Kindes. Ein weiterer Hinweis, dass das adaptive Immun-
Corthay A (2009) How do Regulatory T Cells Work. Scand J Immunol 70:326–336
system väterliche Antigene erkennt und auf sie reagiert, liefern Dubinsky V, Poehlmann TG, Suman P, Gentile T, Markert UR, Gutierrez G (2010)
HLA-Antiseren, die seit vielen Jahren zur Gewebetypisierung be- Role of regulatory and angiogenic cytokines in invasion of trophoblastic
nutzt werden. Sie werden aus dem Blut von schwangeren Frauen cells. Am J Reprod Immun 63(3):193–199
gewonnen, da diese Antikörper gegen die väterlichen Merkmale Fernekorn U, Butcher EC, Behrends J, Hartz S, Kruse A (2004) Functional invol-
vement of P-selectin and MAdCAM-1 in the recruitment of α4β7-integrin
gebildet haben.
expressing monocyte-like cells to the pregnant mouse uterus. Eur J Im-
Eine Langzeitfolge dieses Zelltransfers zwischen Mutter und munol 34:3423–3433
Kind ist der sogenannte fetale Mikrochimerismus. Darunter ver- Fernekorn U, Kruse A (2005) Regulation of leukocyte recruitment to the murine
steht man das Überdauern von fetalen Zellen im mütterlichen maternal/fetal interface. In: Markert UR (Hrsg) Immunology of Pregnancy.
Organismus für Jahrzehnte. Das gilt im umgekehrten Fall auch Chemical Immunology and Allergy, Bd. 89. Karger, Basel, S 105–117
Griffith TSFTA (1997) The role of FasL-induced apoptosis in immune privilege.
für mütterliche Zellen im kindlichen Organismus. 1996 publi-
Immunol Today 18(5):240–244
zierte Diana Bianchie eine Studie, in der alle Mütter, die Söhne Ibelgaufts H (2010) Cytokines & Cells Online Pathfinder Encyclopedia (24.7).
geboren hatten, männliche Zellen in ihrem Blut aufwiesen. Die http://www.copewithcytokines.de. Zugegriffen: 21.12.2010
männlichen Zellen wurden anhand des Y-Chromosoms nach- Karsten CM, Behrends J, Wagner AK, Fuchs F, Figge J, Schmudde HI, Hellberg
gewiesen. Darunter waren auch Frauen, deren letzte Geburt L, Kruse A (2009) DC within the pregnant mouse uterus influence growth
and functional properties of uterine NK cells. Eur J Immunol 39:2203–2214
27 Jahre zurücklag. Geringe Mengen dieser fremden Zellen le-
120 Kapitel 7  •  Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe

Kämmerer U, Kruse A, Barrientos G, Arck PC, Blois SM (2008) Role of dendritic


1 cells in the regulation of maternal immune responses to the fetus during
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15
16
17
18
19
20
21
22
23
121 8

Infektionsimmunologie
Lothar Rink

8.1 Bedeutung der Infektionsimmunologie früher und heute  –  122


8.2 Die richtige Entscheidung zur protektiven Immunantwort  –  122
8.3 Der zeitliche Ablauf von Immunantworten  –  125
8.4 Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem
bei Infektionen – 127
8.5 Was entscheidet darüber, ob wir uns infizieren oder nicht?  –  134
8.6 Infektionsprophylaxe – 136
Literatur – 140

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
122 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

8.1 Bedeutung der Infektionsimmunologie onskrankheiten noch allgegenwärtig. Nimmt man nur die nach
1 früher und heute Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Erkrankungen, d. h. die
wirklich schwerwiegenden Infektionen, so haben wir in Deutsch-
2 Im Laufe der Entwicklung der Lebewesen traten die Organismen land ca. 83 Millionen solcher Infektionen pro Jahr. Allein an der
gegeneinander in Konkurrenz und entdeckten andere Spezies als jährlichen Influenza-Grippewelle („der richtigen Grippe“) ster-
eigene Lebensgrundlage oder Nahrung. Bei höheren Lebewesen ben in Deutschland jeweils zwischen 2000–30.000 Menschen.
3 sehen wir dies als selbstverständlich an und teilen Sie in Fleisch- Damit stellen Infektionen das mit Abstand größte Risiko für
und Pflanzenfresser ein. Bei niederen Lebewesen bezeichnen unsere Gesundheit dar.
4 wir dies jedoch als pathogene Eigenschaft oder als parasitäre Die Mechanismen, die über die Vermeidung oder die Über-
Lebensweise, wenn wir ihnen als Nahrungsgrundlage dienen windung einer Infektion entscheiden, und die zeitlichen Abläufe
5 (. Abb. 8.1). Zur Abwehr der Krankheits­erreger entwickelten der Immunreaktion für alle Erregertypen sollen in diesem Kapi-
alle höheren Lebewesen ein Immunsystem, um das Fortbeste- tel näher beschrieben werden.
hen der Spezies zu garantieren. Je weiter sich die Lebewesen
6 entwickelt haben, desto höher hat sich auch das Immun­system
in einer Coevolution in Konkurrenz zu den Erregern entwickelt. 8.2 Die richtige Entscheidung
7 Da das Immunsystem in der Evolution zur Infektionsabwehr zur protektiven Immunantwort
entstanden ist, leiten sich seine übrigen physiologischen und
patho­physiologischen Mechanismen von denen der Infektions- Im ▶ Kap. 1 (. Abb. 1.1) wurde schon die Größe von Bakterien
8 abwehr ab. Die Tumorabwehr entspricht der Abwehr von Viren und Viren der Größe der Leukocyten gegenübergestellt. Diese
und die Allergie der Abwehr von „nicht vorhandenen Parasi- Erreger sind kleiner als die Leukocyten. Das Immunsystem hat
9 ten“. Damit ist die Infektionsimmunologie der zentrale Punkt der aber auch mit größeren Erregern zu tun, z. B. mit Würmern, die
Immunologie. Während wirbellose Tiere nur eine angeborene ein Vielfaches der Größe eines Leukocyten aufweisen. Somit
10 Immunität besitzen, hat sich bei den Wirbeltieren zusätzlich die
spezifische (adaptive) Immunität entwickelt. Die Komplexität des
Immunsystems steht dabei mit der Lebensdauer der Organis- -
muss das Immunsystem auf Erreger reagieren können, die:
so klein sind, dass sie nur mit dem Elektronenmikroskop
(Nanometerbereich) sichtbar gemacht werden können (z. B.

-
11 men und der Rate an Nachkommen im Einklang, d. h., je länger Viren, 30–400 nm),
die Lebensdauer und je geringer die Anzahl der Nachkommen, mit dem Lichtmikroskop (Mikrometerbereich) erkennbar
12
13
desto komplexer muss das Immunsystem aufgebaut sein, um das
Überleben der Art zu gewährleisten. Somit haben sich im Laufe
der Evolution die in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Ab-
wehrsysteme entwickelt, die für die Abwehr von Infektionen ko-
- sind (kleine Bakterien und Protozoen; 300 nm–5 μm) und
aus der Sicht der Leukocyten riesig und mit dem bloßen
Auge erkennbar sind (Würmer, von knapp einem Millime-
ter bis zu mehreren Metern; z. B. Fischbandwurm).
ordiniert zusammenarbeiten müssen. Wichtig ist dabei, dass das
14 Immunsystem den richtigen Reaktionsweg einschlägt, der den Das Immunsystem musste also Zellsysteme und Entscheidungs-
Erreger spezifisch bekämpfen kann, da sonst die Immunreaktion mechanismen entwickeln, die jeden dieser Erregertypen erken-
15 ins Leere läuft und der Erreger sich trotzdem weitervermehrt und nen und eliminieren können. Es ist dabei wichtig zu betonen,
den Körper schädigt. dass wir auf zellulärer Ebene möglichst einfache JA/NEIN-Ent-
Die Menschheitsgeschichte zeigt dies deutlich in den großen scheidungen brauchen, die eine Funktion auslösen oder aber
16 Epidemien, die jeweils mehr Menschenleben gekostet haben als nicht, da die Zellen kein eigenes Gehirn haben, um eine kom-
die großen Kriege der jeweiligen Epoche. Im Mittelalter starben plexe Entscheidung zu treffen. Wir brauchen also auf die Eigen-
17 ca. 25 Millionen Menschen in Europa an der Pest. Bis 1967 star- schaften der Erreger abgestimmte Zellen, damit im Immunsys-
ben jährlich ca. 2 Mio. Menschen an den Pocken, bevor die Welt- tem die richtigen Entscheidungen getroffen werden und somit
gesundheitsorganisation (WHO) mit der weltweiten Impfkampa- die Zelle reagiert oder nicht, d. h. aktiviert wird oder nicht. Dieses
18 gne begann. Selbst in Deutschland starben noch bis Anfang des Prinzip der JA/NEIN-Entscheidungen kennen wir auch aus dem
20. Jahrhunderts 450.000 Kinder an Diphtherie (dem „Würgeen- Nervensystem. Dabei ist es für die Zellen immer egal, ob der
19 gel der Kinder“), bis durch Einführung des Antitoxins und später auslösende Reiz adäquat und natürlich ist oder inadäquat, was
der Impfung die Rate 2009 auf vier Infektionen (nicht Tote) im bei der Entstehung von Allergien von Bedeutung ist. Dies kennt
20 Jahr zurückging, wobei dies die höchste Rate der vorherigen acht man vom Auge, das immer eine Lichtempfindung vorspiegelt,
Jahre war. Deshalb werden in unserer industrialisierten Gesell- egal ob man wirklich Licht sieht oder aber auf das Auge schlägt
schaft die Infektionskrankheiten heute meistens als Problem der (inadäquater Reiz) und ein Lichtblitz erscheint.
21 dritten Welt angesehen (▶ Exkurs 8.1). Jährlich sterben nach An- Die primären Entscheidungsgrößen für eine protektive, d. h.
gaben der WHO ca. 13 Millionen Menschen an Infektionskrank- schützende Immunantwort sind sehr einfach (. Abb. 8.2), die
22 heiten weltweit. Nach Angaben von UNICEF (Kinderhilfswerk molekularen Mechanismen dahinter jedoch sehr komplex, sie
der Vereinten Nationen) könnten davon 2,5 Millionen Kinder wurden in den vorherigen Kapiteln bereits erläutert.
durch einfache Impfungen gerettet werden. Im Vergleich dazu Die erste Entscheidungsebene ist die Größe der Erreger, wo-
23 starben nach offiziellen Angaben im etwas mehr als 5-jährigen bei die Größe einfach anhand der eigenen Größe der Leukocyten
2. Weltkrieg ca. 50–60 Millionen Menschen, also etwa 9–11 Mil- definiert ist. Alles, was kleiner ist als ein Phagocyt, kann pha-
lionen pro Jahr. Auch heutzutage sind in Deutschland Infekti- gocytiert und intrazellulär abgetötet werden. Dies ist alles bis
8.2  •  Die richtige Entscheidung zur protektiven Immunantwort
123 8

.. Abb. 8.1  Die Hämolyse durch Bakterien. Bakterien haben unterschiedliche Mechanismen, sich ihre Nährstoffe aus der Umwelt zu holen. Teilweise stellen
diese Mechanismen auch Pathogenitäts­faktoren dar. Im Bild zu sehen sind α-hämolysierende, sogenannte vergrünende Streptokokken (z. B. Streptococcus
pneumoniae), die das Hämoglobin nur umsetzen, β-hämolysierende Streptokokken (z. B. S. pyogenes), die die Erythrocyten vollkommen lysieren, und γ-hämoly-
sierende Streptokokken (z. B. S. salivarius), die auch nicht hämolysierende Streptokokken genannt werden, da sie die Erythro­cyten nicht auflösen. Die Bakterien
sind jeweils entsprechend ihrer Art der Hämolyse auf einer Blut­agarplatte ausgestrichen

Exkurs 8.1: Die zunehmende Bedeutung der Tropenkrankheiten in Europa  |       | 


Infektionen machen vor Grenzen nicht Halt. jedes Infizierten verhindert zuverlässig jede der Viren in der Mücke temperaturabhängig
Das wissen wir seit den verheerenden Pest- Ausbreitung. Die Malaria tropica war bis zur ist, könnte die globale Erwärmung eine Rolle
und Cholera­pandemien der Vergangenheit Mitte des 20. Jahrhunderts im Mittelmeerraum spielen.
und von den Influenzapandemien, die im endemisch, die Malaria tertiana bis 1970 in Von den derzeit bekannten tropischen Infek-
letzten Jahrhundert aus den Tropen – aus Nordeuropa. Hier hat eine vollständige Be- tionserregern haben nur wenige eine Bedeu-
Asien – kamen. Die schnelle Ausbreitung handlung aller Infizierten zusammen mit einer tung für Europa. Schlafkrankheit, Bilharziose
von SARS und der neuen H1N1-Influenza im vorübergehenden Entfernung der Überträger- und andere parasitäre Infektionen sind von der
letzten Jahrzehnt haben gezeigt, dass in den mücken die Plasmodien vollständig eliminiert. besonderen lokalen Situation abhängig. Sie
Zeiten der Globalisierung eine hochanste- Zwar sind die übertragenden Mücken wieder werden in Deutschland bei Reisenden immer
ckende Infektion innerhalb von Tagen mehrere vorhanden, dennoch wird die Malaria nicht häufiger gesehen. Die Leishmaniose, über-
Kontinente erfassen kann. wieder Fuß fassen können. tragen von Sandmücken, ist schon immer im
Während in den entwickelten Ländern Infekti- Anders könnte es aber bei anderen durch Mittelmeerraum heimisch. Ob sie sich weiter
onen als Haupttodesursache inzwischen von Vektoren übertragenen Infektionen ausse- nach Norden ausbreiten kann, hängt von den
anderen Erkrankungen abgelöst wurden, sind hen. So hat sich z. B. Aedes albopictus, die klimatischen Bedingungen ab.
sie in den tropischen Entwicklungsländern sogenannte Asiatische Tigermücke, durch den Jedoch existiert eine unbekannte Vielfalt von
immer noch die bedeutendste Ursache von globalen Transport inzwischen von Asien über Erregern in den Gebieten der Tropen, vor
Morbidität und Mortalität. Sie spielen auch alle Kontinente ausgebreitet. Sie ist nun auch allem von tropischen Viren. Reservoire solcher
eine wesentliche Rolle für die Behinderung der in Südeuropa bis zu den Alpen heimisch. Die Viren sind Tiere, Primaten, aus denen das HIV
wirtschaftlichen Entwicklung dieser Länder. Mücke ist ein effizienter Überträger verschie- kam, und insbesondere Fledermäuse, in deren
Trotz verstärkter Forschung (gefördert z. B. dener Tropenviren, wie des Denguevirus und riesigen Kolonien sich Viren vermehren und
durch die Gates-Stiftung) auf dem Gebiet der des Chikungunya-Virus. Wenn eine virusinfi- verändern. Ebola- und Marburg-Virus sind von
tropischen Infektionen sind noch keine Durch- zierte Person in eine Gegend mit Überträger- Fledermäusen auf den Menschen übergegan-
brüche erzielt worden: Es gibt bisher gegen mücken einreist, kann es in der nichtimmunen gen, ebenso das SARS-Coronavirus sowie Ni-
keine parasitäre Infektion des Menschen einen Bevölkerung zu Ausbrüchen kommen. Dies pah- und Hendra-Viren. Es ist wahrscheinlich,
Impfstoff, auch nicht gegen ein tropisches ist im Sommer 2007 in der Nähe von Ravenna dass von hier weitere weltweite Epidemien
Virus wie das Denguevirus. in Italien geschehen. Ein Reisender aus der ausgehen werden.
Als importierte Infektionen treten diese Region des indischen Ozeans hatte sich vor
Infektionen bei Reisenden und Migranten aus Abreise mit dem Chikungunya-Virus infiziert,
tropischen Ländern immer häufiger in Europa sodass das Virus nach Ankunft in Italien in sei-
auf. Durch die Diskussion über die globale nem Blut vorhanden war und von Aedes-Mü-
Erwärmung ist die Frage in den Vordergrund cken übertragen wurde. Insgesamt wurden
gerückt, ob die tropischen Infektionen sich mehr als 200 Fälle gemeldet, glücklicherweise
nach Europa ausbreiten können. Dies ist blieb eine weitere Verbreitung der Erkran-
zwar unwahrscheinlich für solche tropischen kung aus. Auch das Denguevirus ist in Europa
Infektionen, die derzeit durch unzureichende angekommen: Im Oktober 2010 wurde ein
Behandlung oder ungenügende hygienische erster autochtoner Fall in Kroatien gemeldet.
Verhältnisse (Wasserversorgung) nicht zurück- Die übertragenden tagaktiven Mücken leben
gedrängt werden, wie z. B. Wurminfektionen, eng mit den Menschen zusammen, sie brüten
Lepra, Cholera – solange Behandlung und Vor- in winzigen Wasserpfützen in der Nähe der
beugung in Europa gewährleistet sind. Auch in Häuser. Ein besonderes Problem ist die tran-
den Tropen kommt z. B. die Cholera fast nur in sovariale Übertragung der Viren, die in den
Katastrophensituationen vor. Die Malaria wird abgelegten Eiern überwintern können, sodass
unter heutigen Bedingungen selbst bei einem im Frühjahr infizierte Mücken schlüpfen. Prof. Dr.  med. Bernhard Fleischer
deutlichen Temperaturanstieg nicht nach Eu- Gegen diese Viren gibt es keine Medikamente Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin,
ropa zurückkommen. Die rasche Behandlung und noch keine Impfstoffe. Da die Reifung Hamburg
124 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

1 Eigenschaften des Erregers protektive Immunantwort wesentliche beteiligte Zellen


eosinophile Granulo-
Erreger größer Degranulierung von eosi- cyten
als ein Leukocyt nophilen und basophilen
2 (z.B. Parasit) Granulocyten
baso-
phile Mastzellen

Phagocytose und Abtö-


3 Erreger lebt außer- tung durch neutrophile
neutrophile
B
halb von Zellen Granulocyten und Makro- Granulocyten
(extrazelluläre phagen, antikörperver-
4 Bakterien, z.B. mittelte Erkennung und
Staphylokokken) Abtötung [humorale
Immunität = B-Zellen] Plasmazellen
5 Makrophagen

Erreger kleiner Erreger hat einen eige-


als ein Leukocyt nen Stoffwechsel (intra- Aktivierung der befalle-
6 (z.B. Bakterien zelluläre Bakterien, z.B. nen Makrophagen zum DC
und Viren) Mykobakterien und intrazellulären Abtöten
Erreger lebt in einzellige Parasiten, der Erreger [TH-Zellen
7 Zellen (intrazellu- z. B. Plasmodium = zelluläre Immunität] TH

läre Bakterien, ein- (Erreger der Malaria))


zellige Parasiten
8 und Viren) Töten der befallenen
CTL
Erreger hat keinen Zellen durch cytotoxi-
eigenen Stoffwechsel sche T-Zellen oder DC
9 (Viren) NK-Zellen [zelluläre NK
Immunität]

10 .. Abb. 8.2  Die protektive Immunantwort. Die Entscheidungsfindungen bei der Entstehung einer Immun­antwort sind sehr komplex. Es gibt aber drei
grundsätzliche Erregereigenschaften, anhand derer man die protektive Immunantwort voraussagen kann. Bei der natürlichen Immunantwort arbeiten die ver-

11 schiedenen Systeme aber zusammen, da auch die Erreger sich häufig in ihrem Lebenszyklus unterschiedlich verhalten. So benötigt man bei der Virenabwehr
auch Antikörper, um die freien Viren zu neutralisieren, da sie sich zu dieser Zeit extrazellulär aufhalten

12 zur Größe eines einzelligen Sprosspilzes (z. B. Candida albicans). Die Erklärung liegt in der Adaptation an viele Erreger im Laufe
Der Vorteil dieses Mechanismus ist naheliegend, da es durch die der Evolution, die immer neue Abwehrstoffe nötig machte, die
intrazelluläre Abtötung keine Kollateralschäden gibt, d. h., das sich nicht zusammen in einer Zelle aufbewahren lassen. So sind
13 umliegende Gewebe kommt mit den toxischen Substanzen der die Inhaltsstoffe der Eosinophilen mehrheitlich basisch und die
Granula nicht in Berührung. Der Phagocyt selbst wird durch die der Basophilen mehrheitlich sauer, um nur eine grundsätzlich
14 Reaktion aber auch geschädigt, sodass er nur eine begrenzte An- chemisch unterschiedliche Eigenschaft zu nennen.
zahl von Erregern intrazellulär abtöten kann, bis er schließlich Die zweite Entscheidungsebene bezieht sich auf den Aufent-
15 selbst an diesem Prozess verstirbt. Die abgestorbenen Phagocy- haltsort der Erreger, d. h., ob sie frei, also extrazellulär leben oder
ten nehmen wir als Eiter in einer Wunde wahr, wenn sie nicht aber innerhalb der Körperzellen. Diese für uns einfache Entschei-
rechtzeitig von anderen Phagocyten aufgenommen und abtrans- dung ist für die Leukocyten sehr kompliziert. In den ▶ Kap. 4 und
16 portiert werden. ▶ Kap. 5 haben wir gelernt, dass Antikörper freie Antigene er-
Größere Erreger können nicht phagocytiert werden. Versucht kennen, während T-Zellen nur den Komplex aus einem Antigen
17 es ein neutrophiler Granulocyt dennoch, so scheitert er und es und dem körper­eigenen MHC-Molekül erkennen. Da Erreger
kommt zur Degranulierung (Ausschüttung der Granula). Die keinen MHC besitzen und keine MHC-Moleküle ex­primieren
eosinophilen und basophilen Granulocyten hingegen sind di- (mit Ausnahme von membranumhüllten Viren, die ihre Mem-
18 rekt auf diese Funktion adaptiert, d. h., es gibt eine Arbeitsteilung bran aus unserer Zell­membran mit­nehmen), können Erreger nicht
zwischen den drei Granulocytenpopulationen. Die neutrophilen von T-Zellen erkannt werden. Antikörper können extra­zelluläre
19 Granulocyten phagocytieren in erster Linie, während die eosino- Erreger erkennen und markieren und darüber ihre Beseitigung
philen und basophilen nach Aktivierung direkt degranulieren. einleiten. Umgekehrt können Anti­körper keine intrazellulären Er-
20 Somit haben wir eine einfache JA/NEIN-Entscheidung für die reger erkennen, wenn diese nicht ihre Antigene auf die Oberfläche
Zellen, da diese ja nicht auf Anhieb die Größe eines Erregers er- der Wirtszelle bringen. Während der Aktivierung der spezifischen
kennen können, denn die molekulare Wahrnehmung findet über Immunität muss deshalb gewähr­leistet werden, dass das Immun-
21 Mustererkennungsrezeptoren (PRR, pattern recognition receptors, system bei extrazellulären Erregern eine Antikörperproduktion,
▶ Kap. 3) oder antikörpervermittelt statt. Auch hier setzt sich d. h. die humorale Immunität und nicht eine zelluläre Immuni-
22 die Arbeitsteilung in der Zusammenarbeit mit dem spezifischen tät einleitet. Diese Entscheidung erklärt sich auf­grund der dritten
Immunsystem fort, da die Neutrophilen über Fcγ- und Fcμ-Re- Entscheidungsebene, da Antigene von extrazellulären Erregern
zeptoren zur Phagocytose und die Eosinophilen und Basophilen immer über MHC-II-Moleküle präsentiert werden und somit über
23 über Fcε-Rezeptoren zur Degranulierung angeregt werden. Bleibt die T-Zell-Hilfe eine B-Zell-Reaktion eingeleitet werden kann. Die
letztlich noch zu klären, warum wir eosinophile und basophile B-Zellen können aber bei multivalenten Antigenen T-Zell-unab-
Granulocyten haben, wenn der Reaktionstyp doch so ähnlich ist. hängig aktiviert werden (▶ Kap. 4 und ▶ Kap. 5).
8.3  •  Der zeitliche Ablauf von Immunantworten
125 8

Die dritte Entscheidungsebene bezieht sich auf die Stoffwech- einer Infektion ist also, dass ein Erreger unter die oberen Haut-
seleigenschaften des Erregers, was wiederum für die Zelle nicht oder Schleimhautschichten gelangt oder diese direkt infiziert.
direkt zu entscheiden ist. Es musste sich also ein Mechanismus
entwickeln, der diese Erregereigenschaft berücksichtigt. Die
Antigenpräsentation wurde im ▶ Kap. 4 besprochen und zeigte, Primärantwort
dass cytosolische Proteine über MHC-I-Moleküle präsentiert
werden, während lysosomale Proteine über MHC-II-Moleküle In der sehr frühen spontanen Phase (die ersten vier Stunden
präsentiert werden. Wie steht dies mit dem Stoffwechsel der Er- nach Erregerkontakt) können nur die bereits präformierten
reger in Verbindung? Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel Systeme des angeborenen Immunsystems reagieren, die an der
und müssen deshalb auf den Proteinsyntheseapparat der Zelle Eintrittsstelle des Erregers lokalisiert sind. Dazu gehören anti-
zurückgreifen. Dazu müssen die Viren sich wie körpereigene mikrobielle Peptide, das Komplementsystem und in geringem
Gene verhalten, d. h. ihre Gene ablesen lassen und die mRNA Umfang Phagocyten. Zu Letzteren gehören gewebsständige
im Cytosol von Ribosomen in virale Proteine umschreiben las- Makrophagen, DC sowie patrouillierende Phagocyten. Sollten
sen. Damit begeben sich die Viren in den Prozessierungsweg diese Mechanismen ausreichen, um alle eingedrungenen Erreger
der körpereigenen cytosolischen Proteine und werden über abzutöten, so bilden sich kaum oder keine Anzeichen einer Ent-
MHC-I-Moleküle präsentiert. Folglich nutzen alle Erreger, die zündungsreaktion aus, und es wird kein immunologisches Ge-
über MHC-I-Moleküle präsentiert werden, den Stoffwechsel der dächtnis aufgebaut. Die Immunreaktion endet hier. Diese Form
Körperzelle, was wiederum bedeutet, dass man die Erreger nur der Immunreaktion läuft ständig ab, ohne dass wir sie groß zur
töten kann, wenn man die Körperzelle selbst tötet. Damit haben Kenntnis nehmen, z. B. wenn wir uns mit einer Nähnadel stechen
wir wieder eine JA/NEIN-Entscheidung, da die entsprechenden und eine geringe Menge Bakterien in unser Gewebe gelangt.
MHC-I-restringierten T-Zellen cytotoxische T-Zellen sind und Sollte es in dieser Zeit nicht gelingen, die Erreger zu eliminie-
somit die präsentierende Zelle getötet wird. Im Gegensatz dazu ren, so schließt sich die frühe induzierte Phase (die ersten vier
gelangen die intrazellulären Bakterien über Phagocytose in die Tage nach Erregerkontakt) an. Durch die Reaktion in der sehr
Makrophagen und befinden sich damit im lysosomalen Weg frühen Phase werden chemotaktisch aktive Substanzen, z. B. C5a
der Antigenpräsentation auf MHC-II-Molekülen, was über die (chemotaktisches Komplementspaltprodukt), freigesetzt. Diese
CD4-Restriktion eine T-Zell-Hilfe nach sich zieht. Die MHC-Re- führen zu einer Vasodilatation (Gefäßerweiterung) und Rekru-
striktion der cytotoxischen und TH-Zellen regelt – aufgrund der tierung von weiteren Leukocyten, vornehmlich neutrophilen
Stoffwechseleigenschaft des Erregers – damit eindeutig, wann der Granulocyten. Gleichzeitig wird durch die Vasodilatation auch
befallenen Zelle geholfen und wann sie getötet wird. die Konzentration von Komplement im Gewebe erhöht. Diese
Reaktionen nehmen wir an der Infektionsstelle als Entzündungs-
reaktion war, d. h., es kommt durch die Vasodilatation und die
8.3 Der zeitliche Ablauf Infiltration von Granulocyten zur Schwellung (tumor), Erwär-
von Immunantworten mung (calor) und Rötung (rubor). Da neben den chemotakti-
schen Substanzen auch Schmerzmediatoren wie die Leukotriene
Die Immunantwort kann zeitlich in verschiedene Phasen ein- produziert werden, kommt es auch zum Schmerz (dolor). Ist die
geteilt werden, die die Weichen für die weitere Reaktion stel- Entzündungsreaktion sehr stark, so kann auch die Funktion an
len. Dabei unterscheiden sich die Phasen in der Primär- und der entsprechenden Körperstelle eingeschränkt sein (functio
Sekundärantwort wesentlich voneinander, weshalb sie getrennt laesa), womit die fünf pathologischen Zeichen einer Entzündung
betrachtet werden. Eine Primärantwort tritt nach dem Erstkon- (tumor, calor, rubor, dolor, functio laesa) komplett sind. Man sieht
takt mit einem Erreger auf, während sich die Sekundärantwort an dieser Stelle aber auch, dass die Entzündungsreaktion etwas
durch wiederholten Kontakt mit einem Erreger entwickelt. Der Gutes und Funktionelles und für die korrekte Immunantwort
wesentliche Unterschied zwischen Primär- und Sekundärantwort unverzichtbar ist. Erst die chronische Entzündungsreaktion stellt
ist, dass das spezifische Immunsystem erst im späteren Verlauf einen dauerhaft pathophysiologischen Zustand dar. Schaffen es
der Primärantwort aktiviert wird, während es in der Sekundär- die rekrutierten Phagocyten und das zusätzliche Komplement
antwort aufgrund der Gedächtnisfunktion bereits in der sehr alle Erreger zu eliminieren, so endet hier wiederum die Immu-
frühen Phase aktiv ist. Man sollte dabei aber nie vergessen, dass nantwort, und es wird in den meisten Fällen kein immunologi-
das Immunsystem bereits vor dem unten beschriebenen Ab- sches Gedächtnis aufgebaut. Dies hängt davon ab, wie viele pro-
lauf der Immunreaktion aktiv ist. Die Barrierefunktionen des fessionelle antigenpräsentierende Zellen (APC) zum Zeitpunkt
angeborenen Immunsystems (▶ Kap. 1 und ▶ Kap. 3) sollen das bereits im entzündeten Gewebe sind.
Eindringen der Erreger verhindern, sodass die nachfolgenden Das Ausbleiben der Aktivierung der spezifischen Immunität
Reaktionen nicht nötig sind. Die beschriebenen Mechanismen bei früher Erregereliminierung ist auch der Grund dafür, warum
setzen voraus, dass die Erreger die beschriebene Barrierefunk- man nach dem frühen Antibiotikaeinsatz nicht unbedingt ein
tion überwunden haben. Des Weiteren muss man sich vor Augen immunologisches Gedächtnis gegen den Erreger aufbaut obwohl
führen, dass die Konfrontation mit den Erregern mehrheitlich im man infiziert war. Dies sieht man heutzutage häufig bei Kindern,
Gewebe stattfindet und nicht im Blut. Den Blutstrom sollten die die mehrmals Scharlach bekommen, da man dort bei einem
Erreger nie erreichen. Falls dies wie bei der Sepsis passiert, kann Verdacht auf Scharlach sofort mit Penicillin therapiert, weil die
es den Tod des Individuums bedeuten. Das normale Szenario A-Streptokokken auch eine spätere autoimmune Reaktion gegen
126 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

ist. Um den Erreger vor Ort zu eliminieren, müssen die anti-


1 .. Tab. 8.1  Unterscheidung von Primärinfektion, chronischer und
überstandener Infektion genspezifischen T-Zellen und die Antikörper aber zurück zum
Infektions­ort, was wiederum einige Zeit in Anspruch nimmt und
2 Primärinfek-
tion
Chro­nische
Infektion
Ausgeheilte
Infektion bzw.
über das in ▶ Kap. 7 besprochene Homing funktioniert. Wenn
die Immunantwort effektiv ist, was sie glücklicherweise in den
Zustand nach
meisten Fällen ist, so wird jetzt durch die Unterstützung des er-
3 Impfung
worbenen Immunsystems der Erreger eliminiert. Die Mechanis-
Erreger Ja Ja Nein
men werden bei der Sekundärantwort erklärt. Die Zellteilung
4 nachweis-
bar
der antigenspezifischen T- und B-Zellen ist aber asymmetrisch
sodass zwei Arten von Tochterzellen entstehen, die Effektorzel-
Serolo- IgM IgM + IgG IgG (Ausnahme
5 gischer T-Zell-un-
len, die den Erreger eliminieren, und Gedächtniszellen, die für
Nachweis abhängige die Sekundärantwort zur Verfügung stehen und in dieser eine
stärkere und schnellere Reaktion hervorrufen. Bei den B-Zellen
6
Antigene)
kommt noch etwas anderes hinzu. Die B-Zellen, die direkt aus-
Protektive Nur in der Nein Ja
Antikörper Spätphase reifen, produzieren IgM-Antikörper, die damit auch die Antikör-
7 möglich per der Primärreaktion darstellen. In den Gedächtniszellen wird
Nichtpro- Nur in der Ja Ja (bei
hingegen der Immunglobulinklassenwechsel (class switch) indu-
ziert, sodass diese zwar ihre Antigenspezifität beibehalten, aber
8 tektive
Antikörper
Spätphase
möglich
Impfung mit
isolierten Anti- Antikörper einer anderen Immunglobulinklasse – in den meisten
genen „nein“) Fällen IgG – auf ihrer Oberfläche tragen. Dies nutzt man auch
9 T- und Nein Ja Ja in der serologischen Diagnostik von Infektionskrankheiten aus
B-Gedächt- (. Tab. 8.1). Der Nachweis von erregerspezifischen IgM-Anti-
10 niszellen körpern spricht für eine frische oder chronische Infektion, d. h.,
Frequenz Niedrig Mittel Hoch der Erreger vermehrt sich noch im Patienten und dieser ist
antigen­ meist auch noch infektiös. In der frischen oder akuten Infektion
11 spezifischer wird nur IgM gebildet, während bei der chronischen Infektion
Zellen
meist erregerspezifische IgM- und IgG-Antikörper gleichzeitig
12 vorkommen. Wird nur noch IgG nachgewiesen, so beruht dies
den Herzmuskel auslösen können (▶ Kap. 9). Therapiert man erst auf einer früheren, überstandenen Infektion oder Impfung. Eine
zu einem späteren Zeitpunkt, so wird ein immunologisches Ge- Ausnahme bilden Antikörper gegen T-Zell-unabhängige Anti-
13 dächtnis gebildet und man bekommt auch Scharlach in der Re- gene, die immer vom IgM-Typ sind (keine Induktion des Im-
gel nur einmal (es gibt aber auch Varianten der Scharlachtoxine, munglobulinklassenwechsels).
14 sodass die Erkrankung trotzdem mehrfach auftreten kann, was
aber eher selten ist).
Sekundärantwort
15 Werden die Erreger nicht eliminiert, so wird die späte ad-
aptive Phase (nach vier Tagen) der Immun­antwort eingeleitet,
bei der das spezifische (adaptive) Immunsystem aktiviert wird. Der Begriff Sekundärantwort suggeriert, dass es um den zweiten
16 Diese Phase setzt den Transport des Erregerantigens in freier Kontakt mit einem Erreger geht, tatsächlich ist damit aber die
Form oder in prozessierter Form in den APC zum Lymphknoten Immunreaktion ab dem zweiten Kontakt gemeint, da die weite-
17 voraus. Dort kommt es zur Wechselwirkung zwischen den APC ren Immunreaktionen sich vom Reaktionstyp her nicht weiter
und den TH-Zellen. Bei dieser Reaktion werden nur die antigen- unterscheiden, lediglich die Stärke der Immunreaktion nimmt
spezifischen T- und B-Zellen aktiviert, man spricht von klonaler von Antigenkontakt zu Antigenkontakt zu.
18 Selektion. Die Aktivierung induziert in den naiven Lymphocy- In der sehr frühen spontanen Phase wirken jetzt auch prä-
ten immer eine Proliferation (mehrfache Zellteilung), sodass sich formierte Antikörper (vom IgG- oder IgA-Typ) mit, die nach
19 an die Selektion eine klonale Expansion anschließt. Wenn die dem Erstkontakt mit dem Erreger entstanden sind. Diese tragen
APC B-Zellen sind, so bildet sich ein Keimzentrum aus, in dem neben den bereits oben beschriebenen Mechanismen dazu bei,
20 die aktivierten B-Zellen zu Plasmazellen ausreifen. Da sowohl dass die Erreger in dieser sehr frühen Phase eliminiert werden
die Proliferation der T- und B-Zellen als auch die Ausbildung der und es zu keiner Entzündungsreaktion kommt. Man muss sich
Keimzentren raum­fordernd ist, kommt es zu einer Anschwellung dabei vor Augen führen, dass jetzt die Mechanismen der späten
21 der Lymphknoten, die auch tastbar ist. Dies kennt jeder aus dem Phase der Primärantwort direkt mit eingreifen, d. h. die Erreger
Alltag, wenn bei einem infizierten „kratzigen“ Hals die Mandeln werden durch spezifische Antikörper opsonisiert und dadurch
22 (Tonsillen) anschwellen. Diese Prozesse nehmen einige Tage in besser phagocytiert oder über den klassischen Komplementweg
Anspruch, sodass die spezifische Immunreaktion insgesamt etwa lysiert. Dies funktioniert nur hundertprozentig, wenn der Anti-
eine Woche braucht, um in Gang zu kommen. Erst anschließend körpertiter (die Menge an Antikörpern im Serum) hoch genug
23 kann das spezifische Immun­system auch zur Bekämpfung der In- ist, man spricht dann von einem protektiven Titer. Der pro-
fektion beitragen, sodass an der Alltagsweisheit „eine Erkältung tektive Titer ist dabei keine feststehende Größe, sondern hängt
kommt eine Woche und geht eine Woche“ auch etwas Wahres vom Erreger ab, sodass es für jeden Erreger einen spezifischen
8.4  •  Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem bei Infektionen
127 8

protektiven Titer gibt. Auf diesem Wirkmechanismus beruhen extrazelluläre Erreger (Parasiten und große Pilze) im Detail
unsere aktiven Impfungen. Unter aktiven Impfungen versteht betrachten, um die Unterschiede zu verstehen. Des Weiteren
man die Gabe von Antigenen, gegen die das Immunsystem selbst sollen Strategien erläutert werden, mit denen die Erreger das
Antikörper produziert. Dem gegenüber steht die passive Immu- Immunsystem zu überwinden versuchen. Dies erfolgt anhand
nisierung, bei der man Antikörper gegen das Antigen injiziert. von Beispielen medizinisch relevanter Erreger. Wir werden da-
Wichtig ist, dass nicht jeder Antikörper protektiv ist, sondern nur bei sehen, dass Bakterien viele Angriffsstrategien verfolgen und
solche gegen kritische Antigene des Erregers, z. B. das Antigen, das Immunsystem aktiv schädigen, während die Viren wahre
mit dem ein Virus sich an die Zielzelle anheftet. Die nichtpro- Abwehrkünstler sind.
tektiven Antikörper haben aber eine diagnostische Bedeutung.
Bei der Verwendung von isolierten Antigenen zur Impfung kann
man geimpfte Personen von Personen unterscheiden, die die In- Immunantwort gegen extrazelluläre Bakterien
fektion durchlaufen haben. Die Impflinge (geimpfte Personen) und kleine Sprosspilze
haben in diesem Fall nur protektive Antikörper (z. B. anti-HBsAg
beim Hepatitis-B-Virus (HBV)), während die Personen nach ei- Stellen wir uns ein alltägliches Problem vor, bei dem wir uns bei
ner natürlichen Infektion auch Antikörper gegen nichtprotektive der Gartenarbeit an der Hand verletzen und mit der Gartenerde
Antigene haben (z. B. anti-HBc bei HBV). Diese nichtprotekti- Bakterien in die Wunde gelangen. So harmlos wie es sich zwar
ven Antiköper werden deshalb auch als Durchseuchungsmarker an dieser Stelle anhört, könnte ein kleiner Ratscher an der Hand
verwendet. zum Tode führen, wenn nämlich Clostridium tetani (welches in
Sollte der Titer nicht mehr protektiv sein, d. h. die Erstinfek- Form von Sporen in Gartenerde häufig vorkommt) in die Wunde
tion (oder Impfung) ist zu lange her, so wird die Immunreaktion gelangt und sein Toxin den Tetanus (Wundstarrkrampf) auslöst.
in den nächsten Phasen meist trotzdem verstärkt und beschleu- Auf dieses Beispiel werden wir noch mal bei den Abwehrmecha-
nigt, da die Gedächtniszellen sehr langlebig sind. In der frühen nismen der Erreger und der Immunprophylaxe zurückkommen.
Phase können jetzt TH-Gedächtniszellen mit eingreifen und die Andere Erreger haben sogar Mechanismen, Pathogenitätsfakto-
Phagocyten über IFN-γ, TNF-α und CD40L aktivieren und so ren genannt (. Tab. 8.2), mit denen sie aktiv die physikalischen
das intrazelluläre Abtöten verstärken wie in der späten Phase und mechanischen Barrieren überwinden können. Dies sind z. B.
der Primärinfektion. Gedächtniszellen cytotoxischer T-Zellen Toxine, die die Cilienbewegung in der Lunge einschränken und
können direkt infizierte Zellen eliminieren. Auf dieser Reak- so den Abtransport der Erreger aus dem Respirationstrakt ein-
tion beruhen auch die milderen Verläufe von Infektionen mit schränken, damit dieser sich dort weitervermehren kann (z. B.
sehr ähnlichen Viren (z. B. Influenza-Stammvarianten), da die Bordetella pertussis, Keuchhustenerreger). Sobald die Bakterien
T-Zell-Epitope gegenüber den B-Zell-Epitopen konservierter ins Gewebe eingedrungen sind, vermehren sie sich exponentiell.
sind und somit eine höhere Kreuzreaktivität haben. Egal, ob es Um diese Dynamik zu verstehen, muss man sich ca. 1 μm große
jetzt in dieser Phase zur Eliminierung der Erreger kommt oder (ein Tausendstel Millimeter) Bakterien vorstellen, die sich nach
nicht, es wird durch das Vorhandensein antigenspezifischer Lym- jeder Teilung übereinander stapeln. Bakterien wie Escherichia
phocyten immer die späte Phase der Immunreaktion eingeleitet, coli können sich alle 20 Minuten teilen, d. h., wir hätten nach
sodass es im drainierenden Lymphknoten zu einer Verstärkung 20 Minuten 2 Bakterien (hintereinander gereiht = 2 μm) nach
der Gedächtniszellen (Booster-Effekt) und zu einer erneuten 40 Minuten 4 (= 4 μm) und nach 24 Stunden 271 Bakterien, was
Ausreifung von Lymphocyten kommt, wodurch der Antikör- einer Strecke von 2,36 × 1021 μm oder 2360 Milliarden Kilometer
pertiter weiter oder wieder ansteigt. Jede weitere Sekundärre- entsprechen würde. Das Licht könnte in der gleichen Zeit bei
aktion führt damit zu einem Booster-Effekt der Immunantwort, Lichtgeschwindigkeit (300 000 km/Sekunde) nur ca. 26 Milliar-
worauf die heutigen Impfschemata beruhen, bei denen man je den Kilometer zurücklegen. Es entsteht also ein unglaublicher
nach Impfstoff zwei- bis viermal geimpft wird, um eine Langzeit­ Wettlauf zwischen den sich schnell vermehrenden Erregern
immunität zu erhalten. Man sollte bei dieser Boosterung beden- und dem Immunsystem. Deshalb ist es auch wichtig, das expo-
ken, dass es auch zu einer natürlichen Boosterung kommt, wenn nentielle Wachstum so früh wie möglich zu bremsen. Die erste
man mit dem tatsächlichen Erreger in Kontakt kommt. Deshalb Abwehrkomponente im Gewebe ist das Komplementsystem,
haben Kindergärtnerinnen in der Regel höhere Antikörpertiter welches in der Primärantwort nur den Lektinweg und den al-
gegen Kinderkrankheiten als Personen, die nicht mit Kindern in ternativen Weg zur Verfügung hat. Über die Aktivierung des
Kontakt stehen, da die Kindergärtnerinnen immer wieder den Komplements kommt es zur Opsonisierung und/oder Lyse der
Krankheitserregern ausgesetzt werden. Bakterien, sofern diese sich nicht vor dem Angriff durch Kom-
plement schützen (Details zum Komplement ▶ Kap. 3). Dies
machen viele Bakterien, indem sie eine Kapsel ausbilden. Durch
8.4 Der Wettlauf zwischen Erregern die Kapsel kann der Membranangriffskomplex des Komplements
und Immunsystem bei Infektionen sich nicht an der Membran der Bakterien anlagern und so keine
Lyse auslösen (z. B. Staphylokokken). Andere Bakterien hingegen
Nachdem wir die potenziell protektive Immunantwort für die bilden direkte Mechanismen aus, um die Wirkung der Komple-
Erregertypen und den generellen Ablauf von Immunantworten mentkomponenten zu inaktivieren (. Tab. 8.2). Bakterien mit
bei Infektionen kennen, wollen wir jetzt die Immunantwor- solchen Pathogenitätsfaktoren schaffen es somit schneller, die
ten gegen Bakterien und kleine Sprosspilze, Viren und große sehr frühe Phase der Immunantwort zu überstehen und sich zu
128 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

1 .. Tab. 8.2  Beispiele für Pathogenitätsfaktoren

Abwehr­mechanismus Pathogenitätsmechanismus Beispiele für Erreger


2 Mechanische und physi- Toxin, das die Cilienbewegung lähmt Bordetella pertussis, Pseudomonas aeruginosa
kalische Barrieren
Enzym zur Zellpenetration Toxoplasma gondii
3 Komplementsystem Kapsel verhindert Komplementablagerung Pneumokokken, Haemophilus influenzae b, Meningokokken

4 Sialysierte Oberfläche verhindert Komplementabla-


gerung
Meningokokken

Produktion von Komplementinaktivatoren Leishmanien, HSV, HHV-8, Candida albicans, Streptococcus


5 pyogenes

Phagocytose Kapsel erschwert Phagocytose Siehe Kapsel bei Komplement


6 Leukozidine und andere Toxine töten oder inaktivie- Staphylococcus aureus, S. pyogenes, Clostridium tetani, Coryne-
ren Phagocyten bacterium diphtheriae

7 Blockierung der Opsonisierung durch Antikörper S. aureus, S. pyogenes


(Protein A+G)

8 Intrazelluläre Abtötung
im Phagolysosom
Verhinderung der Verschmelzung von Lysosomen mit
den Phagosomen
Mycobakterien, Toxoplasma gondii

9 Befreiung aus dem Phagolysosom Listeria monocytogenes

Oxidative burst Produktion von Katalase Staphylokokken

10 Interferon Inhibition des JAK/STAT-Signalweges der Interferone EBV, CMV

Inhibition der interferonspezifischen Mechanismen HHV-8, HBV, Influenza, HIV, HCV, Polio, HSV

11 Antigenpräsentation an Blockierung der Antigenprozessierung CMV, EBV, HSV


cytotoxische T-Zellen
Verminderung von MHC I auf der Oberfläche CMV, HHV-8, HIV
12 Antigenpräsentation an Verminderung der MHC-II-Antigenpräsentation CMV, HSV, HIV
TH-Zellen

13 Inhibition der Apoptose Produktion antiapoptotischer Proteine EBV, HHV-8

Inhibition von Caspasen Adenovirus


14 Inhibition von p53 HPV

Zellkommunikation Produktion viraler löslicher Rezeptoren für proinflam- CMV, Vacciniavirus


15 matorische Cytokine

Produktion viraler löslicher Rezeptoren für Interferone Vacciniavirus


16 Produktion viraler Cytokine CMV, EBV, HHV-8

CMV = Cytomegalievirus, EBV = Epstein-Barr-Virus, HBV = Hepatitis-B-Virus, HCV = Hepatitis-C-Virus, HHV-8 = Humanes Herpesvirus-8, HIV = Huma-


17 nes Immundefizienzvirus, HPV = Humanes Papillomavirus, HSV = Herpes-simplex-Virus

18 vermehren. Umgekehrt sind Bakterien, z. B. Neisserien, denen Phagocytose müssen sich die Bakterien vor dem intrazellulären
solche Pathogenitätsfaktoren fehlen, empfindlich für das Kom- Abtöten schützen, d. h. in erster Linie vor reaktiven Sauerstoff-
19 plementsystem und treten meist nur in Erscheinung, wenn dieses spezies (ROS) und Wasserstoffperoxid (H2O2), wofür sie z. B. das
Defekte aufweist. Enzym Katalase produzieren (z. B. S. aureus). Die hoch pathoge-
20 Als Nächstes müssen sich die Erreger mit den Phagocyten nen Erreger, die mit vielen dieser Pathogenitätsfaktoren ausge-
auseinandersetzen, wobei auch hier eine Kapsel (z. B. Streptococ- rüstet sind, können die frühen Phasen häufig überwinden und
cus pneumoniae, der häufigste Erreger der bakteriellen Lungen- eine manifeste Entzündung und Infektion auslösen. Phagocyten
21 entzündung) erschwerend für die Phagocytose ist, da die Erreger mit antigenpräsentierender Funktion (Makrophagen und DC),
nicht adäquat mit Komplement opsonisiert und die repetitiven denen es gelingt, zu phagocytieren, transportieren dann das An-
22 Zuckersequenzen nicht gut von PRR erkannt werden. Letztlich tigen in den Lymphknoten. Antigen, das frei über die Lymphe in
gibt es noch Bakterien, die Leukozidine produzieren, d. h. To- den Lymphknoten gelangt, wird dort von Makrophagen aufge-
xine, die Leukocyten töten können (z. B. Staphylococcus aureus nommen oder von den B-Zellen in der B-Zell-Zone endocytiert.
23 und Streptococcus pyogenes) und somit aktiv die Immun­abwehr Von den B-Zellen können natürlich nur die für dieses Antigen
ausschalten und zwar nicht nur die Zellen des angeborenen, son- spezifischen B-Zellen das Antigen über das membranständige
dern auch die des spezifischen Immunsystems. Nach erfolgter Immunglobulin aufnehmen. Beeinträchtigt wird die Reaktion
8.4  •  Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem bei Infektionen
129 8

infiziertes Gewebe

Erreger Erreger Erreger Erreger


Gefahrensignale Gefahrensignale
1 2
5 Lymph-
bahn

IL-17
Erreger 3
IL-
7 1

11 TH17 12
7
Lymph-
10 knoten

6
Blutgefäß
9
4 IL-1
β,
IL-2 IL-6, TH17
8 3

.. Abb. 8.3  Die Immunantwort gegen extrazelluläre Bakterien. In der sehr frühen spontanen Phase wirken lösliche Faktoren, wie Komplement und antimik-
robielle Peptide, gegen die Bakterien. In der frühen induzierten Phase (1) werden die Phagocyten rekrutiert, die die Bakterien phagocytieren und abtöten. Die
neutrophilen Granulocyten sind dabei die ersten und meisten Phagocyten, die den Infektionsherd erreichen. Die eingewanderten APC (2) phagocytieren und
prozessieren die Erreger und wandern dann in der Lymphbahn (3) zum Lymphknoten. Dort präsentieren die APC, die durch die Phagocytose und die Gefah-
rensignale der Bakterien aktiviert wurden, den TH-Zellen das Antigen. Durch die Art der Aktivierung über die PRR schütten die DC insbesondere IL-23 aus, das
die TH-Zellen zu TH17-Zellen differenzieren lässt (4). Freies Antigen (5) erreicht ebenfalls über die Lymphe den Lymphknoten. Dort wird es, neben Makrophagen,
von B-Zellen antigenspezifisch erkannt, endocytiert, prozessiert und TH-Zellen präsentiert (6). Durch die T-Zell-Hilfe teilen sich die B-Zellen (nicht gezeigt) und
differenzieren zu Plasmazellen (7) aus. Die aktivierten TH17-Zellen und die Antikörper verlassen den Lymphknoten über die abführende Lymphe und gelangen
dann über den Ductus thoracicus in die Blutbahn (8). Die Antikörper (9) diffundieren unspezifisch in alle Gewebe und haben nur durch die Gefäßerweiterung
am Entzündungsort eine Anreicherung. Die T-Zellen wandern hingegen über die Homing-Faktoren bevorzugt an der Entzündungsstelle aus (10). Im entzün-
deten Gewebe opsonisieren die Antikörper die Erreger (11), wodurch diese verstärkt phagocytiert und durch Komplement lysiert werden. Die TH17-Zellen (12)
verstärken die Funktion der Phagocyten

im Lymphknoten im Wesentlichen nur, wenn vermehrungsfä- zu TH17-Zellen zu fördern. Interessanterweise können sogar Treg
hige Bakterien bis in den Lymphknoten gelangen. Dies kommt IL-17 produzieren, wenn sie eine starke Aktivierung über Ge-
meistens in den Fällen vor, wo die Bakterien sehr effektive Toxine fahrensignale durch entsprechende Rezeptoren (z. B. TLR) für
bilden, wie z. B. Clostridium tetani. Das Tetanustoxin tötet oder bakterielle Bestandteile erfahren. Somit ist die Bedeutung der
paralysiert die Leukocyten, sodass keine Immunreaktion gegen natürlichen Immunität für die frühe Entscheidung über die ad-
den Erreger möglich ist und der Erreger sich über die Lymph- äquate Immunantwort sehr groß (. Abb. 8.3).
bahnen ausbreitet. Nachdem wie oben beschrieben die spezi-
fische Immunität im Lymphknoten aktiviert wurde, gelangen
die TH-Zellen und Antikörper an den Infektionsort zurück. Die Immunantwort gegen intrazelluläre Bakterien
Funktion der TH-Zellen wird wiederum durch die Leukozidine und einzellige Protozoen
beeinflusst, während die Antikörper direkt über bakterielles Pro-
tein A (S. aureus) oder Protein G (Streptokokken) inaktiviert wer- Die Immunantwort gegen intrazelluläre Bakterien und einzellige
den können. Dies geschieht über Bindung dieser Proteine an den Protozoen beginnt zunächst so wie diejenige gegen extrazellu-
Fc-Teil der Antikörper. Dadurch wird die Funktionsvermittlung läre Bakterien. Die Protozoen (z. B. Leishmanien) sind dabei in
über den Antikörper inhibiert. Technisch nutzt man diese anti- der Abwehr des Komplements noch effektiver als die Bakterien,
körperbindende Eigenschaft zur Aufreinigung von Antikörpern. indem sie den ausgebildeten Membranangriffskomplex (MAC)
Es muss aber betont werden, dass die TH-Zell-Reaktion bei extra- von ihrer Zelloberfläche entfernen können, vergleichbar der
zellulären Bakterien eine gemischte TH17-TH1/TH2-Reaktion ist, Funktion des MAC-Inhibitors (CD59). Im Gegensatz zu den
mit einer Dominanz zu TH17. Die Antikörperproduktion wird extrazellulären Erregern versuchen die intrazellulären Erreger
maßgeblich durch die TH2-Zellen gefördert, während die Ver- aber schnellstmöglich in ihre Zielzellen – dies sind häufig Ma-
stärkung der intrazellulären Abtötung von TH1- und TH17-Zellen krophagen – einzudringen, anstatt sich vor der Phagocytose zu
abhängt. Nach dem neuesten Stand ist die natürliche Bedeutung schützen. Anschließend persistieren sie in den Makrophagen.
von TH17-Zellen vor allem in der Abwehr extrazellulärer Erreger Die Phagocytose wird dabei häufig so abgeändert, dass das Pha-
zu sehen, da IL-17 Phagocyten rekrutiert und aktiviert. Den DC gosom eine andere Struktur hat, ein gängiges Prinzip ist dabei
kommt dabei die wesentliche Aufgabe zu, die Differenzierung die sogenannte Coiling-Phagocytose, bei der sich der Erreger
130 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

einer tödlichen systemischen Leishmaniose (vergleichbar der


1 viszeralen Leishmaniose beim Menschen) induzieren kann. Bei
der lokalen Form kommt es zu einer adäquaten TH1-Reaktion,
2 während bei der systemischen Form eine inadäquate TH2-domi-
nierte Immunantwort ausgelöst wird. Die dadurch hervorgeru-
fene humorale Immunantwort kann jedoch die intrazellulären
3 Erreger nicht eliminieren, sodass diese sich im Körper ausbreiten
und zum Tode führen. Hieran sieht man, dass die frühe Immun-
4 antwort für die Ausrichtung der adaptiven Immunantwort ent-
scheidend ist, d. h., die APC und von ihnen produzierte Signale
5 .. Abb. 8.4  Robert Koch. Er identifizierte 1882 Mycobacterium tuberculosis
lenken die Immunantwort. Klinisch sieht man die Bedeutung
dieser Cytokine beim Einsatz von anti-TNF-Antikörpern in der
als den Erreger der Tuber­kulose, wofür er 1905 den Nobelpreis für Phy-
modernen Therapie der rheumatoiden Arthritis. Aufgrund der
6 siologie oder Medizin erhielt. Wenige Jahre zuvor isolierte er bereits den
Erreger des Milzbrands und revolutionierte damit die Mikrobiologie. Die Inhibition des TNF-Signals ist die Verstärkung der intrazellulä-
Koch’schen-Postulate (korrekter Henle-Koch-Postulate genannt) haben bis ren Abtötung so stark vermindert, dass die Patienten ein erhöhtes
7 heute Bestand. Vereinfacht sagen die drei Postulate, dass ein Erreger aus
einer infizierten Person isolierbar und vermehrbar sein muss und dass sich
Tuberkuloserisiko haben und deshalb engmaschig kontrolliert
werden müssen.
mit dem isolierten Erreger die Krankheit erneut auslösen lässt
Auch für die richtige Entscheidung zur TH1-Immunreaktion
8 ist die frühe Phase der Immunantwort wichtig. Eine besondere
quasi in die Zellmembran einrollt und so eine mehrfache Um- Rolle hat dabei die Induktion von IFN-α über TLRs in den DC
9 hüllung entsteht. In der Zelle angelangt, haben die intrazellulä- und die Produktion von IFN-γ durch aktivierte NK-Zellen.
ren Erreger verschiedene Mechanismen, sich vor der Abtötung
10 zu schützen. Sie können wie die extrazellulären Bakterien auch
Immunantwort gegen Viren
Katalase produzieren (z. B. Mycobacterium tuberculosis). Noch
raffinierter ist aber, dass die Verschmelzung des Phagosoms mit
11 dem Lysosom verhindert wird (z. B. M. tuberculosis, M.  leprae). Die Immunantwort gegen Viren unterscheidet sich generell von
Wie effektiv dieser Mechanismus ist, sieht man daran, dass nach der Immunantwort gegen Bakterien. Die Mechanismen der ange-
12 Angaben der WHO etwa ein Drittel der Weltbevölkerung mit borenen Immunität haben sich im Wesentlichen auf die Abwehr
M. tuberculosis infiziert ist und rund 1,7 Millionen Menschen von Bakterien eingestellt. Das Komplementsystem kann Viren
jährlich daran sterben. Für die Entdeckung der Mycobakterien ohne Membranhülle opsonisieren, eine Lyse kann aber nicht aus-
13 bekam Robert Koch 1905 den Nobelpreis für Physiologie oder gelöst werden, da keine Membran vorhanden ist, in die eine Pore
Medizin (. Abb. 8.4). gesetzt werden kann. Die Viren mit Membranhülle hingegen ha-
14 Andere Erreger befreien sich direkt aus dem Phagosom und ben diese Membran von der Wirtszelle, in der sie sich vermehrt
leben dann im Cytosol der Zelle (z. B. Listeria monocytogenes), haben, und dementsprechend auch alle menschlichen Inaktiva-
15 was ein echtes Problem für das Immunsystem darstellt, da der toren (z. B. CD46, CD59) des Komplementsystems auf der Ober-
Erreger jetzt im falschen Weg für die Antigenpräsentation ist fläche. Einige Viren produzieren sogar aktiv zusätzliche virale
und die intrazelluläre Abtötung nicht mehr richtig funktioniert. Homologe der menschlichen Inaktivatoren (z. B. Herpes-sim-
16 Aufgrund ihrer Lebensweise gelangen die intrazellulären Bak- plex-Virus, HSV) oder rekrutieren aktiv den inaktivierenden
terien im Inneren der APC in die Lymphknoten, weshalb man Faktor H (z. B. humanes Immundefizienzvirus, HIV). Somit ist
17 bei einer Tuberkulose im Gegensatz zu extrazellulären Bakterien die sehr frühe Abwehr gegen Viren relativ schlecht, weshalb die
auch einen Lymphknotenbefall sieht. Nachdem die Erreger den Infektionswahrscheinlichkeit mit Viren wesentlich höher ist als
initialen Abtötungsversuch durch den Phagocyten überlebt und jene mit Bakterien. Der erste spezifisch antivirale Abwehrmecha-
18 sich intrazellulär vermehrt haben, ist eine Verstärkung der Funk- nismus in der sehr frühen Phase ist das Interferonsystem. Die
tion des intrazellulären Abtötens durch TH-Zellen unumgänglich. virusinfizierten Zellen produzieren in einem „altruistischen“
19 Darauf beruht auch die Abhängigkeit der protektiven Immunant- Mechanismus IFN-α; dadurch schützen sie die Nachbarzellen
wort gegen intrazelluläre Erreger von einer TH1-Reaktion, da das vor einer viralen Infektion, können sich selbst aber nicht mehr
20 intrazelluläre Töten von den TH1-Cytokinen IFN-γ und TNF-α retten. Eine virusinfizierte Zelle ist immer zum Tode verurteilt,
abhängt (. Abb. 8.5). da entweder das Virus die Zelle bei der Vermehrung lysiert oder
Deshalb ist es in der frühen Phase der Immunreaktion sehr aber das Immunsystem die infizierte Zelle abtötet. Interferon
21 wichtig, dass das Immunsystem sich auf eine TH1-dominierte kann also in der sehr frühen Phase die Ausbreitung des Virus ein-
Immunantwort einstellt und nicht wie bei den extrazellulären dämmen und bei einer geringen Viruslast sogar verhindern. Des
22 Erregern auf eine TH2/TH17-dominierte. Dies wäre im Falle von Weiteren leitet dieses sehr frühe Interferon eine zelluläre TH1-
intrazellulären Erregern fatal und würde deren Ausbreitung nicht und CTL-(cytotoxische T-Zellen)dominierte Immunantwort ein.
eindämmen. Das sieht man anschaulich an einem tierexperimen- Die Viren ihrerseits haben sich deshalb an die Mechanismen der
23 tellen System der Leishmaniose (. Abb. 8.6), wo man je nach Im- Interferone angepasst und können diesen vielfältig entgegen-
munmodulation ein Bild einer lokalen selbst­limitierenden Leish­ wirken, indem sie die IFN-Signaltransduktion über JAK-1 (z. B.
maniose (vergleichbar der Orientbeule beim Menschen) oder Cytomegalovirus, CMV) und STAT-1 (z. B. Epstein-Barr-Virus,
8.4  •  Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem bei Infektionen
131 8

infiziertes Gewebe

Erreger Erreger Erreger Erreger


Gefahrensignale Gefahrensignale
1 2
Erreger
Lymph-
Erreger
bahn
Lymph-
3

IFN-γ
knoten
T H1 8
4

IL-1
Erreger
2 TH1
Blutgefäß 5
Erreger
Erreger

.. Abb. 8.5  Immunantwort gegen intrazelluläre Bakterien. In der sehr frühen spontanen Phase kann das Immunsystem gegen die intrazellulären Erreger
wenig machen. In der frühen induzierten Phase (1) werden die Phagocyten rekrutiert, von denen sich die intrazellulären Bakterien bereitwillig phago­cytieren
lassen oder diese sogar aktiv penetrieren. Vor der intrazellulären Abtötung sind die intra­zellulären Erreger gut geschützt, sodass sie in den Phagocyten,
bevorzugt den Makrophagen, weiter­leben. Die eingewanderten APC (2) phagocytieren und prozessieren die Erreger oder wandern mit den lebenden Erregern
in der Lymphbahn (3) zum Lymphknoten. Dort präsentieren die APC, die durch die Phagocytose und die Gefahrensignale der Bakterien aktiviert wurden,
den TH-Zellen das Antigen. Durch die Art der Aktivierung über die PRR schütten die DC insbesondere IL-12 aus, das die TH-Zellen zu TH1-Zellen differen-
zieren lässt (4). Wenn die Erreger noch in den APC leben, so wird der Lymphknoten infiziert (5). Die aktivierten TH1-Zellen verlassen den Lymphknoten über
die abführende Lymphe und gelangen dann über den Ductus thoracicus in die Blutbahn (6). Die T-Zellen wandern über die Homing-Faktoren bevorzugt an
der Entzündungsstelle aus (7). Die TH1-Zellen (8) verstärken die Funktion der Phagocyten über IFN-γ und weniger stark über TNF-α, weshalb ein Ausfall dieser
Cytokine auch zu vermehrten Infektionen mit intrazellulären Erregern führt. Aufgrund ihrer großen Verbreitung sind dies meist Mycobakterien. Ein Ausfall von
IL-12 bricht die Differenzierung zu TH1-Zellen ab und hat damit den gleichen Effekt

nichtprotektive Immunantwort
gegen Leishmanien (TH2)

Gabe von IFN-γ, IL-12


oder anti-IL-4
Erregermenge

Gabe von anti-IFN- γ


oder IL-4

protektive Immunantwort
Infektion gegen Leishmanien (TH1)
*
Zeitverlauf der Infektion

.. Abb. 8.6  Die Entscheidung zur richtigen Immunantwort fällt in der frühen Phase. In der frühen Phase der Immunantwort entscheidet sich, in welche
Richtung die adaptive Immunantwort geht. Die Entscheidung wird dabei maßgeblich von den APC und ihren Signalen gesteuert. Dies kann man auch expe-
rimentell nachvollziehen, indem man Mausstämme nimmt, die für Leishmania major empfänglich sind (z. B. Balb/c-Mäuse), und solche, die diese Infektion gut
abwehren können (z. B. C57Bl/6-Mäuse). Die empfänglichen Mäuse (rot) entscheiden sich für eine TH2-Antwort, die eine humorale Immun­antwort auslöst, die
den intrazellulären Erreger nicht eliminieren kann, was zum Tode führt (†). Die abwehrenden Mäuse (grün) entscheiden sich für die richtige, gegen intrazellulä-
re Erreger gerichtete TH1-Antwort, eliminieren den Erreger und überleben dadurch (*). Dass die Entscheidung über die Immunantwort in der frühen Phase fällt,
sieht man daran, dass man nur in dieser Phase die Richtung der Immunantwort noch verändern kann. Spritzt man den empfänglichen Mäusen (rot gestrichelt)
Substanzen, die eine TH1-Antwort fördern, so überleben diese, während die eigentlich abwehrenden Mäuse sterben, wenn man in diesen eine TH2-Antwort
induziert (grün gestrichelt)
132 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

EBV) inhibieren oder spezifisch die antiviralen Funktionen, wie generiert. Glücklicherweise stehen diese Viren in unserem Kör-
1 die 2′–5′-Oligoadenylat-Synthetase (z. B. HSV), verhindern. Alle per unter einer strikten T-Zell-Kontrolle, sodass diese potenzielle
drei genannten Beispiele gehören zu den Herpesviren, die fast onkogene (krebserzeugende) Eigenschaft nur bei einer gestörten
2 alle Mechanismen der Inhibition der Immunantwort in sich ver- Immunantwort (z. B. eine Koinfektion mit Malaria) zur Auswir-
einen und dadurch eine hohe Durchseuchungsrate in der Bevöl- kung kommt (. Abb. 8.7).
kerung erreichen (z. B. EBV von ca. 95 % in Westeuropa) und eine Neben der Abtötung der infizierten Zellen muss das Im-
3 lebenslange latente Infektion hervorrufen. munsystem aber auch die Ausbreitung der Viren im Körper ein-
Die Phagocyten spielen bei der antiviralen Antwort eine un- dämmen, d. h., die weitere Virämie verhindern. Da die Viren bei
4 tergeordnete Rolle, wenn sie nicht sogar, wie bei den intrazellu- der Streuung über den Körper frei vorliegen, sind Antikörper
lären Bakterien, eine bevorzugte Zielzelle sind. Für HIV stellen erforderlich. Die CTL beseitigen folglich die befallenen Zellen,
5 Makrophagen neben den TH-Zellen ein wesentliches Reservoir dar, wohingegen die Antikörper eine weitere Ausbreitung im Körper
da auch die Makrophagen, wenn auch im geringeren Maße, den verhindern. Viren wiederum haben auch Mechanismen entwi-
Hauptrezeptor für das HI-Virus, das CD4, exprimieren. Somit hat ckelt, die Antikörperproduktion zu unterbinden. Da die B-Zellen
6 der Körper in der Primärinfektion den Viren in den frühen Phasen für die Aktivierung und Antiköperproduktion eine T-Zell-Hilfe
wenig entgegenzusetzen, sodass man für die antivirale Abwehr benötigen, müssen die viralen Proteine auch über MHC-II-Mo-
7 meist auf den Einsatz des erworbenen Immunsystems angewiesen leküle von den B-Zellen präsentiert werden. Auch diese Antigen-
ist. Die erste virämische Phase ist deshalb meist nicht zu vermei- präsentation kann von Viren (z. B. HIV, HSV) an verschiedenen
den, d. h., die Viren streuen vom Infektionsort ausgehend über Stellen verhindert werden (. Tab. 8.2).
8 das Blut durch den Körper und infizieren ihre Zielorgane, z. B. die Letztlich benötigt die komplexe Immunantwort, vor allem
Leber bei den Hepatitisviren. Wie bereits oben erwähnt, können auch die Aktivierung der B-Zellen, eine Interaktion und Kom-
9 die infizierten Zellen mehrheitlich nur über die CTL erkannt und munikation zwischen den Zellen des Immunsystems. Diese
getötet werden. Dazu müssen allerdings die viralen Proteine in Kommunikation findet über Cytokine und Adhäsionsmoleküle
10 der infizierten Zelle prozessiert und über MHC-I-Moleküle an der statt (▶ Kap. 7). Der Eingriff der Viren in die Immunregulation
Zelloberfläche präsentiert werden. Diese Mechanismen der Anti- ist dabei sehr vielseitig und reicht von der Inhibition von Cy-
genprozessierung und -präsentation (▶ Kap. 4) können die Viren tokinen und Adhäsionsmolekülen auf verschiedenen Ebenen
11 an verschiedenen Stellen inhibieren. Zunächst kann das Proteasom bis hin zur Produktion von viralen Homologen von Cytokinen
inhibiert werden (z. B. EBV, CMV), dann als nächstes der Antigen- (. Tab. 8.2).
12 transport durch die TAPs verhindert werden (z. B. CMV, HSV) Neben diesen komplexen Mechanismen verstecken sich
und letztlich die Beladung und Expression von MHC-I-Molekülen viele Viren vor der Immunabwehr dadurch, dass sie eine hohe
blockiert werden (z. B. CMV, HIV). Einige Viren sind sogar noch Mutationsrate haben (z. B. Influenza). Die Punktmutationen ver-
13 effektiver, indem sie bereits vorhandene MHC-I-Moleküle von der ändern die Virusantigene leicht, sodass die dagegen gebildeten
Oberfläche über Endocytose verschwinden lassen (z. B. HIV) oder Antikörper nicht mehr richtig oder gar nicht passen. Bei diesen
14 die Expression von MHC-I-Molekülen herunterregulieren (z. B. geringfügigen Mutationen spricht man von einer Antigen-Drift,
humanes Herpesvirus-8, HHV-8). die anhand der jährlichen Influenza-Welle beobachtet werden
15 Als aufmerksamer Leser der vorherigen Kapitel weiß man be- kann. Deshalb werden die Impfstoffe auch saisonal angepasst.
reits, dass das Immunsystem genau für diesen Fall einen Notfall- Interessanterweise sind die Kreuzreaktivitäten bei den linearen
mechanismus hat: die NK-Zellen, die ihre Zielzellen töten, wenn T-Zell-Antigenen wesentlich höher als bei den dreidimensio-
16 diese keine MHC-I-Moleküle mehr exprimieren (▶ Kap. 3). Auch nalen B-Zell-Antigenen, womit man keine Immunität erhält,
darauf haben sich einige Viren trickreich eingestellt, indem sie aber einen abgeschwächten Verlauf, da das T-Zell-Gedächtnis
17 in der Lage sind, virale Homologe der MHC-I-Moleküle (also funktioniert. Dies ist ein Grund für die milderen Verläufe der
einen gefälschten Ausweis für die Körperzugehörigkeit) zu pro- Schweinegrippe-Pandemie im Jahr 2010 bei älteren Menschen,
duzieren (z. B. CMV) oder nichtklassische MHC-I-Moleküle wie da diese bereits mit ähnlichen H1N1-Influenzaviren Kontakt
18 das HLA-E hochzuregulieren (z. B. CMV), um die NK-Zellen zu hatten oder geimpft wurden. Noch komplizierter wird die Ver-
inhibieren. Die Viren bedienen sich der Mechanismen, wie sie änderung bei Viren, die neben dem Menschen auch Tiere als
19 natürlicherweise in der Plazenta vorkommen (▶ Kap. 7). Reservoir haben (z. B. Influenza). Hier kann es durch die Coin-
Sowohl CTL als auch NK-Zellen töten ihre Zielzellen über fektion von menschlichen und tierischen Viren zu einer Ver-
20 die Induktion der Apoptose. Dies ist aus physiologischer Sicht mischung (reassortment) der Gene kommen, sodass ein neues
der beste Weg, um die infizierten Zellen gezielt zu töten, ohne Virus aus den vorherigen entsteht, mit vollkommen neu kom-
die Nachbarzellen zu schädigen. Umgekehrt haben diese beiden binierten Eigenschaften. Gegen diese Viren besteht dann meist
21 komplementären Systeme damit aber eine gemeinsame Endstre- auch keine Kreuzreaktivität und damit keine partielle Immu-
cke, was einige Viren „erkannt“ haben (z. B. EBV, CMV, HSV) nität wie bei der Antigen-Drift. Diese vollkommene Verände-
22 und deshalb auf vielfältige Weise die Induktion der Apoptose rung nennt man Antigen-Shift. Solche Grippeviren sind in der
inhibieren (. Tab. 8.2). Die Eigenschaft von EBV, das antiapopto- Vergangenheit bereits mehrmals entstanden und haben dann
tische vBcl-2 zu produzieren, macht man sich sogar in der Immu- das Potenzial, eine Pandemie, d. h. eine weltweite Infektions-
23 nologie und Humangenetik zunutze, indem man damit B-Zellen welle hervorzurufen. Enthält das Virus dann noch Risikogene
eines Spenders immortalisiert („unsterblich macht“) und somit für schwere Krankheitsverläufe, so gibt es Millionen von Toten
von einer Person eine B-Zell-Linie für weitere Untersuchungen (z. B. die spanische Grippe von 1918).
8.4  •  Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem bei Infektionen
133 8

infiziertes Gewebe

IFN-α
15 1
14
13 Gefahren-
signale
7 Lymph-
bahn

IL-2, IFN-γ

IFN

IFN-α
2,
IL-

2 IFN-α 4

TH1 9
Lymph-
16
knoten

5
12 8
Blutgefäß
6 IL-12
IFN-
11 α TH1
10 IL-2, IFN-γ

.. Abb. 8.7  Die Immunantwort gegen Viren. In der sehr frühen spontanen Phase gibt es kaum Mecha­nismen gegen Viren. Die Interferone sind der wirksams-
te antivirale Schutzmechanismus der natürlichen Immunität. Die infizierten Zellen produzieren IFN-α (1) und induzieren damit einen anti­viralen Zustand in
den Nachbarzellen, sodass diese nicht infiziert werden können. Gleichzeitig werden die APC für eine antivirale Antwort aktiviert. Sie produzieren jetzt auch
IFN (2), wobei die unreifen DC die stärksten Interferonproduzenten sind. Wenn das Virus die MHC-I-Expression herunterreguliert, so können NK-Zellen die
virusinfizierten Zellen über das missing self töten (3). Die eingewanderten APC (2) phagocytieren und prozessieren die Viren aber auch und wandern dann
in der Lymphbahn (4) zum Lymphknoten. Dort präsentieren die APC, die durch IFN und die Gefahrensignale der Viren aktiviert wurden, den TH-Zellen das
Antigen. Durch die Art der Aktivierung über die PRR schütten die DC insbesondere IL-12 und IFN-α aus, wodurch die TH-Zellen zu TH1-Zellen differenzieren und
cyto­toxische T-Zellen (CTL) aktiviert werden (5). Die APC werden dabei von den TH1-Zellen in der Aktivierung der CTL unterstützt (6). Freies Antigen (7) erreicht
ebenfalls über die Lymphe den Lymph­knoten. Dort wird es, neben Makrophagen, von antigenspezifischen B-Zellen erkannt, endocytiert, prozessiert und
TH-Zellen präsentiert (8). Durch die T-Zell-Hilfe teilen sich die B-Zellen (nicht gezeigt) und differenzieren zu Plasmazellen (9) aus. Die aktivierten CTL, TH1-Zel-
len und die Antikörper verlassen den Lymphknoten über die abführende Lymphe und gelangen dann über den Ductus thoracicus in die Blutbahn (10). Die
Antikörper können auf ihrem Weg Viren neutralisieren, die über den Körper streuen (11), und diffundieren unspezifisch in alle Gewebe und haben nur durch
die Gefäßerweiterung am Entzündungsort eine Anreicherung. Die T-Zellen wandern hingegen über die Homing-Faktoren bevorzugt an der Entzündungsstelle
aus (12). Im Gewebe neutralisieren die Antikörper freies Virus, sodass dieses keine weiteren Zellen infizieren kann (13). Des Weiteren kann über die Antikörper
die ADCC (antibody-dependent cellular cytotoxicity) der NK-Zellen vermittelt werden (14), wodurch die NK-Zellen antigenspezifisch töten. Die CTL töten die viru-
sinfizierten Zellen MHC-restringiert (15), wobei die MHC-Expression bereits durch die Interferone gesteigert wurde. Die TH1-Zellen (16) verstärken die Funktion
der NK-Zellen und CTL über IL-2 und IFN-γ

Immunantwort gegen große Parasiten Erreger ausrichten. Mehrzellige Parasiten besitzen zum Teil selbst
und Pilze eine Art Komplementsystem mit entsprechenden Regulatoren
oder aber haben Inhibitoren für das Komplement. Die Pilze sind
Die Immunantwort gegen große mehrzellige Erreger ist sehr be- durch ihre Zellwand weitestgehend geschützt. Im Darm helfen
schränkt. Im Wesentlichen greifen hier die Barrierefunktionen, die Mastzellen, die Erreger in der sehr frühen Phase zu beseiti-
die die Besiedlung oder das Eindringen der Erreger verhindern. gen, da die Mastzellaktivierung dort Durchfälle induziert, die
So ist die intakte Haut eine effektive Barriere gegen das Eindrin- dazu dienen sollen, die Erreger auszuspülen. Ein einfacher, aber
gen von Parasiten. Diese entwickeln aber oftmals Mechanismen, effektiver Mechanismus, weshalb Bandwürmer am „Kopfende“
die Haut aktiv zu durchbohren. Bei den Pilzen haben sich die (Scolex) Widerhaken entwickelt haben, mit denen sie sich in der
Dermatophyten (Hautpilze) sogar die Haut als Zielorgan aus- Darmwand verankern und so nicht ausgespült werden können.
gesucht. Hier sind der Säureschutzmantel der Haut und kom- Spulwürmer schwimmen hingegen aktiv gegen den Strom, wer-
mensale Bakterien wie Staphylococcus epidermidis auf der Haut den aber häufig mit ausgeführt, weshalb man diesen Befall im
und Lactobacillen auf den Schleimhäuten wichtige Mechanis- Stuhlgang bemerkt.
men, um die Besiedlung zu verhindern. Haben es die großen Er- In der frühen induzierten Phase kommen dann die eigent-
reger geschafft, diese Barrieren zu überwinden, so wird es für das lichen antiparasitären Mechanismen ins Spiel, die eosinophilen
Immunsystem sehr schwer, da nur wenige Mechanismen zur Ver- und basophilen Granulocyten. Deren Anzahlen sind bei Para-
fügung stehen, um diese Erreger zu eliminieren. Alle Mechanis- sitenbefall erhöht, in Industrieländern hingegen meist nur bei
men schädigen dabei immer auch den Körper. In der sehr frühen einem „parasitären Fehlalarm“, der Allergie. Diese Granulocyten
Phase können Komplement und Phagocyten nur wenig gegen die degranulieren und versuchen so über ihre toxischen Granulain-
134 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

1 .. Tab. 8.3  Präformierte Granulainhalte von eosinophilen und basophilen Granulocyten und ihre Funktion. Die Inhaltsstoffe der Basophilen und
Eosinophilen haben oft gegensätzliche Funktion, sodass Erreger unterschiedlich angegriffen werden können.

2 Basophiler Granulocyt Funktion Eosinophiler Granulocyt Funktion

Histamin Vasodilatation, Erhöhung der Endothel- Histaminase Abbau von Histamin


3 permeabilität, Kontraktion der glatten
Muskulatur
→ Rekrutierung weiterer Zellen und Aus-
4 schwemmen der Erreger, direkte Wirkung
auf einige Erreger

5 Major Basic Protein Cytotoxisch Major Basic Protein Cytotoxisch

Chondroitinsulfat Proteinbindung Glucosamino­glykane Komplexe Zucker


→ Verkapselung des Erregers → Verkapselung
6 Tryptase Proteinabbau und -umbau Gelatinase Proteinabbau und -umbau
Chymase → Angriff der Erreger und Verkapselung der → Angriff der Erreger und Verkapselung
7 Carboxy­peptidase Erreger der Erreger
Neutrale Protease
Elastase
8 β-Glucuronidase Abbau von komplexen Zuckerketten (Zell- Arylsulphatase Abbau von komplexen Zuckerketten
wänden) Hexosaminidase (Zellwänden)
9 Charcot-Leyden-Kristall- Membranschädigung Phospholipase D Membranschädigung
protein unspezifische Esterase

10 Lysophosholipase

Catalase Abbau von H2O2

11 Saure Phosphatase Abspalten von Phosphatgruppen


→ Inaktivierung

12
Eosinophiles kationisches Cytotoxisch über RNase-Aktivität
Protein

Eosinophil-derived neuro- Cytotoxisch über RNase-Aktivität


13 toxin

Eosinophilen-Peroxidase Generierung von toxischen halogenier-


14 ten Substanzen und reaktiven Stickstoff­
spezies

15 Cathepsin-G-artiges
Enzym
Antigenprozessierung

16 halte (. Tab. 8.3) die Erreger abzutöten. Da die Parasiten wie anregen und gleichzeitig eine TH2-Immunantwort einleiten.
die menschlichen Zellen Eukaryoten sind, greifen die toxischen Letztlich induzieren diese Cytokine auch einen Immunglobulin-
17 Mechanismen nicht nur die Parasiten an, sondern auch das klassenwechsel zum IgE, dessen natürliche Funktion auch in der
befallene Gewebe. Die Enzyme können nicht zwischen Parasi- antiparasitären Immunantwort liegt. Ein erhöhtes IgE ist also ein
ten- und Menschenzellen unterscheiden. Durch die ausgelöste Zeichen für eine Parasitose, in den Industrieländern aber meist
18 Entzündungsreaktion wird außerdem über IL-1 eine Collagen- ein Zeichen einer „Pseudoparasitose“, d. h. einer Allergie. Die
synthese induziert, die dazu dient, den Erreger „einzusperren“, Eosinophilen, Basophilen und Mastzellen exprimieren Fcε-Re-
19 d. h. er wird eingekapselt, damit er sich nicht im Körper ausbrei- zeptoren, wodurch das IgE die Funktion dieser Zellen antigen-
tet. Dies ist auf der einen Seite sinnvoll, auf der anderen Seite spezifisch macht und potenziert.
20 aber auch eine Art Kapitulation, da die Kapsel gleichzeitig den
Angriff durch die Granulocyten verhindert. Einige Erreger nut-
zen dies aus, indem sie die Kapselbildung fördern (z. B. Trichine, 8.5 Was entscheidet darüber, ob wir uns
21 Fadenwürmer). infizieren oder nicht?
Um die Effektivität der Eosinophilen und Basophilen zu stei-
22 gern, kommt wiederum das spezifische Immunsystem ins Spiel. Wie oben beschrieben, haben wir viele Mechanismen, die Erre-
Interessanterweise sind dabei die Eosinophilen und Basophilen ger abzuwehren; die Erreger haben sich aber genauso auf unser
selbst antigenpräsentierende Zellen, während Neutrophile dies Immunsystem eingestellt und Strategien entwickelt, das Immun-
23 nicht sind (. Abb. 8.8). Des Weiteren produzieren die Eosino- system auszuschalten. Trotzdem sind wir meistens gesund und
philen, Basophilen und auch Mastzellen selbst große Mengen wenn nicht, fragen wir uns „warum immer gerade ich erkranke“
an IL-4 und IL-5, die ihre eigene Produktion im Knochenmark und nicht die Anderen. Was sind also die Mechanismen, die da-
8.5  •  Was entscheidet darüber, ob wir uns infizieren oder nicht?
135 8

tes Gewebe

Collagen
1
IL-1
15
Gefahrensignale
14
2 5 Lymph-
12 bahn
IL-13

3
IL-4

TH2 13

7
Lymph- 6
11 knoten

IL-4
IL-5
Blutgefäß
10 T H2
8
IL-4
IL-5

4 IL-4
TH2
9

.. Abb. 8.8  Die Immunantwort gegen Parasiten. In der sehr frühen spontanen Phase werden die Mastzellen zur Degranulierung angeregt (1). Dies soll die
Erreger nach Möglichkeit aus dem Körper spülen, z. B. durch Husten oder Durchfälle. Die eingewanderten basophilen und eosinophilen Granulocyten (2)
werden durch die Parasiten ebenfalls zur Degranulierung angeregt, wodurch verschiedene toxische Substanzen die Erreger, aber auch das Gewebe schädigen.
Die Basophilen und Eosinophilen phagocytieren und prozessieren Bruchstücke der Erreger und wandern dann in der Lymphbahn (3) zum Lymphknoten.
Dort präsentieren die Eosinophilen (evtl. auch die Basophilen) den TH-Zellen das Antigen. Die Eosinophilen produzieren viel IL-4 und IL-5, das die TH-Zellen zu
TH2-Zellen differenzieren lässt (4). Freies Antigen (5) erreicht ebenfalls über die Lymphe den Lymph­knoten. Dort wird es, neben Makrophagen, von B-Zellen
antigenspezifisch erkannt, endocytiert, prozessiert und TH-Zellen präsentiert (6). Durch die T-Zell-Hilfe teilen sich die B-Zellen (nicht gezeigt) und differenzieren
zu Plasmazellen (7) aus. Durch die Cytokine der Eosinophilen und TH2-Zellen vollziehen die B-Zellen dabei einen Immunglobulinklassenwechsel zum IgE (8).
Die aktivierten TH2-Zellen und die Antikörper verlassen den Lymphknoten über die abführende Lymphe und gelangen dann über den Ductus thoracicus in die
Blutbahn (9). Die Antikörper (10) diffundieren unspezifisch in alle Gewebe und haben nur durch die Gefäßerweiterung am Entzündungsort eine Anreicherung.
Die T-Zellen wandern hingegen über die Homing-Faktoren bevorzugt an der Entzündungsstelle aus (11). Im Gewebe opsonisieren die IgE-Antikörper die Para-
siten, sodass die Basophilen und Eosinophilen stärker zur Degranulierung aktiviert werden (12). Die TH2-Zellen aktivieren zusätzliche Entzündungszellen, z. B.
Makrophagen (13), die dann IL-1 synthetisieren, das Fibroblasten zur Collagensynthese anregt (14). Durch das Collagen werden die Parasiten eingekapselt (15)

rüber entscheiden, ob man sich infiziert oder nicht? Dies sind im schreitung des Schwellen­wertes wird unter natürlichen Bedin-
Wesentlichen drei Dinge: gungen nicht erreicht. Bei einem Wert unterhalb des protektiven
1. Erregermenge, Titers haben wir eine partielle Immunität, d. h. der Schwellen-
2. Immunkapazität des Wirtes und wert ist erhöht, es kann aber bei Kontakt mit einer großen Erre-
3. Eintrittsort des Erregers. germenge zur Infektion kommen (. Abb. 8.9).

Die Rolle der Erregermenge bei der Infektion Die Rolle der Immunkapazität des Wirtes
bei der Infektion
Glücklicherweise infizieren wir uns nicht immer, wenn wir mit
Infektionserregern in Kontakt kommen. Um die Abwehrmecha- Ein intaktes Immunsystem definiert den Schwellenwert für ei-
nismen der natürlichen Immunität zu überwinden, braucht es nen Erreger. Dementsprechend verändert sich der Schwellenwert
eine gewisse Keimdosis. Diese Keimdosis ist umso niedriger, auch, wenn sich die Kapazität des Immunsystems verändert. Der
je pathogener der Erreger ist, d. h. umso mehr Pathogenitäts- Schwellenwert ist also auch von Individuum zu Individuum ver-
faktoren er besitzt. Die infektiöse Dosis eines Erregers ist also schieden, je nach der Kapazität des jeweiligen Immunsystems.
keine feste Größe, sondern sehr variabel, es handelt sich um ei- Die Kapazität ist dabei die Gesamtheit aller Mechanismen des
nen Schwellenwert. Werden die Mikroorganismen immer von Immunsystems. Die Funktionen des angeborenen Immunsys-
der natürlichen Abwehr erkannt und eliminiert, sprechen wir tems können durch zu viel Waschen und ungesunde Ernährung
von apathogenen Organismen. Die natürliche Immunität sorgt negativ beeinflusst werden (▶ Kap. 15), sodass die Immunkapazi-
also dafür, dass wir uns gar nicht erst infizieren. Im Falle einer tät und damit der Schwellenwert für Erreger sinkt. Dies bedingt,
Sekundär­infektion ist der Schwellenwert durch die Antikörper dass man bei Mangel- oder Fehlernährung eine erhöhte Infek-
stark angehoben. Im Falle eines protektiven Titers ist eine natür- tanfälligkeit hat, da bereits eine geringere Keimdosis ausreicht,
liche Infektion unmöglich, d. h. die nötige Keimdosis zur Über- um eine Infektion auszulösen. Bei Immundefekten (▶ Kap. 16)
136 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

1 Primärantwort Sekundärantwort

2
Schwellenwert protektiver Titer
3
Erregermenge

4 Schwellenwert partielle Immunität

5
Infektion

6 natürlicher Schwellenwert

7 Zeitverlauf der Infektion

8 sehr frühe
spontane Phase
frühe induzierte
Phase
adaptive Phase Sekundärantwort

9 Komplement PMN DC/T-Zell-Interaktion


B-Zell/T-Zell-Interaktion
zusätzlich präformierte Antikörper und
Gedächtniszellen
Gewebs- DC CTL, Antikörper
10 makrophagen

.. Abb. 8.9  Die Infektion hängt von der Erregermenge ab. Um das Immunsystem zu überwinden, muss eine gewisse Erregermenge vorliegen. Sobald dieser
11 Schwellenwert überschritten ist, manifestiert sich die Infektion und der Erreger vermehrt sich exponentiell. In den frühen Phasen der Primärreaktion wird der
Schwellenwert allein durch das angeborene Immunsystem (oliv hinterlegt) bestimmt, während in der Sekundärreaktion das erworbene Immunsystem, insbe-
sondere die Antikörper, den Schwellenwert erhöhen. Wird der Schwellenwert nur leicht erhöht (hellblau unterlegt), so ist eine Infektion unwahrscheinlicher,
12 aber bei einer hohen Keimdosis möglich. Es besteht eine partielle Immunität. Erreicht der Antikörpertiter den protektiven Titer (türkis), kann unter natürlichen
Bedingungen keine Infektion mehr erfolgen. Die Person ist immun

13 wird die Immunkapazität soweit gesenkt, dass es zu sogenannten also bedingt durch den Eintrittsweg einen unterschiedlichen
opportunistischen Infektionen kommt, d. h. man infiziert sich Schwellenwert haben. So ist z. B. die Ansteckungsgefahr mit HIV
14 mit Keimen, die für Personen mit einem normalen Immunsys- bei Analverkehr um ein Vielfaches größer als bei Oralverkehr, da
tem ungefährlich sind, z. B. Pneumocystis jiroveci (früher carinii) im Epithel des Mastdarms CD4+-Zellen vorkommen. Aufgrund
15 bei HIV-Infizierten. der Coevolution zwischen Erregern und Immunsystem kommt
Neben der angeborenen wird auch die spezifische Immu- es sogar vor, dass sich die Barrierefunktionen so gut an einen
nität durch den Lebenswandel und die genetische Ausstattung Erreger anpassen, dass die nachgeschalteten Mechanismen nicht
16 beeinflusst. Ein wichtiges Merkmal ist dabei der HLA-Typ ei- mehr adaptiert werden. Staphylococcus epidermidis ist eigentlich
nes Menschen, der darüber entscheidet, welche Peptide effektiv ein kommensaler Keim auf unserer Haut, der aber als Erzeuger
17 präsentiert werden können und welche nicht. Des Weiteren hat von Katheterinfektionen gefürchtet ist. Wenn S. epidermidis ins
auch jeder eine persönliche Ausstattung an antigenspezifischen Tiefengewebe kommt, so kann er hier Infektionen hervorrufen,
Rezeptoren, die die positive und negative Selektion überleben. während er die intakte Haut nie durchdringt und in den oberen
18 Somit hat jeder Mensch eine immunologische Lücke, d. h. ein Hautschichten abgetötet wird.
oder mehrere Antigene, auf die er keine adäquate spezifische
19 Immunantwort geben kann, da die Antikörper oder TCR fehlen
oder aber die Antigene nicht effektiv präsentiert werden können. 8.6 Infektionsprophylaxe
20 Umgekehrt gibt es aber auch Individuen, die gewisse Antigene
besonders effektiv präsentieren können, wie man kürzlich an Immunkapazität und Pathogenität definieren die Infektions-
Personen entdeckt hat, die sich trotz Exposition nicht mit HIV wahrscheinlichkeit mit einem Krankheitserreger. Die Keime, mit
21 infiziert haben (. Tab. 16.5). denen man sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch als gesun-
der Mensch infiziert, haben eine große medizinische Bedeutung,
22 sodass man durch gezielte Maßnahmen die Infektion und Aus-
Die Rolle des Eintrittsortes bei der Infektion breitung dieser Krankheiten verhindern muss. Die Infektionspro-
phylaxe kann man grob in drei Punkte einteilen:
23 Der Schwellenwert wird jedoch nicht nur durch die Pathogenität 1. Hygiene- und Schutzmaßnahmen,
des Erregers und die Immunkapazität des Wirtes, sondern auch 2. Passive Immunisierung und
durch den Eintrittsweg des Erregers bedingt. Ein Erreger kann 3. Impfung.
8.6 • Infektionsprophylaxe
137 8

Neben diesen drei Punkten gibt es natürlich noch weitere Maß-


nahmen, wie gesunde Ernährung, auf die aber im ▶ Kap. 15
eingegangen wird. Des Weiteren sollte man nie vergessen, dass
die Infektionsproblematik in den Entwicklungsländern dadurch
verstärkt wird, dass viele Menschen in diesen Ländern an Unter­
ernährung und damit an einem latenten Immundefizit leiden.
Natürlich kann man auch Antibiotika zur Prophylaxe einsetzen,
dies ist aber in der Regel keine dauerhafte Maßnahme und hat
keine immunologischen Grundlagen.

Hygiene- und Schutzmaßnahmen .. Abb. 8.10  Emil von Behring. Emil von Behring hat die passive Immuni-
sierung erfunden und dadurch die Kindersterblichkeit drastisch gesenkt. Für
diese Leistung wurde er geadelt und bekam 1901 den Nobelpreis für Physio-
Die einfachste Prophylaxe ist die Kontaktvermeidung mit den logie oder Medizin. Das damalige Nobelpreiskomitee würdigte die Arbeiten
Erregern und hat damit eigentlich auch nur wenig mit Immu- als „neuen Weg in der Medizin, der den Ärzten eine siegreiche Waffe gegen
nologie zu tun. Man muss dabei zwei grundsätzliche Dinge un- Krankheiten und Tod in die Hand gibt“
terscheiden: den persönlichen Schutz und den Schutz anderer
Personen. Zum persönlichen Schutz gehören sauberes Trinkwas- Ein besonderes Problem der tierischen Antiseren (heterologe
ser und Schutzkleidung bzw. Moskitonetze in den Tropen. Der Seren) ist dabei, dass diese selbst vom Körper des Empfängers
Schutz anderer Personen betrifft vor allem Patienten in Kranken- als fremde Antigene erkannt und schnell abgebaut werden, d. h.
häusern. Diese sind oft immungeschwächt und haben dadurch sie haben dadurch nur eine geringe Halbwertszeit von maxi-
einen niedrigeren Schwellenwert, sodass sie sich an Keimen mal 10–14 Tagen. Aufgrund des immunologischen Gedächtnis-
infizieren, mit denen das gesunde Krankenhauspersonal asym- ses wirken die Antikörper bei einer erneuten Gabe überhaupt
ptomatisch besiedelt ist. Ein wichtiges klinisches Beispiel sind nicht mehr, da sie direkt von den anti-Antikörpern neutrali-
MRSA-Infektionen (methicillinresistente Staphylococcus aureus), siert werden. Schlimmer noch, bei einer zweiten Gabe riskiert
die vom Krankenhauspersonal übertragen werden können, wenn man die Auslösung der danach benannten Serumkrankheit,
dieses die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Desinfektion nicht die durch Verursachung eines anaphylaktoiden Schocks zum
strikt einhält. Tode führen kann. Die Serumkrankheit ist eine Typ-III-Aller-
gie (▶ Kap. 10). Um sie zu verhindern, muss man die passiven
Immunisierungen im Impfausweis protokollieren und bei einer
Die passive Immunisierung erneuten Gabe eines Antitoxins auf eine andere Tierspezies zu-
rückgreifen oder, wenn dies nicht möglich ist, mit einer gerin-
Im Gegensatz zu den T-Zellen erkennen Antikörper freie Anti- gen Menge subkutan vortesten, ob es zu einer Arthus-Reaktion
gene und sind nicht auf den körpereigenen MHC restringiert. kommt (▶ Kap. 10). Heute hat man für die gängigen Krank-
Deshalb kann man die humorale Immunität auch von einer heiten Hyperimmunglobuline, das sind menschliche Immun­
Person auf die andere übertragen, die zelluläre Immunität hin- globulin­präparate (homologe Seren) mit einem hohen Titer
gegen nicht. Dies hat als Erster der deutsche Wissenschaftler für die jeweilige Krankheit, die aus dem Serum von geimpften
Emil Behring erkannt. Er veröffentlichte 1890, dass man durch Personen stammen. Gegen diese Präparate tritt in der Regel
Serum die Immunität gegen einen Erreger von einem Tier auf keine Immunreaktion auf, sodass sie mehrfach appliziert wer-
ein anderes übertragen kann. Kurze Zeit später immunisierte er den können. Eine natürliche Form der passiven Immunisierung
Schafe mit dem Diphtherie-Erreger (Corynebacterium diphthe- liegt bei den Neugeborenen vor, die über die Plazenta mütterli-
riae) und konnte mit deren Serum an Diphtherie erkrankte Kin- ches IgG bekommen haben, man spricht hier von Nestschutz.
der heilen; dies nennt man heute Postexpositionsprophylaxe. Dieser schützt die Kinder in den ersten 4–6 Lebensmonaten
Für die Entdeckung der Serumtherapie bekam Emil von Behring vor Infektionen.
(. Abb. 8.10) bereits zehn Jahre später (1901) den allerersten No-
belpreis für Physiologie oder Medizin überhaupt. Die Serumthe-
rapie kann auch zur Infektionsprophylaxe eingesetzt werden, Impfung
d. h., ein Mensch wird für eine gewisse Zeitspanne gegen den
Erreger immun. Heute stellt man die Antikörpermenge in der Die Impfung oder aktive Immunisierung ist der größte medizi-
Regel so ein, dass eine passive Immunisierung ungefähr zwei nische Erfolg überhaupt. Die Impfung ist die einzige prophylak-
Halbwertszeiten der Antikörper hält, d. h. 6–8 Wochen. Diese tische Therapie, die dauerhaft vor einer Erkrankung schützt. Bei
Form der passiven Immunisierung setzt man meistens vor Reisen der Impfung werden abgeschwächte oder abgetötete Erreger
ein, wenn die Zeit zur Impfung vor Reiseantritt nicht mehr reicht oder nur deren Antigene appliziert, wodurch im Impfling eine
(z. B. passive Immunisierung gegen Hepatitis A). Immun­antwort gegen den Erreger bzw. das Antigen ausgelöst
Die passive Immunisierung hat jedoch einen wesentlichen wird, die im Rahmen einer Sekundärantwort schützend ist.
Nachteil gegenüber einer Impfung: Sie wirkt nur kurze Zeit, da Dieser lang anhaltende Schutz aufgrund des immunologischen
sich kein immunologisches Gedächtnis ausbildet (. Tab. 8.4). Gedächtnisses ist auch der wesentliche Vorteil gegenüber der
138 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

1 .. Tab. 8.4  Vergleich von aktiver und passiver Immunisierung

Passive Aktive Immunisierung (Impfung) Simultanimpfung (Aktiv-passiv-Immuni-


2 Immunisie­rung sierung)

Was wird appliziert Antikörper Antigen Antigen und Antikörper

3 Einsetzen der Schutzwirkung Sofort Verzögert Sofort


Teilschutz nach 2–3 Wochen, Vollschutz
frühestens nach der 2. Immunisierung (Aus-
4 nahme Lebendimpfstoffe)

Dauer der Schutzwirkung Kurz Lang Lang


5 6–8 Wochen Ca. 10 Jahre nach Grundimmunisierung Ca. 10 Jahre, wenn Grundimmunisierung
angeschlossen wird (nur bei Totimpfstoffen
möglich, Lebendimpfstoffe würden neutrali-
6 siert, so dass kein Langzeitschutz entstehen
würde)

7
passiven Immunisierung. Als Begründer der Impfung gilt der da es bei den Indikationsimpfungen auch weniger verträgliche
englische Landarzt Edward Jenner (▶ Kap. 1). Impfstoffe gibt, die nur bei einem entsprechenden Gefährdungs-
8 Die Pockenimpfung hat aber noch eine weitere Erfolgsge- potenzial appliziert werden sollten. Bei den Impfstoffen werden
schichte. Bereits am Anfang des 19. Jahrhunderts begannen ei- Lebendimpfstoffe von Totimpfstoffen unterschieden. Bei den
9 nige Staaten mit einer systematischen Pockenimpfung, bevor die Lebendimpfstoffen handelt es sich um abgeschwächte (attenu-
WHO 1967 die weltweite Impfpflicht für die Pocken beschloss. ierte), aber noch vermehrungsfähige Erreger, die im Impfling eine
10 Aufgrund dieses strikten Handelns ist es gelungen, die Pocken abgeschwächte Infektion hervorrufen und eine komplexe Immu-
weltweit auszurotten, was die WHO 1980 offiziell festgestellt hat. nität gegen den Erreger erzeugen. Der Vorteil der Lebendimpf-
Die Impfung wird seitdem auch nicht mehr durchgeführt. Diese stoffe ist die gute Immunisierung und der lang anhaltende Schutz.
11 ist aber leider auch das einzige Erfolgsbeispiel, wobei die Aus- Der Nachteil ist die Gefahr einer nicht einzudämmenden Infek-
rottung sowieso nur bei Erregern möglich ist, die den Menschen tion bei immundefizienten Patienten, bei denen Lebendimpfstoffe
12 als alleiniges Reservoir haben. Die WHO wollte bereits bis zum grundsätzlich kontraindiziert sind. Früher gab es mehrheitlich
Jahr 2000 die Masern weltweit ausrotten, wovon wir aber selbst Lebendimpfstoffe, während heute mehrheitlich Totimpfstoffe
in Deutschland noch weit entfernt sind. Dies beruht darauf, dass Verwendung finden. Zuletzt hat man bei der Polioimpfung (Kin-
13 man für die Ausrottung einer Infektion die Übertragung von derlähmung) umgestellt, da es in Deutschland keine natürlichen
Mensch zu Mensch unterbinden muss. Dafür benötigt man eine Polioinfektionen mehr gab, aber jährlich ein paar impfstoffindu-
14 Impfrate von mindestens 95 %, besser natürlich darüber. Man zierte Fälle, weil die attenuierten Impfstämme der Polioviren nach
spricht in diesem Zusammenhang von Herdenimmunität oder der Darmpassage wieder krankheitserregend werden konnten.
15 Kollektivschutz, d. h., die wenigen nicht geimpften Personen sind Bei den Totimpfstoffen unterscheidet man solche, in denen
durch die geimpften Personen geschützt, da die Übertragungs- ganze abgetötete Erreger sind (z. B. den weniger gut verträglichen
wahrscheinlichkeit zu gering ist, denn die Übertragung ist ja Influenza-Ganzvirusimpfstoff), von Impfstoffen mit enzyma-
16 nur von nicht geimpfter zu nicht geimpfter Person möglich. Die tisch zerkleinerten Erregern (z. B. den gut verträglichen Influen-
Masernausbrüche in Deutschland sind deshalb auch immer in za-Spaltimpfstoff) und den sehr gut verträglichen rekombinanten
17 Schulen oder Kindergärten, in denen der Anteil nicht geimpfter Impfstoffen (z. B. Hepatitis-surface-Antigen, HBsAg), bei denen
Kinder besonders hoch ist. nur noch einzelne Bestandteile des Erregers gentechnisch herge-
In Deutschland gibt die STIKO (Ständige Impfkommission) stellt werden. In vielen Fällen werden heute Impfstoffe mehrerer
18 am Robert-Koch-Institut Impfempfehlungen heraus (. Tab. 8.5), Erreger gemischt und in einer Impfung appliziert, man nennt
die regelmäßig aktualisiert werden. Bei den Impfungen unter- diese Kombinationsimpfstoffe. Da das Immunsystem aber nur
19 scheidet man Standardimpfungen (Regelimpfungen) nach dem eine begrenzte Kapazität hat, kann man nicht beliebig viele und
Impfkalender, Indikationsimpfungen und Auffrischimpfungen. auch nicht alle Impfstoffe kombinieren. Interessanterweise er-
20 Die Standardimpfungen sichern die Grundimmunisierung gegen kennen wir bei den Impfungen auch die oben beschriebenen
die jeweiligen Erreger. Die Auffrischimpfungen dienen der Boos- Anpassungsmechanismen der Erreger wieder. Bei den Viren
terung der Grundimmunisierung in regelmäßigen Abständen, müssen wir grundsätzlich mit Oberflächenantigenen impfen,
21 bei Tetanus und Diphtherie alle 10 Jahre. Die Indikationsimp- damit diese an der primären Infektion der Zellen gehindert wer-
fungen sind besondere Impfungen, die nur für Risikogruppen den. Bei den Bakterien reicht es häufig, mit den inaktivierten
22 empfohlen werden, also z. B. Reiseimpfungen wie Gelbfieber, Toxinen, Toxoide genannt, zu impfen, da die Bakterien selbst
wenn man in entsprechende Gebiete reist. für das angeborene Immunsystem kein Problem darstellen, wenn
Die empfohlenen Standardimpfungen sind alle sehr gut ver- dieses nicht durch die Toxine gelähmt wird (z. B. Tetanus- und
23 träglich, und die möglichen Risiken sind gegenüber den Gefahren Diphtherieimpfung).
der Erkrankungen absolut zu vernachlässigen. Diese Risiko-Nut- Wie wir gesehen haben, sind die passive und die aktive Im-
zen-Abwägung muss jeder Arzt vor der Impfung vornehmen, munisierung in ihren Eigenschaften komplementär. Dies macht
8.6 • Infektionsprophylaxe
139 8

.. Tab. 8.5 Standardimpfungen und ausgewählte Indikationsimpfungen in Deutschland (2014)

Krankheit/Erreger, gegen die geimpft wird Anzahl der Impfungen zur Bemerkungen
Grund­immunisierung

Alle Regelimpfungen (offizielle Abkürzung) [Erkrankung]

1. Tetanus (T) 4 Totimpfstoff, Auffrischimpfung alle 10 Jahre

2. Diphtherie (D oder d) 4 Totimpfstoff, Auffrischimpfung alle 10 Jahre

3. Pertussis (aP oder ap) [Keuchhusten] 4 Totimpfstoff, Auffrischimpfung alle 10 Jahre

4. Haemophilus influenzae Typ B (Hib) 3–4 Totimpfstoff (Konjugatimpfstoff )

5. Poliomyelitis (IPV) 3–4 Totimpfstoff

6. Hepatitis B (HB) 3–4 Totimpfstoff (rekombinant)

7. Pneumokokken 3–4 Totimpfstoff (auch als Konjugatimpfstoff )

8. Meningokokken 2 Totimpfstoff (auch als Konjugatimpfstoff )

9. Masern-Mumps-Röteln (MMR) 2 Lebendimpfstoff

10. Varizellen [Windpocken] 2 Lebendimpfstoff

11. Influenza [Grippe] Totimpfstoff (Spaltimpfstoff ) ab dem 60. Lebensjahr und Risiko-


gruppen jährlich

12. Humane Papillomviren (HPV) Totimpfstoff (rekombinant), Regelimpfung nur für Mädchen

13. Rotaviren 2-3 Lebendimpfstoff (oral, Schluckimpfung)

Wichtige Indikationsimpfungen

14. FSME [Frühsommer-Meningoencephalitis] 3 Totimpfstoff, erste Auffrischimpfung nach 3, danach nach 5 Jahren

15. HAV [Hepatitis A] 2 Totimpfstoff

16. Tollwut 3 Totimpfstoff, Auffrischimpfung alle 2–5 Jahre

Die Impfungen 1–5 werden auch kombiniert. Auch die Impfungen 6 + 15 werden kombiniert.

man sich bei der Simultanimpfung oder Passiv-aktiv-Immuni- Diphtherietoxoids als Protein-Carrier gekoppelt werden. Da-
sierung zunutze, indem man gleichzeitig eine Impfung und eine bei macht man aus einem T-Zell-unabhängigen Antigen ein
passive Immunisierung durchführt. Der Vorteil liegt in der Kom- T-Zell-abhängiges Antigen und löst damit eine IgG- statt einer
bination beider Verfahren, d. h. man hat einen sofortigen und IgM-Immunantwort aus. Des Weiteren verstärkt man über den
gleichzeitig einen Langzeitschutz. Die passive Immunisierung Hapten-Carrier-Effekt (▶ Kap. 4) die Immunantwort, da auf-
überbrückt in diesem Falle die Zeit, bis der Körper durch die grund der Diphtherieimpfung gegen das Diphtherietoxoid be-
Impfung die eigene Antikörperproduktion aufgenommen hat. reits spezifische TH-Zellen vorliegen, die eine B-Zell-Hilfe geben
Leider lässt sich diese Kombination nicht bei allen Impfungen können. Diese Impfstoffform ist besonders bei Säuglingen und
durchführen, wichtige klinische Beispiele sind aber die Tollwut- alten Menschen zu bevorzugen, da bei diesen die T-Zell-unab-
und die Tetanussimultanimpfung als Postexpositionsprophylaxe. hängige Immun­antwort reduziert ist. Für Menschen ohne Milz
Selbstverständlich muss man bei dieser Kombination auch be- sind Konjugatimpfstoffe die einzige Möglichkeit der Impfung
denken, dass man aufpassen muss, dass sich Impfstoff (Antigene gegen T-Zell-unabhängige Antigene. Neben diesen molekula-
des Erregers) und Antiserum (Antikörper gegen den Erreger) ren Ansätzen werden seit langem Adjuvanzien (Wirkverstärker)
nicht gegenseitig neutralisieren. Deshalb appliziert man das Anti- in den Impfstoffen eingesetzt. Hierbei muss man zwei Formen
serum immer wundnah und den Impfstoff möglichst weit davon von Adjuvanzien unterscheiden: diejenigen, die eine Depot-
entfernt (kontralateral). Bei Lebendimpfstoffen ist eine Simulta- wirkung des Antigens hervorrufen, und solche, die Gefahren-
nimpfung nicht möglich, da es immer zu einer Neutralisierung signale für das Immunsystem darstellen. Die Adjuvanzien mit
kommen würde, da der attenuierte (abgeschwächte) Erreger nur Depotwirkung sind seit langem im Einsatz und gut erprobt,
in einer sehr geringen Dosis verimpft wird und sich erst selbst während die Adjuvanzien, die Risikosignale darstellen, nicht
im Impfling vermehren muss. Die geringen Mengen des attenu- unumstritten sind. In Deutschland sind Letztere bisher nur für
ierten Erregers würden immer vor der Vermehrung durch die ältere Menschen zugelassen (eine Ausnahme bildete die Schwei-
injizierten Antikörper neutralisiert. negrippeimpfung im Jahr 2010) und in den USA gar nicht. Die
Unsere Grundlagenkenntnisse der Immunologie führen möglichen Gefahren, die beim Einsatz auftreten, sind die Aus-
zu immer neuen Impfstoffentwicklungen, die die Immunant- lösung von Autoimmunreaktionen, da man diese Stoffe auch
wort verbessern. So gibt es Konjugatimpfstoffe, bei denen z. B. im Tiermodell zur Induktion von Autoimmunität einsetzt. In
Kapselpolysaccharide von Pneumokokken an einen Teil des alten Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann
140 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie

man zum Teil nur durch den Einsatz dieser Adjuvanzien eine
1 Immunreaktion induzieren oder diese verbessern. Bei jungen
Menschen gibt es hingegen keinen immunologischen Vorteil,
2 man kann lediglich die Antigendosis senken, die für die Induk-
tion der Immunantwort notwendig ist.
3
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4
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14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
141 9

Autoimmunität
Andrea Kruse

9.1 Was ist Autoimmunität?  –  142


9.2 Normalerweise verhindern zentrale
und periphere Toleranzmechanismen gegen das
„Selbst“ gerichtete Reaktionen  –  142
9.3 Einteilung der Autoimmunerkrankungen  –  147
9.4 Pathogene Mechanismen der Autoimmunität  –  148
Literatur – 151

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
142 Kapitel 9 • Autoimmunität

9.1 Was ist Autoimmunität? Klasse IgM. Sie sind durch somatische Rekombination im
1 Knochenmark entstanden. B-Zellen erkennen mit ihrem Re-
Wir haben in den vorangegangenen Kapiteln erfahren, welche zeptor lösliche oder zellgebundene Antigene unabhängig von
2 wichtige Rolle unser Immunsystem für die Erkennung und Ab- MHC-Molekülen. Dennoch werden sie im Knochenmark auf
wehr von Fremdstoffen und Infektionserregern spielt und wel- Selbst-Reaktivität überprüft. B-Zellen, die im Knochenmark an
che Mechanismen zur Unterscheidung von Fremd und Selbst zur körpereigene Strukturen binden, sterben ebenfalls durch Apop-
3 Verfügung stehen. Bei einigen Menschen geht das Immunsystem tose, sofern sie nicht durch Rezeptor-Editing ihre Spezifität än-
aber gegen körpereigene, gesunde Zellen und Gewebe vor, als dern (▶ Kap. 2). Gleichzeitig entstehen im Thymus natürliche
4 ob es Eindringlinge wären. Freund kann nicht mehr von Feind regulatorische T-Zellen, auf die weiter unten noch näher ein-
unterschieden werden. Es bilden sich gegen das Selbst gerich- gegangen wird.
5 tete Antikörper (Autoantikörper) und T-Zellen (autoreaktive Der zweite Mechanismus ist die periphere Toleranz. Sie ist
T-Zellen). Diese Attacke des Immun­systems gegen körperei- das Sicherheitsnetz, wenn Lymphocyten der Selektion in den
gene Antigene (Autoantigene) bezeichnet man als Autoimmu- zentralen lymphatischen Organen entkommen. Die periphere
6 nität. Sie kann zu schwerwiegenden Krankheiten führen, den Toleranz wird durch verschiedene Mechanismen hervorgerufen.
Autoimmunerkrankungen. Diese Erkrankungen können ein Zum einen können körpereigene Eiweiße selbst Toleranz erzeu-
7 Organ oder Organteile betreffen, sie können aber auch gegen gen. Sie kommen im Körper naturgemäß ständig in hoher und
viele verschiedene Gewebe des Körpers gerichtet sein. Die ver- vor allem konstanter Konzentration vor. Sie vermitteln den auto-
heerenden Folgen der „Selbstzerstörung“ wurden einst von Paul reaktiven Lymphocyten dauerhaft starke Signale und genau das
8 Ehrlich als „horror autotoxicus“ beschrieben. Glücklicherweise macht die gegen sie gerichteten Lymphocyten tolerant. Bei einer
sind die meisten Auto­immun­erkrankungen selten und betreffen Infektion ist es anders. Pathogene und ihre Fragmente kommen
9 zusammen genommen nur ungefähr fünf Prozent der Bevölke- am Anfang des Befalls zunächst in niedrigen Konzentrationen
rung. Die häufigsten Erkrankungen dieser Art sind die rheuma- vor. Doch eingebettet im warmen, nährstoffhaltigen Blut oder
10 toide Arthritis, die mit einer Entzündung und Zerstörung der Körpergewebe oder gar im Schutz der Zelle selbst, vermehren sie
Gelenke einhergeht, die chronische Entzündung der Schilddrüse sich schnell. Dadurch steigt die Konzentration der Antigene des
(Hashimoto-Thyreoiditis), die aufgrund der Zerstörung von Erregers rasch an. Und genau durch diese schnelle Zunahme des
11 Schilddrüsengewebe zu einer Unterproduktion von Schilddrüs- Antigens und der von ihm vermittelten Rezeptorsignale werden
enhormonen führt, und der Typ-1-Diabetes mellitus, der durch naive Lymphocyten aktiviert.
12 eine Zerstörung der insulin­produzierenden β-Inseln der Bauch- Ein weiterer Mechanismus stellt das Ausbleiben von Gefah-
speicheldrüse gekennzeichnet ist. rensignalen durch die Zellen des angeborenen Immunsystems
dar. Erkennen zum Beispiel T-Zellen mit ihrem T-Zell-Rezep-
13 tor den MHC-Peptid-Komplex auf einer dendritischen Zelle,
9.2 Normalerweise verhindern zentrale reicht dies nicht aus, um eine Immunantwort auszulösen. Es
14 und periphere Toleranzmechanismen bedarf weiterer Signale, um eine Aktivierung und Reifung der
gegen das „Selbst“ gerichtete naiven T-Zellen zu Effektor-T-Zellen einzuleiten. Dieser Vor-
Reaktionen
15 gang, das sogenannte Priming (Prägung), umfasst nach heuti-
ger Sicht drei Signale (▶ Kap. 5). Signal 1 besteht aus der be-
Autoimmunerkrankungen sind relativ selten. Dies verdanken wir reits erwähnten Erkennung des MHC-Peptid-Komplexes durch
16 den bereits besprochenen Mechanismen, die zur Selbst-Toleranz den T-Zell-Rezeptor. Signal 2 umfasst die Aktivierung durch
führen (▶ Kap. 2 und ▶ Kap. 5). Wir wollen sie hier noch einmal costimulierende Moleküle. Signal 3 dient der Differenzierung
17 kurz zusammenfassen. Das eine ist die zentrale Toleranz, bei der der T-Zellen in verschiedene Subpopulationen und wird unter
gegen das Selbst gerichtete Lymphocyten im Laufe ihrer Entwick- anderem durch Cytokine reguliert. Vor allem Signal 2 entschei-
lung im Thymus (T-Zellen) oder im Knochenmark (B-Zellen) aus- det, ob T-Zellen nach Erkennen des MHC-Peptid-Komplexes
18 gemustert werden. Im Thymus überleben nur T-Zellen, die an die überleben und proliferieren oder ob sie reaktionsunfähig (anerg)
körpereigenen MHC-Moleküle zu binden vermögen, die von den werden. Wichtige costimulierende Moleküle sind die B7-Mole-
19 MHC-Molekülen präsentierten Eigenpeptide aber nicht erkennen. küle, die nach Aktivierung auf antigenpräsentierenden Zellen
Autoreaktive T-Zellen sterben den programmierten Zelltod. Im hochreguliert werden. Sie interagieren mit CD28, das auf na-
20 Thymus werden die meisten körpereigenen Antigene präsentiert. iven T-Zellen exprimiert wird. Erkennt eine naive T-Zelle mit
Das gilt auch für den überwiegenden Teil der gewebespezifischen ihrem TCR einen MHC-Peptid-Komplex ohne Costimulierung
Eiweiße, wie das für die Bauchspeicheldrüse charakteristische In- durch antigenpräsentierende Zellen, wird ihre Vermehrung und
21 sulin. Wie dies zustande kommt, ist noch nicht vollständig geklärt Differenzierung unterbunden oder verändert. Sie kann dauer-
und Gegenstand intensiver Forschung. Möglicherweise spielt ein haft anerg, also reaktionsunfähig auf ihr Antigen werden; hohe
22 sogenannter Autoimmunregulator bei diesem Prozess eine ent- Konzentrationen von Selbst-Peptiden führen sogar zur Apop-
scheidende Rolle. Dieser kurz auch als AIRE (autoimmune regu- tose der naiven T-Zellen (klonale Deletion). Frühe apoptotische
lator) bezeichnete Transkriptionsfaktor schaltet im Thymus Gene Zellen werden aufgrund von sogenannten „eat me“-Signalen auf
23 an, die normalerweise nur in der Peripherie vorkommen. ihrer Oberfläche nicht als Gefahr wahrgenommen und unter
Naive B-Lymphocyten besitzen spezifische B-Zell-Rezep- anderem vom Phagocytensystem entfernt. Es kann aber auch zur
toren, die sogenannten membranständigen Antikörper der Bildung von sogenannten induzierten regulatorischen T-Zellen
9.2  •  Normalerweise verhindern zentrale und periphere Toleranzmechanismen gegen das „Selbst“ gerichtete Reaktionen
143 9

kommen. Sie werden als Antwort auf erkannte Selbst-Antigene gesetzt wird. Es müssen verschiedene Schwachstellen zusam-
oder harmlose Fremd-Antigene gebildet, die von unreifen, nicht menkommen, um gegen das „Selbst“ gerichtete Reaktionen zu
aktivierten DC in Anwesenheit von TGF-β und Abwesenheit erzeugen. Dazu gehören genetische Anlagen, die beispielsweise
von Entzündungsmediatoren und costimulierenden Molekülen zu Fehlern bei den zentralen oder peripheren Toleranzmecha-
präsentiert werden. Induzierte Tregs setzen sich aus zahlreichen nismen führen, hormonelle Faktoren sowie äußere Umwelt-
Untergruppen zusammen, die sich anhand ihrer Oberflächen- einflüsse wie UV-Strahlung, Medikamente, Drogen, Gifte und
moleküle und ihrer Funktion unterscheiden. Eine Subpopula- Infektionen, die wiederum autoimmune Prozesse auslösen
tion kontrolliert immunologische Prozesse in den Schleimhäu- können.
ten, dem „Brennpunkt“ zwischen der Innenwelt des Körpers und
der von Pathogenen besiedelten Außenwelt. Sie werden durch Prädisponierende genetische Faktoren
Aufnahme von Antigenen über mucosale Oberflächen aktiviert Es gibt Menschen, die eine angeborene „Empfänglichkeit“, eine
(orale Toleranz) und hemmen über die Produktion von IL-4, sogenannte genetische Prädisposition, für Autoimmunerkran-
TGF-β und IL-10 Immunreaktionen. Fehlen sie, können sich kungen besitzen. Diese Anfälligkeit beruht in der Regel auf dem
autoimmune Reaktionen im Bereich des Darmes entwickeln. Zusammenwirken mehrerer Gene. Menschen mit genetischer
Die zweite Hauptgruppe regulatorischer T-Zellen umfasst die Prädisposition müssen aber keine Autoimmunerkrankung ent-
natürlichen Treg, die im Thymus entstehen. Dabei handelt es wickeln. Es gibt auch Aggressionen gegen das Selbst, die auf
sich um CD4+-T-Zellen mit einem α:β-T-Zell-Rezeptor, die das Einzelgendefekten beruhen. Die genetischen Varianten (Allele)
Oberflächenmolekül CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte associated für diese monogenen Autoimmunerkrankungen werden rezessiv
protein-4), den Transkriptions­faktor FoxP3 (forkhead box P3) und/oder X-chromosomal vererbt. Ein Beispiel für eine rezessive
und sehr stark CD25 (α-Kette des IL-2-Rezeptors) exprimieren. monogene Autoimmunerkrankung ist das Autoimmun-Polyen-
Die Selektion im Thymus erfolgt vermutlich durch eine hochaf- dokrinopathie-Candidiasis-ektodermale Dystrophie-Syndrom
fine Bindung an Selbst-Peptide (die gerade nicht mehr zur Apop- oder kurz APECED genannt. Patienten mit APECED haben ein
tose führt), die dort von MHC-Molekülen präsentiert werden. defektes AIRE-Gen. Dadurch werden periphere Gene im Thymus
Die Immunsuppression durch natürliche Treg geschieht überwie- nicht angeschaltet, und es kann keine zentrale Toleranz gegen-
gend durch direkten Zellkontakt. Es gibt aber auch Hinweise über deren Genprodukten erzeugt werden. Bei diesen Menschen
auf eine cytokinvermittelte Suppression, die vor allem T-Zellen kommt es im Verlauf ihres Lebens zur Zerstörung vor allem en-
und dendritische Zellen betrifft. Die wichtigsten Cytokine, die dokriner Gewebe.
von natürlichen Treg produziert werden, sind IL-10 und TGF-β. Auch periphere Toleranzmechanismen können von Einzel-
Natürliche Treg machen 5–15 % der zirkulierenden CD4+-T-Zel- gendefekten betroffen sein. So führt eine Mutation im Gen für
len aus (weitere Informationen über Treg ▶ Kap. 2, ▶ Kap. 5 und den Transkriptionsfaktor FoxP3 zu einer gestörten Differenzie-
▶ Kap. 7). Auch antigenaktivierte B-Lymphocyten können aus rung bestimmter Subpopulationen regulatorischer T-Zellen. Die
dem Verkehr gezogen werden. Aktivierte B-Zellen, die in den Folge ist das Autoimmunsyndrom IPEX (Immundysregulation,
Keimzentren eine somatische Hypermutation durchlaufen ha- Polyendokrinopathie, Enteropathie  X-gekoppeltes Syndrom),
ben, können dadurch eine höhere Affinität zu Selbst-Antigenen das auch unter dem Namen X-linked autoimmunity-allergic dys-
entwickeln (▶ Kap. 5). Wenn die spezifischen Rezeptoren dieser regulation syndrome (XLAAD) bekannt ist. Diese Patienten er-
B-Zellen durch ein derartiges Antigen vernetzt werden, senden kranken bereits im Kleinkindalter. Klinisch können chronische
sie ein Signal ins Innere der Zelle. Bleibt Unterstützung durch Diarrhoe, insulinabhängiger Diabetes mellitus, eine Entzündung
T-Helferzellen aus (weil keine autoreaktiven T-Zellen gegen das der Schilddrüse, hämolytische Anämie, Thrombocytopenie und
Selbst-Peptid existieren), induziert dieses Signal den program- verschiedene Hauterkrankungen beobachtet werden. Bei dieser
mierten Zelltod (Apoptose). Die apoptotischen Zellen werden Krankheit handelt es sich um eine rezessive, X-chromosomal
sofort von Makrophagen, die in den Keimzentren lokalisiert vererbte Autoimmunerkrankung. Ein weiteres Beispiel für eine
sind, beseitigt. monogene Autoimmunerkrankung ist das lymphoproliferative
Anergie, Apoptose und Immunsuppression durch regulatori- Autoimmunsyndrom (ALPS), das weltweit bei ungefähr 220 Pa-
sche T-Zellen sind die Mechanismen der peripheren Toleranz. Sie tienten beschrieben wurde. Es beruht auf einer Mutation im
wirken zusammen und ergänzen sich, ohne die Immunabwehr FAS-Gen. Dessen Produkt, der Rezeptor Fas (CD95), kommt auf
von Pathogenen zu beeinflussen. Die Kombination der zentralen Effektorlymphocyten vor. Nach Bindung seines Liganden FasL
und peripheren Toleranz schützt unseren Körper vor der Zerstö- (Fas-Ligand) sendet er Signale in die Zelle, die zur Apoptose füh-
rung durch das eigene Immunsystem. ren. Die Fas/FasL-Interaktion ist ein Mechanismus zur Kontrolle
von Immunreaktionen. Nach Beendigung einer Immunantwort
werden auf diesem Weg nicht mehr benötigte Effektorzellen ent-
Verschiedene Faktoren müssen fernt. Ein nicht funktionstüchtiger Fas-Rezeptor führt zu einer
zusammenkommen, um Autoimmunität gestörten Apoptose und zu einer Anhäufung von Lymphocyten.
zu erzeugen Es kommt klinisch zu einer massiven, generalisierten Lymph-
knotenschwellung. Außerdem treten bei fast allen Patienten eine
Autoaggressive Prozesse, die zur Schädigung und Zerstörung Milz- und bei 67 % eine Lebervergrößerung auf. Das Alter bei
körpereigenen Gewebes führen, entstehen in der Regel nicht, klinischer Erstmanifestation von ALPS liegt bei zehn Monaten
wenn nur ein Kontrollpunkt des Immunsystems außer Kraft bis fünf Jahren.
144 Kapitel 9 • Autoimmunität

bei handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung,


1 .. Tab. 9.1  Autoimmunerkrankungen und assoziierter HLA-Typ
die zur Versteifung der Gelenke führt. Betroffen sind vor allem
Autoimmun­erkrankung Assoziierter HLA-Typ Lenden- und Brustwirbelsäule und die Kreuz-Darmbein-Re-
2 Rheumatoide Arthritis DR4
gion. Doch nicht alle Personen mit HLA-B27 sind betroffen.
Im Gegensatz zur Allelvariante B*2705 geht von der Variante
Hashimoto-Thyreoiditis DR5 B*2709 kein erhöhtes Risiko aus. Der Unterschied zwischen
3 Perniziöse Anämie DR5 beiden Allelvarianten beruht auf einer einzigen Aminosäure.
Bei Personen mit der Variante B*2709 wird das Selbst-Peptid
4 Goodpasture-Syndrom DR2
auf konventionelle Weise in das MHC-Klasse-I-Molekül einge-
Multiple Sklerose DR2 baut und von T-Zellen nicht erkannt. Bei Trägern der Variante
5 Basedow-Krankheit DR3 B*2705 sorgt diese Aminosäure für eine abweichende Bindung
Myasthenia gravis DR3
des körpereigenen Peptids, das dann von T-Zellen als „fremd“
behandelt wird.
6 Systemischer Lupus erythe- DR2/DR3
Die MHC-Loci sind in Menschen und anderen Säugetie-
matodes
ren hochgradig polymorph (Rate der Hetero­zygotie im MHC
7 IDDM DR3 oder DR4
DR3 und DR4, beziehungsweise
liegt bei 80–90 %). Einige Kombinationen von HLA-A-, -B- und
-DR-Allelen treten jedoch häufiger auf, als man es ausgehend von
die damit im Kopplungs­
ihren Allelfrequenzen erwarten würde. Dieses Phänomen wird
8 ungleichgewicht stehenden
DQ-Typen als Kopplungsungleichgewicht (linkage disequilibrium) bezeich-
net (▶ Kap. 12). Ein Beispiel ist der Typ-1-Diabetes (IDDM, insu-
9 Morbus Reiter B27
lin-dependent diabetes mellitus), eine Auto­immun­erkrankung, die
Spondolytis ankylosans (Mor- B27 sich meist im Kindes- oder Jugendalter manifestiert. Die durch
bus Bechterew)
10 autoreaktive T-Zellen und Antikörper vermittelten spezifischen
Die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Autoimmunerkrankung Autoaggressionsprozesse sind gegen die insulin­produ­zierenden
zu entwickeln, ist bei einigen HLA-Typen erhöht. Die Tabelle zeigt β-Zellen der Bauchspeicheldrüse gerichtet, zerstören sie und füh-
11 HLA-Typen, für die ein Zusammenhang mit bestimmten Autoimmu-
ren somit zu einem absoluten Insulinmangel. Fast alle Patienten
nerkrankungen nachgewiesen wurde.
mit IDDM tragen Allele der HLA-DR3- oder HLA-DR4-Gruppe
12 oder beide (HLA-DR3/DR4-heterozygot). Neuere Studien wei-
sen darauf hin, dass diese HLA-DR-Allele mit HLA-DQ-Allelen
Auch Defekte oder Überexpressionen von Genen, die andere gekoppelt sind, die für eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Dia-
13 Bereiche des Immunsystems betreffen, wie Cytokine, Proteine betes-Typ-1 verantwortlich sind.
der Signaltransduktion, Komplementkomponenten, Komple-
14 mentrezeptoren, Corezeptoren, costimulierende Moleküle und Hormonelle Faktoren
hemmende Regulatoren der Lymphocytenaktivierung, stehen Hormone können bei der Auslösung von Autoimmunerkran-
15 mit Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang. So ist beim kungen eine Rolle spielen. Dies gilt vor allem für die Sexual-
Menschen eine Defizienz der frühen Komplementkomponen- hormone (▶ Kap. 15). Östrogen spielt eine wichtige Rolle bei der
ten (C1q, C1r, C1s, C4) und eine verminderte Expression der Entwicklung und Modulation der Immunantwort. So konnten
16 Komplementrezeptoren CR1 (CD35) und CR2 (CD21) mit der Östrogenrezeptoren in primären lymphatischen Organen und
Erkrankung des systemischen Lupus erythematodes (SLE; ge- in Immunzellen nachgewiesen werden. Der Östrogenrezep-
17 neralisiertes Krankheitsbild einer Kollagenose, ▶ Abschn. 9.4) tor-α dient in beiden Geschlechtern der Entwicklung des Thy-
assoziiert. Die frühen Komplementfaktoren und ihre Rezepto- mus, während der Östrogenrezeptor-β eine maßgebliche Rolle
ren spielen eine essenzielle Rolle sowohl bei der Deletion au- bei der Regulation der B-Zellbildung im Knochenmark spielt.
18 toreaktiver B-Lymphocyten im Knochenmark als auch bei der Die Eigenschaft der Östrogene, die humorale Immunantwort zu
Opsonisierung und Beseitigung von Immunkomplexen. unterstützen, spiegelt sich auch in ihrer Rolle bei Autoimmu-
19 Vor allem bestimmte MHC-Allele (beim Menschen auch als nerkrankungen wieder. So wurde gezeigt, dass die Behandlung
HLA bezeichnet) der Klasse II (zum Beispiel HLA-DR2, -DR3, mit Östrogenen sowohl die Zahl der antikörperproduzierenden
20 -DR4 und -DR5), aber auch einige der Klasse I (wie HLA-B8; Zellen als auch die Menge der gebildeten Autoantikörper erhöht.
-B27) korrelieren mit einem erhöhtem Risiko für bestimmte Au- Während Östrogen bei Autoimmunerkrankungen die Autoanti-
toimmunerkrankungen. Beispiele dafür sind der Systemische körper-Antwort verstärkt, wird sie von Testosteron unterdrückt.
21 Lupus erythematodes (HLA-DR2; -DR3), die rheumatoide Arth- Autoimmunerkrankungen zeigen eine eindeutig geschlechts-
ritis (chronische Entzündung der Gelenke; HLA-DR4), die Myas- spezifische Häufung. So sind ungefähr 65 % der Menschen, die
22 thenia gravis (schnell fortschreitende Muskelschwäche, bei der gegen den eigenen Körper gerichtete Immunreaktionen entwi-
die motorische Endplatte der Muskeln zerstört wird; HLA-DR3) ckeln, Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter. Vor allem Zeiten
und die Hashimoto-Thyreoiditis (chronische Entzündung des erheblicher hormoneller Umstellungen (Schwangerschaften, Ge-
23 Schilddrüsengewebes; HLA-DR5) (. Tab. 9.1). Menschen mit burt, Menarche und Menopause) können zu einer Verbesserung
einem HLA-B27-Allel haben dagegen ein höheres Risiko an oder aber auch zu einer Verschlechterung oder zur Induktion der
Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans) zu erkranken. Da- Krankheitssymptome führen.
9.2  •  Normalerweise verhindern zentrale und periphere Toleranzmechanismen gegen das „Selbst“ gerichtete Reaktionen
145 9
Infektionen und andere Umweltfaktoren können
.. Tab. 9.2  Homologien zwischen Proteinen von Krankheitserregern
eine Autoimmunität auslösen und Proteinen des menschlichen Körpers. Die Hypothese des mole-
Bei der Entstehung einer Autoimmunität spielen die Gene eine kularen Mimikrys besagt, dass diese Homologien nach Infektion zu
wichtige Rolle. Autoimmun­erkrankungen werden zwar nicht di- Kreuzreaktivitäten führen.
rekt vererbt, aber die ererbte Veranlagung erhöht das Risiko, eine
Antigen des Erregers Homologes menschliches
solche Krankheit zu entwickeln. Wirken dann bestimmte Um- Protein
weltfaktoren auf das Immunsystem ein, kann die autoimmune
Erkrankung ausgelöst werden. Zu diesen Umweltfaktoren ge- P24 des HIV-1 Konstante Region des IgG
hören unter anderem UV-Bestrahlung, Medikamente, Umwelt- E1B des Adenovirus Typ 12 Alpha-Gliadin
gifte wie Schwermetalle und Chemikalien, Toxine und Drogen. P3 des Masernvirus Corticotropin und basisches
Von zentraler Bedeutung bei der Auslösung und Verstärkung Myelinprotein
autoaggressiver Prozesse sind jedoch Infektionen. Sie rufen im
IE2 des Cytomegalovirus HLA-DR-Moleküle
Körper Entzündungen hervor. Immunzellen wandern an den
Infektionsort, dendritische Zellen nehmen Antigen auf, gehen Klebsiella pneumoniae-Nitro- HLA-B27-Moleküle
genase
in das lymphatische Gewebe und präsentieren den T-Zellen Teile
des Antigens. Dabei produzieren sie Gefahrensignale, die nicht VP2 des Poliovirus Acetylcholinrezeptor
nur gegen das Fremde gerichtete T-Zellen aktivieren, sondern E2 des Papillomavirus Insulinrezeptor
auch autoreaktive Lymphocyten zur Teilung und Autoaggression
DNA-Polymerase des Hepati- Basisches Myelinprotein
anregen können. Auch in normale Abwehrprozesse involvierte tis-B-Virus
dendritische Zellen und Makrophagen, die über Toll-ähnliche
Proteoglykan der Zellwand von Hüllprotein des Knorpels
Rezeptoren direkt von Mikroorganismen aktiviert werden, oder
Mycobacterium tuberculosis
T-Helferzellen können über die Ausschüttung von Cytokinen
gegen das Selbst gerichtete Lymphocyten stimulieren. Manch- Gag-Protein p30 von Retroviren DNA-Topoisomerase I
mal werden auch Selbst-Peptide durch eine Infektion bioche- M-Protein von Streptococcus Vimentin
misch so verändert, dass sie vom Immunsystem als fremd er- pyogenes Typ 1
kannt werden. DNA-Polymerase des EBV Basisches Myelinprotein
Viele Krankheitserreger besitzen Strukturen (Eiweiße, Koh-
Streptokokken-M-Protein Myosin des Herzens
lenhydrate), die Ähnlichkeit zu körpereigenen Gewebeantigenen
besitzen (. Tab. 9.2). So ähnelt das P3-Protein des Masernvirus Glykoprotein des Tollwutvirus Insulinrezeptor
einem Hormon der Adenohypophyse, dem Corticotropin, so- (Kirchner et al.)
wie einem Eiweiß der Markscheide von Nerven, dem basischen
Myelin. Das VP2 des Poliovirus weist eine Homologie zum
Acetylcholinrezeptor auf und das E2 des Papillomavirus eine kernbestandteile wie DNA, Chromatinproteine und Ribonucleo­
Homologie zum Insulinrezeptor. Auch Epitope auf Streptokok- proteine. Auch große Mengen apoptotischer Zellen (an einem
ken-Antigenen weisen Ähnlichkeiten zu körpereigenen Molekü- induzierten programmierten Tod zugrundegehende Zelle), wie
len auf. Derartige Übereinstimmungen zwischen Proteinen von sie zum Beispiel bei viralen Infektionen auftreten, können für das
Krankheitserregern und körpereigenen Molekülen ermöglichen Immunsystem zum Problem werden. Ist die Beseitigung dieser
dem Erreger das Immunsystem bis zu einem gewissen Grad zu Zellen in einem frühen Apoptosestadium aufgrund von vermin-
täuschen und sich zumindest kurzfristig vor dessen Angriff zu derter Phagocytoseaktivität, Defekten im Komplementsystem,
schützen. Diese Täuschung durch Moleküle wird als molekula- fehlender opsonisierender Serumkomponenten oder anderen
res Mimikry bezeichnet. Die Antigene des Erregers entsprechen Faktoren gestört, schreitet die Apoptose fort, und es bilden sich
jedoch nicht vollkommen den körpereigenen Strukturen, sodass spät-apoptotische und schließlich sekundär nekrotische Zellen
eine Immunreaktion gegen Teile von ihnen erfolgen kann. Es beziehungsweise Fragmente, verbunden wiederum mit der Frei-
werden Antikörper sowohl gegen die nichtidentischen als auch setzung intrazellulärer Moleküle. Existieren latent autoreaktive
gegen überlappende Bereiche gebildet. Diese Antikörper, aber Lymphocyten gegen diese intrazellulären Zellbestandteile, kön-
auch T-Zellen, können mit den entsprechenden körpereigenen nen sie durch Entzündungsmediatoren aktiviert werden, die im
Molekülen kreuzreagieren. Dies kann bei einer Infektion mit Rahmen der Infektion und der Nekrose auftreten. Dieser Effekt
Streptococcus pyogenes, dem Erreger des Scharlachs, zu einer wird noch verstärkt, wenn einige der freiwerdenden Moleküle
Schädigung der Herzklappen führen, die sich auch jenseits der an Mustererkennungs­rezeptoren auf antigenpräsentierenden
eigentlichen Infektion fortsetzen kann. Zellen wie B-Lymphocyten, dendritischen Zellen und Makro-
Infektionen schädigen Körperzellen. Kommt es zu großflä- phagen binden. Mustererkennungsrezeptoren, zu denen auch die
chigen Nekrosen (physikalisch oder chemisch herbeigeführter Toll-ähnlichen Rezeptoren gehören, erkennen normalerweise
Zelltod), ist das Phagocytensystem nicht in der Lage, die Vielzahl vorwiegend Molekülmuster auf Infektionserregern. Sie können
an zerstörten beziehungsweise sterbenden Zellen schnell genug aber auch bestimmte Zellbestandteile des eigenen Körpers bin-
zu beseitigen. Von den nekrotischen Zellen werden Moleküle aus den, wenn diese durch vermehrte Zellzerstörung freigesetzt wer-
dem Innern der Zelle freigesetzt, die normalerweise unsichtbar den, dadurch mit der Umgebung in Kontakt kommen und nicht
für das Immunsystem sind. Dazu gehören zum Beispiel Zell- schnell genug beseitigt werden können.
146 Kapitel 9 • Autoimmunität

1 BCR
autoreaktive
B-Zelle
autoimmune
2 Reaktionen
nekrotische
spätapoptotische Plasmazelle
3 Zellbestandteile Cytokine
Autoantikörper
TLR-7, 9
(ssRNA, nicht meth. CpG-DNA,
4 Ribonucleotidkomplexe;
je nach Spezifität des BCR)

5
Phago-
HSP, Fn
cytose
6 u. a.
autoreaktive T-Zelle

7 TLR-2,4
mDC TLR-7,8 ; pDC TLR-7,9
8 dendritische
Zelle
(ssRNA, nicht meth. CpG-DNA,
Ribonucleotidkomplexe)

9 .. Abb. 9.1  Körpereigene Antigene können autoimmune Reaktionen auslösen, wobei sie Toll-ähnliche Rezeptoren als Costimulatoren benutzen. Kommt
es infolge von Infektionen oder anderen Entzündungs­prozessen zu einer vermehrten Zerstörung von Körperzellen durch nekrotische Prozesse oder gehen
früh-apoptotische Zellen in die spät-apoptotische oder sekundär nekrotische Phase über, werden intrazelluläre Moleküle frei, die normalerweise unsichtbar
10 für das Immunsystem sind. Gegen sie gerichtete autoreaktive B-Zellen nehmen die Zellbestandteile durch Endocytose auf. Einige der Moleküle binden an
Toll-ähnliche Rezeptoren (TLR-7 z. B. bei RNA-spezifischen B-Zellen und TLR-9 z. B. bei DNA-spezifischen B-Zellen), die sich in Vesikeln im Innern der B-Zellen be-
finden. Dadurch wird die B-Zelle aktiviert. DC phagocytieren ebenfalls die freigewordenen Zellbestandteile und präsentieren sie auf MHC-Klasse-II-Molekülen
11 an naive T-Helferzellen. Zusätzliche Aktivierungs­signale erhalten myeloide DC (mDC) durch Bindung bestimmter Moleküle (einzelsträngige RNA, Ribonucleo-
tidkomplexe) an TLR-7 und TLR-8 in den intrazellulären Vesikeln oder von Molekülen (Hitzeschockproteine (HSP), Fibronectin (Fn) und anderen Strukturen)
an TLR-2 und/oder TLR-4 auf ihrer Oberfläche. Plasmacytoide DC (pDC) werden durch Bindung von einzelsträngiger RNA, Ribonucleotidkomplexen und nicht
12 methylierter CpG-haltiger DNA an TLR-7 und TLR-9 in intra­zellulären Vesikeln aktiviert. Die stimulierten DC reifen und exprimieren vermehrt costimulierende
Moleküle und schütten Cytokine aus, die mit ihnen interagierende autoreaktive T-Zellen aktivieren. Diese nehmen wiederum Kontakt mit den autoreaktiven

13 B-Zellen auf und aktivieren sie über costimulierende Moleküle und Cytokine zur Freisetzung von Autoantikörpern. pDC produzieren nach Aktivierung vor
allem Typ-1-Interferone (IFN-α, IFN-β). IFN-γ spielt über die Aktivierung von antigenpräsentierenden Zellen, T- und B-Zellen vor allem in der Pathogenese von
SLE eine bedeutende Rolle. (Verändert nach Marshak-Rothstein.)

14
Wir wollen das an einem Beispiel betrachten. Apoptotische dungsmediatoren wie Cytokine und Costimulierung aktiviert,
15 DNA enthält vermehrt nicht methylierte CpG-Sequenzen, die interagieren einige von Ihnen mit den autoreaktiven B-Zellen
ansonsten typisch für bakterielle DNA sind. B-Lymphocyten, die und veranlassen diese zur Produktion von Autoantikörpern
gegen körpereigene DNA gerichtet sind, werden im Knochen- (. Abb. 9.1).
16 mark ausgemustert. Solche Zellen, die nur sehr schwach an die Auch andere TLR können in Autoimmunprozesse involviert
eigene DNA binden, entkommen jedoch manchmal der zentra- sein. So binden Ribonucleotidkomplexe zum Beispiel an TLR-7
17 len Toleranz. Sie werden aber in der Peripherie nicht aktiviert, da (B-Zellen, myeloide DC, plasmacytoide DC) und TLR-8 (mye-
sie keinen Kontakt zu ihrem Liganden haben (er befindet sich ja loide DC). Diese Mechanismen spielen möglicherweise beim
im Innern der Zellen) und nicht durch Gefahrensignale stimu- systemischen Lupus erythematodes (SLE) eine Rolle, der durch
18 liert werden. Kommt es bei einer Infektion zu einer gesteigerten die Produktion von Autoantikörpern gegen DNA, Ribonucleo-
Apoptose und damit zu sekundärer Nekrose, wird vermehrt proteine und DNA-assoziierte Proteine gekennzeichnet ist. Die
19 nicht methylierte CpG-haltige DNA freigesetzt. Sie wird von den postulierte Beteiligung der TLR an der Autoimmunität bezeich-
B-Zell-Rezeptoren der latent autoreaktiven B-Zellen gebunden net man als Toll-Hypothese.
20 und durch Endocytose in die Zelle aufgenommen. Eingeschlos- Einen weiteren Mechanismus stellen Superantigene dar.
sen in intrazelluläre Vesikel kann sie mit dem Toll-ähnlichen Dazu gehören verschiedene Enterotoxine von Staphylococcus
Rezeptor(TLR)-9 reagieren. Die Bindung der aufgenommenen aureus und pyrogene erythrogene Toxine von Streptococcus
21 DNA an TLR-9 aktiviert die B-Zelle. Gleichzeitig phagocytieren pyogenes. Aber auch bei Mycoplasma arthritidis, Viren (z. B.
antigenpräsentierende Zellen (APC) des angeborenen Immun- Maus-Mammatumorvirus) und gramnegativen Bakterien
22 systems (dendritische Zellen) die Fragmente und freigesetzten (z. B. Yersinia pseudotuberculosis) wurden Superantigene iden-
Moleküle und werden von ihnen zusätzlich über Toll-ähnliche tifiziert. Superantigene sind Proteine, die eine Proteinkette von
Rezeptoren aktiviert. Sie reifen und präsentieren diese Anti- MHC-Klasse-II-Molekülen auf antigenpräsentierenden Zellen
23 gene der spät-apoptotischen oder sekundär nekrotischen Zel- mit den Vβ-Elementen des T-Zell-Rezeptors auf T-Zellen ver-
len an T-Helferzellen. Erkennen autoreaktive T-Helferzellen binden. Die Bindungsstellen liegen außerhalb der Antigenbin-
den MHC-II/Peptid-Komplex und werden sie durch Entzün- dungsstellen. Die Bindung eines Superantigens ist somit un-
9.3  •  Einteilung der Autoimmunerkrankungen
147 9

abhängig von der Antigenspezifität der T-Zellen (. Abb. 9.2).


Erreger Antigen
Superantigene binden nur bestimmte Vβ-Subtypen. Es werden
also nicht alle T-Zellen, sondern nur solche mit entsprechenden
Vβ-Ketten aktiviert (oligoklonale Aktivierung). Da der variable T-Zelle
Teil des T-Zell-Rezeptors aus der Kombination der V-, D- und MHC II TCR
J-Elemente hervorgeht (▶ Kap. 6), können T-Zellen trotz glei-
chen Vβ-Gens unterschiedliche Antigenspezifitäten aufweisen.
Superantigene sind die potentesten Aktivatoren von T-Zellen
Prozessierung
und der mit ihnen interagierenden B-Zellen und führen über DC des Antigens
unkontrollierte Cytokinausstöße (Cytokinsturm) zu einer Fehl-
regulation des Immunsystems. Sie stehen in einem Zusammen-
hang mit einer Vielzahl von Krankheiten, wozu Lebensmittel-
vergiftungen, Schocksyndrom bis hin zum Multiorganversagen
gehören. Auch Autoimmunerkrankungen wie insulinabhän-
giger Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis, Sjögren-Syn- Superantigen
drom, Kawasaki-Syndrom und Multiple Sklerose werden mit
bakteriellen oder viralen Superantigenen in Zusammenhang

gebracht, da Superantigene in der Lage sind, anerge T-Zellen T-Zelle
zu aktivieren.
Durch die bei Autoimmunreaktionen dauerhaft präsen- MHC II TCR
ten Autoantigene schließt sich an die frühe Aktivierungsphase
eine chronische Entzündung an, die zur Freisetzung weiterer
keine Aufnahme
Autoantigene führt und somit eine Ausweitung der autoimmu-
DC und Prozessierung
nen Reaktionen auf neue Epitope des bisherigen Auto­antigens des Superantigens
oder sogar neue Autoantigene nach sich ziehen kann. Beim SLE
binden autoreaktive B-Zellen zum Beispiel an doppelsträngige
DNA. Diese kann aber in Komplexen mit anderen Proteinen,
wie Histonen oder anderen Chromatinbestandteilen vorliegen.
Nach Bindung des B-Zell-Rezeptors an die doppelsträngige DNA
.. Abb. 9.2  Antigen und Superantigen. Erreger oder andere Antigene
endocytieren die B-Zellen den ganzen Komplex und präsentieren werden von APC (z. B. DC, B-Zellen, Makrophagen) aufgenommen, prozes-
auf MHC-Klasse-II-Molekülen neben Peptiden, die von DNA-as- siert und die entstehenden Peptidfragmente in die Antigenbindungsgrube
soziierten Proteinen stammen, auch Bestand­teile des Komple- der MHC-Klasse-II-Moleküle eingebaut und auf der Oberfläche der APC
xes, zum Beispiel der Histonproteine (Hapten-Carrier-Prinzip; präsentiert. Diesen MHC-II/Peptid-Komplex erkennen spezifische TH-Zellen
▶ Kap. 4). T-Zellen, die autoreaktiv auf die Histonproteine re- mit ihrem T-Zell-Rezeptor (TCR). Superantigene werden dagegen nicht aufge-
nommen und prozessiert. Sie binden außerhalb der Antigenbindungsgrube
agieren, aktivieren sowohl die für die DNA spezifischen B-Zel- an die α- oder β-Kette der MHC-Klasse-II-Moleküle. Die zweite Bindungs­stelle
len als auch B-Zellen, die autoreaktiv auf Histone reagieren. Es befindet sich am TCR. Hier binden Superantigene an konstante Regionen des
entstehen sowohl anti-DNA-Antikörper als auch anti-Histon-an- variablen Elements der β-Kette (Vβ), außerhalb der Antigenbindungsstelle.
tikörperproduzierende Plasmazellen. Diese sogenannte Epitop- Superantigene verknüpfen Moleküle des Haupthistokompatibilitätskom-
plexes mit T-Zell-Rezeptoren und aktivieren auf diese Weise beide Zelltypen
beziehungsweise Antigenerweiterung ist maßgeblich am Fort-
maximal. Die Aktivierung ist dabei viel stärker als durch normale Antigene
bestehen und an der Verschlechterung der Krankheit beteiligt.
Wie bereits erwähnt, können in den Keimzentren der peri-
pheren lymphatischen Gewebe durch Hypermutation (▶ Kap. 5 zifisch heißt, dass sich die Autoaggression gegen Autoantigene
und ▶ Kap. 6) aus B-Zellen mit geringer Affinität zu körperei- richtet, die nur in einem oder wenigen Organen vorkommen. Die
genen Eiweißen hochaffine B-Zellen werden. In der Regel ster- Krankheit bleibt auf diese Bereiche beschränkt. Zu den organspe-
ben diese aber noch in den Keimzentren durch Apoptose. Bei zifischen Autoimmunerkrankungen zählen die Hashimoto-Thy-
vielen Autoimmunerkrankungen wie dem lymphoproliferativen reoiditis und der Typ-1-Diabetes. Bei diesen beiden Krankheiten
Autoimmunsyndrom versagt dieser Kontrollmechanismus auf- werden Autoantikörper nur gegen Antigene gebildet, die für die
grund angeborener Mutationen in verschiedenen Genen, deren Schilddrüse beziehungsweise Bauchspeicheldrüse charakteris-
Produkte für die Apoptose wichtig sind, wie zum Beispiel der tisch sind. Nichtorganspezifische oder systemische Autoimmun­
Fas-Rezeptor, Fas-Ligand, die Caspase-8 oder Caspase-10. erkrankungen betreffen mehrere Organe, da die Autoantigene
auf vielen verschiedenen Zelltypen im ganzen Körper ausgeprägt
werden. Beispiele für systemische Auto­immunerkrankungen
9.3 Einteilung der Autoimmunerkrankungen sind der systemische Lupus erythematodes und die rheumat-
oide Arthritis. Nicht selten tritt bei einem Patienten mehr als
Autoimmunkrankheiten kann man in zwei große Gruppen ein- eine Autoimmunerkrankung auf. Es handelt sich dabei meist
teilen: die organspezifischen und die nichtorganspezifischen oder um Krankheiten aus dem gleichen Krankheitsspektrum. So er-
systemischen Autoimmunerkrankungen (. Abb. 9.3). Organspe- kranken Menschen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis unerwartet
148 Kapitel 9 • Autoimmunität

.. Abb. 9.3  Einteilung einiger Autoimmunerkrankungen


1 organspezifische
Autoimmunerkrankungen
systemische
Autoimmunerkrankungen
in den organspezifischen Typ und den systemischen
Typ. Es gibt auch Autoimmunerkrankungen, die sich nicht
eindeutig zuordnen lassen, die Übergänge sind oftmals
2 Multiple Sklerose fließend. (Verändert nach Roitt, Brostoff und Male.)
ZNS

3 Morbus Basedow
Hashimoto-Thyreoiditis
Schilddrüse Rheumatoide Arthritis
4
Perniziöse Anämie
Magen Systemischer Lupus
5 erythematodes
Typ-1-Diabetes
Pankreas
6 Sklerodermie
Morbus Addison
Nebenniere
7 Sjögren-Syndrom
Myastenia gravis
Acetylcholinrezeptoren
8 an den motorischen Endplatten
der Muskeln

9
10
häufig auch an der organspezifischen perniziösen Anämie und ganspezifischen oder systemischen Gewebeschäden führen, muss

11
12
umgekehrt. Patienten mit systemischem Lupus erythematodes
können auch an anderen systemischen Autoimmunerkrankun-
gen wie der rheumatoiden Arthritis erkranken. -
Folgendes betont werden:
Je nach Typ der Hypersensitivität dominieren entweder
B-Zellen und die von ihnen produzierten Autoantikörper
oder T-Helferzellen und cytotoxische T-Zellen das Ge-
schehen. Es sind aber immer autoreaktive T-Zellen und

-
9.4 Pathogene Mechanismen autoreaktive B-Zellen beteiligt.
13 der Autoimmunität Lange Zeit hatte man angenommen, dass bestimmte
pathologische Prozesse bei der Multiplen Sklerose und der
14 In diesem Abschnitt wollen wir die Mechanismen und die Teile rheumatoiden Arthritis von T-Helfer-1-Zellen vermittelt
des Immunsystems betrachten, die bei einer Autoimmunerkran- werden. Untersuchungen in Tiermodellen weisen darauf-
15 kung zur Schädigung des Gewebes führen. Sie sind der Schlüs- hin, dass IL-23, T-Helfer-17-Zellen und dem von ihnen
sel für das Verständnis der Autoimmunität und die Entwicklung produzierten IL-17 bei diesen Erkrankungen eine Schlüs-

16
17
erfolgreicher Therapieansätze. Autoimmunerkrankungen gehö-
ren zu den überschießenden Immunreaktionen, bei denen das
Immunsystem körpereigene Strukturen angreift oder wie bei
allergischen Reaktionen unverhältnismäßig stark auf harmlose
- selrolle zukommt (▶ Exkurs 5.1).
Die Einteilung der Autoimmunerkrankungen in die
verschiedenen Typen der Über­empfindlichkeits­reaktion
ist nicht strikt. Bei den meisten Autoimmunerkrankungen
Stoffe reagiert. Überschießende Immunreaktionen werden in vier sind mehrere Mechanismen vertreten, und die Typen über-
Typen eingeteilt, die Überempfindlichkeitsreaktionen (Hyper- lappen sich oder treten gleichzeitig auf.
18 sensitivitätsreaktionen) vom Typ I, II, III und IV. Die bekannteste
Hypersensitivität ist die vom Typ I, die wir unter dem Begriff
19 „Allergie vom Soforttyp“ kennen. Sie wird durch Antikörper Autoantikörper gegen Antigene
vom Typ IgE vermittelt. Da sie nach bisherigem Wissen nicht auf Zelloberflächen oder Antigene
20 an Autoimmunerkrankungen beteiligt ist, soll sie in diesem Ka- der extrazellulären Matrix (Mechanismen
pitel nicht weiter behandelt werden. Auf die Hypersensitivität vom Typ II)
vom Typ I und die ihr zugrunde liegenden Mechanismen wird
21 in ▶ Kap. 10 eingegangen. Bei diesen Autoimmunerkrankungen sind IgG- oder IgM-Au-
Die Funktionsmechanismen der Autoimmunerkrankungen toantikörper gegen körpereigene Strukturen auf Oberflächen
22 sind die gleichen wie diejenigen der Hypersensitivitätsreaktio-
nen vom Typ II, Typ III und Typ IV (. Abb. 9.4). Welcher Typ
-
gerichtet, die auf
Einzelzellen ohne Zellkern (Erythrocyten und Thrombocy-
23 dominiert, hängt ab von Art und Lokalisation des Autoantigens
und der Art der maßgeblich involvierten adaptiven Immun-
-- ten),
Einzelzellen mit Zellkern wie neutrophile Granulocyten,
komponenten (T-Zellen, Autoantikörper). Bevor wir auf die
verschiedenen autoreaktiven Mechanismen eingehen, die zu or-
- Zellen im Gewebeverband oder
außerhalb der Zellen in der Matrix vorkommen.
9.4  •  Pathogene Mechanismen der Autoimmunität
149 9

Autoantikörper gegen
Autoantikörper gegen Antigene
lösliche Antigene, autoreaktive T-Zellen gegen
auf Zelloberflächen oder
Bildung und Ablagerung körpereigene Eiweiße (Typ IV)
in der Matrix (Typ II)
von Immunkomplexen (Typ III)

S IC CD4-T-Zelle
R (TH1; TH17)
Phagocytose
Komplement
R S
R S
ADCC CTL
Lyse
APC

Komplement, Phagocyten, Komplement, Makrophagen, autoreaktive T-Zellen,


Chemokine, Cytokine, ADCC, Neutrophile u. a. Immunzellen, aber auch autoreaktive
aber auch autoreaktive T-Zellen Chemokine, Metalloproteasen, B-Zellen und Autoantikörper
ADCC, autoreaktive T-Zellen

Entzündungsreaktion Entzündungsreaktion Entzündungsreaktion

Schädigung und Zerstörung Schädigung und Zerstörung Zerstörung der Zielzellen


der Zellen und Gewebe von Gewebe

autoimmune hämolytische Anämie, rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus Typ 1,


autoimmune Thrombocytopenie, SLE rheumatoide Arthritis,
Goodpasture-Syndrom, multiple Sklerose
Pemphigus vulgaris,
SLE

.. Abb. 9.4  Autoimmunerkrankungen werden durch immunologische Prozesse hervorgerufen, die gegen körpereigene Antigene gerichtet sind und zu
Gewebeschäden führen. Ihnen liegen die Mechanismen der Hypersensitivitätsreaktionen vom Typ II–IV zugrunde. Je nach Typ sind entweder B-Zellen und
die von ihnen produzierten Autoantikörper vorherrschend (Typ II und Typ III) oder CD4-T-Zellen (T-Helfer-1- Zellen (TH1) oder T-Helfer-17-Zellen (TH17)) und
CD8-T-Zellen (cytotoxische T-Zellen) (Typ IV). Beim Typ II sind Autoantikörper (IgM, IgG) gegen Antigene auf Einzelzellen (z. B. Erythrocyten, Thrombocyten,
neutrophile Granulocyten), auf Zellen im Gewebeverband oder gegen Antigene in der Matrix gerichtet. Aktivierung des Komplementsystems und antikörper-
abhängige Cytotoxizität (ADCC) führen zur Gewebeschädigung. Autoantikörper (vornehmlich IgG) gegen lösliche Antigene führen zu immunkomplexvermit-
telten Erkrankungen (Typ III). Die große Zahl an immer wieder neu entstehenden Immunkomplexen überlastet das Phagocytensystem. Immunkomplexe (IC)
werden zum Beispiel im Gewebe und in den Wänden kleiner Blutgefäße abgelagert. Dort aktivieren sie das Komplement­system, stimulieren Granulocyten,
Makrophagen und NK-Zellen zur ADCC. Beim Typ IV dominieren autoreaktive T-Helfer-1(TH1)-Zellen oder T-Helfer-17(TH17)-Zellen und cytotoxische T-Zellen
(CD8-T-Zellen, CTL). Während cytotoxische T-Zellen direkt das Gewebe schädigen, aktivieren die T-Helfer­zellen (CD4-T-Zellen) Makrophagen, neutrophile
Granulocyten und autoreaktive B-Zellen

Bei den autoimmunen hämolytischen Anämien bilden die Pa- entspaltprodukte wie C5a freigesetzt, die chemotaktisch wirken
tienten IgM- und IgG-Autoantikörper gegen Strukturen, die auf und Entzündungszellen rekrutieren und aktivieren. Die Entzün-
den eigenen roten Blutkörperchen ausgeprägt sind. Die Folge ist dungszellen schütten jetzt Cytokine und Chemokine aus, die
eine schnelle Zerstörung der Erythrocyten. Dies geschieht auf das Gewebe schädigen und weitere Leukocyten anlocken. Über
zweierlei Weise: Zum einen aktivieren die an die roten Blutkör- entsprechende Rezeptoren können neutrophile Granulocyten
perchen gebundenen Antikörper das Komplementsystem, das und NK-Zellen an den Fc-Teil der IgG-Antikörper binden und
zur Lyse der Zellen führt. Die zellkernlosen roten Blutkörperchen ihre cytotoxischen Granula auf die markierten Zellen ausschüt-
sind wesentlich empfindlicher gegenüber der komplementver- ten (antikörperabhängige Cytotoxizität, ADCC). Obwohl nicht
mittelten Lyse, weil sie weniger Komplementregulatorproteine vorherrschend, sind auch autoreaktive cytotoxische T-Zellen an
besitzen. Zum anderen werden mit Komplementfragmenten den gewebeschädigenden Prozessen beteiligt. Ein Beispiel ist die
und Antikörpern bestückte Zellen in der Milz von Makropha- chronische Schilddrüsenentzündung (Hashimoto-Thyreoiditis),
gen phagocytiert und somit aus dem Verkehr gezogen. Ähnliche bei der Autoantikörper gegen die Schilddrüsen-Peroxidase und
Mechanismen liegen der autoimmunen thrombocytopenischen das Thyreoglobulin gerichtet sind. Beim Goodpasture-Syndrom
Purpura zugrunde, bei der ein Mangel an Blutplättchen schließ- werden dagegen Autoantikörper gegen Antigene der extrazellu-
lich zu inneren Blutungen führt. lären Matrix wie der Basalmembran der Nie­renglomeruli und
Ein Großteil der Körperzellen befindet sich im Gewebever- zuweilen auch der Lungenbläschen produziert.
band. Auch hier können Autoantikörper an Oberflächenstruktu- Ein besondere Variante der Autoimmunerkrankungen, die
ren binden. Obwohl diese Zellen relativ resistent gegenüber der den Typ-II-Mechanismen unterliegen, sind die Myasthenia gravis
Lyse durch das Komplementsystem sind, werden aber Komplem- und die Basedow-Krankheit (Morbus Basedow). Die Myasthe-
150 Kapitel 9 • Autoimmunität

1
2
3
4
5
6 .. Abb. 9.5  Pathologische Veränderungen bei Autoimmunerkrankungen. a) Charakteristisch für den systemischen Lupus erythematodes (SLE) ist das
Schmetterlingserythem, eine symmetrische Gesichts­rötung an Nase, Stirn und beiden Wangen. Die beim SLE auftretenden Hautveränderungen gaben der
Krankheit auch ihren Namen, da sie Wolfsbissen ähnelten (lupus, lat. Wolf und erythema, griech. Röte). b) Bei einem Viertel der Patienten mit rheumatoider
7 Arthritis treten Rheumaknoten auf, die unter der Haut lokalisiert sind, besonders an Stellen mit hoher Druckbelastung. Aber auch Patienten mit SLE können
zusätzlich an rheumatoider Arthritis erkranken. (Die Bilder wurden freund­licherweise von © Prof. Dr. Jürgen Flöge (Universitätsklinikum Aachen) zur Verfügung
gestellt.)
8
nia gravis ist eine potenziell tödlich verlaufende Krankheit, der dann im Gewebe abgelagert, vor allem in der Haut, in den Ge-
9 eine fortschreitende Schwächung und Lähmung der Muskulatur lenken, in der Lunge, an der Basalmembran der Nierenglomeruli
zugrunde liegt. Diese wird durch Autoantikörper hervorgerufen, und an den Wänden kleiner Blutgefäße. Im Gewebe abgelagerte
10 die gegen den Acetylcholinrezeptor gerichtet sind. Acetylcho- Immunkomplexe aktivieren das Komplementsystem und stimu-
linrezeptoren befinden sich auf Skelettmuskeln im Bereich der lieren neutrophile Granulocyten, Makrophagen und NK-Zellen
motorischen Endplatten. Dort findet die Erregungsübertragung zur Ausschüttung von Enzymen und Sauerstoffradikalen. Kom-
11 von der Nervenzelle auf die Muskelzelle statt. Die Autoantikör- plementspaltprodukte wie C5a und von Immunzellen und Ge-
per blockieren den Rezeptor, sodass eine Signalübertragung vom webezellen produzierte Chemokine locken weitere Leukocyten
12 Nerv auf den Muskel durch Acetylcholin nicht mehr möglich zum Entzündungsort, die aktiviert werden und in das Geschehen
ist. Im Gegensatz dazu werden beim Morbus Basedow Autoan- eingreifen. Lokale Mastzellen setzen vasoaktive Mediatoren wie
tikörper gebildet, die an den Rezeptor für das schilddrüsensti- Histamin, Heparin, Prostaglandine und Leukotriene frei. Aber
13 mulierende Hormon TSH (thyroid stimulating hormone) binden. auch autoreaktive T-Zellen sind involviert. Die Folge sind Zer-
Dadurch kommt es auch ohne TSH zu einer Stimulation der Re- störung des Gewebes und chronische Entzündungen.
14 zeptoren und zu einer Schilddrüsenüberfunktion. Ein wesentlicher Teil des Krankheitsbildes des systemischen
Lupus erythematodes (SLE) beruht auf diesen Mechanismen.
15 Autoantikörper gegen lösliche Antigene
SLE ist eine schwere systemische Autoimmunerkrankung, von
der viele Organe wie Niere, Haut, Gelenke, Lunge, Herz und
führen zu immunkomplexvermittelten Gehirn betroffen sein können. Diese Krankheit tritt bei Frauen
16 Erkrankungen (Typ III) zehnmal häufiger auf als bei Männern. Im Serum der Patienten
findet man viele verschiedene IgG-Autoantikörper gegen körper­
17 Die Hypersensibilitätsreaktion vom Typ III ist nur schwer von eigene Proteine. Unter ihnen herrschen Autoantikörper gegen
der zuvor besprochenen Typ-II-Reaktion abzugrenzen. Die einzel- und doppelsträngige DNA, Nucleotide, Histone, nicht zu
Typ-III-Reaktion wird durch Antigen-Antikörper-Komplexe, den Histonen gehörende Kernproteine sowie gegen Ribonucleo-
18 die auch als Immun­komplexe bezeichnet werden, ausgelöst. proteine vor, die durch vermehrte Apoptose und Gewebeverlet-
Bei dieser Reaktion binden Antikörper der Klasse IgG an lös- zung aus den Zellen freigesetzt werden. Die ständige Gegenwart
19 liche Antigene. Die Bindung aktiviert das Komplementsystem, der Autoantigene führt zu einer andauernden Immunkomplex-
Komplementkomponenten lagern sich ab und opsonisieren das bildung. Durch genetisch bedingte Defizienzen früher Komple-
20 Antigen. Normalerweise werden die Immunkomplexe durch Zel- mentkomponenten sowie durch eine herabgesetzte Phagocytose-
len des phagocytären Systems entfernt oder durch Erythrocyten fähigkeit können die Immunkomplexe nicht aus der Zirkulation
mithilfe der von ihnen exprimierten Komplementrezeptoren zur entfernt werden. Sie lagern sich im Gewebe, an Basalmembranen
21 Milz transportiert und dort durch Makrophagen eliminiert. Als und in den Wänden kleiner Blutgefäße ab und führen dort zu
Folge von chronischen Infektionen (zum Beispiel die bakteri- Entzündungen. Neben anderen Leukocyten sind auch autoreak-
22 elle Endocarditis) oder Autoimmunerkrankungen können Im- tive T-Zellen an der Gewebeschädigung beteiligt. Autoreaktive
munkomplexe jedoch in solch großer Zahl auftreten, dass das T-Zellen spielen eine maßgebliche Rolle bei der B-Zellaktivie-
Phagocytensystem überlastet ist. Verstärkt wird dieser Prozess rung. Die schwere Form des SLE ist durch ein schmetterlings-
23 durch Defekte des angeborenen Immunsystems wie zum Beispiel förmiges Exanthem im Gesicht (. Abb. 9.5), Nierenentzündung,
Mangel an frühen Komplementkomponenten oder Störung der Gelenkentzündung, Lungenentzündung, Gefäßentzündung und
Phagocytoseaktivität. Überschüssige Immunkomplexe werden andere pathologische Veränderungen charakterisiert. SLE wird
Literatur
151 9

nach den sogenannten ACR(American College of Rheumatolo- rungen. Die Krankheit verläuft meistens schubweise. An diesen
gy)-Kriterien diagnostiziert. Sind vier Punkte der folgenden elf Prozessen sind überwiegend CD4+-T-Zellen, Makrophagen und
Kriterien erfüllt, ist der Patient mit großer Wahrscheinlichkeit Mikrogliazellen beteiligt. Die Entzündungen beginnen im Ge-
an SLE erkrankt: Schmetterlingserythem, chronisch-diskoider hirn, wobei die auslösenden Momente noch nicht ausreichend
Lupus erythematodes (CDLE; scheibenförmige Hautverände- bekannt sind. Adhäsionsmoleküle, die im Rahmen der Entzün-
rungen), Photosensibilität (Überempfindlichkeit gegen Licht), dung auf den Blutgefäßendothelzellen des Gehirns exprimiert
Schleimhautulzerationen (Geschwüre z. B. der Mundschleim- werden, setzen die Blut-Hirn-Schranke außer Kraft (▶ Kap. 17).
haut), Arthritis (Gelenkentzündung), Serotitis (Entzündung Es kommt zu einer Rekrutierung von aktivierten T-Zellen, die ge-
der sogenannten serösen Häute, z. B. Herzbeutel, Lungenfell), gen körpereigenes Myelinprotein, Proteolipidprotein und andere
Glomerulonephritis (Nierenentzündung), neurologische Sym- Eiweiße gerichtet sind. Die aktivierten CD4+-T-Zellen produzie-
ptome, hämatologische Befunde (autoimmun bedingte Leuko- ren Cytokine, die wiederum Makrophagen und Mikrogliazellen
penie, Thrombopenie, hämolytische Anämie), immunologische dazu veranlassen, TNF-α zu bilden und vermehrt MHC-Klas-
Befunde (Autoantikörper gegen DNA, das Ribonucleoprotein se-II-Moleküle zu exprimieren. TNF-α führt zu einer weiteren
Sm, Phospholipide) und antinucleäre Antikörper (ANA) in der Schädigung der Nervenzellen. Immer mehr körpereigene Ei-
Immunfluoreszenzmikroskopie. weiße werden freigesetzt, von Makrophagen und Mikrogliazel-
len aufgenommen und den autoreaktiven T-Zellen mithilfe der
vermehrt exprimierten MHC-Klasse-II-Moleküle präsentiert.
Autoreaktive T-Zellen schädigen das Gewebe Chemotaktische Stoffe locken weitere Leukocyten, unter ande-
direkt und aktivieren autoreaktive B-Zellen rem auch B-Zellen, an den Entzündungsort. Unter Mithilfe der
zur Antikörperproduktion (Typ IV) T-Helferzellen werden Autoantikörper zum Beispiel gegen Mye-
lin gebildet. Neuere Untersuchungen im Tiermodell der experi-
Während die bisher beschriebenen Autoimmunerkrankungen mentellen autoimmunen Encephalomyelitis (EAE) weisen da-
vornehmlich auf der Wechselwirkung von gebundenen oder lös- rauf hin, dass vor allem TH17-Zellen und das von ihnen gebildete
lichen körpereigenen Antigenen mit Autoantikörpern beruhen, IL-17 die bei diesen Tieren auftretenden Gehirnentzündungen
handelt es sich bei dem insulinabhängigen Diabetes vom Typ 1, hervorrufen. TH17-Zellen sind eine der drei CD4+-T-Zell-Unter-
der Multiplen Sklerose und der rheumatoiden Arthritis um Au- gruppen, die aktivierend auf ihre Zielzellen wirken. Für die späte
toimmunerkrankungen, bei denen autoreaktive T-Helfer-1-Zel- Phase ihrer Differenzierung und Aktivierung benötigen sie unter
len oder T-Helfer-17(TH17)-Zellen (beides sind Untergruppen anderem das Cytokin IL-23. Auch IL-23 spielt eine wichtige Rolle
der CD4+-T-Zellen) und cytotoxische T-Zellen (CD8+-T-Zellen) im Modell der EAE. So konnte bei diesen Tieren eine Zunahme
dominieren. Während CD8+-T-Zellen direkt Zielzellen zerstören, der IL-23-Rezeptor-Expression auf γ:δ-T-Zellen nachgewiesen
aktivieren CD4+-T-Zellen über die Ausschüttung von Cytoki- werden, die bei den erkrankten Tieren in das Zentralnervensys-
nen Makrophagen, neutrophile Granulocyten und autoreaktive tem einwandern. Diese Zellen bilden wiederum Cytokine, die
B-Zellen, von denen letztere Autoantikörper bilden. die Bildung und Funktion von regulatorischen T-Zellen unter-
Beim insulinabhängigen Diabetes vom Typ 1 (IDDM, in- drücken. Das Fehlen dieser Suppressorzellen hat ungehemmt ab-
sulin-dependent diabetes mellitus) zerstören autoreaktive cyto- laufende autoaggressive Immunreaktionen zur Folge, an denen
toxische T-Zellen die insulinproduzierenden β-Zellen in den maßgeblich TH17-Zellen beteiligt sein könnten.
Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse. Die glucagonprodu- Eine Hypothese besagt, dass mit der Nahrung zugeführtes
zierenden α-Zellen und die somatostatinproduzierenden δ-Zel- oder durch UV-Strahlung in der Haut entstandenes Vitamin  D3
len der Inseln bleiben hingegen verschont. Untersuchungen an einen protektiven und suppressiven Effekt auf Autoimmuner-
einem entsprechenden Mausmodell, der NOD-Maus (non-obese krankungen wie MS ausübt. Vitamin D3 scheint die Differenzie-
diabetic mouse), lassen darauf schließen, dass die Angriffe der rung und Migration von TH17-Zellen zu unterdrücken. Übermä-
autoreaktiven CD8+-T-Zellen gegen Bestandteile aus den β-Zel- ßige Aufnahme von Vitamin D3 verringert jedoch die Fähigkeit
len wie Insulin gerichtet sind. Autoreaktive T-Helfer-1-Zellen des Körpers, mit chronisch persistierenden Infektionserregern
aktivieren autoreaktive B-Zellen zur Bildung von Autoanti- fertig zu werden. Diese gelten wiederum als Kandidaten für die
körpern, die Insulin (IAA), Glutamat-Decarboxylase (GADA), Auslösung von Autoimmunerkrankungen.
Protein-Tyrosinphosphatase 2 (IA-2) und den Zinktransporter
ZnT-8 erkennen.
Multiple Sklerose (MS) gehört zu den häufigsten neurolo- Literatur
gischen Erkrankungen in Europa. In Deutschland leiden etwa
130.000 Menschen an MS. Sie befällt vorwiegend jüngere Men- Alber G, Kamradt T (2007) Regulation of protective and pathogenic Th17 res-
ponses. Curr Immunol Rev 3:3–16
schen, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Mul-
Chang J-H, Cha H-R, Lee D-S, Seo KY, Kweon MN (2010) 1,25-Dihydroxyvitamin
tiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des D3 inhibits the differentiation and migration of Th17 cells to protect against
Zentralnervensystems. Die immunologischen Reaktionen sind experimental autoimmune encephalomyelitis. PLos One 5:1–12
gegen die Myelinscheide der Nerven in Gehirn und Rücken- Christensen SR, Shupe J, Nickerson K, Kashgarian M, Flavell RA, Shlomchik MJ
mark gerichtet und schädigen sie. Dies führt zu Störungen in (2006) Toll-like receptor 7 and TLR9 dictate autoantibody specificity and
have apposing inflammatory and regulatory roles in a murine model of
der Reizweiterleitung innerhalb der Nerven. Es kommt unter an-
lupus. Immunity 25:417–428
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152 Kapitel 9 • Autoimmunität

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153 10

Allergie
Hajo Haase

10.1 Typ-1-Allergie: Soforttyp – 154


10.2 Typ-2-Allergie: Allergie vom cytotoxischen Typ  –  157
10.3 Typ-3-Allergie: immunkomplexvermittelte Allergie  –  158
10.4 Typ-4-Allergie: Spättyp – 160
10.5 Allergieursachen – 162
10.6 Behandlungsmöglichkeiten – 163
Literatur – 165

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
154 Kapitel 10 • Allergie

Der Begriff „Allergie“ wurde 1906 von Clemens von Pirquet ein- Die Frühphase der allergischen Reaktion wird eingeleitet,
1 geführt. Er bezeichnet eine spezifische Reaktion des adaptiven indem die IgE-tragenden Fcε-Rezeptoren auf der Mastzellober-
Immunsystems gegen harmlose Fremd-Antigene, die eigentlich fläche durch die Bindung an Antigene vernetzt und aktiviert wer-
2 keine Immun­reaktion erfordern würden. Die stattfindende Im- den. Die hochaktiven Mediatoren, die die Symptome der Allergie
munreaktion ist dabei ein ganz normaler Vorgang, der aber als bewirken, liegen bereits im Innern der Mastzellen in Granula
Allergie bezeichnet wird, da sie sich nicht gegen ein Pathogen, gespeichert vor (. Tab. 10.2). Sie sind sofort einsatzfertig und
3 sondern gegen ein harmloses Antigen richtet. Das auslösende können nach Aktivierung des Igε-RI umgehend durch Degranu-
Antigen wird dabei Allergen genannt. Die allergische Reaktion lierung freigesetzt werden. Da bei diesem Vorgang weder Zellen
4 kann teilweise sehr stark ausfallen und zu erheblichen Schädi- herbeigelockt noch eine Synthese der Mediatoren erfolgen muss,
gungen des Organismus führen. spielt er sich sehr schnell ab, sodass innerhalb von Sekunden bis
5 Immunologisch werden die Hypersensitivitätsreaktionen, Minuten nach dem Allergenkontakt Symptome zu beobachten
zu denen je nach Antigen die Allergien (fremde Antigene) oder sind.
Autoimmunreaktionen (eigene Antigene, ▶ Kap. 9) gehören, in In den Granula befindet sich unter anderem Histamin.
6 vier Klassen ein­geteilt (. Tab. 10.1). Diese Einteilung beruht auf Diese Substanz hat viele verschiedene biologische Funktionen.
den immunologischen Mechanismen, die der gegen das Allergen Im Rahmen einer Allergie erweitert Histamin kleinere Arterien
7 gerichteten Immunantwort zugrunde liegen. Man sollte dabei (Vasodilatation) und macht sie durchlässiger, sodass Flüssigkeit
aber immer berück­sichtigen, dass es sich bei keiner Immunreak- in das umliegende Gewebe eindringen kann. Zusätzlich kann
tion um einen isolierten Vorgang handelt. Auch wenn eine Kom- es durch Interaktion mit Rezeptoren auf Nervenzellen Juckreiz,
8 ponente eine zentrale Rolle spielt, wie beispielsweise IgE in der Niesen und Schmerz auslösen. Die Proteoglykane wie Heparin
Typ-1-Allergie, handelt es sich immer um ein komplexes Netz- und Chondroitinsulfat binden und stabilisieren eine Reihe der
9 werk aus vielen Einzelteilen. Beispielsweise können Antikörper, anderen Mediatoren in den Granula, so auch das Histamin. Da-
die in den Klassen 1 bis 3 von Bedeutung sind, nicht ohne die rüber hinaus hemmt Heparin die Blutgerinnung. In den Granula
10 in den vorherigen Kapiteln beschriebene Interaktion zwischen befinden sich zusätzlich noch Serin-Proteasen wie Tryptasen und
antigenpräsentierenden Zellen, T-Helferzellen und B-Zellen pro- Chymasen. Diese Enzyme wirken proinflammatorisch, und neu-
duziert werden. ere Arbeiten deuten darauf hin, dass Serin-Proteasen auch über
11 Rezeptoren von Leukocyten wahrgenommen werden können,
wodurch sie deren Beweglichkeit erhöhen und eine veränderte
12 10.1 Typ-1-Allergie: Soforttyp Expression von Cytokinen und Adhäsionsmolekülen hervorru-
fen. Auch TNF-α und einige weitere Cytokine werden bereits auf
Die Allergie vom Soforttyp basiert auf der Bildung von IgE gegen Vorrat produziert und in den Granula gespeichert. Im weiteren
13 das Allergen (. Abb. 10.1). Diese Reaktion dient normalerweise Verlauf der allergischen Reaktion werden noch mehr von diesen
der Abwehr größerer Pathogene wie Helminthen. Da solche In- Cytokinen durch die Mastzellen neu synthetisiert und abgegeben.
14 fektionen in der westlichen Welt aber selten geworden sind, wird Zusätzlich zu den bei der Degranulierung freigesetzten
der Mechanismus heute vorwiegend bei Allergien beobachtet. Mediatoren werden weitere bioaktive Stoffe im Lipidmetabolis-
15 Aufgrund des sehr häufigen Vorkommens (die Typ-1-Allergien mus der Mastzellen gebildet und danach freigesetzt. Dies sind
machen ungefähr 90 % der allergischen Erkrankungen aus) wird vor allem Prostaglandine und Leukotriene, die aus Arachidon-
die Soforttypreaktion umgangssprachlich häufig mit dem Begriff säure gebildet werden. Sie erhöhen die Mucusproduktion in den
16 „Allergie“ gleichgesetzt, auch wenn es noch weitere allergische Schleimhäuten und führen, wie die meisten der Inhaltsstoffe der
Reaktionen gibt, denen andere immunologische Mechanismen Granula, auch zu Vasodilatation und erhöhter Durchlässigkeit
17 zugrunde liegen. der Blutgefäße. Darüber hinaus wirken einige Lipide als starke
Die Typ-1-Allergie verläuft in mehreren Phasen: chemotaktische Signale und führen zur Rekrutierung von Eo-
Um überhaupt auf das Allergen reagieren zu können, ist sinophilen. Ein weiterer Lipidmediator ist das proinflamma-
18 eine Sensibilisierung erforderlich. Der erste Kontakt mit dem torische Phospholipid PAF (platelet activating factor). Es führt
Allergen verläuft üblicherweise symptomlos. Es kommt zu einer zur Aggregation von Thrombocyten und aktiviert Monocyten,
19 TH2-vermittelten Aktivierung von B-Zellen über IL-4 und IL-13, Makrophagen, neutrophile und eosinophile Granulocyten. PAF
die zu einem Immunglobulinklassenwechsel mit darauffolgen- induziert die Bildung weiterer Lipidmediatoren, ist bei Asthma
20 der Produktion von IgE führt. IgE unterscheidet sich von allen ein Auslöser von erhöhter Gefäßdurchlässigkeit und bewirkt die
anderen Immunglobulinklassen dadurch, dass es auch frei an Verengung der Blutgefäße und Bronchien.
seinen Fcε-Rezeptor binden kann. Alle anderen Immunglobuline Die Eigenschaften der von Mastzellen freigesetzten Medi-
21 müssen zunächst einen Immunkomplex bilden, bevor sie mit den atoren erklären die klinischen Beobachtungen bei der frühen
entsprechenden Fc-Rezeptoren interagieren. Aus diesem Grund Phase allergischer Reaktionen vom Soforttyp. Die Vasodila-
22 liegt der überwiegende Teil des IgE gebunden an den hochaf- tation verursacht Hautrötungen (Erytheme). Beeinträchtigte
finen Rezeptor Fcε-RI vor. Dieser Rezeptor befindet sich unter Blutgerinnung und eine erhöhte Flüssigkeitsdurchlässigkeit der
anderem auf Mastzellen, den Schlüsselzellen der Allergie vom Kapillargefäße führen zu Urticaria. Dies ist eine im Deutschen
23 Soforttyp. Nachdem eine Sensibilisierung erfolgt ist, treten die auch als Nesselsucht bezeichnete Bildung von „Quaddeln“,
typischen Allergiesymptome beim darauffolgenden Kontakt des aufgrund der Einlagerung von Wasser in die Haut (Ödeme).
Allergens mit den Anti-Allergen-IgE beladenen Mastzellen auf. Tritt eine solche Schwellung in den Bindegewebsschichten un-
10.1  •  Typ-1-Allergie: Soforttyp
155 10

.. Tab. 10.1  Allergietypen nach Coombs und Gell .. Tab. 10.2  Von Mastzellen freigesetzte Mediatoren

Typ Bezeichnung Immunologi- Beispiele Ursprung Mediatoren Wirkung


scher Mecha-
nismus Degranulie- Histamin Vasodilatation, erhöht vasku-
rung läre Permeabilität, steigert die
1 Soforttyp IgE-vermittelte Heuschnup- Wanderungsgeschwindigkeit
Aktivierung fen, Asthma, von Leukocyten, Konstriktion
von Mastzellen Nahrungsmit- der glatten Muskulatur der
telallergien, Atemwege und des Gastro­
Hausstauball- intestinal­traktes
ergie, Insekten-
giftallergie Heparin Hemmt die Blutgerinnung,
stabilisiert andere Mediatoren
2 Cytotoxischer IgG-vermittelte Blutgrup-
Typ Erkennung penunver- Serin-Protea- Entzündungsauslösend, er-
zell- oder mat- träglichkeit, sen höhte Leukocytenbeweglich-
rixassoziierter medikamen- keit und Cytokinproduktion
Allergene teninduzierte TNF-α Entzündungsmediator
Cytopenien
Lipid­ Prosta­glandine Bronchienverengung,
3 Immunkom- IgG-vermittelte Serumkrank- metabolismus und Leukotriene Blutgefäßverengung,
plextyp Erkennung heit, Arthusre- erhöhte Durchlässigkeit der
löslicher aktion, Vasku- Kapillargefäße, Mucussekre-
Allergene, die litis, Nephritis, tion, Chemoattraktoren für
zur Aktivierung Farmerlunge Eosinophile
von Komple-
ment und PAF (platelet Entzündungsmediator,
Fc-Rezeptoren activating Thrombocytenaggregation,
führt factor) erhöhte Durchlässigkeit der
Kapillargefäße, Bronchienver-
4 Spätreakti- T-Zell-ver- Kontakt­ engung, Blutgefäßverengung
onstyp (oder mittelte ekzeme,
zelluläre Imm- Erkennung Transplantat­ Proteinsyn- CXCL8, CCL2 Chemotaxis zur Rekrutierung
unreaktion) MHC-prä- abstoßung, these weiterer Leukocyten
sentierter Tuberkulin­
Pro­inflamma­ Entzündungsmediatoren
Allergene reaktion
torische
Cytokine

Erstkontakt/Sensibilisierung

IL-4, IL-5
IL-4

IgE
TH 2
IL-13
IL-4

.. Abb. 10.1  Sensibilisierung und allergische Reaktion


bei der Typ-1-Allergie. Sensibilisierungsphase: Der Erst- Mem
ory
kontakt mit dem Allergen bleibt symptomlos. Es wird von IgE
DC in den Lymphknoten transportiert und dort präsen-
tiert. Eosinophile und Basophile können ebenfalls in den ktion
IgE-Produ
Lymphknoten einwandern und durch ihre Cytokinprodukti-
on die TH-Zell-Polarisierung beeinflussen. Wenn es zu einer
TH2-Zell-Polarisierung kommt, erfolgt T-Zell-Hilfe, die durch Folgereaktion/Soforttypallergie
Cytokine wie IL-4 und IL-13 B-Zellen dazu bringt, zu IgE-bil- Freisetzung von Mediatoren
denden Plasmazellen auszureifen. Allergische Sofortreakti- - Vasodilatation
on: Das bei der Sensibilisierung gebildete IgE liegt auf den - erhöhte vaskuläre Permeabilität
Mastzellen an den hochaffinen Rezeptor Fcε-RI gebunden - Entzündung
vor. Die Kreuzvernetzung von IgE löst Degranulierung aus, - Rekrutierung von TH2-Zellen,
bei der innerhalb von Sekunden allergie­vermittelnde Medi- Eosinophilen und Basophilen
atoren in die Umgebung freigesetzt werden
156 Kapitel 10 • Allergie

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16 .. Abb. 10.2  Angioödem. Häufig manifestiert sich ein Angioödem (alternativer Name: Quincke-Ödem) im Gesicht des Patienten, zum Beispiel an den Lippen.
Die Schwellungen entwickeln sich innerhalb von Minuten, treten zunächst üblicherweise nur in einem Bereich auf (b) und breiten sich dann weiter aus (c).
Zum Vergleich ist in (a) der Patient in symptomfreiem Zustand dargestellt
17
ter Haut oder Schleimhaut auf, spricht man von einem Angio­ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „fehlender Schutz“.
18 ödem (. Abb. 10.2). Bei einer allergischen Reaktion in der Lunge Er entstand aus der Beobachtung, dass es nach der Injektion ei-
kommt es wegen der Verengung der Bronchien und der gestei- nes Antigens nicht wie erwartet zu einer Immunisierung kam,
19 gerten Schleimbildung zum allergischen Asthma. sondern dass bei einer späteren Injektion des gleichen Antigens
Zusätzlich haben viele der Mediatoren eine inflammatori- innerhalb weniger Minuten das klinische Erscheinungsbild ei-
20 sche Wirkung oder wirken chemotaktisch. Daher werden als ner Anaphylaxie – bedingt durch eine Immunreaktion vom So-
Folge der Mastzellaktivierung eine Reihe weiterer Leukocyten forttyp – eintrat. Die allergische Reaktion betrifft in diesem Fall
in das betroffene Gewebe rekrutiert, die den weiteren Verlauf zusätzlich zur Kontaktstelle weitere Organe oder ist sogar syste-
21 mit beeinflussen. Eine Ausnahme bildet hierbei das Heparin. Es misch. Sie kann schlimmstenfalls zu einem lebensbedrohlichen
ist antiinflammatorisch für Leukocyten und verhindert die Kom- Zustand führen, dem anaphylaktischen Schock. Dabei können
22 plementaktivierung, wodurch Heparin als begrenzender Faktor die anaphylaktischen Reaktionen nach ihren Symptomen in vier
für die allergischen Symptome wirkt. Schweregrade eingeteilt werden (. Tab. 10.3). Selbstverständlich
In vielen Fällen sind allergische Reaktionen auf die Kontakt- können die Symptome der leichteren Grade auch bei den höhe-
23 stelle mit dem Allergen begrenzt. Es kann aber auch zur weiter- ren Graden weiterhin auftreten.
reichenden Freisetzung von allergischen Mediatoren kommen. Zusätzlich zu den am Beginn der allergischen Reaktion
Dies wird als Anaphylaxie bezeichnet. Der Begriff „Anaphylaxie“ sehr schnell freigesetzten Mediatoren kommt es auch noch zur
10.2  •  Typ-2-Allergie: Allergie vom cytotoxischen Typ
157 10

Neusynthese einer Reihe von Proteinen, die wesentlich zu der


.. Tab. 10.3  Schweregrade der Anaphylaxie nach Ring und Messmer
nach 2–6 Stunden einsetzenden Spätphase der Typ-1-Aller-
gie beitragen. Dazu gehören eine Reihe von Cytokinen, unter Grad Symptome
anderen TNF-α, GM-CSF, IL-3, IL-5, IL-10, IL-13 und IL-17.
1 Disseminierter Juckreiz, Urticaria, Hautrötung
Gleichzeitig werden auch Chemokine wie CXCL8 und CCL2
freigesetzt. Diese rekrutieren eine Reihe von weiteren Leukocy- 2 Übelkeit, erniedrigter Blutdruck, beschleunigter Herzschlag
ten zum Ort der allergischen Reaktion, allen voran Eosinophile, 3 Schock, Erbrechen, Durchfall, Atemprobleme
TH2-Zellen und Basophile, in geringerem Ausmaß auch neu-
4 Atem- und Kreislaufstillstand
trophile Granulocyten und Makrophagen. Auch diese Zellen
tragen zur Freisetzung der oben genannten Cytokine bei und
halten die entzündliche Reaktion aufrecht. Insbesondere durch
die Freisetzung von Cytokinen, die die Aktivierung der jeweils sonderung von Schleim, was zu Atemnot führt. Ausgelöst wer-
anderen Zellen noch weiter verstärken, können sich an diesem den diese Vorgänge durch eine Freisetzung von Leukotrienen
Punkt Mastzellen, Eosinophile und Basophile gegenseitig immer und Prostaglandinen, insbesondere Prostaglandin D2. Charak-
stärker aktivieren. teristisch für Asthma ist eine chronische, auf Eosinophilen ba-
Bei einer wiederholten oder chronischen Exposition mit sierende Entzündung der Bronchialschleimhaut, zusammen mit
dem Allergen kann es zu einer chronischen Phase der All- langfristigen Veränderungen in der Lunge, wie einer Verdickung
ergie kommen. Während sich die Folgen der Früh- und Spät- der Gewebeschichten, vermehrter Ablagerung von Matrixpro-
phase üblicherweise innerhalb weniger Tage komplett zurück- teinen, wie Collagen und Fibronectin, und Vergrößerung der
bilden, führt eine chronische allergische Entzündungsreaktion schleimproduzierenden Zellen. Im Gewebe befindet sich eine
zu permanenten Veränderungen in den umliegenden Geweben. höhere Anzahl von Zellen des angeborenen (Eosinophile, Baso-
Es kommt zu strukturellen Effekten wie vermehrter Bildung phile, Neutrophile, Monocyten/Makrophagen) und des adap-
von Blutgefäßen und einer beeinträchtigten Barrierefunktion tiven (TH2-Tellen, andere T-Zellen, B-Zellen) Immunsystems.
der Epithelien. Letzteres kann eine erhöhte Neigung zu Se- All diese Faktoren tragen dazu bei, dass sich die Verengung der
kundärinfektionen verursachen wie beispielsweise eine höhere Atemwege mit der Zeit verschlimmert. Zusätzlich können auch
Infektionsrate mit Staphylococcus aureus bei atopischer Der- Infektionen mit häufig vorkommenden Viren wie Rhino-, Influ-
matitis. enza- oder RS-(respiratory syncytial)Virus die Asthmasymptome
verstärken.
Das atopische Ekzem oder auch atopische Dermatitis ist eine
Häufige Typ-1-Allergien Erkrankung, die üblicherweise in den ersten Lebensmonaten auf-
tritt und sich durch Juckreiz und Hautrötungen, insbesondere
Der Begriff „Atopie“ beschreibt die erhöhte Neigung zu aller- in Gesicht, Hals, Händen, Füßen und Gelenkbeugen, äußert.
gischen Erkrankungen vom Soforttyp aufgrund genetischer Zusätzlich besteht eine höhere Infektionswahrscheinlichkeit der
Veranlagung. Die bekanntesten Krankheitsbilder sind aller- Haut mit Staphylococcus aureus. Die Krankheit hat einen chro-
gische Rhinitis, Asthma bronchiale und das atopische Ekzem nischen Verlauf und zeichnet sich durch eine familiäre Häufung
(umgangssprachlich auch Neurodermitis genannt). Auffällig ist, atopischer Erkrankungen aus. Die atopische Dermatitis wird ver-
dass Individuen, die bereits an einer atopischen Erkrankung lei- mutlich nicht durch ein einzelnes Allergen ausgelöst, sondern
den, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, auch noch weitere durch genetische Veranlagung, den Kontakt mit verschiedenen
atopische Erkrankungen zu entwickeln. Ein klassischer Fall ist Allergenen und eine Reihe von Umweltfaktoren. Ein kleiner Teil
der „Etagenwechsel“. Der Begriff bedeutet, dass beim Vorliegen der Patienten hat nicht einmal erhöhte IgE-Serumwerte, trotz-
einer allergischen Rhinitis das Risiko erhöht ist, zusätzlich an dem zeigen die meisten Patienten eine Sensibilisierung gegen-
Asthma zu erkranken, wobei die atopische Erkrankung die Etage über häufigen Allergenen.
wechselt, indem sie von den oberen in die unteren Atemwege Immunologisch auffällig ist, dass in der Haut von Patienten
voranschreitet. mit atopischem Ekzem vermehrt Langerhans-Zellen und Mak-
Auslöser der allergischen Rhinitis (bei Beteiligung der Bin- rophagen auftreten, die den Fcε-R1 tragen. Zusätzlich wird eine
dehäute auch Rhinokonjunctivitis) sind häufig Pollen (= Heu- erhöhte Einwanderung von Eosinophilen und allergenspezifi-
schnupfen), aber auch Haustiere oder der Kot von Hausstaub- schen TH2-Zellen beschrieben. All diese Zellen tragen zu den
milben. Die Allergene werden mit der Atemluft aufgenommen pathologischen Veränderungen beim atopischen Ekzem bei.
und dringen durch die Epithelien der oberen Atemwege ein, wo
sie auf Eosinophile und Mastzellen treffen. Viele Allergene sind
Proteasen, und es wird angenommen, dass ihre enzymatische 10.2 Typ-2-Allergie: Allergie
Aktivität ihnen erlaubt, besser in die Gewebe einzudringen und vom cytotoxischen Typ
die Zellen zu aktivieren.
Eine allergische Reaktion der tiefer liegenden Atemwege ist Bei der Allergie vom Typ 2 handelt es sich um eine durch IgG ver-
die Basis des allergischen Asthma bronchiale. Hierbei kommt mittelte Überempfindlichkeitsreaktion. Dabei zählen zu diesem
es zu einer reversiblen Verengung der Bronchien aufgrund von Typ nur die Reaktionen, bei denen die Antigene sich auf einer
Kontraktionen der glatten Muskulatur und einer erhöhten Ab- biologischen Matrix, wie beispielsweise einer Zelloberfläche, be-
158 Kapitel 10 • Allergie

.. Abb. 10.3  IgG-vermittelte Cytotoxizität bei der


1 Typ-2-Allergie. Bei der Typ-2-Allergie handelt es sich um
eine IgG-vermittelte Reaktion gegen Antigene auf Zellen.
Opsonisierung Wie bei der Typ-1-Allergie setzt die Bildung von allergen-
2 und Phagocytose
spezifischem IgG eine Sensibilisierung voraus (hier nicht
dargestellt). Die Anti­körper binden dann an Zelloberflächen
und führen zu deren Schädigung. Diese kann durch drei
3 Mecha­nismen erfolgen: Phagocytose aufgrund von Opsoni-
sierung, antikörperabhängige zell­vermittelte Cytotoxizität
(ADCC) durch Degranulierung von NK-Zellen nach Akti-
4 ADCC vierung des Rezeptors CD16, komplementvermittelte Lyse
nach Aktivierung des klassischen Komplementweges

5
6 R S
C3b
komplement- C2b
C4b C6 C7
7 vermittelte Lyse C5b C8
C9 C9 C9 C9

8
finden. Auf diese Weise durch Immunkomplexe markierte Zellen dikamente oder ihre Metaboliten können im Blut auch an
9 sehen sich mehreren Bedrohungen ausgesetzt (. Abb. 10.3): die Oberflächen der dort vorhandenen Zellen binden. Zu-
Zum einen werden sie durch Immunzellen attackiert. Ma- sammen mit den Antikörpern gegen die Medikamente ent-
10 krophagen in der Milz können immunkomplextragende Zellen stehen so auf der Zelloberfläche Immunkomplexe, die vom
abbauen. Auch Granulocyten können Immunkomplexe über Komplementsystem erkannt werden, sodass die Zellmem-
Fc-Rezeptoren erkennen und durch reaktive Sauerstoffspezies bran schließlich lysiert wird.
11 und lytische Enzyme angreifen. Weiterhin sind NK-Zellen in der 2. Die Überreste der bei Mechanismus  1 zerstörten Zellen
Lage, Antikörper auf Zellen durch Fc-Rezeptoren wahrzuneh- können von professionellen antigenpräsentierenden Zellen
12 men und die Zellen durch ADCC (antibody-dependent cell-me- aufgenommen werden. Da entzündliche Mediatoren vorhan-
diated cytotoxicity, antikörperabhängige zellvermittelte Cytoto- den sind, kann die Selbst-Toleranz möglicherweise versagen,
xizität) zu lysieren. und es kommt zur Immunisierung gegen körpereigene Anti-
13 Zum anderen bieten Immunkomplexe aus IgG einen Start- gene (Selbst-Antigene) auf den Zellen. Die dabei gebildeten
punkt zur Aktivierung des Komplementsystems. Infolge der Autoantikörper können dann an diese Zellen binden und
14 Komplementreaktion kommt es zur Bildung des Membranan- führen zu deren Zerstörung, selbst wenn das Medikament
griffskomplexes und damit zur Zelllyse. Darüber hinaus wird die nicht auf der Oberfläche gebunden ist. Hierbei handelt es sich
15 Zellmembran zusätzlich mit aktivierten Komplementproteinen zwar immer noch um eine Hypersensitivitätsreaktion vom
wie C3b opsonisiert und dadurch noch stärker als Ziel für die Typ 2, aber durch den Wechsel von einem Fremd- zu einem
Phagocyten gekennzeichnet. All diese Mechanismen führen zu Selbst-Antigen wandelt sich die Reaktion von einer Allergie
16 einer Schädigung der betroffenen Zellen. zu einer Autoimmunerkrankung (▶ Kap. 9).
3. Immunkomplexe bilden sich im Blutkreislauf. Dort reagie-
17 ren sie mit dem Komplementsystem, wobei C3b und C4b
Häufige Typ-2-Allergien an sie binden. Die beiden Komplementproteine werden von
Erythrocyten über den Komplementrezeptor CR1 festge-
18 Die Reaktion gegen fremde Blutgruppenantigene ist ein Fall von halten. Dies dient dazu, das Blut von Immunkomplexen zu
Typ-2-Allergie. Dies wird im Abschnitt über Transplantationen reinigen, indem diese Komplexe von den Erythrocyten in
19 (▶ Kap. 12) genauer beschrieben. die Milz transportiert und dort abgebaut werden. Bei hoher
Andere Typ-2-Reaktionen führen dazu, dass bei Medika- Immunkomplexkonzentration kann dies zu einem hohen
20 mentenallergien Blutzellpopulationen zerstört werden können. Erythrocytenverbrauch durch komplementvermittelte Lyse
Es kommt, je nach Allergen, beispielsweise zu Pan-Leukopenie, oder Abbau in der Milz führen.
Erythropenie oder Thrombopenie. Warum aber sollte eine Sen-
21 sibilisierung gegen ein Medikament dazu führen, dass körperei-
gene Zellen angegriffen werden? 10.3 Typ-3-Allergie:
22 Dafür gibt es drei Mechanismen (. Abb. 10.4): immunkomplexvermittelte Allergie
1. Wie in ▶ Abschn. 16.3 für die Antibiotika aus der Klasse der
Penicilline beschrieben, können bei der Verstoffwechslung Die Typ-3-Allergie basiert, ebenso wie diejenige vom Typ   2,
23 von Medikamenten reaktive Abbauprodukte entstehen. Ge- auf IgG-Antikörpern. Der Unterschied ist, dass beim Typ 3 die
bunden an Protein-Carrier können mit T-Zell-Hilfe Anti- Antigene in löslicher Form vorliegen und daher lösliche Anti-
körper gegen diese Substanzen gebildet werden. Diese Me- gen-Antikörper-Komplexe gebildet werden. Diese Immunkom-
10.3  •  Typ-3-Allergie: immunkomplexvermittelte Allergie
159 10

Ag-Bindung an Bildung von Bindung von


Zelloberfläche Autoantikörpern Immunkomplexen über
Komplementrezeptoren
→ Zelllyse oder Abbau → Zelllyse oder Abbau → Abbau in der Milz

.. Abb. 10.4  Drei Wege zur medikamenteninduzierten Zerstörung von Blutzellen. Blutzellen können im Verlauf einer Typ-2-Allergie durch mehrere Me-
chanismen zerstört werden. Links: Durch die Anlagerung von Medikamenten oder ihren Metaboliten. Sind durch eine frühere Sensibilisierung IgG-Antikörper
gegen diese Substanzen vorhanden, bilden sich Immunkomplexe auf der Zelloberfläche, was zu einer komplementvermittelten Schädigung der Zellen und
deren Abbau durch Phagocyten führt. Mitte: Die Überreste der durch den zuvor erwähnten Mechanismus zerstörten Zellen können an T-Zellen präsentiert
werden. Dabei kann die Toleranz gegen Selbst-Antigene dieser Zellen versagen, wodurch es zur Bildung von Autoantikörpern kommt, die dann weitere Zellen
binden und dadurch zu deren Zerstörung führen. Rechts: Erythrocyten binden durch Komplement markierte Immunkomplexe aus dem Plasma über den
Rezeptor CR1. Dadurch kann es zu weiteren Komplementreaktionen oder einem Abbau in der Milz kommen

plexe entstehen im Serum und in der extrazellulären Flüssigkeit. Da es sich um fremde Proteine handelt, haben Antikörper einer
Sie können sich in Organen, an den Wänden von Blutgefäßen fremden Spezies eine deutlich geringere Halbwertszeit als die ei-
oder in den Glomeruli der Nieren ablagern, wo es zu einer Ak- genen. Nach einer passiven Immunisierung ist zum Zeitpunkt
tivierung des Komplementsystems und zur Fc-Rezeptor-vermit- der Produktion der entsprechenden IgG-Antwort aber immer
telten Aktivierung von Mastzellen, neutrophilen Granulocyten noch eine große Menge der fremden Antikörper im Serum eines
und Makrophagen kommt. Patienten vorhanden. Sollte es bereits eine vorhergehende Im-
munisierung gegeben haben, kann die Serumkrankheit schneller
ablaufen und zusätzlich von einer IgE-vermittelten anaphylakti-
Häufige Typ-3-Allergien schen Reaktion begleitet werden.
Da heutzutage den meisten Infektionskrankheiten durch
Die Serumkrankheit ist eine Typ-3-Allergie gegen fremde Pro- Impfung vorgebeugt werden kann und Antibiotika zur Behand-
teine, die in großer Menge in den Organismus gelangen. Bevor lung von akuten Infektionen zur Verfügung stehen, ist der Ge-
Antibiotika und wirksame Impfungen verfügbar waren, wurde brauch von Seren zur passiven Immunisierung in vielen Fällen
gegen eine Reihe von akuten Infektionskrankheiten das Serum nicht mehr notwendig. Es werden aber immer noch Seren gegen
einer anderen Spezies, häufig aus dem Pferd, zur passiven Im- Diphtherie, Tollwut, Schlangen- und Spinnenbisse verwendet.
munisierung verabreicht (▶ Kap. 8). Der Name Serumkrankheit Hierbei wird aber, soweit möglich, auf Hyperimmunseren hu-
kommt von der Beobachtung, dass 95 % der Patienten, die mit manen Ursprungs zurückgegriffen, um eine Immunisierung zu
100 ml oder mehr Pferdeserum behandelt werden, eine Typ-3-Al- umgehen.
lergie gegen die verabreichten Proteine entwickeln. Sie wurden Mit der therapeutischen Verwendung monoklonaler Anti-
also vom verabreichten Serum krank. Dabei bilden sich Immun- körper entstand eine neue Ursache für die Serumkrankheit. Man
komplexe, die in der Folge Fieber, Urticaria, Hautausschläge und versucht in den Antikörpern, die üblicherweise aus der Maus
Gelenkschmerzen auslösen. In einigen Fällen kann es auch zur stammen, nicht für die Antigenerkennung benötigte Teile ge-
generalisierten Vaskulitis, Nierenschädigung und Neuropathien netisch durch einen Proteinabschnitt aus dem Menschen zu er-
kommen. setzen und so allergische Reaktionen zu vermeiden (▶ Kap. 17).
Trotzdem es bei der Serumkrankheit zu anaphylaxieähnli- Dies reicht nicht in allen Fällen aus. Beispielsweise ist Rituxi-
chen Symptomen kommen kann, handelt es sich hierbei entspre- mab, ein Antikörper gegen CD20, der bei der Therapie von
chend der Definition nicht um eine solche Reaktion, da keine B-Zell-Lymphomen eingesetzt wird, ein chimärer Antikörper, bei
Allergie vom Soforttyp vorliegt. Die Serumkrankheit basiert dem nur noch der variable Teil aus der Maus stammt und der Fc-
auf der Produktion von IgG-Antikörpern gegen die als fremd Teil durch den humanen Proteinabschnitt ersetzt wurde. Obwohl
wahrgenommenen Proteine des Antiserums. Da zunächst ausrei- nur noch ein kleiner Teil des Antikörpers nicht der humanen
chende Mengen von Antikörpern gebildet werden müssen, ver- Sequenz entspricht, kann Serumkrankheit immer noch als eine
streicht bis zum Auftreten der Symptome ungefähr eine Woche. mögliche Nebenwirkung bei einer Behandlung mit Rituximab
Im Gegensatz zu den meisten allergischen Reaktionen, bei denen auftreten, auch wenn sie deutlich seltener vorkommt als bei nicht
der Erstkontakt mit dem Antigen zu einer Sensibilisierung, aber modifizierten Antikörpern.
noch nicht zu allergischen Symptomen führt, kann die allergi- Die Arthus-Reaktion ist eine örtlich begrenzte allergische
sche Reaktion bei der Serumkrankheit immer noch auf Proteine Reaktion vom Typ 3 (. Abb. 10.5). Sie basiert auf der Injektion
erfolgen, die beim Erstkontakt in den Organismus gelangt sind. eines Antigens in die Haut, gegen das bereits IgG-Antikörper
160 Kapitel 10 • Allergie

1 IFN-γ, TNF-α

2 Blutgefäß
TH1
TH1
3
4 IL-4, IL-5

5 Komplement- TH2
spaltprodukte TH2
6 Epithel

7
8 .. Abb. 10.5  Typ-3-Allergie (Beispiel Arthus-Reaktion). Die Typ-3-Allergie
erfordert zunächst eine Sensibilisierung mit Bildung von IgG (hier nicht
CTL
gezeigt). Daraufhin können lösliche Immunkomplexe entstehen. Bei der hier

9 dargestellten Arthus-Reaktion treten die Immunkomplexe beim Eindrin-


gen eines Allergens ins Gewebe auf, beispielsweise bei einer Impfung. Die
Granzyme,
Perforin, FASL
Immunkomplexe werden durch FcγIII-Rezeptoren auf Mastzellen erkannt,
10 was die Zellen zur Degranulierung anregt. Zusätzlich kommt es zu einer
Komplementreaktion mit Freisetzung der Anaphylatoxine. Die von Mast-
.. Abb. 10.6  Mechanismen der Typ-4-Allergie. Typ-4-Allergien können
zellen und Komplement stammenden Mediatoren führen zu einer höheren
11 Durchlässigkeit der nahe gelegenen Blutgefäße. Die Folge ist eine örtlich
begrenzte Entzündungsreaktion, mit Schwellung und einer Einwanderung
durch TH1-Zellen, TH2-Zellen oder cytotoxische T-Zellen (CTL) vermittelt wer-
den. Antikörper sind bei diesem Allergietyp von unter­geordneter Bedeutung
und in der Abbildung nicht dargestellt. Je nach beteiligter T-Zelle kommt es
von Leukocyten in die betroffene Geweberegion
12 dabei zu unterschiedlichen immunologischen Vorgängen. Oben: TH1-Zellen
sezernieren inflamma­torische Cytokine wie TNF-α und aktivieren Makropha-
gen durch IFN-γ. Mitte: Bei TH2-Zellen kommt es zur Ausschüttung von IL-4,
in ausreichend hoher Konzentration im Serum vorhanden sind.
13 Infolgedessen kommt es zur Bildung von Immunkomplexen, die
IL-5 und Chemokinen, die Eosinophile anlocken und aktivieren. Dieser Reak-
tionstyp ähnelt daher den T-Zell-Reaktionen in der Spätphase der Typ-1-All-
eine Aktivierung von Mastzellen und Rekrutierung neutrophi- ergie. Unten: CTL töten Zielzellen durch perforin/granzymvermittelte Zelllyse
14 ler Granulocyten und Makrophagen über den FcγIII-Rezeptor und die Induktion von Apoptose durch den FAS-Liganden (FasL)

auslösen. Zusätzlich kommt es zur Komplementaktivierung mit


15 Freisetzung der Anaphylatoxine und einer komplementvermit- durch T-Zellen ausgelöst wird (. Abb. 10.6). Wie auch bei den
telten Schädigung der umliegenden Gewebe. Zusammen verur- anderen Allergiearten, erfordert die Typ-4-Allergie zunächst eine
sachen diese Mechanismen eine Entzündungsreaktion und den Sensibilisierung, bei der im Lymphknoten naive, allergenspezifi-
16 Einstrom von Serum ins Gewebe. Bei der Arthus-Reaktion treten sche T-Zellen aktiviert werden. Bei einem Folgekontakt mit dem
4–12 Stunden nach der subcutanen Gabe des Antigens (beispiels- Allergen kommt es dann zu den Symptomen der Typ-4-Allergie,
17 weise im Rahmen einer Impfung) Schwellungen, Rötungen und entsprechend dem Aufnahmeweg des Allergens. Beispielsweise
Juckreiz auf, die nach wenigen Tagen wieder abgeklungen sind. treten bei Hautkontakt in der exponierten Region Ekzeme auf.
Abhängig von der Art der Aufnahme kommt es noch zu Bei vielen Allergenen, die eine Typ-4-Reaktion auslösen, han-
18 anderen Typ-3-Allergien. Die exogen allergische Alveolitis delt es sich um niedermolekulare Substanzen. Sie sind Haptene, die
entsteht bei Aufnahme des Allergens mit der Atemluft. Bei be- nicht über einen Protein-Carrier verfügen. Wenn sie an Proteine
19 stimmten auslösenden Antigenen wird sie umgangssprachlich binden, werden sie danach eventuell von antigenpräsentierenden
auch oft als Farmerlunge bezeichnet. Die Antigene können dabei Zellen aufgenommen und auf MHC-II-Molekülen präsentiert.
20 beispielsweise aus Heu, Schimmel oder Vogelfedern und -exkre- Dies führt zur Reaktivierung antigenspezifischer T-Helfer-Ge-
menten stammen und werden über die Atmung aufgenommen. dächtniszellen, die im Gewebe eine Immunreaktion auslösen, die
Bei Ablagerung in den Lungenbläschen kommt es dann zum eigentlich zur Bekämpfung einer Infektion vor Ort beitragen soll.
21 Kontakt mit IgG, der Bildung von Immunkomplexen und der be- Einige Allergene können auch in Zellen eindringen und
reits mehrfach beschriebenen daraus folgenden Immunreaktion. im Zellinnern an Proteine binden. Gelangen diese Proteine ins
22 Proteasom und werden später MHC-I-Moleküle mit den resul-
tierenden Fragmenten beladen, kommt es zu einer Präsentation
10.4 Typ-4-Allergie: Spättyp an cytotoxische T-Zellen, mit nachfolgender Lyse der präsentie-
23 renden Zelle.
Die Typ-4-Allergie ist die einzige, bei der die Überempfindlich- Da die T-Zellen nicht direkt auf die aufgenommenen Aller-
keitsreaktion nicht in erster Linie durch Antikörper, sondern gene reagieren können, sind sie auf die MHC-vermittelte Prä-
10.4  •  Typ-4-Allergie: Spättyp
161 10

.. Abb. 10.7  Arzneimittelexanthem. Bei einer allergischen Reaktion auf ein Medikament kann es mehrere Tage nach dessen Einnahme zu einem großflächi-
gen Hautausschlag kommen. (Fotos mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Gerda Wurpts, UK Aachen, Hautklinik.)

sentation durch antigenpräsentierende Zellen angewiesen. Dann auf eine Überempfindlichkeit gegen das darin enthaltene Nickel
muss eine ausreichende Anzahl an antigenspezifischen T-Zellen zurückzuführen ist.
an die Antigenkontaktstelle gelangen und kann dann gegebenen- Immunologisch ist eine Sensibilisierung gegen ein Metall
falls noch weitere Zellen rekrutieren und die sichtbare allergische nicht zu erwarten. Beim Nickel kommt es durch Kontakt mit der
Reaktion auslösen. Da diese Vorgänge deutlich länger dauern Haut zur Oxidation und Bildung von löslichen Nickelkationen,
als die Abläufe bei antikörpervermittelten Allergien, treten die die dann in die Haut diffundieren, wo sie in der Epidermis auf
Symptome üblicherweise erst nach 24 Stunden auf und errei- Langerhans-Zellen treffen. Dem Nickel fehlt ein Protein-Carrier,
chen ihren Höhepunkt nach ungefähr 72 Stunden. Aus diesem und es kann auch nicht kovalent an einen Carrier gebunden wer-
Grund wird die Typ-4-Allergie im englischen Sprachraum häufig den. Man nimmt aber an, dass die positiv geladenen Kationen
als DTH (delayed-type hypersensitivity) bezeichnet. durch elektrostatische Wechselwirkungen an Proteinstrukturen
binden, die sie dabei derart verändern, dass sie durch T-Zellen als
fremd wahrgenommen werden. Zusätzlich zu einer Präsentation
Häufige Typ-4-Allergien auf MHC-Molekülen erfordert eine Aktivierung von T-Zellen
auch noch ein zweites, proinflammatorisches Signal. Kürzlich
Zusätzlich zu den oben beschriebenen Hypersensitivitätsreakti- konnte gezeigt werden, dass es am humanen Toll-ähnlichen-Re-
onen können Medikamente auch Allergien vom Typ 4 auslösen, zeptor 4 (TLR-4) eine Bindungsstelle für Nickel gibt, durch die
beispielsweise bei Unverträglichkeitsreaktionen auf Antibiotika. das Metall den Rezeptor aktiviert und dadurch den antigenprä-
Ein typisches Symptom für eine Typ-4-Allergie gegen ein Medi- sentierenden Zellen die Anwesenheit des natürlichen Liganden,
kament ist das Arzneimittelexanthem (. Abb. 10.7). das Lipopolysaccharid gramnegativer Bakterien, vortäuscht.
Nickel ist heutzutage das häufigste Kontaktallergen in der Auf diese Weise ist Nickel wahrscheinlich in der Lage, selbst
westlichen Welt. Durch die gesteigerte Verwendung von Nickel das zur T-Zell-Aktivierung benötigte zweite Signal auszulösen.
in Legierungen kam es zu einer verbreiteten Sensibilisierung von Dadurch kommt es zur Bildung von aktivierten T-Zellen, die ei-
Arbeitern in der metallverarbeitenden Industrie. Auch bei jun- nen Nickel-Protein-Komplex erkennen und die Typ-4-Allergie
gen Frauen war eine zunehmende Sensibilisierung durch Nickel­ vermitteln. Zusätzlich wird in einigen Patienten auch noch eine
freisetzung aus Schmuck zu verzeichnen – insbesondere durch Immunisierung mit IgE beobachtet.
Piercing. In mehreren Studien wurden bei 12 bis 39 % junger Der Tuberkulintest wird verwendet, um eine Infektion mit
Frauen positive Reaktionen bei Hauttests festgestellt (mit deut- dem Tuberkuloseerreger (Mycobacterium tuberculosis) nachzu-
lich steigendem Trend von den 1980er- zu den 1990er-Jahren), weisen. Bei einem zurückliegenden Kontakt mit M. tuberculosis
während die Häufigkeit bei männlichen Probanden jeweils nur oder dem früher zur Impfung gegen Tuberkulose verwendeten
zwischen 3–5 % lag. Dabei bedeutet ein positiver Test noch keine und eng verwandten BCG (Bacille Calmette-Guérin) entsteht
Allergie; ein Teil der Patienten war zwar sensibilisiert, aber bei bei der Injektion von Bestandteilen des Mycobakteriums in die
normalem Kontakt noch symptomfrei. Inzwischen ist von der Haut nach 24 Stunden eine Schwellung, die immunologisch auf
EU eine Maximalgrenze für die Nickelfreisetzung aus Körper- dem Prinzip der Typ-4-Allergie beruht. Es kommt zu einer nor-
schmuck eingeführt worden, um die weitere Sensibilisierung ge- malen Immunreaktion auf intrazelluläre Bakterien. TH1-Zellen,
gen dieses Metall zu verhindern. Trotzdem lässt sich eine Exposi- derselbe Zelltyp, der auch Makrophagen zur Abtötung des in ih-
tion kaum verhindern, da Nickel auch in der Nahrung vorhanden nen vorkommenden M. tuberculosis veranlasst, bekommen die
ist. Nüsse können pro Kilogramm 5–10 mg Nickel enthalten, so- injizierten Antigene präsentiert. Durch von ihnen freigesetzte
dass eine Reihe von Allergien gegen Nüsse vermutlich eigentlich Entzündungsmediatoren und Chemokine kommt es zu einer
162 Kapitel 10 • Allergie

siver Suche nach den Ursachen konnten die Auslöser für diese
1 Entwicklung bislang nicht zufriedenstellend identifiziert werden.
Als Einflüsse werden unter anderem Ernährung (auch maternale
2 Ernährung während der Schwangerschaft), Tabakrauch, Kör-
pergewicht und Luftschadstoffe diskutiert. Besonders Letzteres
ist allerdings umstritten: Trotz der hohen Emissionen aus der
3 Braunkohleverbrennung waren in der DDR zum Zeitpunkt der
Wiedervereinigung Allergien sogar seltener als in den westlichen
4 Bundesländern. Die Werte haben sich erst in den folgenden zehn
Jahren an das Westniveau angenähert.
5 Auch immuntherapeutische Maßnahmen wie Impfungen
und die Gabe von Antibiotika wurden als mögliche Ursachen
für Allergien vorgeschlagen. Für beides gibt es aber keinen stich-
6 haltigen Nachweis; in der DDR mit ihrer geringeren Allergierate
existierte sogar eine gesetzliche Impfpflicht, was klar gegen eine
7 allergieauslösende Wirkung von Impfungen spricht.

8 Genetische Ursachen
TH1

9 Bereits die Definition des Begriffs Atopie beinhaltet einen Ver-


weis auf genetisch prädisponierte Risikofaktoren für Allergien,
10 und es ist klar erwiesen, dass es einen genetischen Hintergrund
für das Auftreten von Allergien gibt. Einzelne Studien unter-
scheiden sich geringfügig in den Zahlenwerten, sagen aber
11 übereinstimmend aus, dass die ungefähre Wahrscheinlichkeit für
das Auftreten einer atopischen Erkrankung bei Kindern mit zwei
12 gesunden Eltern bei 5–20 % liegt. Die Wahrscheinlichkeit steigt
deutlich an, wenn einer (20–40 %) oder gar beide Elternteile
(40–80 %) eine atopische Erkrankung haben. Dabei gibt es kein
13 TH 1
TH1
einzelnes „Allergiegen“ das für diese Veranlagung verantwort-
lich wäre. Assoziationen wurden für eine Reihe von Genen auf
14 verschiedenen Chromosomen berichtet. Zur Erklärung, warum
ein Individuum auf einen Allergenkontakt mit einer Sensibili-
15 .. Abb. 10.8  Prinzip des Tuberkulintests. Die Mischung aus Tuberkulinan-
sierung reagiert, während ein anderes nicht betroffen ist, tragen
genetische Faktoren bei. Da sich der Genpool der Menschheit
tigenen wird in die Haut geritzt, wo sie von lokalen antigenpräsentierenden
nicht innerhalb weniger Dekaden verändert, kann dies nicht die
16 Zellen (APC) aufgenommen werden. Aufgrund der bakteriellen pathogenas-
soziierten molekularen Strukturen reifen die APC und präsentieren die Ursache für die Steigerung der Allergierate sein – andere Fakto-
Anti­gene an dafür spezifische TH1-Zellen, wenn diese aufgrund einer früheren ren und insbesondere geänderte Lebensumstände müssen dafür
17 Immunisierung gegen M. tuberculosis im Organismus vorhanden sind. Die
Aktivierung der TH1-Zellen führt zur Freisetzung von proinflammatorischen
verantwortlich sein.
Cytokinen und Chemokinen, die eine lokale Entzündungsreaktion auslösen
18 und mononucleäre Zellen, insbesondere Makrophagen, anlocken
Die Hygiene-Hypothese

19 Schwellung und zur Einwanderung von mononucleären Zellen Eine Theorie, die den Anstieg der Häufigkeit von Allergien in
ins Gewebe (. Abb. 10.8). den letzten fünf Dekaden zu erklären versucht, ist die sogenannte
20 Hygiene-Hypothese (▶ Exkurs 10.1). Sie besagt, kurz gefasst, dass
verbesserte hygienische Bedingungen in den industrialisier-
10.5 Allergieursachen ten westlichen Ländern zu weniger Infektionen in der frühen
21 Kindheit geführt haben und dass dies in einer veränderten Ent-
Das Auftreten von allergischen Erkrankungen wie allergischer wicklung des Immunsystems resultiert, an deren Ende weniger
22 Rhinitis, allergischem Asthma und atopischem Ekzem hat in den Toleranz gegenüber Allergenen und eine höhere Neigung zu
letzten Jahrzehnten in den westlichen Industrienationen stark TH2-vermittelten allergischen Erkrankungen stehen.
zugenommen. Inzwischen geht man davon aus, dass ein Viertel Dies könnte auf einer Unterforderung des Immunsystems
23 der europäischen Bevölkerung gegen mindestens ein Allergen basieren, das sich in seiner Entwicklung mit weniger Krank-
sensibilisiert ist. In 90 % der Fälle handelt es sich dabei um eine heitserregern konfrontiert sieht (insbesondere Parasiten, die eine
auf IgE basierende Überempfindlichkeit vom Typ 1. Trotz inten- TH2-vermittelte Immunantwort erfordern) und daher die Reiz-
10.6 • Behandlungsmöglichkeiten
163 10

Exkurs 10.1: Hygiene-Hypothese  |       | 


Im Jahr 1989 hat David Strachan epidemio- einen Indikator für einen „unhygienischeren“ Gastrointestinaltraktes herbeiführt, ist derzeit
logische Beobachtungen publiziert, die Lebensstil darstellen. Die These, dass derartige Gegenstand weiterer Untersuchungen.
zeigten, dass Kinder mit mehreren Geschwis- Infektionen die Protektion vor allergischen Interessanterweise konnten die epidemio-
tern ein geringeres Risiko aufweisen, einen Erkrankungen vermitteln könnten, wurde logischen Untersuchungen auch in ein
Heuschnupfen zu haben als geschwisterlose immunologisch damit begründet, dass sie Mausmodell übertragen werden. Die nasale
Kinder. In dieser Publikation im British Medical eine vermehrte Aktivierung der TH1-Immuni- Gabe von verschiedenen grampositiven wie
Journal hat er vorgeschlagen, dass „Infektionen tät, später auch der T-regulatorischen Zellen gramnegativen Keimen führt zu einer effizien-
in der Kindheit, die durch einen unhygie- bewirken könnten. ten Prävention eines allergischen Asthma im
nischen Kontakt mit älteren Geschwistern Im weiteren Verlauf ist mehr Augenmerk auf experimentellen Mausmodell. Dieser Schutz
übertragen werden oder die pränatal von ei- die tatsächliche Umweltbelastung mit apa- wirkt bei manchen Keimen auch im soge-
ner Mutter übertragen werden, die durch den thogenen Mikroorganismen gelegt worden. nannten Pränatal-Modell, in welchem diese
Kontakt mit ihren älteren Kindern infiziert sei“, Es konnte konsistent und wiederholt gezeigt Mikroben, insbesondere Acinetobacter lwoffii,
der Entwicklung von allergischen Erkrankun- werden, dass Kinder, die auf einem Bauernhof den Muttertieren präkonzeptionell verabreicht
gen vorbeugen könnten. Diese grundlegende aufwachsen, eine deutlich geringere Prävalenz werden. Diese Exposition führte zu einer
Beobachtung, dass die Prävalenz des Heu- von Asthma, Heuschnupfen und atopischer Prävention des allergischen Asthmas bei den
schnupfens, der atopischen Sensibilisierung Sensibilisierung aufweisen als Nachbarskin- Nachkommen.
und des atopischen Ekzems mit der Anzahl der der aus demselben Dorf, die nicht auf einem Es bleibt noch zu erwähnen, dass Mäuse,
vor allem älteren Geschwister abnimmt, ist in Bauernhof aufgewachsen sind. Als wirksame die unter keimfreien Bedingungen gehalten
zahlreichen Studien repliziert worden. Exposition wurden der Kontakt mit Kuh- werden, eine übermäßige Tendenz haben, ein
Ausgehend von dieser Beobachtung sind ställen und der Konsum von unbehandelter allergisches Asthma bronchiale zu entwickeln.
im Weiteren Studien an Kindern berichtet Kuhmilch identifiziert. Diese Befunde legen die
werden, die früh in Kinderkrippen betreut Annahme nahe, dass Mikroben in der Umwelt,
wurden. Diese Studien haben einen ähnlichen insbesondere in einer Umwelt, wie man sie im
protektiven Effekt darstellen können. Da Kuhstall vorfindet, einen Schutz vor Asthma
respiratorische, insbesondere virale Infek- und Allergien darstellen könnten. Tatsächlich
tionen als Trigger-Faktoren für das Asthma wurde im Weiteren gezeigt, dass die Menge
bronchiale bekannt sind, ist anschließend ein von Endotoxin als Marker für gramnegative
erhöhtes Augenmerk auf orofäkale Infektionen Bakterien in Umweltproben negativ mit atopi-
wie Salmonellen, Hepatitis A, Toxoplasmose scher Sensibilisierung, Heuschnupfen und ato-
und Helicobacter pylorii gelegt worden. Etliche pischer Dermatitis assoziiert sind. Ähnliches
epidemiologische Untersuchungen haben ge- konnte für Marker für grampositive Bakterien,
zeigt, dass die Prävalenz einer positiven Sero- wie Muraminsäure, oder für Schimmelpilze,
logie für diese Erreger mit einer erniedrigten wie extrazelluläre Polysaccharide, gezeigt wer-
Prävalenz allergischer Erkrankungen assoziiert den. Weitere Studien, die das ganze Erreger­
war. Ob dies tatsächlich einen kausalen Zu- spektrum charakterisiert haben, zeigten, dass Prof. Dr.  med. Dr. h.c. Erika von Mutius
sammenhang darstellt in dem Sinne, dass die die Diversität der mikrobiellen Exposition in Klinikum der Universität München
Infektion immunologisch eine Verringerung der Umwelt vor der Entwicklung eines Asthma Dr. von Hauner’sches Kinderspital
der IgE-Bildung und der damit einhergehen- bronchiale schützen kann. Inwieweit diese Lindwurmstraße 4
den Erkrankungen bewirkt, ist unklar. Alterna- Umweltexposition eine Veränderung des Mi- 80337 München
tiv kann solch eine positive Serologie auch nur krobioms, sowohl der Atemwege als auch des

schwelle für die Auslösung einer Immunreaktion immer weiter 10.6 Behandlungsmöglichkeiten
absenkt und schließlich beginnt, auch gegen harmlose Antigene
vorzugehen. Das ist vergleichbar mit einem tropfenden Wasser- Diagnostik
hahn. In einer belebten Umgebung mit stärkeren akustischen
Reizen wird man ihn kaum wahrnehmen. Ist er mitten in der Die einfachste und häufigste Art, auf eine Allergie zu testen,
Nacht das einzige Geräusch, ist die Reizschwelle deutlich gerin- ist eine Exposition der Haut. Allergien vom Soforttyp sind auf
ger, und er erscheint störend und laut. diese Weise innerhalb von 10–20 Minuten durch eine urticarielle
Eine andere Erklärung sagt aus, dass das Immunsystem in Schwellung erkennbar (. Abb. 10.9). Dafür kann das vermutete
seiner frühen Entwicklung weniger Gelegenheit hat, Toleranz Allergen (oder eine Reihe von möglichen Allergenen) durch
zu entwickeln oder aber nicht genug TH1-Reize bekommen hat, verschiedene Verfahren aufgetragen werden. Ein Antigen, gegen
sodass eine erhöhte Neigung zu TH2-vermittelten Erkrankungen das eine starke Überempfindlichkeit besteht, führt schon beim
besteht. Demgegenüber gibt es aber auch Aussagen, dass Infek- Auftragen auf die Haut zu einer positiven Reaktion (Reibetest).
tionen mit Helminthen, die eine TH2-Reaktion erfordern, das Andernfalls werden die Antigene durch einen Einstich (Prick-
Allergierisiko vermindern, sodass fehlende TH1-Prägung nicht Test) oder Kratzer (Scratch-Test) in die Haut eingebracht. Um
die alleinige Ursache sein kann. auch Allergien vom Spättyp diagnostizieren zu können, werden
die entsprechenden Antigene in einem sogenannten Patch- oder
Epicutantest auf die Haut aufgebracht und durch ein Pflaster ge-
schützt. Das Ergebnis kann nach 24 bis 72 Stunden abgelesen
werden (. Abb. 10.10).
164 Kapitel 10 • Allergie

1
2
3
4
5
.. Abb. 10.9  Hauttests für Typ-1-Allergien. Zum Nachweis von Typ-1-Allergien (Soforttyp) werden verschiedene Verfahren eingesetzt, bei denen die Aller-
6 gene auf die Haut aufgebracht werden und nach ungefähr 20 Minuten die entstehende Immunreaktion abgelesen wird. a) Das am häufigsten verwendete
Testverfahren ist der Prick-Test. Hierfür werden die Allergene als Tropfen auf die Innen­seite des Unterarms aufgetragen und danach wird die Haut mittels einer
Lanzette eingestochen. Während bei einer negativen Reaktion (linke Seite) nur die Einstichstelle zu sehen ist, kommt es bei einer positiven Reaktion (rechte
7 Seite) zur Rötung und Ausbildung einer Quaddel. b) Eine weitere Methode ist der Intracutantest. Hierbei werden die Allergene direkt in die Haut injiziert. Da
hier mehr Allergen in die Haut gelangt, hat dieser Test eine höhere Empfindlichkeit und erlaubt dadurch die Identifizierung schwächerer Allergene. Auch hier
kommt es bei bestehender Allergie zu einer sicht­baren Reaktion auf das Allergen. (Fotos mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Gerda Wurpts, UK Aachen,
8 Hautklinik.)

9 Andere Allergietests beinhalten eine Exposition der be- die Unterdrückung der Freisetzung von proinflammatorischen
troffenen Gewebe, wobei das vermutete Al­lergen direkt auf die Cytokinen und IL-2, Verminderung der Expression bestimmter
10 Schleimhaut (Nase, Bronchien, Magen) aufgebracht wird. Zur Cytokinrezeptoren und die Hemmung von Cyclooxigenasen und
Identifikation einer Nahrungsmittelallergie verwendet man eine Phospholipase A2, die an der Bildung von Prostaglandinen und
orale Provokation, bei der das Allergen in Kapselform verabreicht Leukotrienen beteiligt sind.
11 wird. Die Wirkung der Glucocorticoide tritt allerdings nicht so-
Zusätzlich zu den Tests, bei denen eine allergische Reaktion fort ein. Daher müssen bei lebensbedrohlichen Situationen, bei-
12 des Patienten provoziert wird, gibt es noch eine Reihe von in spielsweise schweren Asthmaanfällen, Bronchodilatatoren gege-
vitro-Testverfahren. Verglichen mit den anderen Immunglobu- ben werden, um die Atmung zu ermöglichen. Bei langfristiger
linklassen ist IgE nur in sehr geringer Konzentration im Serum Anwendung von Glucocorticoiden können die üblichen Neben-
13 vorhanden. Trotzdem kann seine Konzentration gemessen wer- wirkungen von einer beeinträchtigten Infektionsabwehr, einem
den, und erhöhte IgE-Werte sind ein Hinweis auf eine mögliche Einfluss auf den Stoffwechsel, bis hin zum Cushing-Syndrom
14 Allergie. Aus dem Vorhandensein von IgE kann aber noch nicht auftreten. Daher wird, soweit möglich, eine lokale Anwendung
sicher auf eine Allergie oder gar auf das auslösende Antigen ge- bevorzugt. Der Einsatz am Wirkort, wie die Inhalation beim As-
15 schlossen werden. Spezifischer ist ein RAST (radioallergosorbent thma, erfordert eine deutlich geringere Gesamtdosis und verur-
test), bei dem die Allergene auf einer Festphase fixiert werden, sacht viel geringere Nebenwirkungen.
sodass eventuell vorhandenes antigenspezifisches IgE binden Die schnellstmögliche wirksame Behandlung muss bei ei-
16 kann, das dann in einem zweiten Schritt nach dem Prinzip eines nem anaphylaktischen Schock eingeleitet werden. Daher folgt die
Radioimmunassays mit markierten anti-IgE-Antikörpern nach- Therapie hier der „AAC“-Regel, bei der zunächst das auslösende
17 gewiesen wird. Antigen entfernt wird, gefolgt von der Gabe von Adrenalin und
einem Cortisonpräparat.
In letzter Zeit werden auch andere allergische Mediatoren als
18 Symptomatische Therapie Ansatzpunkte für eine Therapie untersucht, darunter Substanzen,
die Leukotrienen oder PAF entgegenwirken. Der Einsatz eines
19 Histamin wirkt über die vier Rezeptoren H1 bis H4. Im Rah- monoklonalen Antikörpers gegen IgE (Omalizumab) ist seit 2005
men einer Allergie ist der H1-Rezeptor der wichtigste für die in Deutschland zur Behandlung von schwerem Asthma zugelas-
20 durch Histamin ausgelösten Allergiesymptome. Der Einsatz von sen. Hierbei wird das freie IgE vor der Bindung an den Fcε-RI
Substanzen, die den H1-Rezeptor blockieren, sogenannte An- weggefangen und als Immunkomplex inaktiviert.
tihistaminika, ist ein weit verbreiteter therapeutischer Ansatz
21 für die Behandlung von allergischer Rhinitis, Urticaria und Ex-
anthemen. Ursächliche Therapie
22 Nicht in allen Fällen ist eine allergische Reaktion durch
Antihistaminika zufriedenstellend zu kon­trollieren. Dann sind Ein offensichtlicher Ansatz ist es, die Exposition mit dem Allergen
örtlich oder systemisch verabreichte Glucocorticoide eine wirk- weitestgehend zu vermeiden (Karenz). Während dies in manchen
23 same Alternative. Beispielsweise bei Asthma werden häufig Fällen leicht möglich ist, wie z. B. durch die Verwendung spezieller
Glucocorticoide eingesetzt. Sie wirken immunsuppressiv und Bettbezüge zum Schutz vor Hausstaubmilben, ist der Kontakt mit
antiinflammatorisch durch verschiedene Mechanismen, wie weit verbreiteten Allergenen nur unter erheblicher Einschränkung
Literatur
165 10

Wichtig für die Entstehung immunologischer Toleranz ist


unter anderem der Eintrittsweg des Antigens. So kommt der Kör-
per über die Nahrung täglich mit einer Vielzahl von Antigenen in
Kontakt, gegen die keine Immunreaktion stattfinden soll. Daher
wird gegen die meisten mit der Nahrung aufgenommenen Anti-
gene nach Kontakt mit der gastrointestinalen Immunabwehr sys-
temische Toleranz erzeugt, die sogenannte orale Toleranz. Dies
versucht man durch die orale Verabreichung von Allergenen zur
Hyposensibilisierung auszunutzen.

Literatur
.. Abb. 10.10  Epicutantest. Der Epicutantest wird zur Feststellung von
Typ-4-Allergien (Spättyp) verwendet. Dazu gehören unter anderem Un-
verträglichkeiten gegen Nickel, Kosmetika oder Duft­stoffe. Zum Nachweis Asher MI, Montefort S, Björkstén B, Lai CK, Strachan DP, Weiland SK, Williams H
werden Pflaster mit verschiedenen Allergenen üblicherweise für zwei Tage (2008) ISAAC Phase Three Study Group. Worldwide time trends in the pre-
auf den Rücken geklebt, und die Reaktion der Haut wird nach Abnahme der valence of symptoms of asthma, allergic rhinoconjunctivitis, and eczema
Testpflaster sowie nach 72 und ggf. 168 Stunden beurteilt. Eine positive Re- in childhood: ISAAC Phases One and Three repeat multicountry cross-sec-
aktion wird durch eine Rötung, Infiltration, Papeln und ggf. Blasen angezeigt. tional surveys. Lancet 368:733–743
Sie ist von irritativen Reaktionen durch die Testsubstanzen abzugrenzen. Coombs RR, Gell PGH (1975) Classification of allergic reactions responsible for
(Foto mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Gerda Wurpts, UK Aachen, hypersensitivity and clinical disease. In: Gell PGH, Coombs RR, Lachman J
Hautklinik.) (Hrsg) Clinical aspects of immunology. Plenum, New York, S 261–280
Galli SJ, Tsai M, Piliponsky AM (2008) The development of allergic inflammation.
Nature 454:445–454
der Lebensqualität realisierbar. Der derzeit einzige kausale Thera- Hostýnek JJ (2002) Nickel-induced hypersensitivity: etiology, immune reactions,
pieansatz gegen nicht vermeidbare Allergene ist die Hyposensibi- prevention and therapy. Arch Dermatol Res 294:249–267
lisierung. Sie wird insbesondere gegen IgE-vermittelte allergische Kleine-Tebbe J et al (2009) Die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisie-
rung) bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Allergo J 7:508–537
Erkrankungen der Atemwege und Insektengifte eingesetzt und
Ring J, Messmer K (1970) Incidence and Severity of Anaphylactoid Reactions to
wirkt gezielt auf das Immunsystem, um die Allergie zu bekämp- Colloid Volume Substitutes. Lancet 1:466–469
fen. Bereits vor 100 Jahren, also lange bevor die immunologischen Saloga J et al (2006) Allergologie-Handbuch. Grundlagen und klinische Praxis.
Grundlagen der Allergie bekannt waren, wurde beobachtet, dass Schattauer, Stuttgart
die subcutane Gabe des Allergens Toleranz induzieren kann. The- Schmidt M et al (2010) Crucial role for human Toll-like receptor 4 in the develop-
ment of contact allergy to nickel. Nat Immunol 11(9):814–819
rapeutisch wird mit der Gabe einer geringen Dosis des Antigens
von Pirquet C (1906) Allergie. Münch Med Wochenschr 53:1457–1458
begonnen, da immer die Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion Worm M, Henz BM (1994) Molekulargenetische Grundlagen der Allergie: An-
besteht. Dann wird, in einem Abstand von ungefähr zwei Wochen sätze für eine molekulare Therapie. In: Ganten D, Ruckpaul K (Hrsg) Im-
und mit jeweils steigender Dosierung, weiter behandelt. Die Hy- munsystem und Infektiologie. Handbuch der molekularen Medizin, Bd. 4.
posensibilisierung ist ein langwieriger Prozess und dauert mindes- Springer, Heidelberg

tens drei Jahre. Besonders gute Erfolge werden erzielt, wenn die
Therapie innerhalb der ersten Jahre nach Erkrankung begonnen
wird; bei Bienen- und Wespengiften liegt die Heilungsrate bei fast
100 %. Bei der allergischen Rhinitis sind die Aussichten deutlich
schlechter und eine Wirksamkeit beim allergischen Asthma wird,
insbesondere bei schweren Fällen, noch diskutiert.
Es gibt verschiedene Theorien über den Wirkmechanismus
der Hyposensibilisierung. Ursprünglich wurde angenommen,
dass sie auf der Bildung von IgG basiert. Dieses IgG konkurriert
mit dem bereits vorhandenen IgE um die Bindung an das Aller-
gen und kann bei ausreichender Immunisierung die Epitope für
das IgE blockieren und es damit verdrängen. Es gibt inzwischen
Studien, die zeigen, dass ein Anstieg von IgG alleine nicht aus-
reicht, um eine Typ-1-Allergie zu unterdrücken. Neuere Theo-
rien gehen davon aus, dass eine Modulation auf T-Zell-Ebene
stattfindet, bei der Toleranz gegen die Allergene induziert wird.
Hierbei wirkt die Hyposensibilisierung entweder indem es zu
einer hauptsächlich TH1-vermittelten Immunantwort kommt, die
die TH2-basierte Allergie unterdrückt, oder indem allergenspezi-
fische regulatorische T-Zellen induziert werden, die die Immun­
antwort auf das Allergen vermindern. Zusätzlich wurde auch eine
Hemmung der Aktivitäten von Mastzellen, Eosinophilen und
Basophilen beobachtet.
167 11

Tumorimmunologie
Hajo Haase

11.1 Erkennung entarteter Zellen durch das Immunsystem  –  168


11.2 Mechanismen der immunologischen Tumorabwehr  –  169
11.3 Abwehrmechanismen der Tumore gegen das Immunsystem  –  170
11.4 Immunologische Ansätze der Tumortherapie  –  171
Literatur – 174

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
168 Kapitel 11 • Tumorimmunologie

Es gibt zahlreiche Mechanismen des Körpers, die die Krebsent- einer Belastung mit Asbest oder Zigarettenrauch birgt ein erhöh-
1 stehung abwenden sollen. Sie dienen unter anderem zur Verhin- tes Risiko für die Entstehung von Lungenkrebs.
derung von Mutationen und zur Reparatur geschädigter DNA. Auch wenn das Immunsystem häufig nur mit der Abwehr
2 Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass kein unkontrol- von pathogenen Mikroorganismen in Verbindung gebracht wird,
liertes Zellwachstum auftreten kann, wenn die Steuerung der für hat es noch eine weitere wichtige Aufgabe: die Bekämpfung ent-
die Zellproliferation wichtigen Gene verändert wird. Es wurde arteter Zellen und somit die direkte Verhinderung von Tumoren
3 die Hypothese aufgestellt, dass die Tumorentstehung zusätzlich und Leukämien. Allerdings sind nicht auf Pathogenen basierende
noch einer ständigen Überwachung durch das Immunsystem Tumoren nicht mit besonderer Häufigkeit bei immundefizien-
4 unterliegt. Demzufolge kommt es trotz aller Schutzmechanis- ten Patienten zu beobachten; dies wurde lange Zeit als gewich-
men ständig zur Bildung entarteter Zellen, die durch das Im- tiges Argument gegen eine direkte Bekämpfung der Krebszel-
5 munsystem erkannt und vernichtet werden. Nur in den Fällen, len durch das Immunsystem angeführt. Dabei muss allerdings
in denen es diesen Zellen gelingt, sich der Immunüberwachung berücksichtigt werden, dass die Lebenserwartung bei schweren
zu entziehen oder ihr zu widerstehen, kann sich ein Tumor oder Immundefekten stark eingeschränkt ist. Daher werden zum
6 eine Leukämie bilden. Beispiel Erkrankungen, die sich in späteren Lebensabschnitten
Die Bedeutung des Immunsystems wird klar, wenn dessen manifestieren, hier nicht auffallen. Bei immundefizienten Mäu-
7 Tumorüberwachung ausfällt. Beispiele sind das Auftreten von sen, die unter entsprechenden keimfreien Bedingungen gehalten
Kaposi-Sarkomen bei AIDS und die lymphoproliferativen Er- werden, um ihr Überleben zu ermöglichen, wird zwar nicht bei
krankungen bei Immun­suppression. Ungefähr die Hälfte der Jungtieren, aber im fortgeschrittenen Alter eine höhere Inzidenz
8 Patienten, die sich einer immunsupprimierenden Therapie un- von Tumoren beobachtet.
terziehen, entwickelt in der Folge eine Form von unkontrol-
9 lierter Zellvermehrung. Ein besonders deutlicher Zusammen-
hang zwischen dem Immunsystem und der Krebsentstehung 11.1 Erkennung entarteter Zellen
durch das Immunsystem
10 besteht bei bestimmten Infektionskrankheiten (. Tab. 11.1).
Infektionen mit onkogenen Viren und eine un­zureichende
Überwachung viraler Infektionen durch das Immunsystem Da entartete Zellen aus Körperzellen entstehen, bestehen sie
11 führen, unter anderem, zu virusinduzierten Lymphomen. Ein zum überwiegenden Teil aus „Selbst“, das heißt, ihre Antigene
besonders deutliches Beispiel ist das EBV (Epstein-Barr-Virus). entsprechen denen des restlichen Körpers und können aufgrund
12 EBV gehört zur Gruppe der Herpesviren und infiziert Epithe- der Selbst-Toleranz nicht durch das Immunsystem erkannt
lien und B-Zellen. Die Infektion von B-Zellen führt zur deren werden. Wegen genetischer und epigenetischer Veränderungen
Proliferation und Immortalisierung und kann in einigen Fällen kommt es allerdings zur Bildung einer Reihe von Antigenen,
13 Veränderungen auslösen, die die Entstehung eines Burkitt-Lym- die charakteristisch für Tumoren sind. Nur diese Antigene bie-
phoms zur Folge haben. In Afrika geschieht dies besonders ten eine Möglichkeit, vom Immunsystem wahrgenommen zu
14 häufig, wenn die Infektion zusammen mit Malaria auftritt. In werden und eine Immunreaktion gegen den Tumor auszulö-
den Industrienationen geht eine lymphoproliferative Erkran- sen. Dabei werden zwei Antigenarten unterschieden. Tumoras-
15 kung aufgrund von immunsupprimierender Therapie in vielen soziierte Antigene werden in anderer, meist höherer Zahl auf
Fällen auf eine reaktivierte EBV-Infektion zurück. Über EBV Tumorzellen exprimiert. Sie sind dennoch Selbst-Antigene, die
hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer onkogener Viren. Das auch auf anderen, gesunden Zellen des Körpers zu finden sind.
16 Kaposi-Sarkom ist eine Folge der Infektion mit dem HHV-8 Daher greifen bei diesen Antigenen auch die zentralen und pe-
(humanes Herpesvirus-8). HTLV (humanes T-lymphotropes ripheren Toleranzmechanismen, die eine Immunreaktion gegen
17 Virus) infiziert T-Helferzellen und fördert ihr Überleben und die Antigene erschweren oder verhindern. Im Gegensatz dazu
ihre Proliferation, was langfristig zu T-Zell-Leukämien führen gibt es auch tumorspezifische Antigene, also Antigene, die
kann. Außerdem wurde eine Assoziation der humanen Papil- entweder aus onkogenen Viren stammen, oder Antigene, die
18 lomviren (HPV) mit der Entstehung von Tumoren beobachtet. sich aufgrund von Mutationen der Selbst-Antigene, aus denen
Der bekannteste Zusammenhang ist hier eine Infektion mit den sie entstanden sind, so weit unterscheiden, dass gegen sie keine
19 HPV-Typen 16 und 18 mit dem viele Jahre später stattfindenden Toleranz besteht. Aufgrund der relativen genetischen Instabilität
Auftreten von Zervix- und Peniskarzinomen. von Tumorzellen kommt es, im Gegensatz zu normalen Zellen,
20 Auf der anderen Seite sind entzündliche Prozesse mit der ständig zur Entstehung neuer Antigene, die potenziell vom Im-
Entstehung von Tumoren verbunden. Die Hepatitisviren HBV munsystem wahrgenommen werden können. Daher ist es für
und HCV führen zu chronischer Hepatitis, die die Entstehung einen Tumor von Vorteil, dem Immunsystem möglichst wenig
21 von Leberkarzinomen fördert. Neben virusassoziierten Tumoren aufzufallen und keine Bedingungen zu schaffen, die Gefahr si-
ist Magenkrebs eine relativ häufige Erkrankung bei Patienten mit gnalisieren. Dies ist allerdings nicht immer möglich. Tumore
22 beeinträchtigtem Immunsystem. Hier gibt es eine Verbindung bilden Metastasen und dringen durch Gewebebarrieren. Diese
zwischen Entzündungen der Magenschleimhaut, Magenge- Vorgänge lösen Entzündungen aus und bleiben daher dem Im-
schwüren und Infektionen mit Helicobacter pylori. Auch chroni- munsystem nicht verborgen. Wenn Tumorantigene im Zusam-
23 sche Entzündungen, die nicht mit Krankheitserregern assoziiert menhang mit einer solchen Entzündungsreaktion präsentiert
sind, können die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von werden, kann eine effektive Immunreaktion gegen diese Anti-
Krebs erhöhen. Eine chronische Entzündung der Lunge aufgrund gene entstehen.
11.2  •  Mechanismen der immunologischen Tumorabwehr
169 11

.. Tab. 11.1  Pathogeninduzierte Krebserkrankungen

Pathogen Krebsart Mechanismus

HIV Kaposi-Sarkom, Lymphome Ausschalten der CD4+-T-Helferzellen, dadurch Beeinträchti-


gung der Abwehr onkogener Viren wie HHV-8

HHV-8 Kaposi-Sarkom Entzündung

HTLV T-Zell-Leukämie Infektion von CD4+-T-Helferzellen führt zu gesteigerter Proli-


feration und Überleben

EBV Burkitt-Lymphom, Nasopharynx-Karzinom, Hodgkin-Lym- Verstärkte Proliferation und Immortalisierung von B-Zellen,
phom, lymphoproliferative Erkrankungen bei Immunsup- Befall von Epithelzellen
pression

HBV/HCV Leberkarzinom Auslösen chronischer Hepatitis

HPV Gebärmutterhalskrebs Virale Proteine E6 und E7 verhindern Apoptose und stimulie-


ren die Zellteilung

Helicobacter pylori Magenkrebs Entzündung der Magenschleimhaut

.. Abb. 11.1  Mechanismen der immunologischen


Erkennung und Angriff Erkennung und Angriff
Tumorabwehr. Es gibt vier Mechanismen, durch die das
durch NK-Zellen durch CTL
Immunsystem entartete Zellen bekämpfen kann. Eine
ausbleibende Interaktion inhibierender Liganden wie KIR
MHC-I-Moleküle mit KIR-Rezeptoren (grün) oder die Inter-
aktion aktivierender Liganden wie MICA mit NKG2D (rot) NKG2D
führen zur Erkennung und Vernichtung durch NK-Zellen.
CTL greifen Tumorzellen an, wenn sie auf der Oberfläche
MICA
einen Komplex aus MHC-I-Molekül und Tumorantigen
erkennen. Zusätzlich gibt es antikörpervermittelte Mecha-
nismen, wie die antikörperabhängige Cyto­toxizität (ADCC)
nach Erkennung gebundener Antikörper durch CD16 auf
NK-Zellen oder Makro­phagen, oder Lyse der Tumorzellen
durch Komplementaktivierung

antikörpervermittelte
ADCC Komplementlyse

11.2 Mechanismen der immunologischen Zelle (ADCC, antibody-dependent cell-mediated cytotoxicity).


Tumorabwehr Darüber hinaus kommt es durch die Aktivierung des klassi-
schen Komplementweges zur komplementvermittelten Lyse von
Die Tumorabwehr entspricht weitgehend der Immunreaktion Tumorzellen.
gegen intrazelluläre Erreger. Sie basiert auf mehreren Mecha- Eine weitere Zellpopulation, die von besonders großer Be-
nismen (. Abb. 11.1). Die Erkennung und Vernichtung von deutung für die Abwehr von Tumorzellen ist, sind die NK-Zel-
Tumorzellen durch cytotoxische T-Lymphocyten (CTL) erfolgt len. Um der Erkennung und Tötung durch CTL zu entgehen,
durch die Präsentation von Tumorantigenen auf MHC-I-Mole- regulieren viele Tumorzellen die Antigenpräsentation auf ihrer
külen, gefolgt von der Degranulierung der CTL und der Apop- Oberfläche herunter, sodass sie von den CTL nicht mehr er-
tose der Tumorzelle (▶ Kap. 5). Wie bei den meisten Immunre- kannt werden. Dies führt zu einer verminderten Expression von
aktionen ist die Immunantwort gegen Tumoren aber nicht die „Selbst“-Molekülen, insbesondere MHC-Molekülen der Klasse I.
alleinige Aufgabe einer einzelnen Zellpopulation, sondern ein Dieses missing self wird aber wiederum von NK-Zellen erkannt,
Zusammenspiel von mehreren Zelltypen. Auch T-Helferzellen die dadurch zum Angriff der betreffenden Zellen angeregt wer-
und die Antikörperproduktion durch B-Zellen tragen zur Tu- den. Zusätzlich wird aufgrund einer malignen Transformation
morabwehr bei, wenn auch in einem geringeren Maße als die in vielen Fällen MICA (major histocompatibility complex class I
CTL. Wenn NK-Zellen oder Makrophagen über den Rezeptor chain related A) auf der Zelloberfläche hochreguliert. MICA ist
CD16 an die Oberfläche von Tumorzellen gebundene Antikör- ein Ligand für den aktivierenden Rezeptor NKG2D auf NK-Zel-
per erkennen, führt dies zu einem Angriff auf die markierte len, der ebenfalls zur Erkennung von Tumorzellen beiträgt.
170 Kapitel 11 • Tumorimmunologie

1
2
3
4
5
6
.. Abb. 11.2  Selektion von Tumorzellen durch das Immunsystem. Tumore bestehen nicht aus einer einheitlichen Art von Zellen, sondern aus einem Ge-
7 misch verschiedener Zellen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Zusätzlich tritt eine hohe Mutationsrate auf, sodass ständig neue Zellen mit leicht veränder-
ten Eigenschaften entstehen. Da diese aufgrund der Angriffe des Immunsystems einem ständigen Selektionsdruck ausgesetzt sind, können sich Zellen, denen
es gelingt, dem Immunsystem möglichst wenig Angriffsmöglichkeiten zu bieten, besonders gut vermehren. Auf diese Weise wird durch die Immunreaktion
8 der Tumor in einer Weise verändert, sodass seine Zellen schlechter erkannt und vernichtet werden können. In dieser Abbildung ist die protektive Veränderung
am Beispiel der hellgrauen Zellen dargestellt, die kein MHC-I-Molekül mehr auf ihrer Oberfläche präsentieren

9
11.3 Abwehrmechanismen der Tumore wicklung hat. In der ersten, der Eliminierungsphase, werden ent-
gegen das Immunsystem
10 stehende Tumorzellen durch Zellen des Immunsystems erkannt
und vernichtet. Die darauf folgende Gleichgewichtsphase be-
Tumore entstehen nicht nur in immunsupprimierten Patienten ginnt, wenn keine vollständige Vernichtung der transformierten
11 oder bei älteren Menschen, deren Immunsystem eine vermin- Zellen mehr möglich ist. Das Tumorwachstum wird aber noch
derte Leistungsfähigkeit aufweist (▶ Kap. 14). Manche Tumore durch das Immunsystem verhindert. Die Interaktion zwischen
12 schaffen es, sich dem Zugriff des intakten und voll funktionsfä- Tumor und Immunsystem befindet sich in einem dynamischen
higen Immunsystems zu entziehen. Dafür brauchen sie Abwehr- Gleichgewicht, bei der jede Seite versucht, die Oberhand zu ge-
mechanismen, um sich vor der Immunantwort zu schützen. In winnen. In der dritten Phase entkommt der Tumor der Überwa-
13 vielen Fällen, in denen Tumore bei Patienten beobachtet werden, chung durch das Immunsystem. Durch Selektionsprozesse haben
hat sich bereits Toleranz gegen die Tumorantigene sowohl auf sich die dafür erforderlichen Eigenschaften entwickelt. Erst in
14 Ebene der CD4+- als auch CD8+-T-Zellen entwickelt. Die anti- dieser Phase werden Tumoren klinisch beobachtbar. Daher ist in
genspezifischen T-Zellen sind zwar vorhanden, es kommt aber vielen Fällen die immunologische Toleranz gegen die Tumoranti-
15 zu keiner Immunreaktion. Es scheint auf den ersten Blick unver- gene bereits entwickelt, wenn die Erkrankung sich manifestiert.
ständlich, dass das Immunsystem einerseits eine zentrale Rolle Die wesentlichen Beispiele für tumorale Abwehrmechanismen
in der Tumorabwehr spielen soll, andererseits aber viele Tumore gegen das Immunsystem sind in den folgenden Abschnitten und
16 nicht effektiv vom Immunsystem beseitigt werden können. Dazu in . Abb. 11.3 zusammengefasst.
muss man berücksichtigen, dass Tumore aus sich schnell teilen-
17 den Zellen bestehen, die durch die Angriffe des Immunsystems
einem ständigen Selektionsdruck ausgesetzt sind (. Abb. 11.2). Verminderung der Antigenpräsentation
Nur die Tumoren, bei denen Mechanismen auftreten, durch die
18 sie der Immunüberwachung entgehen, können sich überhaupt Tumorantigene werden durch ihre Präsentation auf MHC-Mole-
so weit entwickeln, dass sie klinisch bemerkbar werden. Alle an- külen der Klasse I von CTL erkannt. Es gibt zahlreiche Beispiele,
19 deren werden bereits vorher vom Immunsystem vernichtet und in denen Tumorzellen eine stark verminderte oder vollständig
treten nie in Erscheinung. Auch wenn es den Eindruck erweckt, fehlende Expression von MHC-I-Molekülen haben. Dies kann
20 dass sich Tumore dem Zugriff des Immunsystems durch gezielte darauf basieren, dass beladene MHC-I-Moleküle nicht mehr an
Veränderungen zu entziehen versuchen, ist dies nicht zutreffend. die Zelloberfläche gelangen oder dass β2-Mikroglobulin deletiert
Die den Verteidigungsmechanismen zugrunde liegenden Mutati- oder mutiert ist. Die Effekte können aber auch bereits früher an-
21 onen entstehen spontan. Das bedeutet, dass es sich nicht um eine setzen, beispielsweise am Proteasom oder den TAP (transporter
bewusste Verteidigungsstrategie des Tumors handelt, sondern associated with antigen processing), die die Fragmente ins endo-
22 durch die Interaktion mit der Immunabwehr werden vorteilhafte plasmatische Reticulum bringen, wo sie auf MHC-I-Moleküle
Mutationen ausgewählt. geladen werden.
Eine Theorie, die die Interaktion zwischen Tumoren und dem Neben der verhinderten Präsentation von Tumorantigenen
23 Immunsystem beschreibt, ist das sogenannte Immun-Editing. Es können diese auch verlorengehen. Das Genom von Tumorzellen
wird in drei Phasen eingeteilt und besagt, dass die Immunreak- ist deutlich instabiler als das normaler Zellen. Die Wahrschein-
tion gegen den Tumor einen erheblichen Einfluss auf seine Ent- lichkeit, dass ein Epitop durch Mutation oder Verlust vom Im-
11.4  •  Immunologische Ansätze der Tumortherapie
171 11
.. Abb. 11.3  Abwehrmechanismen von Tumoren gegen
das Immunsystem. a) Ein wesentlicher Mecha­nismus zur
Abwehr von Tumoren ist die Vernichtung durch cytotoxi­
sche T-Zellen. b) Es existieren vier Gruppen von Mechanis-
men, durch die Tumoren sich vor dem Angriff der T-Zellen
schützen können. Dies sind eine verminderte Antigenprä-
sentation (beispielsweise durch fehlende MHC-I-Moleküle),
die Freisetzung von tolerogenen Mediatoren wie TGF-β, die
die Immunreaktion schwächen, eine Rekrutierung regulato-
rischer Zellen (unter anderem Treg) und die Induktion von
Apoptose durch FAS/FASL

verminderte
Rekrutierung Antigenpräsentation
regulatorischer
Induktion von Zellen
Apoptose Freisetzung von
tolerogenen
Mediatoren

FAS
Treg TGF-β
FAS
L

munsystem nicht mehr erkannt wird, ist relativ hoch. Da das Im- (myeloid-derived suppressor cells) gefunden, antiinflammatorisch
munsystem diese Zellen daraufhin schlechter eliminiert, können wirkende myeloische Zellen wie Makrophagen, Granulocyten
sie sich aufgrund von Veränderungen der vom Immunsystem und DC, die die Aktivität von T-Zellen unterdrücken.
erkannten Tumorantigene bevorzugt vermehren.

Aktiver Angriff gegen T-Zellen


Tolerogene Umgebung
Ein weiterer Mechanismus, durch den Tumore aktiv einer Ver-
Zahlreiche Tumoren verfügen über Strategien, mit denen sie nichtung durch Zellen des Immunsystems entgegenwirken
immunologische Toleranz auslösen und so verhindern, dass sie können, basiert auf der Interaktion von FAS (TNF receptor
durch das Immunsystem angegriffen werden. Unter anderem superfamily, member 6) mit seinem Liganden, FASL. T-Effek-
bedienen sich die Tumorzellen dabei bestimmter Cytokine. Die torzellen exprimieren auf ihrer Oberfläche FAS. Über FAS
Produktion von TGF-β durch zahlreiche Tumore ist ein wichti- können die T-Zellen zur Apoptose veranlasst werden. Dies
ger tolerogener Mechanismus. TGF-β vermindert die Entzün- ist ein normaler Mechanismus zur Reduktion der T-Zell-Zahl
dungsreaktion und induziert Toleranz in T-Zellen. So wird an- nach Beendigung einer adaptiven Immunreaktion, durch den
stelle einer Immunreaktion gegen ein Tumorantigen Toleranz die T-Zell-Homöostase wiederhergestellt wird. Diesen Mecha-
ausgelöst. In ähnlicher Weise wirkt auch das ebenfalls von vielen nismus können Tumore ausnutzen, wenn ihre Zellen auf der
Tumoren produzierte Cytokin IL-10. Es ist antiinflammatorisch Oberfläche den FASL exprimieren. Sie können sich gegen einen
und unterdrückt die Aktivierung von DC, sodass es nicht zu ei- Angriff der CTL wehren, indem sie diese Zellen vorzeitig in die
ner aktivierenden, sondern einer tolerogenen Präsentation von Apoptose treiben.
Tumorantigenen kommt.
Ein anderer Mechanismus basiert auf dem Enzym Indola-
min-2,3-Dioxygenase (IDO). Die IDO katalysiert den Abbau 11.4 Immunologische Ansätze
der Aminosäure Tryptophan, und in verschiedenen Tumorarten der Tumortherapie
konnte eine erhöhte Expression von IDO nachgewiesen werden.
Tryptophanmangel beeinträchtigt insbesondere die Funktion von Man unterscheidet benigne, also gutartige Tumore, die langsam
T-Zellen, und Tumoren können durch die Produktion von IDO wachsen und nicht invasiv sind, von den bösartigen (malignen)
die antigenspezifische Proliferation von T-Zellen unterdrücken. Tumoren. Letztere erfordern aufgrund ihrer zerstörerischen Wir-
Auffällig ist, dass regulatorische Zellen in einigen Tumoren kung eine möglichst wirksame Behandlung, und es gibt zahlrei-
in hoher Zahl gefunden werden. Dies deutet an, dass regulato- che Therapieansätze, bei denen versucht wird, das Immunsys-
rische Zellen von Tumoren aktiv rekrutiert werden. Zusätzlich tem gegen maligne Tumore zu mobilisieren. In den vergangenen
zu regulatorischen T-Zellen wurden in Tumoren auch MDSC Jahren hat sich das Verständnis der immunologischen Vorgänge
172 Kapitel 11 • Tumorimmunologie

bei der Tumorentstehung und Tumorabwehr deutlich erweitert. Impfungen


1 Dennoch hat dies nicht wie erhofft zur Entwicklung von Thera-
pien geführt, bei denen durch eine gezielte Modulation des Im- Da Tumorantigene das Ergebnis spontaner Mutationen sind,
2 munsystems ein Durchbruch in der Krebsbehandlung ermöglicht weisen Tumore unterschiedliche Antigene auf. Daher ist eine
worden wäre. Eine Reihe von neuen Ansätzen wird im Moment prophylaktische Impfung, wie sie bei Infektionskrankheiten an-
verfolgt und befindet sich in den verschiedenen Stadien der kli- gewendet wird, gegen Tumorantigene nicht möglich. Nur gegen
3 nischen Tests. Beispiele für einige dieser Therapien werden im tumorauslösende Infektionen ist eine vorbeugende Immunisie-
Folgenden kurz dargestellt. Es zeichnet sich aber immer mehr ab, rung durchführbar. In allen anderen Fällen müsste die Impfung
4 dass es keine Behandlung geben wird, die alleine eine Aussicht den Antigenen eines bereits existierenden Tumors angepasst
auf Heilung verspricht. Vielmehr könnte eine Kombination aus werden.
5 mehreren verschiedenen Behandlungen, sowohl immunologisch
„Klassische“ Immunisierungen
als auch nichtimmunologisch, eingesetzt werden, die zusammen
eine bessere Wirkung bei der Therapie maligner Erkrankungen Eine Schwierigkeit der Immunisierung gegen Tumoren, im Ge-
6 haben können. gensatz zu Pathogenen, ist, dass bereits eine Toleranz gegen die
Die Immuntherapie war bei der Bekämpfung von soliden Antigene vorliegt. Diese Toleranz muss gebrochen werden, um
7 Tumoren bislang wenig erfolgreich, was darauf hindeutet, dass effektiv gegen Tumorantigene zu immunisieren. Prinzipiell kom-
das Immunsystem nicht in der Lage ist, einen ausgewachsenen men mehrere Immunisierungsarten zur Anwendung. Ein tumor­
Tumor wirksam anzugreifen. Ein Punkt, bei dem immunologi- assoziiertes Antigen kann entweder als Protein- oder DNA-Vak-
8 sche Therapieansätze hilfreich sein könnten, ist die Bekämpfung zine verabreicht werden. Außerdem gibt es virale Vektoren, in die
von Mikrometastasen. Diese sind winzige Reste von Tumoren, ein Tumorantigen eingebaut wurde. Sie infizieren Epithelzellen,
9 die nach einer Therapie im Körper zurückbleiben und dann zur von denen einige sterben, und deren Überreste werden, zusam-
Wiederkehr der Tumore führen. Daher wäre eine Immunthera- men mit Gefahrensignalen (PAMP) der viralen Infektion, von
10 pie nach Entfernung eines Tumors durch chirurgische Eingriffe, APC aufgenommen und präsentiert. Im Rahmen dieser Infektion
Chemo- oder Strahlentherapie sinnvoll, um diese restlichen kommt es zu einer Immunantwort, in deren Verlauf auch gegen
Krebszellen zu vernichten. das Tumorantigen gerichtete Lymphocyten aktiviert werden.
11 Alternativ kann das Antigen innerhalb von professionellen
APC verabreicht werden. Dafür werden üblicherweise aus Mo-
12 Immunologische Auswirkungen nocyten des Patienten stammende DC hergestellt, mit dem Anti-
konventioneller Therapien gen beladen und dann als autologes Transplantat in den Patienten
zurückgegeben, um eine Immunisierung gegen das Antigen zu
13 Chemotherapie und Strahlentherapie wirken nicht alleine durch erzeugen. Um eine effektive Immunisierung zu erreichen, müs-
die Schädigung der Tumorzellen. Ein Beitrag zum Therapieerfolg sen die APC aktiviert werden. Üblicherweise werden die Zellen
14 kommt auch vom Immunsystem. Die bei der Therapie getöteten dafür mit inflammatorischen Cytokinen behandelt. Eine andere
Zellen können von APC aufgenommen und ihre Antigene prä- Strategie verfolgt die Injektion der Zellen in entzündetes Gewebe,
15 sentiert werden. Wenn dies in einer entzündlichen Umgebung er- um eine physiologischere Aktivierung und Wanderung in die
folgt, kommt es zu einer Antigenpräsentation, bei der eine wirk- drainierenden Lymphknoten zu erreichen. Obwohl der Einsatz
same Immunreaktion ausgelöst werden kann. In diesem Fall ist von DC-Vakzinen in der Theorie überzeugend klingt, sind die
16 ein nekrotischer Zelltod von größerem Vorteil als Apoptose, da bisher dadurch erzielten therapeutischen Resultate allerdings
die Präsentation von Antigenen in einem entzündlichen Zusam- hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
17 menhang zu einer Immunaktivierung führt. Als Beleg für eine Der Einsatz einer Impfung, die nur auf ein einzelnes Antigen
Aktivierung des Immunsystems bei konventioneller Therapie gilt abzielt, birgt das Risiko, dass der Tumor diese Eigenschaft verliert,
die Beobachtung, dass eine lokalisierte Bestrahlung einzelner anstatt von der Immunreaktion vernichtet zu werden. Daher ist es
18 Tumoren auch zu einer Verminderung der Metastasengröße an sicherer, gleichzeitig gegen diverse Antigene zu immunisieren, da
anderer Stelle im Körper führen kann. die Wahrscheinlichkeit für den gleichzeitigen Verlust mehrerer
19 Außer der besseren Antigenpräsentation führt die Schädi- Antigene deutlich geringer ist. Der Einsatz von autologen, durch
gung der Tumorzellen auch zur Freisetzung oder Präsentation Bestrahlung abgetöteten Tumorzellen ist eine Möglichkeit, um
20 von Proteinen, die eine Immunreaktion fördern. Stress auf- mehrere relevante Tumorantigene gleichzeitig zu verabreichen.
grund von Chemotherapie führt zur Expression von Proteinen Zusätzlich können diese Zellen noch gentechnisch modifiziert
wie MICA auf der Tumorzelloberfläche. Wie bereits erwähnt, werden, damit sie GM-CSF exprimieren, um dadurch DC anzu-
21 wird dieses Protein als aktivierender Ligand vom Rezeptor locken und auszureifen. Der Vorteil dieser Vakzine ist, dass sie
NKG2D auf NK-Zellen wahrgenommen. Weiterhin wird aus optimal zum Patienten und dessen Tumorantigenen passt. Solche
22 sterbenden Tumorzellen HMGB1 (high mobility group box 1) Vakzine sind aber ausgesprochen aufwendig in der Herstellung
freigesetzt, was als endogener Ligand den TLR-4 aktiviert. Dies und in der Anwendung daher sehr begrenzt. Deshalb werden auch
hat eine Reifung von DC und die gesteigerte Expression co- auf Tumorzelllinien basierende allogene Impfstoffe getestet, die
23 stimulierender Moleküle zur Folge. Daher ist die Erkennung zwar nicht die spezifischen Tumorantigene eines Patienten aufwei-
von HMGB1 durch TLR-4 auf DC wichtig für die Aktivierung sen, aber eine Reihe von charakteristischen Proteinen, die mögli-
tumorspezifischer CTL. cherweise auch eine Immunantwort gegen den Tumor auslösen.
11.4  •  Immunologische Ansätze der Tumortherapie
173 11
Impfung gegen tumorauslösende Viren folgt über CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte antigen 4 = CD152),
Bei Tumoren, die aufgrund einer Infektion mit Viren entstehen, das, ebenso wie CD28, an die costimulierenden B7-Moleküle
kann durch eine Impfung gegen die entsprechenden Virusan- (CD80 und CD86) bindet, aber daraufhin inhibierende Signale
tigene daher auch einer Tumorentstehung vorgebeugt werden. an die T-Zelle weiterleitet. Ein weiteres Einsatzgebiet monoklo-
Die erste Impfung gegen ein Virus mit bekanntem tumorauslö- naler Antikörper basiert daher auf einem CTLA-4-spezifischen
sendem Potenzial war gegen Hepatitis B gerichtet, sie trägt zur Antikörper (Ipilimumab) zur Blockade von CTLA-4 und seines
Verhinderung von chronischer Hepatitis und dem daraus unter inhibierenden Effekts.
Umständen resultierenden Leberkrebs bei. Das bekannteste Bei-
spiel für eine Schutzimpfung gegen Tumore ist aber sicherlich
die vor einigen Jahren eingeführte Impfung gegen die humanen T-Zell-basierte Therapien
Papillomviren (HPV). Für die grundlegende Beobachtung, dass
HPV Gebärmutterhalskrebs auslösen können, wurde Harald zur Ziel von Impfungen im Rahmen einer Krebstherapie ist eine
Hausen im Jahr 2008 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die bei- Vermehrung von T-Zellen, die gegen Tumorantigene gerichtet
den Hochrisikotypen HPV-16 und -18 sind mit 70 % der Ge- sind. Darüber hinaus gibt es aber auch Versuche, tumorspezifi-
bärmutterhalstumoren assoziiert. Daher wird seit einigen Jahren sche T-Zellen zu gewinnen, außerhalb des Körpers durch IL-2 zu
versucht, durch eine Impfung gegen diese HPV-Typen bei jungen vermehren und danach in den Patienten zurückzugeben. Dazu
Mädchen einer unter Umständen viele Jahre später, daraus resul- gehören die sogenannten LAK (lymphokine-activated killer cells),
tierenden Tumorbildung vorzubeugen. autologe T- und NK-Zellen aus dem peripheren Blut, von denen
auch einige gegen Tumorantigene gerichtet sind. Neuere Ansätze
Passive Immunisierung versuchen, direkt aus Tumoren gewonnene TIL (tumor infiltra-
Eine weitere Möglichkeit der Therapie maligner Erkrankungen ting lymphocytes) zu verwenden, um eine höhere Ausbeute an
ist die passive Immunisierung mit monoklonalen Antikörpern Zellen gegen Tumorantigene zu erhalten. T-Zellen alleine sind
gegen Antigene, die spezifisch oder zumindest vorwiegend, auf allerdings noch keine Garantie für eine Immunreaktion gegen
der Oberfläche entarteter Zellen vorkommen. Der Vorteil ist, Tumore. In vielen Tumoren werden T-Zellen gefunden, die aber
dass auch Antikörper gegen Selbst-Proteine gegeben werden nicht reaktiv sind. Hier wäre es notwendig, zunächst die Tole-
können, gegen die das Immunsystem tolerant ist. Durch ver- ranz gegen die Antigene zu brechen, um eine Immunantwort
schiedene Mechanismen können diese Antikörper dann zur auszulösen. Ein anderer Ansatz ist daher die Verminderung der
Tumorbekämpfung beitragen. Dazu gehören eine Blockierung Treg. Die Gabe von monoklonalen Antikörpern gegen Marker für
oder Neutralisierung der Antigene, die Aktivierung des Kom- Treg, beispielsweise CD25, soll dabei zur Inaktivierung oder einem
plementsystems und ADCC (antibody-dependent cell-mediated Abbau der Treg führen, sodass die übrigen für die Tumorantigene
cytotoxicity) durch CD16 auf NK-Zellen und Makrophagen. Zu- spezifischen T-Zellen wieder aktiviert werden. Da Treg allerdings
sätzlich dienen diese Antikörper der Opsonisierung, durch die auch von entscheidender Bedeutung für die Verhinderung von
Tumorantigene besser von professionellen APC aufgenommen Autoimmunerkrankungen sind, kann es bei dieser Therapie zu
und zur Aktivierung an T-Zellen präsentiert werden können. An- erheblichen Nebenwirkungen kommen.
dererseits können Antikörper auch genutzt werden, um gezielt
Substanzen wie radioaktive Stoffe oder cytotoxische Verbindun-
gen an den Tumor zu binden und ihn dadurch zu schädigen. Unspezifische Aktivierung des Immunsystems
Häufig verwendete Antigene, gegen die monoklonale Anti-
körper eingesetzt werden, sind der B-Zell-Marker CD20 (An- Ein wesentliches Problem bei der Immunisierung gegen Tu-
tikörper: Rituximab) bei Non-Hodgkin-Lymphom und CLL morantigene ist es, ein ausreichend starkes zweites Signal zur
(chronisch lymphatische Leukämie) oder HER2 (human epi- T-Zell-Aktivierung zu erzeugen, damit es nicht zur Bildung von
dermal growth factor receptor  2) (Antikörper: Trastuzumab), Anergie oder Toleranz kommt. Daher werden in einigen Thera-
da dieser Rezeptor eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von pieansätzen lokal Substanzen verabreicht, die die Immunreaktion
Wachstumssignalen bei Brustkrebs spielt. Bei der passiven Im- entsprechend verstärken sollen. Eine Möglichkeit ist die Akti-
munisierung werden aber nicht nur Antikörper gegen Bestand- vierung von TLR. Dabei wird Imiquimod, ein Ligand für den
teile von Tumorzellen eingesetzt. Bei größer werdenden Tumoren TLR-7, eingesetzt, um Warzen und verschiedene Formen von
ist die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff ein Vorgang, Hautkrebs zu behandeln. Eine ähnliche Funktion hat die absicht-
der die Bildung neuer Blutgefäße, die sogenannte Angiogenese, liche Infektion mit BCG (Bacille Calmette-Guérin) beim Blasen-
erfordert. Ein wesentlicher Faktor für die Angiogenese ist VEGF krebs. Nach der chirurgischen Entfernung des Tumors wird BCG
(vascular endothelial growth factor). Daher können Antikörper injiziert, um eine örtlich begrenzte entzündliche Reaktion in der
gegen VEGF (Antikörper: Bevacizumab, Ranibizumab) verwen- Blasenwand auszulösen. Bei der entstehenden Immunreaktion
det werden, um die Angiogenese zu unterbinden und so das wei- werden vermutlich auch Zellen gegen im Patienten verbliebene
tere Wachstum des Tumors zu erschweren. Tumorantigene aktiviert, wodurch das Risiko für eine Remission
In vielen Fällen führt der Kontakt mit Tumorantigenen nicht deutlich vermindert wird.
zu einer Abwehrreaktion. Beispielsweise kann eine aktive Immu- Man kann sich auch der Botenstoffe des Immunsystems be-
nisierung aufgrund der bereits bestehenden Toleranz wirkungs- dienen, um eine Immunmodulation zu erreichen. Verschiedene
los bleiben. Ein wesentlicher Aspekt dieser Negativregulation er- Cytokine werden in der Tumortherapie eingesetzt, darunter
174 Kapitel 11 • Tumorimmunologie

IFN-α, das erhöhte Präsentation von MHC-I-Molekülen verur-


1 sacht, oder IL-2, das die Proliferation von T-Zellen auslöst. Darü-
ber hinaus wird TNF-α verwendet, um bei örtlicher Behandlung
2 Weichteilsarkome zu therapieren.

3 Stammzelltransplantation

4 In vielen Fällen von Leukämie beruht die Therapie auf einer


Abtötung aller hämatopoetischen Zellen, gefolgt von der Über-
5 tragung von Knochenmark eines gesunden Spenders. Dabei kann
es zu Rückfällen kommen, wenn die Leukämiezellen nicht voll-
ständig vernichtet wurden. Normalerweise achtet man bei einer
6 Transplantation von Knochenmarkstammzellen auf eine mög-
lichst hohe Übereinstimmung der Gewebemerkmale (▶ Kap. 12).
7 Die Wahrscheinlichkeit für Rückfälle bei Leukämien ist bei auto-
logen Transplantationen allerdings höher als bei allogenen. Das
basiert auf einer graft versus leukemia genannten Reaktion, bei
8 der sich die transplantierten Zellen gegen die verbliebenen Zellen
des Empfängers richten und damit zur Eliminierung von verblie-
9 benen Leukämiezellen beitragen.

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16
17
18
19
20
21
22
23
175 12

Transplantation
Hajo Haase

12.1 Immunologische Basis der Gewebeverträglichkeit   –  178


12.2 Abstoßungsreaktionen – 183
12.3 Verhinderung der Abstoßung  –  185
Literatur – 186

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
176 Kapitel 12 • Transplantation

Im Fall des kompletten Funktionsverlusts eines lebenswichtigen onen. Erfolgt beispielsweise der Einbau des funktionierenden
1 Organs ist es in vielen Fällen möglich, das defekte Organ durch Gens durch den Einsatz von Retroviren, setzen diese das Gen
Transplantation eines funktionierenden zu ersetzen (. Tab. 12.1). unkontrolliert ins Genom der Zielzelle ein. Es kann also sein,
2 Dies gelang beim Menschen erstmals im Jahr 1954, als erfolgreich dass dabei ein Protoonkogen betroffen ist, also ein Gen, das an
eine Niere verpflanzt wurde. In diesem Fall fand die Übertragung Zellwachstum und -teilung beteiligt ist, und auf diese Weise ma-
zwischen eineiigen Zwillingen statt. Im Gegensatz dazu ergibt ligne Veränderungen hervorgerufen werden. Daher wird heut-
3 sich bei genetisch unterschiedlichen Individuen ein immunolo- zutage in den meisten Fällen der Gentransfer durch Adenoviren
gisches Problem. Wir haben in den vorherigen Kapiteln bereits vorgenommen.
4 gesehen, dass das Immunsystem effizient zwischen Selbst und Bei den transplantierten Organen kann es sich um eine Le-
Fremd unterscheiden kann. Dies gilt auch für transplantierte Or- bendspende handeln, bei der eine Niere, ein Teil der Leber oder
5 gane, obwohl die genetischen Unterschiede zwischen Empfänger Knochenmark von einem freiwilligen Spender zur Verfügung
und Spender sehr viel geringer sind als beispielsweise zwischen gestellt wird. In der Mehrzahl der Fälle stammen die Transplan-
Mensch und einem beliebigen infektiösen Pathogen. Es kommt tate allerdings von Verstorbenen. Diese Organe sind natürlich
6 zu einer Immunreaktion, bei der das Immunsystem des Empfän- nicht unbegrenzt haltbar. In . Tab. 12.1 ist die Kaltischämiezeit
gers sich gegen das Transplantat richtet und es dadurch so stark angegeben, die sich zwischen den einzelnen Organen deutlich
7 schädigt, dass es seine Funktion verliert. Dies wird als Transplan- unterscheidet. Sie gibt an, wie lange ein Organ außerhalb der
tatabstoßung bezeichnet. Blutzirkulation bei optimaler, gekühlter Lagerung in einem Zu-
Wie . Tab. 12.1 zeigt, sind die Erfolgsaussichten einer stand bleibt, in dem es noch mit zufriedenstellender Aussicht auf
8 Transplantation je nach Organ unter­schiedlich und es besteht Erfolg transplantiert werden kann.
ein Restrisiko, dass das Transplantat nicht einmal ein Jahr lang Für die Kombination aus Spender und Empfänger kommen
9
10
funktioniert. Auch nach über einem Jahr besteht immer noch die
Möglichkeit einer Abstoßungsreaktion. Aus diesem Grund sind
Transplantationen nur dann eine Option, wenn die zu ersetzen-
den Organe terminal geschädigt sind und andere Behandlungs-
-
verschiedene genetische Konstellationen in Frage (. Abb. 12.1):
Eine autologe Transplantation (auch autogene Trans-
plantation genannt) ist die Übertragung von Geweben
innerhalb desselben Individuums, beispielsweise bei der
maßnahmen keinen Erfolg versprechen. Verpflanzung von Haut von einer Stelle des Körpers an eine
11 Zusätzlich zu den in . Tab. 12.1 aufgeführten Organen kön- andere. Da Zellen des Empfängers verwendet werden, hat
nen auch Dünndarm und einzelne Gewebe, wie Hornhaut des das Transplantat alle Eigenschaften von „Selbst“ und wird
12 Auges, Sehnen und Knochen, transplantiert werden. Immuno- aufgrund der Selbst-Toleranz vom Immunsystem nicht als

13
logisch besonders relevant ist die Transplantation von hämat-
opoetischen Stammzellen. Quelle für diese Zellen ist entweder
das Knochenmark oder die hämatopoetischen Stammzellen
werden durch die Gabe von GM-CSF mobilisiert und danach
- Angriffsziel erkannt.
Eine isogene Transplantation (auch isologe oder syngene
Transplantation genannt) ist eine Übertragung von Orga-
nen oder Geweben zwischen zwei genetisch identischen
14 als CD34+- und CD133+-Zellen aus dem peripheren Blut ge- Individuen. Beim Menschen ist dies die seltene Konstella-
wonnen. Bei vielen angeborenen Immundefekten (▶ Kap. 16), tion einer Transplantation zwischen eineiigen Zwillingen.
15 aber auch bei einer Reihe von Leukämien ist die Transplanta- Im Tiermodell kann dies zu Forschungszwecken häufiger
tion von gesunden Stammzellen die einzige Möglichkeit, bei der Fall sein, wenn Inzuchtstämme verwendet werden,
einem Patienten eine funktionsfähige Immunabwehr herzu- deren Vertreter genetisch identisch sind. Immunologisch
16 stellen. Darüber hinaus erfordert die Therapie einiger solider ist diese Art der Transplantation unproblematisch, da das
Tumoren eine Behandlung mit hochdosierter Chemotherapie Transplantat keine Merkmale enthält, die nicht auch beim
17
18
oder Bestrahlung, bei der alle proliferierenden Gewebe beein-
trächtigt werden, inklusive der hämatopoetischen Stammzellen
im Knochenmark. In diesem Fall werden vor Therapiebeginn
Stammzellen isoliert und nach der Behandlung in den Patienten
- Empfänger vorhanden sind.
Bei der allogenen Transplantation (auch homologe
Transplantation genannt) findet die Über­tragung zwi-
schen zwei genetisch unterschiedlichen Vertretern
zurückgegeben. derselben Spezies statt. Da es in den meisten Fällen nicht
19 Eine Indikation für Stammzelltransplantationen sind Gen- möglich ist, einen genetisch identischen Organspender
defekte, die Ausfälle einer oder mehrerer Leukocytenpopula- zu finden, ist dies die bei Weitem häufigste Form der
20 tionen verursachen, beispielsweise die Adenosin-Desaminase Transplantation. Das Transplantat wird vom Immunsys-
(▶ Kap. 16). Es ist in diesem Fall nicht nur möglich, die defekten tem als fremdes Gewebe erkannt, und es kommt zu einer
Stammzellen durch voll funktionsfähige Zellen eines Spenders Immunreaktion, die in der Regel mit einer Transplantat-
21 zu ersetzen. Bei einem anderen Ansatz wird die funktionierende abstoßung endet. Daher ist bei allogenen Transplantatio-
Version dieses Gens in die hämatopoetischen Stammzellen des nen normalerweise eine lebenslange Immunsuppression
22
23
Patienten eingebracht, sodass man dem Patienten seine eigenen
„reparierten“ Stammzellen zurückgeben kann. Dabei gibt es
keine Probleme mit einer Transplantatabstoßung, da es sich um
ein (nahezu) genetisch identisches Transplantat handelt. Den-
- erforderlich.
Bei der Xenotransplantation (auch heterologe Trans-
plantation genannt) wird ein Organ in einen Organis-
mus einer anderen Spezies übertragen. Der Vorteil einer
noch ist diese Art der Transplantation nicht ohne Komplikati- Verwendung von nicht-menschlichen Transplantaten (z. B.
Kapitel 12 • Transplantation
177 12

.. Tab. 12.1  Häufig transplantierte Organe

Organ Anzahl Beispiele für Indikationen 1-Jahres-Erfolgsrate Maximale Kalt­


ischämiezeit

Niere 65.326 Diabetische Nephropathie, Nephroangiosklerose, Glome- Ca. 95 % 36 Stunden


rulopathien

Leber 16.469 Leberzirrhose aufgrund chronischer Hepatitis, Gallengang- Ca. 80 % 16–24 Stunden
atresie, angeborene Stoffwechseldefekte, hepatozelluläres
Karzinom

Herz 10.210 Kardiomyopathien, koronare Herzerkrankung im Endsta- Ca. 80 % 4 Stunden


dium

Lunge 3230 Mukoviszidose, Lungenfibrose > 70 % 6 Stunden

Pan­kreas 2816 Typ-1-Diabetes mit schweren Komplikationen Ca. 40–80 % 12 Stunden

Die Anzahl bezieht sich auf die insgesamt zwischen 1963 und 2009 durchgeführten Organ­transplantationen in Deutschland. Die Erfolgsraten (Zahl
der Transplantate, die ein Jahr nach der Transplantation noch funktionieren) sind aktuell gültige Werte, basierend auf dem gegenwärtigen Stand der
Immunsuppression. Die Kaltischämiezeit gibt an, wie lange ein Organ ohne Blut­zirkulation bei optimaler, gekühlter Lagerung bis zur Transplantati-
on aufbewahrt werden kann.

.. Abb. 12.1  Transplantationsarten. Je nach genetischer


Autotransplantation Isotransplantation
Übereinstimmung von Spender und Empfänger gibt es un-
terschiedliche Arten der Transplantation. Die Autotransplan-
tation wird innerhalb eines Individuums durchgeführt, wie
eineiiger eineiiger
im hier gezeigten Beispiel die Transplantation von Haut des
Zwilling Zwilling
Ober­schenkels auf den Unterarm. Bei der Isotransplantation
wird die Übertragung zwischen zwei genetisch identischen
Individuen vorgenommen (eineiigen Zwillingen). Bei der
Allotransplantation findet die Übertragung zwischen zwei
genetisch unterschiedlichen Individuen derselben Spezies
statt. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Xeno­
transplantation um die Übertragung von Gewebe zwischen

Vertretern unterschiedlicher Spezies (  Exkurs 12.1)

Allotransplantation Xenotransplantation

aus Schweinen) liegt in der nahezu unbegrenzten Verfüg- körper gegen Oberflächenproteine der fremden Spezies
barkeit von Spenderorganen, die im Falle der allogenen vorhanden sind. Hinzu kommen das fehlende „Selbst“
Transplantation immer noch unzureichend ist. Viele und ein Mangel an Proteinen, die die Koagulation und
potenzielle Organempfänger sterben, da nicht rechtzeitig die Komplementreaktion regulieren. Eine denkbare
ein passendes Spenderorgan zur Verfügung steht. Das Lösung wären transgene Tiere, bei denen unter anderem
Problem bei einer Xenotransplantation ist allerdings menschliches HLA auf der Zelloberfläche präsentiert
die große Zahl an Fremd-Antigenen, die diese Organe wird, die menschliche Komplementregulatorproteine wie
enthalten, was zu einer extrem starken Abstoßungsreak- CD46 und CD55 exprimieren und bei denen die stark
tion führt. Beispielsweise führt die Transplantation eines immunogenen Oberflächenproteine entfernt wurden.
normalen Schweine­herzens in einen Primaten innerhalb Erste Versuche in dieser Richtung wurden bereits unter-
von Minuten zu einer Abstoßung, da im Empfänger Anti­ nommen und zeigten, dass dieser Weg prinzipiell zum
178 Kapitel 12 • Transplantation

Exkurs 12.1: Xenotransplantation: Utopie oder bald schon klinische Realität?  |       | 


1
Der Mangel an geeigneten Spenderorganen ferase (α1,3-GT) erzeugt. Aufgrund einer weis unterschiedlicher Pathogene sind bereits
2 ist ein wesentliches Hindernis bei der Weiter-
entwicklung der klinischen Transplantation.
Mutation ist das α1,3-GT-Gen beim Menschen
inaktiv, sodass humane Zellen keine α1,3-Gal-
entwickelt worden und können zur Testung
von Geweben eingesetzt werden, die für eine
Dieses Problem könnte unter anderem durch Epitope aufweisen. Die Tatsache, dass jeder Transplantation in Betracht kommen.
3 Verwendung tierischer statt menschlicher
Organe behoben werden. Aus verschiedenen
Mensch hohe Antikörpertiter gegen diese
Epitope besitzt, ist daher auf die Exposition
Eine klinische Xenotransplantation ist na-
türlich nur dann sinnvoll, wenn hiermit auch
Gründen wird das Schwein als die hierfür am gegenüber der mikrobiellen Umwelt zurück- ein wirksamer Funktionsersatz im Menschen
4 besten geeignete Spenderspezies angesehen. zuführen. Wie oben erwähnt, ist das Auslösen erreicht wird. Die Leber produziert eine große
Aufgrund der gewaltigen immunologischen der Komplementkaskade durch Bindung von Zahl von Enzymsystemen, die überwiegend
Hürden, die in einer solchen diskordanten anti-Gal-Antikörpern ein wesentlicher Effek- artspezifisch sind. Die Verwendung von
5 Kombination zu überwinden sind, galt die tormechanismus der hyperakuten Abstoßung. Schweinelebern für die klinische Transplanta-
klinische Xeno­transplantation lange Zeit als Die Erzeugung von transgenen Schweinen, die tion dürfte daher mit vielfältigen physiologi-
nicht realisierbar. Insbesondere durch den Ein- humane Inhibitoren der Komplementaktivie- schen Problemen behaftet sein und kommt
6 satz von molekular­biologischen Techniken und rung exprimieren (z. B. CD55/DAF, CD46/MCP), nach dem derzeitigen Wissensstand kaum in
der damit verbundenen Möglichkeit, Schweine war vor ca. 15 Jahren ein erster Durchbruch, Betracht. Aussichtsreicher erscheint dagegen
gentechnisch zu ver­ändern, haben sich in um die hyperakute Abstoßung zu verhindern. die Transplantation von Herz oder Niere, da die
7 den letzten Jahren jedoch Lösungsansätze Herzen von CD55/DAF-transgenen Schweinen mit physiologischer Inkompatibilität einherge-
ergeben, die zu einer neuen Ein­schätzung der überlebten in Empfängeraffen mehr als einen henden Probleme hierbei weniger ausgeprägt

8 Situation führten.
Welche immunologischen Probleme müssten
Monat, während normale Herzen bereits nach
wenigen Stunden abgestoßen wurden. Ein
sein sollten. Eine Therapieform, die in abseh-
barer Zeit klinisch eingesetzt werden könnte,
gelöst werden, damit Zellen und/oder Organe weiterer Schritt, die hyperakute Abstoßung zu ist die Transplantation von insulinproduzieren-

9 vom Schwein im Menschen überleben und


funktionieren können? Im unbehandelten
verhindern, war die gentechnische Ausschal-
tung der α1,3-GT im Schwein. Damit gelang es,
den Langerhans-Inseln zur Behandlung von
Diabetes-Patienten. Es wurden bereits einigen
Primaten oder bei der Perfusion eines Schwei- porzine Gewebe zu erzeugen, die keine α1,3- Patienten in klinischen Studien Inselzellen
10 neorgans mit menschlichem Blut kommt es
durch präformierte Antikörper und die Akti-
Gal-Epitope exprimieren und somit keine Ziel-
strukturen für die präformierten Antikörper.
vom Schwein transplantiert. Aufgrund der
kleinen Fallzahlen kann eine weitergehende
vierung der Komplementkaskade regelmäßig Zur Vermeidung der akut vaskulären und Bewertung dieser Therapie derzeit noch nicht
11 zu einer hyperakuten Abstoßung. Wenn es
gelingt, diesen Mechanismus auszuschalten,
zellulären Abstoßung sind ebenfalls Konzepte
entwickelt und entsprechende transgene
vorgenommen werden. Die Tatsache, dass bei
einigen dieser Patienten eine vorübergehende
entwickelt sich jedoch innerhalb von Tagen Schweine erzeugt worden. Es wird erwartet, Insulinunabhängigkeit beobachtet worden ist,
12 eine akut vaskuläre Abstoßung. Hierbei spielt dass die akut vaskuläre Abstoßung durch Über- weist jedoch auf das große klinische Potenzial
die komplementunabhängige Aktivierung expression von endothelprotektiven Molekü- der xenogenen Inselzelltransplantation hin.
der porzinen Endothelzellen eine wesentliche len (z. B. HO-1, A20) kontrolliert werden kann,
13 Rolle. An das aktivierte Endothel können na- während durch Überexpression anderer hu-
türliche Killerzellen (NK Zellen) und Makropha- maner Regulatormoleküle (z. B. CD152/CTLA-
gen binden und in das Transplantat einwan- 4; HLA-E) im Schwein eine Aktivierung von
14 dern. Wenn hyperakute und akut vaskuläre T- bzw. NK-Zellen des Empfängers verhindert
Abstoßung überwunden sind, folgt als nächste werden soll. Die Wirksamkeit dieser Ansätze
Barriere die durch T-Lymphozyten vermittelte wird derzeit in präklinischen Xenotransplanta-
15 zelluläre Abstoßung, die sehr wahrscheinlich tionsmodellen (pig to primate) getestet.
heftiger ist als bei der Allotransplantation. Für die klinische Nutzbarkeit von Xenotrans-

16 Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur klini-


schen Xenotransplantation war die Aufklärung
plantaten wird es von essenzieller Bedeutung
sein zu klären, welches Risiko für den Emp-
der pathophysiologischen Zusammenhänge fänger besteht, im Zuge einer Übertragung

17 der hyperakuten Abstoßung. Überraschender-


weise zeigte sich hierbei, dass die präformier-
von porzinen Geweben durch Pathogene (z. B.
porzine endogene Retroviren, PERV) infiziert
ten Antikörper praktisch immer gegen das zu werden. Um dieses Risiko zu minimie-
18 gleiche Epitop gerichtet sind, ein Disaccharid
aus zwei Galactosemolekülen, die an der
ren, wird unter anderem die Möglichkeit in
Betracht gezogen, die PERV-Expression in Prof. Dr.  rer. nat. Reinhard Schwinzer
α1,3-Position verknüpft sind (Gal-α1,3-Gal-Epi- potenziellen Spenderschweinen gentechnisch Transplantationslabor

19 top). Diese Epitope sind von den Bakterien bis


zu den Säugetieren sehr weit verbreitet und
zu unterdrücken oder Schweinerassen zu
verwenden, die PERV nur in geringem Umfang
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplan-
tationschirurgie
werden vom Enzym α1,3-Galactosyl-Trans- exprimieren. Sensitive Methoden zum Nach- Medizinische Hochschule Hannover
20
21 Erfolg führen kann. Es wird aber vermutlich noch relativ 12.1 Immunologische Basis
lange dauern, bis auf diese Weise ein dauerhaft toleriertes der Gewebeverträglichkeit
22 Xenotransplantat hergestellt werden kann. Aber auch
dann blieben noch Risiken. Beispielsweise könnten mit Eine Transplantation ist kein Vorgang, mit dem das Immunsys-
dem Transplantat auch endogene Retroviren der fremden tem normalerweise konfrontiert ist. Der einzige Kontakt, bei dem
23 Spezies übertragen werden. das Immunsystem mit Gewebe mit fremden Merkmalen in Kon-
takt kommen könnte, ist eine Schwangerschaft. Hier finden, wie
in ▶ Kap. 7 beschrieben, aufwendige Prozesse statt, durch die das
12.1  •  Immunologische Basis der Gewebeverträglichkeit
179 12
.. Abb. 12.2  Anzahl der theoretisch möglichen HLA-Pro-
teinkombinationen. Dargestellt ist eine Ab­schätzung der HLA-A HLA-B HLA-C
Vielfalt der HLA-Proteinkombinationen, die beim Menschen
theoretisch auftreten könnten. Sie basiert auf den Anzahlen Anzahl unterschiedlicher Proteine 1 119 1 601 750
der bisher bekannten wesentlichen HLA-Proteine der Klas-
se I (HLA-A, -B und -C) und Klasse II (HLA-DR, -DP und -DQ).
mögliche Kombinationen zweier 1 251 042 2 561 600 562 500
Proteine eines HLA-Typs
Durch die Kombinationsmöglichkeiten von jeweils zwei
Versionen eines Proteins (vererbt von Vater und Mutter)
theoretische Kombinationen
ergeben sich für jeden HLA-Typ zahlreiche Varianten. Für die
aller HLA-Klasse-I-Proteine 1,8 × 1018
Klasse II erhöht sich die Vielfalt noch zusätzlich, da väterli-
che und mütter­liche α- und β-Ketten der einzelnen Typen
miteinander kombiniert werden können. Auf diese Weise HLA-DR HLA-DQ HLA-DP
ergibt sich eine fast unbegrenzte Zahl an HLA-Konstellatio- α β α β α β
nen. Die Zahlen gelten allerdings für freie Kombinierbarkeit,
ohne Berücksichtigung des Kopplungsungleichgewichts Anzahl unterschiedlicher Proteine 2 738 26 103 16 127
und ethnischer Unter­schiede, durch die die Anzahl der in
der Realität auftretenden Kombinationen deutlich reduziert mögliche Kombinationen zweier α- 1 087 812 6 828 900 3 840 480
wird. Da unterschiedliche Allele in ihrer Gensequenz für und zweier β-Ketten eines HLA-Typs
identische HLA-Proteine codieren können, ist die Gesamt-
zahl an theoretisch möglichen Allelkombinationen sogar
theoretische Kombinationen
aller HLA-Klasse-II-Proteine 2,8 × 1019
noch höher

Gesamtzahl aller möglichen HLA-


Proteinkombinationen 5 × 1037
(Klasse I × Klasse II)

mütterliche Immunsystem in der Lage ist, die vom Vater stam- schiedene Allelvarianten dieser Gene vorkommen. Die Anzahl
menden fremden Gene des Fetus und der Plazenta zu tolerieren. an Polymorphismen ist bei den HLA-Genen außerordentlich
Das Immunsystem erkennt nach einer Transplantation nur, dass groß (. Abb. 12.2). Daher ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch,
es sich nicht um körpereigenes Gewebe handelt und stößt das dass ein transplantiertes Organ fremdes HLA aufweist, das vom
Transplantat durch eine Immunreaktion ab, obwohl es eigentlich Immunsystem des Empfängers erkannt werden kann. Eine voll-
im besten Interesse des Organismus wäre, das neue, lebenswich- ständige Übereinstimmung, ein sogenanntes full house match,
tige Organ zu verschonen. Schon früh wurde festgestellt, dass zwischen nicht genetisch verwandten Personen zu finden, sollte
dies auf einer Reihe von genetischen Unterschieden besteht und aufgrund dieser Wahrscheinlichkeiten so gut wie ausgeschlossen
dass es bestimmte Gene gibt, die die Gewebeverträglichkeit bei sein. Dies gelingt nur durch das Kopplungsungleichgewicht und
einer Transplantation maßgeblich beeinflussen. regionale Häufungen von HLA-Typen, die in bestimmten Bevöl-
kerungsgruppen überdurchschnittlich oft auftreten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Transplantat abgesto-
Der Haupthistokompatibilitätskomplex ßen wird, ist umso höher, je kleiner die Überein­stimmung der
HLA-Allele zwischen Spender und Empfänger ist. In Mausex-
Wie bereits bei der Antigenpräsentation in ▶ Kap. 4 besprochen, perimenten reichen Ab­weichungen von 1–3 Aminosäuren in ei-
gibt es eine Reihe von Molekülen, die auf der Zelloberfläche nem einzigen MHC-I- oder -II-Molekül, um eine Transplantat­
Antigene präsentieren. Da sie auch ein zentraler Faktor für die abstoßung hervorzurufen.
Gewebe­verträglichkeit bei Transplantationen sind, werden die Warum existieren mehrere Gene für jede HLA-Klasse und
für sie codierenden Gene als Haupthisto­kompatibilitätskomplex zusätzlich noch so viele verschiedene Allele, wenn dies doch die
(MHC, major histocompatibility complex) bezeichnet. Beim Men- Transplantation stark behindert? Zunächst einmal ist die Trans-
schen heißen sie HLA (human leukocyte antigen). MHC-Mole- plantation für die Evolution irrelevant, da sie erst seit relativ
küle der Klasse I befinden sich auf allen kernhaltigen Zellen des kurzer Zeit existiert. Darüber hinaus bietet ein umfangreiches
menschlichen Körpers und auf Thrombocyten. Aufgrund einer Repertoire von verschiedenen HLA-Molekülen Vorteile bei der
Polygenie sind beim Menschen auf Chromosom 6 gleich meh- Abwehr von Krankheitserregern. Nicht jedes HLA-Molekül ist in
rere Gene für MHC-I-Moleküle vorhanden, von denen drei, die der Lage, alle möglichen Peptide zu binden. Durch die Polyge-
sogenannten klassischen Moleküle, von besonderer Bedeutung nie kann ein Organismus mehrere verschiedene HLA-Moleküle
für Antigen­präsentation und Transplantation sind: HLA-A, einer Klasse haben und dadurch eine größere Vielfalt von prä-
HLA-B und HLA-C. Zusätzlich gibt es noch HLA der Klasse II, sentierbaren Antigenen abdecken. Die Polymorphismen haben
die auf professionellen antigenpräsentierenden Zellen (DC, Ma- eine ähnliche Funktion für die gesamte Spezies. So kann bei einer
krophagen, B-Zellen) sowie aktivierten T-Zellen, Endothelzellen Seuche ein Erreger, dessen wichtigste Antigene von einem be-
und Epithelzellen exprimiert werden. Auch hier gibt es eine Po- stimmten HLA-Molekül nur schlecht präsentiert werden, nicht
lygenie, durch die HLA-DR, HLA-DQ und HLA-DP existieren. die ganze Population vernichten; denn es gibt auch Individuen
Was die HLA bei Transplantationen so wichtig macht, ist die mit HLA-Molekülen, die mit dem Erreger besser klarkommen,
Tatsache, dass es Polymorphismen gibt. Das bedeutet, dass ver- sodass die Spezies insgesamt überlebt.
180 Kapitel 12 • Transplantation

1 Klasse I Klasse II
HLA-A HLA-DR

2 HLA-B
α β α β
HLA min. Anzahl max. Anzahl α
β
3 A
B
1
1
2
2 α
β
C 1 2 HLA-DQ
4 DR 1 2*
α
β
DQ 1 4 HLA-C α
5 DP 1 4
β

gesamt 6 16
6 α
β
β α
7 β α β α HLA-DP

8 .. Abb. 12.3  Coexpression der verschiedenen HLA-Typen. Die verschiedenen HLA-Allele von väter­lichem und mütterlichem Chromosom 6 (in blau und
rot) werden codominant exprimiert. Auf dem dargestellten Makrophagen sind also von jedem HLA-Allel der Klasse I jeweils zwei unterschiedliche Versionen
exprimiert, falls die Eltern nicht zufällig das gleiche Allel vererbt haben. Ähnliches gilt für die HLA-Allele der Klasse II, wobei hier auch α- und β-Ketten von
9 beiden Allelen kombiniert werden können, sodass sich die Vielfalt noch weiter erhöht. Daher hat jeder Mensch mindestens sechs (komplett homozygot) und
höchstens 16 (komplett heterozygot) verschiedene HLA-Moleküle.
*Es gibt nur drei unterschiedliche Allele für HLA-DRα, die für zwei Proteine codieren. Da diese sich nur in einer Aminosäure der Transmembrandomäne unter-
10 scheiden, wurden sie in der Rechnung nicht als unterschiedlich gezählt

11 Die Kombination aller Allele auf einem Chromosom nennt HLA-Allelen werden nicht in statistisch zufälligen Kombina-
man Haplotyp. Da die Gene im MHC relativ dicht zusammen- tionen vererbt; da sie zusammen auf einem Chromosom vor-
12 liegen, kommt es in der Regel nicht zu einem Austausch, sodass kommen, sind manche Kombinationen häufiger, andere dagegen
väterliche und mütterliche Allele der verschiedenen HLA-Gene seltener. Wenn es bei einem Crossing-over während der Meiose
jeweils zusammen auf einem Chromosom vererbt werden. Chro- allerdings zu einem Austausch von Teilen des Chromosoms 6
13 mosom 6 ist ein Autosom, daher erbt jeder Mensch von seinen kommt, können dabei neue Allelkombinationen entstehen.
Eltern zwei Haplotypen. Sie werden codominant exprimiert; das
14 heißt, dass auf den Zellen jeweils alle vom Vater und von der Immunisierung gegen MHC-Moleküle
Mutter vererbten HLA-Typen vorhanden sind (. Abb. 12.3). Es gibt zwei Wege, auf denen T-Zellen eines Spenders gegen
15 Es gibt daher bei den meisten Menschen sechs verschiedene MHC-Moleküle eines Transplantats sensibilisiert werden kön-
HLA-Molekülarten der Klasse I (jeweils zwei HLA-A, -B und nen (. Abb. 12.5). Zum einen gibt es in den transplantierten
-C). Es können aber auch weniger sein, falls von Vater und Mut- Organen antigenpräsentierende Zellen (APC), die spender­
16 ter identische HLA-Allele ererbt wurden. Bei den HLA-Mole- eigene Peptide auf ihren eigenen MHC-Molekülen präsentie-
külen der Klasse II ist eine noch größere Vielfalt möglich. Sie ren. Zum anderen können MHC-Moleküle abgebaut und ganz
17 bestehen aus zwei Ketten, und bei HLA-DQ beziehungsweise normal von körpereigenen professionellen APC aufgenommen
HLA-DP können die α- und β- Ketten von väterlichen und müt- und auf MHC-II-Molekülen (durch Kreuzpräsentation auch auf
terlichen Allelen eines Gens jeweils untereinander kombiniert MHC-I-Molekülen) präsentiert werden.
18 werden. Beim HLA-DR gibt es nur drei unterschiedliche Allele Die Phase direkt nach der Transplantation ist von besonderer
für die α-Kette, die für zwei sich nur unwesentlich unterschei- Bedeutung für die Immunisierung gegen Antigene des Spenders.
19 dende Proteine codieren. Daher gibt es für HLA-DRα faktisch Unabhängig vom Ursprung der APC würde die Präsentation an
keinen Polymorphismus. Dafür enthalten viele HLA-DR aber naive T-Zellen ohne ein costimulierendes Signal nicht zu einer
20 noch eine zusätzliche β-Kette, was die möglichen Kombinationen Immunreaktion, sondern zur Anergie der T-Zellen führen. Es
wiederum erhöht. gibt allerdings mehrere Einflüsse, durch die ein zweites Signal
Wie in . Abb. 12.4 gezeigt, liegt die Übereinstimmung zwi- zustande kommt. Bei der Transplantation wird die Blutversor-
21 schen einem Elternteil und einem Kind immer bei 50 % der Al- gung des Transplantats unterbrochen (Ischämie), und erst im
lele, nämlich dem gemeinsamen Chromosom. Bei Geschwistern Spenderorganismus wieder aufgenommen (Reperfusion). Dabei
22 gibt es dagegen mehrere Kombinationsmöglichkeiten, sodass sie kommt es zur Aktivierung von Toll-ähnlichen Rezeptoren, die
mit 25%iger Wahrscheinlichkeit komplett identische Haplotypen hierbei aber nicht auf molekulare Strukturen von Pathogenen,
haben, es aber ebenso häufig keine Übereinstimmung gibt. sondern auf körpereigene Signale wie das Hitzeschockprotein 70
23 Eine weitere Folge des relativ seltenen Austauschs zwischen und HMGB1 (high mobility group box 1) reagieren. Zusammen
MHC-Genen auf zwei Chromosomen ist das so genannte Kopp- mit dem chirurgischen Trauma führt dies zur Produktion von
lungsungleichgewicht. Verschiedene Kombinationen von proinflammatorischen Cytokinen und zur Bildung reaktiver
12.1  •  Immunologische Basis der Gewebeverträglichkeit
181 12

HLA-DR7

HLA-DR7 HLA-DR7

.. Abb. 12.4  Vererbung der HLA-Eigenschaften. Insgesamt kann es durch die möglichen Kombinationen aus den vier verschiedenen Varianten der
elterlichen Chromosomen 6 (zwei vom Vater (blau), zwei von der Mutter (rot)) auch vier mögliche Kombinationen für die HLA-Haplotypen der Kinder geben.
Geschwister können dabei jeweils gar keine Übereinstimmungen haben, können aber auch komplett die gleichen HLA-Haplotypen haben. Zwischen Eltern
und Kindern gibt es immer eine 50%ige Über­ein­stimmung. Dargestellt ist die Vererbung verschiedener Allele am Beispiel von HLA-A und HLA-DR

Immunisierung durch Thymus Thymus Thymus Peripherie Peripherie Peripherie Ort


Spender-APC selbst selbst selbst selbst selbst selbst T-Zelle
selbst selbst selbst selbst selbst fremd MHC
ja
ja ja Antigen
nein ja (sehr nein
(niedrigaffin) (hochaffin) passend für TCR
hochaffin)
MHC
ja nein ja ja (nein) ja
passend für TCR

Antigen + Antigen + Antigen-


MHC-dominant
… … MHC MHC dominant Bindung
(Alloreaktivität)
Immunisierung durch Muster (Normalfall) (Normalfall) (Sonderfall)
Empfänger-APC

a b
.. Abb. 12.5  T-Zell-Reaktionen auf fremdes HLA. a) Fremdes HLA kann an T-Zellen auf zwei Weisen präsentiert werden, die beide zu einer Aktivierung führen.
Zum einen als vollständiges HLA mit gebundenem Selbst-Antigen des Spenders auf APC, die aus dem Transplantat stammen (linke Seite, blau umrandete
APC). Die so aktivierten T-Zellen erkennen einen Komplex aus HLA und einem Selbst-Peptid des Spenders, der in seiner 3D-Struktur empfängereignem HLA
mit Fremd-Peptid ähnelt. Zum anderen können die fremden HLA-Moleküle durch APC des Empfängers aufgenommen, prozessiert und als Peptidfragmente
(blau) auf dem empfängereigenen HLA (braun) als Antigen präsentiert werden (rechte Seite). Die so aktivierten T-Zellen erkennen Antigene, wenn sie auf
HLA-präsentiert werden, die beim Empfänger vorkommen. b) Die direkte Interaktion eines TCR mit fremden MHC-Molekülen leitet sich aus der T-Zell-Ent-
wicklung ab. Während der Entwicklung wird auf eine mittlere Affinität selektiert, die auf einer relativ hohen Affinität zu eigenen MHC-Molekülen und einer
niedrigen Affinität zum Selbst-Antigen beruht. Eine Immunreaktion wird dann ausgelöst, wenn das Selbst-Antigen durch ein Fremd-Antigen ausgetauscht
wird, wofür eine hohe Affinität besteht. Wie oben erwähnt, kann diese 3D-Struktur des eigenen MHC-Moleküls plus Fremd-Antigen der Struktur des fremden
MHC-Moleküls mit einem dem eigenen Selbst sehr ähnlichen Peptid weitgehend entsprechen, da die polymorphen Strukturen der MHC-Moleküle sehr nahe
der Antigenbindungsstelle sind. Dieses Phänomen tritt überwiegend bei MHC-II-Inkompatibilitäten auf, die man deshalb auch in der gemischten Lymphocy-
tenkultur erkennen kann. Direkte MHC-I-Reaktionen treten hingegen nur bei einer Antigendominanz auf
182 Kapitel 12 • Transplantation

Sauerstoffspezies. Diese können zur Reifung von DC beitragen, ausschlag­gebender Faktor. Die langfristige Überlebensrate des
1 die daraufhin costimulierende Oberflächenmoleküle exprimie- Transplantats korreliert aber klar mit dem Grad der HLA-Über-
ren und so eine adaptive Immunantwort gegen die Alloantigene einstimmung zwischen Spender und Empfänger.
2 auslösen. Das Cytokinmilieu in dieser Phase beeinflusst die
entstehende Immunreaktion. Wesentlich für die Transplantat-
abstoßung ist das TH1-Cytokin IFN-γ sowie TNF-α und TNF-β, Weitere bei Transplantationen relevante
3 denn die Balance zwischen TH1- und TH17-Zellen auf der einen Antigene
und den Treg auf der anderen Seite reguliert das Ausmaß der Im-
4 munreaktion. Dabei hat das Cytokin TGF-β eine ambivalente Transplantate HLA-identischer Geschwister überleben sig-
Rolle. Zum einen vermindert es die Immunreaktion als wesent- nifikant länger als Organe, die HLA-Merkmale tragen, die im
5 liches Cytokin der Tregs. Zusammen mit IL-6 kann es aber auch Empfänger nicht vorkommen. Trotzdem können auch 100 %
die Bildung von TH17-Zellen fördern. HLA-identische Transplantate vom Immunsystem des Empfän-
gers abgestoßen werden. Dies zeigt, dass es zusätzlich zu den
6 Untersuchung der Gewebeverträglichkeit MHC-Genen noch eine Reihe weiterer Gene gibt, deren Un-
Es gibt verschiedene Testverfahren, um die Kompatibilität zwi- terschiede (Polymorphismen) bei Transplantationen relevant
7 schen Spender und Empfänger zu ermitteln. Die Übereinstim- sind. Dazu gehören im Prinzip alle immunogenen Strukturen,
mung der HLA von Spender und Empfänger wird durch die die sich bei Spender und Empfänger unterscheiden. Eine beson-
HLA-Typisierung festgestellt. Sie erfolgt entweder serologisch dere Rolle spielen die Blutgruppen, deren Name daher stammt,
8 oder durch eine Testung der DNA mittels PCR (polymerase chain dass sie auf der Oberfläche von Erythrocyten entdeckt wurden,
reaction), wobei die zweite Methode heutzutage bevorzugt wird. die aber auf den meisten Körperzellen exprimiert werden. In-
9 Dabei haben die verschiedenen HLA einen unterschiedlichen zwischen kennt man zahlreiche Blutgruppen. Von besonderer
Einfluss auf die Abstoßungsreaktion. Die wichtigste Überein- Bedeutung ist das AB0-System, das zu Beginn des 20. Jahrhun-
10 stimmung ist die zwischen den HLA-DR-Typen, gefolgt von derts von Karl Landsteiner entdeckt wurde; Landsteiner wurde
HLA-B und HLA-A. für seine Arbeiten auf diesem Gebiet 1930 mit dem Nobelpreis
Beim serologisch durchgeführten Crossmatch wird Serum ausgezeichnet. Das AB0-System basiert auf der codominanten
11 des Empfängers mit Zellen des potenziellen Spenders zusammen- Vererbung der beiden Antigenmerkmale A und B. Dadurch ent-
gebracht. Bereits beim Empfänger existierende Antikörper gegen stehen vier Blutgruppen, je nachdem, ob jemand nur eines der
12 HLA, aber auch gegen die im Folgenden besprochenen Blutgrup- Antigene (A oder B), beide (AB) oder gar keines (0) hat. Die An-
penantigene, können hierbei in Anwesenheit von Komplement zu tigene A und B sind Zuckerstrukturen. Da diese Strukturen auch
einer Zelllyse führen. Da die von diesen Antikörpern ausgelöste auf Bakterien vorkommen, werden Menschen dagegen in den
13 Immunreaktion zu einer sehr schnellen Transplantatabstoßung ersten Lebenswochen immunisiert und haben danach in ihrem
führt und nur schwer zu unterdrücken ist, gilt ein positiver Cross- Plasma Antikörper (so genannte Isohämagglutinine) gegen die
14 match als Ausschlusskriterium für eine Transplantation. Merkmale A oder B, sofern sie diese nicht selbst exprimieren und
Die MLR (mixed lymphocyte reaction, auch als MLC, mixed die Antikörperbildung deshalb durch Toleranz verhindert wird.
15 lymphocyte culture bezeichnet) ist eine Methode, bei der die Nicht gegen alle Blutgruppen sind von Natur aus Antikörper
T-Zell-Reaktion gemessen wird. Dabei werden zum Test auf eine vorhanden. Beispielsweise basiert das Rhesus-System auf einem
host versus graft-Krankheit (host versus-graft-disease, HvGD) Protein, gegen das der Mensch normalerweise nicht immunisiert
16 Lymphocyten aus dem peripheren Blut des Empfängers zusam- ist. Daher haben Personen, die dieses Protein nicht haben (Rh−),
men mit bestrahlten Lymphocyten des Spenders kultiviert. Soll im Regelfall keine Antikörper gegen das Rhesus-Antigen, können
17 bei einer MLR auf graft versus host-Krankheit (graft-versus-host- diese aber nach einem Kontakt bilden.
disease, GvHD) getestet werden, wird die Reaktion mit intakten Werden die AB0-Merkmale bei einer Transfusion von Ery-
Lymphocyten des Spenders und bestrahlten Lymphocyten des throcytenkonzentraten nicht beachtet, kann es zu einer Transfu-
18 Empfängers durchgeführt. Die bestrahlten Lymphocyten sind tot, sionsreaktion kommen, wenn die transfundierten Erythrocyten
präsentieren aber noch ihr unverändertes HLA auf der Oberflä- Antigene tragen, die der Empfänger nicht hat. Bei der intrava-
19 che. Dies führt bei den intakten T-Lymphocyten zu deren Proli- salen hämolytischen Transfusionsreaktion kommt es zu einer
feration, wenn es von ihrem T-Zell-Rezeptor erkannt wird. Die Antigen-Antikörper-Reaktion, bei der die transfundierten Ery-
20 Stärke der Proliferation in der MLR ist ein Maß für die nach einer throcyten innerhalb der Blutgefäße verklumpen (agglutinieren)
Transplantation zu erwartende Abstoßungsreaktion. und lysiert werden (. Abb. 12.6). Sie wird durch Isohämaggluti-
Solche Tests sind zeitaufwendig. Dies ist bei Lebendspenden nine vom IgM-Typ ausgelöst. Bei größeren Erythrocytenmengen
21 in den meisten Fällen kein Problem, da sich das Spenderorgan endet eine solche Hämolyse tödlich. Daher ist der sogenannte
in seiner natürlichen Umgebung befindet. Stammen die Trans- Bedside-Test vor jeder Transfusion zwingend vorgeschrieben, bei
22 plantate jedoch von Verstorbenen, ist die Zeit bis zur Transplan- dem die AB0-Blutgruppe des Empfängers noch einmal bestätigt
tation ein entscheidender Faktor für deren Erfolg (. Tab. 12.1). wird (. Abb. 12.7).
Hier muss zwischen der geringeren Kaltischämiezeit und einer Die verzögert ablaufende extravasale hämolytische Trans-
23 besseren HLA-Verträglichkeit abgewogen werden. Aufgrund der fusionsreaktion basiert auf irregulären Antikörpern, beispiels-
immunsuppressiven Therapie ist die HLA-Überein­stimmung in weise IgG-Antikörpern gegen Rhesus-Antigene. Die Antikörper
den ersten Jahren nach einer Transplantation kein besonders binden an die Oberfläche der transfundierten Erythrocyten, wo-
12.2 • Abstoßungsreaktionen
183 12

Spender Anti-A Anti-B Anti-A + Anti-B

A B AB 0

Blutgruppe AB
A

Blutgruppe B
B
Empfänger

AB
.. Abb. 12.7  Bedside-Test. Vor jeder Transfusion muss die Blutgruppe des
Empfängers durch einen Bedside-Test bestätigt werden. Bei dem hier verwen-
deten Testverfahren wird Blut mit Antikörpern gegen die Antigene A (links), B
(Mitte) oder gegen beide Antigene (rechts) vermischt. In allen Fällen, in denen
ein zu den Antikörpern passendes Antigen vorhanden ist, kommt es zur
0
Agglutination. Das obere Beispiel zeigt die Reaktion im Falle der Blutgruppe
AB (Agglutination in allen drei Fällen). Das untere Beispiel zeigt die Reaktion
auf die Blutgruppe B (keine Agglutination bei A, da diese Antigene nicht
vorhanden sind)
.. Abb. 12.6  Kompatibilität der Blutgruppen bei Erythrocytentransfusi-
onen. Dargestellt sind die möglichen Kombinationen der AB0-Blutgruppen
von Spender und Empfänger. In den Fällen, in denen es bei einer Transfusion
12.2 Abstoßungsreaktionen
von Erythrocyten in dieser Konstellation zu einer Transfusionsreaktion käme,
ist agglutiniertes Blut dargestellt
Hinsichtlich der Stärke der entstehenden Abstoßungsreakti-
raufhin diese Zellen zum Abbau außerhalb der Blutzirkulation onen gibt es Unterschiede zwischen den transplantierten Or-
markiert werden. ganen. Die Leber beispielsweise kommt in Kontakt mit vielen
Man bezeichnet Personen der Blutgruppe 0 als Universal- Antigenen aus der Nahrung, gegen die Toleranz notwendig ist,
spender für Erythrocyten, da auf ihren Zellen keine Antigene und bietet daher eine Umgebung, in der eher immunologische
vorhanden sind, an die Antikörper binden könnten. Im Gegen- Toleranz gegen neue Antigene entstehen kann. Daher wirkt im
zug sind Personen mit der Blutgruppe AB Universalempfänger, Allgemeinen ein Lebertransplantat weniger stark immunisie-
da sie beide Merkmale haben und man ihnen somit Erythrocyten rend als ein Herz- oder Nierentransplantat. Prinzipiell können
beider Merkmale transfundieren kann. Meistens wird bei dieser zwei unterschiedliche Arten der Abstoßung auftreten. Zum
Einteilung auch noch der Rhesus-Faktor berücksichtigt, da es einen kann das Immunsystem des Empfängers sich gegen das
bei Rhesus-inkompatibler Transfusion zu einer Immunisierung transplantierte Gewebe richten. Dies wird als HvGD bezeichnet.
kommen würde. Demzufolge wäre der Universalspender 0 Rh− Zum anderen ist es aber auch möglich, dass sich transplantierte
und der Universalempfänger AB Rh+. Immunzellen gegen den Organismus des Empfängers richten,
Die Merkmale A und B befinden sich nicht nur auf der Ober- was als GvHD bezeichnet wird. Die GvHD ist von besonderer
fläche von Erythrocyten, sondern unter anderem auch auf den Bedeutung bei der Knochenmarktransplantation, bei der im-
Endothelien der Blutgefäße, sodass die AB0-Blutgruppe bei ei- munkompetente Zellen übertragen werden. Die Abstoßung
ner Organtransplantation von großer Bedeutung ist. Diese An- von Allotransplantaten beruht dabei vorwiegend auf T-Zellen.
tigene können, insbesondere bei Niere und Herz, Ursache für An der Immunreaktion sind aber meistens auch Antikörper
die unten erwähnte hyperakute Abstoßung sein. Daher ist eine beteiligt, und es kommt im weiteren Verlauf zur Aktivierung
AB0-Inkompatibilität in der Regel ein Ausschlusskriterium für zusätzlicher Zelltypen, insbesondere von Makrophagen. Die
eine Transplantation. Das Vorkommen von Isohämagglutininen verschiedenen Reaktionen, durch die das Immunsystem eine
gegen ein Spenderorgan sollte auch beim Crossmatch zu einer Transplantatabstoßung herbeiführt, können in mehrere Kate-
positiven Reaktion führen. Das AB0-System induziert dagegen gorien eingeteilt werden (. Tab. 12.2). Diese Einteilung basiert
keine Reaktion in der MLC. Diese Reaktion basiert auf Lym- vorwiegend auf dem zeitlichen Verlauf der Immunreaktion.
phocyten, und da eine Präsentation der unterschiedlichen Koh- Dabei sind die immunologischen Vorgänge bei der späteren
lenhydratstrukturen auf APC zur Aktivierung naiver T-Zellen Abstoßungsreaktion (beschleunigt bis chronisch) nicht immer
nicht möglich ist, gibt es nur IgM-Antikörper, aber keine anderen gleich, und die Stärke der Beteiligung der einzelnen Kompo-
Antikörperklassen, CTL oder T-Helferzellen gegen die Antigene nenten des Immunsystems kann sich zwischen einzelnen Fällen
A oder B. deutlich unterscheiden.
184 Kapitel 12 • Transplantation

1 .. Tab. 12.2 Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen

Abstoßung Einsetzen der Mechanismus


2 Abstoßungs­reaktion

Hyperakut Innerhalb weniger Durch bereits im Empfängerorganismus vorhandene Antikörper kommt es zu einer komplementver-

3 Minuten mittelten Reaktion auf das Transplantat

Be­schleunigt 2–5 Tage Reaktivierung bereits vorhandener allogenspezifischer T-Zellen oder B-Gedächtniszellen

4 Akut 6–90 Tage Aktivierung naiver T-Zellen und B-Zellen

Chronisch > 2 Monate Kombination aus immunologischer und nicht-immunologischer Schädigung des Transplantats

5 Immun­patho­ > 2 Monate Wiederauftreten einer (immunpathologischen) Grunderkrankung, die eine Transplantation erforder-
logisch lich gemacht hatte

6
.. Abb. 12.8  Hyperakute Abstoßungsreaktion nach
Nierentransplantation. Dargestellt sind Glomeruli einer
7 gesunden Niere (a) und einer Niere nach einer hyperakuten
Abstoßungsreaktion (b). Die Ab­stoßung führt zu deutlichen

8 strukturellen Veränderungen. (Bilder freundlicherweise zur


Verfügung gestellt von Prof. Dr. Jürgen Flöge.)

9
10
11
12
13
14 Bei der hyperakuten Abstoßung binden bereits im Serum munsystems beteiligt. Dazu gehören direkte, zellvermittelte Toxi-
des Empfängers vorhandene Antikörper an Antigene auf den En- zität durch T-Zellen und indirekte Effekte durch deren Cytokine.
15 dothelien der Blutgefäße des Transplantats. Daraufhin kommt Weiterhin können Antikörper beteiligt sein, was zur Aktivierung
es zur Aktivierung von Komplement über den klassischen Weg von Komplement, aber auch einer Aktivierung von ADCC (anti-
mit Schädigung des Gewebes und Anlockung neutrophiler Gra- body-dependent cell-mediated cytotoxicity) durch NK-Zellen und
16 nulocyten. Im weiteren Verlauf werden Thrombocyten aktiviert Makrophagen über CD16 führen kann. Normalerweise haben
und Blutgefäße blockiert. Nach dem Einsetzen einer hyperakuten Transplantatempfänger keine bestehende Immunisierung gegen
17 Abstoßungsreaktion gibt es keine Therapiemöglichkeit, und das fremdes HLA, die zu einer beschleunigten Abstoßung führen
Transplantat wird zerstört (. Abb. 12.8). Die Vorgänge beginnen würde. Dies kann aber auftreten, wenn es beispielsweise durch
sofort nach Beginn der Versorgung des Organs mit Empfänger- eine Bluttransfusion, eine vorherige Transplantation oder eine
18 blut und schädigen das Transplantat innerhalb von Minuten. Schwangerschaft bereits in der Vergangenheit zu einem Kontakt
Durch Plasmapherese vor einer Transplantation kann eine hy- mit den fremden Gewebemerkmalen gekommen ist. Daher gibt
19 perakute Abstoßung verhindert werden. So ist es auch möglich, es bei der Transplantation eines Organs von einem Kind auf des-
AB0-inkompatible Transplantationen durchzuführen, auch wenn sen Mutter ein erhöhtes Risiko für eine beschleunigte Abstoßung.
20 dies nur selten gemacht wird. Obwohl es zur Nachbildung der Die akute Abstoßung entspricht einer normalen Immun-
Antikörper kommt, die im Transplantat Komplement aktivieren, reaktion, basierend auf einer Kombination aus B- und T-Zellen.
führt dies nicht mehr zu einer Abstoßung. Sie erfordert eine Immunisierung gegen die Alloantigene und
21 Eine beschleunigte Abstoßung tritt innerhalb von wenigen tritt daher erst nach einer gewissen Zeit auf, die zur Aktivierung
Tagen nach der Transplantation auf. Sie basiert auf einer bereits des spezifischen Immunsystems gegen ein bislang unbekanntes
22 bestehenden Immunisierung gegen Alloantigene des Spenders. Antigen erforderlich ist. Wie in . Abb. 12.9 dargestellt, kommt
Anders als bei der hyperakuten Abstoßung liegen zwar keine ho- es im Verlauf einer akuten Abstoßung eines Nierentransplantats
hen Titer komplementaktivierender Antikörper im Serum vor, zu einer Einwanderung von mononucleären Zellen, insbesondere
23 aber das adaptive Immunsystem verfügt noch über Gedächtnis- von T-Zellen (CD4+ und CD8+), aber auch Makrophagen, in das
zellen und reagiert gegen die bereits bekannten Antigene. An der Epithelium der Tubuli. Wie bereits erwähnt, kann die Immuni-
beschleunigten Abstoßung sind mehrere Komponenten des Im- sierung bei der akuten Abstoßung gleich auf zwei Wegen erfol-
12.3  •  Verhinderung der Abstoßung
185 12
.. Abb. 12.9  Leukocyteninfiltration bei akuter Absto­
ßung. Dargestellt sind Tubuli einer gesunden Niere (a) und
einer Niere während einer akuten Abstoßungsreaktion (b).
Charakteristisch für eine akute Abstoßung sind mononucle-
äre Zellen, die in das Epithel einwandern (Pfeile). (Bilder
freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr.
Jürgen Flöge.)

gen. Einerseits können im transplantierten Organ verbliebene Immunsuppression


DC des Spenders in die drainierenden Lymphknoten des Emp-
fängers wandern. Andererseits dringen die DC des Empfängers Zur Immunsuppression werden verschiedene Wirkstoffklassen
in das Transplantat ein und beginnen mit der Aufnahme von eingesetzt (. Tab. 12.3). Ihr hauptsächliches Ziel ist in den meis-
Antigenen. Beide Arten von DC sind in der Lage, naive T-Zellen ten Fällen die Hemmung von T-Zellen, da diese eine zentrale
des Empfängers zu aktivieren (. Abb. 12.5). Rolle in der Transplantatabstoßung spielen. Die Wirkmecha-
Immunologisch kann die chronische Abstoßung durch nismen der einzelnen Wirkstoffklassen sind im Abschnitt über
zelluläre oder humorale Mechanismen verursacht werden. Ein Immuntherapie (▶ Kap. 17) im Detail beschrieben.
wichtiger Mechanismus sind dabei die Schädigung der Blutge- Generell wird bei Organtransplantationen in einer ersten
fäße und die daraus resultierende Unterversorgung des Trans- Phase eine relativ starke Immun­suppression eingesetzt. Dafür
plantats und die verstärkte Bildung von Bindegewebe (Fibrose), wird eine Kombination aus mehreren der in . Tab. 12.3 erwähn-
die letztendlich zu einem Funktionsverlust des Organs führen ten Wirkstoffe in hoher Dosierung verabreicht. Aufgrund der
können. Es gibt allerdings auch Hinweise, dass die chronische im nächsten Absatz besprochenen Neben­wirkungen kann eine
Abstoßung nicht alleine auf einer Immunreaktion beruht, son- solche Therapie aber nicht unbegrenzt lange durchgeführt wer-
dern auch andere, bislang nur unzureichend verstandene Mecha- den. Nachdem die anfängliche Entzündungsreaktion aufgrund
nismen eine Rolle spielen. der Schäden durch Ischämie/Reperfusion und das chirurgische
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Reaktionen kann ein Trauma abgeklungen sind, vermindert sich das Risiko einer
Transplantat auch durch eine immunpathologische Abstoß- Abstoßung. In einigen Fällen, in denen Medikamente nicht wie
ung geschädigt werden. Wenn vor der Transplantation eine Im- vorgesehen eingenommen wurden, wurde sogar eine Tolerierung
munisierung gegen Autoantigene stattgefunden hat, wird diese des Transplantats durch das Immunsystem beobachtet. Trotz-
Autoimmunreaktion sich auch gegen das Spenderorgan richten. dem erfordert die große Mehrzahl der Fälle eine lebenslange Ein-
Kommt es beispielsweise zur Zerstörung einer Bauchspeichel- nahme von immunsupprimierenden Medikamenten. In dieser
drüse beim Typ-1-Diabetes, würde die Immunreaktion sich auch Phase der Immunsuppression werden keine Antikörper mehr
gegen eine transplantierte Bauchspeicheldrüse eines gesunden gegeben, und es wird versucht, die Nebenwirkungen durch Re-
Spenders richten und das neue Organ schädigen. Hierbei handelt duktion der Dosierung und durch die Kombination mehrerer
es sich aber nicht um eine Immunreaktion gegen Alloantigene, Immunsuppressiva so gering wie möglich zu halten. Sollte es
da die erkannten Antigene bei Spender und Empfänger identisch trotzdem zur Entwicklung einer allogenen Abstoßungsreaktion
sind. kommen, wird ähnlich wie in der Anfangsphase behandelt, um
die Immunreaktion einzudämmen, was in der Mehrzahl der Fälle
auch gelingt.
12.3 Verhinderung der Abstoßung Eine Besonderheit ist die Transplantation von Knochenmark.
Überdurchschnittlich häufig handelt es sich um autologe Trans-
Die gegenwärtige Strategie zur Verhinderung einer Transplantat­ plantate, sodass keine immunologische Unverträglichkeit auftritt.
abstoßung basiert auf immunsupprimierenden Medikamenten. In den übrigen Fällen bestehen besonders hohe Anforderungen
Der Erfolg ist dabei unterschiedlich, je nach transplantiertem an die HLA-Übereinstimmung zwischen Spender und Empfän-
Organ. Durch diese Therapie kann die akute Abstoßung bei Nie- ger. Es kann sowohl zu HvGD als auch zu GvHD kommen, da
rentransplantation innerhalb des ersten Jahres auf 5–10 % der immunkompetente Zellen im Transplantat und im Empfänger
Fälle reduziert werden. Gegenwärtig gibt es keine Möglichkeit, vorhanden sind. Reife T-Zellen des Transplantats haben die ne-
selektiv die Immunantwort auf Alloantigene zu unterdrücken, gative Selektion im Thymus des Spenders durchlaufen und un-
ohne dabei auch die Erkennung anderer Antigene zu beeinträch- terlagen daher keiner Bildung zentraler Toleranz gegen Antigene
tigen. Ein viel versprechendes Ziel für zukünftige Therapiean- des Empfängers. Sie müssen daher vor einer Transplantation von
sätze wäre es, gezielt auf die Bildung von Treg einzuwirken, sodass Knochenmark vollständig aus dem Transplantat entfernt werden.
das Immunsystem selbst in der Lage wäre, gezielt die gegen Al- Andererseits erfordert, falls der Empfänger nicht immundefizient
loantigene gerichteten Immunreaktionen in Schach zu halten. ist, selbst eine HLA-identische Übertragung von hämatopoeti-
186 Kapitel 12 • Transplantation

pfänger mit der Zeit eine maligne Erkrankung, besonders häufig


1 .. Tab. 12.3  Immunsuppressive Medikamente bei Transplantationen
lymphoproliferative Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es wei-
Wirkstoffklasse Beispiele Wirkmechanismus tere Nebenwirkungen, die nicht auf der eigentlichen Funktion der
2 Glucocorticoide Prednison u. v. a. Inhibieren T- und
Immunsuppression beruhen. Calcineurininhibitoren führen zu
B-Zellen, Monocyten/
Nierenversagen, sodass transplantierte Nieren zwar anfangs gut
durch diese Substanzen vor einer Abstoßungsreaktion geschützt
3 Makrophagen und
Granulocyten sind, dann aber auf andere Weise geschädigt werden. Auch Glu-
Calcineur­ Cyclosporin A Hemmung der
cocorticoide verursachen durch ihren Einfluss auf den Körper-
4 ininhibitoren Tacrolimus (FK506) Phosphatase Cal- stoffwechsel eine große Anzahl von Nebenwirkungen, darunter
cineurin, dadurch Gewichtszunahme, Bluthochdruck und Diabetes (▶ Kap. 17).
5 keine Aktivierung des
Transkriptionsfaktors
NFAT
Literatur
6 Antimetabolite Azathioprin Inhibieren die
Mycophenolat-Mo- Purinsynthese und Chinen J, Buckley RH (2010) Transplantation Immunology: Solid organ and
fetil dadurch die für die
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dige Synthese von Rejection and Acceptance. Annu Rev Pathol Mech Dis 3:189–220

8 DNA und RNA Ekser B, Cooper DKC (2008) Update: Cardiac Xenotransplantation. Curr Opin
Organ Transplant 13(5):531–535
Monoklonale OKT3 Bindet an CD3 und
Internetseiten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (www.dso.de)
Antikörper führt dadurch zum
9 Abbau von T-Zellen
Internetseiten von Eurotransplant (www.eurotransplant.org)
Internetseiten der HLA-Datenbank des European Bioinformatics Institute (www.
Anti-CD52 (Alemtu- Verursacht komple- ebi.ac.uk/imgt/hla/)
10 zumab) mentvermittelte Lyse
von CD52+-Zellen,
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Basiliximab Blockieren die
31:311–314
12 Daclizumab α-Kette des IL-2-Re-
zeptors (CD25) und
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Tolerance Following Transplantation of Liver and Other Solid Organs. Gast-
dadurch die Bindung
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13 von IL-2
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Polyklonale Anti- Antiseren gegen Führen zum Abbau Schlitt HJ (2007) Current concepts and perspectives of immunosuppres-
sion in organ transplantation. Langenbecks Arch Surg 392:511–523
14 körper Thymocyten oder
Lymphocyten
der Zellen, gegen die
sie gerichtet sind

mTOR-Inhibitoren Sirolimus (Rapamy- Stoppen die Prolife-


15 cin) ration von T-Zellen
Everolimus durch Hemmung der
Kinase mTOR
16
17 schen Stammzellen eine Depletierung der immunkompetenten
Zellen des Empfängers, um eine Abstoßung des Transplantats
zu verhindern.
18
19 Nebenwirkungen der Immunsuppression

20 Eine unspezifische Unterdrückung der Immunabwehr schützt


zwar das Transplantat, dies allerdings auf Kosten der Abwehr
von Infektionen und malignen Zellen. Daher ist die Immunsup-
21 pression nach einer Transplantation eine ständige Balance, um
das Immunsystem ausreichend zu hemmen, sodass es zu keiner
22 Transplantatabstoßung kommt, aber immer noch eine Infekti-
onsabwehr möglich ist. Selbst bei bestmöglicher Dosierung sind
bakterielle und virale Infektionen eine häufige Nebenwirkung der
23 immunsuppressiven Therapie, und Infektionen der Lunge sind
die führende Todesursache bei funktionierendem Transplantat.
Zusätzlich entwickelt ungefähr die Hälfte aller Transplantatem-
187 13

Psychoneuroimmunologie
Hajo Haase

13.1 Das Immunsystem im Stress  –  188


13.2 Depression – 190
13.3 Schizophrenie – 190
13.4 Placebo-Effekt und Konditionierung  –  191
Literatur – 195

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
188 Kapitel 13 • Psychoneuroimmunologie

Das Gehirn gehört zu den immunprivilegierten Organen. Nor- Generell gilt, dass akuter Stress das Immunsystem stimuliert, in-
1 malerweise sind Immunsystem und ZNS (Zentralnervensystem) dem zum Beispiel die Anzahl von NK-Zellen im Blut ansteigt. Im
voneinander durch die Blut-Hirn-Schranke getrennt. Wenn diese Gegensatz dazu wirkt chronischer Stress immunsupprimierend,
2 Barriere bei Autoimmunerkrankungen, wie der Multiplen Skle­ führt zu verminderten Zahlen von B-, T- und NK-Zellen, redu-
rose, oder bei Infektionen, wie einer bakteriellen Meningitis, zierter Lymphocytenproliferation nach Kontakt mit Mitogenen
geschädigt wird, kann es natürlich durch eine Immunreaktion und erniedrigter Aktivität der NK-Zellen.
3 zu einer Beeinträchtigung des ZNS kommen. Davon abgesehen
sollte man aber erwarten, dass sich Immunsystem und ZNS nicht
4 maßgeblich beeinflussen können. In der Realität ist aber genau Kommunikation zwischen ZNS
das der Fall: Monocyten und Makrophagen sind in der Lage, die und Immunsystem
5 Blut-Hirn-Schranke auch bei Gesunden zu durchqueren, und
auch T-Zellen können in das ZNS einwandern, wenn auch meist Es gibt zwei Mechanismen, über die das ZNS durch efferente, also
nur für wenige Stunden. von ihm weg führende, Signale mit dem Immunsystem kommu-
6 Ein interessantes Beispiel für die Interaktion von Immun- nizieren kann (. Abb. 13.1). Zum einen durch die systemische
system und ZNS ist die Rolle von T-Zellen bei Lernprozessen. Freisetzung von Stresshormonen und zum anderen durch direkte
7 RAG-1/-2-defiziente Mäuse, die aufgrund fehlender Proteine Nervenbahnen (Axone) in immunologisch relevante Organe. Der
für die somatische Re­kombination ihrer Antigenrezeptoren zentrale Mechanismus, durch den der Körper auf Stress reagiert,
keine reifen B- und T-Zellen bilden können, lernen schlechter. ist die sogenannte HPA-Achse. Sie besteht aus dem Hypothala-
8 Im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen schneiden sie bei einem Test, mus (H), der Hypophyse (P, pituitary gland) und der Nebenniere
bei dem die Tiere in mehreren Versuchen lernen, schwimmend (A, adrenal gland). Der Hypothalamus bildet das Hormon CRH.
9 eine unter der Wasseroberfläche befindliche Plattform wieder­ Dieses Hormon stimuliert die Hypophyse zur Ausschüttung von
zufinden, deutlich schlechter ab. Noch erstaunlicher ist, dass ACTH (Adrenocorticotropes Hormon). Das ACTH wiederum
10 T-Zell-defiziente Mäuse schneller und besser lernen, wenn ihnen führt in der Nebennierenrinde zur Produktion und Freisetzung
drei Wochen vor dem Test T-Zellen von Wildtyp-Mäusen inji- von Glucocorticoiden. Glucocorticoide, wie das Cortisol, sind
ziert werden. Es ist noch voll­kommen unklar, auf welche Weise nicht nur wichtige Botenstoffe für die Regulation des Metabolis-
11 T-Zellen Lernprozesse beeinflussen können. Trotzdem scheint mus bei Stress, sie haben auch zahlreiche Einflusse auf Zellen des
das adaptive Immunsystem das Lernen zu fördern. Immunsystems (. Tab. 13.1) und werden therapeutisch seit Jahr-
12 Es gibt zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen Immunsystem zehnten zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen eingesetzt.
und ZNS. Beide können lernen und Informationen speichern. Glucocorticoide unterdrücken die IL-12-Produktion der
Außerdem können sie praktisch jede Stelle des Körpers errei- APC. Zusätzlich verstärken sie die Produktion von IL-4, IL-10
13 chen. Darüber hinaus verwenden beide Systeme das Prinzip und IL-13 der TH2-Zellen. Zusammengenommen verschieben
der Synapse. Hier kommunizieren Zellen durch die gerichtete diese Effekte die T-Helferzell-Balance in Richtung einer TH2-Ant-
14 Freisetzung chemischer Mediatoren an einer Kontaktstelle. Sie wort.
benutzen teilweise sogar die gleichen Mediatoren zur Kommu- Eine Schwächung der HPA-Achse trägt aufgrund mangelnder
15 nikation. T-Zellen produzieren Substanzen wie das CRH (cor- Negativregulation zu autoimmunen und atopischen Erkrankun-
ticotropin-releasing hormone), Arginin-Vasopressin und Prolac- gen, wie rheumatoider Arthritis, SLE, allergischem Asthma oder
tin, die zur Kommunikation zwischen Zellen des ZNS dienen. atopischer Dermatitis, bei. Durch chirurgische oder pharmako-
16 Immunzellen haben auch Rezeptoren für Neurotransmitter und logische Eingriffe in die HPA-Achse konnte im Tiermodell ein
Neuropeptide. Im Gegenzug sind Moleküle, die als Bestandteile Einfluss auf Autoimmunerkrankungen und Entzündungsreakti-
17 des Immunsystems gelten, wie MHC-Moleküle und die β-Kette onen nachgewiesen werden. Eine Entfernung der Nebennieren
des TCR, an der neuronalen Entwicklung beteiligt. Überdies ist verhindert die Produktion von Glucocorticoiden. Unter Bedin-
der NK-Zell-Marker CD56 auch unter dem Namen NCAM1 gungen, bei denen nach einer Infektion mit Salmonella typhi-
18 (neural cell adhesion molecule 1) bekannt. Es gibt also zahlrei- murium in etwa die Hälfte der normalen Ratten nicht überlebte,
che Schnittstellen, die eine Kommunikation zwischen Immun- starben hingegen alle Tiere ohne Nebenniere. Ähnliche Beob-
19 system und ZNS ermöglichen. In den folgenden Abschnitten achtungen wurden auch in Mäusen gemacht, die mit MCMV
wird die gegenseitige Beeinflussung von ZNS und Immunsys- (murines Cytomegalovirus) infiziert wurden. Dies wurde durch
20 tem bei Stress, Schizophrenie und Depressionen diskutiert. die Verabreichung von Glucocorticoiden wieder ausgeglichen.
Abschließend wird auf die Möglichkeit der Modulierung des Das Fehlen der HPA-Achse als Feedback-Mechanismus zur Be-
Immunsystems durch Konditionierung und den Placebo-Effekt grenzung der Entzündungsreaktion führte in diesen Beispielen
21 eingegangen. zum septischen Schock.
Zusätzlich zur hormonellen Regulation ist das Gehirn über
22 das vegetative Nervensystem mit den primären und sekundären
13.1 Das Immunsystem im Stress lymphatischen Organen wie Knochenmark, Thymus, Lymph-
knoten und Milz verbunden. Es gibt aber auch direkte Verbin-
23 Die Beobachtung, dass chronischer Stress latente Virusinfektionen dungen zu den Orten, an denen Infektionen normalerweise
wieder ausbrechen lässt (beispielsweise Herpes), deutet an, dass stattfinden, beispielsweise die Haut. Dabei werden von den Ner-
das ZNS einen Einfluss auf die Immunfunktion nehmen kann. venzellen die Catecholamine Noradrenalin und Adrenalin frei-
13.1  •  Das Immunsystem im Stress
189 13

.. Tab. 13.1  Wirkung der Glucocorticoide auf das Immunsystem

Ansatzpunkt Wirkung
CRH
Cytokine Vermindern die Produktion von IL-1,
IL-2, IL-6, IL-8, IL-11, IL-12, TNF-α, IFN-γ,
ACTH G-CSF

Nebenniere Thymus Steigern die Produktion von IL-4, IL-10

Adhäsionsmoleküle Vermindern die Expression von ICAM-1


(intracellular adhesion molecule 1),
ELAM-1 (endothelial-leukocyte adhesion
molecule 1), VCAM-1 (vascular cell adhe-
TH1 Milz sion molecule 1)
– Entzündliche Mediatoren Vermindern die Produktion von Prosta­
TH0 GC glandinen und NO
+
Monocyten Vermindern die Anzahl zirkulierender
Lymphknoten
TH2 Monocyten und deren proinflammato-
rische Cytokinproduktion

Neutrophile Granulocyten Verminderte Aktivierung und Funktion

T- und B-Zellen Verminderte Reifung und Funktion;


– – – – – beeinflussen die Empfindlichkeit für
Knochenmark
Apoptose während der Entwicklung
CTL TH B PMN MØ
TH1/TH2-Gleichgewicht Verschieben das Gleichgewicht in
Richtung TH2, durch Einwirkung auf
.. Abb. 13.1  Regulation des Immunsystems durch das ZNS. Das zentrale Cytokinproduktion und Verminderung
Nervensystem beeinflusst das Immunsystem auf zwei wichtigen Wegen: der Expression des IL-12-Rezeptors
Zum einen kann über die HPA-Achse durch CRH (corti­cotropin-releasing
hormone) aus dem Hypothalamus die Hypophyse zur Produktion von ACTH
(Adreno­corticotropes Hormon) angeregt werden, was die Freisetzung von
GC (Glucocorticoiden) aus der Nebenniere auslöst. GC wirken supprimie- Kommunikation zwischen Immunsystem
rend auf die meisten Zellen des Immunsystems und verschieben das TH1/ und ZNS
TH2-Gleichgewicht auf die Seite von TH2. Zum anderen sind die primären und
sekundären Lymphorgane durch das vegetative Nervensystem direkt mit
dem ZNS verbunden, sodass sie durch Ausschüttung von Catecholaminen Die Kommunikation zwischen beiden Systemen ist nicht auf die
reguliert werden können Signalübertragung vom ZNS auf das Immunsystem beschränkt,
sondern kann auch in die andere Richtung ablaufen. Eine wich-
gesetzt. Durch adrenerge Rezeptoren auf T-, B- und NK-Zellen, tige Rolle spielen hierfür die Cytokine, insbesondere IL-6, IL-1β
mononucleären Zellen und neutrophilen Granulocyten können und TNF-α (. Abb. 13.2). Obwohl Cytokine hydrophil sind,
die Catecholamine direkt auf Zellen des Immunsystems einwir- können ihre Signale das Gehirn erreichen und dort unter an-
ken. Dabei haben sie auch einen Einfluss auf das Gleichgewicht derem auf den Hypothalamus einwirken. Dafür gibt es aktive
zwischen TH1- und TH2-Zellen. β2-Adrenorezeptoren werden Transportmechanismen, durch die Cytokine bestimmte Teile des
nur auf TH1-, nicht aber TH2-Zellen exprimiert, daher werden Gehirns erreichen können. Zusätzlich können Mikroglia, die Ma-
Letztere nicht durch Catecholamine reguliert. Zusätzlich un- krophagen des ZNS, auch lokal Cytokine produzieren. Auf diese
terdrücken Noradrenalin und Adrenalin die IL-12-Produktion Weise können proinflammatorische Cytokine wie IL-1β und IL-6
der APC. die HPA-Achse aktivieren, was zur Freisetzung von CRH und
Es gibt eine neuronale Regulation von Entzündungsreaktio- ACTH führt. Ebenso vermögen IL-1 und IL-6 Fieber und Schlaf-
nen und entzündlichen Erkrankungen, Hämatopoese, T-Zell-Dif- bedürfnis zu regulieren, und TNF-α vermag auf den Appetit ein-
ferenzierung sowie der Aktivität von T-, B- und NK-Zellen. Im zuwirken, weshalb es auch als Cachectin (Cachexie = krankhafte
Thymus beeinflusst Noradrenalin die Proliferation und Differen- Abmagerung) bezeichnet wird.
zierung von Thymocyten, und in Milz und Lymphknoten ver- Die Kommunikation zwischen ZNS und Immunsystem
stärkt Noradrenalin die primäre Antikörperproduktion. In den basiert nicht nur auf efferenten, sondern auch auf afferenten
Synovien von Patienten mit rheumatoider Arthritis kommt es Axonen, die Signale aus der Peripherie zum ZNS transportie-
aufgrund reduzierter sympathischer Innervation zu einem Ver- ren. Immunzellen können neuroaktive Mediatoren freisetzen.
lust der Hemmung von proinflammatorischen Cytokinen wie Dazu gehört bei Mastzellen Histamin, einer der wesentlichen
TNF-α und IL-6 durch Nor­adrenalin. Inhaltsstoffe ihrer Granula, und Tryptase, die die Schmerzwahr-
nehmung durch afferente Nerven stimuliert. Auch bei dieser
Form der Regulation sind Cytokine beteiligt. IL-1β aktiviert den
afferenten Teil des Vagusnervs und kann so schnell auf das ZNS
einwirken.
190 Kapitel 13 • Psychoneuroimmunologie

die Stimmung in Patienten mit entzündlichen Erkrankungen.


1 Außerdem verstärken sie die Wirkung von Antidepressiva bei
Patienten mit schwerer Depression.
2 Die Immunantwort von T-Zellen ist in Patienten mit De-
IL-1β pressionen beeinträchtigt. Ebenso wird eine verminderte Ak-
IL-6 tivität von NK-Zellen beobachtet, die sich nach Behandlung
3 TNF-α mit Antidepressiva wieder normalisiert. Passend zu einer Be-
einträchtigung der Immunabwehr von T- und NK-Zellen führt
4 IL-1β Depression zu erhöhter Mortalität bei Infektionskrankheiten
(beispielsweise AIDS) und bei Krebs. Dies basiert zum Teil auf
5 Tryptase
einer Immunsuppression durch die erhöhten Cortisolmengen,
Histamine die bei schwerer Depression im Blut gefunden werden. Zusätz-
Leukotriene lich vermindert eine chronische Exposition von T-Zellen ge-
6 Prostaglandine genüber TNF-α die T-Zell-Proliferation. Cytokine wie IFN-α
aktivieren die Indolamin-2,3-Dioxygenase, wodurch sich der
7 .. Abb. 13.2  Wirkung des Immunsystems auf das ZNS. Das Immunsystem Serotonin-Vorläufer Tryptophan im Blut verringert. Das ist
(hier dargestellt am Beispiel von Makrophagen und Mastzellen) kann über nicht nur von Bedeutung für den Metabolismus von Serotonin
zwei Wege auf das ZNS einwirken. Zum einen durch die Freisetzung von pro- als Neurotransmitter mit einer Rolle in der Depression. Trypto-
8 inflammatorischen Cytokinen, die trotz der Blut-Hirn-Schranke eine Wirkung phan ist auch ein Stimulus für T-Zell-Proliferation und Über-
auf Zellen im ZNS haben. Zum anderen können Signale durch Einwirkung auf
leben. Tryptophanmangel verursacht eine höhere Neigung zur
9 afferente Nerven direkt übertragen werden
Apoptose in CD4+-T-Zellen.
Die immunologischen Veränderungen bei Depressionen be-
13.2 Depression
10 ruhen nicht ausschließlich auf einer direkten Kommunikation
zwischen ZNS und Immunsystem. Zahlreiche Verhaltensmuster,
Depressionen sind weit verbreitet, sie betreffen nach Angaben die bei Depressionen verstärkt ausgeprägt sind, beeinträchtigen
11 der WHO gegenwärtig 121 Millionen Menschen weltweit. Pa- die Immunität. Dazu gehören vor allem weniger Schlaf und
tienten mit schwerer Depression zeigen Anzeichnen einer sys- Sport, unausgewogene Ernährung und ein höherer Konsum
12 temischen Entzündungsreaktion. Dazu zählen gesteigerte Men- von Tabak, Alkohol oder Drogen. Wie in ▶ Kap. 15 dargestellt,
gen der proinflammatorischen Cytokine TNF-α, IL-1 und IL-6 haben all diese Faktoren einen negativen Einfluss auf die Im-
im peripheren Blut und der Cerebrospinalflüssigkeit. Zusätzlich munfunktion.
13 werden im Blut erhöhte Werte von Akute-Phase-Proteinen wie
CRP gefunden, die ebenfalls auf eine chronische Entzündung
14 hindeuten. Dies wird von einer erhöhten Gesamtzahl zirkulie- 13.3 Schizophrenie
render Leukocyten begleitet. Das sind in erster Linie neutro-
15 phile Granulocyten und Monocyten, die Zahl der Lymphocyten Schizophrenie tritt bei ungefähr einem Prozent der Weltbevöl-
ist in der Regel eher vermindert. Nicht nur die Zahl der Mo- kerung auf. Sie äußert sich durch sogenannte positive (Hallu-
nocyten, auch ihre Cytokinproduktion ist erhöht, und es wurde zinationen, Wahnvorstellungen) und negative (Konzentrations-
16 sogar eine Makrophagen-Theorie der Depression aufgestellt, schwächen, verminderte soziale Interaktion und Äußerung von
nach der übermäßige Cytokinfreisetzungen durch Makropha- Emotionen) Symptome. Die Diagnose erfolgt aufgrund dieser
17 gen, insbesondere IL-1, IL-6 oder IFN-α, Depression auslösen Symptome; es gibt bislang keine biochemischen Marker zur Fest-
sollen. Obwohl sich die Ursachen für Depressionen sicherlich stellung einer Schizophrenie. Als Ursache werden verschiedene
nicht nur auf eine entzündliche Fehlfunktion von Makrophagen Mechanismen diskutiert. Der Einfluss einer genetischen Veran-
18 reduzieren lassen, besteht zumindest ein Zusammenhang. Bei lagung gilt als nachgewiesen. Zusätzlich werden unter anderem
erfolgreicher Therapie einer Depression vermindern sich die Entwicklungsstörungen des ZNS, neurodegenerative Vorgänge,
19 Entzündungsmarker, und bei Patienten, die schlecht auf eine virale Infektionen oder ein gestörter Neurotransmitterhaushalt
Therapie ansprechen, sind die Entzündungssymptome beson- als mögliche Ursachen angeführt. Da die positiven Symptome auf
20 ders ausgeprägt. eine Behandlung mit einigen Inhibitoren für Dopaminrezeptoren
Es ist bekannt, dass immunmodulierende Therapien einen ansprechen, wird insbesondere eine Störung auf Ebene der Neu-
Effekt auf die Psyche haben können und cytokininduzierte Ver- rotransmitter als wahrscheinliche Ursache angesehen.
21 änderungen der Neurochemie zur Entwicklung einer Depression Neben den oben genannten Mechanismen deutet eine Reihe
beitragen. Die therapeutische Gabe von IL-2 und IFN-α oder von indirekten Hinweisen einen autoimmunen Hintergrund für
22 Induktion von Cytokinen durch Gabe von LPS oder Impfung Schizophrenie an. Es gibt gewisse klinische Beobachtungen, die
gegen Typhus führen zu Verhaltensänderungen, die denen von sowohl bei Autoimmunerkrankungen als auch bei Schizophrenie
depressiven Personen ähnlich sind. Dazu gehören getrübte Stim- zutreffen:
23 mung, Angst, Anorexie, Erschöpfung sowie eine Beeinträchti- Beide treten häufig in der späten Jugend oder dem frühen
gung von Schlaf und Kognition. Medikamente, die die Wirkung Erwachsenenalter erstmalig auf. Auslöser können psychosozia-
von proinflammatorischen Cytokinen vermindern, verbessern ler Stress, Drogenmissbrauch und physische Verletzungen sein.
13.4  •  Placebo-Effekt und Konditionierung
191 13

In beiden Fällen nehmen die Erkrankungen einen chronischen Krankheitsverlauf haben (▶ Exkurs  13.1). Dies ist bisher nicht
Verlauf mit akuten Krankheitsschüben. Eine Assoziation zwi- intensiv untersucht worden. Es gibt aber bereits ein Beispiel für
schen dem Auftreten autoimmuner Krankheiten und Schizo- die mögliche Wirksamkeit einer immunbasierten Therapie. Az-
phrenie, die auf gemeinsame auslösende Faktoren hindeuten athioprin ist ein immunsuppressives Medikament, das bei Or-
würde, wurde aber bislang nicht nachgewiesen. Die Wahr- gantransplantationen und einer Reihe von Autoimmunerkran-
scheinlichkeit, an rheumatoider Arthritis zu erkranken, ist für kungen eingesetzt wird. Eine Behandlung mit Azathioprin hat,
Schizophrene sogar geringer. T-Zellen schizophrener Patienten zumindest bei kurzzeitiger Anwendung, die Symptome eines
zeigen nach Stimulierung eine geringere Produktion von IFN-γ. Teils der schizophrenen Patienten verbessert.
Aufgrund der Rolle von IFN-γ in der rheumatoiden Arthritis Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass Schizophrenie eine
könnte eine verminderte Produktion dieses Cytokins das bereits Autoimmunerkrankung ist, bei der Entzündung und ein ge-
erwähnte reduzierte Auftreten dieser Erkrankung bei Schizo- zielter Angriff des adaptiven Immunsystems zu Neurodegene-
phrenen erklären. ration führen. Allerdings könnte bei einem Teil der Patienten
Zusätzlich werden in schizophrenen Patienten Veränderun- mit Schizophrenie trotzdem eine autoimmune Ursache vorlie-
gen mehrerer immunologischer Parameter beobachtet. Einige gen. Eine Hypothese, die gut zu den im Moment existierenden
HLA-Haplotypen und ein SNP (single nucleotide polymorphism) Untersuchungen passt, geht von Autoantikörpern aus, die bei
im Gen für CTLA-4 weisen Assoziationen mit einer veränder- Personen mit beeinträchtigter Blut-Hirn-Schranke ins ZNS ge-
ten Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Schizophrenie langen und dort mit Neurotransmittern oder deren Rezeptoren
auf. interagieren. Dadurch greifen sie in die Signalübertragung an
Bei der Mehrheit der schizophrenen Patienten gibt es keine Synapsen ein, was sich als Schizophrenie manifestiert. Dazu
Hinweise auf eine entzündliche Infiltration des ZNS durch mo- passt, dass Autoantikörper im Blut einiger schizophrener Pati-
nonucleäre Zellen, auch wenn in einigen Fällen aktivierte Lym- enten gefunden wurden, die gegen den muscarinischen M1-Ac-
phocyten in der Cerebrospinalflüssigkeit nachgewiesen werden etylcholinrezeptor gerichtet waren, einer von mehreren Neuro­
konnten. In Autopsiematerial wurde post mortem bei einem Teil transmitterrezeptoren für die eine Beteiligung an Schizophrenie
der Patienten eine Aktivierung von Mikroglia und eine Beein- vermutet wird.
trächtigung der Blut-Hirn-Schranke gefunden. Veränderungen
gibt es auch auf Ebene der Cytokine. In den Seren von Schizo-
phrenen wurden höhere IL-6-Spiegel gefunden. Insbesondere 13.4 Placebo-Effekt und Konditionierung
ist IL-6 bei akut psychotischen Patienten erhöht und normali-
siert sich beim Nachlassen der Symptome wieder. IL-6 ist da- Anekdoten berichten von Allergikern mit Heuschnupfen, bei
für bekannt, im Rahmen autoimmuner Erkrankungen des ZNS denen angeblich bereits das Bild einer Sommerwiese ausrei-
eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke zu verursachen und chen soll, um Allergiesymptome hervorzurufen. Während sol-
IgG-Synthese durch B-Zellen auszulösen. che spektakulären Effekte erst einmal durch empirische Studien
Verschiedene Studien über Autoantikörper in schizophre- abgesichert werden müssten, haben wir oben aber bereits gese-
nen Patienten berichten entweder von keinem Unterschied zu hen, dass das ZNS die Immunreaktion durch die HPA-Achse
gesunden Kontrollen, dem Vorhandensein allgemein erhöhter und direkte Nervenverbindungen beeinflussen kann. Daher soll
Mengen von Autoantikörpern oder sogar Autoantikörpern zum Abschluss des Kapitels über Psychoneuroimmunologie der
gegen ZNS-spezifische Strukturen. Bemerkenswerterweise Frage nachgegangen werden, ob die bewusste Vorstellung einer
wurden antinucleäre Autoantikörper zwar häufiger bei schizo- Situation oder eine Konditionierung über diese Wege tatsäch-
phrenen Patienten gefunden, nicht aber vor Beginn der Medi- lich messbare Veränderungen der Immunreaktion auf zellulärer
kation. Auch der auf diesen Antikörpern basierende SLE tritt Ebene hervorrufen kann.
bei Schizophrenen überdurchschnittlich häufig auf. Dies ist al- Der Placebo-Effekt beschreibt die Tatsache, dass die Wir-
lerdings eine Nebenwirkung der medikamentösen Behandlung kung einer Behandlung bei einem Patienten beobachtet wer-
und kein Hinweis auf eine erhöhte Neigung zu Autoimmuner- den kann, wenn dieser nur daran glaubt, eine Behandlung
krankungen. habe stattgefunden, auch wenn dies in Wirklichkeit gar nicht
Bei einer auf Autoantikörpern basierenden Krankheit der Fall war. Ein bekanntes Beispiel ist die Gabe eines angebli-
müsste es theoretisch möglich sein, durch die Übertragung von chen Medikaments, in dem aber kein Wirkstoff vorhanden ist.
Immunglobulinen schizophrener Spender beim Empfänger die Auch zahlreiche immunologische Erkrankungen sprechen auf
entsprechenden Krankheitssymptome auszulösen. Bereits in den Placebos an, darunter Psoriasis, eine T-Zell-vermittelte Autoim-
1960er-Jahren wurden Immunglobuline aus dem Serum schizo- munerkrankung, die in besonderem Maße durch Stress ausge-
phrener Patienten isoliert, die gerade an einer aktiven Psychose löst wird. Eine Studie zeigte sogar, dass zur Verbesserung der
litten. Die intravenöse Gabe dieses Immunglobulins in Maka- Symptome eine Hypnose ausreichte, bei der den Patienten sug-
kenaffen führte zu Veränderungen im EEG (Elektroencepha- geriert wurde, sie seien einer Therapie ausgesetzt gewesen. Der
logramm), die denen einer aktiven Psychose bei Schizophrenie Mechanismus basiert vermutlich auf in der Haut freigesetzten
vergleichbar waren. Darüber hinaus löste eine Anwendung bei Neuropeptiden, die die Aktivität von T-Zellen und Mastzellen
freiwilligen Probanden Schizophreniesymptome aus. modulieren.
Wenn das Immunsystem zur Entstehung von Schizophrenie Bei der Konditionierung gibt es zwei Reize: Ein physiologisch
beiträgt, sollte eine Immunmodulation einen Einfluss auf den wirksamer Stimulus, der eine biologische Reaktion hervorruft,
192 Kapitel 13 • Psychoneuroimmunologie

Exkurs 13.1: Immunmodulation in der Therapie psychischer Krankheiten  |       | 


1
Malariafiebertherapie durch Wagner-Jauregg
2 Die bekannteste Forscherpersönlichkeit auf reggs Publikation aus dem Jahre 1887 zeigt ransmitter, sondern auch deswegen wirken,
dem Gebiet der psychiatrischen Immunologie die Wirkung des Fiebers auf den Krankheits- weil sie das Immunsystem so modulieren, dass
war der österreichische Nervenarzt Julius verlauf verschiedener psychischer Erkran- das Übergewicht der Typ-2-Immunreaktion
3 Wagner-Jauregg. 1927 erhielt er den Nobel- kungen. Aufgrund dieser Ergebnisse begann ausgeglichen wird. In der Tat sind immunmo-
preis für Physiologie oder Medizin für die Wagner-Jauregg erfolgreich damit, auch schi­ dulierende Effekte von Antipsychotika seit
Beobachtung, dass eine Impfung mit Malaria­ zophrene Erkrankungen durch die iatrogene der Entdeckung des ersten Antipsychotikums
4 erregern mit nachfolgenden Fieberschüben Infektion mit Erregern zu behandeln, die zu Chlorpromazin beschrieben. Auch wenn wir
zu einer Heilung der Neurosyphilis führt. Zur akutem Fieber führten. uns die Nebenwirkungen von Clozapin, einem
Zeit Wagner-Jaureggs litten etwa 20 Prozent anderem Antipsychotikum, anschauen (Fieber,
5 der Patienten in psychiatrischen Kliniken un-
Immunmodulatoren gegen
Schizophrenie
Granulocytose, Agranulocytose, Serositis und
ter dieser Erkrankung. Die Neurosyphilis, also Myokarditis), legen diese Nebenwirkungen
Bei Patienten mit Schizophrenie erbrachten
6 der Befall von Gehirn und Rückenmark mit
Bakterien der Gattung Treponema pallidum,
verschiedene Studien Befunde, die auf eine
reduzierte Typ-1-Immunantwort und eine
immunmodulierende Eigenschaften nahe.
Tatsächlich wurde gefunden, dass Clozapin zu
führt nämlich auch zu psychischen Sympto- einer vermehrten Produktion von Tumornekro-
Überaktivierung der Typ-2-Immunantwort
7 men wie der Entwicklung einer Demenz, zu
Größenwahn und Halluzinationen. Einer der
hinweisen. Als therapeutische Konsequenz
sefaktor(TNF)-α führt: Bei Menschen mit Schiz-
ophrenie wurde in mehreren Untersuchungen
aus diesen Befunden kommen Immunmodu-
Wirkmechanismen dieser Therapie ist, dass eine Erhöhung der Plasmakonzentration von
latoren in Betracht, die zu einer Hemmung der
8 Treponemen Temperaturen von über 41° C
nicht überleben.
Typ-2-Immunantwort führen. Bisher zeigen
TNF-α unter der Therapie mit Clozapin gezeigt.
Bei Ratten, denen intraperitoneal Clozapin
erste Studien zu einem Inhibitor der Cyclooxy-
Wagner-Jauregg sammelte außerdem akri- gespritzt wurde, kam es zu einer Erhöhung
genase-2 (COX-2), nämlich Celecoxib, vor allem
9 bisch psychiatrische Krankengeschichten von
Patienten, die während einer psychischen
bei akut erkrankten schizophrenen Patienten
der TNF-α-Konzentration im frontalen Cortex,
einer für die Entwicklung einer Schizophrenie
eine günstige Wirkung dieses Medikaments.
Störung zufällig eine fieberhafte Erkrankung bedeutsamen Gehirnregion. Da TNF-α ein
10 erlitten hatten (. Abb. 13.3). Er entdeckte Immunologische Wirkungen der
Antipsychotika
Cytokin ist, welches vor allem die Typ-1-Im-
dabei, dass vor allem Patienten mit „acutem munantwort aktiviert, könnte seine vermehrte
Wahnsinn“, also einer Erkrankung, die wir Aufgrund dieser Beobachtungen stellt sich Produktion neben der Blockade von Dopamin-
11 heute als neu aufgetretene Schizophrenie die Frage, ob auch Antipsychotika, also Mittel und Serotoninrezeptoren ein möglicher
bezeichnen würden, durch fieberhafte Infekte gegen Schizophrenie, nicht nur wegen ihres Erklärungsansatz sein, warum Clozapin gegen
geheilt wurden. Die Tabelle aus Wagner-Jau- Eingreifens in den Stoffwechsel der Neurot- Schizophrenie wirkt.
12
13 .. Abb. 13.3  Tabellarische Darstellung der
Wirkung des Fiebers auf den Verlauf psychischer
Erkrankungen anhand von Verlaufsbeobachtun-
14 gen von Wagner-Jauregg aus dem Jahr 1887.
Beispielsweise wurden von 31 Patienten mit „acutem
Wahnsinn“ 21 durch eine fiebrige Erkrankung
15 geheilt. (Quelle: Wagner-Jauregg J (1887) Ueber die
Einwirkung fieberhafter Erkrankungen auf Psycho-
sen. Jb Psychiat 7: 94–131)
16
17
18
19
20
21
22
23
13.4  •  Placebo-Effekt und Konditionierung
193 13

Exkurs 13.1: (Fortsetzung) Immunmodulation in der Therapie psychischer Krankheiten  |       | 


Immunmodulatoren gegen Depression lung mit Etanercept. Die Besserung bezüglich ten wissenschaftlichen Befunde noch nicht
Bei depressiven Patienten besteht im Gegen- der Depression korrelierte nicht mit dem in der Therapie psychischer Erkrankungen
satz zur Schizophrenie eine überaktivierte Verschwinden der dermatologischen Symp- etablieren.
Typ-1- und eine supprimierte Typ-2-Immu- tome, sodass diese Ergebnisse nicht als Folge
nantwort. Im Gegensatz zur Schizophrenie der Genesung von der Psoriasis interpretiert
bräuchte man daher bei der Depression Medi- werden können.
kamente, die beispielsweise TNF-α abfangen
Immunologische Wirkungen der
können, sogenannte TNF-α-Antagonisten.
Antidepressiva
Diese sind für die Behandlung einer Reihe ent-
Für verschiedene Antidepressiva konnte
zündlicher Erkrankungen – zum Beispiel der
gezeigt werden, dass sie die Produktion be-
Psoriasis – zugelassen. In einer Untersuchung,
stimmter Cytokine wie Interferon(IFN)-γ oder
in der depressive Symptome von mehreren
Interleukin(IL)-1 hemmen. Möglicherweise
Hundert Psoriasis-Patienten erfasst wurden,
können die Antidepressiva dies über eine Akti-
waren circa 30 Prozent der Untersuchten an
vierung regulatorischer T-Zellen bewirken.
einer klinisch relevanten Depression erkrankt.
Es bleibt zu hoffen, dass das Immunsystem
Diese wurden 12 Wochen lang mit Etanercept,
in der Zukunft einen möglichen pharmako-
einem TNF-α-Blocker, oder Placebo behan-
logischen Angriffspunkt bietet, um psychi-
delt. Tatsächlich kam es gegenüber Placebo
sche Erkrankungen zu therapieren; denn
zu einer deutlich stärkeren Besserung der
bisher konnten sich Medikamente, die am Prof. Dr.  Hubertus Himmerich
depressiven Symptomatik unter der Behand-
Immunsystem ansetzen, trotz der referier- Universitätsklinikum Leipzig

die nicht erlernt werden muss, ist ein sogenannter unkonditio- der Leukocyten durch den KS protektiv gegen die Infektion mit
nierter Stimulus (UKS). Dazu gibt es einen anderen, physiolo- einem anderen Erreger.
gisch neutralen Reiz. In unseren Beispielen hat dieser Stimulus Trotz der beeindruckenden Effekte wurden diese Arbeiten
zunächst keine Wirkung auf das Immunsystem. In einer Lern- nur in geringem Umfang weiterverfolgt und gerieten weitge-
phase wird ein Versuchstier oder ein Proband, üblicherweise hend in Vergessenheit. Dies änderte sich, als 1975 Ader und
mehrfach, gleichzeitig beiden Reizen ausgesetzt, die dabei im Cohen einen Einfluss der Konditionierung auf die Antikörper-
ZNS miteinander verknüpft werden. Im Laufe der Konditionie- produktion nachweisen konnten. Sie arbeiteten damals mit Rat-
rung wird der biologische Effekt des UKS auf den neutralen Sti- ten, bei denen eine Verknüpfung von UKS und KS besonders
mulus übertragen, sodass am Ende alleine die Wahrnehmung des schnell vonstattengeht. In manchen Fällen reicht bereits eine
neutralen Reizes ausreicht, um die biologische Wirkung auszu- gemeinsame Exposition aus, um eine Konditionierung hervor-
lösen. Er wird dadurch zu einem konditionierten Stimulus (KS), zurufen. Als neutraler Stimulus wird in den modernen Expe-
durch den die biologische Reaktion abgerufen werden kann. Das rimenten häufig ein ungewöhnlicher Geschmack oder Geruch
bekannteste Beispiel sind sicherlich die Experimente mit Hun- verwendet.
den, in denen Iwan Pawlow den durch Nahrung (UKS) ausgelös- In ihren Experimenten injizierten die Forscher eine übelkei-
ten Speichelfluss durch Konditionierung mit einem akustischen terregende Substanz (Cyclophosphamid) als UKS, die mit dem
Signal (KS) verband. Süßstoff Saccharin im Trinkwasser kombiniert wurde. Bereits
Eine Reihe von interessanten Experimenten hat gezeigt, dass nach einer Kombination tranken die Ratten weniger, da sie den
auch Reaktionen von Substanzen, die das Immunsystem beein- Geschmack (KS) mit der Übelkeit (UKS) verknüpft hatten. Eine
flussen, durch Konditionierung auf einen KS übertragen werden Zufallsbeobachtung war, dass einige konditionierte Ratten an ge-
können. Dabei wird ein neutraler Stimulus mit einer immunmo- wöhnlichen Infektionen verstarben und dies mit der Stärke ihrer
dulierenden Behandlung kombiniert (. Abb. 13.4). Die durch Konditionierung zusammenzuhängen schien. Cyclophosphamid
den UKS verursachte Immunsuppression oder -aktivierung kann wirkt nicht nur übelkeiterregend, sondern auch immunsuppres-
danach alleine durch einen KS ausgelöst werden. siv, und die Forscher stellten in weiteren Experimenten fest, dass
Bereits in den 1920er-Jahren wurde in ersten Experimen- die Ratten nicht nur eine Abneigung gegen den Geschmack des
ten zur Konditionierung des Immunsystems Meerschweinchen KS entwickelt hatten, sondern dass der KS auch zu einer Vermin-
abgetötetes Bacillus anthracoides injiziert. Dies wirkt als UKS derung der Antikörperproduktion nach Injektion eines Antigens
und führt zur Mobilisierung von Leukocyten in die Zirkulation. führte. Dies war der Startpunkt für Untersuchungen einer Kon-
Wurde die Behandlung mit einem KS verknüpft, in diesem Fall ditionierung der Immunreaktion.
einer Stimulierung der Haut durch Kratzen oder einen warmen Eine ähnliche Beobachtung konnte auch beim Menschen
Metallgegenstand, kam es nach 10–20 Durchgängen zu einer gemacht werden. Cyclophosphamid wird in der Chemotherapie
Konditionierung. Danach reichte bereits der KS alleine aus, um von Krebserkrankungen eingesetzt. Nach wiederholter Gabe des
eine Leukocytenmobilisierung zu erreichen. Mehr noch, wenn Medikaments, das in Zyklen im Abstand von mehreren Wochen
die konditionierten Tiere den KS im Zusammenhang mit einer verabreicht wird, wurden einige Tage vor der Chemotherapie
Infektion mit Cholera bekamen, war die Überlebensrate höher Blutproben genommen. Sie wurden mit Blutproben verglichen,
als in nicht konditionierten Tieren. Hier wirkte die Mobilisierung die im Krankenhaus direkt vor der Gabe der Chemotherapie
194 Kapitel 13 • Psychoneuroimmunologie

UKS +
1 NS UKS NS(→KS)
Lern- z. B.
NS/KS
phase Geschmack
2 kein Effekt Effekt
Effekt Cytokine

3 NS NS KS
z. B.
Abruf- UKS TH
Cyclosporin A
4 phase
kein kein Effekt Neuro-
Effekt Effekt mediatoren

5 .. Abb. 13.4  Konditionierung des Immunsystems. Linke Seite: Treffen in einer sogenannten Lernphase ein neutraler Stimulus (NS) und eine Substanz mit
immunmodulierender Wirkung (unkonditionierter Stimulus, UKS) zusammen im Körper ein, kann es im ZNS zu einer Verbindung kommen. Später, in der Ab-

6
rufphase, kann durch einen Konditionierung genannten Vorgang der biologische Effekt des UKS auch durch den zuvor neutralen Stimulus ausgelöst werden,
der zum konditionierten Stimulus (KS) wurde. Rechte Seite: Für eine Konditionierung muss das ZNS die Immunmodulation wahr­nehmen. Im hier gezeigten
Beispiel wird die durch Cyclosporin A induzierte Hemmung von T-Zellen gezeigt. Auch wenn der genaue Mechanismus für diese Vorgänge weitgehend un-

7 bekannt ist, wird angenommen, dass die afferente Kommunikation über Veränderungen der humoralen Signale (Cytokine) und das vegetative Nervensystem
abläuft

8 Wie in diesem Beispiel scheinen T-Zellen häufig ein wichtiges


Lernphase Abrufphase
Ziel der konditionierten Unterdrückung einer Immunreaktion zu
9 normale
Abstoßung sein. Bei in vitro-Untersuchungen ist die Proliferation von B-Zel-
H2O H2O H2O H2O H2O H2O len nach Stimulierung mit Mitogenen deutlich weniger einge-
+ + +
10 CsA CsA CsA
schränkt als die von T-Zellen. Darüber hinaus kann durch den
Transfer von T-Zellen, die in der konditionierten Maus einem KS
verminderte ausgesetzt waren, in Mäusen eine konditionierte Immunsuppres-
11 CsA CsA CsA CsA CsA CsA
Abstoßung
sion übertragen werden.
verminderte Ein Medikament, das spezifisch die Aktivität von T-Zellen
12 KS KS KS KS KS KS
Abstoßung durch die Inhibition der Phosphatase Calcineurin vermindert,
+ + + ist Cyclosporin A. Es wird unter anderem in der immunsup-
pressiven Therapie bei Allotransplantationen eingesetzt. Nach
13 CsA CsA CsA
normale einer Konditionierung wie zuvor beschrieben, wurde Ratten ein
Abstoßung (zusätzliches) Herz in die Bauchhöhle transplantiert. Wurde das
14 KS
+
KS
+
KS
+
KS KS KS
Immunsystem durch einen KS unterdrückt, war die Überlebens-
CsA CsA CsA zeit des Transplantats verlängert (. Abb. 13.5).
15 Als Ursache dieses Effekts wurde eine Regulation der Im-
Durchtrennung Herztrans- munreaktion in der Milz durch das ZNS identifiziert, in deren
des Milznervs plantation Verlauf Noradrenalin auf β-Adrenorezeptoren einwirkte. Die
16 Proliferation von Lymphocyten aus der Milz war durch den KS
.. Abb. 13.5  Wirkung einer Konditionierung auf die Abstoßung eines allo- reduziert. Ebenso war deren Produktion von IL-2 und IFN-γ
17 genen Herztransplantats. In einer Lernphase wurde Ratten das immunsup-
pressive Cyclosporin A (CsA) entweder zusammen mit normalem Wasser
(TH1-Cytokine), die an einer cytotoxischen Abstoßungsreaktion
beteiligt sind, vermindert. Wurden vor der Transplantation die
oder mit einem neutralen geschmacklichen Reiz als konditionierten Stimulus
sympathischen Nervenbahnen zur Milz durchtrennt, gab es kei-
18 (KS) gegeben. In der Abrufphase wurde dann der KS alleine verabreicht und
nen Effekt, was eine direkte Einwirkung des ZNS auf ein sekun-
den Ratten ein zusätzliches, allogenes Herz in die Bauchhöhle transplantiert.
Aufgrund der konditionierten Immunsuppression war die Abstoßungsreak- däres Immunorgan über das vegetative Nervensystem nachwies.
19 tion gegen das Transplantat vermindert. Dieser Effekt trat nicht auf, wenn Die Konditionierung des Immunsystems ist nicht auf Im-
vor dem Experiment die neuronale Verbindung zwischen ZNS und der Milz munsuppression begrenzt. Wie am Beispiel der Meerschwein-
durchtrennt worden war
20 chen am Beginn dieses Abschnitts schon angedeutet wurde, ist
auch eine Aktivierung von einzelnen Immunfunktionen mög-
abgenommen wurden. Ein immunsuppressiver Effekt konnte lich. Dazu gehört die Aktivierung von NK-Zellen durch Po-
21 bereits vor der Gabe des Cyclophosphamids beobachtet werden. ly-I:C, eine Substanz, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit viraler
Die in vitro-Proliferation von T-Zellen war in den im Kran- RNA die Aktivität und Zahl zirkulierender NK-Zellen im peri-
22 kenhaus abgenommenen Proben geringer. Die Anwesenheit pheren Blut steigert. Afferent wird die Konditionierung des ZNS
im Krankenhaus war zu einem KS geworden. Es ist unter sol- in diesem Fall durch IFN-β vermittelt. Efferent signalisiert das
chen Bedingungen aber nur schwer möglich, einen Einfluss von ZNS durch ACTH, also über die HPA-Achse, und steigert in der
23 Stress auszuschließen, den das Bewusstsein der bevorstehenden Milz die Expression eines anderen Typ-1-Interferons, IFN-α.
unangenehmen Therapie auf die Immunreaktion gehabt haben In so konditionierten Mäusen gibt es aufgrund der aktivierten
könnte. NK-Zellen eine bessere Abwehr von Myelomzellen nach einem
Literatur
195 13
Literatur
Lernphase Abrufphase
Ader RA, Cohen N (1975) Behaviorally Conditioned Immunosuppression. Psy-
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IgG, Kontrolltiere IgG, nach Hirnläsion
Riether C, Doenlen R, Pacheco-Lopez G, Niemi MB, Engler A, Engler H, Sched-
lowski M (2008) Behavioural conditioning of immune functions: How the
.. Abb. 13.6  Konditionierte Sekundärantwort. Wird zusammen mit dem central nervous system controls peripheral immune responses by evoking
Antigen bei einer Immunisierung von Mäusen oder Ratten ein neutraler associative learning processes. Rev Neurosci 19:1–18
Stimulus (Geruch oder Geschmack) gegeben, kommt es zu einer Konditionie- Rothermundt M, Arolt V, Bayer TA (2001) Review of immunological and immuno-
rung. Bei der erneuten Exposition mit dem KS wird eine Antikörperproduk- pathological findings in schizophrenia. Brain Behav Immun 15():319–339
tion be­obachtet, bei der schnell große Mengen IgG gebildet werden. Diese Steinmann L (2004) Elaborate interactions between the immune and nervous
Beobachtungen entsprechen den Sekundärreaktionen nach einer Immuni- systems. Nat Immunol 5(6):375–381
sierung. Wurde die Konditionierung durch Läsionen in den für die Konditio- Tausk F, Elenkov I, Moynihan J (2008) Psychoneuroimmunology. Dermatol Ther
nierung relevanten Hirnarealen vor Beginn der Lernphase verhindert, kam es 21:22–31
nach Gabe des KS zu keiner Antikörperproduktion

KS. Ein anderes Beispiel für konditionierte Immunstimulierung


ist die Antikörperproduktion in Nagetieren. Nach der primären
Antikörperantwort auf ein Proteinantigen (UKS) zusammen
mit einem neutralen Stimulus, ist dieser Stimulus (jetzt ein
KS) in der Lage, alleine die Produktion von Antikörpern aus-
zulösen. Die durch den KS verursachte Antikörperantwort ist
IgG-vermittelt und entspricht einer typischen Sekundärantwort
(. Abb. 13.6).
Ratten sind sehr leicht konditionierbar. Eine Konditionie-
rung funktioniert aber auch beim Menschen. Ein Experiment mit
Freiwilligen zeigte, dass sich beim Tuberkulintest eine Konditio-
nierung beobachten lässt. Dabei tritt nach Einritzen des Antigens
in die Haut von immunisierten Patienten (▶ Kap. 10) eine Hy-
persensitivitätsreaktion vom Typ 4 auf, eine DTH (delayed-type
hypersensitivity) basierend auf TH1-Zellen und Makrophagen.
Nach mehrmaliger Konditionierung fiel die Tuberkulinreaktion
geringer aus, wenn die Patienten glaubten, nur eine Salzlösung
zu bekommen. Eine Konditionierung zu einer positiven Reaktion
bei Einsatz einer Salzlösung gelang in diesem Fall jedoch nicht.
Dies wurde aber in einem anderen Experiment beobachtet, auch
wenn dieses bislang noch nicht reproduziert werden konnte. Ak-
tivität und Anzahl von NK-Zellen im peripheren Blut werden
durch Injektion von Adrenalin gesteigert (UKS). Nach Kondi-
tionierung der Probanden mit einem Geschmack (KS), konnte
diese Reaktion später auch vom KS alleine ausgelöst werden. Sie
wurde durch den Betablocker Propanolol unterdrückt, was auf
eine Beteiligung sympathischer β-Adrenorezeptoren an den effe­
renten Signalen hinweist.
197 14

Immungerontologie
Lothar Rink

14.1 Angeborenes Immunsystem im Alter  –  198


14.2 Antigenpräsentierende Zellen – 199
14.3 Das T-Zell-System im Alter  –  201
14.4 Die humorale Immunität im Alter  –  202
14.5 Steuerung der Immunantwort im Alter  –  203
14.6 Immunseneszenz und altersbedingte Erkrankungen  –  204
Literatur – 205

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
198 Kapitel 14 • Immungerontologie

Die Immungerontologie oder das Immunsystem des alten Men­ Gerontologe eingeführt, der ein Protokoll aufgestellt hat, das ge­
1 schen bekommt in unserer älter werdenden Gesellschaft eine sunde alte Menschen definiert. Diese Definition war nötig, da wir
immer größere Bedeutung (. Abb. 14.1). Wie bei allen Organ­ bis heute, im Gegensatz zur Kinderheilkunde, keine spezifischen
2 systemen nimmt auch beim Immunsystem die Leistung im ho­ Werte für Laborparameter von alten Menschen haben, obwohl
hen Alter ab, man nennt dies Immunseneszenz, also die Alters­ wissenschaftlich eindeutig gezeigt wurde, dass sich viele Werte
schwäche des Immunsystems. Das Immunsystem unterliegt das im hohen Alter ohne Erkrankung verändern. Die „normalen al­
3 ganze Leben über sehr dynamischen Prozessen und verändert ten Menschen“, d. h. der durchschnittliche alte Mensch mit allen
sich. Zwei wesentliche Einflussgrößen sind dabei das Alter und Begleiterkrankungen, die ihrerseits auch wieder auf das Immun­
4 das Geschlecht, gegen die wir nichts machen können, während system einen Einfluss haben, ist gegenüber den SENIEUR-Alten
wir andere Faktoren, die in ▶ Kap. 15 besprochen werden, durch­ nicht gesund, aber eher der medizinische Normalfall. Zunächst
5 aus aktiv beeinflussen können. Die Funktionalität des Immun­ sollen, wie in den einleitenden Kapiteln, die verschiedenen Teile
systems im Alter steht dabei in einer direkten Beziehung zum des Immunsystems und deren Veränderungen im Alter separat
allgemeinen Wohlbefinden und zur Lebens­erwartung. Untersu­ besprochen und dann deren Auswirkungen auf Erkrankungen
6 chungen an über 100-jährigen, sogenannten Centenarians, haben zusammengefasst werden.
gezeigt, dass diese ein wesentlich funktionsfähigeres Immunsys­
7 tem haben als der durchschnittliche alte Mensch.
Schwedischen Forschern ist es auch gelungen, in einer 14.1 Angeborenes Immunsystem im Alter
Langzeitstudie, in der man seit 1989 über 80-jährige Menschen
8 beobachtet und regelmäßig untersucht, einen sogenannten Im­ Zum angeborenen Immunsystem gehören die Barrierefunkti­
munrisikophänotyp (IRP) zu definieren. Anhand dieses IRP onen von Haut und Schleimhaut als erster Schutzwall. Bereits
9 kann man zwar noch nicht in jungen Jahren die Lebenserwar­ dieser ist bei den alten Menschen gestört. Die Haut wird dün­
tung voraussagen, man sieht aber bereits ca. ein Jahr im Vo­ ner und trockener, sodass die physikalische Barrierefunktion
10 raus, wenn das Immunsystem sich charakteristisch verändert abnimmt. Auf der trockenen Haut kommen zudem weniger
und seine Funktionalität so stark abnimmt, dass das Leben zu der fettlöslichen Defensine als antimikrobielle Barriere vor.
Ende geht. Im Alltag wird der Zusammenhang zwischen Alter Die Schleimhäute verlieren ebenfalls an Feuchtigkeit, was wie­
11 und schwächer werdendem Immunsystem aber lange vorher derum die Besiedlung durch Erreger fördert. Ein besonderes
deutlich, da mit dem Alter die Anzahl von Infektionen und Problem bei alten Menschen stellen Pneumonien (Lungenent­
12 Krebserkrankungen stark zunimmt. So steigt die durch Infek­ zündungen) dar. Durch die abnehmende Cilientätigkeit können
tionskrankheiten verursachte Sterberate ab dem 50. Lebensjahr Erreger schlechter aus der Lunge heraustransportiert werden.
stetig an und liegt ab dem 80. Lebensjahr beim 10-Fachen von Verstärkt wird dies durch den abnehmenden Hustenreflex im
13 jungen Erwachsenen. Bei Frauen beginnt die Zunahme erst nach Alter. Darm- und Blaseninfektionen nehmen ebenfalls zu, da im
der Menopause (Wechseljahre). Ab 75 Jahren gibt es keinen Un­ Magen eine Anazidität, d. h. eine verminderte Säureproduktion,
14 terschied mehr zwischen den Häufigkeiten bei Männern und herrscht und so weniger Erreger als durch den normalen sauren
Frauen (. Abb. 14.2). pH-Wert abgetötet werden. In der Blase können sich die Erreger
15 Da sich das Älterwerden nicht aufhalten lässt, kann man aufgrund der verminderten Diurese (weniger Urinproduktion)
nur über andere Einflussgrößen wie z. B. Ernährung und Sport besser anheften, da sie nicht mehr so effektiv herausgespült wer­
(▶ Kap. 15) einen positiven Einfluss auf das Immunsystem neh­ den. Insgesamt haben die alten Menschen damit einen viel ge­
16 men und auf diese Weise sein biologisches Alter verändern, ringeren Schwellenwert für Erreger, da die erste Barriere weniger
d. h. die Alterungsprozesse auf zellulärer Ebene verlangsamen. funktionell ist.
17 Das Ziel der modernen Immungerontologie ist dabei nicht das Das Komplementsystem ist relativ unbeeinflusst, solange
ewige Leben, da die optimale Lebenserwartung beim Menschen keine Leberschädigung vorliegt. Einige Faktoren liegen sogar,
nicht wesentlich über 120 Jahre liegt (▶ Exkurs 14.1). Eine Liste wie verschiedene Akute-Phase-Proteine, in höherer Konzentra­
18 der ältesten Menschen der Welt zeigt, dass diese zwischen 118– tion vor, was auf einen chronischen Entzündungsprozess, der
122 Jahre alt werden. Ziel ist es vielmehr, das Immunsystem so zu inflammaging genannt wird, zurückzuführen ist. Dies wird bei
19 beeinflussen, dass es eine Kapazität wie das der Centenarians hat den Veränderungen der Immunregulation näher besprochen.
und so ein gesundes Leben im hohen Alter, aber kein Leben über Die Veränderungen auf zellulärer Ebene sind wesentlich
20 die persönlichen biologischen Grenzen hinaus möglich ist. Die gravierender und werden für die jeweiligen Zellen einzeln be­
meisten Centenarians sterben bereits weit vor der obigen maxi­ sprochen.
malen Lebenserwartung mit 104–106 Jahren, dies aber ohne eine
21 lange Krankheitsgeschichte. Es geht darum, die Veränderungen
des Immunsystems bei gesunden alten Menschen zu verstehen, Granulocyten
22 also Veränderungen wie bei den Centenarians, die aufgrund des
zunehmenden Alters nicht zu verändern sind. Dem gegenüber Die Anzahl von Granulocyten im Blut bleibt im Alter nahezu
stehen große Veränderungen bei den meisten alten Menschen, unverändert, teilweise steigt die Anzahl der neutrophilen Gra­
23 die auf anderen Ursachen beruhen. Im Folgenden werden des­ nulocyten sogar an. Für Mastzellen sind die Daten aufgrund we­
halb SENIEUR-Alte von „normalen alten Menschen“ unter­ niger Studien noch widersprüchlich. Funktionell sind die Abwei­
schieden. Den Begriff „SENIEUR-Alte“ hat ein niederländischer chungen bei den Granulocyten jedoch erheblich (. Abb. 14.3).
14.2 • Antigenpräsentierende Zellen
199 14

Eosinophile zeigen im Alter eine verminderte Degranulierung


und Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), während
die Adhäsion und Chemotaxis relativ normal ist. Die Basophi­
len weisen ebenfalls eine verminderte Degranulierung auf. Die
Kenntnis bei den Neutrophilen ist viel weitreichender. Obwohl
die Anzahl der Neutrophilen teilweise zunimmt, bleibt deren
Produktionsrate im Knochenmark unverändert und kann auch
im Falle einer Infektion nur schlechter gesteigert werden. Dies
liegt in einer gestörten Signaltransduktion der Faktoren G-CSF
und GM-CSF, die ebenfalls dafür verantwortlich ist, dass die
Neutrophilen alter Menschen eine noch kürzere Lebenszeit ha­
ben als die junger Menschen. Normalerweise wird die Apoptose
in Neutrophilen durch deren Aktivierung inhibiert, sodass die
Lebenszeit der Neutrophilen während einer Infektion ansteigt.
Die verkürzte Lebensdauer zusammen mit der verminderten
Produktionssteigerung führt dann bei einer Infektion zu einem
relativen Mangel an neutrophilen Granulocyten, wodurch die
Erreger wiederum einen Vorteil gegenüber dem Immunsystem
haben. Des Weiteren ist die Chemotaxis, Phagocytosekapazität
und das intrazelluläre Abtöten durch ROS bei Neutrophilen alter
Menschen vermindert, sodass die Neutrophilen nicht so funkti­
onsfähig sind. Die verminderte Chemotaxis beruht dabei wieder
auf einer verminderten Signaltransduktion der Rezeptoren, wäh­
rend die vorausgehende Adhäsion am Endothel sogar gesteigert
ist, da die dafür notwendigen Adhäsionsmoleküle zum Teil (z. B.
CD15) vermehrt exprimiert werden. Die verstärkte Anheftung
am Endothel ist natürlich auch nachteilig für die Gefäßwände.
Auch in der Spätphase der Immunantwort ist die Interaktion mit
dem spezifischen Immunsystem schlechter, da die Fcγ-Rezepto­
ren (CD16) auf den Neutrophilen alter Menschen vermindert
exprimiert werden. .. Abb. 14.1  90-jährige Frau. Das Bild zeigt eine 90-jährige Frau und Mutter
von 10 Kindern. Bis ins 19. Jahrhundert hatten Frauen im Schnitt eine gerin-
gere Lebenserwartung als Männer, vor allem durch den Tod im Wochenbett.
Heute ist es umgekehrt, was sich immunologisch begründen lässt. Noch
NK-Zellen im Alter bilden solche lebensfrohen und vergleichsweise gesunden alten Menschen
die Ausnahme in unserer Bevölkerung, die Lebenserwartung steigt aber welt-
Die Anzahl der NK-Zellen und vor allem der NKT-Zellen steigt weit. Dabei sind Einkommen und Bildung die wichtigsten sozialen Faktoren,
die sich vorteilhaft auf die Lebenserwartung auswirken, sodass das persönli-
im Alter stark an, während ihre Funktionalität im Allgemeinen
che maximale Lebensalter erreicht werden kann. (Foto freundlicherweise zur
sogar bei SENIEUR-Alten abnimmt. Die verminderte Aktivität Verfügung gestellt von Frau Ingrid Schwichtenberg.)
beruht dabei auf einer verminderten Abtötungsrate pro Zelle,
einer geringeren Proliferation und einer verminderten Aktivier­
barkeit, was man an einer niedrigeren Expression von CD25 Die Anzahl der Monocyten und DC im Blut von alten Men­
und CD69 erkennt. Der Perforingehalt der Zellen ist hinge­ schen ist vergleichbar der von jungen Menschen. Zumindest für
gen normal, sodass es sich wie bei den Granulocyten um einen die gewebeständigen DC in der Haut (Langerhans-Zellen) trifft
funktionellen Ausfall handelt. Die Produktion von IFN-γ und dies nicht zu, da sie altersabhängig abnehmen. Über andere ge­
Chemokinen durch die NK-Zellen alter Menschen ist ebenfalls webeständige DC und Makrophagen gibt es noch keine eindeu­
vermindert, was zu einer geringeren Aktivierung anderer Zellen tigen Angaben, es spricht aber vieles dafür, dass diese ebenfalls
in der frühen Phase der Immunantwort führt. Interessanterweise abnehmen. Im Gegensatz zu allen anderen Zellpopulationen zei­
zeigen die NK- und NKT-Zellen der Centenarians eine normale gen die Monocyten/Makrophagen aber eine erhöhte Aktivität im
bis teilweise sogar leicht gesteigerte Aktivität. Alter. Dies gilt nicht für alle Funktionen der Zellen, sondern spe­
ziell für die Produktion von proinflammatorischen Cytokinen.
Anders als bei den Granulocyten bleibt die Phagocytoseleistung
14.2 Antigenpräsentierende Zellen der Makrophagen nahezu erhalten. Die Antigenprozessierung
und die akzessorischen Funktionen zur T-Zell-Stimulierung sind
Wie in ▶ Kap. 4 beschrieben, ist die Antigenpräsentation die Vo­ hingegen vermindert. Die gleichen Funktionen bleiben bei den
raussetzung, um das spezifische Immunsystem zu aktivieren. So­ DC hingegen im Alter unverändert, während ihre Fähigkeit zur
mit kommt den APC eine Schlüsselrolle für die Immunantwort Pino- und Endocytose abnimmt. Insgesamt ist damit die Funk­
der adaptiven Phase zu. tion der APC relativ normal, und die Probleme der adaptiven
200 Kapitel 14 • Immungerontologie

1 Frauen
Menopause

Centena
2 Pubertät
Immunkapazität

rians
Männer
no
rm
3 Im
mu
ng
ale
Alt
es e
ch

4 ch
te
Frühgeborene

5 0 3 12 2 4 15 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Monate Jahre
Alter
6
.. Abb. 14.2  Veränderungen der Immunkapazität im Laufe des Lebens. Die Immunkapazität eines Individuums ist die Gesamtheit der Mechanismen, die
zur Immunantwort beitragen. Bei den Säug­lingen muss sich das erworbene Immunsystem erst richtig entwickeln, weshalb das angeborene Immunsystem
7 (braun hinterlegt) die dominante Rolle hat. In der Kindheitsphase reift das erworbene Immunsystem aus, deshalb besteht in dieser TH2-dominierten Phase
(türkis hinterlegt) der Immun­antwort noch eine verminderte Immunkapazität. Diese spiegelt sich in vielen Infektionen und anderen Krankheitsverläufen wider,
während die Immunpathologien bei den Erwachsenen ausgeprägter sind, da es eine verstärkte TH1-Antwort gibt (grün hinterlegt). Besonders deutlich wird
8 dies bei Früh­geborenen, die mit einem unausgereiften Immunsystem zur Welt kommen. Spätestens mit der Pubertät ist das Immunsystem ausgereift und
verändert sich jetzt durch den Einfluss der Sexual­hormone. Frauen haben insgesamt eine etwas höhere Immunkapazität. Ab dem 60.–65. Lebensjahr nimmt

9
die Immunkapazität stetig ab, bei normalen alten Menschen jedoch viel stärker als bei Centenarians, was die geringere Lebenserwartung widerspiegelt. Das
Immunsystem wechselt dabei auch wieder von einer TH1-dominierten zu einer TH2-dominierten Immunantwort. Stark immun­defiziente Menschen erreichen
nie eine normale Immunkapazität und zeigen eine vorzeitige Alterung des Immunsystems

10 Exkurs 14.1: Biomarker der Alterung  |       | 

11 Das Altern eines Organismus manifestiert sich


als die zeitabhängige Abnahme von funktio-
Personen konzentriert werden könnten, die sie
am dringendsten benötigen.
abgenommen und Zellen der Mundschleim-
haut sowie Urin asserviert. Diese biologischen
neller „Reservekapazität“ der einzelnen Zellen, In der Literatur wurden bereits viele Alte- Proben werden an Ort und Stelle weiterver-
12 Gewebe und Organe. Dies geht mit einer rungs-Biomarker beim Menschen beschrieben, arbeitet und in gefrorenem Zustand an eine
verminderten Widerstandskraft gegen externe deren Variabilität in Querschnittsstudien durch zentrale Biobank versandt, in welcher eine
Belastungen und mit einem allmählich stei- die Bevölkerung in der Regel jedoch sehr Umcodierung und die weitere Verteilung des
13 genden Risiko von Morbidität und Mortalität groß ist. Dies ist vermutlich die Folge eines Probenmaterials an analytische Labors erfolgt.
einher. Alle Gewebe und Organe des Körpers multikausalen Alterungsprozesses, von dem Deren Aufgabe ist es, die insgesamt etwa 250
sind vom Alterungsprozess betroffen. Die Ge- vielfältige biologische Ebenen betroffen sind. einzelnen biochemischen oder molekularen
14 schwindigkeit der Alterung kann sich zwischen Auf diesem Hintergrund könnte eine Kombina- „Biomarker-Kandidaten“ im Material eines
Mitgliedern einer Population unter­scheiden; tion von mehreren unabhängigen Biomarkern jeden Probanden blind zu testen und die
das „biologische Alter“ eines Individuums kann (eine „Testbatterie“) ein geeigneteres Werk- Messergebnisse in einer zentralen Datenbank
15 also vom chronologischen abgekoppelt sein. zeug darstellen, um das biologische Altern zu abzuspeichern. Die mit bioinformatischen und
Da das biologische Alter eines lebenden Indi- messen, als einzelne Biomarker. Hier ist jedoch biomathematischen Methoden durchzufüh-

16 viduums nicht direkt bestimmt werden kann,


wurde schon vor Jahrzehnten das Konzept von
zu bedenken, dass die Aussagekraft der Einzel-
biomarker in einer Testbatterie unterschiedlich
rende umfangreiche Daten­analyse soll dann
die gewünschte Testbatterie liefern. Für deren
„Biomarkern der Alterung“ entwickelt, in Ana- groß sein kann, d. h. dass eine angemessene definitive Validierung wird jedoch eine länger-

17 logie zu Biomarkern für bestimmte Krankheiten


(z. B. AIDS). Ein Biomarker für die Alterung kann
Gewichtung erforderlich ist. Die Auffindung
einer geeigneten Biomarkerkombination mit
fristige Verlaufsbeobachtung des körperlichen
Status der Probanden nötig sein.
definiert werden als eine messbare, quantita- entsprechender Gewichtung der Einzelmar-
18 tive Veränderung in der Zusammensetzung
bzw. Funktion von Geweben oder Körperflüs-
ker ist die wesentliche Aufgabe des derzeit
laufenden EU-Projekts „MARK-AGE“. Dazu wird
sigkeiten, die mit dem Alterungsprozess assozi- eine Populationsstudie an insgesamt etwa
19 iert ist und idealerweise durch diesen hervorge-
rufen wird. Ein solcher Biomarker der Alterung
3700 Probanden im Altersbereich 35–74 Jahre,
die an acht über Europa verteilten Orten re-
könnte als Surrogat für das „biologische Alter“ krutiert werden, durchgeführt. Die Probanden
20 dienen und das Risiko von altersabhängigen bilden gleichstark besetzte Fünf-Jahres-Al-
Krankheiten zuverlässiger vorhersagen, als das tersgruppen mit einem 1:1-Geschlechter­
kalendarische Alter dies vermag. Dies wäre ein verhältnis. Zusätzlich werden Probanden mit
21 wichtiges Werkzeug für den – derzeit noch stark erhöhter Alterungsgeschwindigkeit (Patienten
unterentwickelten – Bereich der Präventivmedi- mit progeroiden Syndromen) und solche
zin, da anhand solcher Marker, die als Suchtest mit verminderter Alterungsgeschwindigkeit
22 einzusetzen wären, intensive diagnostische (Probanden aus langlebigen Familien sowie
Maßnahmen und präventive Interventionen deren Ehegatten als Kontrollen) einbezogen.
(wie z. B. Änderung des Ernährungsverhaltens, Von allen Probanden werden standardisierte
23 des Bewegungsverhaltens, des Lebensstils im anthropometrische und medizinische Daten Prof. Dr.  med. Alexander Bürkle
Allgemeinen, pharmakologische oder sonstige sowie Informationen zum sozialen Umfeld Fachbereich Biologie
medizinische Intervention) auf diejenigen und Lebensstil erhoben. Außerdem wird Blut Universität Konstanz
14.3  •  Das T-Zell-System im Alter
201 14
.. Abb. 14.3  Altersbedingte Veränderungen bei neutro-
philen Granulocyten. Im Vergleich zu jungen Erwachsenen junge Erwachsene Erreger Erreger
a) machen sich die Veränderungen der Neutrophilen von Gefahrensignale
alten Menschen b) besonders im Falle einer manifesten
Infektion bemerkbar. Durch die verminderte Chemotaxis Aktivierung und Inhibition Aktivierung
und ausbleibende Apoptosehemmung ist die Anzahl der Apoptose
der Neutrophilen am Entzündungsort zu gering für eine
effektive Infektionsbekämpfung. Die wenigen Granulocyten F
G-CS

G-CSF, IL-1
haben zudem eine verminderte Kapazität zur Phago­cytose
Inhibition der Apoptose
und intrazellulären Abtötung. Gleichzeitig kommt es zu
8
IL-

G-
einem verstärkten Verbrauch, da die Nachbildung nicht ad-

CS
F
äquat angeregt werden kann. Normale Aktivitäten in grün,
altersbedingte Veränderungen in rot vermehrte Differenzierung
Chemotaxis
zu PMN

myeloische
Vorläuferzelle

physiologische Leukocytose und


Eliminierung der Erreger durch
Phagocytose und intrazelluläre Abtötung vermehrte Ausschüttung
> starke Immunreaktion aus dem KM
a

alte Menschen Erreger Erreger


Gefahrensignale

Aktivierung ↓ und Hemmung Aktivierung ↓


der Apoptose ↓

F
G-CS

G-CSF, IL-1
Hemmung der Apoptose ↓
8
IL-

G-
CS
F
Differenzierung
Chemotaxis ↓ zu PMN ↓

myeloische
Vorläuferzelle

geringe Leukocytose und Eliminierung


der Erreger durch Phagocytose ↓
und intrazelluläre Abtötung ↓ geringe Ausschüttung
> schwache Immunreaktion aus dem KM
b

Immunantwort resultieren eher aus Defiziten bei den T-Zellen das Thymusgewebe mehr und mehr durch Fettgewebe ersetzt.
und Veränderungen bei der Zellkommunikation (. Abb. 14.4). Heute wissen wir aus Studien an Centenarians, dass der Thymus
durchaus zeitlebens eine Restaktivität hat, während man früher
dachte, dass dieser seine Funktion vollkommen einstellt. Die De­
14.3 Das T-Zell-System im Alter generation des Thymus wird dabei durch die Sexualhormone und
ROS gefördert, während einige Cytokine wie z. B. IL-7 der De­
Die Beeinträchtigung der T-Zell-Funktionen im Alter war eine generation entgegenwirken und diese experimentell sogar revi­
der ersten Beobachtungen der Immungerontologie. Kein anderer dieren können. Die Produktion von IL-7 nimmt mit steigendem
Zelltyp ist im Alter in seinen Funktionen so stark eingeschränkt Alter ab. Kinder haben den größten und aktivsten Thymus, und
wie die T-Zellen. Die daraus resultierenden Probleme werden ab der Pubertät setzt die Degeneration ein, wobei Testosteron
häufig mit einer HIV-Infektion, als Modell einer vorzeitigen einen stärkeren Einfluss hat als die weiblichen Sexualhormone.
Alterung des Immunsystems, verglichen. Bereits früh erkann­ Im Alter schlägt sich dies dann auch auf die T-Zell-Zahl nieder,
ten Anatomen, dass der Thymus, als Quelle naiver T-Zellen, die im Gegensatz zu den Zellen des angeborenen Immunsystems
mit dem Alter degeneriert. Ab der dritten Lebensdekade wird mit dem Alter abnimmt. Hierbei muss man aufpassen, da es in
202 Kapitel 14 • Immungerontologie

.. Abb. 14.4  Gestörte T-Zell-Funktionen im Alter. Die


1 Gefahren-
Anzahl der T-Zellen nimmt im Alter ab und gleichzeitig die
Anzahl nicht funktioneller CD28−-T-Zell-Klone zu. Durch
signale die verminderte TCR-Signaltransduktion sind die T-Zellen
2 keine Aktivierung schlecht aktivierbar. Nach Aktivierung ist die IL-2-Produk-

IL-
möglich Aktivierung über TCR ↓ tion vermindert, sodass die Proliferationsrate geringer ist

2

CD28– und die aktivierungsinduzierte Apoptose zunimmt. Dies
3 führt zu einer schlechteren Immunantwort. Altersbedingte
IL-2-induzierte Veränderungen in rot

4 Aktivierung IL-2
Proliferation ↓,
Apoptose ↑
keine über TCR ↓

5 Abtötung
IL-2-induzierte Proliferation ↓,
Aktivierung ↓, Apoptose ↑
6 Abtötung ↓

7
älterer Literatur durchaus andere Angaben gibt, weil dort noch dessen Liganden. Außerdem wird mehr proapoptotisches Bax
8 CD2 zur Bestimmung der T-Zellen verwendet wurde, das aber und weniger antiapoptotisches Bcl-2 und p53 exprimiert. Die
auch auf den im Alter ansteigenden NK-Zellen exprimiert wird. gesteigerte Apoptose ist bei den naiven T-Zellen alter Menschen
9 Verwendet man den spezifischen Marker CD3, so nehmen die besonders ausgeprägt.
T-Zellen sowohl absolut als auch prozentual ab. Die Aktivität des Das Problem im T-Zell-System wird aber noch dadurch ver­
10 Thymus kann man heutzutage molekularbiologisch bestimmen, stärkt, dass im Alter der Anteil von CD28−-T-Zellen zunimmt.
indem man den Anteil der T-Zellen bestimmt, die einen TREC Diesen Zellen fehlt das wichtigste costimulierende Signal für die
(TCR rearrangement excision circle, ▶ Kap. 6) enthalten. TREC T-Zell-Ak­tivierung und sie sind deshalb anerg. Des Weiteren
11 kommen nur in den im Thymus neu entstandenen T-Zellen vor fehlt diesen Zellen der CD40L, womit die CD28−-T-Zellen we­
und nicht in den daraus entstandenen Tochterzellen. Der Anteil der über APC aktiviert werden können noch diese vernünftig
12 der TREC-positiven T-Zellen an allen T-Zellen ist damit ein Maß stimulieren. Bei den CD28−-T-Zellen handelt es sich um ein­
für die Aktivität des Thymus. zelne T-Zell-Klone, die sehr langlebig sind und expandieren.
Der Abfall der T-Zellen ist bei den CD8+-T-Zellen ausge­ Die nicht funktionellen T-Zell-Klone sind mehrheitlich CD8+
13 prägter als bei den CD4+-T-Zellen, wodurch im Alter der CD4/ und entsprechen den monoklonalen Gammopathien unklarer
CD8-Quotient steigt. Dies bedingt eine höhere Anfälligkeit für Signifikanz bei den B-Zellen (s. u.). Diese Zellen nehmen aber
14 virale Infektionen. Wie zu erwarten, steigt auch mit dem Alter die Platz für normale T-Zellen weg, sodass der Anteil funktioneller
Anzahl der T-Gedächtniszellen (CD45R0+) an, während die An­ T-Zellen im Alter noch wesentlich geringer ist, als es die Ernied­
15 zahl von naiven T-Zellen (CD45RA+) abnimmt. Damit können rigung der T-Zell-Zahl vermuten lässt. Das Überleben der nicht
alte Menschen schlechter auf neue Antigene reagieren, während funktionellen Zellen wird dadurch ermöglicht, dass im Gegen­
die Antwort auf bereits bekannte Antigene (Recall-Antigene) satz zur gestörten Signaltransduktion über TCR und CD3, die
16 nur unwesentlich beeinflusst ist. Funktionell sind die T-Zellen Signaltransduktion des IL-2-Rezeptors und von CD2 noch intakt
aber noch stärker betroffen als zahlenmäßig. Die T-Zellen al­ ist (. Abb. 14.4).
17 ter Menschen sind schlechter aktivierbar als die T-Zellen jun­ Neue Erkenntnisse zeigen, dass die Anzahl von Treg im Al­
ger Menschen, was vor allem daran liegt, dass die T-Zellen alter ter zunimmt, was die schlechte Reaktion auf Erreger erklären
Menschen bereits chronisch aktiviert sind. So ist der Anteil von könnte, aber zunächst im Widerspruch zu der steigenden Rate
18 aktivierten T-Zellen (CD25+- oder HLA-DR+-T-Zellen) erhöht. an Autoimmunkrankheiten im Alter steht. Bedenkt man jedoch,
Diese schlechte Aktivierbarkeit resultiert in einer schlechteren dass die natürlichen (n)Treg zur Verhinderung von Autoimmun­
19 T-Zell-Proliferation, die Proliferation ist jedoch eine wesentli­ krankheiten im Thymus entstehen und die induzierbaren (i)Treg
che Voraussetzung für eine T-Zell-Antwort. Demgegenüber ist, zur Immunregulation in der Peripherie, so kann man verstehen,
20 wie bei den Neutrophilen, die Apoptoserate der T-Zellen im dass man mit einer Abnahme der nTreg und Zunahme der iTreg
Alter erhöht. Die Mechanismen beruhen dabei wahrscheinlich beide Phänomene erklären kann.
auf einer ähnlichen Beeinträchtigung der Signaltransduktion
21 in diesen Zellen, sodass nicht genügend Überlebenssignale in
die Zellen gelangen. Dies gilt insbesondere für Signale über den 14.4 Die humorale Immunität im Alter
22 TCR, die stark eingeschränkt sind. Der Grund sind eine gerin­
gere Phosphorylierung der ζ-Kette des CD3-Komplexes und eine Die humorale Immunität verschlechtert sich im Alter, was man
niedrigere Expression des Transkriptionsfaktors c-fos. Des Wei­ vor allem an schlechteren Impftitern beobachten kann. Die An­
23 teren ist in den T-Zellen alter Menschen die Balance zwischen zahl der B-Zellen im Blut nimmt wie die der T-Zellen ab. Bei den
pro- und antiapoptotischen Proteinen und Signalen verschoben. B-Zellen sinkt die Produktion im Knochenmark durch einen frü­
Die T-Zellen exprimieren stärker den Todesrezeptor CD95 und hen Differenzierungsstopp. Die Anzahl der B-Zellen in der Milz
14.5  •  Steuerung der Immunantwort im Alter
203 14
.. Abb. 14.5  Gestörte B-Zell-Funktionen im Alter. Die
Anzahl unreifer B-Zellen nimmt im Alter ab und gleichzeitig
T-Zell-abhängige
B-Zell-Antwort ↓
die Anzahl von CD27+-Gedächtniszellen und nicht funktio-
B-Gedächtniszellen ↑ T-Zell-unabhängige
nellen langlebigen oder ent­arteten B-Zell-Klonen zu. Diese
IL-4 ↑ B-Zell-Antwort ↓
Klone können vermehrt Antikörper oder Autoantikörper
CD27+ CD27+ CD27+
produzieren. Durch die verminderte BCR-Signaltransduk-
tion sind die naiven B-Zellen schlecht aktivierbar. Bei der BCR-Signal ↓
antigenunabhängige
T-Zell-unabhängigen Aktivierung kommt hinzu, dass mem- membranstän-
Aktivierung ↑
branständiges IgM vermindert exprimiert wird, sodass die diges IgM ↓
Kreuzvernetzung auf der Oberfläche schwieriger ist. Dies
führt zu einer schlechteren Immunantwort. Altersbedingte
Veränderungen in rot
antigenspezifische
Immunantwort ↓

Antikörperproduktion ↑
langlebige B-Zell-Klone ↑ Autoantikörper ↑
Gammopathien ↑

bleibt aber unverändert, da diese langlebiger sind. Warum trotz­ auf einem Anstieg von IgG1–3 und IgA beruht, während die Spie­
dem die T-Zell-unabhängige B-Zell-Antwort im Alter wesentlich gel von IgG4, IgE und IgM unverändert bleiben. Fatalerweise
schlechter wird, ist bis heute unklar, da eine verminderte Anzahl nimmt auch die Anzahl von Autoantikörpern mit dem Alter zu
von B-Zellen in der Marginalzone der Milz die Erklärung für die und damit die Inzidenz von Autoimmunkrankheiten. Organ­
verschlechterte T-Zell-unabhängige B-Zell-Antwort in Kleinkin­ spezifische und nicht-organspezifische Autoimmunkrankheiten
dern ist. Allerdings ist die Expression von membranständigem nehmen dabei gleichermaßen mit dem Alter zu, wobei man bei
IgM bei alten Menschen vermindert, was eine schlechtere Akti­ SENIEUR-Alten und Centenarians nur nicht-organspezifische
vierung zum Teil erklären könnte. Autoantikörper findet.
Vergleichbar mit den T-Zellen findet man auch mehr B-Ge­
dächtniszellen (CD27+/CD19+), wodurch sich mit steigendem
Alter das Antikörperrepertoire einschränkt. Dieses Problem wird 14.5 Steuerung der Immunantwort im Alter
noch verstärkt durch einzelne Zellklone, die sich stark vermehren
und nur einen Antikörper produzieren. In der Masse handelt es In ▶ Kap. 7 wurde die komplexe Steuerung der Immunantwort
sich dabei um sogenannte monoklonale Gammopathien un- über Cytokine und Adhäsionsmoleküle besprochen. Die verän­
klarer Signifikanz (MGUS), während ein kleiner Teil maligne derte Expression einiger Adhäsionsmoleküle im Alter wurde be­
B-Zell-Neoplasien darstellt. Bei etwa 38 % der alten Menschen reits bei den jeweiligen Zellen angesprochen, sodass nachfolgend
findet man monoklonale Gammopathien, während man diese nur auf die Veränderungen der Cytokinproduktion eingegangen
nur bei 1–3 % der Erwachsenen mittleren Alters findet. Selbst bei wird.
den gesunden SENIEUR-Alten ist die Rate mit 11 % stark erhöht. Während man bei den einzelnen Zellpopulationen eine zu­
Die funktionellen B-Zellen zeigen eine geringere Expression von nehmende oder abnehmende Funktion definieren konnte, so
membranständigem IgM und eine gestörte Signaltransduktion ist die Lage bei den Cytokinen sehr heterogen. Die Produktion
des BCR, sodass deren T-Zell-abhängige und -unabhängige der meisten proinflammatorischen Cytokine nimmt mit dem
Aktivierung erschwert wird. Bedenkt man, dass die Masse der Alter zu, wobei viele sogar im Alter unphysiologischer­weise
B-Zell-Antworten T-Zell-abhängig ist, potenziert sich der Aus­ konstitutiv produziert werden. Dieses Phänomen nennt man
fall, da es genügt, wenn einer der beiden Interaktionspartner, inflammaging, also den chronischen Entzündungsprozess als
also antigenspezifische T-Zelle oder B-Zelle, fehlt. Dies sieht Altersphänomen. Dies geht sogar soweit, dass einige Cytokine,
man klinisch an der zunehmenden Rate von Impfversagern mit wie das IL-6, als Altersmarker herangezogen werden, was zur­
steigendem Alter. Die nicht-antigenspezifische Aktivierung von zeit aber noch keine eindeutige Aussage über ein Individuum
B-Zellen über IL-4 bleibt hingegen unverändert (. Abb. 14.5). zulässt. Allerdings zeigen alte Menschen mit hohen IL-6-Spie­
Außerdem ist die Gedächtnisfunktion des Immunsystems ver­ geln eine schlechtere Impfantwort. Die gestörte Cytokinpro­
schlechtert, sodass man alte Menschen in kürzeren Abständen duktion ist dabei cytokinspezifisch und nicht zellspezifisch.
impfen muss, da die spezifischen Antikörper rascher unter den Während Monocyten/Makrophagen und DC von alten Men­
protektiven Titer abfallen. Dem versucht man durch neue Impf­ schen vermehrt IL-1, IL-6 und TNF-α produzieren, sezernieren
stoffe speziell für alte Menschen entgegenzuwirken, bei denen die gleichen Zellen nur vermindert IFN-α. Die proinflamma­
man Adjuvanzien zusetzt oder die Antigendosis erhöht. Zudem torischen Cytokine bewirken dadurch einen chronischen Ent­
ist die Qualität der spezifischen Antikörper alter Menschen zündungsprozess, der unter anderem die erhöhten Werte der
schlechter, da die Affinitätsreifung, aufgrund verminderter Hy­ Akute-Phase-Proteine CRP (C-reaktives Protein) und α2-Ma­
permutationen, gestört ist. kroglobulin in Alten bedingt. Des Weiteren führt dies zu einer
Paradox ist hingegen, das trotz abnehmender Zahl von B-Zel­ antigenunspezifischen Aktivierung der T-Zellen, die die oben
len die Gesamtmenge an Immunglobulinen im Alter steigt, was beschriebene unspezifische T-Zell-Aktivierung erklärt. Neben
204 Kapitel 14 • Immungerontologie

.. Abb. 14.6  Gestörte Cytokinproduktion im Alter. Die


1 Makrophagen und DC sind in einem Zustand ständiger Ak-
Gefahrensignale tivierung, sodass sie immer proinflammatorische Cytokine
produzieren, die chronische Entzündungsreaktionen her-
2 vorrufen. Die spezifische Aktivierung hingegen ist gestört,
sodass pro­inflammatorische Cytokine und IL-10 vermehrt
spontane Produktion ↑
und IFN-α vermindert produziert wird. Dadurch wird eine
3

IL-6, IL-10 ↑
vermehrte TH2-Immunreaktion gefördert, während die

IFN-α ↓
TH1-Immunreaktion und IFN-γ-Produktion vermindert

IL-1,
wird. Dies führt zu einer schlechteren Immunantwort, da
4 diese Reaktion nicht gezielt auf den jeweiligen Erregertyp
IL-1 ↑, IL-6 ↑

IL-1 ↑, IL-6 ↑

IL-4 ≠ abgestimmt ist. Altersbedingte Veränderungen sind in


TH1 TH2
5 rot dargestellt, der Pfeil hinter dem Cytokin markiert eine
altersbedingte Erhöhung (↑) oder Erniedrigung (↓) des

IL-4 ≠
IFN-γ ↓
Faktors

6
induzierte Produktion von
chronische Entzündung im Gewebe TH1-Cytokinen ↓
7
den proinflammatorischen Cytokinen werden auch die TH2-Cy­ rigen 50 % der pneumoniebedingten Todesfälle. In den USA ist
8 tokine IL-4 und IL-10 von alten Menschen vermehrt produziert, die Pneumonie die häufigste infektionsbedingte Todesursache
während das TH1-Cytokin IFN-γ vermindert gebildet wird. Im bei alten Menschen und die vierthäufigste insgesamt. Deshalb
9 Alter kommt es somit zu einer Rückkehr zu einer TH2-domi­ sind die Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken auch in
nierten Immunantwort (. Abb. 14.2). Da die Cytokine IL-4 Deutschland Regelimpfungen ab dem 60. Lebensjahr.
10 und IL-10 die Antikörperproduktion und das B-Zell-Wachs­ Der Herpes zoster (Gürtelrose), d. h. die Reaktivierung des
tum fördern, erklärt dies die Langlebigkeit der B-Zellen und Windpockenerregers Varicella-zoster-Virus, ist ebenfalls eine ty­
die erhöhte IgG-Produktion. Umgekehrt führt die verminderte pische Alterserkrankung. Die Lebenszeitinzidenz für einen Zos­
11 IFN-γ-Produktion zusammen mit einer verminderten Produk­ ter liegt bei 10–20 % aller Infizierten, während die Inzidenz ab
tion von IL-2 zu einer schlechteren Aktivierung und Vermeh­ dem 80. Lebensjahr auf 50 % ansteigt. Die Wahrscheinlichkeit der
12 rung bzw. Überleben der T-Zellen, sodass diese vermehrt in Virusreaktivierung steht also in einem direkten Zusammenhang
die Apoptose gehen. Die verminderte IFN-α-Produktion ist mit der Abnahme der T-Zell-Funktionen.
eine Ursache für die gesteigerte Infektionsrate mit Viren und Neben dem Zoster kommt es bei chronisch Infizierten auch
13 Bakterien, da die Interferone in einer sehr frühen Phase einen häufig zu einer Reaktivierung der Tuberkulose, was im Moment
antiviralen Zustand erzeugen bzw. die APC-Funktion steigern vor allem die Vorkriegs- und Kriegsgenerationen betrifft, die
14 (. Abb. 14.6). heute über 70 Jahre alt sind. Der chronischen Infektion mit dem
Cytomegalovirus (CMV) kommt eine besondere Bedeutung zu,
15 14.6 Immunseneszenz und altersbedingte
da man heute davon ausgeht, dass die chronische Stimulierung
durch das Virus die Alterung des T-Zell-Systems beschleunigt.
Erkrankungen Dies trifft wahrscheinlich auch auf andere chronische Infektio­
16 nen zu, da eine vorzeitige Alterung des Immunsystems auch bei
Die Anzahl von Infektionen und Krebserkrankungen steigt mit HIV-Infizierten und Kindern mit angeborenen Immundefekten
17 dem Alter. Dies soll hier an spezifischen alterstypischen Erkran­ zu beobachten ist.
kungen näher erläutert werden. Auf den Anstieg der Autoim­
munkrankheiten wurde schon bei den B-Zellen und T-Zellen
18 hingewiesen. Des Weiteren wird kurz auf die Bedeutung und Krebserkrankungen im Alter
Problematik von Impfungen im Alter näher eingegangen.
19 Bei 60 % aller Krebspatienten handelt es sich um über 65-Jährige,
obwohl diese Altersgruppe zurzeit erst 13 % der Bevölkerung
20 Charakteristische Infektionen im Alter stellt, was sich jedoch in den nächsten Jahren dramatisch ändern
wird. Die über 65-Jährigen haben ein 11-fach höheres Risiko,
Die Infektionsrate nimmt im Alter allgemein zu, bei einigen an Krebs zu erkranken und sogar ein um das 15-Fache erhöhtes
21 Infektionen ist dieser Anstieg jedoch äußerst dramatisch. Die Risiko, an Krebs zu versterben. Besonders hoch ist der Anteil von
Inzidenzwahrscheinlichkeit für alle Infektionen, die über Tröpf­ über 65-Jährigen bei Prostatakrebs (ca. 81 %), Dickdarmkrebs
22 chen oder fäkal-oral übertragen werden, nimmt im Alter wieder (ca. 74 %), Bauchspeicheldrüsenkrebs (ca. 72 %) und Blasenkrebs
zu, während diejenige von sexuell übertragbaren Erkrankungen (ca. 70 %). Die Wahrscheinlichkeit der Krebsentstehung steht da­
mit zunehmendem Alter abnimmt. Klinisch am bedeutendsten bei wieder in einem direkten Bezug zur Abnahme der Aktivität
23 ist die Pneumonie, für die das Risiko ab dem 65. Lebensjahr auf der T-Zellen und NK-Zellen, was man besonders deutlich an den
das 3–5-Fache ansteigt. Die Mortalität steigt von 5–8 % auf 38 % gesunden Centenarians mit einer hohen T-Zell-Aktivität und ei­
bei den über 84-Jährigen an. Insgesamt stellen die über 65-Jäh­ ner sogar gesteigerten NK-Zell-Aktivität erkennt.
Literatur
205 14
Impfungen im Alter

Die Datenlage zu Impfungen im Alter ist leider noch ungenü­


gend, trotzdem kann man bereits sagen, dass die Anzahl von
Impfversagern mit dem Alter steigt und die Impfungen nur
eine verminderte Schutzwirkung haben. So schützt die Pneu­
mokokkenimpfung vor invasiven Pneumokokkeninfektionen
mit Bakteriämie (Ausbreitung der Bakterien über das Blut),
während es keine Veränderung bei den Pneumokokkeninfektio­
nen ohne Bakteriämie, wie z. B. der Pneumonie, gibt. Die neuen
Konjugatimpfstoffe scheinen dort die Lage zu verbessern, da sie
T-Zell-abhängig sind und damit auch das T-Zell-System stärker
aktivieren. Ähnlich sieht die Lage bei Influenza aus, wo die Infek­
tionsrate der alten Menschen durch die Impfung nur geringfügig
um 10–30 % gesenkt wird, die Sterberate aber um 43–50 %. Am
besten gezeigt wurde die hohe Anzahl von Impfversagern bei der
Hepatitis-B-Impfung anhand der Serokonversion, d. h. der nach­
weislichen Produktion von Antikörpern. Gesunde junge Erwach­
sene haben eine Serokonversionsrate von 96 %. Die Serokonversi­
onsrate und damit der Impferfolg nehmen mit steigendem Alter
graduell von 69 % (61–70 Jahre) über 44 % (71–80 Jahre) auf 39 %
(81–96 Jahre) ab. Aber auch für die Tetanus- und Diphtherieimp­
fung sind schlechtere Impferfolge beschrieben, wobei diese hier
von der vorherigen Impfhistorie abhängen, d. h. die Neuimmuni­
sierungen haben einen schlechteren Erfolg als die Auffrischungs­
impfungen. Bei älteren Personen ist es deshalb im Gegensatz zu
jungen Menschen wichtiger, den Impferfolg auch zu kontrollie­
ren, was jedoch aus Kostengründen nur selten erfolgt. Erfolgrei­
che Impfungen könnten so die ältere Bevölkerung noch effektiver
vor den schweren Verläufen der Infektionen schützen.

Literatur

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for immunity in old age. Trends Immunol 30:325–333
207 15

Einflüsse auf das Immunsystem


Lothar Rink

15.1 Einfluss von Geschlecht und Hormonen


auf das Immunsystem  –  208
15.2 Einfluss von Drogen auf das Immunsystem  –  208
15.3 Ernährung und Immunsystem  –  211
15.4 Bewegung, Sport und Immunsystem  –  218
15.5 Wechselseitige Einflüsse von Schlaf und Immunsystem  –  218
Literatur – 219

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
208 Kapitel 15  •  Einflüsse auf das Immunsystem

In den vorherigen Kapiteln haben wir erfahren, wie das Im­ tion durch die Konzentration der Östrogene bzw. der Balance
1 munsystem uns gesund hält, aber auch, wie es uns krank ma­ zwischen Östrogenen und Progesteron moduliert wird. Bei ei­
chen kann. Hier wollen wir die Frage stellen, wie wir unser nem Östrogenüberschuss kommt es bevorzugt zu einer TH2-Ant­
2 Immunsystem unter­stützen können. Das Immunsystem er­ wort, während ein Progesteronüberschuss eine TH1-Antwort
streckt sich wie das Nervensystem über den gesamten Körper fördert (. Abb. 15.2). Die Treg werden ebenfalls durch Östrogen
und steht mit fast allen Organen in Kontakt. Daraus ergeben gefördert, wodurch in der Implantationsphase die Anzahl an Treg
3 sich Wechselwirkungen und gegenseitige Abhängigkeiten der am höchsten ist. Die Östrogene wirken aber auf alle Zellen des
Organsysteme. Die wichtigsten Einflussgrößen auf das Immun­ Immunsystems (. Abb. 15.3) und bewirken so eine komplexe
4 system sind in . Abb. 15.1 dargestellt, wobei die Infektionen, Veränderung der Immunantwort, die unter anderem zu einer hö­
die sicher den größten Einfluss haben, hier nicht berück­sichtigt heren Antikörperproduktion nach Impfungen führt. Im Thymus
5 sind. Bei den Infektionen passt sich das Immunsystem in der fördern die Östrogene die Bildung von TH-Zellen.
natürlichen Auseinander­setzung mit den Erregern an die neuen
Bedingungen an bzw. baut ein Gedächtnis auf (▶ Kap. 8). Von
6 den Einflussgrößen werden das Alter (▶ Kap. 14), die Psyche Männliche Geschlechtshormone
(▶ Kap. 13) und ein wichtiger Bereich der Umwelt, die Immun­
7 toxikologie (▶ Abschn. 16.3), jeweils in separaten Kapiteln be­ Die männlichen Geschlechtshormone sind weniger gut unter­
sprochen. In diesem Kapitel widmen wir uns als vorgegebene sucht. Hier soll nur das Testosteron betrachtet werden. Insgesamt
Einflussgröße dem Geschlecht und den durch uns modulier­ wird dem Testosteron eine eher immunsuppressive Wirkung zu­
8 baren Einflussgrößen Drogenkonsum, Bewegung (Sport), geschrieben, da es die T- und B-Zell-Proliferation vermindert
Schlaf und insbesondere der Ernährung. Es muss dabei betont und die Produktion von Immunglobulinen und Cytokinen (z. B.
9 werden, dass die modulierbaren Größen sich alle nach der von IL-4, IL-5, IFN-γ) senkt. Auch die Expression des Toll-ähnli­
Paracelsus auf­gestellten Regel „die Menge macht das Gift“ ver­ chen Rezeptors 4 (TLR-4) wird durch Testosteron gesenkt. Al­
10 halten, d. h. wir können damit das Immunsystem stärken oder lerdings wird die Funktion von cytotoxischen T-Zellen durch
auch erheblich schwächen. Die beschriebenen Faktoren orien­ Testosteron gesteigert, wobei unklar ist, ob es einen Einfluss auf
tieren sich an den 20 wichtigsten Risikofaktoren, die von der die reifen CTL oder bereits auf die T-Zell-Entwicklung hat, da
11 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2002 benannt wurden Thymocyten Testosteronrezeptoren besitzen. Eine bevorzugte
(. Tab. 15.1). Bildung von CTL gegenüber TH-Zellen durch Testosteron wurde
12 beschrieben.

15.1 Einfluss von Geschlecht und Hormonen


13 auf das Immunsystem 15.2 Einfluss von Drogen
auf das Immunsystem
14 In ▶ Kap. 9 und ▶ Kap. 14 haben wir erfahren, dass Frauen
eine größere Immunkapazität haben als Männer, was zu einer Drogen sind ein weitläufiger und auch gern vermiedener Be­
15 etwas geringeren Infektanfälligkeit führt, aber mit einer fast griff. Die harten Drogen (Opiate und Opioide wie Morphium
doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit für Autoimmunkrank­ und Heroin) sind alle immunsuppressiv, weshalb intravenös
heiten verbunden ist. Hier wollen wir die direkten Effekte der Drogenabhängige auch eine erhöhte Infektionsneigung zeigen.
16 Geschlechtshormone betrachten. Die Effekte können dabei in­ Diese Drogen sollen hier nicht weiter betrachtet werden. Viel­
direkt oder aber auch direkt sein, da die Leukocyten Rezeptoren mehr wird hier nur auf die beiden Alltagsdrogen Alkohol und
17 für die Geschlechtshormone besitzen. Weibliche und männli­ Nicotin eingegangen.
che Geschlechtshormone wirken sich negativ auf den Thymus
aus, sodass die Thymusdegeneration mit der Produktion der
18 Geschlechtshormone in der Pubertät induziert wird. Tierex­ Alkohol
perimentell regeneriert der Thymus sogar zum Teil nach einer
19 Kastration. Geringe Alkoholmengen haben einen positiven Effekt auf das
Immunsystem und andere Organfunktionen, während große
20 Weibliche Geschlechtshormone
Mengen Alkohol einen negativen Einfluss haben. Die persön­
liche Einschätzung, was geringe und große Mengen sind, geht
dabei weit auseinander, und selbst in der Wissenschaft sind
21 Von den Hormonen sind die weiblichen Geschlechtshormone diese Größen nicht klar definiert. So werden die Mengen mit
am besten untersucht. Hier sollen im Folgenden nur Östrogene Suchtpotenzial von Psychiatern in Größenordnungen gelegt, bei
22 und Progesteron betrachtet werden, da für diese der Einfluss auf denen man durchaus noch positive Effekte in anderen Organ­
das Immunsystem belegt ist. Einige Beobachtungen, wie die stär­ systemen sieht. Als allgemein unbedenklich bzw. eher gesund­
kere Immunreaktion von Frauen auf das Cytomegalovirus oder heitsfördernd gelten tägliche Dosen von 15–25 g Alkohol, was
23 die geringe Viruslast im Blut HIV-infizierter Frauen, konnten ungefähr einem kleinen Glas Wein (0,1 l) oder einem halben
noch nicht molekular geklärt werden. Der besondere Einfluss der Liter Bier entspricht. Frauen sind dabei eher an der Untergrenze
Östrogene zeigt sich im Zyklus der Frauen, wo die Immunfunk­ anzusiedeln. Bei einem disziplinierten Umgang mit Alkohol
15.2  •  Einfluss von Drogen auf das Immunsystem
209 15

Alter .. Tab. 15.1  Ausgewählte Risikofaktoren laut WHO. Die Risikofaktoren

Ge orm
f haben in Entwicklungs- (E), Schwellen- (S) und Industrieländern (I)
la

sc o
h

H
Sc

hl ne
unterschiedliche Bedeutung. Angegeben ist der ungefähre prozentu-

ec
ht
ale Anteil am Verlust gesunder Lebensjahre, der durch die jeweiligen
Bewegung

Risikofaktoren bedingt ist, auf die wir aktiv Einfluss nehmen können.

Umwelt
Sport

Platz / Faktor Anteil am weltwei- Verteilung in den


ten Verlust gesunder Ländern
he Lebensjahre
yc s
Er

Ps tres

1. Unter­gewicht Ca. 9,5 % E >> S > I


hr

S
ung

Drogen
4. Nicotin Ca. 4,0 % E = S < I

5. Alkohol Ca. 4,0 % E < I < S


.. Abb. 15.1  Einflüsse auf das Immunsystem. Das Immunsystem wird durch
viele Faktoren beeinflusst. Die unabänderlichen Faktoren sind rot unterlegt, 6. Cholesterin Ca. 2,8 % E = I > S
die bedingt veränderbaren orange und die einfach zu verändernden Fak-
toren sind grün markiert. Daneben gibt es natürlich noch andere Einfluss- 7. Eisen­mangel Ca. 2,5 % E >> S > I
größen, wie die genetische Ausstattung einschließlich der Erbkrankheiten, 8. Übergewicht Ca. 2,4 % E < S < I
die sich aber als gegebene Voraus­setzung über das Leben hinweg nicht
verändern. Infektionen als wichtigste Einflussgröße wurden weg­gelassen, da 9. Zinkmangel Ca. 2,0 % E >> S > I
die entsprechenden Veränderungen zur adäquaten Immunantwort auf den
10. Wenig Früchte Ca. 1,9 % E > S = I
jeweiligen Erreger notwendig sind
und Gemüse

11. Vita- Ca. 1,8 % E >> S


min-A-Mangel
kann man sogar feststellen, dass diese Personen weniger Infekti­
onen haben als strikte Abstinenzler. Nach Ansicht von Suchtfor­ 12. Körperliche Ca. 1,3 % E = S < I
Inaktivität
schern muss man hingegen unter 15 g Alkohol/Tag bleiben, um
nicht in eine Abhängigkeit zu geraten. Geringe Alkoholmengen 15. illegale Drogen Ca. 0,8 % E = S = I
wirken generell entzündungshemmend und fördern die spezi­
fische Immunität. Das eigentliche Problem ist aber der größere
Alkoholkonsum bis hin zum Alkoholmissbrauch, an dem nach sterben nach Angaben der WHO ca. fünf Millionen Menschen
Angaben der WHO 2,5 Millionen Menschen pro Jahr sterben. jährlich an den Folgen des Rauchens. Betrachtet man das Ni­
Der sekundäre Immundefekt von Alkoholikern zeigt sich an der cotin isoliert, so sieht man wieder immunstimulierende Wir­
höheren Infektionsanfälligkeit. Die Inzidenz für Tuberkulose kungen im niedrig dosierten Bereich. Dennoch überwiegen
steigt bei Alkoholikern um das 15–200-Fache. Alkohol beein­ eindeutig die negativen Effekte, die im Folgenden betrachtet
flusst dabei alle Teile des Immunsystems (. Tab. 15.2). Ein chro­ werden sollen. Die negativen Effekte zeigen sich vor allem an
nischer Alkoholmissbrauch führt zur Neutropenie, einer redu­ den direkten Kontaktstellen: So ist die Rate von Lungenkrebs,
zierten Funktion der NK- und T-Zellen und einer veränderten chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen und Infektionen
humoralen Immunität. Die Effekte auf die T-Zellen beruhen im Respirationstrakt bei Rauchern extrem stark erhöht. Aber
dabei mehrheitlich auf einer Verminderung der Antigenprä­ auch systemisch sieht man eine Zunahme anderer Krebsarten,
sentation durch die APC. Die Wirkung auf die Makrophagen ist Autoimmunerkrankungen und Infektionen. Zwischen Rauchen
dabei dem Effekt des Alterns vergleichbar, d. h., man sieht eine und den Erkrankungen gibt es dabei eine klare Dosis-Wir­
erhöhte spontane Produktion proinflammatorischer Cytokine, kungs-Beziehung, die man in „Packungsjahren“ (pack years) be­
aber eine verschlechterte induzierte Produktion auf Gefahren­ schreibt. Die pack years sind dabei die Anzahl der Raucherjahre,
signale. Insgesamt stellt sich der chronische Alkoholmissbrauch multipliziert mit der Anzahl der täglich gerauchten Schachteln
als eine chronische Entzündung im Immunsystem dar. Fast alle (bei 20 Zigaretten/Schachtel).
Effekte sind innerhalb von 30 Tagen reversibel, wenn es nicht In der Lunge steigt der Anteil von Alveolarmakrophagen
bereits zu chronischen Leberschäden gekommen ist. Die loka­ (AMΦ) bei Rauchern stark an, wodurch sich der Anteil der an­
len Effekte in der Leber sind dabei auch immunologisch am deren Leukocytenpopulationen vermindert (. Tab. 15.2). Die
auffälligsten und führen unter anderem zu einer verminderten AMΦ von Rauchern produzieren mehr reaktive Sauerstoffspe­
Synthese von Akute-Phase-Proteinen und Faktoren des Kom­ zies (ROS) und schütten mehr Proteasen aus ihren Granula aus,
plementsystems. sodass es zu Schädigungen in der Lunge, vor allem auch der
Barrierefunktion des Epithels kommt. Hierauf sind die erhöhten
Infektions- und Komplikationsraten bei Infektionen, insbeson­
Rauchen und Immunsystem (Nicotin) dere Influenza, zurückzuführen. Auf der anderen Seite ist ihre
Phagocytosefunktion stark eingeschränkt, sodass die Abtötung
Im Gegensatz zum Alkoholkonsum hat das Rauchen auch in von Erregern trotz vermehrter ROS-Produktion vermindert
geringen Mengen keine eindeutig positiven Effekte. Ein Prob­ ist. Des Weiteren zeigen die AMΦ von Rauchern eine funkti­
lem ist hierbei sicherlich, dass es sich beim Zigarettenrauch um onelle Störung und produzieren weniger proinflammatorische
ein Gemisch von über 4500 Komponenten handelt. Weltweit Cytokine auf Gefahrensignale. Dies ist vor allem auch auf die
210 Kapitel 15  •  Einflüsse auf das Immunsystem

.. Abb. 15.2  Zusammenhang zwischen Menstruations-


1 Anzahl Treg zyklus und Immunsystem. Die Immunantwort wird in
der follikulären Phase, bei der das Follikel stimulierende
TH1-Phase TH2-Phase TH1-Phase
Hormon (FSH) überwiegt, durch die Östrogene in eine
2 TH2-Immunantwort moduliert. Gleichzeitig wird die Bildung
von Treg gefördert, sodass die Implantation in der lutea-
len Phase (überwiegend luteinisierendes Hormon, LH)
3 begünstigt wird. Durch den Überschuss von Progesteron

Progesteronspiegel
Östrogenspiegel

wird die Immunantwort dann wieder in eine TH1-Antwort


umgekehrt, was während einer Schwangerschaft ausbleibt.
4 Während der Menstruation ist die TH1-Antwort zur Infek-
tabwehr günstiger für den Körper. Der Abfall des Proges-
terons ist dabei auch für die Menstruation wichtig und ist
5 immunologisch mit einer Entzündungsreaktion vergleich-
bar. Der Abfall von Progesteron begünstigt die Bildung von

6 IL-8 und anderen Chemokinen sowie von Prosta­glandinen.


Dies bewirkt eine Einwanderung von Neutrophilen, sowie
die Produktion von Matrix­metallo­proteasen. (Abbildung

7 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 verändert nach Fish)

Menstruation follikuläre Phase luteale Phase


8 Eisprung

9 TH2-Präferenz ↑ Bildung von DC ↑


Treg-Bildung ↑ IL-12-Produktion ↑
10 IL-4-Produktion ↑
Expression von
negative Selektion ↓

CCR1 und CCR5 ↑ T DC

11 TNF-Produktion ↓
TH1-Präferenz ↑ IL-1-, IL-6-,
IFN-γ-Produktion ↑ Östrogen ↑ TNF-Produktion ↓
12 Östrogen ↓
NO-Produktion ↑
Phagocytose ↑
.. Abb. 15.3  Wirkung von Östrogenen auf das Im-
Makrophagen munsystem. Die Leukocyten haben Rezeptoren für die
B Progesteron ↑ CD16-Expression ↓
Überleben
13
Geschlechtshormone und werden so in ihrer Aktivität direkt
autoreaktiver B-Zellen ↑ beeinflusst. Die Wirkung der Geschlechts­hormone hängt
IgM- und IgG-Produktion ↑ entzündungs- dabei von deren Konzentration ab. Hohe Konzentrationen
negative Selektion ↓
14 NK Neutrophiler
hemmende Wirkung
NO-Produktion


von Östrogenen (rot) be­günstigen eine TH2-/B-Zell-Antwort,
während niedrige Konzentrationen eine TH1-/cytotoxische
Cytotoxizität ↓ Chemotaxis ↓ Antwort begünstigen. Eine Erhöhung (↑) oder Erniedrigung
15 CD16-Expression ↓ Chemotaxis ↑ (↓) der jeweiligen Funktion ist durch Pfeile dar­gestellt.
(Abbildung verändert nach Fish)

16
.. Tab. 15.2  Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs auf das Immunsystem. Die aufgeführten Funktionsänderungen bestehen bereits bei regelmäßi-

17 gem größerem Alkoholkonsum, der noch nicht zu Auffälligkeiten oder Persönlichkeitsveränderungen führen muss. Geringe Mengen von Alkohol haben
fast immer einen genau entgegengesetzten Effekt.

18 Teil des Immunsystems Alkoholinduzierte Veränderung

Makrophagen Produktion von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies ↓, LPS-induzierte Produktion von IL-1 und TNF-α ↓,

19 Produktion von IL-10 ↑

Makrophagen und DC Phagocytose und intrazelluläres Abtöten ↓ (insbesondere Candida)

20 Antigenpräsentierende Zellen Antigenpräsentation ↓, Expression von CD80 und CD86 ↓, Produktion von IL-12 ↓

Kupffer-Zellen (Makro­phagen Phagocytose ↓, chronische Produktion von proinflammatorischen Cytokinen ↑ (IL-1, IL-6, IL-8, TNF-α)

21 der Leber)

T-Zellen Anzahl ↓, DTH-Reaktion ↓, Proliferation nach Stimulierung mit Antigenen oder Mitogenen ↓

22 Antikörper Immunglobulinspiegel im Serum ↑

Cytokine Systemische Produktion von proinflammatorischen Cytokinen ↑ (IL-1, IL-6, IL-8, TNF-α), Verschiebung der TH1/
TH2-Balance (Produktion von IL-4, IL-10, IL-13, TGF-β ↑ und Produktion von IFN-γ, IL-12 ↓)
23
↓ = Abnahme bzw. Verringerung oder Verschlechterung; ↑ = Erhöhung bzw. Verstärkung
15.3  •  Ernährung und Immunsystem
211 15

Anreicherung von Kondensat in den AMΦ zurückzuführen


.. Tab. 15.3  Veränderungen des Immunsystems durch Rauchen
(. Abb. 17.5). Neben diesen klar lokalen Phänomenen wirkt
sich das Rauchen auch systemisch aus. Am besten untersucht Teil des Immunsystems Zigarettenrauch- bzw. nicotinin-
ist dabei Nicotin, für das es auch entsprechende Rezeptoren duzierte Veränderung
im Gehirn gibt. Hier kann das Nicotin über die HPA-Achse Alveolarmakrophagen Anzahl ↑ (5–10-fach), Phagocy-
(▶ Kap. 13) zur Cortisonausschüttung führen, wodurch es zu tose ↓, Produktion von pro­
einer systemischen Immunsuppression kommt. Des Weiteren inflammatorischen Cytokinen ↓,
hat Rauchen einen Anti-Östrogen-Effekt, sodass die immun­ Produktion und Freisetzung von
ROS und Proteasen ↑, chemo-
stimulierende Wirkung der Östrogene neutralisiert wird. Nico­
taktische Aktivität ↑, Anzahl von
tinpflaster zeigen deshalb auch eine leichte Immunsuppression. Komplement­rezeptoren ↓, Ex-
Neben diesen klar definierten Effekten zeigt das Rauchen einen pression von Fcγ-Rezeptoren bei
Einfluss auf fast sämtliche Teile des Immunsystems, die aber AM mit Kondensat­einschlüssen ↓
nicht alle auf das Nicotin zurückzuführen sind (. Tab. 15.3). (. Abb. 17.5), Aktivierbarkeit über
Fcε-Rezeptoren ↑
Allgemein beobachtet man bei Rauchern eine Erhöhung der
Leukocytenzahl (Leukocytose) um bis zu 30 %, während die Langerhans-Zellen Anzahl ↓
Funktion der Zellen in der Regel verschlechtert ist. T-Zellen Neutrophile Granulocyten Anzahl ↑ (bis 44 %)
und APC zeigen eine verschlechterte Signaltransduktion, so­
Basophile Granulocyten Anzahl ↓, direkte Aktivierung zur
dass die Aktivierung dieser Zellen bei Gefahrensignalen ver­ Degranulierung
mindert ist. Insgesamt zeigt das Rauchen damit auch Anzeichen
Monocyten/Makro­phagen Anzahl ↑, Abtötung von Candida ↓
einer chronischen Aktivierung (erhöhte CRP-Spiegel, erhöhte
Expression von ICAM-1), die zu einer schlechteren induzier­ NK-Zellen Cytotoxische Funktion ↓
ten Reaktion auf Gefahrensignale führt. Dies begründet die T-Zellen Proliferation ↓, TH-Zellen in leich-
höhere Anzahl von Infektionen und Tumoren, was durch die ten Rauchern ↑ und in starken
krebserzeugende Wirkung einiger Inhaltsstoffe im Tabakrauch Rauchern ↓, Suppression in der
noch verstärkt wird. Die herabgesetzte IgG-Produktion auf In­ Lunge durch vermehrte AM

halationsantigene bei gleichzeitiger Erhöhung der IgE-Spiegel Antikörper Serumimmunglobulinspiegel


und verstärkter Aktivierbarkeit über Fcε-Rezeptoren kann die von IgG, IgA und IgM ↓ (10–20 %),
höhere Inzidenz von Allergien, insbesondere Asthma, bei Rau­ IgE-Spiegel ↑, Immunglobuline
im Speichel ↓, Halbwertzeit von
chern erklären. spezifischen Antikörpern nach
Impfung ↓, Induktion von alloge-
nen Antikörpern ↓, Antikörpertiter
15.3 Ernährung und Immunsystem gegen Inhalationsantigene ↓
(60–90 %), Anteil von Autoanti-
körpern ↑
Die Ernährung ist der wichtigste Modulator, über den wir täg­
lich Einfluss auf unser Immunsystem nehmen können. Dies Komplement und Akute-Pha- C5, C9 und C1INH ↑, CRP ↑
se-Proteine
hat schon der Schriftsteller George Bernhard Shaw 1906 in
„The Doctor’s Dilemma“ vortrefflich beschrieben: „… Und das ↓ = Abnahme bzw. Verringerung oder Verschlechterung; ↑ = Erhö-
Schlimmste ist, ich bin selber zu arm, um gesund zu bleiben, hung bzw. Verstärkung
bei der Ernährung, auf die ich angewiesen bin. Ich fühle mich
dermaßen elend, und ich sehe auch danach aus …“. Bei der Er­
nährung muss man zwei Extreme vorweg ausklammern, die
Unter­ernährung und die Fettleibigkeit. Die Unterernährung ist änderungen an Proteinen, was man besonders an Diabetikern
weltweit das größte Problem (. Tab. 15.1), denn mit einer Unte­ sieht, bei denen der Blutzuckerspiegel zu hoch ist. Auch hierbei
rernährung geht ein Immundefizit einher, da das Immunsystem wirken sich die Effekte schnell auf das Immunsystem aus. Diese
das am schnellsten proliferierende Organ im Körper ist. Für die Extreme sollen aber hier nicht weiter betrachtet werden, sondern
Leukocytenbildung wird sehr viel Baustoff und Energie benötigt, einzelne Nahrungsbestandteile, für die eine definitive Wirkung
die über die Nahrung zugeführt werden müssen. Somit führen auf das Immunsystem beschrieben wurde bzw. über die viel
Proteinmangel­ernährung (vornehmlich in der Dritten Welt) oder berichtet wird. Des Weiteren soll hier erwähnt sein, dass eine
extrem kalorienreduzierte Ernährung (z. B. Magersucht) zu ei­ ausreichende Flüssigkeitszufuhr für das Immunsystem als über­
nem sekundären Immundefekt. Deshalb sind die Menschen in wiegend „flüssiges Organ“ von größter Bedeutung ist. Der Trans­
der Dritten Welt infektionsanfälliger. Wie bereits oben erwähnt, port und die Wanderung der Leukocyten können nur vernünftig
macht die Menge das Gift, und darum kommt es bei einer zu funktionieren, wenn der Wasserhaushalt des Körpers intakt ist.
hohen Zufuhr von Kohlenhydraten und Fetten ebenfalls zu einer Außerdem hat der Wasserhaushalt auch einen Einfluss auf die
Immunsuppression, weshalb fettleibige Menschen häufiger an Konzentrationen der im Folgenden beschriebenen Wirkstoffe.
Infektionen leiden. Es muss aber gar nicht bis zur Fettleibigkeit Hier werden nur die wichtigsten Vitamine, Spurenelemente und
kommen, eine übermäßige Zufuhr von Zucker führt zur über­ sonstigen Nahrungsbestandteile mit einem direkten Effekt auf
mäßigen Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies und zu Ver­
212 Kapitel 15  •  Einflüsse auf das Immunsystem

1 .. Tab. 15.4  Täglicher Bedarf an Vitaminen und Spurenelementen.


Gezeigt ist der tägliche Bedarf an ausgewählten Vitaminen und
.. Tab. 15.5  Immunologische Effekte von Vitamin-A-Mangel

Spuren­elementen gemäß den Empfehlungen der Deutschen Gesell- Teil des Immunsystems Effekt von Vitamin-A-Mangel
2 schaft für Ernährung (DGE, 2011). International weichen die Empfeh-
lungen zum Teil erheblich ab, und erst seit 2008 gibt es einheitliche Schleimhautbarrieren ↓ (Verlust von Cilien, Mikrovilli
Empfehlungen für Deutschland, Österreich und die Schweiz. und Becherzellen)
3 Neutrophile Granulocyten Anzahl ↓, Funktionen ↓
Vitamin bzw. Spurenelement Empfohlene Tageszufuhr für
Erwachsene Makrophagen Anzahl ↓, Funktionen ↓
4 Eisen 10–15 mg NK-Zellen Anzahl ↓, lytische Aktivität ↓

B-Zellen Anzahl ↓, Funktionen ↓, Antikör-


5 Selen 30–70 µg
perproduktion ↓
Vitamin A (Retinol) bzw. Äqui- 0,8–1 mg
valente (β-Carotin) TH1-Antwort ↑
6 Vitamin C 100 mg ↓ = Abnahme bzw. Verringerung oder Verschlechterung; ↑ = Erhö-
hung bzw. Verstärkung
Vitamin D (Calciferole) 5–10 µg
7
Vitamin E (Tocopherole) bzw. 11–15 mg
Tocopherol-Äquivalente
Vitamin A kann zu Knochenwachstumsstörungen und Knor­
8 Zink 7–10 mg pelabbau führen.

9 Vitamin C
das Immunsystem besprochen. Die . Tab. 15.4 zeigt den tägli­ Vitamin  C (Ascorbinsäure) ist ein wasserlösliches Antioxidans,
10 chen Bedarf an diesen Stoffen. welches im Körper reaktive Sauerstoffspezies (ROS) inaktiviert.
Der Name stammt von der Vitamin-C-Mangelerkrankung Skor­
but, da Ascorbin(säure) das Anti-Skorbut-Mittel war. Vitamin  C
11 Vitamine ist in fast allen Obst- und Gemüsesorten, bekanntermaßen in Zi­
trusfrüchten, enthalten. Zusätzlich werden heute viele Nahrungs­
12 Vitamine sind organische essenzielle Nahrungsbestandteile, die mittel mit Vitamin  C versetzt oder es dient als Antioxidans und
nicht den Eiweißen, Fetten oder Kohlenhydraten zuzuordnen Konservierungsmittel in Lebensmitteln, weshalb heute eher ein
sind. Über ihren Einfluss auf das Zellwachstum haben natürlich Überangebot an Vitamin  C besteht. Die Phagocyten produzieren
13 alle Vitamine auch eine Auswirkung auf das Immunsystem. Hier große Mengen an ROS, weshalb Vitamin  C sehr wichtig für sie
werden nur die Vitamine besprochen, für die direkte Effekte be­ ist, damit sie sich nicht selbst durch die ROS schädigen. In Neu­
14 schrieben wurden, die auch im physiologischen Rahmen modu­ trophilen und Makrophagen ist die Vitamin-C-Konzentration
liert werden können. sehr hoch. In beiden Zellpopulationen führt Vitamin  C zu einer
15 Vitamin A und Carotinoide
Verstärkung von Phagocytose, Chemotaxis und der Bildung von
ROS. Dies sieht man daran, dass Vitamin  C die Beweglichkeit
Vitamin A kommt in größeren Mengen in Milch, Milchproduk­ der Makrophagen erhöht. In Lymphocyten fördert Vitamin  C
16 ten und Lebertran vor. Meistens nehmen wir aber Carotinoide die aktivierungsinduzierte Proliferation und verlängert ihre Le­
als Provitamin A auf, welches in großen Mengen in Gemüse, benszeit. Bereits bei einem leichten Vitamin-C-Mangel kommt
17 z. B. Karotten vorkommt. 40 % der Kinder unter fünf Jahren in es zu einer verminderten Antikörperproduktion, die durch Vi­
den Entwicklungsländern haben einen Vitamin-A-Mangel. Vita­ tamin-C-Gabe wieder behoben werden kann. Vitamin  C wirkt
min-A-Mangel verursacht ca. 1 Million Todesfälle pro Jahr. Die auch antiapoptotisch auf Lymphocyten. Somit ist Vitamin  C ins­
18 immunologischen Wirkungen von Vitamin-A-Mangel sind in gesamt wichtig für die Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen
. Tab. 15.5 zusammengefasst. Immunsystems. Vitamin  C kann aber auch Lipidhydroperoxide
19 Vitamin A ist ein Sammelbegriff für Retinol, Retinal und bilden, die die DNA verändern können, weshalb eine sehr hohe
Retinsäurederivate. Die all-trans-Retinsäure (ATRA) ist wich­ Dosierung nicht zu empfehlen ist.
20 tig für die Ausreifung von Neutrophilen und wird auch in der
Vitamin D
Behandlung der akuten myeloischen Leukämie verwendet.
Hierbei bindet ATRA an den Transkriptionsfaktor RAR (re- Vitamin  D wird meistens als inaktive Vorstufe aufgenommen, die
21 tinoic acid receptor), der nach der Bindung die Transkription dann mittels UV-Licht in der Haut zu Provitamin  D (Calciferol)
von Genen, die im Promotor RARE (retinoic acid response ele- umgewandelt wird; dieses wird nun über Stufen in der Leber und
22 ments) enthalten, startet. Dadurch werden die unreifen „Leu­ Niere zum aktiven 1α,25-Dihydroxyvitamin  D3, dem Calcitriol,
kämiezellen“ zur Ausreifung gebracht, wodurch sie dann na­ umgewandelt. Dies ist ein Grund für das Immundefizit bei Nie­
türlicherweise versterben. Vitamin A fördert die Proliferation reninsuffizienz. Allerdings können aktivierte Makrophagen und
23 von T-Zellen durch eine stärkere IL-2-Produktion. Bei einer DC die Syntheseleistung der Niere zum Teil übernehmen. Die
ausgewogenen Ernährung in den Industrieländern gibt es ei­ Differenzierung von Monocyten/Makrophagen aus myeloischen
gentlich keinen Vitamin-A-Mangel. Eine Überdosierung von Vorläuferzellen wird aber auch durch Calcitriol induziert, sodass
15.3  •  Ernährung und Immunsystem
213 15
.. Abb. 15.4  Wirkungen von Eisenmangel und -über-
schuss auf das Immunsystem. Das Immunsystem braucht
TH2-Präferenz ↑ Phagocytose ↓
IL-4-Produktion ↑ intrazelluläres Abtöten ↓
eine gute Eisenhomöostase, um adäquat zu funktionieren. DC
TNF-Produktion ↓ Aktivierung über IFN-γ ↓
Sowohl Eisenmangel als auch -überschuss vermindern die
IFN-γ-Produktion ↓ intrazelluläres Abtöten ↓
Immunantwort gegen Bakterien, insbesondere intrazellu- T
Lymphopoese ↓
läre Bakterien
Proliferation ↓
TH1-Präferenz ↑
IFN-γ-Produktion ↑ Eisen ↑ Phagocytose ↓
intrazelluläres Abtöten ↓
Eisen ↓ Makrophagen Aktivierung über IFN-γ ↓
intrazelluläres Abtöten ↓
NK

NK-Zell-Proliferation ↓
NK-Zell-Aktivität ↓ Phagocytose ↓
Lymphopoese ↓ intrazelluläres Abtöten ↓
NK-Zell-Proliferation ↓ Neutrophiler intrazelluläres Abtöten ↓
NK-Zell-Aktivität ↓

ein Mangel auf Dauer auch die Makrophagendifferenzierung be­ Spurenelemente


einflusst. Calcitriol selbst kann über Fischöl aufgenommen wer­
den. Hierauf beruht teilweise die Wirkung von Lebertran. Der Spurenelemente sind anorganische essenzielle Nahrungsbestand­
Vitamin-D-Rezeptor wird auf Lymphocyten, Monocyten/Ma­ teile. Die Spurenelemente unterscheiden sich von den Makroele­
krophagen und DC exprimiert. Die Aktivierung von DC durch menten durch den wesentlich geringeren Bedarf. Die wichtigs­
Calcitriol hat eine tolerogene Wirkung, indem weniger IL-12 ten Spurenelemente für das Immunsystem sind Eisen und Zink
und mehr IL-10 gebildet wird, wodurch die Bildung von Treg ge­ (. Tab. 15.1). Wie bei den Vitaminen sind selbstverständlich alle
fördert wird. Es wirkt antiproliferativ auf TH-Zellen und unter­ Spurenelemente wichtig für das Zellwachstum, und ein Mangel
drückt die Bildung von TH1- und TH17-Cytokinen. Die Wirkung führt zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems. Hier sollen
auf TH2-Zellen ist hingegen komplizierter, da diese – je nach wiederum nur die drei Spurenelemente besprochen werden, die
Zeitpunkt der Calcitriolgabe – in ihrer Wirkung gefördert oder den größten Einfluss auf das Immunsystem haben bzw. denen ein
inhibiert werden können. In B-Zellen inhibiert Calcitriol die solcher häufig zugesprochen wird.
Antikörperbildung, insbesondere von IgE. Eine genügende Zu­
fuhr von Vitamin D ist durch Verzehr von Fisch oder Aufnahme Eisen
seiner Vorstufen über andere Nahrungsmittel und genügende Eisen ist für die Proliferation sämtlicher Zellen unverzichtbar,
Sonnenexposition gewährleistet. Lediglich bei Säuglingen und und deshalb führt eine ungenügende Zufuhr zu einer Eisenman­
Kleinkindern ist eine Rachitis(Vitamin-D-Mangel)-Prophylaxe gelanämie. Diese zeichnet sich durch verkleinerte Zellen und
empfehlenswert, bis eine ausgewogene Mischkost gegessen wer­ blasse Erythrocyten (mikrocytäre hypochrome Anämie) und
den kann. Ein Sonnenbad ist dabei nicht notwendig, sondern erhebliche Größenunterschiede bei den Erythrocyten (Aniso-
einfach nur der Aufenthalt von 30–60 Minuten bei Tageslicht im cytose) aus. Im Serum zeigen sich beim latenten Eisenmangel
Freien, in Gebieten nahe den Polarkreisen entsprechend länger. ein erniedrigter Ferritin- und ein normaler Hämoglobinwert,
Eine Überdosierung kann zur Hypercalcämie und Nierenschä­ während beim klinisch manifesten Eisenmangel beide Werte
den führen. erniedrigt sind und die beschriebenen Zellveränderungen auf­
treten. Der tägliche Bedarf von Eisen liegt bei 10–15 mg (inter­
Vitamin E national sogar höher geschätzt), wovon jedoch nur 1–2 mg re­
Vitamin  E (Tocopherol) ist in hohen Konzentrationen in pflanz­ sorbiert werden. Nach Angaben der WHO leiden ca. 40 % der
lichen Ölen enthalten. Vitamin  E ist ein wichtiges Antioxidans, Weltbevölkerung an Eisenmangel. Eine zu hohe Zufuhr von Ei­
das vor der Lipidperoxidation schützt. Es steigert die Prolifera­ sen (über 45 mg/Tag) ist aber genauso ungünstig und kann zur
tion von Lymphocyten über eine erhöhte IL-2-Produktion. Die Eisenintoxikation führen. Dementsprechend wird Eisen für eine
Hypersensitivitätsreaktion vom verzögerten Typ der T-Zellen normale Immunantwort benötigt, aber sowohl erhöhte als auch
(DTH) wird ebenfalls durch Vitamin E gesteigert. Die Produk­ erniedrigte Eisenwerte haben einen negativen Einfluss auf das
tion von Prostaglandin  E2 durch Makrophagen wird hingegen Immunsystem (. Abb. 15.4). Das verschlechterte intrazelluläre
vermindert. Ein positiver Effekt durch die Einnahme von Vita­ Abtöten beim Eisenmangel führt zu einem erhöhten Auftreten
min  E ist nur bei Personen mit einem Vitamin-E-Defizit (z. B. von Infektionen mit intrazellulären Erregern, was vor allem in
alten Menschen) bewiesen. Eine ausreichende Vitamin-E-Zufuhr der Dritten Welt von Bedeutung ist. In den Industrieländern
ist in den Industrieländern gewährleistet, außer bei stark fettre­ muss man aufpassen, dass man bei solchen Erkrankungen kein
duzierter Ernährung. Eisen gibt, da die Eisenüberladung wiederum das intrazelluläre
Abtöten stört, weil Eisen die Verstärkung über IFN-γ vermindert.
Bei einer ausgewogenen Mischkost ist ein Eisenmangel unwahr­
scheinlich, aber bei vegetarischer Ernährung und phytatreicher
214 Kapitel 15  •  Einflüsse auf das Immunsystem

1
2
3
4
5
6
7
.. Abb. 15.5  Zinksubstitution früher und heute. Austern sind das Nahrungsmittel mit der größten Zink­konzentration (ca. 1 mg/g Austernfleisch). Bereits in
der Antike feierte man Austernorgien, da man ihnen eine aphrodisierende Wirkung zuschrieb, die aber nie wissenschaftlich bewiesen wurde. Casanova hinter-
8 ließ in seinen Memoiren, dass er täglich mindestens ein Dutzend Austern verspeiste. Die gute Bioverfügbarkeit des proteingebundenen Zinks in den Austern
ahmt man heute durch Zink-Aminosäure-Komplexe pharmakologisch nach. Diese Präparate enthalten im Gegensatz zu den Austern dann auch keine anderen
Schwermetalle
9
10 Kost muss man auf seine Eisenbilanz achten, weil Eisen haupt­ sämtliches Zink der gleichen Menge Austern (durch die darin
sächlich über tierische Proteine aufgenommen wird. Phytate sind enthaltenen Phytate) so fest binden, dass dieses nicht vom Körper
Pflanzeninhaltsstoffe, die zweiwertige Ionen mit einer hohen aufgenommen werden kann. Deshalb herrscht in weiten Teilen
11 Affinität binden, sodass diese vom Körper nicht aufgenommen von Süd- und Mittelamerika auch ein Zinkmangel, da die Nah­
werden können. rung überwiegend aus Mais besteht. Die Ernährungsgewohnhei­
12 ten oder -möglichkeiten haben also einen großen Einfluss auf die
Zink Zinkmenge, die aus der Nahrung aufgenommen werden kann.
Zink ist wahrscheinlich das wichtigste Spurenelement für das Dabei geht es nicht nur um das Essen selbst. Wer Kaffee oder Tee
13 Immunsystem. Ein Zinkmangel führt unmittelbar zu einem Im­ in großen Mengen trinkt, kann dem Körper damit auch viele der
mundefizit. Dieser lässt sich innerhalb einer Woche induzieren, nötigen Spurenelemente entziehen. Anschaulich sieht man dies
14 da es im Gegensatz zum Eisen keinen Zinkspeicher gibt. Dass bei „hartem Wasser“, wo sich auf dem Tee oder Kaffee eine sil­
beim Menschen Zinkmangel vorkommt, wurde erst 1963 durch brig glänzende Haut bildet, die nichts anderes ist als gebundene
15 Ananda S. Prasad nachgewiesen. Bis dahin war es Lehrmeinung, Metallionen.
dass ein Zink­mangel beim Menschen unmöglich sei. Erst in den Das Problem des latenten Zinkmangels ist, dass dieser sich
letzten Jahren wurde klar, dass fast die Hälfte der Weltbevölke­ im Gegensatz zum latenten Eisenmangel nur schlecht bestim­
16 rung ein Risiko für einen Zinkmangel aufweist (. Tab. 15.1). men lässt, da die dazu verwendeten Speicherproteine fehlen.
Auch in den Industrieländern leiden 1–13 % der Bevölkerung Klinisch sichtbar manifestiert sich ein Zinkmangel an Schup­
17 unter manifestem und noch wesentlich mehr unter latentem pungen und Rissen in der Haut und Haarausfall, wobei diesen
Zink­mangel. Letzterer betrifft über die Hälfte der älteren Men­ Erscheinungen bereits eine eingeschränkte Funktion des Im­
schen. Wie kommt es zu diesem Mangel? Der Zinkgehalt in munsystems vorausgeht. Bei den Wirkungen auf das Immun­
18 Nahrungsmitteln ist sehr unterschiedlich, und die besten Zink­ system muss man zwei Effekte trennen. Zum Einen ist Zink wie
quellen sind tierische Proteine. Dies liegt zum einen daran, dass Eisen für alle Zellvermehrungen im Körper unverzichtbar. Zink
19 diese einen besonders hohen Zinkgehalt haben, zum anderen ist in über 300 Enzymen notwendig und dazu in einer Reihe
aber auch daran, dass die Bioverfügbarkeit in tierischen Protei­ von Transkriptionsfaktoren. Insofern bedeutet ein Zinkmangel
20 nen besonders gut ist. Den mit Abstand höchsten Zinkgehalt immer auch ein Problem für stark proliferierende Organsys­
haben Austern. Hier ist das Zink an leicht verdauliche Proteine teme. Das Immunsystem ist das am stärksten proliferierende
gebunden und dadurch sehr gut verfügbar, was man heutzutage Organ im Körper, gefolgt von Spermienbildung, Haaren und
21 mit Zink-Aminosäure-Komplexen pharmakologisch nachahmt Haut, weshalb ein manifester Zinkmangel sich auch in die­
(. Abb. 15.5). Eine mittelgroße Auster enthält ungefähr die inter­ ser Reihenfolge auf die Funktion der Organsysteme auswirkt.
22 national empfohlene Tagesdosis von 10–15 mg Zink bzw. mehr Zum Anderen gibt es aber direkte Wirkungen von Zink auf das
als die in Deutschland empfohlene Tages­dosis. In Pflanzen hinge­ Immunsystem und die Funktion der Zellen, was vor allem im
gen ist der Zinkgehalt meist niedrig und der Gehalt an Phytaten, latenten Zinkmangel eine Rolle spielt. Hierbei ist zu betonen,
23 d. h. Inhaltsstoffen, die Metalle so stark binden, dass diese vom dass sowohl ein Zinkmangel als auch ein Zink­überschuss ne­
Körper nicht aufgenommen werden können, sehr hoch. Beson­ gative Effekte auf das Immunsystem haben (. Tab. 15.6). Für
ders markant ist dies beim Mais. Ein Maisfladen (Tortilla) kann Zink muss es also im Körper eine gute Homöostase geben. Seit
15.3  •  Ernährung und Immunsystem
215 15

.. Tab. 15.6  Einflüsse von Zinkmangel und -überschuss auf das Immunsystem

Teil des Immun­systems Effekt bei Zinkmangel Effekt bei Zinküberschuss

Monocyten, Makrophagen Monopoese ↑, Aktivität ↓, Phagocytose ↓, Produktion von Direkte Aktivierung und Cytokinausschüttung
proinflammatorischen Cytokinen ↑ (IL-1, IL-6, TNF-α), Produktion
von IFN-α ↓

Neutrophile Granulocyten Neutropoese ↓, Chemotaxis ↓, Phagocytose ↓, Bildung von


ROS ↓, Lebensdauer ↓

NK-Zellen Cytotoxische Funktion ↓, inhibitorische Signale ↓ Cytotoxische Funktion ↓

T-Zellen Thymus atrophiert, aktives Thymulin ↓, TH-Zellen ↓ (TH1-Zellen Funktionen ↓


↓, TH2-Zellen ↑), CTL ↑, Produktion von TH1-Cytokinen ↓ (IL-2,
IFN-γ), Autoreaktivität ↑, Alloreaktivität ↑

B-Zellen Anzahl ↓, Vorläuferzellen ↓, Antikörperproduktion ↓, Impfant-


wort ↓

↓ = Abnahme bzw. Verringerung oder Verschlechterung; ↑ = Erhöhung bzw. Verstärkung

.. Abb. 15.6  Effekte von Zinkmangel auf das Immun-


system. Zinkmangel führt zu einer Fehlregulation im
Immunsystem. Die Monocyten/Makrophagen zeigen eine Gefahrensignale
Überproduktion von proinflammatorischen Cytokinen und
die T-Zellen eine Verschiebung in Richtung TH2, durch eine
verminderte Produktion der TH1-Cytokine. Des Weiteren ist spontane Produktion ↑
die IL-2-abhängige Proliferation der T-Zellen eingeschränkt,

IL-6, IL-10 ↑
da IL-2 vermindert produziert und die IL-2-Signaltransdukti-

IFN-α ↓

IL-1,
on verringert wird
IL-1 ↑, IL-6 ↑

IL-1 ↑, IL-6 ↑

IL-4
IL-2 ↓

IL-2 ↓
TH1 TH 2

IFN-γ ↓

IL-4
induzierte Produktion

IL-2 ↓
chronische Entzündung im Gewebe von TH1-Cytokinen ↓

etwa zehn Jahren weiß man, dass der Körper 24 verschiedene ten Jahre haben gezeigt, dass Zink für die Signaltransduktion
spezielle Zinkimport- und Zinkexportproteine besitzt, die diese in den Zellen wichtig ist und sogar selbst ein Second Messen­
Feinregulierung vor­nehmen. Ausfälle dieser Transporter führen ger ist (▶ Kap. 6). Des Weiteren hat Zink einen großen Einfluss
zu fatalen Folgen mit einem Versagen des Immun­systems, wie auf die Aktivität von Transkription und Translation. Durch den
z. B. bei der Acrodermatitis enteropathica, wo der Zinkimporter Zinkgehalt kann also die Aktivität der Zellen moduliert werden,
ZIP-4 defekt ist und dadurch nicht genügend Zink aus der Nah­ weshalb die Effekte sich zuerst auf das Immunsystem auswir­
rung aufgenommen werden kann. Unbehandelt versterben die ken, tatsächlich aber alle Organsysteme betroffen sind und es bei
betroffenen Kinder im Kleinkindalter an Infektionen, da sich das schwerem Zinkmangel zu Wachstumsstörungen und geistiger
Immunsystem nicht richtig entwickelt. Retardierung kommt.
Bei Zinkmangel kommt es zu einer verminderten Funktion Bei einer ausgewogenen Mischkost ist ein Zinkmangel un­
der spezifischen Immunität. Die ältesten Beobachtungen sind wahrscheinlich, aber bei vegetarischer Ernährung und phytat­
dabei, dass der Thymus atrophiert und dementsprechend die reicher Kost muss man auf seine Zinkbilanz achten, da Zink
T-Zell-Zahl abfällt. Tatsächlich werden aber fast alle Immunfunk­ hauptsächlich über tierische Proteine aufgenommen wird. Des
tionen nachteilig verändert, was jedoch auch eine unspezifisch Weiteren scheint die Zinkresorption im Alter abzunehmen, so­
hohe Aktivität sein kann. Monocyten/Makrophagen zeigen im dass eine Zinksubstitution bei alten Menschen in verschiedenen
Zinkmangel eine erhöhte Produktion von proinflammatorischen Studien positive Effekte auf das Immunsystem gezeigt hat. Eine
Cytokinen (. Abb. 15.6). Im Zinküberschuss kommt es zu einer Zinküberdosierung führt wiederum zu einer Verschlechterung
Immunsuppression, wobei sowohl die Funktionen der spezifi­ der Immunfunktion, diese tritt aber erst bei längerer Dosierung
schen als auch der angeborenen Immunität unterdrückt werden über 30 mg/Tag auf.
(. Tab. 15.6). Wie kommt es, dass Zink so einen großen Einfluss
auf die Balance des Immunsystems hat? Erkenntnisse der letz­
216 Kapitel 15  •  Einflüsse auf das Immunsystem

das Verhältnis von Ω-3/Ω-6 wichtig, das ungefähr bei 1:4 liegen


1 .. Tab. 15.7  Wirkung von Probiotika. Die Tabelle zeigt nur generelle Ef-
fekte, die erzielt werden können. Es ist aber wichtig zu betonen, dass der sollte. Eine vermehrte Zufuhr von Ω-3 führt zu einer verminder­
jeweilige Effekt vom verwendeten Mikro­organismus und der Konzentra- ten Produktion von proinflammatorischen Cytokinen, einer ver­
2 tion abhängt, sodass nicht alle Probiotika vergleichbare Effekte haben. minderten T-Zell-Proliferation und einer geringeren Produktion
von ROS. Die Ω-3 wirken also insgesamt entzündungshemmend.
Teil des Immunsystems Effekt der Probiotika
Dies erklärt auch die Wirkung von Fischöl bei chronisch-ent­
3 Schleimhaut­immunsystem Produktion von β-Defensinen ↑, zündlichen Erkrankungen. Allerdings sind alle PUFA auch für
Stabilisierung der Barrierefunktion die intakte Funktion und Signaltransduktion notwendig, da nur
4 (tight junctions)
durch sie die Membranfluidität gewährleistet ist, die für die Ak­
Neutrophile Granulocyten ROS-Produktion nach Stimulie- tivierung über Rezeptoren notwendig ist. Insofern kann eine zu
rung ↑
5 hohe Zufuhr wiederum negative Auswirkungen haben. Hohe
Makrophagen Phagocytoseaktivität ↑, Expression PUFA-Dosen reduzieren den Ca2+-Influx nach Stimulierung von
von Komplementrezeptoren ↑ Lymphocyten und verstärken den aktivierungsinduzierten Zell­
6 NK-Zellen Cytotoxische Aktivität ↑ tod (AICD, activation-induced cell death). Des Weiteren stören
große Mengen die Signalweiterleitung über den TLR-Komplex
Cytokine Veränderung der TH1/TH2-Balance:
7 induzierte IFN-γ-Produktion ↑
und damit die Reaktion auf Gefahrensignale. Letztlich reduzieren
und induzierte IL-4 Produktion hohe PUFA-Dosen die MHC-II-Expression sowie deren Steige­
rung durch IFN-γ. Eine bilanzierte Versorgung mit PUFA sorgt
8 ↓, IFN-α-Produktion nach viraler
Stimulierung ↑ so für eine intakte Reaktivität der Leukocyten.
Antikörper Serum IgA ↑, spezifische Antikörper
9 gegen Rotaviren nach Kontakt ↑ Probiotika
Probiotika sind lebende Kulturen von Mikroorganismen, in ers­
↓ = Abnahme bzw. Verringerung oder Verschlechterung; ↑ = Erhö-
10 hung bzw. Verstärkung ter Linie der grampositiven Bakterien Bifidobacterium lactis und
Lactobacillus (L.) casei, L. plantarum, L. rhamnosus und L. john-
sonii. Diese Mikroorganismen kommen natürlicherweise in fer­
11 mentierten Nahrungsmitteln (z. B. Joghurt) vor. Die Mikroorga­
Selen nismen überleben teilweise die Magenpassage und vermehren
12 Selen ist ein wichtiges Spurenelement und in 30 Selenoprotei­ sich dann im Darm, weshalb man die entsprechenden positiven
nen enthalten, die mehrheitlich eine antioxidative Funktion in Effekte auch nur bei lebenden Kulturen sieht: eine Unterstützung
der Zelle haben. Im Gegensatz zu Eisen und Zink lässt sich ein der natürlichen Darmflora und eine Verdrängung von pathoge­
13 Selenmangel nur schwer induzieren, da die Selenomethionine nen Keimen sowie eine Immunmodulation (. Tab. 15.7). Der
und -cysteine im Körper sehr effektiv wiederverwertet werden. Effekt der Probiotika ist mittlerweile aufgrund der guten Studi­
14 Der tägliche Bedarf liegt bei ca. 1 μg/Kg Körpergewicht. Dieser enlage unumstritten. Strittig ist hingegen die Wirkung der frei
Bedarf wird bis auf wenige Selenmangelgebiete auf der Welt (z. B. verkäuflichen Probiotika, da die Anzahl der Bakterien in den
15 Keshan in China) auch gedeckt, sodass man bis auf diese Gebiete Studien wesentlich höher ist, als die zulässige Menge in den ver­
eigentlich keine Selenmangelerscheinungen sieht. Selenmangel kauften Lebensmitteln. Die hier aufgeführten positiven Effekte
ist somit – auch nach Einschätzungen der WHO – ein seltenes beziehen sich somit auf die Studien mit hohen Bakterienmen­
16 Phänomen. Trotzdem kann eine Selensubstitution verschiedene gen und nicht auf die frei verkäuflichen Produkte. Probiotika
Immunfunktionen verstärken, ob dies aber positiv oder eher ne­ reduzieren die Dauer von Diarrhöen bei Kindern signifikant.
17 gativ ist, kann zurzeit nicht eindeutig beurteilt werden. Dies gilt auch für Diarrhöen durch Rotaviren, sodass man eine
Immunmodulation annehmen muss, da keine Ähnlichkeiten
wie zu anderen Bakterien bestehen. Die Probiotika steigern die
18 Weitere Nahrungsbestandteile Menge des sekretorischen IgA. Interessanterweise haben ge­
und Nahrungsmittel stillte Kinder 10-mal mehr Bifidobacterium im Stuhl als nicht
19 gestillte Kinder, sodass man die Muttermilch als probiotische
An dieser Stelle könnte man unzählige Nahrungsmittelbestand­ Kultur ansehen kann. Im Einklang mit der Hygiene-Hypothese
20 teile aufzählen, es sollen hier aber wiederum nur die drei Kom­ (▶ Kap. 10) vermindern Probiotika auch die Allergieneigung.
ponenten besprochen werden, für die es die beste Datenlage in Man könnte sagen, dass unsere industrielle Nahrung zu steril
der Literatur gibt: mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA, ist, um das Immunsystem im Darm adäquat zu stimulieren, was
21 polyunsaturated fatty acids), Probiotika (lebende Kulturen) und dann die Probiotika übernehmen. Die Probiotika aktivieren das
sekundäre Pflanzenstoffe. Zusätzlich wird aufgrund neuester Er­ Immunsystem über die TLR und stärken so eine TH1-Immun­
22 kenntnisse etwas zum Kochsalz gesagt. antwort, woraufhin die Personen eine stärkere Impfantwort auf
orale Impfstoffe zeigen.
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA)
23 Linolsäure (Ω-6) und Linolensäure (Ω-3) sind für den Menschen Sekundäre Pflanzenstoffe
essenziell. Hauptquelle für diese PUFA sind Pflanzenkost und Sekundäre Pflanzenstoffe sind Substanzen, die nur von Pflanzen
Fisch bzw. Fischöl. Für die richtige Funktion im Körper ist dabei synthetisiert werden können. Man kennt etwa 100.000 verschie­
15.3  •  Ernährung und Immunsystem
217 15

Exkurs 15.1: Klassen von sekundären Pflanzenstoffen mit gesundheitsförderlichen Wirkungen  |       | 


Alle Pflanzen produzieren aus ihren primären Berg an Publikationen, die ein extrem breites gen (Flavonoide) beschrieben sind. Phytos-
Stoffen (Kohlenhydrate, Protein, Fett) die soge- Wirkungsspektrum dieser Stoffe zeigen. An terine greifen in den Cholesterinhaushalt des
nannten sekundären Pflanzenstoffe (SPS), die erster Stelle der nachgewiesenen Wirkungen Menschen ein. Diese Kenntnis führte dazu,
vielfältige Regulations- sowie Schutzfunktio- steht die Beeinflussung der Krebsentstehung. dass inzwischen phytosterinangereicherte Le-
nen in der Pflanze ausüben. Neben gesund- Auf vielen Stufen der Krebsentstehung kön- bensmittel angeboten werden, die nachweis-
heitsfördernden Wirkungen können SPS auch nen SPS eingreifen und so das Risiko für die lich den Blutcholesterinspiegel senken.
toxische Wirkungen ausüben. Deshalb essen Entstehung eines Tumors absenken. Beson- Allerdings sind bisher nur wenige einzelne
wir nicht alle in der Natur vorhandenen Pflan- ders gut untersucht ist dieser Zusammenhang SPS hinsichtlich ihrer Aufnahmewege in
zen, sondern beschränken uns bei unserer für die Glucosinolate. Sowohl in Zellkultu- den Körper ausreichend untersucht sowie
Auswahl auf die Pflanzen als Lebensmittel, runtersuchungen als auch in Tierstudien und deren Metabolisierung erforscht. Zwischen
die keine oder nur sehr geringe Mengen an Untersuchungen beim Menschen konnte ein einzelnen Klassen sowie innerhalb einzelner
to­xischen SPS enthalten. SPS werden z. B. als krebsprotektiver Effekt nachgewiesen werden. Klassen bestehen große Unterschiede in der
Farb-, Geschmacks- und Aromastoffe wahrge- Glucosinolate kommen in allen Kohlgemüse- Bioverfügbarkeit. Die Lebensmittelverarbei-
nommen, auch die anregende Wirkung von arten vor. Diese Wirkung der SPS trägt dazu tung hat einen großen Einfluss auf den Gehalt
Kaffee und Tee geht auf sie zurück. bei, dass ein hoher Gemüse- und Obstverzehr sowie auf die Bioverfügbarkeit der SPS beim
Aufgrund ihrer unterschiedlichen chemischen mit einem verringerten Krebsrisiko einher- Menschen. Im Gegensatz zu den essenziellen
Struktur werden SPS in verschiedene Klassen geht. Nährstoffen gibt es für SPS aufgrund fehlen-
eingeteilt (Liste). Einige, wie z. B. das Sulfid Auch in Bezug auf die Entstehung von der wissenschaftlicher Daten keine Zufuhr-
„Allicin“ in Knoblauch, kommen nur in einer Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schlagan- empfehlung von der Deutschen Gesellschaft
einzigen Gemüseart vor, während Flavonoide fall greifen SPS an vielen Stellen ein. Caroti- für Ernährung.
in allen Pflanzen vertreten sind. Bei einer noide und Flavonoide sind effiziente Antioxi-
hohen täglichen Aufnahme von pflanzlichen danzien, die die Blutgefäße vor unerwünschter
Lebensmitteln, die möglichst viele unter- Oxidation schützen. Flavonoide haben darüber
schiedliche Pflanzenarten einschließt, ist die hinaus eine hemmende Wirkung auf die Blut-
Zufuhr dieser Stoffe ausreichend. plättchen, ihr Vorhandensein im Körper kann
Liste der SPS: somit die Entstehung einer Blutgerinnung
Carotinoide beeinflussen. Carotinoide und Flavonoide
Phytosterine zeigen entzündungshemmende Wirkungen,
Saponine die sich ebenfalls bei Herz-Kreislauf-Erkran-
Glucosinolate kungen sowie weiteren Krankheiten günstig
Flavonoide auswirken. Die antimikrobiellen Wirkungen
Phytoöstrogene der SPS waren bereits in der Antike bekannt
Proteaseinhibitoren und begründeten den Einsatz von Knoblauch
Monoterpene bei Wundinfektionen. Heute ist die Verwen-
Sulfide dung von Cranberry-Saft zur Verhinderung
Erst seit rund 20 Jahren werden die gesund- von Harnwegsinfektionen populär. Die hierfür
heitlichen Wirkungen der SPS durch die Er- aktiven SPS sind teilweise bekannt, sie zählen Prof. Dr.  oec. troph. Bernhard Watzl
nährungswissenschaft wahrgenommen. Über zur Klasse der Flavonoide. SPS beeinflussen Leiter des Institutes für Physiologie und
ihre gesundheitlichen Wirkungen existiert auch das Immunsystem, wobei stimulierende Biochemie
inzwischen ein kaum mehr überschaubarer (z. B. Carotinoide) sowie suppressive Wirkun- Max Rubner-Institut, Karlsruhe

dene sekundäre Pflanzenstoffe, von denen rund 5000–10.000 in wieder beim Mengenproblem ist. Insgesamt kann man sagen,
der menschlichen Nahrung vorkommen. Immunologisch von dass die sekundären Pflanzenstoffe ein wichtiger Bestandteil ei­
besonderer Bedeutung sind die Phytoöstrogene und die Poly­ ner gesunden Ernährung und eines ausgewogen arbeitenden Im­
phenole. Die Phytoöstrogene imitieren die Östrogenwirkung munsystem sind, in zu großen Mengen aber durchaus ungesund
und haben die entsprechenden, oben beschriebenen Effekte auf werden können (▶ Exkurs 15.1).
das Immunsystem. Da es eine Vielzahl von pflanzlichen Poly­
phenolen gibt, ist deren Wirkung natürlich sehr unterschiedlich. Kochsalz
Die meisten Polyphenole, die in größeren Mengen in Pflanzen Kochsalz, chemisch Natriumchlorid (NaCl), ist in der Medizin
vorkommen, haben aber eine entzündungshemmende Wirkung. bisher vor allem durch seine blutdrucksteigernde Wirkung be­
Zu diesen Wirkungen gehören unter anderem die Inhibition der kannt. Neue Erkenntnisse zeigen, dass zu viel Kochsalz in der
NO-, IL-1-, IL-6- und TNF-α-Produktion (z. B. Quercetin), die Nahrung auch die Bildung von TH17-Zellen fördert und damit
Inhibition der TH2-Cytokine IL-4, IL-5 und IL-13 (z. B. Luteo­ zumindest im Tiermodell Autoimmunkrankheiten auslöst bzw.
lin), aber auch der TH1-Reaktion (z. B. Silymarin). Es gibt auch bestehende Autoimmunkrankheiten verschlimmert. Die Förde­
sekundäre Pflanzenstoffe wie Anthocyanin aus Heidelbeeren, die rung der Differenzierung von T-Zellen zu TH17-Zellen entsteht
TH1- und TH2-Cytokine gleichzeitig hemmen. Der gesteigerte durch die Stabilisierung des IL-23-Rezeptors, wodurch IL-23 als
Konsum von Früchten und Gemüse führt so zu einer Absenkung ein Cytokin, welches zur TH17 Differenzierung führt, seine Wir­
von Entzündungsmarkern wie dem Akute-Phase-Protein CRP, kung besser entfalten kann. Des Weiteren führen im Tiermodell
IL-6 und der Expression von Adhäsionsmolekülen. In isolierter hohe Kochsalzkonzentrationen zu einer Hyperplasie des lympha­
und konzentrierter Form sind einige Polyphenole gut definierte tischen Systems, d. h. einem Anzeichen von chronischer Akti­
Inhibitoren verschiedener Signaltransduktionswege, sodass man vierung. Inwieweit dies auf den Menschen übertragbar ist, der
218 Kapitel 15  •  Einflüsse auf das Immunsystem

sodass es zu weniger Infektionen kommt. Dies zeigt sich auch


1 .. Tab. 15.8  Messbare Einflüsse von anstrengendem Sport auf das
Immunsystem. Gezeigt sind nur die unmittelbaren Einflüsse auf das an einer höheren Proliferationskapazität der Lympho­cyten und
Immunsystem während und direkt nach dem Sport. einer größeren NK-Zell-Aktivität. Des Weiteren werden die Pha­
2 Teil des Immun- Während des Sports Direkt nach dem
gocytose und der oxidative burst in Granulocyten gesteigert. Eine
übermäßige Anstrengung, wie z. B. ein Marathonlauf, reduziert
systems Sport
hingegen die NK-Zell-Aktivität und die Granulocytenfunktionen.
3 Neutrophile Gra- Anzahl ↑ Anzahl stark ↑ Man muss dabei auch bedenken, dass anstrengender Sport einen
nulocyten physiologischen Stress darstellt. So kommt es bei Sport von über
4 Monocyten Anzahl ↑ einer Stunde zu einer verstärkten Cortisolausschüttung. Ebenso
wird der Testosteronspiegel über die körperliche Aktivität ver­
Lymphocyten Anzahl ↑ Anzahl ↓
5 T-Zellen Anzahl ↑, Prolifera- Anzahl ↓, Prolifera-
ändert. Während mäßiger Sport den Testosteronspiegel steigert,
wird dieser durch übermäßigen Sport gesenkt. Über diese Verän­
tion ↓ tion ↓, DTH-Reak-
derungen des Hormonstatus hat der Sport indirekte Effekte auf
6 tion ↓
das Immunsystem, die bereits oben beschrieben wurden. Die epi­
B-Zellen Anzahl ↑ Anzahl ↓, Prolifera-
demiologischen Studien zwischen Sportlern und Nicht-Sportlern
tion ↑
7 sind nicht immer eindeutig, und zudem zeigen die Sportler meist
NK-Zellen Anzahl ↑, Aktivität ↑ Anzahl ↓, Aktivität ↓ eine generell gesündere Lebensweise in Bezug auf Ernährung und
Alkohol- bzw. Nicotinkonsum, sodass diese Daten nur bedingt auf
8 Apoptoserate von
Lymphocyten
↑ ↑
den Sport direkt zurückzuführen sind. Deshalb sollen hier nur die
Antikörper In vitro-Immun­ ↓ direkt messbaren Effekte während und direkt nach anstrengen­
9 globulin­synthese ↓, der sportlicher Betätigung berücksichtigt werden (. Tab. 15.8).
IgA im Speichel ↓ Zusammenfassend kann man sagen, dass 2–3 Trainingseinheiten
10 Akute-Phase-Pro- CRP ↑, Neopterin ↑ von ca. 1 Stunde pro Woche einen positiven Einfluss auf das Im­
teine munsystem haben, während mehr Sport wieder negative Einflüsse
hat. Allerdings ist „zu viel“ Sport für das Immunsystem immer
11 Proinflammato-
rische Cytokine
↑ ↑
noch besser als körperliche Inaktivität.
(IL-1, IL-6, TNF-α)
12 antiinflammatori- ↑ ↑
sche Cytokine 15.5 Wechselseitige Einflüsse von Schlaf
und Immunsystem
13 (IL-10, IL-1RA)

Lösliche Cytokinre- ↑ ↑
zeptoren (sTNFR) Der Schlaf ist die Regenerationsphase für Körper und Geist. Mas­
14 Chemokine (IL-8, ↑ ↑
siver Schlafentzug oder Schlafstörungen führen zu einem Im­
MIP-1β) mundefizit. Bei vielen Infektionen, d. h. bei großer Aktivität des
15 ↓ = Abnahme bzw. Verringerung oder Verschlechterung; ↑ = Er-
Immunsystems, beobachtet man hingegen ein erhöhtes Schlaf­
bedürfnis. Tatsächlich fördern die proinflammatorischen Cyto­
höhung bzw. Verstärkung (Tabelle verändert nach Pedersen und
kine IL-1, IL-6, IL-18 und TNF-α sowie IFN-α den Nicht-REM-
16 Hoffman-Goetz.)
Schlaf (NREMS, non-rapid eye movement sleep) und verhindern
in hohen Dosen sogar den REM-Schlaf („Traumschlaf “). Dies
17 sich im Laufe der Evolution besser an viel Salz in der Nahrung geschieht über die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB,
angepasst hat, ist noch unklar. Allerdings lassen sich dadurch der auch in der Regulation des Schlafes eine große Rolle spielt.
zumindest therapeutische Effekte der Wundbehandlung beim Die TH2-Cytokine IL-4 und IL-10 sowie das anti­inflammatorische
18 Menschen mit Kochsalzlösungen erklären, da TH17-Zellen vor TGF-β verhindern den NREMS. Kurzzeitiger Schlafentzug re­
allem antibakterielle Wirkungen haben. duziert die NK-Zell-Aktivität, während langzeitiger Schlafent­
19 zug mit einer erhöhten NK-Zell-Aktivität und Leukocytose eher
Anzeichen einer Entzündung zeigt. Bei kurzzeitigem Schlafent­
15.4 Bewegung, Sport und Immunsystem
20 zug nach einer Impfung kommt es sogar zu einer verminderten
Impfreaktion. Aber auch während des normalen Schlafes wird
Komplette körperliche Inaktivität ist ungesund (. Tab. 15.1). Im­ das Immun­system moduliert. Während des Tiefschlafes (NREMS
21 munologisch ist dies einfach zu begründen, da die Lymphe nur Phase 3) erhöht sich die Konzentration der Cytokine IL-1 und
passiv über Muskelbewegung transportiert wird. Insofern hängt IL-2. Das IL-6 hingegen zeigt eine mehrphasige Regulation. Die
22 eine Immunantwort von der Bewegung ab, da nur dadurch der zirkulierenden IL-6-Spiegel sind in den NREMS-Phasen 1 und 2
Transport der Antigene und der Leukocyten in den drainierenden sowie im REM-Schlaf erhöht, im Vergleich zu den Wach- und
Lymphknoten gewährleistet ist. Um dieses Minimum an Funk­ Tiefschlafphasen. Insgesamt ist die Forschung hier noch am An­
23 tion aufrecht­zuerhalten, bedarf es ca. 30 Minuten Bewegung am fang, zeigt aber, dass Immunsystem und Schlaf in einem Wech­
Stück, d. h. einfaches Spazierengehen. Eine Steigerung der sportli­ selspiel sind, welches für ein gut funktionierendes Immunsystem
chen Aktivität hat einen positiven Einfluss auf das Immunsystem, genauso wichtig ist wie für die Überwindung von Infektionen.
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219 15
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221 16

Immundefekte
Lothar Rink, Hajo Haase

16.1 Primäre Immundefekte – 222


16.2 Sekundäre Immundefekte – 231
16.3 Immuntoxikologie – 236
Literatur – 238

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
222 Kapitel 16 • Immundefekte

Wie wichtig das Immunsystem für den Menschen ist, bemerkt Im Magen werden die IgA-Antikörper dann verdaut und können
1 man meistens erst, wenn es ausfällt. In den vorherigen Kapiteln so nicht vom Kind in den Blutkreislauf aufgenommen werden.
wurden das Alter und andere Einflüsse auf das Immunsystem Insofern bauen sich die mütterlichen IgG-Antikörper über die
2 besprochen, die die Immunkapazität negativ beeinflussen bzw. Halbwertszeit (21 Tage) ab und fallen zwischen dem 4.–6. Le-
modulieren. Hier wollen wir auf Störungen eingehen, die den bensmonat unter eine Menge von 200 mg/dl im Plasma, was zur
kompletten oder teilweisen Ausfall des Immunsystems hervorru- Aufrechterhaltung einer Immunität nicht ausreicht. Defekte des
3 fen, die Immun­defekte. Die Immundefekte teilt man in primäre angeborenen Immunsystems und der T-Zellen des spezifischen
und sekundäre Immundefekte ein. Primäre Immun­defekte sind Immunsystems manifestieren sich hingegen bereits früher, da
4 angeborene Immundefekte, d. h. Erbkrankheiten, die auf Muta- diese Systeme nicht von der Mutter übertragen werden können.
tionen oder Deletionen im Erbgut beruhen. Sie beeinflussen das Unbehandelt führen die schweren angeborenen Immunde-
5 Immunsystem direkt. Da das Immunsystem aber ein komplexes fekte bereits im ersten Lebensjahr zum Tod. Deshalb ist eine frühe
Netzwerk ist und mit allen Organsystemen in Wechselwirkung Diagnostik durch einen Spezialisten wichtig. Die Jeffrey Modell
steht, ist es auch bei den meisten schweren Erbkrankheiten und Foundation, eine gemeinnützige Organisation, die sich mit der
6 Chromosomenanomalien beeinträchtigt wie z. B. bei der Triso- Erkennung und Behandlung von primären Immundefekten be-
mie 21 (Down-Syndrom). Diese Erbkrankheiten werden aber schäftigt, hat dafür zehn Warnzeichen definiert (. Tab. 16.2),
7 nicht zu den primären Immun­defekten gezählt, da die Anomalie die häufig noch von Autoren um verschiedene Punkte erweitert
nicht spezifisch das Immunsystem betrifft. Die primären Immun­ werden. Des Weiteren sind diese Warnzeichen bei Erwachsenen
defekte sind glücklicherweise sehr selten, jedoch nicht so selten, leicht verändert, da die normale Infektionshäufigkeit bei Kindern
8 wie man glaubt. Eine Gegenüber­stellung von ausgewählten Im- viel höher ist als bei Erwachsenen (. Tab. 16.2). Man spricht bei
mundefekten und Erbkrankheiten, auf die jedes Neugeborene in Säuglingen auch von einer physiologischen Immundefizienz.
9 Deutschland untersucht wird (Phenylketonurie, Hypothyreose, Die verschiedenen primären Immundefekte werden in der
Galaktosämie) bzw. sehr bekannten Chromosomen­anomalien/ Abfolge ihrer natürlichen Funktion bei einer Infektion bespro-
10 Erbkrankheiten wie Down-Syndrom und Bluterkrankheit (Hä- chen. Die Vielzahl der Immundefekte kann nicht im Einzelnen
mophilie), zeigt jedoch, dass Immundefekte häufiger sind als beschrieben werden. Es werden deshalb wichtige klinische Bei-
man vermutet (. Tab. 16.1). Da die Angaben über die Inzidenzen spiele bzw. charakteristische Krankheitsbilder ausgewählt und
11 jedoch in der Literatur sehr schwankend sind und systematische diese zu phänotypischen Gruppen zusammengefasst, die un-
Untersuchungen weitgehend fehlen, wird auf eine durchgängige terschiedliche genetische Ursachen, aber eine gleiche klinische
12 Nennung der Inzidenzen verzichtet. Ausprägung haben. Die meisten primären Immundefekte sind
Sekundäre oder erworbene Immundefekte sind Immunde- autosomal rezessiv (AR), sodass nur erwähnt wird, wenn die
fekte, die als Begleiterscheinung von Erkrankungen auftreten Defekte X-chromosomal (XL, X-linked), autosomal dominant
13 können und das Immunsystem beeinflussen. Der bekannteste (AD) oder AR und AD vererbt werden. Die X-chromosomal
sekundäre Immundefekt entsteht durch die HIV-Infektion (hu- vererbten Erkrankungen treten fast nur bei Jungen auf, da diese
14 man immunodeficiency virus). Eine besondere Form sekundärer nur ein X-Chromosom besitzen und so die Krankheit bei einem
Immundefekte ist die Immuntoxikologie, die deshalb in einem defekten Gen immer zur Ausprägung kommt, während die Mut-
15 separaten Abschnitt besprochen wird. Aufgrund der obigen ter mit einem zusätzlichen intakten X-Chromosom in der Regel
Einteilung kann man ableiten, dass sich die meisten primären vollkommen gesund ist. Da verschiedene immunologisch wich-
Immundefekte bereits im Kindesalter manifestieren, während tige Gene auf dem X-Chromosom lokalisiert sind, kommt es so
16 die sekundären Immundefekte vermehrt im Erwachsenenalter insgesamt zu einer Häufung bei Jungen gegenüber Mädchen. Die
auftreten. In beiden Fällen kommt es zu einer erhöhten Infek- Wahrscheinlichkeiten für autosomal rezessive oder dominante
17 tanfälligkeit oder Infektionen mit opportunistischen Erregern. Erbkrankheiten sind für beide Geschlechter gleich hoch.
In diesem Kapitel werden die Krankheitsbilder und ihre klini-
schen Auffälligkeiten beschrieben, auf die Labordiagnostik zur
18 Differenzialdiagnose dieser Erkrankungen wird in ▶ Kap. 17 Defekte der angeborenen Immunität
eingegangen.
19 Die angeborene Immunität stellt die erste Abwehrfront gegen
Erreger dar und bildet somit den Schwellenwert für die Erreger-
16.1 Primäre Immundefekte
20 menge, die nötig ist, um eine Infektion auszulösen. Insofern sind
Kinder mit einer defekten natürlichen Immunität direkt nach
Die primären oder angeborenen Immundefekte prägen sich in der Geburt infektionsgefährdet. Der Ausfall bestimmter Teile des
21 den meisten Fällen bereits kurz nach der Geburt oder spätestens angeborenen Immunsystems wird an dafür charakteristischen
ab dem 4.–6. Lebensmonat aus. In den ersten Lebensmonaten Infektionen deutlich (. Tab. 16.3). Ausfälle der neutrophilen
22 hat der Säugling noch die diaplazentar übertragenen IgG-Anti- Granulocyten oder deren Funktion manifestieren sich durch
körper der Mutter, die ihn vor Infektionen schützen. Während eine erhöhte Anfälligkeit für bakterielle und Pilzinfektionen.
dieser Zeit maskiert der Nestschutz Ausfälle der kindlichen Beim Komplementsystem hingegen sind bei Ausfällen vor allem
23 Antikörperproduktion. Die in der Muttermilch enthaltenen Infektionen mit Neisserien typisch. Wie sich die Erkrankung
IgA-Antikörper schützen nur den oberen Verdauungstrakt, d. h. manifestiert, hängt von der defekten Komponente des Komple-
die Schleimhautoberflächen, mit denen sie in Kontakt kommen. mentsystems ab. Die Defekte der Faktoren des klassischen Weges
16.1 • Primäre Immundefekte
223 16

.. Tab. 16.1  Häufigkeiten von gängigen Erbkrankheiten und häufi- .. Tab. 16.2  Zwölf Warnzeichen für primäre Immundefekte. Aufgrund
gen Immundefekten der Reifung des Immunsystems und des immunologischen Gedächt-
nisses nimmt die Anzahl von Infektionen mit dem Alter ab, sodass
Erbkrankheit/Häufigkeit primärer Immundefekt/Häu- auch reif geborene Kinder natürlicherweise häufiger Infektionen
figkeit haben als Erwachsene. Frühgeborene leiden aufgrund der Unreife des
Immunsystems häufiger an Infektionen, ohne dass dies ein primärer
Phenylketonurie/1 auf 8000– CVID (common variable immune Immundefekt ist. Dementsprechend sind die Warnzeichen bei Kindern
10.000 deficiency)/1 auf 5000 und Erwachsenen unterschiedlich, was die Häufigkeit von Infektionen
Hypothyreose/1 auf 3000–4000 Myeloperoxidase-De- angeht.
fekt/1 auf 2100
Reif geborene Kinder Erwachsene
Galactosämie/1 auf 50.000 SCID (severe combined immune
deficiency)/1 auf 25.000 1. 4–8 oder mehr Otitiden 2 oder mehr Otitiden pro
(Ohrenentzündungen) Jahr
Hämophilie/1 auf 10.000 Summe der Komplementde-
pro Jahr (je nach Alter des
fekte/1 auf 3500
Kindes)
Down-Syndrom/1 auf 700 Selektiver IgA-Mangel/1 auf 600
2. 2 oder mehr schwere 2 oder mehr neue Sinusi-
(223–3000)
Sinusitiden pro Jahr tiden pro Jahr bei Patien-
Sekundärer Immundefekt/ (Nasennebenhöhlenent- ten ohne Allergien
Häufigkeit zündungen)

HIV in Deutschland 1 auf 1200 3. 2 oder mehr Monate Rezidivierende virale


andauernde Antibiotika- Infektionen (z. B. Herpes,
therapie mit nur geringem Warzen)
Effekt
(C1, C2, C4) führen zu Immunkomplexerkrankungen und ne-
4. 2 oder mehr Pneumonien 1 Pneumonie pro Jahr in
ben den Neisserien-Infektionen auch zu Infektionen mit pyo- pro Jahr mehr als einem Jahr
genen bekapselten Bakterien. C3 als Schlüsselkomponente des
5. Gedeihstörungen bei Chronische Durchfälle mit
Komplementsystems zeigt die gleichen Infektionen, aber keine
Säuglingen, mit und ohne Gewichtsverlust
Immunkomplexerkrankungen. Ähnlich ist es bei einem Ausfall Durchfälle
des Lektinweges. Die Komponenten des Membranangriffskom-
plexes (C5–C9; ▶ Abschn. 3.2) zeigen hingegen einzig die cha- 6. Rezidivierende Haut- oder Rezidivierende Haut- oder
Organabszesse Organabszesse
rakteristischen Neisserien-Infektionen, die bei keinem anderen
Immundefekt so in den Vordergrund treten. Man spricht in 7. Persistierende Candida-In- Persistierende Candida-In-
fektionen im Mund oder fektionen im Mund oder
diesem Zusammenhang auch von Leitinfektionen für Komple-
Pilzinfektionen der Haut Pilzinfektionen der Haut
mentdefekte. Dies zeigt, dass die Neisserien besonders anfällig
für die Lyse durch das Komplementsystem sind; bei den übrigen 8. Notwendigkeit einer Wiederholte Notwendig-
intravenösen Antibiotika- keit einer intravenösen
Infektionen mit klassischen Pathogenen ist hingegen die opso-
therapie Antibiotikatherapie
nisierende Funktion entscheidend. Neisserien-Infektionen sind
aufgrund der Erregerverbreitung insgesamt selten, sodass eher 9. 2 oder mehr tiefe Gewe- Infektionen mit atypi-
beinfektionen (z. B. Menin- schen Mycobakterien
Infektionen mit den klassischen Pathogenen auftreten, für die gitis oder Osteomyelitis)
auch immunkompetente Personen empfänglich sind. Diese In- einschließlich Sepsis
fektionen sind auch bei den weiteren Störungen des angebore-
10. Primäre Immundefekte in Primäre Immundefekte in
nen und erworbenen Immunsystems gehäuft, was an der hohen der Familie der Familie
Verbreitung der Erreger liegt. Der isolierte C9-Defekt ist dabei
11. Impfkomplikationen bei Impfkomplikationen bei
häufig weniger auffällig, da C8 bereits in der Lage ist, Membranen
Lebendimpfstoffen Lebendimpfstoffen
von Bakterien effektiv zu desintegrieren, sodass die von C9 ge-
bildete Pore nicht zwingend nötig ist. Für die hier beschriebenen 12. Infektionen mit opportu- Infektionen mit opportu-
nistischen Erregern nistischen Erregern
Komplementdefekte gibt es keine kausale Therapie, und es wird
symptomatisch oder prophylaktisch mit Antibiotika behandelt. (Tabelle abgewandelt nach Jeffrey Modell Foundation und Warnatz
Für die Diagnostik der Komplementdefekte stehen ELISA (enzy- und Peter, 2004.)
me-linked immunosorbent assay) für die einzelnen Faktoren und
für die Bestimmung der lytischen oder inhibitorischen Komple-
mentaktivität funktionelle Tests zur Verfügung.
Im nächsten Schritt geht es um die Rekrutierung der Phago-
cyten zum Infektionsherd und deren Aktivierung im Rahmen
einer Entzündungsreaktion. Wie in ▶ Kap. 7 beschrieben, sind
dafür Adhäsionsmoleküle und Chemokine unerlässlich. Beim
Leukocytenadhäsionsdefekt(LAD)-2 liegt eine Störung vor, die
verhindert, dass aus Mannose Fucose synthetisiert werden kann.
Dadurch kann kein CD15s (Sialyl-Lewisx) gebildet werden, wo-
224 Kapitel 16 • Immundefekte

1 .. Tab. 16.3  Ausgewählte primäre Immundefekte des angeborenen Immunsystems

Erkrankung Defektes Gen Natürliche Funktion Betroffene Charakteristisches Erscheinungsbild


2 Zellen

C1-, C2-, C4-Defekt C1q, C1r, C2, C4 Vermittlung des klassischen – Immunkomplexerkrankungen, Infek-

3 Komplementweges tionen mit pyogenen Bakterien und


Neisserien

C1-Inhibitormangel C1INH (AD) Regulation des klassischen – Hereditäres Quincke-Ödem (angio(neu-


4 Komplementweges und der rotisches) Ödem)
Blutgerinnung

5 C3-Defekt C3 Schlüsselkomponente der Kom-


plementwege
– Infektionen mit pyogenen Bakterien und
Neisserien

6 C5-, C6-, C7-, C8-, C9-,


Faktor D-, Proper-
C5, C6, C7, C8, C9, D,
P (XL)
Bildung des Membranangriffs-
komplexes, Initiierung und
– Neisserien-Infektionen

din-Defekt Stabilisierung des alternativen


7 Komplementweges

Paroxysmale nächtli- GPI Verankerung der komplemen- Klonal Gehäufte Infektionen, je nach Ausprä-

8
che Hämoglobinurie tinhibierenden Faktoren C8 bp, gung, starke Verfärbung des Mor-
(PNH) CD46, CD55, CD59 genurins durch Hämolyse

Leukocytenadhäsions- 1.: β2-Integrin Adhäsion der Leukocyten beim Alle Leukocy- Leukocytose, verzögerte Wundheilung,
9 defekt(LAD 1–3) 2.: GDP-Fucose-Trans- Rollen und der festen Bindung ten verzögerter Nabelschnurabwurf, Infekti-
porter am Endothel onen mit Bakterien und Pilzen
3.: verschiedene Gen-
10 defekte

IRAK-4-Defekt IRAK-4 TLR-Signaltansduktion Insbesondere Infektionen mit Bakterien


11 PMN, MΦ, DC

Angeborene Neutro- ELA2 (AD), GFl1 (AD) Kontrolle der Elastase Myeloische Neutropenie, bakterielle und Pilzinfek-

12 penie Zellen tionen

G-CSF-Rezeptor (AD) Signalweiterleitung von G-CSF, PMN Neutropenie, bakterielle und Pilzinfek-
Neutropoese tionen
13 HAX-1 Kontrolle der Apoptose myeloische Neutropenie, bakterielle und Pilzinfek-
(Kostmann-Syndrom) Zellen tionen
14 WASP (XL) Regulation des Actin-Cytos- Myeloische Neutropenie, bakterielle und Pilzinfek-
keletts Zellen tionen
15 Cyclische Neutropenie ELA2 partiell (AD) Kontrolle der Elastase Myeloische Cyclische Neutropenie ca. alle 3 Wochen,
Zellen bakterielle und Pilzinfektionen in neutro-
penischen Phasen
16
Infantile septische p22phox, p47phox, Generierung von reaktiven Sau- Insbesondere Streuende bakterielle Infektionen, keine
Granulomatose (CGD) p67phox, gp91phox erstoffspezies durch Elektronen- PMN, MΦ Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies
17 (XL) übertragung

Myeloperoxidase-De- MPO Generierung von hochtoxischen Insbesondere Pilzinfektionen


18 fekt Substanzen PMN, MΦ

Defekte des IL-12/ IL-12Rβ, IL-12p40, Induktion einer TH1-Immunant- alle, Insbe- Intrazelluläre Erreger, insbesondere My-

19 IFN-β-Regelkreis IFN-γR1 (AR/AD),


IFN-γR2
wort, Aktivierung von Phagocy-
ten zum intrazellulären Töten
sondere MΦ,
T, NK
cobakterien, bei IL-12/IL-12R-Defekten
verminderte IFN-γ-Produktion

STAT-1-Defekt STAT-1 IFN-Signaltransduktion Alle Viren und intrazelluläre Erreger, insbe-


20 sondere Mycobakterien

STAT-1α (AD) IFN-γ-Signaltransduktion Alle, insbe- Intrazelluläre Erreger, insbesondere


21 sondere MΦ,
T, NK
Mycobakterien

22
durch das Rollen der Leukocyten am Endothel eingeschränkt verschiedenen Mutationen, die zu einer gestörten Signaltrans-
wird. LAD-1 ist ein β2-Integrin(CD18)-Defekt; β2-Integrin ist als duktion von Adhäsionsmolekülen und Chemokinrezeptoren
23 Bestandteil von LFA-1 (lymphocyte function-associated antigen 1) führen. Allen drei Formen von LAD ist gemeinsam, dass es zu
und Mac-1 (macrophage-1 antigen) maßgeblich an der festen Bin- einer stark verminderten Auswanderung der Leukocyten kommt
dung von Leukocyten am Endothel beteiligt. LAD-3 beruht auf und dadurch zu einer Anhäufung im Blut, die als Leukocytose
16.1 • Primäre Immundefekte
225 16

wahrgenommen wird. Da die Phagocyten nicht an den Infek-


tionsort gelangen, ist die frühe induzierte Phase der Infektion
nicht effektiv. Die Folge sind vermehrte Infektionen mit Bakte-
rien und Pilzen. Die Infektionen zeigen keine charakteristischen
Entzündungszeichen und es wird kein Eiter gebildet, da dieser ja
abgestorbene Leukocyten darstellt. Die Patienten zeigen eine ver-
zögerte Wundheilung, weil auch die Thrombocyten vermindert
auswandern können und so der Wundverschluss verschlechtert
ist. Des Weiteren fehlt das Abräumen von abgestorbenem Ge-
webe durch die Phagocyten. Kinder mit LAD-1 und -3 erhalten
eine Knochenmark- oder Stammzelltransplantation (KMT/SZT),
während LAD-2 mit hochdosierter oraler Gabe von Fucose be- .. Abb. 16.1  Rolf Kostmann. Der schwedische Arzt Rolf Kostmann beschrieb
1956 als Erster die angeborene Neutropenie
handelt wird. LAD-1 und -2 werden anhand der Expression von
CD18 bzw. CD15s diagnostiziert, während die Diagnose von
LAD-3 komplizierter ist. innerhalb eines begrenzten Gebietes (Faszienscheide), werden
Nach erfolgter Diapedese müssen die Phagocyten aktiviert die Erreger bei einem burst-Defekt über den Körper gestreut,
werden. Die Aktivierung der Phagocyten kann ebenfalls gestört da die phagocytierten Erreger im Phagocyten durch den Körper
sein, wie im Fall des IRAK-4-Defektes. Hier bleibt die Aktivie- transportiert werden. Man spricht auch von „trojanischen Pfer-
rung durch Gefahrensignale der Bakterien über TLR aus. Die den“. Sterben die Granulocyten aufgrund ihrer kurzen Lebens-
Bakterien werden so nicht als Gefahr wahrgenommen, und die dauer, setzten sie die immer noch lebenden Erreger frei, sodass
Infektion breitet sich aus, da die Phagocyten keinen Alarm aus- ein neuer Infektionsherd entsteht. Dies hat der Erkrankung auch
lösen. Der Defekt wird prophylaktisch mit Antibiotika behandelt. den Namen (infantile) septische Granulomatose gegeben, da
Zur Diagnose untersucht man die TLR-Signaltransduktion. die Erreger über das Blut streuen und neue Entzündungsherde
Es gibt aber auch Defekte, bei denen direkt die Bildung der in Form von Granulomen induzieren. Im englischen Sprachraum
neutrophilen Granulocyten (PMN) oder aller myeloischen Zel- ist auch der Begriff „chronische Granulomatose“ gebräuchlich
len (PMN, Basophile, Eosinophile, DC und Makrophagen (MΦ)) (chronic granulomatous disease, CGD). Der burst-Defekt beruht
gestört ist, sodass diese überhaupt nicht vorhanden sind. Die- auf verschiedenen Mutationen, die alle dazu führen, dass keine
ses Krankheitsbild der angeborenen Neutropenie wurde erst- reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) gebildet werden können. Nach
mals 1956 vom schwedischen Arzt Rolf Kostmann (. Abb. 16.1) einer symptomatischen Antibiotikatherapie ist eine KMT/SZT
beschrieben und wird deshalb auch Kostmann-Syndrom ge- die kausale Behandlung. Zur Diagnose stehen Phagocytose- und
nannt. Streng genommen ist nur der HAX-1-Gendefekt ein burst-Test zur Verfügung (. Abb. 17.8).
Kostmann-Syndrom, diese Bezeichnung wird aber häufig als Eine mildere Ausprägung zeigt der häufigste Granulocyten-
klinischer Sammelbegriff für eine angeborene Neutropenie ver- defekt, der Myeloperoxidase-Defekt. Die Myeloperoxidase wird
wendet. Alle Formen der angeborenen Neutropenie fallen durch benötigt, um aus H2O2 und Halogensalzen (z. B. NaCl) hochtoxi-
sehr frühe und schwere Infektionen mit Bakterien und Pilzen auf. sche Substanzen wie Hypochlorid (HOCl, wird z. B. in Toiletten-
Die angeborenen Neutropenien behandelt man mit Antibiotika reinigern verwendet) zu synthetisieren. Während zur Abtötung
und G-CSF (granulocyte colony-stimulating factor) bis zur KMT/ von Bakterien die ROS genügen, benötigt man zum Abtöten von
SZT als kausaler Therapie, da nur wenige Formen, bei denen der Pilzen diese hochtoxischen Substanzen, sodass eine isolierte An-
G-CSF-Rezeptor noch eine Funktion zeigt, mit G-CSF erfolgreich fälligkeit für Pilzinfektionen besteht, auch wenn grampositive
therapiert werden können. Die alleinige Gabe von G-CSF reicht Bakterien nur verzögert abgetötet werden. Man behandelt die Pa-
hingegen für die Therapie der cyclischen Neutropenie aus. Bei tienten im Falle einer Pilzinfektion gezielt mit Antimycotika. Zur
diesen Kindern liegt eine mildere Mutation im ELA2-Gen vor, Diagnostik steht ein Myeloperoxidase-Nachweis zur Verfügung.
sodass es nicht zu einem Totalausfall, sondern nur zu einem cy- Neben der frühen Aktivierung muss die Funktion der Pha-
clischen Abfall oder Ausfall der Myelopoese in Abständen von ca. gocyten zur intrazellulären Abtötung häufig durch IFN-γ ver-
drei Wochen kommt. Die Diagnostik aller Neutropenien erfolgt stärkt werden. Defekte im IL-12/IFN-γ-Regelkreis dieser Akti-
anhand von Blutbildern und Knochenmarkuntersuchungen, wo vierung führen zu einer erhöhten Anfälligkeit für intrazelluläre
sich das Bild einer Leukopenie und Agranulocytose zeigt. Erreger. Klinisch fällt dies in der Regel durch Infektionen mit
Die alleinige Anwesenheit der Phagocyten reicht aber nicht atypischen Mycobakterien auf. Die atypischen Mycobakterien
aus, sie müssen auch funktionell sein, d. h. die Erreger müssen sind Mycobakterien geringerer Pathogenität, mit denen sich ein
phagocytiert und intrazellulär über den oxidative burst abgetö- immunkompetenter Mensch eigentlich nicht infiziert, im Ge-
tet werden. Beide Funktionen können defekt sein. Eine gestörte gensatz zu den „typischen“ pathogenen Erregern der Tuberku-
Phagocytose kommt häufig als sekundärer Immundefekt vor lose (M. tuberculosis) und Lepra (M. leprae). Erstmals entdeckt
oder infolge schwerer Störungen des Cytoskeletts, die noch an- wurde dieser Formenkreis durch Jean-Laurent Casanova, der
dere funktionelle Ausfälle nach sich ziehen. Die gestörte intra- Säuglinge auf Malta untersuchte, die an einer BCG-Impfung
zelluläre Abtötung (burst-Defekt) ist aufgrund der schnelleren (Bacille Calmette Guérin) verstarben. Im Körper der Kinder mit
Infektionsausbreitung noch gefährlicher. Während bei einem IFN-γ-Rezeptor-Defekt breitete sich das für Immunkompetente
Phagocytosedefekt der Erreger am Infektionsort verbleibt, d. h. harmlose attenuierte Mycobakterium ungehemmt aus. Dieses
226 Kapitel 16 • Immundefekte

1 Störungen im Knochenmark
myeloische
Vorläuferzelle
2
3 angeborene Neutropenie
aufgrund von Störungen
4 in der Myelo- oder
Neutropoese

5 Störungen reifer Zellen in der Peripherie


.. Abb. 16.3  Colonel Dr. Ogden C. Bruton. Der amerikanische Militärkin-
derarzt Bruton beschrieb 1952 als Erster ein Antikörpermangelsyndrom
intrazelluläre Abtötung
6
Erreger
der Erreger und entwickelte auch, aufbauend auf der Entwicklung der Serum­therapie
und der Fraktionierung der Antikörper durch andere Wissenschaftler, die
Erreger Ausfall des oxidative Substitutions­therapie zur Behandlung. Das Bruton-Syndrom war damit auch
7 burst (CGD), Überleben und
Ausbreitung der Erreger
der erste beschriebene angeborene Immundefekt

IL-12 hört, da es sich um somatische Mutationen des Glykosylphospha-


8 Erreger
intrazelluläre Abtötung
der Erreger tidylinositol(GPI)-Ankers in Stammzellen handelt. Dieser Anker
Erreger
Ausfall der Abtötung bei bindet eine Reihe von Oberflächenmolekülen an die Zellmem-
9 IFN-γ Defekt im IFN-γ /IL-12-Regel- bran, darunter viele der komplementinhibierenden Faktoren.
kreis; Überleben und Aus- Alle von der mutierten Stammzelle abstammenden Zellen sind
breitung der Erreger
10 somit anfällig gegenüber einer Komplementlyse. Dies sieht man
vor allem an einer Lyse der Erythrocyten (Hämolyse), wodurch
.. Abb. 16.2  Angeborene Phagocytendefekte. Die wichtigsten angebo-
der Morgenurin sich aufgrund von freiem Hämoglobin dunkel
11 renen Phagocytendefekte sind die angeborenen Neutropenien. Bei diesen
bricht die Differenzierung zu neutrophilen Granulocyten und teilweise auch bis schwarz färbt. Umso mehr sich die mutierten Stammzellklone
zu Makrophagen ab. Die Störungen der intrazellulären Abtötung sind weitere ausdehnen, desto ausgeprägter wird das Krankheitsbild. Deshalb
12 wichtige Defekte. Fällt die Bildung der reaktiven Sauerstoffspezies komplett
aus, so kommt es zur septischen Granulomatose (CGD), einer generellen
nimmt die Häufigkeit von PNH auch mit dem Alter zu und wird
meist erst bei Erwachsenen symptomatisch. Während man frü-
Anfälligkeit für Bakterien und Pilze. Fällt die Verstärkung der Abtötung über
her nur klassisch hämatologisch behandeln konnte, steht heute
13 die wechselseitige Stimulierung von Makrophagen und TH-Zellen aus, so ist
auch ein anti-C5-Antikörper für die Therapie zur Verfügung.
nur die Abtötung von intrazellulären Erregern (z. B. Mycobakterien) gestört,
die sich dann ungehindert aus­breiten Neben den hier beschriebenen und in . Tab. 16.3 aufgelis-
14 teten Defekten gibt es noch weitere Störungen der angeborenen
Krankheitsbild lässt sich heute auch noch um die Defekte im Immunität, die aber häufig nur einen oder wenige Patienten
15 STAT-1 erweitern, über das alle Interferone ihre Signale weiter- weltweit betreffen und zum Verständnis nicht weiter beitragen.
leiten. Je nachdem, ob nur das Signal von IFN-γ oder aller IFN
betroffen ist, entspricht es dem charakteristischen Bild des IL-12/
16 IFN-γ-Regelkreises oder aber es dehnt sich auf virale Infektionen B-Zell-Defekte
aus, da auch das Signal von IFN-α und -β nicht weitergeleitet und Antikörpermangelsyndrome
17 werden kann. Die Therapie ist eine spezifische Antibiotikathera-
pie, die bei den Formen mit funktionellem IFN-γ-Rezeptor und Die Defekte der B-Zellen kann man als Antikörpermangel-
STAT-1 durch IFN-γ unterstützt werden kann. Die wichtigsten syndrome (AMS) oder Hypo­gamma­globulinämien (auch
18 Phagocytendefekte sind in . Abb. 16.2 dargestellt. Agammaglobulinämien) zusammenfassen. Auch T-Zell-De-
Eine Sonderstellung unter den Komplementdefekten nehmen fekte können zu einem AMS führen. Tatsächlich war der erste
19 der C1-Inhibitormangel (C1INH-Mangel, hereditäres Quincke- beschriebene primäre Immundefekt ein AMS. 1952 beschrieb
Ödem) und die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie der amerikanische Militärkinderarzt Colonel Odgen C. Bruton
20 (PNH) ein, da es sich hierbei um eine ausbleibende Regulation (. Abb. 16.3) einen Jungen, der keine Antikörper bilden konnte.
des Komplementsystems handelt. Beim C1INH-Mangel liegt ein Er entwickelte eine Therapie mit Antikörpern, die aus Spender-
autosomal dominanter Gendefekt vor, der zu starken Ödemen plasmen gewonnen wurden. Die Grundlage dieser Erkrankung
21 führt. Dies beruht darauf, dass der C1INH auch eine Funktion wurde 1993, also über 40 Jahre später, aufgeklärt, als man die Be-
bei der Gerinnung hat. Neben dem C1INH-Mangel gibt es auch deutung einer Tyrosinkinase in der B-Zell-Entwicklung erkannte.
22 einen funktionellen Ausfall des C1INH durch Autoantikör- Zu Ehren von Bruton wurde diese Kinase Bruton-Tyrosinkinase
per. Diese Formen kann man durch Bestimmung der C1INH- (Btk) genannt, die verursachte Störung Bruton-Syndrom (sy-
Menge und einen Funktionstest voneinander unterscheiden. Den nonym: Morbus Bruton oder X-linked Agammaglobulinämie,
23 C1INH-Mangel kann man heute mit rekombinantem C1INH be- XLA). Die reinen AMS muss man von den schweren kombinier-
handeln. Bei der PNH liegt eine hämatologische Erkrankung vor, ten Immundefekten unterscheiden. Bei Letzteren ist der Anti-
die streng genommen nicht zu den primären Immundefekten ge- körpermangel durch einen schweren T-Zell-Defekt bedingt, der
16.1 • Primäre Immundefekte
227 16
.. Abb. 16.4  Angeborene B-Zell-Defekte. Die B-Zell-De-
lymphatische Pro- Prä- unreife reife
fekte mit einem kompletten Ausfall der B-Zellen im Blut be-
Vorläuferzelle B-Zelle B-Zelle B-Zelle B-Zelle
ruhen auf einer fehlenden positiven Selektion der B-Zellen
Einwanderung
während der Ausreifung im Knochen­mark. Bei den reifen
in den Lymph-
B-Zellen kann es zu Störungen der T-Zell-B-Zell-Interaktion
knoten

Knochenmark
kommen, die wichtig für den Immunglobulinklassen-
wechsel ist. Ebenfalls kann es zum Ausbleiben des zweiten Umlagerung der schweren Kette nicht möglich
Signals am B-Zell-Rezeptor (BCR) über CD19 kommen, bei RAG-1 oder -2-Defekt oder µ-Ketten-Defekt.
wodurch keine Gedächtniszellen gebildet werden Expression des prä-BCR nicht möglich (λ5-Defekt)

kein positives Signal zur Umlagerung der


Leichtkette (Btk-, BLNK-, Igα-, Igβ-Defekt)

aktivierte IgM-produ- B-Gedächt-


Plasmazelle
zierende B-Zelle niszelle

Lymphknoten
Einwande-
rung in den
Lymphknoten
keine ausreichende
Aktivierung (CD19-Defekt)
kein Immunglobulin-
klassenwechsel bei CD40-
oder CD40L-Defekt

auch die zelluläre Immunität betrifft. Die AMS kann man in zwei immer der gleiche ist (. Abb. 16.4). Neben der Btk kann eine
große Gruppen einteilen: weitere Kinase, BLNK, defekt sein oder aber eine der beiden Si-
1. Genereller Ausfall oder Minderung der Antikörperproduk- gnalketten des BCR, Igα oder Igβ. Weitere Möglichkeiten sind
tion und die fehlende Expression des prä-BCR aufgrund eines Defektes
2. isotypen- bzw. subklassenspezifischer Ausfall oder Minde- der schweren Kette (μ-Ketten-Defekt) oder der prä-Leichtkette
rung der Antikörperproduktion. (λ5-Defekt). Die Differenzialdiagnose dieses Formenkreises
beruht also auf dem Nachweis der B-Zellen, was bereits direkt
Genereller Ausfall oder Minderung nach der Geburt im Nabelschnurblut durchgeführt werden kann.
der Antikörperproduktion Beim XLA kommt noch eine einfache Möglichkeit hinzu, die
Obwohl das Bruton-Syndrom streng genommen nur die XLA asymptomatischen Überträgerinnen (Konduktorinnen) zu iden-
ist, wird es häufig als klinischer Oberbegriff für die kompletten tifizieren (. Abb. 16.5). Da diese Frauen keine zufällige X-Chro-
Ausfälle in der B-Zell-Entwicklung verwendet. Allen Formen ist mosomeninaktivierung in ihren B-Zellen zeigen, gibt es bei ih-
dabei gemeinsam, dass es zu einem frühen Entwicklungsstopp in nen nur B-Zellen, in denen das X-Chromosom mit dem intakten
der B-Zell-Reifung kommt. Dies lässt sich anhand der in ▶ Kap. 2 Btk-Gen aktiv ist. Entscheidet sich nämlich eine B-Zelle in der
beschriebenen B-Zell-Entwicklung auch gut nachvollziehen. Alle Entwicklung für das  X-Chromosom mit dem defekten Btk-
B-Zellen durchlaufen eine positive Selektion, während der ge- Gen, so wird die Entwicklung dieser B-Zelle bei der positiven
prüft wird, ob sie in der Lage sind, einen funktionellen Antikör- Selektion gestoppt. Diese gelangt nicht ins Blut. Bei normalen
per auf ihrer Zelloberfläche zu exprimieren. Fehlt dieses positive Frauen gibt es hingegen zwei B-Zell-Populationen, in einer ist
Signal, so kommt es zur Apoptose in diesen Zellen. Es können das väterliche und in der anderen das mütterliche X-Chromosom
sich keine reifen B-Zellen entwickeln und dementsprechend sind aktiv. Bei Frauen mit einem gesunden Vater kommt das intakte
auch keine B-Zellen im Blut nachweisbar bzw. ihr Anteil liegt Btk-Gen immer vom Vater, d. h. es wird immer das mütterli-
unter 1 % der Lymphocyten (normal: Kinder 12–28 %, Erwach- che X-Chromosom als Barr-Körperchen inaktiviert. Ist bereits
sene 11–16 %). In der Folge sind auch keine Antikörper nach- der Vater an XLA erkrankt, so erübrigt sich der Konduktorin-
weisbar oder ihr Wert liegt unter 100 mg/dl im Serum (normal: nennachweis, da die Töchter automatisch Überträgerinnen sind,
Kinder 300–1300 mg/dl, Erwachsene 700–1600 mg/dl). Dies trifft weil sie vom Vater nur das geschädigte Btk-Gen erben können.
allerdings erst zu, wenn die mütterlichen Antikörper abgebaut Das Btk-Gen ist sehr groß und anfällig gegenüber Mutationen,
sind. Die B-Zell-Zahl stellt also die eindeutigere Diagnostik dar. weshalb es über 600 verschiedene beschriebene Mutationen für
Die betroffenen Säuglinge haben aber keine Isohämagglutinine das Krankheitsbild gibt. Es gibt auch Mutationen, die die Btk-Ak-
(Antikörper gegen die Blutgruppeneigenschaften A und B), da tivität nur vermindern und so keinen kompletten Defekt zeigen,
die IgM-Antikörper nicht diaplazentar übertragen werden. Im sondern eine verminderte Anzahl von B-Zellen. Der Humange-
normalen Säugling werden die Isohämagglutinine bereits sehr netik kommt deshalb eine untergeordnete Rolle zu, da das Fehlen
früh durch den Kontakt mit Darmbakterien gebildet. der B-Zellen der eindeutige und einfachere Nachweis ist. Eine
Weshalb die Signalkaskade vom BCR nicht zustande kommt Pränataldiagnostik ist ebenfalls nicht indiziert, da die Kinder auf-
oder unterbrochen wird, ist dabei zweitrangig, da der Effekt grund des Nestschutzes vollkommen normal zur Welt kommen
228 Kapitel 16 • Immundefekte

.. Abb. 16.5  Erbgang und Konduktorinnennachweis


Mutter Kinder Vater
1 beim XLA. a) Der dargestellte Erbgang betrifft alle X-chro-
XX gesundes Mädchen mosomal vererbten Krankheiten und zeigt, weshalb diese
XX gesunde Mutter gesunder Vater XY
XY gesunder Junge praktisch nur bei Jungen auf­tauchen, da bei diesen die
2 XX gesundes Mädchen
Erkrankung immer zum Ausbruch kommt, wenn sie das
defekte Gen erben. Bei den Mädchen wird der Gendefekt
XY gesunder Junge
XX Mutter Konduktorin gesunder Vater XY durch das gesunde X-Chromosom überdeckt, sodass die
3 XX
XY
Mädchen Konduktorin
erkrankter Junge Krank­heit nicht zur Ausprägung kommt. Die Mädchen
sind Konduktorinnen, d. h. Überträgerinnen. In seltenen
XX Mädchen Konduktorin Fällen, d. h. wenn bereits der Vater betroffen und die Mutter
4 XX Mutter Konduktorin
XY gesunder Junge
Vater an XLA erkrankt XY Konduktorin ist, kann die Krank­heit auch bei Mädchen zum
XX erkranktes Mädchen Ausbruch kommen. Dies entspricht dann einem Ereignis
XY erkrankter Junge
5 a wie bei einer autosomal rezessiv vererbten Erkrankung,
wobei dort jedoch auch die Väter nur Konduktoren sind, da
lymphatische Pro- Prä- unreife reife sie über ein zweites gesundes Chromosom verfügen. Von
Vorläuferzelle B-Zelle B-Zelle B-Zelle B-Zelle
6 den Autosomen (Nicht-Geschlechts­chromosomen) haben
auch die Männer jeweils zwei Exemplare. b) Konduktorin-
xX xX xX xX normale Frau nen von XLA sind vollkommen symptomfrei und haben eine
2 B-Zell-Populationen,
7 XX normale Anzahl von
normale Anzahl von B-Zellen im Blut. Gegenüber normalen
Frauen haben sie aber nur eine Population von B-Zellen im
Xx Xx Xx Xx B-Zellen
Blut, nämlich die, die das X-Chromosom mit dem defekten
8 Btk-Gen inaktiviert hat. Die Abbildung zeigt die Auswirkung
der verschiedenen Konstellationen auf die B-Zell-Entwick-
Konduktorin lung. Mütterliche Chromosomen sind rot dargestellt, väter-
Xx Xx Xx Xx
9 XX
1 B-Zell-Population, liche Chromosomen grün und Chromosomen mit einem
normale Anzahl von defekten Btk-Gen schwarz. Das inaktivierte X-Chromosom
Btk-Defekt B-Zellen (Barr-Körperchen) ist kleingeschrieben
10 xX xX

normaler Mann
11 XY XY XY XY XY
1 B-Zell-Population,
normale Anzahl von
B-Zellen
12 Mann mit XLA
XY XY XY Btk-Defekt
keine B-Zellen
13 b

14 und sich zunächst auch normal entwickeln, bis die mütterlichen Eine wichtige klinische Abgrenzung ist die transiente Hy-
Antikörper nach 4–6 Monaten abgebaut sind. Von da an treten pogammaglobulinämie des Kleinkindes (THI), die noch nicht
15 gehäufte Infektionen und Gedeihstörungen auf. Charakteristi- richtig verstanden ist. Die betroffenen Kinder, häufig Frühge-
sche Infektionen sind dabei Infektionen mit bekapselten Bakte- borene, haben zwar B-Zellen, diese produzieren aber zunächst
rien (z. B. Pneumokokken und Meningokokken), da man für die keine Antikörper, bis die Produktion irgendwann spontan nach
16 Opsonisierung von bekapselten Bakterien Antikörper benötigt. eineinhalb bis drei Jahren einsetzt. Einzelne Fälle wurden be-
Komplement ist bei diesen Pathogenen dazu allein nicht in der schrieben, bei denen sich dieser verzögerte Einsatz bis ins 5. Le-
17 Lage. Mit viralen Infektionen können die Kinder fast normal bensjahr hinzog. Man sollte dabei bedenken, dass alle Neugebo-
fertig werden, eine Ausnahme bilden dabei die Enteroviren, renen eine physiologische Hypogammaglobulinämie während
weshalb es früher häufig zu Problemen mit der Schluckimpfung der Phase des Abbaus des mütterlichen Immunglobulins zeigen,
18 (Polio-Lebendimpfstoff) kam. Schwere Immundefekte des spezi- weil die eigene Produktion den Antikörper-Pool im Serum nur
fischen Immunsystems sind grundsätzlich eine Kontraindikation langsam auffüllt. Eine Dauertherapie mit IVIG ist bei THI nicht
19 für Lebendimpfstoffe. Der späte Einsatz der Lebendimpfstoffe indiziert. Diese könnte das Einsetzen der Antikörperproduk-
ab dem 11. Lebensmonat bietet deshalb auch die Sicherheit, dass tion des Kindes verzögern. Deshalb behandelt man mit früher
20 man diese Defekte erkennt, unter anderem an der fehlenden Aus- oder prophylaktischer Antibiotikatherapie und nur kurzzeitiger
bildung der Lymphknoten, vor allem der Tonsillen (Mandeln), IVIG-Therapie bei Bedarf.
da für diese eine Interaktion von T- und B-Zellen notwendig Der CD19-Defekt ist ebenfalls ein AMS und manifestiert
21 ist. Durch die Einführung der Dauertherapie mit intravenösen sich bei Säuglingen mit schweren bakteriellen Infektionen. Das
Immunglobulinen (IVIG; ▶ Kap. 17) haben die Kinder heute eine Problem ist hier, dass zwar B-Zellen vorhanden sind, diese aber
22 normale Lebenserwartung, während sie früher nie die Pubertät den wichtigen Corezeptor CD19 nicht exprimieren. Über CD19
erreichten. Zur Vereinfachung der Therapie werden die IVIG bei erhalten die B-Zellen ein wichtiges 2. Signal bei der B-Zell-Akti-
Säuglingen und Kleinkindern noch subkutan durch die Eltern vierung. Da CD19 häufig zur Bestimmung von B-Zellen heran-
23 verabreicht, was ab einer gewissen Körpergröße aufgrund der gezogen wird, kann hier ein falsch negativer Befund entstehen,
notwendigen Menge nicht mehr funktioniert; dann müssen die während die B-Zellen normal CD20 und CD21 exprimieren. Die
Antikörper intravenös durch den Arzt infundiert werden. Behandlung erfolgt über IVIG.
16.1 • Primäre Immundefekte
229 16

Allen drei Formenkreisen ist gemeinsam, dass es aufgrund 1600


der fehlenden Antikörper und der häufigen bakteriellen Infek-

Gesamtimmunglobuline im Serum (in mg/dl)


immunkompetente Normalpersonen
tionen zu einem erhöhten Verbrauch von neutrophilen Granu- 1000
locyten kommt, die das Knochenmark nicht in ausreichender
Menge und Reife nachproduzieren kann. Deshalb werden diese
800 keine Infektanfälligkeit
AMS häufig als Agranulocytosen fehldiagnostiziert, da im physi-
kalischen Differenzialblutbild die Neutrophilen fehlen oder sehr
stark vermindert sind. Eine klassische Färbung des Differenzi- 600
alblutbildes würde viele unreife Granulocyten zeigen, die sich im Säuglinge während des physiologischen AMS
physikalischen Differenzialblutbild aber als Monocyten abbilden. 400
Da die Therapie bei einer Neutropenie (s. o.) vollkommen anders häufige Infektionen
300 AMS (z.B. CVID)
wäre, ist diese Abgrenzung sehr wichtig.
Einfacher ist die Abgrenzung zum allgemeinen variablen 200
ständig rezidivierende Infektionen
Immundefekt (CVID, common variable immune deficiency), der Schweres AMS (z. B. XLA)
den häufigsten primären Immundefekt des spezifischen Immun- 0
systems darstellt. Die Häufigkeit ist dabei wahrscheinlich nur ein .. Abb. 16.6  Die Infektionsanfälligkeit hängt von der Antikörpermen-
Zeichen dafür, dass wir in den meisten Fällen noch nicht wissen, ge ab. Erwachsene haben sehr große Mengen von Antikörpern im Blut
worauf CVID beruht und wir somit viele verschiedene Defekte (700–1600 mg/dl), was sicher vor Reinfektionen schützt. Kinder haben je nach
unter einem symptomatischen Sammelbegriff zusammenfassen. Alter zwischen 300–1300 mg/dl Antikörper. Die niedrigen Werte am Anfang
des Lebens sind dabei eine physiologische Hypogammaglobulinämie, da
Die Patienten haben B-Zellen, diese produzieren aber dauerhaft
der Abbau der mütterlichen Antikörper schneller voranschreitet als die
zu wenig Immunglobulin. Im Gegensatz zum Bruton-Syndrom eigene Antikörperproduktion des Kindes. Ab einer Menge unter 400 mg/dl
manifestiert sich CVID in der Regel erst bei Erwachsenen (meist setzen gehäuft Infektionen ein, weshalb man bei einer Therapie auch immer
nach dem 20. Lebensjahr), während die B-Zell-Ausfälle klinisch möglichst Werte über 500–600 mg/dl anstrebt. Das CVID wird deshalb auch
bereits bei Säuglingen und Kleinkindern aufgrund der häufigen meistens erst im Erwachsenenalter auffällig, da Kinder bezogen auf ihr Kör-
pervolumen relativ mehr B-Zellen haben und daher der Mangel erst mit der
Infektionen auffallen. Beim CVID verschlechtert sich die Lage
Zunahme des Körpervolumens auftritt. Unter 200 mg/dl ist eine Person nicht
hingegen mit der Zunahme des Körpervolumens. Da man die mehr immun­kompetent und zeigt ständig rezidivierende Infektionen
Ursache nicht in allen Fällen kennt, ist die Diagnose klinisch und
anhand andauerndem AMS zu stellen. Die Patienten fallen dabei
wiederum wegen gehäufter bakterieller Infektionen auf, haben gel) sehr variabel. Die IgG-Subklassendefekte können auch mit
aber auch autoimmune und lymphoproliferative Erkrankungen. einem IgA-Mangel vergesellschaftet sein, was meistens zu einer
Die Behandlung des AMS erfolgt ebenfalls durch IVIG. Den Zu- Symptomatik führt, während der selektive IgA-Mangel zwar die
sammenhang zwischen Antikörpermenge und Infektionen zeigt häufigste immungenetische Erkrankung überhaupt ist, meistens
. Abb. 16.6. jedoch asymptomatisch bleibt. Darminfektionen verlaufen je-
doch progressiver und können chronisch werden. Klassische
Isotypen- bzw. subklassenspezifischer Ausfall Kombinationen dieser Defekte sind IgG1 + IgG3, IgG2 + IgG4 so-
oder Minderung der Antikörperproduktion wie IgA + IgG2. Das tückische an den IgG-Subklassen­defekten
Der Immunglobulinklassenwechsel wurde in den vorherigen ist, dass sie bei einer Bestimmung der Gesamtimmunglobuline
Kapiteln im Detail erläutert. Die wichtigste Interaktion dafür ist meistens nicht auffallen bzw. nur bei einem Defekt von IgG1,
diejenige zwischen CD40 auf den B-Zellen und CD40L (CD154) da dieser der quantitativ häufigste Antikörper ist. Die anderen
auf den T-Zellen. Beide Defekte führen zum Krankheitsbild Sub­klassendefekte gehen dagegen in der natürlichen Variation
des Hyper-IgM-Syndroms, da aufgrund des fehlenden Signals der Antikörpermenge im Blut unter, sodass bei Verdacht auf ei-
zum Immunglobulinklassenwechsel nur IgM produziert wer- nen Immundefekt immer auch die Subklassen bestimmt werden
den kann und dies häufig in erhöhter Menge (. Abb. 16.4). Der müssen. Neben den Defekten der schweren Kette ist auch ein
CD40L-Defekt ist dabei häufiger, da er X-chromosomal vererbt κ-Ketten-Defekt bekannt, sodass die schwere Kette nur mit der
wird. Die Patienten fallen ebenfalls mit gehäuften bakteriellen λ-Leichtkette kombiniert werden kann. Bis auf den selektiven
Infektionen auf und werden mit IVIG therapiert. IgA-Mangel werden die schweren Verläufe der Subklassendefekte
Diesem eher allgemeinen Defekt des Immunglobulinklassen- auch mit IVIG behandelt, während bei den leichten und mittle-
wechsels stehen die spezifischen Isotyp- und Subklassendefekte ren Formen dafür kein Bedarf besteht. Der IgA-Mangel ist sogar
gegenüber. Beim Defekt des Gens der schweren Kette der Im- eine Kontraindikation für die IVIG-Therapie, da es hier zur Se-
munglobuline können einzelne Teile des Gens für die schwere rumkrankheit aufgrund der Bildung von anti-IgA-Antikörpern
Immunglobulinkette (IgH) ausfallen, sodass einzelne Immung- kommen kann (▶ Kap. 8 und ▶ Kap. 17).
lobulinisotypen oder -subklassen nicht vorhanden sind. Ähnlich Einen Sonderfall der verminderten Antikörperproduktion
sind die IgG-Subklassen­defekte, die nicht auf einem Defekt im stellt die kongenitale Asplenie dar. Beim Fehlen der Milz fällt
IgH beruhen, deren genetische Grundlage aber noch unbekannt die T-Zell-unabhängige Antikörperproduktion aus, deshalb
ist. Je nach Ausfall der IgG-Subklassen ist das Krankheitsbild kommt es zu schweren Verläufen bei Infektionen mit bekapselten
von fast asymptomatisch (isolierter IgG4-Mangel) bis zu ständig Bakterien, vor allem Pneumokokken und Meningokokken. Die-
rezidivierenden Infektionen (kombinierter IgG1- + IgG3-Man- sen Patienten kann man durch die Konjugatimpfstoffe wirkungs-
230 Kapitel 16 • Immundefekte

1 .. Tab. 16.4  Varianten von SCID. Die SCID-Varianten lassen sich anhand des zellulären Profils unterscheiden. Vorhandene Zellpopulationen sind mit +
markiert, fehlende mit – und erniedrigte mit ↓.

2 Zelluläres Profil der SCID-Variante Gendefekt Funktion des Gens

T−, B−, NK− ADA Adenosin-Desaminase im Purinstoffwechsel


3 PNP Purinnucleosidphosphorylase im Purinstoffwechsel

T , B , NK
− − +
RAG-1, RAG-2 Rekombination des TCR und BCR
4 T , B , NK↓
− +
Common-γ-chain (XL) Signaltransduktion von IL-2, -4, -7, -9, -15 und -21

JAK3 Signaltransduktion von IL-2 und -4


5 T , B , NK
− + +
IL-7Rα Signaltransduktion von IL-7

6 CD3δ, CD3ε, CD3ζ Signaltransduktion des TCR

T↓, B , NK
+ +
CD45 Tyrosinphosphatase, beteiligt an der Signaltransduktion verschiedener
Rezeptoren
7 TH+, CTL↓, B+, NK+ ZAP70, CD3γ Signaltransduktion des TCR

8
CD8 T-Zell-Restriktion und akzessorisches Molekül für CTL

TAP1, TAP2 Antigentransport für die MHC-I-Präsentation ins ER

9 TH↓, CTL , B (aber ohne HLA-D-Expression), CIITA Klasse-II-Transaktivator ist der Transkriptionsfaktor für die MHC-II-Ex-
+ +

NK+ (bare lymphocyte syndrome) pression

T+, B+, NK+ P56lck Signaltransduktion des TCR


10 Omenn-Syndrom: Verschiedene partielle Je nach betroffenem Gen eingeschränkte Funktion, jedoch gegenüber
variabel, häufig B- und Hypereosinophilie Defekte den anderen SCID-Formen kein Totalausfall
11
12 voll helfen, da dann die intakte T-Zell-abhängige Immunantwort Abgrenzung zu den reinen AMS sehr wichtig. . Abb. 16.7 zeigt
induziert wird. Die Asplenie tritt aber häufiger als sekundärer den Zusammenhang zwischen T-Zell-Zahl und Infektionsan-
Immun­defekt auf – dann, wenn die Milz nach einem schweren fälligkeit.
13 Trauma chirurgisch entfernt werden muss. Unter den SCID-Formen bildet das Omenn-Syndrom eine
Ausnahme, da es hier nicht zu einem Totalausfall eines Gens
14 kommt, sondern nur zu einer verminderten bzw. veränderten
T-Zell-Defekte und SCID Funktion. Die zugrunde liegenden Defekte befinden sich da-
15 bei in den Genen, die die anderen SCID-Formen verursachen.
In der ursprünglichen Definition handelte es sich bei dem Die partiellen Defekte führen dazu, dass nur einige T-Zellen
schweren kombinierten Immundefekt (SCID, severe combined ausreifen und dadurch ein beschränktes T-Zell-Repertoire be-
16 immune deficiency) um einen kombinierten T- und B-Zell-De- steht (oligoklonale Expansion). Unter diesen T-Zellen befinden
fekt. Da bei fehlenden T-Zellen die B-Zellen aber in ihrer sich autoimmune T-Zellen, sodass es zu schweren Entzündun-
17 Funktion stark eingeschränkt sind, unterscheidet man heute gen der Haut, häufig mit Blasenbildung kommt. Viele Fälle von
verschiedene SCID-Formen mit und ohne B-Zellen. Welche ge- Omenn-Syndrom zeigen eine Hypereosinophilie und vermin-
netischen Defekte dabei in den Formenkreis SCID einbezogen derte B-Zell-Zahlen. Aufgrund des ungewöhnlichen Erschei-
18 oder als eigene Entität eingestuft werden, ist in der Literatur nungsbildes ist hier vor allem auch eine Abgrenzung zu aller-
sehr variabel. Übergänge vom klinischen Bild eines SCID zu gischen Reaktionen, zum Hyper-IgE-Syndrom und einer graft
19 einem anderen T-Zell-Defekt sind fließend. In . Tab. 16.4 sind versus host-Reaktion (GvHD) wichtig. Die Behandlung erfolgt
die verschiedenen SCID-Formen aufgrund ihrer Lymphocy- wie bei den übrigen SCID-Formen.
20 tenverteilung in funktionelle Gruppen eingeteilt. Aufgrund des Eine sichere Sonderstellung unter den T-Zell-Defekten
Ausfalls der zellulären Immunität kombiniert mit einem AMS nimmt das DiGeorge-Syndrom, eine Fehlbildung des Thymus,
zeigen die Kinder sehr früh eine Symptomatik, da kein Schutz ein. Hierbei handelt es sich um eine Deletion am Chromosom 22
21 gegen Viren besteht und nur ein verminderter Schutz gegen (genauer 22q11.2), die eine Fehlbildung der 3. und 4. Schlund-
die übrigen Erreger, weil die Verstärkung der Phagocytenfunk- tasche in der Embryogenese nach sich zieht. Dadurch tritt bei
22 tionen in der Spätphase der Immunreaktion ausbleibt. Die den Kindern ein Symptomkomplex von Herzfehlern (cardiac
starke Infektanfälligkeit macht die Kinder schwer therapierbar, anomalies), Gesichtsdysmorphien (abnormal facies), Thymusat-
und die überbrückbare Zeit mit prophylaktischen Antibiotika rophie oder -hypoplasie (thymic hypoplasia), eine Gaumenspalte
23 und IVIG ist limitiert. Da alle SCID-Formen (Ausnahme sind (cleft palate) und ein Calciummangel im Blut (hypocalcemia) auf,
leichtere Ausprägungen der Ausfälle von cytotoxischen T-Zellen was zur Bezeichnung CATCH-22 geführt hat. Die Ausprägung
(CTL)) durch eine KMT/SZT behandelt werden müssen, ist die des Krankheitsbildes ist sehr variabel und reicht immunologisch
16.2 • Sekundäre Immundefekte
231 16

von einer kompletten T-Zell-Defizienz bis hin zu fast normalen immunkompetente Normalpersonen
1000
T-Zell-Zahlen. Die Diagnose erfolgt meist morphologisch und
wird cytogenetisch bestätigt. Die Therapie hängt vom Schwere-

Anzahl von TH-Zellen im Blut pro µl


grad des T-Zell-Defektes ab. 800
keine Infektanfälligkeit

Weitere gut definierte Immundefekte 600


ältere Menschen mit relativem T-Zell-Mangel

Die Hyper-IgE-Syndrome, auch als Hiob-Syndrom bezeichnet, 400


häufige Infektionen
zeichnen sich durch eine Über­produktion von IgE aus. Dabei
300 (z. B. HIV-Laborstadium 2, DiGeorge-Syndrom)
liegen die IgE-Werte weit über dem, was bei Allergikern nach-
zuweisen ist. Die Kinder haben eine erhöhte Infektanfälligkeit,
200
insbesondere für Staphylokokken auf der Haut, und Ekzeme. Die ständig rezidivierende Infektionen
Defekte liegen dabei im STAT-3-Gen (wichtig für Cytokin­signal­ (z.B. SCID, AIDS)
0
transduktion, z. B. IL-6) bei der autosomal dominanten Form
oder in verschiedenen Genen (bisher bekannt Tyk2-Gen, eben- .. Abb. 16.7  Zusammenhang zwischen Infektionsanfälligkeit und T-Zell-
falls Cytokinsignaltransduktion) bei den autosomal rezessiven Zahl. Durch die Erkenntnisse an HIV-Infizierten wissen wir heute mehr über
den Zusammenhang von T-Zell-Zahl und dem Auftreten von Infektionen,
Formen. Die Kinder werden prophylaktisch mit Antibiotika und
was auch der Therapie von Patienten mit primären Immundefekten zugu-
ggf. IVIG therapiert. tekommt. Der Normalwert für TH-Zellen liegt beim Erwachsenen zwischen
Beim  X-chromosomal lymphoproliferativen Syndrom 700–1100 Zellen/μl, bei Kindern sogar noch höher. Aber selbst eine Anzahl
(XLP) handelt es sich um einen Defekt des SH2D1A-Gens (XLP- darunter reicht noch für eine Immunreaktion aus, sodass eine Symptoma-
1) oder des XIAP-Gens (XLP-2), welche für die Lymphocy- tik mit gehäuften Infektionen erst unter 500 TH-Zellen/μl auftritt. Bei unter
200 Zellen/μl liegt dann ein schweres Immundefizit mit ständig rezidivieren-
tenaktivierung wichtig sind. Die Kinder können dadurch eine
den Infektionen vor
EBV-Infektion nicht kontrollieren, sodass es zu einem fulminan-
ten tödlichen Verlauf oder einem chronisch-aktiven Verlauf mit
Entwicklung von malignen Lymphomen kommt. Die Behand- tardierung münden, die bereits früh in Erscheinung treten. Erst
lung erfolgt antiviral oder onkologisch, wobei die Option einer im Kindergartenalter entwickelt sich eine zunehmende Infekti-
KMT/SZT besteht. onsanfälligkeit. Die Therapie ist symptomatisch mit Antibiotika
Die autoimmunen lymphoproliferativen Syndrome (ALPS) und bei Bedarf IVIG.
nehmen eine Sonderstellung ein, da bei ihnen Autoimmun- Das Chediak-Higashi-Syndrom beruht auf einem Defekt
krankheiten im Vordergrund stehen. Gemeinsam sind diesen des LYST-Gens (lysosomal trafficking regulator gene). Durch den
Erkrankungen Störungen der Apoptose, weshalb autoimmune Ausfall ist der Transport von Proteinen in die Lysosomen ge-
Lymphocyten nicht eliminiert werden. Charakteristische De- stört. Die Patienten fallen durch einen Albinismus auf und eine
fekte sind die autosomal dominanten Mutationen im CD95 sehr frühe Infektionsanfälligkeit in den ersten Lebenswochen
und der Caspase-8 und die autosomal rezessiven Mutationen durch die Barrierestörung. Zur Therapie gibt es die KMT/SZT
im CD95-Liganden und der Caspase-10. Die Kinder fallen durch als symptomatische Behandlung, da diese den Defekt nur in den
eine Lymphadenopathie und Splenomegalie (Schwellung von hämatopoetischen Zellen behebt.
Lymphknoten und Milz) auf. Die Behandlung ist immunsup-
pressiv und ggf. Entfernung der Milz, bei schweren Verläufen
KMT/SZT. 16.2 Sekundäre Immundefekte
Das Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS) ist ein Defekt im
WASP-Gen (WAS-Protein) der  X-chromosomal rezessiv ver- Die sekundären oder erworbenen Immundefekte sind häufiger
erbt wird. Durch die Mutation kommt es zu Störungen im Ac- als die primären Immundefekte. Insbesondere bei Erwachsenen
tin-Cytoskelett und dadurch zu funktionellen Ausfällen in der ist das Vorliegen eines sekundären Immundefektes wahrschein-
Signalweiterleitung von Rezeptoren. Dies beeinflusst die Diffe- licher als die Erstdiagnose eines primären Immundefektes. Se-
renzierung und Aktivierung von T- und B-Zellen sowie die Bil- kundäre Immundefekte werden durch Infektionskrankhei-
dung von Thrombocyten. Deshalb sind für das Krankheitsbild ten, hämatologische, onkologische, gastroenterologische oder
neben rezidivierenden Infektionen eine Thrombocytopenie und nephrologische Erkrankungen, schwere Traumen, Strahlenun-
ein chronisches Ekzem charakteristisch. Bis zum Vorschulalter fälle oder durch Intoxikation verursacht. Der letzte Bereich wird
kommen häufig noch autoimmune Reaktionen hinzu. Das WAS im nächsten Abschnitt gesondert besprochen. Für die übrigen
wird mit der KMT/SZT behandelt. Faktoren werden nur typische Beispiele gegeben, da das klini-
Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom) beruht auf ei- sche Bild ein breites Spektrum hat. Bei den Infektionskrankhei-
ner Mutation im ATM-Gen (ataxia telangiectasia mutated). Der ten wird HIV (humanes Immundefizienzvirus) aufgrund seiner
Gendefekt bewirkt ein gestörtes Zellwachstum, da ATM an der besonderen Bedeutung separat besprochen.
Zellteilung und der Reparatur von DNA-Schäden beteiligt ist. Bei den hämatologischen Erkrankungen, d. h. den Leukä-
Im Vordergrund der Erkrankung stehen eigentlich die namens- mien und Lymphomen, kommt es zu einer Verdrängung der ge-
gebenden neurologischen Störungen, die in einer geistigen Re- sunden Leukocyten im Knochenmark und/oder Blut (z. B. akute
232 Kapitel 16 • Immundefekte

lymphatische Leukämie bei Kindern). Dies führt, je nach Stärke d. h. Infektionen mit andauernder Erreger­aktivität, das Immun-
1 der Verdrängung der gesunden Zellen, zu einem Krankheitsbild system negativ beeinflussen. Wichtige Beispiele sind Malaria
wie beim spezifischen Ausfall der entsprechenden Zellpopula- (Plasmodium ssp.) und Lues (Syphilis, Treponema pallidum).
2 tion, die oben besprochen wurde. Die soliden Tumore beein- So kann z. B. das EBV bei Malariainfizierten aufgrund der Im-
trächtigen das Immunsystem je nach Organ mehr oder minder munsuppression durch Plasmodium zur Induktion eines Bur-
stark. Einige hoch maligne Tumore wirken durch die konstitutive kitt-Lymphoms führen. Latente Infektionen (z. B. HSV, EBV)
3 Produktion von bestimmten Mediatoren sogar immunsuppressiv haben normalerweise während der Latenzphase keinen Einfluss
(z. B. Gliablastoma multiforme durch TGF-β). Andere Tumore auf das Immunsystem, da sich der Erreger vollkommen ruhig
4 inhibieren die Produktion der normalen Mediatoren des Organs, verhält. Erst mit der Reaktivierung wird das Immunsystem
sodass diese vermindert vorkommen. Dies können direkt Fak- wieder beeinflusst, wobei die Reaktivierung meist durch eine
5 toren des Immunsystems, wie z. B. Komplementfaktoren aus der Schwächung des Immunsystems hervorgerufen wird. Eine Son-
Leber, oder Mediatoren zur Zellaktivierung und -differenzierung derstellung nehmen die Viren ein, die direkt Leukocyten als ihre
sein, wie z. B. Calcitriol (aktives Vitamin D3) aus der Niere, was Zielzellen haben und so mit ihrer Vermehrung direkt das Im-
6 zur Makrophagendifferenzierung benötigt wird. Dies ist auch die munsystem schädigen. Das wichtigste Beispiel ist das humane
Ursache, warum bei den meisten schweren Nierenerkrankun- Immundefizienzvirus (HIV).
7 gen ein sekundärer Immundefekt vorliegt. Unspezifisch wirken
viele Tumoren durch ihren hohen Energieverbrauch oder die
verschlechterte Nährstoffaufnahme, sodass es zu einem Zustand HIV und AIDS
8 wie bei einer Mangelernährung kommt, die immunsuppressiv
wirkt (▶ Kap. 15). Dies trifft auch auf viele gastroenterologische Seit der Erstbeschreibung von AIDS (acquired immune deficiency
9 Erkrankungen zu, wie Malabsorption von bestimmten Nähr­ syndrome) im Jahre 1981 als eigenes Krankheitsbild hat sich HIV
stoffen (z. B. Zinkmangel) oder erhöhtem Verlust durch Diarr- als ursächlicher Erreger dieser Erkrankung zur größten weltwei-
10 höen (Durchfälle) unterschiedlicher Ursache. ten Pandemie ausgebreitet. Schnell nach der Beschreibung von
Der sekundäre Immundefekt durch Strahlenunfälle oder AIDS wurde jedoch klar, dass es das Krankheitsbild bereits lange
-therapie dient sogar der Diagnostik. Nach einer Ganzkörper- vorher gab. Anhand von zwei infizierten Proben aus den Jahren
11 bestrahlung mit ionisierenden Strahlen kommt es zu einem 1959 und 1960 aus Afrika konnte man über die Mutationsrate
Leukocytensturz, d. h. die Anzahl der Granulocyten fällt schnell von HIV zurückrechnen, wann das Virus wahr­scheinlich vom
12 ab, da sie nur eine kurze Lebenszeit haben und die Nachpro- Affen auf den Menschen übergetreten ist. Die am häufigsten
duktion aufgrund der Schädigung des Knochenmarks ausbleibt. genannte Jahreszahl ist 1908, wobei je nach Berechnung eine
Das Krankheitsbild ähnelt dann symptomatisch den oben be- Zeitspanne zwischen 1873 und 1933 entsteht. Die Affen­immun­
13 schriebenen Agranulocytosen. Der Leukocytensturz tritt dabei defizienzviren (SIV) selbst sind wesentlich älter, d. h. zwischen
bereits nach 1–2 Tagen auf, während ein Haarausfall erst nach 10.000–100.000 Jahre alt, weshalb sich das Immunsystem der Af-
14 2–3 Wochen einsetzt, sodass ein Strahlenunfall akut diagnosti- fen wahrscheinlich wesentlich besser an die Viren angepasst hat
ziert werden kann. als unser Immunsystem an HIV. Für die Entdeckung von HIV-1
15 Bei verschiedenen Infektionskrankheiten wird das Immun- (1983) und HIV-2 (1986) bekamen Luc Montagnier und Fran-
system negativ beeinflusst, ohne dass man dies als sekundären coise Barré-Sinoussi 2008 den Nobelpreis für Physiologie oder
Immundefekt beschreibt. So sind z. B. die schweren Verläufe Medizin. HIV-1 und -2 sind +Strang-RNA-Retroviren, die zur
16 einer Grippe meist nicht auf das Influenzavirus selbst, sondern Gattung der Lentiviren gehören (. Abb. 16.8). Während HIV-1
auf Superinfektionen durch Bakterien zurückzuführen. Das weltweit verbreitet ist, ist HIV-2 im Wesentlichen noch auf West-
17 hochinfektiöse Influenzavirus schwächt dabei die natürlichen und Zentralafrika beschränkt. Zurzeit gibt es ca. 33 Millionen
Barrieren, sodass die Bakterien sich leichter ansiedeln können. HIV-Infizierte auf der Welt, in Deutschland ca. 78.000 (Schät-
Schwere sekundäre Immundefekte lösen die kongenitalen In- zung des Robert-Koch-Institutes von 2012). Jährlich sterben etwa
18 fektionen, d. h. Infektionen des Kindes im Mutterleib, aus. Hier zwei Millionen Menschen an AIDS und drei Millionen infizieren
wird ein noch nicht ausgereiftes Immunsystem mit Erregern sich neu, sodass die Zahl der Neuinfizierten immer noch weiter
19 konfrontiert, sodass sich keine schützende Immunantwort ansteigt. Nachdem man es in Deutschland in den 1990er-Jah-
aufbaut und das Immunsystem sich auch nicht weiter normal ren durch massive Aufklärungskampagnen geschafft hatte, die
20 ausdifferenziert. Klinisch bedeutsame Infektionen sind dabei Rate von Neuinfektionen stark zu senken, stieg die Anzahl von
unter anderem die Infektionen mit CMV, Rötelnvirus und To- Neuinfektionen seit 2000 von ca. 1500/Jahr wieder stetig an auf
xoplasma gondii. Deshalb sind auch die Rötelnimpfungen bei ca. 3000/Jahr im Jahr 2010. Während in Deutschland jeder In-
21 Mädchen von besonderer Bedeutung, und die Antikörpertiter fizierte bei Bedarf eine teure antiretrovirale Therapie bekommt,
gegen Röteln werden bei jeder Schwangeren bestimmt, um eine steht diese weltweit nur etwa fünf Millionen der Infizierten zur
22 Infektion sicher ausschließen zu können. Bei der Diagnostik Verfügung.
einer Rötelninfektion in Säuglingen ist es wichtig, IgM-Antikör- Die HIV-Infektion wird heutzutage überwiegend sexuell
per gegen die Erreger nachzuweisen, da nur diese sicher vom übertragen, Übertragungen mit Blut und Blutprodukten sind
23 Kind stammen. IgG-Antikörper können auch von der Mutter in Deutschland durch geeignete Testungen (PCR zum Virus-
stammen, da diese plazentagängig sind. Neben den kongenita- nachweis) und Sicherheitsmaßnahmen (Quarantäneplasma
len Infektionen können chronisch persistierende Infektionen, und Virusinaktivierungen) sehr unwahrscheinlich, d. h. das Ri-
16.2 • Sekundäre Immundefekte
233 16

siko liegt bei 1 : 2.600.000 und damit in der Wahrscheinlichkeit


von fünf Richtigen plus Zusatzzahl im Lotto „6 aus 49“. Dem gp160
SU gp120
gegenüber ist die Wahrscheinlichkeit, sich bei ungeschütztem TM gp41
Geschlechtsverkehr zu infizieren, relativ hoch, da bei 78.000 In-
LI p6
fizierten und 81,89  Millionen Einwohner (beides Daten aus
2012) etwa 1 von 1050 Personen in Deutschland HIV-infiziert
ist. Glücklicherweise ist das HI-Virus nicht so hoch infektiös wie
andere Erreger, sodass man sich ohne den Austausch von Kör- MA p17
perflüssigkeiten nicht mit HIV infiziert. Einfache Schutzmaß- CA p24
nahmen wie Kondome und Latexhandschuhe schützen zudem
NC p7
sehr zuverlässig vor einer Infektion durch Sperma oder Blut.
Warum stellt das Virus dennoch eine so große Gefahr dar? RT p66
Wenn es das HI-Virus geschafft hat, den Körper zu infizieren, IN p32
ist die Person lebenslang infiziert und infektiös. Dies liegt daran, PR p12 RNA
dass HIV ein Retrovirus ist und sein Genom direkt in die DNA
MHC der
der Wirtszelle einbaut. Damit wird das Virus Bestandteil des Lipiddoppelmem-
core shell
Wirtszelle
Erbgutes der Zelle und überträgt sich bei der Zellteilung auf bran der Wirtszelle core
beide Tochterzellen. Während der Primärinfektion kommt es
zum akuten retroviralen Syndrom, d. h. das Virus vermehrt sich .. Abb. 16.8  Schematische Darstellung des HI-Virus. HIV besitzt eine Hülle
zunächst sehr stark und breitet sich im Körper aus. Während aus der Membran der Wirts­zelle. Darunter befindet sich die eigentliche Virus-
dieser Phase erfolgt ein starker Abfall der CD4+-TH-Zellen, die hülle, das envelope aus Matrixproteinen, welche den Kern (core) umschließt,
der die +Strang-Virus-RNA mit den Enzymen für die Umschreibung in die
das HI-Virus primär befällt, und der Patient hat Anzeichen einer
DNA (RT) und die Integration ins Wirtsgenom (IN) enthält. Die Viruspro-
starken Infektion mit Fieber, Gelenkschmerzen und ausgepräg- teine sind mit den Zusätzen p für Protein und gp für Glykoprotein sowie
ten Lymphknotenschwellungen, weshalb HIV auch ursprüng- einer Zahl, die ihrem Molekulargewicht in Kilodalton ent­spricht, benannt.
lich als Lymphadenopathievirus (LAV) beschrieben wurde. Die Dargestellt sind die strukturell und für die Primärinfektion wichtigen Proteine
akute Phase ist durch eine hohe Viruslast (Anzahl der Kopien und Strukturen. Daneben gibt es noch weitere Genprodukte, die für die
Immunmodulation entscheidend sind. (Verändert nach Kirchner et al. 1993.)
des Virusgenoms im Blut), eine geringe Zahl an TH-Zellen und
SU = surface: Oberflächenprotein (Knob genannt), TM: Transmembranprotein,
in den ersten Tagen noch fehlenden anti-HIV-Antikörpern MA: Matrixprotein, Li = linker: Verbindungsprotein (auch CEL = core envelope
charakterisiert, weshalb man zum Nachweis den Virusdirekt- linker), CA: Capsidprotein, NC: Nucleocapsidprotein, PR: Protease, RT: Reverse
nachweis mittels PCR oder den p24-Antigentest nutzen muss. Transkriptase, IN: Integrase
Nach dieser akuten Phase, die wenige Tage bis Wochen nach der
Infektion auftritt, verhält sich das ins Genom integrierte Virus
relativ still, d. h. es repliziert sich selten und nur wenige HIV-An- Infektion mit HIV
tigene können präsentiert werden. Während dieser Latenzphase, Wie bei allen Infektionskrankheiten muss auch HIV einen
die mehrere Jahre andauern kann, ist die Viruslast gering, die Schwellenwert überschreiten, um eine Infektion hervorzurufen.
TH-Zell-Zahl normal und die anti-HIV-Antikörper sind nach- Die Erregermenge ist dabei am höchsten in Blut, Samenflüssig-
weisbar, sodass diese als Nachweis­verfahren genutzt werden. keit, Vaginalsekret und Darmschleimhaut von Infizierten, woraus
Zum Screening werden dabei HIV-ELISA verwendet, die eine sich auch die hohe sexuelle Übertragbarkeit erklärt. Aufgrund
Infektion aber nicht eindeutig nachweisen, d. h. ein positiver des zu überschreitenden Schwellenwertes führt aber nicht jeder
HIV-Test im ELISA stellt nur einen Verdachts­befund dar. Erst Kontakt zwangsläufig zu einer Infektion, sondern statistisch nur
die Bestätigung der Infektion im Western-Blot (offizieller Be- jeder 100.–1000. Kontakt. Bei einer hohen Viruslast kann es aber
stätigungstest) oder der Virusdirektnachweis stellt die definitive trotzdem beim Erstkontakt zu einer Infektion kommen, sodass
Infektion fest, sodass der Patient als HIV-positiv gilt. Heute weiß es zur Infektionsprophylaxe (z. B. Kondome) keine Alternative
man, dass HIV während dieser Latenzphase das Immunsystem gibt. Das Übertragungsrisiko von Mutter auf Kind während der
stark moduliert und sich so immer mehr ausbreitet. In der Spät- Geburt ist wesentlich höher, weshalb sich jedes 4.–5. Kind bei
phase der HIV-Infektion reaktiviert das Virus und es kommt einer natürlichen Geburt infiziert; daher ist der Kaiserschnitt hier
zu einem fortschreitenden Abfall der TH-Zellen, wodurch das die effektivste Prophylaxe. Nach einem gesicherten HIV-Kon-
Immunsystem immer schlechter wird, wie bei den T-Zell-De- takt (z. B. infizierte Mutter oder Verletzung bei Behandlung eines
fekten. Wenn das Immunsystem nicht mehr richtig funktioniert, HIV-infizierten Patienten) gibt es die Möglichkeit einer Postex-
brechen vermehrt Infektionen aus und nach einer Zeit auch die positionsprophylaxe mit einer Dreifachkombination von anti-
sogenannten AIDS-definierenden Erkrankungen, womit der Pa- retroviralen Medikamenten, die nach bisherigen Erkenntnissen
tient in das Stadium AIDS eintritt. Wichtige AIDS-definierende einen sehr guten Schutz zeigt.
Erkrankungen sind Infektionen mit Mycobakterien, insbeson- In den letzten Jahren hat man viele Erkenntnisse über die
dere atypischen Mycobakterien, Pneumocystis jiroveci-Pneumo- Coevolution von Mensch und HIV gewonnen, vor allem aus
nie (PcP, da der Erreger früher Pneumocystis carinii hieß) und langzeitexponierten Personen, die sich trotz ständigem Kontakt
das Kaposi-Sarkom. Die . Abb. 16.9 zeigt den Krankheitsverlauf mit dem HI-Virus nicht infiziert haben. . Tabelle 16.5 zeigt wich-
einer HIV-Infektion. tige genetische Faktoren, die einen erhöhten oder verminderten
234 Kapitel 16 • Immundefekte

Antikörpernachweis mittels ELISA


1 p24-Antigennachweis mittels ELISA
Virusnachweis mittels PCR
2 1100

3 700

Anzahl CD4+-TH-Zellen pro µl


105 Laborstadium 1
500
4 Laborstadium 2
Viruskopien pro ml

104

5 103
350

6 102 Laborstadium 3
200

7 101 // // 0
ca. 1–8 Wochen ca. 2–15 Jahre ca. 3–5 Jahre ca. 1 Jahr

8 akutes retro-
virales Syndrom
asymptomatische Phase
(CDC A)
symptomatische AIDS
Phase (CDC B) (CDC C)

.. Abb. 16.9  Verlauf einer HIV-Infektion. Kurz nach der Infektion mit dem HI-Virus kommt es zum akuten retroviralen Syndrom, das klinisch mehr oder min-
9 der stark ausgeprägt ist. Während dieser Phase vermehrt sich das Virus stark (rote Linie), d. h. die Viruslast steigt (Anzahl der Kopien des Virus­genoms im Blut).
Im gleichen Maße fällt die Anzahl der TH-Zellen ab (grüne Linie). Während der sehr frühen Infektion kann nur das Genom nachgewiesen werden (roter Balken)

10 und kurze Zeit später das p24-Antigen des Virus (oranger Balken). Die Antikörperproduktion (gelber Balken) setzt erst verzögert ein, sodass während der Früh-
phase ein Antikörpernachweis unsicher ist (gelb-gestrichelter Balken). Dieses sogenannte diagnostische Fenster beträgt etwa eine Woche. Das Virus geht dann
in die Latenz­phase über, während der es sich nur langsam vermehrt und die TH-Zell-Zahl normal ist, wodurch der HIV-Infizierte keine Krankheitserscheinungen

11 zeigt. Der Patient befindet sich im Stadium A (nach CDC, Center of Disease Control). Während dieser Phase kann man alle drei Test­verfahren anwenden, wobei
der Antikörpernachweis am günstigsten ist. Nach mehreren Jahren re­aktiviert dann das Virus, wobei die Länge der Latenzzeit von der genetischen Ausstat-
tung des Infizierten abhängt, d. h. umso mehr Risikogene er hat, desto schneller verschlechtert sich das Krank­heitsbild, während protektive Genvarianten den
12 Krankheitsverlauf verlangsamen. Wenn das HI-Virus reaktiviert, beginnt der Übertritt in die symptomatische Phase (Stadium CDC B), bei der die Viruslast steigt
und die Zahl der TH-Zellen abfällt. Umso stärker die TH-Zell-Zahl abfällt, desto häufiger werden Infektionen. Wenn das Immunsystem zusammenbricht, tritt der
Patient in die Phase AIDS ein (CDC C), mit den typischen AIDS-definierenden Erkrankungen. In der Spätphase von AIDS kann es dazu kommen, dass die Anti-
13 körperproduktion zusammenbricht und so ein HIV-Infizierter im Anti­körper­test wieder negativ wird (gestrichelter gelber Balken). Über die Anzahl der TH-Zellen
ist die Erkrankung zusätzlich in drei Laborstadien eingeteilt, die wichtig für den Einsatz der antiretroviralen Therapie sind

14
.. Tab. 16.5  Einfluss des Genotyps auf die HIV-Infektion

15 Genetische Variante Funktion des Genprodukts bei der HIV-Infektion Effekt der Genvariante auf die HIV-Infektion

CCR5∆32 (32 bp Deletions- CCR5 ist ein Corezeptor für HIV, Mutante zeigt vermin- Niedrigere Infektionswahrscheinlichkeit, verzögerter
16 mutante) derte Bindung Krankheitsverlauf

CCR5P1 (Promotorallel 1 von 10) CCR5 ist ein Corezeptor für HIV, Promotorallel zeigt Beschleunigter Krankheitsverlauf gegenüber den
17 höhere Expression des Rezeptors übrigen Allelen

CCR5-259A (Punktmutation) CCR5 ist ein Corezeptor für HIV, Mutante zeigt verbes- Beschleunigter Krankheitsverlauf gegenüber norma-

18 serte Bindung ler Variante

CCR5m303 (Punktmutation) CCR5 ist ein Corezeptor für HIV, Mutante zeigt vermin- Leicht verzögerter Krankheitsverlauf
derte Bindung
19 CCR2-64I (Punktmutation) CCR2 ist ein alternativer Corezeptor für HIV, Mutante Verzögerter Krankheitsverlauf
zeigt verminderte Bindung
20 SDF1-3′A CXCR4 ist ein Corezeptor für HIV und SDF-1 dessen Verzögerter Krankheitsverlauf
Ligand, Mutante blockiert den Rezeptor
21 HLA-B (Polymorphismus in Antigenpräsentation, je nach Genotyp bessere (z. B. Niedrigere Infektionswahrscheinlichkeit und
Aminosäure 97) B*57:01) oder schlechtere (z. B. B*35) Präsentation von verzögerter Krankheitsverlauf bei den protektiven

22
HIV-Antigenen Genotypen

23
16.2 • Sekundäre Immundefekte
235 16

Schutz vor der HIV-Infektion oder progressiven Krankheits-


.. Tab. 16.6 HIV-Therapie. Vereinfacht nach den Deutsch-Österreichi-
verläufen darstellen. So weiß man heute, dass HIV neben CD4, schen Leitlinien zur HIV-Therapie. Es ist nur die Viruslast als Zusatzkri-
als seinem Hauptrezeptor, verschiedene Corezeptoren benötigt, terium berücksichtigt, tatsächlich fließen auch andere Zusatzfaktoren
um die Zellen effektiv zu infizieren. Man kann anhand der Co- (z. B. Alter, Coinfektionen) mit in die Therapieentscheidung ein.
rezeptoren sogar Viren unterscheiden, die bevorzugt T-Zellen
Klinische Anzahl CD4+- Viruslast in Therapie
(T-trope Viren, binden an CXCR4) oder Monocyten/Makro- Sympto- TH-Zellen Kopien/ml
phagen (M-trope Viren, binden an CCR5) infizieren. Neben matik (Laboreinstu-
den aufgelisteten Faktoren gibt es noch viele weitere genetische (CDC-Ein- fung)
stufung)
Varianten, die möglicherweise einen Einfluss haben, dies wurde
aber jeweils bisher nur in wenigen Studien bestätigt. AIDS-defi- Egal Egal Ja
nierende
Immunmodulation durch HIV und HIV-Therapie Erkrankun-
gen (C)
Mittlerweile kennt man viele Strategien, wie das HI-Virus das
Immunsystem beeinflusst, um die Infektion und die eigene Aus- HIV-assozi- Egal Egal Ja
ierte Symp-
breitung zu fördern. Obwohl das Virus die TH-Zellen als primäres
tome (B)
Ziel hat, moduliert es auch die angeborene Immunität sehr stark.
Das HIV-Protein Tat induziert die HIV-Co­rezeptoren CCR5 und Asympto- < 200 (3) Egal Ja
matische Pa-
CXCR4 und ist gleichzeitig chemotaktisch für Monocyten, die 200–350 (2) Egal Ja
tienten (A)
ein wichtiges Reservoir für die HI-Viren darstellen. Nef regu- 350–500 (2) > 100.000 Empfehlens­
liert die Expression von MHC-I-Molekülen und CD28 herunter, wert
sodass die T-Zell-Aktivierung zur Eliminierung von HIV ver-
350–500 (2) < 100.000 Vertretbar
mindert wird. Die NK-Zellen werden nach einer anfänglichen
Aktivierung in der akuten Phase zunehmend in ihrer Funktion > 500 (1) > 100.000 Vertretbar
beeinträchtigt bis hin zur Anreicherung von anergen, CD56 > 500 (1) < 100.000 Im Allgemei-
niedrig exprimierenden NK-Zellen. nen nicht
Neben der Virusreplikation, d. h. der Virusmenge im Körper, empfohlen
tragen auch andere Faktoren zur Ausbreitung des Virus bei. Dies
sind zum einen die bereits bei der Primärinfektion wirksamen
Mechanismen, zum anderen aber weitere Eigenschaften, z. T. der die verschiedenen Wirkstoffe gleichzeitig auftreten müssen. Die
gleichen Proteine, die zu einer chronischen Aktivierung des Im- Medikamente, die zum Einsatz kommen, gehören dabei zu vier
munsystems führen, die die HIV-Vermehrung begünstigen. Tat Gruppen:
und Nef induzieren TNF-α, IL-6 und andere Cytokine, die die 1. Nucleosid-/Nucleotidanaloga, die die Reverse Transkriptase
HIV-Replikation anregen. Zudem induzieren Tat und Nef direkt hemmen,
die HIV-Replikation, indem sie die steigernde Wirkung von TNF 2. nichtnucleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren,
auf die Replikation imitieren. Von B-Zellen aufgenommenes 3. Proteaseinhibitoren, die die virusspezifischen Proteasen
Nef inhibiert in diesen den CD40-induzierten Immun­globulin­ hemmen und
klassenwechsel, was zu einer schlechteren Antikörperproduktion 4. Integraseinhibitoren, die die Virusintegration ins Genom
führt. Vpr bewirkt einen Zell­zyklus­arrest in der G2-Phase und hemmen.
eine Steigerung der HIV-Transkription, was zu einer vermehr-
ten Virus­ausschüttung führt. Die DC fördern die HIV-Infektion Heutzutage kann man zudem mit Resistenzuntersuchungen die
von T-Zellen, da diese HIV an einen Ober­flächen­rezeptor binden Medikamente spezifisch auf den Patienten abstimmen.
(DC-SIGN) und so das Virus bei einem T-Zell-Kontakt direkt an Trotz der großen Fortschritte in der HIV-Therapie ist die Er-
die TH-Zellen heranbringen, man spricht von einer trans-Infek- krankung nach wie vor, bis auf wenige Ausnahmen, unheilbar
tion. Die Infektionsrate von T-Zellen ist mit Beteiligung von DC und führt zum Tode. Weltweit sind 20 Fälle von nachgewiesenen
um ein Vielfaches höher als ohne, und die DC verbreiten so das „Heilungen“ beschrieben. Diese beruhten auf einer Knochen-
Virus im Körper. markstransplantation oder der sehr frühen und hochdosierten
In der HIV-Therapie geht es darum, die Virusreplikation zu antiviralen Therapie. Deshalb bleibt weiterhin nur die Hoffnung
vermindern und so den Zusammenbruch des Immunsystems zu auf die Entwicklung eines wirksam schützenden Impfstoffes. Bis-
verhindern. Die niedrige Virusproduktion in den DC, und damit her sind jedoch alle Bemühungen einer Impfstoffentwicklung
die trans-Infektion, lässt sich dabei nur schwer beeinflussen, so- gescheitert. Das beste, je erreichte Ziel war kürzlich die Kom-
dass die HIV-Infektion erst bei stark abfallender T-Zell-Zahl oder bination von zwei allein unwirksamen Impfstoffen, die in der
klinischer Symptomatik (eingestuft nach den Kriterien vom Cen- Kombination das Infektionsrisiko um 30 % senkten und somit
ter for Disease Control, CDC) therapiert wird (. Tab. 16.6). Die zwar ein wissenschaftlicher Erfolg sind, aber keinen wirksamen
Standardtherapie ist dabei die HAART (hoch aktive antiretrovirale Schutz darstellen. Eine neue Hoffnung gibt es seit Ende 2013 im
Therapie), die eine Kombination von verschiedenen antiretrovi- Tiermodell, wo es gelang, mit einem Cytomegalovirus-basierten
ralen Medikamenten darstellt. Der Vorteil der Kombination liegt SIV-Impfstoff in Affen eine effektive T-Zell-Immunantwort aus-
dabei in der geringeren Resistenzbildung, da Mutationen gegen zulösen und vor dem Affenimmundefizienzvirus (SIV) zu schüt-
236 Kapitel 16 • Immundefekte

den Ausschluss eines Einflusses von Lebens- und Umweltbedin-


1 .. Tab. 16.7  Wirkungsweise einiger Immuntoxine
gungen. Viele Erkenntnisse über die Immuntoxizität bestimmter
Toxine Effekte Mechanismus Verbindungen konnten so gewonnen werden. Leider sind diese
2 Benzol Leukopenie, Infek- Schädigung des
Ergebnisse manchmal nicht konsistent. Beispielsweise führt
tionen Knochenmarks, ver-
eine Exposition mit Quecksilber im Mausstamm BALB/c zur
Proliferation von Lymphocyten und einer Glomerulonephritis
3 mindertes IgG, IgA
und Komplement aufgrund von Immunkomplexen. In B10.D2-Mäusen wird eben-
Halogenierte, Infektionen, Tumore Atrophie des Thymus,
falls Lymphocytenproliferation beobachtet, aber es tritt nur eine
4 aromatische Koh- verminderte zellver- schwache Glomerulonephritis auf. In DBA/2-Mäusen sind beide
lenwasserstoffe mittelte Immunität Immunparameter unbeeinflusst vom Quecksilber. Die beschrie-
5 Immunsuppressiva Infektionen, Tumore Immunsuppression benen Reaktionen der drei Mausstämme spiegeln die möglichen
ohne Spezifität für Auswirkungen in verschiedenen Menschen wider, die genetisch
die allogene Immun- nicht identisch sind. Somit hängt die Wirkung von vielen im-
6 reaktion munologischen Parametern ab und ist für den Einzelnen nicht
Penicillin-Anti- anaphylaktische Sensibilisierung nach immer vorhersagbar.
7 biotika Reaktion Bindung des Haptens
oder eines Metaboli-
ten an Protein-Carrier Verminderte Immunreaktionen
8 Polycyclische Infektionen, Tumore Immunsuppressiv für
aromatische Koh- B- und TH-Zellen Der unerwünschte Einfluss von Medikamenten auf das Immun-
9 lenwasserstoffe
system wurde mit dem Aufkommen der Nierentransplantatio-
Röntgenkontrast- Anaphylaktoide Aktivierung des Kom- nen in den 1960er-Jahren zum ersten Mal deutlich sichtbar. Die
10
mittel, Liposomen Hypersensibilität plementsystems notwendige immunsupprimierende Therapie führte zu erhöhter
Schwermetalle Immunsuppression Inhibition von Lym- Infektionsneigung und dem Auftreten von lymphoproliferativen
Glomerulonephritis phocytenprolifera- Erkrankungen. Von da an war klar, dass durch manche Stoffe die
11 tion und -funktion
Funktion des Immunsystems soweit vermindert werden kann,
Bildung von Autoan-
tikörpern
dass es zu Infektionen oder malignen Erkrankungen kommen
12 kann.

zen. Ob es gelingt, diesen Ansatz auf das HIV zu übertragen, ist Infektionen
13 noch offen. Immunsuppressive Medikamente, die gegeben werden müssen,
um die Abstoßung eines Allotransplantats zu verhindern, führen
14 nicht nur zu einer Unterdrückung der allogenen Immunantwort
16.3 Immuntoxikologie gegen das Transplantat, sondern auch zu häufigeren und schwe-
15 reren Infektionen mit Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten.
Die Immuntoxikologie untersucht einen Spezialfall sekundärer Ähnliche Effekte haben auch Corticosteroide, wie sie bei der Be-
Immundefekte, nämlich Modulation des Immunsystems durch handlung von Asthma eingesetzt werden, oder eine anti-Tumor-
16 toxische Substanzen. Dabei kann es sich um den Einfluss klas- nekrosefaktor-α(TNF-α)-Therapie bei Autoimmunerkrankungen
sischer Gifftstoffe wie Schwermetalle, organische Kohlenwasser- (▶ Kap. 17).
17 stoffverbindungen und biologische Toxine handeln, aber auch Nicht nur Medikamente können die Funktion des Immun-
um Nebenwirkungen von Medikamenten (. Tab. 16.7). Durch systems stören. Immuntoxische Schwermetalle, in der Haupt-
die Interaktion immuntoxischer Agenzien mit dem Immunsys- sache Quecksilber, Cadmium und Blei, verursachen ebenfalls
18 tem kommt es entweder zu einer Immunsuppression oder aber eine erhöhte Neigung zu Infektionen mit verschiedenen Viren
zu einer übersteigerten oder fehlgeleiteten Immunantwort, z. B. und Bakterien. Zahlreiche Auswirkungen dieser Metalle auf die
19 in Form von Hypersensitivität oder einer Autoimmunreaktion. Leukocytenfunktion wurden beschrieben, aber ein einheitlicher
Bei starken Immuntoxinen mit definierter Exposition lässt Mechanismus wurde noch nicht identifiziert.
20 sich eine immuntoxische Wirkung üblicherweise klar nach- Eine Reihe von organisch-chemischen Verbindungen füh-
weisen. Schwieriger ist es, einen Bezug herzustellen zwischen ren zu erhöhter Infektionsneigung, indem sie auf die zelluläre
Substanzen, die sich über längere Zeit im Körper anreichern, Immunität einwirken. Zu den polyhalogenierten aromatischen
21 und ihren möglichen immunologischen Effekten. Außerdem Kohlenwasserstoffen gehören unter anderem die polychlo-
werden dabei häufig Prozesse beeinflusst, die auch in Abwe- rierten Biphenyle (PCB) und Dioxine, wie das Seveso-Dioxin
22 senheit immuntoxischer Agenzien auftreten, wie Allergien, 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin (TCDD). Eine Vergiftung
Atherosklerose und Typ-1-Diabetes. Eine sichere Korrelation mit diesen Substanzen verursacht Atrophie der Lymphorgane,
zwischen Toxin und Wirkung herzustellen ist dabei in vielen die mit Immunsuppression einhergeht. Ganz ähnlich wirkt auch
23 Fällen problematisch. Benzol, das Knochenmarkhypoplasie und Leukopenie mit ei-
Experimente in Tiermodellen erlauben die kontrollierte Ex- nem Mangel an allen hämatopoetischen Zelltypen verursachen
position unter Laborbedingungen und dadurch den weitgehen- kann.
16.3 • Immuntoxikologie
237 16
Tumorbildung Fremd-Proteinen im Organismus vorhanden ist. Die Bindung
Empfänger von Organtransplantationen haben ein 4- bis 500- an eines dieser Proteine hätte, im Gegensatz zu körpereigenen
fach höheres Risiko für Krebserkrankungen, insbesondere mit Proteinen, hohes immunogenes Potenzial, da die T-Zell-Hilfe
dem Kaposi-Sarkom, Lymphomen und Hautkrebs. Die erhöhte nicht durch Selbst-Toleranz behindert ist. Zum anderen führt
Tumorrate basiert nicht in erster Linie auf einer Unterdrückung die Anwesenheit von Liganden der Rezeptoren für Pathogen-
der Mechanismen des Immunsystems zur Tumorabwehr. Statt- bestandteile, beispielsweise der Toll-ähnlichen Rezeptoren, zu
dessen ist eine Hemmung der antiviralen Immunität ausschlag- einer Aktivierung von professionellen antigenpräsentierenden
gebend. Verminderte Immunfunktion führt zu einer Reakti- Zellen, mit verstärkter Präsentation von Antigenen und costi-
vierung von ruhenden Viruserkrankungen wie dem Humanen mulierenden Molekülen. Die Bedingungen sind damit ideal für
Herpesvirus Typ 8, dem Auslöser des Kaposi-Sarkoms. Auch das eine effektive Immunisierung.
Epstein-Barr-Virus, mit dem über 90 % der erwachsenen Bevöl- Zusätzlich zu den medikamenteninduzierten Allergien gibt
kerung infiziert sind, kann sich in Personen mit verminderter es noch die Gruppe der anaphylaktoiden Hypersensitiviätsre-
Immunität wieder unkontrolliert vermehren und B-Zellen infi- aktionen oder auch Pseudoallergien. Die Symptomatik ähnelt
zieren. Dies kann zum Burkitt-Lymphom und anderen lympho- dabei der einer Allergie vom Soforttyp, aber es tritt keine Sensi-
proliferativen Erkrankungen führen. bilisierung auf und kommt nicht zur Bildung von IgE gegen das
Eine Reaktivierung tumorverursachender Viren ist nicht der auslösende Toxin. Daher kann diese Reaktion, im Gegensatz zu
einzige Mechanismus, durch den Immunsuppression zur Entste- einer konventionellen Allergie, auch bereits beim Erstkontakt
hung maligner Erkrankungen beiträgt. In Nagetieren wurde ge- auftreten. Ein weiterer Unterschied ist, dass die pseudoallergi-
zeigt, dass TCDD die Bekämpfung transplantierter Tumorzellen schen Reaktionen bei wiederholter Exposition abschwächen,
vermindert, also einen direkten Einfluss auf die Tumorabwehr anstatt an Stärke zunehmen, da es sich nicht um eine „gelernte“
des Immunsystems hat. Dies gilt möglicherweise auch für polycy- Reaktion des adaptiven Immunsystems handelt.
clische aromatische Kohlenwasserstoffe, die bei der Verbrennung Häufige Auslöser für Pseudoallergien sind Röntgenkont-
fossiler Energieträger oder Tabak entstehen. Diese Substanzen, rastmittel oder Liposomen, die eingesetzt werden, um in ihrem
oder ihre Metaboliten, sind in der Lage, durch Erbgutschäden Innern die Wirkstoffe bestimmter Medikamente durch den Kör-
die Entstehung von malignen Entartungen zu fördern. Interes- per zu transportieren. Der auslösende Mechanismus ist für beide
santerweise sind die meisten der carcinogenen Vertreter dieser Substanzklassen relativ gut untersucht und verläuft unter Betei-
Substanzklasse auch gleichzeitig immunsuppressiv. Möglicher- ligung des Komplementsystems über den klassischen und den
weise trägt auch hier die Inaktivierung der Immunabwehr zur alterativen Weg. Die bei der Komplementaktivität entstehenden
Ausbreitung von Tumoren bei. Anaphylatoxine wie C3a und C5a sind in der Lage, Mastzellen
und Basophile durch entsprechende Oberflächenrezeptoren zu
aktivieren. Dadurch wird die Freisetzung der gleichen Mediato-
Gesteigerte Immunreaktionen ren ausgelöst wie bei der Typ-1-Allergie, sodass es trotz einer un-
terschiedlichen Ursache zu sehr ähnlichen Symptomen kommt.
Hypersensitivität und Allergie Nicht immer werden Hypersensitivitätsreaktionen sofort
Auch wenn die Zahlen verschiedener Untersuchungen unterei- ausgelöst, teilweise können die immuntoxischen Einflüsse be-
nander stark abweichen, kann davon ausgegangen werden, dass reits Jahre zurückliegen. Ein Beispiel sind prä- oder perinatale
Antibiotika aus der Gruppe der Penicilline die häufigste Ursache Belastungen. Es gibt Hinweise, dass die Entwicklung des Immun-
für eine Medikamentenallergie darstellen. Die IgE-vermittelte systems bereits in utero beeinflusst werden kann und dass der
Allergie vom Soforttyp ist dabei die vorherrschende Variante, pränatale Kontakt mit Ethanol, Schwermetallen, Tabakrauch und
bei der es zu einer systemischen Reaktion mit Juckreiz, Urtikaria halogenierten Kohlenwasserstoffen in bestimmten Entwicklungs-
und in einigen Fällen zum anaphylaktischen Schock kommen stadien die Reifung und Ansiedelung monocytärer Zellen, DCs
kann. Seltener treten auch allergische Reaktionen der anderen und T-Zellen in peripheren Geweben beeinflussen kann. Epide-
drei Allergietypen auf. miologisch belegt ist zum Beispiel, dass Kinder, deren Mütter
Immunologisch ist eine allergische Sensibilisierung gegen während der Schwangerschaft Tabakrauch ausgesetzt waren, im
Penicilline eigentlich nicht zu erwarten, da es sich um ein Hapten späteren Leben eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, an aller-
handelt, das ohne einen Protein-Carrier vorliegt. Damit fehlt eine gischem Asthma zu erkranken.
essenzielle Voraussetzung für die Produktion von IgE und IgG.
Die Bildung T-Zell-abhängiger Antikörper gegen Penicilline, wie Autoimmunität
auch gegen eine Reihe anderer niedermolekularer Substanzen, Ähnlich wie die Medikamente zur Immunsuppression haben
kann durch ihren Metabolismus im menschlichen Körper erklärt auch immunstimulierende Medikamente das Potenzial für
werden. In dessen Verlauf kommt es zur Bildung reaktiver Ab- unspezifische Nebenwirkungen. Autoimmunerkrankungen tre-
bauprodukte, die dann an Proteine binden. Erst danach ist eine ten beispielsweise häufiger auf, wenn Patienten mit Cytokinen
Sensibilisierung mit T-Zell-Hilfe möglich. wie IFN-α und IL-2 behandelt werden. Auch Goldverbindungen,
Zusätzlich zu ihren metabolischen Eigenschaften gibt es noch die als Immunmodulatoren bei der rheumatoiden Arthritis ein-
einen zweiten Grund für das relativ häufige Auftreten von Aller- gesetzt werden, führen in einigen Fällen zu Nierenschädigung
gien gegen Penicilline. Antibiotika werden im Rahmen einer In- aufgrund der Ablagerung von Immunkomplexen mit der daraus
fektion verabreicht, bei der naturgemäß eine größere Menge von folgenden Aktivierung des klassischen Komplementweges.
238 Kapitel 16 • Immundefekte

Obwohl, wie oben erwähnt, viele andere Schwermetalle im-


1 munsuppressiv wirken, haben sie offenbar bei entsprechender
genetischer Veranlagung und Dosis auch eine immunstimulie-
2 rende Wirkung. Effekte wie die Bildung proinflammatorischer
Cytokine oder die Entstehung von Autoantikörpern gegen DNA
und daraus folgende Glomerulonephritis wurden auch bei einer
3 Reihe von Schwermetallen, allen voran Quecksilber, beobachtet.

4
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20
21
22
23
239 17

Immundiagnostik
und Immuntherapie
Lothar Rink

17.1 Immundiagnostik – 240
17.2 Immuntherapie – 249
Literatur – 254

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
240 Kapitel 17  •  Immundiagnostik und Immuntherapie

In den vorherigen Kapiteln hat man gesehen, dass das Immun- 17.1 Immundiagnostik
1 system ein kompliziertes Netzwerk aus interagierenden Zellen
und löslichen Faktoren ist, die gezielt zusammenwirken müssen, Die Immundiagnostik dient dem Aufspüren von primären und
2 um eine effektive Immunantwort aufzubauen. Genau in dieser sekundären Immundefekten, Autoimmunkrankheiten und All-
Komplexität liegt die Problematik der Immun­diagnostik (▶ Ex- ergien sowie der Differenzialdiagnose bei verschiedenen Krank-
kurs 17.1) und -therapie, denn es genügt nicht das einfache Zäh- heitsbildern.
3 len der Leukocyten, um die Funktion zu bestimmen, und eine
Therapie wirkt sich immer an mehreren Stellen in diesem Netz­
4 werk aus. So bekommt man bei der Therapie neben der gewoll- Diagnose von Immundefekten
ten Wirkung häufig ein unerwünschtes Problem dazu. Deshalb
5 stehen neben den quantitativen Testverfahren auch funktionelle Die Immundefektdiagnostik sollte stets gezielt und nach den
Testverfahren zur Verfügung, um die Immunkapazität richtig zu Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Immundefekte durch-
bestimmen. In der Therapie muss man meistens eine Gratwande- geführt werden. Des Weiteren führt man zunächst kostengüns-
6 rung zwischen Wirkung und Nebenwirkung machen. tige quantitative Messungen durch, bevor man die teuren und

7 Exkurs 17.1: Die Zukunft der immunologischen Diagnostik  |       | 

8 Die Zellen des Immunsystems sind sehr emp-


findliche und hochspezialisierte Sensoren für
Biomarker gar nicht gebildet werden können.
Momentan kennen wir über 200 verschiedene
Immunzellen auf Spezialoberflächen „festhal-
ten“ und damit eine schrittweise phänotypi-
verschiedenste, unsere Gesundheit bedro- Immundefekte. Es handelt sich um seltene Er- sche und funktionelle Diagnostik (Marker für

9 hende Gefahren. Dazu gehören Infektionen,


Allergien, Autoimmunerkrankungen und auch
krankungen, mit jeweils variablen individuellen
Ausprägungen – eine Situation, die eine valide
Marker) erlauben. Dadurch könnten komplexe
Diagnostikfahrpläne in Zukunft vollautomati-
Krebserkrankungen. Jede dieser Erkrankungen Diagnostik oft noch sehr erschwert. Bereits aus siert mit kleinsten Probenmengen abgearbei-
10 hinterlässt einen relativ typischen „Fußab-
druck“ im Immunsystem. In der immunologi-
diesen Überlegungen heraus wird deutlich,
dass die Entwicklung neuer Methoden für
tet werden.
Nicht zuletzt müssen wir aber auch für einen
schen Diagnostik versuchen wir, diese, auch die Diagnostik von Immundefekten oder der fairen, weltweiten Zugang zu diesem Fort-
11 als Biomarker bezeichneten Fußabdrücke
auf und in den Zellen oder in verschiedenen
anderer Erkrankungen, wie Infektionen oder
Krebs, ein komplexer Prozess ist und damit
schritt in der Diagnostik sorgen. Das Internet
wird in Zukunft einen solchen Zugang zu den
Körperflüssigkeiten wie dem Liquor oder eine große Heraus­forderung darstellt. Die angesprochen Diagnostic-Support-Systemen
12 Blut zu messen. Wenn wir beispielsweise folgenden Schritte illustrieren beispielhaft ermöglichen, aber der Einsatz moderner
Antikörper gegen ein bestimmtes Virus im einen theoretischen Ideal­prozess der Zukunft, Diagnostikgeräte ist momentan in der Dritten
Blut nachweisen können, spricht dies für eine der insbesondere den massiven Einsatz von Welt eher limitiert. Es ist ein erklärtes Ziel der
13 aktuell stattfindende (IgM-Nachweis) oder Informatik und die Neu­entwicklungen von „Millennium Development Goals“ der Verein-
gerade abgelaufene (IgG-Nachweis) Infektion Diagnostikgeräten erfordert: In einem ersten ten Nationen, einen erleichterten Zugang zu
mit diesem Virus und zeigt, dass unsere Schritt muss gewährleistet werden, dass das robusten Diagnostikmethoden, beispielsweise
14 B-Lymphocyten richtig reagiert haben und immense, bereits existierende Wissen über zur HIV-Diagnostik in Afrika, zu ermöglichen.
spezifische Antikörper produzieren. Wir nutzen Biomarker in Krankheitsprozessen automati- Die Entwicklung von erschwinglichen und
bereits eine ganze Reihe solcher Biomarker in siert erfasst, validiert und für alle zugänglich auch unter widrigen Umweltbedingungen ein-
15 der Routinediagnostik, ihr Potenzial ist aber gemacht wird. Das Internet, insbesondere setzbaren Diagnostikverfahren gehört sicher
bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. das von seinem Erfinder Sir Tim Berners-Lee zu den größten medizinisch-diagnostischen

16 Wohin könnte sich die immunologische
Diagnostik also in den nächsten Jahrzehnten
vorgedachte und auf Ontologien basierende
semantische Netz („Netz des Wissens“) ist dafür
Herausforderungen der Zukunft (  www.
cytometryforlife.org).
entwickeln? Eine Herausforderung des vor bestens geeignet. Darauf aufsetzend müssen

17 uns liegenden Jahrhunderts ist die Entwick-


lung einer evidenzbasierten, präventiven und
„Diagnostic-Support-Systems“ entwickelt wer-
den. Solche Systeme sollen dem Arzt helfen,
personalisierten Diagnostik. Dahinter verbirgt individuelle Patientendaten mit diesem kom-
18 sich die Idee, dass wir in Zukunft diagnostische
Methoden einsetzen wollen, die durch um-
plexen Wissen abzugleichen und einen auf den
Patienten zugeschnittenen Diagnostikfahrplan
fangreiche Studien validiert wurden und uns zu erstellen. Prototypen wie der „Phenomi-
19 bereits vor dem Ausbruch von Krankheitssymp-
tomen das Vorliegen einer Krankheit anzeigen
zer“ existieren bereits, haben aber noch viele
„Kinderkrankheiten“. Vor dem Hintergrund des
können. Dabei soll die Methode aber auch auf weiterhin stark ansteigenden Wissensschatzes
20 das jeweilige Individuum zugeschnitten sein. werden wir auf den Einsatz solcher Systeme in
Denn je nach Genom, Epigenom (zusätzliche Zukunft nicht verzichten können, wenn wir die
Modifikation des Genoms, die die Expression Fortschritte der Forschung für möglichst viele
21 von Genen beeinflusst) und Umwelteinflüssen Patienten zugänglich machen wollen.
reagiert jeder Mensch unterschiedlich auf die Als Zweites müssen automatisierte Analyse-
einzelnen Krankheitserreger und antwortet auf methoden entwickelt werden, die möglichst
22 erkannte Gefahren mit der Produktion eines probenerhaltend arbeiten und damit eine Dr. med.  Christian Hennig
individuellen Sets an Biomarkern. Extrem­ große Anzahl verschiedenster Biomarker Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und
formen dieser Individualität/Variabilität sind pro Probe analysieren können. So könnten Neonatologie
23 die angeborenen und erworbenen Immunde- beispielsweise in Zukunft Diagnostikautoma- Jeffrey-Modell-Zentrum für angeborene
fekte, bei denen bestimmte Funktionen des ▶
ten auf Basis von Chip-Cytometern (  www. Immundefekte
Immunsystems ausfallen und daher einzelne chipcytometry.com) entwickelt werden, die Medizinische Hochschule Hannover
17.1 • Immundiagnostik
241 17

Erwachsene, Kinder
starke Infektionsanfälligkeit mit HIV+ Eltern
nein HIV?
ja
physik erenzialblutbild Neutropenie

Lymphopenie kl erenzialblutbildfärbung

keine Neutropenie,
Neutropenie
unreife Neutrophile
Lymphocytenphänotypisierung

Bestimmung der
Immunglobuline erenzierung
T-Zell- B-Zell-
Mangel Mangel - sek. Neutropenie
(z. B. Medikamente)
AMS kein AMS Abklärung - angeb. Neutropenie
ne - Infektion - cycl. Neutropenie
Ausschluss eines sek. in
Bestimmung der - hämatologische - autoimmune
(z. B. Medikamente) oder
Immunglobuline IgG-Subklassendefekt? Erkrankung Neutropenie
passageren Defektes
ja

AMS funktionelle Tests


T-Zell- B-Zell-
Mangel Mangel je nach Vorbefunden
- Komplementfunktion (CH50, AP50)
wiederholt AMS - Phagocytose- und burst-Test
Erwachsener Säugling - T-Zell-Proliferation
- Cytokinproduktion
- in vitro-Immunglobulinsynthese
CVID THI - NK-Zell-Funktion

Therapie mit IVIG


und Antibiotika Therapie mit IVIG Therapie mit Antibiotika Therapie mit Anti- entsprechen- Therapie gemäß
bis zur KMT/SZT und ggf. Antibiotika und ggf. IVIG bei Bedarf biotika und ggf. IVIG de Therapie Leitlinien

.. Abb. 17.1  Verlaufsdiagramm der Immundefektdiagnostik. Die Indikation der Immundefektdiagnostik erfolgt aufgrund der klinischen Symptomatik. Die
Abbildung suggeriert, dass häufige Infektionen immer einen manifesten Immundefekt zur Grundlage haben, tatsächlich wird die Diagnostik jeweils abgebro-
chen, wenn sich kein auffälliger Befund ergibt. Man muss auch berücksichtigen, dass es sich um sekundäre Immundefekte handeln kann, die im Schema nur
z. T. berücksichtigt sind. Neben den quantitativen Messungen sind häufig Funktionstests zur Bestimmung von funktionellen Defekten not­wendig. AMS = Anti-
körpermangelsyndrom, CVID = allgemeiner variabler Immundefekt, IVIG = intra­venöse Immunglobuline, KMT/SZT = Knochenmark-/Stammzelltransplantation,
THI = transiente Hypo­gammaglobulinämie des Kleinkindes

aufwendigen funktionellen Tests einsetzt. Die Diagnostik erfolgt müssen hingegen mittels ELISA (enzyme-linked immunosorbent
dabei nur bei einem Verdacht auf einen Immundefekt aufgrund assay) bestimmt werden (. Abb. 17.2). ELISA bzw. dessen Ab-
klinischer Auffälligkeiten (. Tab. 16.2) oder einer entsprechen- wandlungen (z. B. EIA, enzyme immuno assay) basieren auf dem
den Familienanamnese. Die meisten Menschen vergessen da- Nachweis von Antigenen bzw. Antikörpern mittels enzymgekop-
bei heutzutage, dass Infektionen ein häufiges Ereignis sind und pelter Antikörper bzw. Antigenen. Statt Enzymen zum Nachweis
halten bereits einige Infektionen im Jahr für auffällig. Ein Ver- werden z. T. auch radioaktive Markierungen verwendend, man
laufsdiagramm der Immundefektdiagnostik mit einem generel- spricht dann von einem RIA (radio immuno assay). Der RIA wird
len Herantasten an die Ursachen einer Infektanfälligkeit ist in heute vor allem beim Nachweis niedermolekularer Substanzen
. Abb. 17.1 gezeigt. verwendet. Diese Tests sind in der Regel hoch standardisiert und
haben eine minimale Fehlerquote. Dies ist schon anders bei der
Quantitative Messverfahren quantitativen Bestimmung von spezifischen Antikörpern gegen
Zur quantitativen Bestimmung von Antikörpern der Klassen bestimmte Antigene oder Allergene. Hier gibt es zum einen das
IgG, IgA und IgM verwendet man die Nephelometrie und Tur- Problem der Kreuzreaktivität, d. h. Antikörper, die eine Bindung
bidimetrie. Beide photometrischen Verfahren beruhen auf dem an ein ähnliches Antigen, wenn auch mit geringerer Affinität,
Nachweis von Immunkomplexen in Lösung. Die Nephelometrie zeigen. Aus diesem Grund wird eine HIV-Infektion nach dem
bestimmt dabei das Streulicht, das durch die Immunkomplexe ELISA immer mit dem Western-Blot bestätigt, da es z. B. Kreuz-
entsteht, während die Turbidimetrie das ungestreute „Restlicht“ reaktivitäten zwischen anti-HIV-Antikörpern gegen gp120 und
misst. Aufgrund der einfachen Messung sind die Nachweise sehr anti-HLA-D-Antikörpern gibt, die bei einigen Autoimmun-
konstengünstig und sollten deshalb immer als Eingangsdiagnos- krankheiten und nach Schwangerschaften vorkommen. In der
tik bei dem Verdacht auf einen Immundefekt durchgeführt wer- Serologie, d. h. dem Nachweis von Infektionen über Antikörper,
den. Die IgG-Subklassen, IgE, antigenspezifische Antikörper und gibt es aber noch weitere generelle Probleme von falsch positiven
weitere immunologische Faktoren, wie z. B. Komplementfaktoren Ergebnissen. Gammopathien, d. h. B- oder Plasmazellentartun-
242 Kapitel 17  •  Immundiagnostik und Immuntherapie

1 Antigennachweise Antikörpernachweise

Sandwich-ELISA kompetitiver ELISA ELISA Capture-ELISA

2
3
4
5 .. Abb. 17.2  ELISA-Verfahren. Bei den ELISA- bzw. antikörperbasierten Testverfahren kann man zwischen Antigen- und Antikörpernachweisen unterscheiden.
Antigennachweise können für fast alle Substanzen angewendet werden, weshalb diese Technologie auch eine sehr breite Anwendung hat und ein Standard-
6 verfahren (z. B. Schwangerschaftstests) geworden ist. Für die meisten Antigene verwendet man das sogenannte Sandwich-Verfahren, bei dem das Antigen von
zwei Antikörpern erkannt wird, wovon einer an der Mikrotiterplatte oder einer anderen festen Matrix gebunden ist (Capture-Antibody, Fänger-Antikörper). Bei
den meisten modernen kommerziellen Tests sind dies wirklich zwei Antikörper, bei denen dann der zweite Antikörper (Sekundär- oder Nachweisantikörper,
7 Detection-Antibody) direkt enzymmarkiert ist. Die enzymmarkierten Antikörper werden auch als Konjugat bezeichnet. Teilweise werden die Antikörper auch
mit Biotin gekoppelt, sodass man ein einheitliches Konjugat aus einem Strepavidin-Enzym-Komplex verwenden kann. Es können aber auch mehrere Antikör-
per sein, wenn z. B. der zweite Antikörper nicht direkt mit dem Enzym gekoppelt ist, sondern erst mit einem weiteren enzymgekoppelten Antikörper (tertiärer
8 Antikörper) nachgewiesen wird. Im Sandwich-ELISA ist die Enzymmenge und damit am Ende der Substratumsatz immer direkt proportional zur Antigenmen-
ge. Voraussetzung für diese Sandwich-Verfahren ist, dass es zwei unterschiedliche Epitope auf dem Antigen gibt, also zwei verschiedene Strukturen, an die
Antikörper binden können. Mit Einschränkungen funktioniert es auch, wenn ein Epitop mehrfach auf dem Antigen vorkommt.
9 Niedermolekulare Substanzen sind so klein, dass meistens kein zweites Epitop vorhanden ist, sodass das Sandwich-Verfahren nicht anwendbar ist. Hierfür gibt
es das kompetitive Nachweisverfahren. Dazu braucht man nur ein Epitop, das vom Capture-Antibody erkannt wird. Da die Antigen-Antikörper-Reaktion dem
Massenwirkungsgesetz unterliegt und nicht kovalent ist, ist die Bindung des Antigens nicht starr. Gibt man jetzt dasselbe Antigen in einer markierten Form
10 hinzu, so stellt sich ein Gleichgewicht zwischen markiertem und unmarkiertem Antigen ein, d. h. die von den Antikörpern gebundenen markierten Antigene
entsprechen genau deren prozentualem Anteil im Verhältnis zum unmarkierten Antigen. Hier verhält sich jetzt das Messergebnis umgekehrt proportional zur

11 Antigenmenge, da bei einer großen unmarkierten Antigenmenge, die Menge des gebundenen markierten Antigens abnimmt und damit der Substratumsatz
bzw. die Menge an radioaktiver Substanz. Tatsächlich werden die meisten kompetitiven ELISA mit einer radioaktiven Markierung der Antigene durchgeführt,
da diese das Antigen am wenigsten modifizieren und so deren Bindungseigenschaften gegenüber den unmarkierten Antigenen nicht verändern. Bei einer

12 Kopplung mit relativ großen Enzymen ist dies nicht immer möglich.
Antikörpernachweise verwendet man zur serologischen Testung auf Infektionen bzw. zum Nachweis von Impftitern. Beim klassischen ELISA-Verfahren (z. B. HIV-
Test) werden dabei Antigene des Erregers an die Mikrotiterplatte gekoppelt. Sind im Serum des Patienten Antikörper gegen diesen Erreger vorhanden, so binden
13 diese an die Antigene und können über einen enzymgekoppelten Sekundärantikörper nachgewiesen werden. Die Sekundärantikörper können dabei auch spezi-
fisch für bestimmte Antikörperklassen sein, also z. B. nur IgG oder IgA nachweisen, je nachdem, welche Antikörper einen protektiven Schutz bieten.
Da es beim Infektionsnachweis immer wichtig ist, dass man auch IgM-Antikörper nachweist, um zu sehen, ob es sich um eine akute oder chronische Infektion
14 ▶
handelt (  Kap. 8), hat der normale ELISA einen Nachteil. Hochtitrige IgG-Antikörper, die aufgrund der Affinitätsreifung eine höhere Affinität zum Antigen haben,
können die niedrigaffinen IgM-Antikörper von den Antigenbindungsstellen verdrängen, wodurch die Befunde für IgM falsch negativ würden. Um dies auszu-
schließen, gibt es den Capture-ELISA. Bei diesem bindet man zunächst das IgM aus dem zu testenden Serum über einen Anti-IgM-Antikörper an die Mikrotiter-
15 platte. Um nachzuweisen, ob unter den IgM-Antikörpern auch erreger­spezifische IgM-Antikörper sind, setzt man dann ein markiertes/enzymgekoppeltes Antigen
ein. Somit kann es keine Verdrängung mehr über hochtitriges IgG geben, da dieses nach der Bindung von IgM an die Mikrotiterplatte herausgewaschen wird

16 gen, können hochtitrige Antikörper bilden, die falsch positive ferenzialblutbild erstellt. Ein Differenzialblutbild, auch großes
Ergebnisse liefern. Blutbild genannt, soll eigentlich eine Subtypisierung der Leu-
17 Des Weiteren können bei mehrstufigen Testverfahren soge- kocyten beinhalten, während das kleine Blutbild nur Leukocyten
nannte HAMA (human anti-mouse antibodies) und HAIA (hetero- von Erythrocyten und Thrombocyten unterscheidet. Im kleinen
philic anti-immunoglobulin antibodies) zu falschen Ergebnissen Blutbild sieht man eigentlich nur Veränderungen der neutrophi-
18 führen, da diese mit den Nachweisantikörpern direkt reagieren len Granulocyten, als Leukopenie (< 4000 Leukocyten/μl) oder
und nicht an das Antigen binden. Die HAMA beruhen auf einem Leukocytose (> 10.000 Leukocyten/μl), da diese den Hauptan-
19 vorherigen Kontakt mit Mausantikörpern im Rahmen einer The- teil der Leukocyten stellen. Daneben kann eine Abnahme der
rapie. Die HAIA kommen bei jedem Erwachsenen vor und wer- Erythrocyten oder des Hämoglobingehaltes (Anämie) erkannt
20 den durch tierische Antikörper in der Nahrung (z. B. Kuhmilch) werden oder ein Abfall der Thrombocyten < 150.000/μl (Throm-
induziert, sind aber z. T. auch regulatorische anti-Antikörper im bopenie). Im Normalfall funktioniert das physikalische Diffe-
Immunsystem. Letztlich gibt es auch noch Autoantikörper ge- renzialblutbild hervorragend, sodass man die genaue Anzahl von
21 gen Antikörper, die sogenannten Rheumafaktoren (RF), die zu neutrophilen, eosinophilen und basophilen Granulocyten sowie
ähnlichen falsch positiven Ergebnissen führen können. Deshalb Monocyten und Lymphocyten erhält. Hiermit kann man jetzt
22 sind die Einzelbefunde der Serologie immer als Gesamtheit zu Agranulocytose, Neutropenie, Eosinophilie und Lymphope-
betrachten, da nur dann solche falsch positiven Ergebnisse auf- nie (< 1000 Lymphocyten/μl) oder Lymphocytose (> 3600 Lym-
fallen. phocyten/μl) diagnostizieren. Die Lymphocytensubpopulationen
23 Die quantitative Bestimmung der Leukocyten ist eine Ba- können im Differenzialblutbild nicht unterschieden werden. Im
sisdiagnostik für viele Krankheiten. Aus Kostengründen wird Gegensatz zur klassischen Differenzialblutbildfärbung kann man
heute fast ausschließlich ein maschinelles, physikalisches Dif- jedoch im physikalischen Differenzialblutbild die Vorstufen der
17.1 • Immundiagnostik
243 17

Laser FSC
(Größe)

SSC
(Granularität)

FL-1
(grün)

Laser FSC
(Größe)

FL-2 SSC
(rot) (Granularität)

.. Abb. 17.3  Durchflusscytometer. Im Durchflusscytometer werden die Zellen eines Zellgemisches in einem Flüssigkeitsstrom einzeln durch eine Kapilare
gesaugt. In der Kapilare werden die Zellen mit einem Laserstrahl beschossen. Rein physikalisch entstehen dabei zwei Parameter im Laserlichtkegel. Zum einen
kann im FSC (forward scatter) über einen Photomultiplier die Lichtbeugung bestimmt werden, die proportional zur Größe der Zelle ist, und zum anderen im
SSC (side scatter) über einen Photomultiplier die Seitwärtsstreuung des Lichtes, die über optisch dichte Granula in den Zellen entsteht und proportional zur
Granularität der Zellen ist. Wurden die Zellen zuvor mit fluoreszenz­gekoppelten Antikörpern gegen spezifische Oberflächenmoleküle dieses Zelltyps markiert,
so wird über den Laserstrahl die Fluoreszenz aktiviert, sodass nur die spezifisch markierten Zellen ein Fluoreszenzsignal aussenden, wenn sie den Laserstrahl
passieren. Die Fluoreszenzsignale werden mit entsprechenden Photomultipliern detektiert, sodass man mehrere Farben und damit mehrere Eigenschaften
gleichzeitig testen kann. Die Auswahl der Fluoreszenzfarbstoffe hängt dabei von den verwendeten Lasern ab. Der Standardlaser ist der Argonlaser (blue Laser)
mit einer Wellenlänge von 488 nm. Dazu kommt häufig ein Helium-Neon-Laser (red Laser) mit einer Wellenlänge von 633 nm. Weitere verfügbare Laser sind
ultraviolett (355 nm), violett (405 nm) und yellow-green (561 nm), sodass heute ein Vielfarbenspektrum möglich ist

Granulocyten häufig nicht von Monocyten unterscheiden, so- Auf die Gesamtlymphocytenzahl wirken sich nur die T-Zellen
dass falsche Werte entstehen können. Ein typisches Beispiel ist stark aus, da diese mit ca. 70 % den Hauptanteil der Lymphocy-
eine Hypo- oder Agranulocytose im physikalischen Blutbild bei ten stellen, sodass selbst ein Totalausfall der B-Zellen, wie beim
B-Zell-Defekten. Tatsächlich liegen bei Kindern aber meist Neu- Bruton-Syndrom, keine messbare Auswirkung auf die Lympho-
trophile in ausreichender Menge vor, diese bilden sich aber in cytenzahl hat. Die Lymphocytenphänotypisierung dient der
ihren physikalischen Parametern falsch ab, sodass sie fälschli- weiteren Differenzierung der T-, B- und NK-Zellen sowie de-
cherweise den Monocyten zugerechnet werden, die dann erhöht ren Subpopulationen. Die Lymphocytenphänotypisierung sowie
erscheinen. viele andere immunologische Testverfahren werden mit dem
Worauf beruht diese falsche Zuordnung? Färbt man die Leu- Durchflusscytometer durchgeführt. Das Durchflusscytometer,
kocyten und zählt das Blutbild manuell unter dem Mikroskop auch nicht ganz korrekt FACS (fluorescent-activated cell sorting)
aus, so sieht man, dass die Neutrophilen meist stabkernige Vor- genannt, ist ein Gerät, bei dem man mit einem Laser die Leu-
läufer sind und kleiner erscheinen. Ursache dafür ist ein erhöhter kocyten in einer Kapillare durchleuchtet (. Abb. 17.3). Hierbei
Verbrauch von Granulocyten durch die gehäuften Infektionen. erhält man zunächst eine Art physikalisches Differenzialblutbild,
Ab einem gewissen Zeitpunkt werden dann unreife Granulocy- in dem die Zellen nach Größe und Granularität aufgeteilt werden
ten aus dem Knochenmark entlassen, da nicht genügend Zeit (. Abb. 17.4). Da man die Zellen zuvor mit spezifischen fluo-
zur Ausreifung war. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass Ausfälle reszenzmarkierten Antikörpern gegen die spezifischen Antigene
immer verifiziert werden müssen und dass man die Grenzen und auf den Lymphocytensubpopulationen inkubiert hat, kann der
Probleme der jeweiligen Techniken kennen muss, damit keine Laser diese Farbstoffe anregen, sodass die Zellen farbig leuch-
Fehldiagnosen entstehen. Am gewählten Beispiel sieht man ten (. Abb. 17.4). Bei den modernen Geräten kann man bis zu
auch, dass die Fehleinschätzung zu einer vollkommen falschen 15 Eigenschaften gleichzeitig bestimmen und so kleinste Subpo-
Behandlung führen würde, da der Ausfall der B-Zellen mit in- pulationen nachweisen. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Gerät
travenösen Immunglobulinen (IVIG) behandelt werden würde, in wenigen Sekunden Tausende von Zellen messen kann, was
während eine Agranu­locytose, die nicht auf G-CSF anspricht, unter dem Mikroskop nicht möglich wäre. . Tabelle 17.1 zeigt
einer Knochenmark- oder Stammzelltransplantation bedarf. spezifische Verteilungen der Lymphocytensubpopulationen bei
Wie oben erwähnt, kann man mit dem Differenzialblutbild Kindern und Erwachsenen.
die Lymphocyten nicht unterscheiden. Eine normale Lymphocy- Fallen einzelne Lymphocytensubpopulationen aufgrund
tenzahl im Differenzialblutbild ist deshalb auch keine Garantie eines angeborenen Immundefektes komplett aus, so kann man
dafür, dass alle Lymphocytensubpopulationen vorhanden sind. dies mit dieser Methode erkennen. Meistens gibt es jedoch nur
244 Kapitel 17  •  Immundiagnostik und Immuntherapie

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6 .. Abb. 17.4  D Durchflusscytometrie. a) Auf der X-Achse wird die Vorwärtsstreuung des Laserlichtes (FSC-H, forward scatter), die die Größe der Zellen misst,
dargestellt. Auf der Y-Achse wird die Seit­wärts­streuung des Laserlichtes (SSC-H, side scatter), die die Granularität der Zellen misst, dargestellt. Über diese Parame-
ter kann man die Blutprobe, in der man zuvor die Erythrocyten lysiert hat, einteilen in Zelltrümmer (schwarz), Lymphocyten (grün), Monocyten (rot) und Granu-
7 locyten (blau). b) Durch die Markierung mit fluoreszierenden Antikörpern leuchten die Zellen. Hier ist eine grüne Fluoreszenz im Mikro­skop dargestellt. c) Die
Fluoreszenzen können mit dem Durchflusscytometer automatisch gemessen und so Subpopulationen von Lymphocyten quantifiziert werden. Dargestellt ist die
Bestimmung des Anteils von CD3+/CD4+-TH-Zellen innerhalb der Lymphocyten (rechts oben). Rechts unten befinden sich die übrigen T-Zellen (CD3+/CD4−), links
8 oben andere Zellen (CD3−), die CD4 exprimieren (CD4+), und links unten Zellen, die weder CD4 noch CD3 exprimieren (z. B. B-Zellen)

9 .. Tab. 17.1 Lymphocytenphänotypisierung. Gezeigt sind die Norm- Verschiebungen zwischen den Populationen, sodass man einen
werte für die wichtigen Lymphocytenpopulationen und T-Zell-Subpo- Hinweis auf verschiedene Erkrankungen bekommt. Des Wei-
10 pulationen in der Durchflusscytometrie. Die Normwerte hängen dabei
von den verwendeten Antikörpern und den Geräten ab, sodass es bei
teren kann man die Diagnostik zur Verlaufskontrolle von ver-
schiedenen Erkrankungen nutzen. Bei der HIV-Verlaufskont-
den Normwerttabellen Abweichungen gibt.
rolle ist die absolute Anzahl von CD4+-TH-Zellen entscheidend
11 Parameter Säuglinge Kinder Kinder Erwach- (. Tab. 16.6). Die Bestimmung der Zellpopulationen kann man
bis 1 Jahr 1–6 Jahre 6–17 Jahre sene dabei nicht nur im Blut vornehmen, sondern auch im Liquor
12 17–70 Jah-
re
(Nervenwasser), der Spülflüssigkeit aus der Lunge (BAL, bron-
choalveoläre Lavage) und dem Knochenmark. Die Verteilung der
Lymphocytensubpopulationen ist dabei in jedem Probenmaterial
13 Gesamt-
leukocy-
6400–
11.000
6800–
10.000
4700–8000 4500–8000
charakteristisch. Ebenso gibt es für einige Erkrankungen cha-
ten/µl
rakteristische Veränderungen, sodass die Analyse dieser Proben
14 Lympho- 2700– 2900– 2000–2700 1500–3000 häufig eine wichtige Diagnostik für die Differenzialdiagnose ist
cyten/µl 5400 5100 (. Tab. 17.2, . Tab. 17.3 und . Abb. 17.5). Besonders wichtig ist
15 Lympho-   39–59 %   38–53 %   36–43 %   25–40 % dies bei Erkrankungen, die ein ähnliches Krankheitsbild zeigen,
cyten aber unterschiedliche Ursachen haben. Neben den Standardpa-
relativ
rametern kann man auch atypische Zellen bestimmen, wie sie bei
16 B-Zellen/µl  500–  700–  300–500  200–400 Lymphomen und Leukämien vorkommen (. Abb. 17.6).
(CD19+) 1500 1300

17 B-Zellen   19–31 %   21–28 %   12–22 %   11–16 % Funktionelle Messverfahren


relativ Den Leukocytenfunktionstests kommt in der Diagnostik von
(CD19+) Immundefekten eine besondere Bedeutung zu, da häufig nicht
18 T-Zellen/µl 1700– 1800– 1400–2000 1100–1700 die Zahl, sondern nur die Funktion der Leukocyten verändert
(CD3+) 3600 3000 ist. Des Weiteren werden diese aufwendigen Tests meist nur von
19 T-Zellen   58–67 %   62–69 %   66–76 %   67–76 % Speziallaboratorien angeboten. Hier werden die Funktionstests
relativ eines immunologischen Labors beschrieben, man sollte jedoch
20 (CD3+) bedenken, dass zunächst die Funktionalität des Immunsystems
TH-Zellen/ 1700– 1000–  700–1100  700–1100 im Patienten direkt überprüft werden sollte. Die Messung der
µl (CD3+/ 2800 1800 Antikörpermenge und der spezifischen Antikörper (z. B. Impf-
21 CD4+) titer) gibt einen Aufschluss über die Funktion der B-Zellen.
CTL/µl  800–  800–  600–900  500–900 Die Hypersensitivitätsreaktion vom verzögerten Typ (DTH,
22 (CD3+/ 1200 1500 ▶ Kap. 10) gibt einen Anhalt zur Funktion von TH-Zellen. Die
CD8+) Funktion der natürlichen Immunität lässt sich hingegen nur im
Labor testen.
23 NK-Zellen/
µl (CD16+/
Variabel Variabel Variabel  200–400
Die Komplementgesamtaktivität kann man mit der CH50
CD56+/ (Komplementhämolyse 50 %) oder CH100 bestimmen. Wie bei
CD3−)
den meisten biologischen Testverfahren nimmt man häufiger
17.1 • Immundiagnostik
245 17

.. Tab. 17.2  Leukocyten- und Lymphocytenphänotypisierung in der Bronchoalveolären Lavage (BAL). Bei der BAL wird die „Lunge“ mit einer Spülflüs-
sigkeit gespült. Gezeigt sind die Normwerte für die wichtigen Lympho­cyten­populationen und T-Zell-Subpopulationen. Die Normwerte hängen dabei
von den verwendeten Antikörpern und den Geräten ab, sodass es bei den Normwerttabellen Abweichungen gibt. Diagnostisch wichtige Veränderun-
gen sind rechts beschrieben.

Parameter Nichtraucher Rau­cher Charakteristische Veränderungen

Leukocyten Prozentuale Anteile

Monocyten/Makro­phagen > 85 > 85

Lymphocyten < 12 < 7 Erhöht bei lymphocytärer Alveolitis,


Sarkoi­dose und exogen-allergischer
Alveolitis (EAA)

Neutrophile < 3 < 3 Erhöht bei granulocytärer Alveolitis


und bakteriellen Infektionen

Eosinophile < 0,5 > 1 Erhöht bei eosinophiler Pneumonie

Lymphocyten Prozentualer Anteil der Lymphocyten

T-Zellen (CD3+)  62–78  52–77

TH-Zellen (CD3 /CD4 )


+ +
 35–70  22–40 Erhöht bei Sarkoidose

CTL (CD3 /CD8 )


+ +
 20–40  30–50 Erhöht bei EAA oder viralen Infek-
tionen

CD4/CD8-Quotient 1,1–3,5 0,5–1,5 Erhöht bei Sarkoidose

NK-Zellen (CD16+/CD56+/CD3−)   2–14   2–14 Erhöht bei EAA

Aktivierte T-Zellen(CD3+/ 0,4–7,6 0,4–7,6 Erhöht bei Sarkoidose, EAA und


HLA-DR+) viralen Infektionen

Aktivierte T-Zellen(CD3+/CD25+) 0,1–4,3 0,1–4,3 Erhöht bei bakteriellen Infektionen

.. Tab. 17.3  Lymphocytenphänotypisierung im Liquor. Der Liquor ist das „Nervenwasser“, das die Hohlräume im Gehirn und Rückenmark füllt. Gezeigt
sind die Normwerte für die wichtigen Lymphocytenpopulationen und T-Zell-Subpopulationen. Im normalen Liquor sind nur wenige Leukocyten enthal-
ten, wovon die meisten T-Zellen sind (bis ca. 3000/ml). Die Normwerte hängen dabei von den verwendeten Antikörpern und den Geräten ab, sodass es
bei den Normwerttabellen Abweichungen gibt. Diagnostisch wichtige Veränderungen sind rechts beschrieben.

Parameter Prozentualer Anteil Charakteristische Veränderungen

T-Zellen (CD3+)  83–98

TH-Zellen (CD3+/CD4+)  51–80

CTL (CD3+/CD8+)  13–35

CD4/CD8-Quotient 1,8–5,5

NK-Zellen (CD16 /CD56 /CD3 )


+ + −
  1–5 Erhöht bei Infektionen; viele CD56+/CD45−-Zellen
können ein Hinweis auf ein Neuroblastom sein

B-Zellen (CD19+)   0–3,3 Erhöht bei Infektionen

aktivierte T-Zellen (CD3+/HLA-DR+)   2–9 Erhöht bei viralen Infektionen

den halbmaximalen Wert, da dieser sich eindeutiger bestim- Die Funktion des Komplementsystems erkennt man dann an
men lässt als der Maximalwert. Bei der CH50 werden Schafs­ der Lyse der Erythrocyten durch den Membranangriffskom-
erythrocyten zunächst mit einem anti-Schafserythrocyten-An- plex (MAC, . Abb. 17.7). Die CH50 hat damit einen Vorteil
tikörper (Ambozeptor) beladen, dann wird das Patientenserum gegenüber den quantitativen Tests, da nur ein einziger Test ge-
dazugegeben. Der Immunkomplex aus Schafserythrocyten und nügt, um alle Komponenten zu testen. Eine Abwandlung des
Ambozeptor löst den klassischen Weg des Komplementsystems Testes ist der AP50 (alternative pathway 50 %) bzw. AP100, bei
aus, sodass man mit einem Test die Funktionalität aller Kompo- dem man mit gewaschenen Kaninchenerythrocyten nur den
nenten des Komplementsystems testet, da der alternative Weg alternativen Weg testet. Wichtig ist bei beiden Tests, dass die
beim klassischen Weg immer mit aktiviert wird. Einzig die ini- Kühlkette bei den Proben nicht unterbrochen wird, da sonst der
tialen Komponenten des Lektinwegs werden nicht mitgetestet. Komplementfaktor C3 über die spontane Hydrolyse (tick over)
246 Kapitel 17  •  Immundiagnostik und Immuntherapie

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9
10 .. Abb. 17.5  Bronchoalveoläre Lavage (BAL). a) Normale Zellen in
einer BAL. Die meisten Zellen in der Lungenspülflüssigkeit sind alveoläre
11 Makrophagen. Daneben kommen zu kleineren Anteilen Lympho­cyten und
Granulocyten vor. b) Große mehrkernige Riesenzellen kommen bei viralen
Infektionen vor, insbesondere bei solchen mit dem respiratorischen Syncy-
12 tialvirus (RSV), das davon auch seinen Namen hat. c) In den Makrophagen
sieht man bei starken Rauchern auch Kondensatablagerungen, d. h. „Teer“,
den die Makrophagen phagocytiert haben. In schlimmen Fällen führt dies
13 zu einer Kondensat­pneumopathie, immer jedoch zu einer Funktionsein-

schränkung (  Kap. 15)

14
abgebaut wird und einen Komplementdefekt vortäuscht. Bei über 95 %. Ausfälle wie bei der infantilen septischen Granulo-
15 angeborenen Defekten einzelner Komponenten sieht man To- matose (CGD) zeigen Aktivitäten unter 20 %, während medika-
talausfälle, während man bei verschiedenen Erkrankungen (z. B. mentenbedingte Störungen nur leicht erniedrigte Werte um 60 %
Leberschäden) oder Medikamenten verminderte Reaktionen in zeigen. Diese Tests kann man auch mit Erregern durchführen, die
16 den Komplementtests sieht. Ein besonderer Funktionstest ist die aus dem Patienten selbst isoliert wurden, um zu testen, ob der
Messung der Aktivität des C1-Inhibitors (C1INH), da es neben Patient spezifische immunologische Lücken hat und damit nur
17 dem angeborenen C1INH-Mangel auch Autoantikörper gegen auf diesen Erreger nicht reagiert.
diese Komponente gibt, die auch zum Quincke-Ödem führen. Zusätzlich kann man noch die Beweglichkeit der Phagocyten
Die autoimmunen Formen kann man von angeborenen Defek- im Chemotaxistest überprüfen. Hierzu verwendet man ein Ge-
18 ten nur in der Kombination von quantitativer Bestimmung des fäß mit zwei Kammern, die durch ein engmaschiges Sieb getrennt
C1INH und Funktionstest unterscheiden, da bei den autoim- sind (Boyden-Kammer). Die Löcher im Sieb sind dabei kleiner
19 munen Formen C1INH vorhanden, aber nicht funktionsfähig als der Durchmesser der Zellen, sodass diese sich aktiv durch das
ist. Sieb quetschen müssen. Der Reiz dazu wird durch chemotakti-
20 Die Funktionen der Phagocyten lassen sich mit dem Phago- sche Substanzen auf der einen Seite des Siebes gegeben, während
cytosetest und dem burst-Test bestimmen. Heutzutage führt die Zellen auf der anderen Seite sind. Nach einiger Zeit misst
man diese Tests wiederum im Durchflusscytometer durch. Dazu man dann die Anzahl der Zellen, die durch das Sieb gewandert
21 werden fluoreszenz­markierte oder fluoreszierende Bakterien sind. Wichtig ist dabei zu bedenken, dass man mit diesem Test
mit dem zu testenden Blut inkubiert und anschließend wird der nur die Beweglichkeit der Zellen überprüft, d. h. Defekte der
22 Anteil an Zellen gemessen, der Bakterien phagocytiert hat. Da Motilität (z. B. Cytoskelettstörungen) oder Chemotaxis auf den
durch die Phagocytose auch der oxidative burst ausgelöst wird, verwendeten Stoff nachweisen kann. Leukocytenadhäsionsde-
der für die intrazelluläre Abtötung notwendig ist, kann man bei fekte (LAD) kann man durch diesen Test nicht nachweisen, da
23 der Wahl geeigneter Fluoreszenzfarbstoffe beide Eigenschaften die Zelladhäsion nicht getestet wird und die Zellen eine normale
gemeinsam bestimmen (. Abb. 17.8). Normaler­weise liegt der Motilität und Chemotaxis zeigen (Ausnahme einige Formen von
funktionelle Anteil der Phagocyten (Phagocytose + burst) bei LAD3).
17.1 • Immundiagnostik
247 17

.. Abb. 17.6  Identifizierung von atypischen Zellen. a) Im Normalfall exprimieren fast alle reifen T-Zellen CD2 und CD7. CD7−-Zellen bilden die Ausnahme
(roter Kreis) b) Cutane T-Zell-Lymphome exprimieren CD7 häufig nicht auf ihrer Zellmembran (CD2+/CD7−-Zellen, roter Kreis). c) T-Zellen exprimieren als ihren
Leitmarker CD3, wobei sich die Expression auf CD4+- und CD8+-Zellen nicht unterscheidet. In der Abbildung sieht man, dass die CD8+- (oben rechts) und
CD8−- (unten rechts) Zellen CD3 gleich stark exprimieren (blaues Rechteck) und es keine Zellen mit niedriger CD3-Expression gibt (rotes Rechteck). d) Häufig
zeigen entartete T-Zellen auch eine verminderte CD3-Expression (rotes Rechteck) e) Im normalen Knochenmark kann man wie im Blut Lymphocyten (grün),
Monocyten (rot) und Granulocyten (blau) differenzieren. Dazu kommen noch Erythroblasten (orange), die in ihrer Größe variabel sind. f) Bei Veränderungen
wie Leukämien treten vermehrt Blasten auf, die sich durch eine verminderte Expression des Pan-Leukocytenmarkers CD45 auszeichnen (roter Kreis). Die reifen
Zellpopulationen nehmen hingegen ab, in diesem Fall gibt es kaum noch Granulocyten und Monocyten
248 Kapitel 17  •  Immundiagnostik und Immuntherapie

.. Abb. 17.7  Komplementhämolyse. Gezeigt ist die Titration eines Normal-


1 serums von rechts nach links in der CH50. Umso mehr Komplement (Serum)
dem Testsystem zugegeben wird, umso stärker ist die Hämolyse (rechts),
erkennbar an der Rotfärbung durch das freigesetzte Hämoglobin aus den
2 Erythro­cyten und dem Fehlen von intakten Erythrocyten. Umgekehrt setzen
sich bei wenig oder gar keinem Komplement (links) die intakten Erythrocyten
als Zellpellet ab, während der Überstand nicht oder nur schwach rot gefärbt
3 ist. Das freie Hämoglobin kann quantitativ im Photometer bestimmt werden

4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19 .. Abb. 17.8  Phago/burst-Assay. Gezeigt ist der kombinierte Phago/burst-Assay, bei dem rot fluo­reszierende Bakterien (DS red Coli) zusammen mit Dihydro­
rhodamin (DHR 123) zum Blut gegeben werden. a) Die Phagocytose (Phago, Y-Achse) ist ein energieabhängiger Prozess, sodass als Kontrolle eine Inkubation
bei 0–4 °C dient, die unspezifische Bindungen der Bakterien an der Ober­fläche der Phagocyten ohne Aufnahme anzeigt. b) Bei intakter Phagocytenfunktion
20 bei 37 °C werden die Bakterien phagocytiert, wodurch die Phagocyten jetzt im Durchflusscytometer rot erscheinen. Da die Phagocytose den oxidative burst
(burst, X-Achse) zur intrazellulären Abtötung der Bakterien auslöst, wird durch die reaktiven Sauerstoffspezies das Dihydrorhodamin in das grün fluoreszie-
rende Rhodamin umgewandelt, sodass die intakten Phagocyten rot-grün erscheinen (oben rechts). c) Überlagerung eines Phasenkontrastbildes von zwei
21 Phagocyten mit der fluoreszenz­mikro­skopischen Aufnahme derselben Phagocyten mit phagocytierten Bakterien. Man sieht die rot fluoreszierenden Bakterien
in den Phagocyten

22
23
17.2 • Immuntherapie
249 17

.. Abb. 17.9  Nachweis von Autoantikörpern in der Immunfluoreszenz. a) Der Nachweis von Auto­anti­körpern geschieht durch grün fluoreszierende Anti-
körper, die gegen menschliche Antikörper gerichtet sind. Nachgewiesen sind in dem Bild anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCA), bei denen
sich das Cytoplasma anfärbt. b) Nachweis von antinucleären Antikörpern (ANA), bei denen sich die gelappten Zellkerne der Neutrophilen anfärben, mit der
gleichen Methode. (Fotos freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Ralf Weiskirchen.)

NK-Zellen kann man im Cytotoxizitätstest überprüfen. krankheiten häufiger sind als Immundefekte. Sie erfolgt über
Dazu werden die isolierten Lymphocyten des Patienten mit einer die Bestimmung von Autoantikörpern bzw. allergenspezifischen
Zell-Linie inkubiert, die keine MHC-Moleküle auf der Oberflä- IgE-Antikörpern. Für einige Auto­anti­körper gibt es mittlerweile
che exprimiert. Das missing-self ist dann der Stimulus für die spezifische ELISA (z. B. anti-DNA-Antikörper und Rheumafak-
NK-Zellen, diese Zielzellen zu töten. Den Nachweis kann man toren), sodass diese einfach gemessen werden können. Andere
über eine radioaktive Markierung der Zielzellen oder auch im Autoantikörper werden über die Bindung an Gewebeschnitte
Durchflusscytometer erbringen. oder die Beladung von Zellen (z. B. antinucleäre Antikörper,
Einer der ältesten und wichtigsten Funktionstests ist der ANA, . Abb. 17.9) mittels Immunfluoreszenz oder dem Durch-
Lymphocytenproliferationstest (LPT), der auch Lymphocy- flusscytometer (z. B. Autoantikörper gegen Thrombo­cyten) nach-
tentransformationstest (LTT) genannt wird. Der Test beruht gewiesen. Allergien können zusätzlich am Patienten in einem
darauf, dass jede Reaktion des spezifischen Immunsystems von Provokationstest nach­gewiesen werden (▶ Kap. 10).
der Proliferation (Vermehrung) der antigenspezifischen Lym-
phocyten abhängt. Somit ist die aktivierungsinduzierte Vermeh-
rungsfähigkeit eine Voraussetzung für eine Reaktion der T- und 17.2 Immuntherapie
B-Zellen. Die Proliferation kann man dabei über unspezifische
Stimulanzien (z. B. pflanzliche Lektine wie Phytohämagglutinin, Die wichtigsten Immuntherapien sind die Impfung und die pas-
PHA) oder spezifische Recall-Antigene, d. h. Antigene, mit denen sive Immunisierung, die bereits in ▶ Kap. 8 besprochen wurden.
man bereits einmal Kontakt hatte (z. B. Tetanustoxoid), auslösen. Neben diesen Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung gibt es
Je nach Stimulus kann man dabei spezifisch T-Zellen, z. B. mit vier große Bereiche der Immuntherapie: die Immunstimulie-
anti-CD3, oder B-Zellen, z. B. mit anit-IgM, zur Proliferation rung, die Immunsuppression, die gezielte Therapie mit mono-
anregen. Die Zellvermehrung selbst wird über den Einbau von klonalen Antikörpern und die Substitutionstherapie mit Anti-
radioaktivem Thymidin bestimmt. körper-Pool-Präparaten (Standardimmunglobulin).
Bei den B-Zellen kann man neben der Proliferation noch die
Induktion der Immunglobulinsynthese bestimmen, indem man
nach der Stimulierung die Bildung von Antikörpern im ELISA Immunstimulierung
misst. Dieser spezielle Test ist nur angezeigt, wenn B-Zellen vor-
handen sind, aber keine oder nur zu wenig Antikörper nachweis- Die Möglichkeiten zur Immunstimulierung sind sehr be-
bar sind, wie z. B. bei der transienten Hypogammoglobulinämie schränkt, und die meisten auf dem Markt frei verkäuflichen
des Kleinkindes. Mittel, die eine Stärkung des Immunsystems versprechen, haben
gar keine Wirkung. Dies ist wahrscheinlich auch besser, da eine
unspezifische und unkontrollierte Stimulierung des Immun-
Diagnose von Autoimmunkrankheiten systems auch zu Autoimmunkrankheiten führen kann. Deshalb
und Allergien ist eine gesunde Lebensweise sicher die einfachste Art, das Im-
munsystem im physiologischen Rahmen zu stärken (▶ Kap. 15).
Die Diagnose von Autoimmunkrankheiten und Allergien ist Klassische Präparate sind Extrakte aus tierischen Organen
der überwiegende Teil der Immun­diagnostik, da Autoimmun- (Thymus und Milz), die heute aber kaum noch zur Anwendung
250 Kapitel 17  •  Immundiagnostik und Immuntherapie

.. Abb. 17.10  Wirkungen von wichtigen Immunsup-


1 transplantiertes Gewebe Hemmung des
IL-2-Signals über
pressiva. Die Immunsuppression setzt an verschiedenen
Stellen ein. Glucocorticoide hemmen die Produktion von
mTOR-Inhibition proinflammatorischen Cyto­kinen durch APC, wodurch
2 - Everolimus
- Sirolimus
der Beginn einer Entzündungsreaktion unterdrückt wird.
CTL Calci­neur­ininhibitoren verhindern die Aktivierung von NFAT
NK Hemmung der in T-Zellen, wodurch wichtige Gene der T-Zell-Aktivierung
3 IL-2-Produktion (z. B. IL-2) nicht angeschaltet werden. In den Zielzellen des
Hemmung der IL-1 über Calcineurin- IL-2 können mTOR-Inhibitoren die IL-2-Signaltransduktion

IL-2
Produktion von
Inhibition unterdrücken, sodass das IL-2 seine Wirkung nicht entfalten
4 proinflamma–
torischen Cyto- Makro- IL-2 CTL
- Cyclosporin kann. Letztlich kann noch die Proliferation der Lympho-
TH - Tacrolimus cyten inhibiert werden. Nicht gezeigt ist der Einsatz von
kinen in APC phage
5 - Glucocorticoide IL-1 Proliferations-
hemmung der
monoklonalen Antikörpern oder Rezeptoren, die spezifisch
proinflammatorische Cytokine wegfangen (z. B. anti-IL-1)
DC B oder die Zellen depletieren (anti-CD3) bzw. die Wirkung von
Lymphocyten
6 - Azathioprin
- Cyclophosphamid
IL-2 verhindern (anti-CD25)

TH - Methotrexat
7 - Mycophenolat-
mofetil
- Leflunomid
8
9 kommen. Eine nachgewiesene Wirkung haben auch Extrakte aus Die ältesten entzündungshemmenden Medikamente sind die
Echinacea pallida (blassfarbener Sonnenhut), weshalb diese auch Glucocorticoide, von denen das Cortison das bekannteste ist. Die
10 nur in Absprache mit dem Arzt eingenommen werden sollten. Glucocorticoide hemmen die Synthese von entzündungsfördern-
Imiquimod ist eine chemische Substanz, die Interferone indu- den Substanzen wie z. B. IL-1 und IL-2. Zielzellen sind dabei in
ziert und so zur Behandlung von Feigwarzen eingesetzt werden erster Linie die APC, aber auch die übrigen Zellen werden beein-
11 kann. Gezielter ist die Therapie mit spezifischen Cytokinen. Am flusst, weshalb die Glucocorticoide auch bei allergischen Reak-
längsten werden die Interferone angewandt. IFN-α, -β und -γ tionen eingesetzt werden. Die schwerwiegendste Nebenwirkung
12 sind zugelassene Medikamente. IFN-α wird zur Tumortherapie ist bei hohen Konzentrationen das Cushing-Syndrom, das durch
und bei chronischen Virusinfektionen eingesetzt. IFN-β wird Gewichtszunahme mit Fettansammlungen (z. B. „Mondgesicht“),
zur Behandlung der Multiplen Sklerose verwendet und IFN-γ Hautveränderungen, erhöhtem Blutdruck, Muskelschwäche,
13 zur unterstützenden Behandlung der septischen Granulomat- Osteoporose und Diabetes gekennzeichnet ist. Die Glucocor-
ose. G-CSF dient zur Mobilisierung von Granulocyten bei Pa- ticoide sind meist die ersten Immunsuppressiva, die eingesetzt
14 tienten nach Chemotherapie und angeborenen Neutropenien. werden, oder dauerhafter Teil der Basistherapie. Die meisten
IL-2 wird zur Behandlung des metastasierenden Nierenkarzi- anderen Immunsuppressiva wirken eher auf die Lymphocyten,
15 noms verwendet. Eher einer Impfung entspricht die Therapie insbesondere auf die T-Zellen, die bei der Transplantatabstoßung
mit lebenden Mycobakterien (BCG, Bacille Calmette Guérin), und den Autoimmunkrankheiten eine Schlüsselrolle spielen. Cy-
die zur Behandlung des oberflächlichen Blasenkarzinoms ein- closporin A hat nach seiner Entdeckung die Transplantationsme-
16 gesetzt werden. Die Reaktion gegen die Mycobakterien in der dizin revolutioniert, da man in der Lage war, eine hocheffektive
Blase aktiviert das Immunsystem so stark, dass die Tumorzel- Immunsuppression durchzuführen, wodurch die Anzahl der
17 len mit abgetötet werden. Ähnlich verhält es sich mit Lysaten Transplantationen und der Transplantationserfolg sprunghaft
der eigentlich harmlosen Darmbakterien Escherichia coli und angestiegen sind. Cyclosporin A ist ein cyclisches Peptid aus
Enterococcus faecalis, die zur Stimulierung des Immunsystems dem Pilz Tolypocladium inflatum und wirkt im Komplex mit
18 bei Problemen im Darm und bei rezidivierenden Harnwegsin- dem Enzym Cyclophilin als Calcineurininhibitor. Calcineurin
fektionen mit E. coli eingesetzt werden. dephosphoryliert NFAT (nuclear factor of activated T cells), ei-
19 nen wichtigen Transkriptionsfaktor in T-Zellen (▶ Kap. 6), der
unter anderem für die Bildung von IL-2 verantwortlich ist. Ein
20 Immunsuppression weiterer Calcineurininhibitor ist Tacrolimus (FK506), dessen
Wirkung über das FK506-bindende Protein-12 vermittelt wird.
Die Immunsuppression hat zwei große Einsatzgebiete: die Unter- Die Nebenwirkungen sind eine Nierenschädigung, Einschrän-
21 drückung von Autoimmunkrankheiten und die Unterdrückung kung der Leberfunktion, eine Erhöhung des Blutdrucks, eine
einer Immunreaktion gegen transplantierte Organe. Da beide Hyperlipidämie und -cholesterolämie sowie Hypokaliämie. Die
22 Reaktionen Entzündungsreaktionen sind, sind die Medikamente mTOR(mammalian target of rapamycin)-Inhibitoren Everolimus
zur Therapie größtenteils identisch. Auf der entzündungshem- und Sirolimus blockieren die IL-2-Signaltransduktion. Die Ne-
menden Wirkung beruht auch das größte Problem der Im- benwirkungen sind Hyperlipidämie, Thrombocytopenie und eine
23 munsuppression, d. h. die immunsupprimierten Patienten sind schlechte Wundheilung. Bei der Transplantation werden außer-
infektionsanfällig und zeigen bei Langzeitsuppression eine er- dem monoklonale Antikörper bei der akuten Abstoßungskrise
höhte Inzidenz von Krebs, insbesondere Lymphomen. eingesetzt. Während anti-CD3-Antikörper die T-Zellen deple-
17.2 • Immuntherapie
251 17

tieren, blockieren anti-CD25-Antikörper nur den IL-2-Rezeptor Maus-Antikörper humanisierter Antikörper


und damit die Aktivierung über IL-2 (▶ Kap. 12). CDR-1-2-3
VH VH
Des Weiteren kommen cytostatische Medikamente wie Az- VL VH VL VH
VL VL
athioprin, Cyclophosphamid und Methotrexat zur Anwendung, CH CH
CL 1 CH1 CL 1 CH1
da jede Reaktion des spezifischen Immunsystems von einer Pro- CL CL
liferation der antigenspezifischen Lymphocyten abhängt. Für

CH2
CH2

CH2
CH2
die Erfindung von Azathioprin, das vor der Entdeckung von Cy-
closporin das Hauptmedikament zur Immunsuppression nach
Transplantation war, bekamen Gertrude B. Elion und George H.

CH3
CH3

CH3
CH3
Hitchings 1988 den Nobelpreis verliehen. Azathioprin hemmt
die DNA-Synthese. Cyclophosphamid kreuzvernetzt die DNA
und induziert Strangbrüche. Methotrexat inhibiert die Dihydro-
folat-Reduktase und die darüber vermittelte Proteinexpression. chimärer Antikörper Mensch-Antikörper
Im Gegensatz zu diesen generellen Cytostatika hemmen Myco- VH VH
VL VH VL VH
phenolat-mofetil (Purinsyntheseinhibitor) und Leflunomid (Py- CH VL CH VL
1 1
rimidinsyntheseinhibitor) relativ spezifisch die Proliferation von CL 1 CH L CL 1 CH L
C C
Lymphocyten (. Abb. 17.10).
Cytokinantagonisten und anti-Cytokin-Antikörper haben ihr

CH2
CH2

CH2
CH2
Einsatzgebiet bei den Auto­immun­krankheiten. Die anti-Cyto-
kin- bzw. -Cytokinrezeptor-Antikörper (IL-1, IL-6R, IL-12/23,

CH3
CH3

CH3
CH3
TNF) und Cytokinrezeptor-Antikörper-Fusionsproteine (IL-1R,
TNFR) werden im nächsten Absatz besprochen. Eine ähnliche
Funktion hat der Cytokinantagonist Anakinra. Dies ist die Wirk-
stoffbezeichnung für den IL-1-Rezeptorantagonisten, der wie die .. Abb. 17.11  Monoklonale Antikörpertypen für die Therapie. Mono-
anti-IL-1-Antikörper bei der rheumatoiden Arthritis eingesetzt klonale Antikörper sind hochwirksame Medikamente, stellen aber selber
ein Antigen für den Körper dar, sodass Antikörper aus Tieren (hier Maus in
wird und der natürliche Antagonist von IL-1 ist.
rot) zur Serumkrankheit führen können. Durch die moderne Gentechnik ist
es möglich, die Rekombination der Antikörper nachzuahmen und so die
konstanten Domänen der Mausantikörper gegen konstante Domänen von
Gezielte Therapie mit monoklonalen menschlichen Antikörpern (blau) auszutauschen. Ein solcher Anti­körper wird
Antikörpern als chimärer Antikörper bezeichnet. Tauscht man auch noch die Rahmenre-
gionen inner­halb der variablen Domäne aus, sodass nur noch die Anti-
genbindungsstelle (CDR) aus der Maus ist, spricht man von humanisierten
Monoklonale Antikörper haben nach ihrer Erfindung nicht nur Antikörpern. Optimalerweise stellt man komplett humane Anti­körper her. Je
die Diagnostik revolutioniert, sondern auch die moderne Im- größer der menschliche Anteil in den Antikörpern ist, desto geringer ist die
muntherapie (▶ Exkurs 6.1). Es ist jetzt nicht nur möglich, Antise- Gefahr einer Serum­krankheit
ren zu generieren, wie dies bereits für die passive Immunisierung
eingeführt wurde. Man kann monoklonale Antikörper gegen jeg-
liches Antigen herstellen. Durch den Einsatz monoklonaler An- ben, aber auch die teuersten, mit einem Preis zwischen mehreren
tikörper vermindert sich auch die Menge der zu applizierenden Hundert bis mehreren Tausend Euro pro Anwendung. Natürlich
Immunglobuline, da es nicht mehr ein Gemisch aus polyklonalen haben monoklonale Antikörper auch Nebenwirkungen, wobei
Antikörpern mit unterschiedlich guter Antigenpassform ist, son- die unspezifischen Nebenwirkungen sehr selten sind. Das grö-
dern ein Antikörper gegen nur eine antigene Determinante des ßere Problem ist die nachteilige Wirkung durch die komplette
Antigens. Anfänglich hatte man dabei aber denselben Nachteil Ausschaltung des Zielantigens. So sind z. B. die Patienten, die
wie bei der Serumtherapie, d. h. die monoklonalen Antikörper mit Antikörpern gegen entzündungsfördernde Cytokine behan-
waren zunächst alle aus der Maus oder anderen Kleintieren und delt werden, anfälliger für Infektionen. . Tabelle 17.5 zeigt die
damit heterologe Seren. Diese Antikörper induzieren anti-An- monoklonalen Antikörper, die in Deutschland bzw. in der Euro-
tikörper (siehe oben bei HAMA), was bei einer erneuten Gabe päischen Union zugelassen sind.
zur Serumkrankheit führen kann (▶ Kap. 8). Die Gentechnik
ermöglicht es heute, Antikörper besser verträglich zu machen,
indem man chimäre oder humanisierte Antikörper herstellt Substitutionstherapie
(. Abb. 17.11). Neuerdings ist es auch möglich, rein humane mit Standardimmunglobulinen
monoklonale Antikörper herzustellen, die keine anti-Antikör-
per mehr induzieren. Neben den monoklonalen Antikörpern gibt es seit den frühen
Die Vielzahl der Möglichkeiten machte eine einheitliche 1980er-Jahren die Standard­immun­globuline, d. h. Antikör-
Nomenklatur für Antikörper erforderlich, damit der Arzt die per-Pool-Präparate aus über 1000, meist weit über 10.000 Spen-
Verträglichkeit besser abschätzen kann (. Tab. 17.4). Wenn es dern. Man gewinnt dafür aus Quarantäneplasma (Plasma, das
für einen Einsatzzweck monoklonale Antikörper gibt, so sind gefroren gelagert wurde, bis der Spender erneut nach mehreren
es die höchstwirksamen Medikamente, die wir heutzutage ha- Wochen auf Infektionskrankheiten getestet wurde) die IgG-An-
252 Kapitel 17  •  Immundiagnostik und Immuntherapie

wurden. Die Hyperimmunseren werden jedoch nur aus einer


1 .. Tab. 17.4  Nomenklatur von monoklonalen Antikörpern
wesentlich geringeren Anzahl von Spendern mit sehr hohem An-
Eigenname Anwendungs- Herkunft Feste Endung tikörpertiter gegen das entsprechende Antigen gewonnen.
2 gebiet des
Antikörpers
Für den Einsatz der IVIG gibt es zwei große Gebiete: die
Substitutionstherapie von immundefizienten Patienten und die
Therapie von Autoimmunkrankheiten (. Tab. 17.6). Die Indi-
3 Vom
Hersteller
b(a) = Bakte-
rien
a = Ratte mab = mono­
clonal antibody kationen für die Substitutionstherapie wurden in ▶ Kap. 16 er-
frei wählbar,
c(i) = Herz- e = Hamster läutert. Die gute Wirkung der Substitution beruht dabei darauf,
4 muss nur
ein­deutig
kreislauf (cardi- (syrien hams- dass mit den IVIG ein Kollektivschutz übertragen wird. In den
und un­
ovasculär) ter) IVIG sind Antikörper gegen alle Erreger mit einem protektiven
5 verwechsel­ f(u) = Pilze i = Primat Titer vorhanden, mit dem die Mehrheit der Spender Kontakt
bar sein (fungal) hatte oder geimpft wurde. So werden die immundefizienten Pa-
tienten gegen die gefährlichen Erreger geschützt, gegen die sich
6 k(i) = Inter-
leukin
o = Maus
(mouse) die Immunkompetenten auch nur durch eine Impfung schützen
l(i) = Immun- u = Mensch
können (z. B. Tetanus, Diphtherie, Hepatitis-B usw.). Wichtig ist
7 modulation (human) aber, dass auch Antikörper gegen alltägliche Keime aus unseren
Breitengraden übertragen werden, gegen die wir im Laufe der
n(e) = Neuro- xi = chimär
Jahre eine Immunität entwickelt haben (z. B. Rotaviren). Dieser
8 logie (vom griechi-
Schutz ist damit auf die Region beschränkt, in der das Plasma
schen Chi = χ)
gewonnen wurde. Unser europäisches Plasma schützt uns so vor
9 s(o) = Knochen
(historisch
xizu = chimär/
hu­manisiert
den in Europa häufigen Infektionen. Jeder kann dies selbst bei
bedingt) einer Reise nach Südamerika oder Südostasien erleben, wo man
10 tox(a) = Toxin zu = humani-
häufig mit Durchfallerkrankungen zu kämpfen hat, wie zuletzt in
siert der Kindheit, weil neue Varianten der Erreger in diesen Gebieten
vorkommen, die das Immunsystem noch nicht kennt.
11 t(u) = Tumor axo = Ratte/
Unser Körper ist vollkommen durchtränkt von Antikörpern,
Maus (z. B.
v(i) = Viren
bispezifische um einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Die Antikörper-
12 Antikörper) mengen in unserem Körper sind sehr groß, d. h. allein ca. 10 g
Antikörper pro Liter Blut. Entsprechend groß müssen die Men-
Pali vi zu mab
gen von Antikörpern sein, mit denen man therapiert, um einen
13 Palivizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen ausreichenden Wirkspiegel zu erreichen. Ziel bei den Immunde-
das respiratorische Syncytialvirus (RSV)
fizienten ist dabei, über die kritische Marke von 400 mg/dl Im-
14 munglobuline im Serum zu gelangen (▶ Kap. 16), besser über
600 mg/dl. Da die IgG-Antikörper nur eine Halbwertszeit von
15 tikörper. Alle anderen Serumproteine werden nicht mit angerei- drei Wochen haben, muss die IVIG-Therapie alle vier Wochen
chert. Es ist dabei wichtig, dass man die IgM-Antikörper elimi- erfolgen, um den Immunglobulinspiegel dauerhaft auf hohem
niert, da man sonst auch die Antikörper gegen die Blutgruppen Niveau zu halten. Die gewünschten Konzentrationen erreicht
16 A und B (Iso­hämag­glutinine) im Präparat hätte und so eine akute man nur, wenn man zwischen 0,2–0,8 g Antikörper pro Kilo-
hämolytische Transfusionsreaktion bei Patienten mit diesen Blut- gramm Körpergewicht appliziert, d. h., bei einem erwachsenen
17 gruppen auslösen würde. Früher gelang die Elimination von IgM Menschen von 70 kg Gewicht sind dies 14–56 g IVIG, bei einem
noch nicht hundert­prozentig, sodass die Präparate nur intramus- Preis von ca. 70 Euro/g. Auch wenn der Name IVIG die intra-
kulär verabreicht werden konnten. Die heutigen Präparate sind venöse Applikation durch den Arzt suggeriert, wird dies nur
18 dagegen frei von IgM und können intravenös appliziert wer- gemacht, wenn die Dosen so groß werden, dass es anders nicht
den, woher auch der Name IVIG (intravenöse Immunglobuline) appliziert werden kann. Bei Säuglingen und Kleinkindern be-
19 stammt. IgE ist ebenfalls unerwünscht und kann heute gut aus- vorzugt man die subcutane Applikation, da diese von den Eltern
geschlossen werden. Leider lässt es sich bei der Präparation nicht durchgeführt werden darf.
20 vermeiden, dass Spuren von IgA-Antikörpern mit in den IVIG Da die schweren Immundefekte selten sind, wird die Masse
sind. Diese stellen in der Regel kein Problem dar, lediglich bei Pa- der IVIG heute zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten
tienten mit einem selektiven IgA-Mangel können diese dann als bzw. neurologischen Krankheiten unklarer Ursache eingesetzt.
21 Fremdantikörper erkannt werden, sodass anti-IgA-Antikörper Hier sind die Dosen teilweise noch höher als bei der Substituti-
entstehen. Patienten mit einem selektiven IgA-Mangel haben so- onstherapie. Der genaue Wirkmechanismus ist dabei noch nicht
22 mit ein Risiko, eine Serumkrankheit zu entwickeln, wenn sie ein exakt bekannt. Verständliche Theorien sind die Anwesenheit
zweites Mal mit IVIG behandelt werden sollen, sodass man an- von antiidiotypischen Antikörpern, die die Autoantikörper neu-
ti-IgA-Antikörper oder den selektiven IgA-Mangel ausschließen tralisieren, und die beschleunigte Entfernung und verminderte
23 muss. Dies gilt im Prinzip auch für die Hyperimmunseren zur Bildung von Autoantikörpern durch die Gabe hoher Dosen von
Infektions- oder Postexpositionsprophylaxe (dazu gehören auch Antikörpern. Alle anderen Theorien beinhalten eine indirekte
anti-Rhesus-D-Antikörper), die bereits in ▶ Kap. 8 besprochen Wirkung über eine komplexe Immunmodulation. Nichtsdesto-
17.2 • Immuntherapie
253 17

.. Tab. 17.5  Liste der in Deutschland oder der EU zugelassenen monoklonalen Antikörper. Die Einsatzgebiete sind nur grob beschrieben, häufig han-
delt es sich um eingeschränkte Einsatzgebiete, z. B. bei Metastasierung, oder um Kombinationstherapien, bei denen der Antikörper nur eine Komponen-
te ist. Teilweise sind nicht alle Antikörper für alle Einsatzgebiete zugelassen. Entwickelt sind bereits weitere Antikörper (z. B. anti-IL-5/Hypereosinophilie,
anti-GD2/Neuroblastom, anti-PD1/Melanom, anti-IL17A/Immunsuppression, anti-α4β7-Integrin/Colitis ulcerosa und Morbus Crohn), die aber in Europa
bzw. Deutschland noch nicht zugelassen sind.

Zielantigen Monoklonale Antikörper / Einsatzgebiete


Fc-Fusionsproteine

α4-Integrin Natalizumab Multiple Sklerose

BAFF (B cell activating factor) Belimumab Multiple Sklerose

C5 (Komplementfaktor) Eculizumab PNH (paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie)

CD3 Muromonab Akute Abstoßungsreaktion

CD3/EpCAM (epithelial cell Catumaxonab (bispezifischer Maligner Aszites


adhesion molecule) Antikörper)

CD11a Efalizumab Psoriasis

CD20 Ibritumomab, Ofatumumab, B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, chronisch lymphatische B-Zell-Leukämie (B-CLL),


Rituximab rheumatoide Arthritis

CD25 Basiliximab Prophylaxe der akuten Abstoßungsreaktion

CD30 Brentuximab Vedotin (Antikör- CD30+ Hodgkin-Lymphom


per-Wirkstoff-Konjugat)

CD33 Gentuzumab Akute myeloische Leukämie

CD52 Alemtuzumab B-CLL

CTLA-4 Ipilimumab Fortgeschrittenes Melanom

EGFR (epidermal growth Cetuximab, Panitumumab Colorectalkarzinom


factor receptor)

Glykoprotein NCA90 Sulesomab Osteomyelitis, nur zur Diagnostik

Glykoprotein GPIIb/IIIa Abciximab Percutane Koronarintervention, instabile Angina pectoris

Granulocyten Besilesomab Immunszintigraphie, nur zur Diagnostik

Her2 Trastuzumab, Pertuzumab Mammakarzinom

IgE Omalizumab Schweres allergisches Asthma

IL-1β Canakinumab, Rilonacept (IL- Muckle-Wells-Syndrom, neonatal beginnende entzündliche Systemerkrankung


1-RI/IL-1-RAcP/Fc)

IL-6-Rezeptor Tocilizumab Rheumatoide Arthritis

IL-12/IL-23 Ustekinumab Plaque-Psoriasis

NCA90 (Granulocytenan- Sulesomab Technetium-markierter Antikörper zur Diagnostik der Osteomyelitis


tigen)

RANKL Denosumab Osteoporose

RSV Palivizumab Prävention der RSV-Infektion

TNF-α Adalimumab, Certolizumab, Rheumatoide Arthritis, polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis-Ar-
Infliximab, Golimumab, Eterna- thritis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, Psoriasis, Colitis Ulcerosa
cept (TNFR2/Fc)

VEGF (vascular endothelial Bevacizumab, Ranibizumab Altersabhängige Makuladegeneration (AMD), Colonkarzinom, Rectumkarzinom,
growth factor) Mammakarzinom, Bronchialzellkarzinom, Nierenzellkarzinom

Her2 (human epidermal growth factor receptor 2), RANKL (receptor activator of nuclear factor-κB ligand), RSV (respiratory syncytial virus)
254 Kapitel 17  •  Immundiagnostik und Immuntherapie

1 .. Tab. 17.6  Einsatzgebiete von intravenösen Immunglobulinen. Aufgeführt sind nur die zugelassenen und gesicherten Anwendungen der IVIG. Darü-
ber hinaus werden die IVIG bei vielen verschiedenen Autoimmunkrankheiten als Heilversuch eingesetzt.

2 Krankheit IVIG-Therapie Bemerkung

Zugelassene Anwendungen
3 Primäre Immundefekte mit Antikörpermangel- 0,2–0,8 g/kg alle 2–4 Wochen Lebenserhaltende Therapie bei isoliertem AMS
syndrom (AMS) (z. B. XLA)

4 Sekundäre Immundefekte (z. B. Myelom, chro- 0,2–0,4 g/kg alle 3–4 Wochen Bei AIDS nur bei Kindern, bei Erwachsenen nicht indiziert
nisch lymphatische Leukämie (CLL))

5 Idiopathische thrombocytopenische Purpura (IPT,


Morbus Werlhof )
0,4 g/kg 5 Tage täglich

Guillain-Barré-Syndrom 0,4 g/kg 5 Tage täglich Mittel der 1. Wahl


6
Chronisch-inflammatorisch demyelinisierende 1 g/kg alle 3 Wochen Initial 2 g/kg
Polyneuropathie (CIDP)
7 Kawasaki-Syndrom 2 g/kg einmalig

Allogene Knochenmarktransplantation 0,5 g/kg/Monat Nur bei AMS


8 Gesicherte zulassungsüberschreitende Anwendungen (off-label use)

9 Posttransfusionelle Purpura 2 g/kg 2 Tage täglich Therapie der Wahl

Multifokale Motoneuropathie 1–2 g/kg/Monat Mittel der 1. Wahl

10
trotz gibt es Erkrankungen, bei denen die IVIG aufgrund ihrer Literatur
11 Wirksamkeit das Medikament erster Wahl sind. Durch die an-
fängliche Euphorie über die Wirksamkeit der IVIG gab es sogar Baumann U, Belohradsky B, von Bernuth H, Friedrich W, Linde R, Niehues T,

12 in den späten 1990er-Jahren und zum Anfang des neuen Jahrtau-


Renner E, Schöndorf I, Schulze I, Wahn V, Warnatz K (2010) Primäre Immun-
defekte – Warnzeichen und Algorithmen zur Diagnosefindung. UNI-MED,
sends Engpässe bei der Herstellung von IVIG. Deshalb wurden Bremen
Konsensuskonferenzen abgehalten, um den Einsatz der IVIG
13 vernünftig zu kanalisieren, und entsprechende Empfehlungen
Heiken H, Schmidt RE (2003) Indikationen für den Einsatz von Immunglobuli-
nen. Ergebnisse einer Konsensuskonferenz an der Medizinischen Hoch-
gegeben (. Tab. 17.6). Die Hersteller sind teilweise mit den Zu- schule Hannover. Dtsch Med Wochenschr 128:1665–1669
14 lassungen den tatsächlichen Therapieversuchen weit hinterher,
Internetseiten des Paul-Ehrlich-Institutes für Sera und Impfstoffe: www.PEI.de
Warnatz KPHH (2004) Systematik und Diagnostik von Immundefektsyndromen.
sodass IVIG viel im sogenannten off-label use, d. h. in der zulas- Internist 8:861–881
15 sungsüberschreitenden Anwendung eingesetzt werden.

16
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23
255 18

Perspektiven
Lothar Rink

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
256 Kapitel 18 • Perspektiven

Die Immunologie ist eine der jüngsten Wissenschaften und ge- werden können. Auch unser Verständnis darüber, warum un-
1 rade mal etwas über 110 Jahre alt. Trotzdem ist sie neben den ser Immunsystem die Krebszellen nicht frühzeitig erkennt, ist
Neurowissenschaften die einzige Disziplin, für die es auf der noch ungenügend. Deshalb geht man zunehmend den Weg der
2 Webseite der Nobelorganisation (▶ http://www.nobelprize.org/ Prävention. Neben der Vermeidung von krebserzeugenden Ri-
nobel_prizes/medicine/immune_responses.html) eine eigene Ka- siken (z. B. Rauchen) gehört dazu auch ein sorgfältiger Umgang
tegorie der Nobelpreise für Physiologie oder Medizin gibt. Dort mit unserem Immunsystem. Dabei rückt die Balancierung des
3 sind 11 Nobelpreise auf­geführt, die für die Erforschung immuno- Immunsystems durch eine ausgewogene Ernährung und eine ge-
logischer Grundlagen verliehen wurden und 2011 ist ein weiterer sunde Lebensführung (z. B. Sport und ausreichend Schlaf) im-
4 hinzugekommen: mer mehr in den Vordergrund (▶ Kap. 15). Daneben gibt es mit
der HPV-Impfung erstmals einen gezielten Ansatz für die Prä-
1901 Emil von Behring: Serumtherapie durch Antitoxine
5 1908 Ilya Ilitch Mechnikow und Paul Ehrlich: Mechnikow entdeckte
vention einer Krebserkrankung, wofür Harald zur Hausen 2008
die Phagocyten und Ehrlich entwickelte die Seitenkettenthe- den Nobelpreis erhielt. Hier wird nicht gegen den Gebärmut-
terhalskrebs geimpft, wie häufig zu lesen ist, sondern gegen die
6
orie, d. h. die Abgabe von Antikörpern durch Zellen
1913 Charles Richet: Beschreibung der anaphylaktischen Reaktion menschlichen Papillomviren (HPV), die diese Krebsart erzeugen
1919 Jules Bordet: Entdeckung des Komplements können. Somit handelt es sich eigentlich um eine gewöhnliche
7 1930 Karl Landsteiner: Entdeckung der AB0-Blutgruppen Impfung gegen eine Infektionskrankheit. Wie wirkungsvoll diese
1960 Sir Frank MacFarlane Burnet und Peter Medawar: Konzept Präventionsmaßnahme ist, werden wir in 10–20 Jahren sehen,
der Selbst-Toleranz wenn wir die Gebärmutterhalskrebsraten bei geimpften und un-
8 1972 Gerald Edelman und Rodney Porter: Struktur der Antikörper
geimpften Frauen vergleichen können. Es ist dabei heute schon
1980 Baruj Benacerraf, Jean Dausset und George Snell: Erken-
klar, dass diese Krebsart nicht zu 100 % verhindert wird, da nur
9 1984
nungsmechanismen der Histokompatibilität
Nils Kai Jerne, Georges Köhler und César Milstein: Jerne
gegen die Hochrisikostämme der Papillomviren geimpft wird,
für die Theorie zur anti­körper­vermittelten Immunabwehr; wodurch es aber zu einer deutlichen Reduktion kommen sollte.
10 Köhler und Milstein für die „Entwicklung“ der monoklonalen Erste Verlaufsstudien weisen auch bereits darauf hin.
Antikörper Das prozentual größte immunologische Problem in den
1987 Susumu Tonegawa: Genetik der Antikörper Industrieländern sind zurzeit die chronisch-entzündlichen Er-
11 1996 Peter Doherty und Rolf Zinkernagel: Entdeckung der krankungen. Dort gab es durch die Entwicklung einer Reihe von
therapeutischen Antikörpern (▶ Kap. 17) große Fortschritte.
MHC-Restriktion

12 2011 Bruce Beutler, Jules Hoffmann und Ralph Steinman: Aktivie-


rung der angeborenen Immunität (Beutler und Hoffmann);
Trotzdem gibt es für die Autoimmunkrankheiten noch keine
DCs und ihre Rolle bei der Aktivierung der adaptiven Immu- Heilung. Ziel der nächsten Jahre ist es deshalb, nicht nur die To-
leranzentstehung zu begreifen, sondern auch Wege zu finden,
13 nität (Steinman)
wie wir diese aktiv induzieren können. Wenn es gelingt, die
Daneben gab es aber noch mehrere Nobelpreise für Arbeiten zu Toleranz im Körper wiederherzustellen, sollte es möglich sein,
14 infektiologischen Themen: Malaria (1902), Tuberkulose (1905), Autoimmunkrankheiten und Allergien nicht nur symptomatisch
Protozoen (1907), Typhus (1928), Gelbfieber (1951), Poliomyeli- zu behandeln, sondern tatsächlich zu heilen. Bisher gelingt dies
15 tis (1954), Tumorviren (1966), Tumorviren (1975), Übertragung nur bei einigen Allergenen, für die eine Hyposensibilisierung zur
von Infektionen (1976), Retroviren (1989), Prionen (1997), Heli- Verfügung steht. Die Fortschritte beim Verständnis der regula-
cobacter (2005), Humane Papillomviren (HPV) und HIV (2008). torischen T-Zellen lassen aber hoffen, dass es hier im nächsten
16 Die Immunologie hat die Grundlagenforschung und die Me- Jahrzehnt zu einem Durchbruch kommen könnte. Im Tierver-
dizin in den letzten 110 Jahren maßgeblich beeinflusst, und es such gelingen solche Toleranzinduktionen bereits verlässlich,
17 ist davon auszugehen, dass dies auch in Zukunft der Fall sein sodass es jetzt nur noch der Adaptation an den Menschen bedarf.
wird. In allen medizinischen Disziplinen gibt es mittlerweile Statistisch sind eigentlich die Infektionskrankheiten
immunologische Ansätze zum Verständnis der Erkrankungen (▶ Kap. 8) das größte Problem. In der Dritten Welt mangelt es
18 oder bereits etablierte immunologische Therapien. In ▶ Kap. 17 zurzeit nur am Geld, um mit Impfkampagnen die Kindersterb-
wurden die thera­peutischen Antikörper bei chronisch-entzünd- lichkeit massiv zu senken, so wie es bei uns zu Beginn des vorigen
19 lichen Erkrankungen und Tumoren besprochen. Auch aus den Jahrhunderts gelang. Aber die Tropenkrankheiten kommen zu
diagnostischen Bereichen sind die immunologischen Verfahren uns und „alte“ Gesundheitsprobleme, z. B. Tuberkulose, kehren
20 nicht mehr wegzudenken. Monoklonale Antikörper sind ei- mit Resistenzen gegen die modernen Antibiotika zurück. Noch
nes der wichtigsten diagnostischen Hilfsmittel, die sogar in die ist es nicht gelungen, ein Antibiotikum herzustellen, gegen das
Selbstdiagnostik eingezogen sind, da die käuflichen Schwanger- die Bakterien keine Resistenzen entwickeln. Alle dementspre-
21 schaftstests auf Antikörpern beruhen. chenden Ankündigungen hat die Natur innerhalb von wenigen
Trotz dieser überragenden Erfolge steht die Immunologie Jahren widerlegt: Obwohl man es zuvor für unmöglich hielt,
22 weiterhin vor großen Aufgaben. Obwohl sich die Therapie für traten resistente Stämme auf. Gegen unsere körpereigenen na-
viele Krebsarten verbessert hat, können wir den Krebs in vielen türlichen Abwehrstoffe, die antimikrobiellen Peptide (▶ Kap. 3),
Fällen immer noch nicht wirkungsvoll bekämpfen. Der Einsatz hat die Natur es aber in Millionen von Jahren nicht geschafft
23 von Antikörpern ist nur bei wenigen Krebsformen effektiv, da es Resistenzen zu bilden. Es laufen bereits Versuche, diese antimi-
meistens an spezifischen Tumorantigenen mangelt (▶ Kap. 11), krobiellen Peptide in Kartoffeln anzureichern und so für den
sodass Antikörper nicht gezielt gegen den Tumor eingesetzt Einsatz im Menschen verfügbar zu machen. Die kostengünstige
Literatur
257 18

Produktion in Bakterien schließt sich leider aus, da diese durch


die Substanzen selbst getötet würden. Es bedarf auch neuer
Impfstoffe gegen Tropen­krankheiten, weil diese immer weiter
in den Norden vordringen, d. h. einige haben bereits den Mittel-
meerraum erreicht (▶ Exkurs 8.1). Hierfür müssen wir wiederum
die Interaktion zwischen den Erregern und dem Immunsystem
besser verstehen, um deren entscheidende Angriffspunkte zu ent-
decken. Ein Problem, das bei der Impfstoffentwicklung für HIV
seit Jahren ungelöst ist.
Die Immunologie wird also auch in den nächsten Jahrzehn-
ten eine der spannendsten Wissenschaften bleiben. Die Hoff-
nung, eines Tages das Immunsystem nicht nur grob zu beein-
flussen, so wie wir es heute können, sondern gezielt zu steuern, ist
eine faszinierende Perspektive und ein großes Ziel. Damit wäre
es möglich, bei Bedarf das Immunsystem spezifisch anzuregen,
um z. B. Tumore abzustoßen oder Infektionen abzuwehren. Auf
der anderen Seite könnte man Toleranz gegen Autoantigene und
Allergene, aber auch Transplantate induzieren und so bisher
unheilbare Krankheiten heilen und die kostbaren Transplantate
vor dem Angriff des Immunsystems schützen, ohne gleichzeitig
den Patienten durch immunsupprimierende Medikamente zu
schädigen.
Es gibt also viel zu forschen für diese junge Disziplin, die
lange gebraucht hat, um sich in den Medizinischen Fakultäten
als eigenständiges Fach zu etablieren, da es als typisches Quer-
schnittsfach in allen Disziplinen vorkommt. Es bleibt also zu
hoffen, dass es in Zukunft mehr eigenständige immunologische
Institute an Medizinischen und Naturwissenschaftlichen Fakul-
täten gibt, damit wir uns diesem Ziel schneller nähern.

Literatur

www.nobelprize.org
NCBI Proteine Databank, www.ncbi.nlm.nih.gov
HLDA Workshops and CD Molecules, www.hcdm.org
259

Serviceteil
Serviceteil

CD-Tabelle – 260

Stichwortverzeichnis – 263

L. Rink, A. Kruse, H. Haase, Immunologie für Einsteiger,


DOI 10.1007/978-3-662-44843-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
260

CD-Tabelle

Die Tabelle listet die wichtigen und in diesem Buch verwende- Zellen, Gr  =  Granulocyten, HP  =  hämatopoetische Zellen,
ten CD (cluster of differentiation bzw. determination) auf. Im Ap- Leuko = Leuko­cyten, Ly = Lymphocyten, MK = Megakaryocy-
ril 2014 waren 364 CD-Nummern vergeben. Die CD-Nomenkla- ten, Mo = Monocyten, MΦ = Makro­phagen, Myelo = myeloi-
tur ist eine wichtige Vereinheitlichung, trotzdem werden in vielen sche Zellen, NK = NK-Zellen, P = Plättchen (Thrombocyten),
Bereichen die alten bzw. funktionellen Namen weiterverwendet PMN  =  neutro­ phile Granulocyten, SC  =  hämatopoetische
wie z. B. bei den Cytokinrezeptoren. Auf die Darstellung der un- Stammzellen, Thy = Thymocyten, T = T-Zellen, TCR = T-Zell-Re-
gebräuchlichen CD wurde deshalb verzichtet. CD, die Leitmarker zeptor, TH = T-Helferzellen, T-V = T-Vorläuferzellen.
für eine Zellpopulation darstellen, sind fett gedruckt. Wird der Sonstige Abkürzungen: ADCC = antibody-dependent cellu-
Marker nur auf einer Zellsubpopulation exprimiert, so ist der lar cytotoxicity, CALLA = common acute lymphocytic leukemia
Zelltyp kursiv geschrieben. antigen, CR = Komplementrezeptor, EBV = Epstein-Barr-Virus,
Zellen: APC  =  antigenpräsentierende Zellen, B  =  B-Zel- HIV = Humanes Immundefizienzvirus, LFA = leukocyte function
len, B-V  =  B-Vorläuferzellen, CTL  =  cyto­ toxische T-Zel- antigen, LPS = Lipopolysaccharid, LBP = LPS-binding protein,
len, DC  =  dendritische Zellen, Eo  =  eosinophile Granu- SCF = stem cell factor.
locyten, Ery  =  Erythrocyten, FDC  =  follikulär dendritische

CD Alternativer Name Ligand (Teil) Zelluläre Expression Funktion bzw. Verwendung (Erläuterung in Kapitel Nr.)
1 je nach Subtyp TCR DC, Thy Antigenpräsentation von hydrophoben Antigenen, insbeson-
dere Lipiden (4, 5)
2 LFA-2, T11, CD58 NK, T, Thy Costimulierendes Zelladhäsions­molekül für die Aktivierung (5)
Schafserythrocyten­
rezeptor
3 T3 (TCR-Komplex) T, Thy TCR-Signaltransduktionskomplex (6)
4 T4 MHC-II-Molekül Mo, MΦ, TH, Thy T-Zell-Restriktion, costimulierendes Molekül für die T-Zell-Akti-
vierung, Rezeptor für HIV (2, 5)
5 T1, Leu1 B, T, Thy Identifizierung von polyvalenten oder entarteten B-Zellen
7 Leu9 T, Thy, SC Identifizierung von entarteten T-Zellen (17)
8 T8 MHC-I-Molekül NK, T, Thy T-Zell-Restriktion, costimulierendes Molekül für die T-Zell-Ak-
tivierung (2, 5)
10 CALLA B-V, T-V Zink-Metalloproteinase, Identifizierung von entarteten
B-Zellen
11a LFA-1 (in Verbindung CD50, CD54, Leuko Costimulierendes Zelladhäsions­molekül für die Aktivierung
mit CD18) CD102 (5, 7)
11b Mac-1, CR3 (in Verbin- CD54, iC3b Myelo, NK Costimulierendes Zelladhäsions­molekül für die Aktivierung,
dung mit CD18) Komplement­rezeptor für iC3b (3, 5, 7)
11c CR4 (in Verbindung mit Fibrinogen Myelo Rezeptor für Fibrinogen (3, 5)
CD18)
14 LPS-LPB-Komplex Mo, MΦ Starke Bindung von LPS zur Vermittlung an TLR-4 (4, 5)
15 Lewisx Glyko­proteine Myelo Zelladhäsion
15s Sialyl-Lewisx CD62E, CD62P Leuko Zelladhäsion (7, 16)
16 FcγRIII IgG Mo, MΦ, NK, PMN Niedrigaffiner IgG-Rezeptor zur Vermittlung von Phagocytose
und ADCC (4, 5)
18 β2-Integrin Je nach Partner Leuko Siehe CD11a–c (7, 17)
19 B4 (BCR-Komplex) B B-Zell-Corezeptor zur Aktivierung (5)
20 B1, Leu16 B B-Zell-Corezeptor zur Aktivierung (5)
21 CR2 (BCR-Komplex) B C3d-Rezeptor, B-Zell-Corezeptor zur Aktivierung, Rezeptor für
EBV (5, 9)
23 FcεRII IgE B, Eo, MΦ Niedrigaffiner IgE-Rezeptor (5, 10)
25 IL-2-Rezeptor-α-Kette, IL-2 B, Mo, T Hochaffiner Teil des IL-2-R (2, 5, 7, 9)
Tac
27 CD70 T, NK, B, medulläre Costimulierendes Molekül bei T- und B-Zellen (5)
Thy
28 Tp44 CD80, CD86 B, T Wichtigstes costimulierendes 2. Signal für naive T-Zellen (5)
32 FcγRII IgG B, Eo, Mo, MΦ, PMN Niedrigaffiner IgG-Rezeptor (4, 5)
34 CD62L SC Marker für hämatopoetische Stammzellen (2)
35 CR1 C3b, C4b B, Eo, Ery, FDC, Mo, Bindung von Immunkomplexen und Vermittlung der Phago-
MΦ, PMN cytose (3, 9)
261
CD-Tabelle

CD Alternativer Name Ligand (Teil) Zelluläre Expression Funktion bzw. Verwendung (Erläuterung in Kapitel Nr.)
40 P50, TNFRSF5 CD154 APC Costimulierendes Signal für B-Zellen, DC und MΦ, induziert
den Immun­globulinklassenwechsel in B-Zellen, verstärkt die
intrazelluläre Abtötung und Cytokinproduktion in DC und MΦ
(4, 5)
41 GPIIp (Glykoprotein IIp) Fibrinogen MK, P Fibrinogenrezeptor (17)
44 Hermes-Antigen Hyaluron-säure Ery, Leuko Zelladhäsion (2, 7)
(nicht im Thymus)
45 leukocyte common HP Tyrosinkinase zur Unterstützung der BCR- und TCR-Sign-
antigen altransduktion, Subtyp CD45R0 markiert Gedächtniszellen,
CD45RA naive Zellen (6)
46 MCP (membran co-fac- C3b, C4b HP Verhindert die Zelllyse durch Komplement (3)
tor)
49d VLA-4 (very late MadCAM, VCAM B, DC, Gr, Mo, MΦ, Thy Zelladhäsion (5, 7)
activation antigen),
α4-Integrin
50 ICAM-3 LFA-1 B, Gr, Mo, MΦ, T, Thy Costimulierendes Zelladhäsions­molekül für die Aktivierung
(5, 7)
54 ICAM-1 LFA-1, Mac-1 HP Costimulierendes Zelladhäsions­molekül für die Aktivierung (5,
7), Rezeptor für Rhinoviren
55 DAF (decay accele­rating C3b HP Verhindert die Zelllyse durch Komplement (3)
factor)
56 NKH-1, NCAM CD56 NK Rezeptor zur gegenseitigen Erkennung von NK-Zellen (3)
58 LFA-3 CD2 HP Costimulierendes Zelladhäsions­molekül für die Aktivierung
(5, 7)
59 Mac-Inhibitor, Protectin C8, C9 HP Verhindert die Zelllyse durch Komplement (3)
62E (Endothel) E-Selektin CD15s Endothel Leukocyten-rolling (5, 7)
62L (Leukocyten) L-Selektin CD15s, CD34, Leuko Leukocyten-rolling (5, 7)
MadCAM, GlyCAM
62P (Plättchen) P-Selektin CD15s, CD162 MK, P, Endothel Leukocyten-rolling (7)
64 FcγRI IgG Mo, MΦ Hochaffiner IgG-Rezeptor (4)
66b CD67, NCA-95 Gr Marker für Granulocyten in der Durchflusscytometrie (3, 17)
67 CD66b, CD66f Nicht mehr besetzt
69 activation inducer Aktivierte Ly Aktivierungsmarker für Lymphocyten
molecule
70 Ki-24 CD27 Aktivierte T, akti­vierte Costimulierung T- und B-Zellen (5)
B, MΦ
74 Ii MHC-II-Molekül APC Invariante Kette blockiert MHC-II-Molekül-Beladung im endo­
plasmatischen Reticulum (4)
79 Igα (CD79a), Igβ (BCR-Komplex) B BCR-Signaltransduktionskomplex (2, 5)
(CD79b)
80 B7.1 CD28, CTLA-4 APC Wichtigstes costimulierendes 2. Signal für naive T-Zellen (5)
86 B7.2 CD28, CTLA-4 APC Wichtigstes costimulierendes 2. Signal für naive T-Zellen (5)
88 C5aR C5a Mo, MΦ, PMN C5a-Rezeptor-vermittelte chemotaktische Funktion (3)
89 FcαR IgA B, Gr, Mo, MΦ IgA-Rezeptor (4)
90 Thy-1 Thy Marker für Thymocyten
94 NK, NKT NK-Zell-Rezeptor (3)
95 Apo-1, Fas CD178 (FasL) Leuko Aktiviert Apoptoseprozess in der CD95+-Zelle nach Bindung
an CD178 (5, 9)
102 ICAM-2 LFA-1, Mac-1 Ly, Mo Feste Bindung von Leukocyten (7)
106 VCAM-1 VLA-4 Endothel Zelladhäsion (5, 7)
117 c-Kit SCF SC Rezeptor für den Stammzellfaktor (2)
134 OX40 OX40L Aktivierte T Costimulierendes Molekül, T-Zell-Differenzierung und -Polari-
sierung (5)
138 Syndecan-1 Collagen Plasma­zellen Marker für Plasmazellen
152 CTLA-4 CD80, CD86 Aktivierte T Konkurriert mit CD28 um die Bindung an CD80/86 und regu-
liert die Aktivierung herunter (5)
154 CD40L CD40 TH Costimulierendes Signal für B-Zellen, DC und MΦ, induziert
den Immun­globulinklassenwechsel in B-Zellen, verstärkt intra-
zelluläres Abtöten und Cytokinproduktion in DC und MΦ (4, 5)
161 NKR-P1 NK, NKT NK-Zell-Rezeptor (3)
178 FasL CD95 Leuko Induziert Apoptoseprozess in der CD95+-Zelle (5, 9)
262 CD-Tabelle

CD Alternativer Name Ligand (Teil) Zelluläre Expression Funktion bzw. Verwendung (Erläuterung in Kapitel Nr.)
205 DEC-205 DC Vermittelt Antigenaufnahme durch DC
209 DC-SIGN ICAM-3, gp120 DC Bildung und Stabilisierung der Kontaktzone immunologischer
von HIV Synapsen zwischen T-Zellen und DC (5)
278 ICOS LICOS aktivierte T Costimulierendes Molekül, T-Zell-Differenzierung und -Polari-
sierung (5)
263 A–B

Stichwortverzeichnis

2'-5'-Oligoadenylat-Synthetase  105 –– Typ-2-  157 APECED  143


α1,3-Galactosyl-Transferase  178 –– Typ-3-  159, 160 Arthus-Reaktion  159, 160
α4-Integrin  110, 112 –– Typ-4-  160 Arzneimittelexanthem  161
α-Chemokin  107 Allergietypen nach Coombs und Gell  155 Asthma bronchiale  39, 40, 157
α-Defensin  4 Allergieursache  162, 163 Ataxia teleangiectatica  231
αβ-T-Zelle  8 allergische Rhinitis  157 Atopie  157
αβ-T-Zell-Rezeptor  24, 25 allergische Sofortreaktion  155 atopische Dermatitis  157
β2-Integrin  110, 112 allogene Transplantation  176 atopisches Ekzem  157
β2-Mikroglobulin  53 all-trans-Retinsäure  212 Autoantigen  142
β-Carotin  212 ALPS  143 Autoantikörper  142, 148, 149
β-Chemokin  107 altered self  39 Autoantikörpernachweis  249
β-Defensin  4 alternativer Weg  36 autoimmune Encephalomyelitis  151
β-Glucuronidase  134 Alterung  200 autoimmune hämolytische Anämie  149
γδ-DETC  26 –– Biomarker  200 Autoimmunerkrankung  12, 142, 143, 144, 145,
γδ-T-Zelle  8, 24, 25, 26 Alveolarmakrophage  45 147, 148, 149, 150, 151, 237
γδ-T-Zell-Rezeptor  24, 25, 26 Aminopterin  97 –– Einteilung  147, 148
Anakinra  251 –– hormonelle Faktoren  144
Anämie  242 –– Rolle von Östrogen und Testosteron  144
A anaphylaktischer Schock  156
Anaphylatoxine  37
–– Umweltfaktoren  145
–– und assoziierter HLA-Typ  144
AB0-Blutgruppe  183 Anaphylaxie  156, 157 autoimmunes lymphoproliferatives Syn-
AB0-System  182 –– nach Ring und Messmer  157 drom  231
Abciximab  253 angeborene Immunität  222 autoimmune thrombocytopenische Purpura  149
Abstoßungsreaktion  183, 184, 185 –– Defekte  222 Autoimmunität  142, 143, 145, 148
–– Unterdrückung  185 angeborene Neutropenie  224, 226 –– auslösende Faktoren  143
acquired immune deficiency syndrome  12, angeborenes Immunsystem  5, 34, 198, 199, 224 –– pathogene Mechanismen  148
232,  Siehe AIDS –– im Alter  198, 199 Autoimmun-Polyendokrinopathie-Candidiasis-ek-
activation-induced cytidine deaminase  98 –– Immundefekt  224 todermale Dystrophie-Syndrom  143
Adalimumab  253 Angioödem  156 Autoimmunreaktion  147
adaptives Immunsystem  2, 4, 7 Anisocytose  213 Autoimmunsyndrom  143
ADCC  158 antibody-dependent cell-mediated cytotoxici- autologe Transplantation  176
Adenovirus Typ 12  145 ty  158 autoreaktive T-Zelle  142, 151
Ader  193 Antidepressivum  193 Autotransplantation  177
Adhäsionsmolekül  108, 110, 112,  Siehe auch –– immunologische Wirkung  193 Avidität  77
Zelladhäsionsmolekül Antigen  72, 168 Azathioprin  186, 251
A disintegrin and metalloproteinase  18 –– thymusabhängiges  72 azurophile Granula  40
Adjuvanzien  139 –– thymusunabhängiges  72
adulte hämatopoetische Stammzelle  19 –– tumorassoziiertes  168
Aeroallergen  40
Affinitätsreifung  100
–– tumorspezifisches  168
Antigen-Antikörper-Reaktion  78
B
Agammaglobulinämie  226 Antigenbindungsstelle  76 B-1-Zelle  72
Agglutination  78 Antigen-Drift  132 B7.1  60
Agranulocytose  225, 242, 243 Antigenerkennung  8 B7.2  60
AIDS  232, 234 Antigenerweiterung  147 Bacille Calmette-Guérin  173, 250
AIRE (autoimmune regulator)  27, 142 Antigenpräsentation  45, 52 Bakterie  3
aktive Immunisierung  137 antigenpräsentierende Zelle  52, 55, 60, 64, 199 bare lymphocyte syndrome  54, 230
aktivierungsinduzierter Zelltod  59 –– Arten der Antigenaufnahme  55 Barré-Sinoussi, F.  232
akute Abstoßung  184, 185 –– im Alter  199 Basedow-Krankheit  144
–– Leukocyteninfiltration  185 –– professionelle  60 Basiliximab  186, 253
Akute-Phase-Antwort  6 Antigen-Shift  132 basophile Granulocyte  5, 19, 20, 44
Akute-Phase-Proteine  6, 34 Antigenüberschuss  78 Bedside-Test  182, 183
akutes retrovirales Syndrom  233 Antihistaminikum  164 Behring, E. v.  137, 256
Alemtuzumab  186, 253 Antikörper  10, 76, 80, 96, 97, 251 Belimumab  253
Alkohol  208 –– Anzahl der möglichen V(D)J-Kombinatio- Benacerraf, B.  256
Alkoholmissbrauch  210 nen   96 Benzol  236
Allel-Ausschluss  22 –– Aufbau  76 beschleunigte Abstoßung  184
alleler Ausschluss  98 –– monoklonaler  97, 251 Besilesomab  253
Allergen-Sensibilisierung  40 –– schematische Darstellung  10 Beutler, B.  256
Allergie  12, 154, 155, 157, 159, 160, 163 Antikörperklassenwechsel  98 Bevacizumab  173, 253
–– cytotoxischer Typ  155 Antikörpermangelsyndrom  226 Bianchie, D.  119
–– Diagnostik  163 Antikörperüberschuss  78 bindegewebeassoziierte Mastzelle  19
–– Immunkomplextyp  155 Antipsychotikum  192 biochemische Schutzmechanismen  5
–– Soforttyp  154, 155 antivirale Immunantwort  132 Biomarker für die Alterung  200
–– Spätreaktionstyp  155 AP50  245 BLNK  22
264 Stichwortverzeichnis

Blutbild  242 Cathepsin-G-artiges Enzym  134 Chemotaxistest  246


Blutgruppenunverträglichkeit  61 Catumaxonab  253 Chondroitinsulfat  134, 154
Blutgruppenverträglichkeit  183 CCL2  155 chronische Abstoßung  185
Blut-Thymus-Schranke  25 CCL18  66 chronische Granulomatose  225
Blutzellbildung  16 CCL19  66 chronischer Stress  188
Blutzelle  17, 159 CCL21  66 Chymase  134, 154
–– medikamenteninduzierte  159 CCL25  25 class-II-associated invariant-chain peptide  55, 56
B-Lymphocyte  2, 9, 49 CCR1  106 class switch  98
Booster-Effekt  127 CCR2  106, 234 CLIP  56, 57
Bordet, J.  256 CCR3  106 Clozapin  192
Boyden-Kammer  246 CCR4  106 cluster of differentiation  260
Brentuximab Vedotin  253 CCR5  106, 107, 234 Cohen  193
bronchial-associated lymphoid tissue  27 CCR6  106 Coiling-Phagocytose  129
Bronchie  5 CCR7  106, 108 common variable immune deficiency  229,  Siehe
Bronchoalveoläre Lavage  245, 246 CCR8  106 CVID
Bruton, O.  226 CCR9  25, 106 complement receptor-1-related protein y  118
Bruton-Syndrom  226 CCR10  106 costimulierendes Molekül  60
Bruton-Tyrosinkinase  22 CC Rezeptor  106 CR1  38
Btk-Gen  227 CCX-CKR  106 CR2  37
BTLA  67 CD1  57, 58, 59, 260 Cranberry  217
Bursa fabricii  22 –– Aufbau  58 Crossmatch  182
burst-Defekt  225 –– Beladung  58 Cross-Talk  91
burst-Test  246 –– vs. MHC  59 CRP (C-reaktives Protein)  34
B-Zell-aktivierender Faktor  72 CD1d-restringierte T-Zelle  59 Cryptidine  4
B-Zell-Antwort  70 CD1-restringierte T-Zelle  58 CTLA-4  60, 67
B-Zell-Corezeptor  75 CD2  247, 260 Cushing-Syndrom  250
B-Zell-Defekt  227 CD3  46, 92 cutanes T-Zell-Lymphom  247
–– angeborener  227 CD4  60 CVID  229
B-Zell-Differenzierung  73 CD4+-T-Helferzelle  10 CX3CR1  106
B-Zelle  2, 8, 11, 21, 22, 23, 61, 62, 72, 74, 75, 86, CD4+-T-Zelle  27, 67, 69 CX3C-Rezeptor  106
113 –– Subpopulation  69 CXC-Chemokin  107
–– Antigenkontakt  72 CD5–-B-1-Zelle  72 CXCL8  155
–– Antigenpräsentation an eine T-Helferzelle  62 CD5+-B-1-Zelle  72 CXCL12  25
–– Gedächtniszelle  86 CD7  247 CXCL13  66, 72
–– Reifung  23 CD8  60 CXCR1  106
–– Selektion  23 CD8+-T-Zelle  27, 70, 83 CXCR2  106
–– Wanderung  113 CD14  44 CXCR3  106
B-Zell-Entwicklung  22 CD16  47 CXCR4  25, 106, 234
B-Zell-Funktion  203 CD19  75, 76 CXCR5  73, 106
–– gestörte Funktion im Alter  203 CD19-Defekt  228 CXCR6  106
B-Zell-Hybridom  97 CD21  37, 75 CXCR7  106
–– Herstellung  97 CD27  67, 68 CXC-Rezeptor  106
B-Zell-Rezeptor  75 CD28  60, 67, 93 cyclische Neutropenie  224, 225
B-Zell-Rezeptor-Komplex  75 CD40L  67, 68, 74 Cyclophosphamid  193
B-Zell-Zone  72 CD40L-Defekt  229 Cyclosporin  251
CD44  25 Cyclosporin A  186, 194, 250
CD45  92 Cytokin  6, 19, 102, 103, 104, 189, 204
C CD46  38
CD55  37, 38
–– gestörte Produktion im Alter  204
Cytokinantagonist  251
C1INH  38 CD56  48 Cytokinsturm  59
C1-Inhibitormangel  226 CD58  260 Cytomegalovirus  145
C1q  36 CD59  37, 38 cytotoxische T-Zelle  56, 70, 83
C3  36 CD74  56 Cytotoxizität  158
C3-Konvertase  36, 37 CD80  67, 70, 74 –– antikörperabhängige zellvermittelte  158
C4BP  38 CD81  75, 76 Cytotoxizitätstest  249
C5a  41 CD86  67, 70, 74
C5aR  40 CD94  47
Cadherine  110
Calciferol  212
CD134  67
CDR  76
D
Calcineurin  250 CD-Tabelle  260 D6  106
Calcineurininhibitor  186 central memory-T-Zelle  87 Daclizumab  186
Calcitriol  213 Certolizumab  253 DARC  106
Calnexin  54 Cetuximab  253 Dausset, J.  256
Canakinumab  253 CH50  244, 245 DC  21
Carboxypeptidase  134 Charcot-Leyden-Kristallprotein  134 death of neglect  9
Carboxypeptidase N  38 Chediak-Higashi-Syndrom  231 Defekt des IL-12/IFN-β-Regelkreis  224
Carrier  4, 61 Chemokine  6, 107, 108 Defensine  34
Casanova, J.-L.  225 Chemokinrezeptor  106, 107 Degranulierung  124, 135, 154, 155
Cathelicidine  34 Chemotaxis  36 dendritic epidermal T cells (DETC)  26
265 B–H
Stichwortverzeichnis

dendritische Zelle  5, 21, 45, 49, 60, 64, 65, 66 –– Präsentation  55 Granzym  48
–– konventionelle  64 –– Prozessierung  55, 57 Granzym A  48
–– myeloide  64, 65 extravasale hämolytische Transfusionsreakti- Granzym B  48
–– plasmacytoide  64, 65 on  182 GvHD  183
–– unreife vs. reife  66 Extravasation  111, 112, 113
Denosumab  253
Depression  190, 193 H
–– Therapie mit Immunmodulatoren  193
Diabetes  144, 151
F Haemophilus-influenzae-Typ-B-Impfung  139
–– Typ-1  144, 151 F(ab')2-Fragment  81 HAIA  242
Diapedese  113 Fab-Fragment  81 halogenierte, aromatische Kohlenwasserstof-
Differenzialblutbild  242 FACS  243 fe  236
DiGeorge-Syndrom  230 Faktor D  38 HAMA  97, 242
Dioxin  236 Faktor H  38 Hämatopoese  7, 16, 18
Diphtherie  137 Faktor I  38 hämatopoetischer Rezeptor  102, 105
Diphtherieimpfung  139 FAS  171 –– der Klasse 1  102, 105
DN2-Stadium  25 Fc-Teil  77 –– der Klasse 2  105
DN3-Stadium  25 FcαRI  77 hämatopoetische Stammzelle  16, 20
Doherty  256 Fcα/μP  77 Hämoglobinurie  37
Down-Syndrom  223 FcγRI  77 Hämolyse  123
Drogen  208 FcγRIIA  77 –– durch Bakterien  123
–– Einfluss auf das Immunsystem  208 FcγRII-B1  77 hämolysierende Streptokokken  123
Ductus thoracicus  28 FcγRII-B2  77 Hämophilie  223
Durchflusscytometer  243 FcγRIII  77 Haplotyp  180
Durchflusscytometrie  244 Fcε-Rezeptor  154 Hapten  4, 61, 77
Durchseuchungsmarker  127 FcεRI  77 Hapten-Carrier-Prinzip  61
Fettleibigkeit  211 Hashimoto-Thyreoiditis  144, 147, 149
FLT3  22 Hassall-Körperchen  25
E FLT3L  22
fluorescent-activated cell sorting  243
HAT-Medium  97
Haupthistokompatibilitätskomplex  2, 52, 179
eat me-Signal  40, 142 follikuläre dendritische Zelle  61 Hausen, H. z.  256
Echinacea pallida  250 FoxP3  114, 115, 143 HAV-Impfung  139
Eculizumab  253 fragment crystallizable  77 HCV  169
Edelman, G.  76, 256 framework regions  76 Heidelberger-Kurve  78
Efalizumab  253 FSME-Impfung  139 Helicobacter pylori  168, 169
effector memory-Zelle  87 Fv-Fragment  81 Helminthen  3
Effektorlymphocyte  82 Henle-Koch-Postulate  130
–– Homing  82 Heparin  154, 155
Effektorzelle  10
Ehrlich, P.  256
G Hepatitis-B-Impfung  139
Hepatitis-B-Virus  145
EIA  241 Galactosämie  223 Herdenimmunität  138
Eintrittsweg des Erregers  136 Galenus, A.  29 hereditäres Quincke-Ödem  226
Eisen  212, 213 GALT  30 Herpes zoster  204
Eisenmangel  213 GATA-3  70 heterologe Seren  137
Elastase  134 G-CSF  103 heterophilic anti-immunoglobulin antibo-
Elion  251 Gedächtnis-B-Zelle  86 dies  242
ELISA  241, 242 Gedächtnis-T-Helferzelle  86 HEV  29
endogenes Antigen  53, 54 Gedächtniszelle  11, 85, 87 HHV-8  169
–– Fragmentierung  54 Gefahren-Sensing  39 high endothelial venules  29
Entzündung  36 Gefahrensensor  39 high mobility group box 1  172, 180
Entzündungsreaktion  125 gekoppelte Erkennung  73 Hiob-Syndrom  231
enzyme immuno assay  241 Gentuzumab  253 Histamin  134, 154, 155, 164
enzyme-linked immunosorbent assay  241 Gewebeverträglichkeit  178, 182 Hitchings, G.  251
eosinophile Granulocyte  5, 19, 20, 43 –– Untersuchung  182 HIV  107, 169, 232, 233, 235
Epicutantest  165 Glucocorticoid  164, 186, 188, 189, 250 HIV-1  145
Epitoerweiterung  147 –– Wirkung auf das Immunsystem  189 HIV-Infektion  233, 234, 235
Epitop  61, 76 Glucosinolat  217 –– Einfluss des Genotyps  234
EPO  103 GM-CSF  103 –– Verlauf  234
Epstein-Barr-Virus  168, 169 Golimumab  253 HIV-Therapie  235
Ernährung  211 Goodpasture-Syndrom  144 H-Kette  76, 95, 98
Erregermenge  135, 136 graft versus host-Krankheit  182 –– Gene  98
Erythrocyt  16, 17 Granulocyten  5, 17, 18, 19, 20, 37, 38, 42, 43, 44, –– Rekombination  95
E-Selektin  109, 110 45, 134, 198, 201 HLA  179
Etanercept  193 –– basophile  5, 19, 20, 44 HLA-Allele  180
Eternacept  253 –– eosinophile  5, 19, 20, 43 –– codominante Expression  180
Eukaryotenzelle  3 –– Granulainhalte  134 HLA-B27  144
Everolimus  186, 250 –– im Alter  198, 201 HLA-DP  180
exogen allergische Alveolitis  160 –– neutrophile  5, 18, 20, 38, 42, 43 HLA-DQ  180
exogenes Antigen  55, 57 –– polymorphkernige  18 HLA-DR  180
266 Stichwortverzeichnis

HLA-Haplotyp  181 IL-5  103 Immunisierung  127, 137, 138, 172


–– Vererbung  181 IL-6  102, 103 –– aktive  137
HLA-Protein  179, 180 IL-7  22 –– aktive vs. passive  138
–– Klasse I  180 IL-8  103 –– gegen Tumoren  172
–– Klasse II  180 IL-9  84 –– passive  127, 137
HLA-Typisierung  182 IL-10  83, 103 Immunisierung gegen MHC-Moleküle  180
Hoffmann, J.  256 IL-11  103 Immunkapazität  135, 200
Homing  16, 18, 112 IL-12  103 –– Veränderung im Laufe des Lebens  200
homologe Seren  137 IL-13  84, 85, 103 Immunkomplexbildung  78
host versus graft-Krankheit  182 IL-14  103 Immunologie  2, 13
HPA-Achse  188, 189 IL-15  103 –– Begriff  2
HPV-Impfung  139, 256 IL-16  103 –– Geschichte  13
HTLV  168, 169 IL-17  103 immunologische Barriere  34
human anti-mouse antibodies  242 IL-18  103 immunologische Lücke  136
humanes Herpesvirus-8  168 IL-19  103 immunologische Synapse  47, 69
humanes Papillomavirus  169 IL-20  103 immunoreceptor tyrosine-based activation mo-
human leukocyte antigen  179 IL-21  103 tif  48
humorale Immunität  202 IL-22  82, 104 immunpathologische Abstoßung  185
–– im Alter  202 IL-23  104, 151 immunprivilegierte Region  12, 116, 117
HvGD  183 IL-24  104 Immunreaktion  84
Hybridomzelle  97 IL-25  104 –– Beendigung  84
Hygiene-Hypothese  162, 163 IL-26  104 Immunseneszenz  198, 204
hyperakute Abstoßung  184 IL-27  104 Immunstimulierung  249
hyperakute Abstoßungsreaktion  184 IL-28  104 Immunsuppression  185, 186, 237, 250
Hyper-IgE-Syndrom  231 IL-29  104 –– Nebenwirkungen  186
Hyper-IgM-Syndrom  60, 229 IL-30  104 Immunsuppressivum  186, 236, 250
Hyperimmunglobulin  137 IL-31  104 Immunsystem  2, 4, 5, 7, 34, 39, 117, 119, 173,
Hyperimmunseren  252 IL-32  104 188, 190, 208, 209, 211, 218
Hypersensibilitätsreaktion vom Typ III  150 IL-33  104 –– adaptives  2, 4, 7
Hypersensitivität  148, 149 IL-34  104 –– angeborenes  5, 34
Hypersensitivitätsreaktion  237 IL-35  104 –– Aufbau  7
hypervariable Region  76 IL-36  104 –– Aufgabe  39
Hypochlorit  42 IL-37  104 –– Einfluss der Ernährung auf das Immunsys-
Hypogammaglobulinämie  226 IL-38  104 tem  211
Hyposensibilisierung  165 Imiquimod  173, 250 –– Einflüsse auf das Immunsystem  209
Hypothyreose  223 Immunantwort  11, 12, 122, 124, 125, 126, 127, –– Einflüsse von Sport  218
Hypoxanthin  97 129, 130, 131, 132, 133, 135, 203 –– Evolution  2, 4
–– Entscheidungsgrößen  122, 124, 125 –– hormonelle Einflüsse  208
–– Entscheidung zur richtigen Immunant- –– mütterliches  117, 119
I wort  130, 131
–– gegen extrazelluläre Bakterien  129
–– und Stress  188
–– unspezifische Aktivierung  173
Ibritumomab  253 –– gegen extrazelluläre Bakterien und kleine –– Veränderungen durch Rauchen  211
ICAM-1  67, 69, 109, 110 Sprosspilze  127 –– Wirkung auf ZNS  190
ICAM-2  110 –– gegen intrazelluläre Bakterien  131 Immuntherapie  249
ICAM-3  110 –– gegen intrazelluläre Bakterien und einzellige Immuntoxikologie  236
ICOS (inducible costimulatory molecule)  67, 68 Protozoen  129 Immuntoxin  236
IDDM  144 –– gegen Parasiten  135 Immunzelle  20
Idiotyp  76 –– gegen Viren  130, 132, 133 –– histologische Darstellung  20
IFN-α  103, 105, 250 –– sekundäre  12 Impfung  127, 137, 172, 173, 205
IFN-β  103, 105, 250 –– spezifische  11 –– gegen tumorauslösende Viren  173
IFN-γ  48, 82, 103, 105, 250 –– Steuerung im Alter  203 –– gegen Tumore  172
IFN-γ-Rezeptor-Defekt  225 –– zeitlicher Ablauf  125, 126, 127 –– im Alter  205
IFN-λ  106 Immunantwort gegen große Parasiten und Pil- imunreceptor tyrosine-based inhibitory mo-
IgA  80 ze  133, 134 tif )  48
–– Transport durch Epithelien  80 Immundefekt  222, 223, 231 Indikationsimpfung  139
IgA-Mangel  229 –– erworbener  222, 231 Indolamin-2,3-Dioxygenase  118, 171
–– selektiver  229 –– primärer  222, 223 induzierte Treg  70
IgD  10, 74, 78 Immundefektdiagnostik  241 infantile septische Granulomatose  224
IgE  10, 74, 80, 83, 155 Immundefekterkrankung  12 Infektion  204
IgG  10, 78 Immundefizienz  222 –– im Alter  204
IgG1-Antikörper  76 Immundiagnostik  240 Infektionsprophylaxe  136, 137
IgG-Subklassendefekt  229 Immun-Editing  170 Inflammasom  46
IgM  10, 74, 77, 80 Immungerontologie  198 Infliximab  253
IL-1  103, 106 Immunglobulin  10, 81, 94, 95, 252 Influenza  132
IL-1Ra  103 –– enzymatische Spaltung  81 Influenzaimpfung  139
IL-2  83, 102, 103 –– Rekombination der schweren Kette  94, 95 inside-out-signaling  112
IL-2-Rezeptor  67, 105 –– somatische Rekombination  94 insulin-dependent diabetes mellitus  144, 151
IL-3  102, 103 Immunglobulinklasse  77, 79 Integrine  109, 110
IL-4  84, 91, 103 Immunglobulinklassenwechsel  99
267 H–M
Stichwortverzeichnis

Interferon  34, 105, 133 Kuhpocken  13 Mastzelle  5, 19, 44, 155


Interferon-γ  6 Kuhpockenimpfung  13 –– freigesetzte Mediatoren  155
Interleukin  83, 85 Kupffer-Zelle  44 MBL  35, 39
intravasale hämolytische Transfusionsreakti- MBP  44
on  182 M-CSF  103
intravenöses Immunglobulin  252, 254
–– Einsatzgebiet  254
L Mechnikow, I.  256
Medawar, Sir P.  9, 117, 256
invariante Kette  56 Landsteiner, K.  182, 256 Membranangriffskomplex  35, 36
IPEX  143 Langerhans-Zellen  21, 61 memory cells  85
Ipilimumab  253 Lebendimpfstoff  138 Meningokokkenimpfung  139
IRAK-4-Defekt  224, 225 leichte Kette  76 Menstruationszyklus  210
isogene Transplantation  176 Leitinfektionen für Komplementdefekte  223 –– und Immunsystem  210
Isohämagglutinine  182 Lektinweg  35 Mesangialmakrophage  45
Isotransplantation  177 Leukämie  174 Methotrexat  251
Isotyp  77 Leukocyten  16, 17, 111, 112 MHC  52, 179
ITAM  48, 75, 92 –– Extravasion  111, 112 MHC-Allele  144
ITIM  48, 92 Leukocytenadhäsionsdefekt  110, 223, 224 –– und Autoimmunität  144
Leukocytenfunktionstest  244 MHC-II-Molekül  54, 55, 56
Leukocytenintegrine  110,  Siehe Integrine –– Aufbau  54
J Leukocytensturz  232
Leukocyten-Subpopulation  17
–– Beladung  56
MHC-I-Molekül  46, 52, 53, 54, 56
Janus-Kinasen  102 Leukocytenwanderung  111 –– Beladung  53, 54
Jenner, E.  13, 138 Leukocytose  224, 242 MHC-Klasse-II-Molekül  2, 8
Jerne, N.  256 Leukopenie  225, 242 MHC-Klasse-I-Molekül  2, 7
Leukotriene  155 MHC-Molekül  52
Leukozidine  128 MHC-Restriktion  27, 52, 60
K LFA-1  47, 67, 110
Linolensäure  216
microRNA  91
Mikoglia  45
Kaltischämiezeit  176 Linolsäure  216 mikrocytäre hypochrome Anämie  213
Kaposi-Sarkom  168 lipid rafts  91, 92 Mikroglia  45
killer cell immunoglobulin-like receptor  47, 48 Listeria monocytogenes  130 Mikroorganismen  3
Killerzelle  5 L-Kette  76 –– Größenvergleich  3
–– natürliche  5 Louis-Bar-Syndrom  231 Milstein, C.  97, 256
KIR  48 L-Selektin  109 Milz  10, 29
klassischer Weg  36 Lupus erythematodes  144, 150 missing self  46, 47, 53, 169
Klebsiella pneumoniae  145 lymphatische Organe  16, 17 missing self-Prinzip  39
kleines Blutbild  242 –– periphere (sekundäre)   16, 17 mixed lymphocyte reaction  182
klonale Expansion  68 –– zentrale (primäre)  16, 17 MLR  182
klonale Selektion  126 lymphatisches System  8 molekulare Mimikry  115, 145
Knochenmark  17, 20 Lymphgefäßsystem  28 Monocyten  5, 17, 20, 21, 44, 45
Knochenmarksübertragung  185 Lymphknoten  10, 28 monoklonale Antikörper  97, 251, 252, 253
Koch, R.  130 Lymphocyten  2, 7, 11, 17, 66, 111 –– für die Therapie  251
Kochsalz  217, 218 –– Wanderung naiver Lymphocyten  66 –– in der EU zugelassene  253
Köhler, G.  97, 256 Lymphocytenphänotypisierung  243, 244, 245 –– Nomenklatur  252
Kombinationsimpfstoff  138 –– im Liquor  245 monoklonale Gammopathien unklarer Signifi-
Kommensalen  34 Lymphocytenproliferationstest  249 kanz  203
Komplementdefekt  223, 224 lymphokine-activated killer cells  173 Montagnier, L.  232
Komplementhämolyse  248 Lysosom  55 Morbus Basedow  150
Komplementreaktion  35 Lysozym  34 Morbus Bechterew  144
Komplementsystem  6, 35, 36, 37, 38, 39 Morbus Bruton  226
–– Funktionen  36 Morbus haemolyticus neonatorum  119
–– Regulatoren  38
Komplementtest  246
M Morbus Reiter  144
MRSA-Infektionen  137
Konditionierung  191, 193, 194, 195 MacFarlane Burnet, Sir F.  256 mucosa-associated lymphoid tissues  27
–– des Immunsystems  193, 194 MAdCAM-1  82, 110 mucosaassoziierte Mastzelle  19
Konduktorinnen  227 Mais  214 mucosa(schleimhaut)assoziiertes lymphatisches
Konduktorinnennachweis  228 Major Basic Protein  44, 134 Gewebe  27
Konjugatimpfstoff  139, 205 major histocompatibility complex  52 Multiple Sklerose  144, 151
Kontaktallergen  161 Makrophage  5, 21, 45, 61 multipotente hämatopoetische Stammzelle  16
konventionelle dendritische Zelle  64 –– Antigenpräsentation  61 Muromonab  253
Kopplungsungleichgewicht  180 Makrophagen-Theorie der Depressionen  190 Mustererkennungsrezeptor  5, 145
Kostmann, R.  225 Makropinocytose  55 Myasthenia gravis  144, 150
Kostmann-Syndrom  225 Malaria  123 Mycobacterium tuberculosis  130, 145
Krebserkrankung  169, 204 MALT  27, 30 Mycophenolat-Mofetil  186
–– im Alter  204 Mannoserezeptor  38 myeloide dendritische Zelle  64, 65
–– pathogeninduzierte  169 Masern-Mumps-Röteln-Impfung  139 myeloische Zell-Linie  18
Kreuzpräsentation  56 Masernvirus  145 Myeloperoxidase-Defekt  224, 225
Kreuzreaktivität  132, 241 MASP  35 M-Zelle  16, 30
268 Stichwortverzeichnis

N Pathogene  40
–– intrazelluläre Abtötung  40
Pro-B-Zelle  22
professionelle antigenpräsentierende Zelle  60,
NADPH-Oxidase  42, 43 Pathogenerkennung  45 64
Natalizumab  253 Pathogenitätsfaktor  127, 128 Progesteron  208
natürliche Killerzelle  5, 6 pattern recognition receptor  45 –– Einfluss auf das Immunsystem  208
negative Selektion  9, 24, 27 PD-1  67 Prokaryotenzelle  3
Neisserien  223 Penicillin  236, 237 Properdin  37, 38, 39
Nephelometrie  241 Penicillinallergie  237 Properdinweg  37
Neutropenie  225 Pepsin  81 Prostaglandine  155
–– angeborene  225 Peptidfragment  54 Proteasom  54
–– cyclische  225 –– Transport  54 Proteinphosphatase  90
neutrophile Granulocyten  5, 18, 20, 38, 40, 42, Perforin  48 Proteintyrosinphosphatase  92, 93
43, 201 periphere lymphatische Organe  27 protektiver Titer  126
–– altersbedingte Veränderungen  201 periphere Toleranz  113, 142 Protozoen  3
Neutrophil extracellular traps  43 perniziöse Anämie  144 PRR (pattern recognition receptor)  2, 45, 60, 64
Nickel  161 Pertussisimpfung  139 P-Selektin  109
Nicotin  211 Pertuzumab  253 Pseudoallergie  237
NKp46  47 Peyer-Plaques  10, 30 psychische Krankheiten  192
NKT-Zellen  26 Phago/burst-Assay  248 –– Therapie mittels Immunmodulation  192
NK-Zelle  5, 6, 22, 46, 47, 48, 117, 132, 169, 199 Phagocytendefekte  226 PUFA  216
–– im Alter  199 –– angeborene  226 pulmonale Toleranz  41
–– Tötungsmechanismus  48 Phagocytose  38, 40, 41, 55, 129
–– uterine  117 –– Coiling-  129
NK-Zell-Rezeptor  47
N-Nucleotid  96, 98
Phagocytosedefekt  225
Phagocytosetest  246
Q
Nobelpreis  256 Phagosomen  38 Quincke-Ödem  156
NOD-like receptors  46 Phenylketonurie  223
nose-associated lymphoid tissue  27 Phosphatasen  90
Notch 1  8 Phosphorylierung  90 R
physikalische Schutzmechanismen  5
RAG-1  95
O
Phytoöstrogen  217
Phytosterine  217 RAG-2  95
Pilze  3 Ranibizumab  173, 253
Ofatumumab  253 Rauchen  209
Pirquet, C. v.  154
OKT3  186 reaktive Sauerstoffspezies  40
Placebo-Effekt  191
Omalizumab  164, 253 reaktive Stickstoffspezies  42
plasmacytoide DC  61
Omenn-Syndrom  230 Recall-Antigene  202
plasmacytoide dendritische Zelle  22, 64, 65
Opsonisierung  36, 37, 38, 83 recombination activating gene  95
Plasmazelle  75
orale Toleranz  115 recombination signal sequence  94, 95
platelet activating factor  154, 155
Osteoklasten  45 regulatorische T-Zelle  113, 114, 115, 143
Plazenta  116, 117, 118
Östrogen  144, 208, 210 retinoic acid-related orphan receptor γt  114
Pneumokokkenimpfung  139
–– Einfluss auf das Immunsystem  208, 210 Retinol  212
Pneumonie  204
Östrogenrezeptor-α  144 Rezeptor  90
P-Nucleotide  96, 98
Östrogenrezeptor-β  144 Rezeptor-Editing  9, 22
Pocken  13
outside-in-signaling  112 rezeptorvermittelte Endocytose  55
Pockenimpfung  138
OX40  68 Rhesusantigen D  61
Polioimpfung  138
oxidative burst  37, 40, 42, 248 rheumatoide Arthritis  144, 147, 150
Poliomyelitisimpfung  139
Poliovirus  145 Richet, C.  256
RIG-I-like receptors  46
P polycyclische aromatische Kohlenwasserstof-
fe  236 Rilonacept  253
RISC  91
polymorphkernige Granulocyten  18
P3-Protein  145 Rituximab  159, 173, 253
polyunsaturated fatty acids  216
pack years  209 RNA-Interferenz  91
Porter, R.  76, 256
Palivizumab  252, 253 Röntgenkontrastmittel  236
positive Selektion  9, 22, 26
PALS (periarteriolar lymphoid sheath)  29 Rotavirenimpfung  139
Postexpositionsprophylaxe  137
PAMP (pathogen-associated molecular pat- Röteln  232
Prä-B-Zelle  22
tern)  2, 45, 64 rote Pulpa  29
Prasad, A.  214
Pandemie  132 rotes Knochenmark  17
Prä-T-Zell-Rezeptor  25
Panitumumab  253
Prä-T-Zell-α-Kette  25
Papain  81

S
Präzipitation  78
Papillomavirus  145
precursor-DC  64
Parasit  83
Prick-Test  164
–– Abwehr mehrzelliger  83 Sandwich-ELISA  242
Primärantwort  125, 126
paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie  224, Säureschutzmantel  133
Primärfollikel  29
226 Scavenger-Rezeptor  38
Primärinfektion  126
Passiv-aktiv-Immunisierung  139 SCF  104
–– vs. chronische Infektion  126
passive Immunisierung  127, 137 Scharlach  125
Priming  10, 67, 142
pathogen-associated molecular patterns  45 Schizophrenie  190, 191, 192
Probiotika  216
269 N–U
Stichwortverzeichnis

Schlaf  218
Schlafentzug  218
T –– autologe  176
–– isogene  176
Schmetterlingserythem  150 Tacrolimus  186 –– von Knochenmark  185
Schwangerschaft  116, 117, 118, 119 TAP  54 –– Xeno-  176
Schwellenwert  135, 136 Tapasin  54 Transplantationsart  177
schwere Kette  76 TCR-abhängige Signalwege  92 Trastuzumab  173, 253
Schwermetall  236 TCR rearrangement excision circles  95 Treponema pallidum  192
SCID  230 TCR-Signaltransduktion  93 Tropenkrankheit  123
SCID-Varianten  230 TD-Antigen  72 Trophoblastenzelle  118
Second Messenger  90 Terminale Desoxyribonucleotidyl-Transferase  96 Trophoblastzelle  118
sekretorische Komponente  80 Testosteron  208 Tryptase  134, 154
Sekundärantwort  87, 126, 195 –– Einfluss auf das Immunsystem  208 Tuberkulintest  161, 162
–– konditionierte  195 Tetanusimpfung  139 Tumor  170, 171, 173
sekundäre Granula  42 Tetanustoxin  129 –– Abwehrmechanismen gegen das Immunsys-
sekundäre Immunantwort  12 T-Gedächtniszelle  86 tem  170, 171
sekundärer Pflanzenstoff  216, 217 TGF-β  104, 171 –– passive Immunisierung  173
Selbst-Toleranz  115 TH0-Zelle  70 Tumorabwehr  169
Selektine  109, 112 TH1/TH2-Konzept  71 tumorassoziiertes Antigen  168
selektiver IgA-Mangel  229 TH1-Zelle  10, 12, 68, 69, 70, 71, 82, 84, 131 tumor infiltrating lymphocytes  173
Selen  212, 216 TH2-Zelle  10, 11, 12, 68, 69, 70, 71, 83, 84, 85 tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing
Selenmangel  216 TH3-Zelle  114 ligand).  48
SENIEUR-Alte  198 TH17-Zelle  10, 12, 68, 69, 70, 71, 82, 83, 129, 151 tumorspezifisches Antigen  168
septische Granulomatose  226 T-Helferzelle  71 Tumortherapie  171, 172, 173
Serin-Protease  155 –– Subpopulationen  71 –– immunologische  171
Serokonversion  74 Thrombocyt  17 –– T-Zell-basierte Therapie  173
Serologie  241 Thrombopenie  242 Tumorüberwachung  168
Serotonin  190 Thymidin  97 Tumorzelle  170
Serumkrankheit  137, 159 Thymocyten  8, 16, 25 –– Selektion durch das Immunsystem  170
severe combined immune deficiency  230,  Siehe Thymus  7, 9, 24, 25, 26 T-Vorläuferzelle  25
SCID thymusabhängiges Antigen  72 Typ-1-Allergie  154, 157, 164
signal transducers and activators of transcripti- thymusunabhängiges Antigen  72 –– Nachweis  164
on  102,  Siehe STAT TI-Antigen  72 Typ-1-Diabetes  144, 147, 151
Signaltransduktion  90 TLR-1  46 Typ-1-Interferone  105, 146
Signalverstärkung  90 TLR-2  45, 46, 146 Typ-2-Allergie  158, 159
Simultanimpfung  139 TLR-3  46, 57 Typ-2-Interferone  105
Sirolimus  186, 250 TLR-4  46, 146 Typ-3-Allergie  158, 159, 160
Snell, G.  256 TLR-5  46 Typ-3-Interferone  106
SOCS  102 TLR-6  46 Typ-4-Allergie  160, 161, 165
SOCS-Proteine  84 TLR-7  46, 64, 146 –– Nachweis  165
somatische Hypermutation  99 TLR-8  46, 146 T-Zell-Antwort  67, 68
somatische Rekombination  93 TLR-9  46, 57, 64, 146 T-Zell-Defekt  230
Spondolytis ankylosans  144 TLR-10  46 T-Zell-defiziente Mäuse  188
Sport  218 T-Lymphocyten  2, 49 T-Zelle  2, 7, 8, 11, 23, 58, 83, 113, 114, 115, 143,
Spurenelemente  212, 213 TNF-Rezeptor  107 151, 188
Stammzelle  18, 19 TNF-α  104, 110, 155 –– autoreaktive  151
–– Homing  18 TNF-α-Antagonisten  193 –– CD1-restringierte  58
Stammzellfaktor  18 Tocilizumab  253 –– cytotoxische  83
Stammzelltransplantation  174, 176 Toleranz  9, 12, 113, 115, 142 –– regulatorische  113, 114, 115, 143
Standardimmunglobuline  251 –– periphere  12, 142 T-Zell-Funktion  202
–– Substitutionstherapie  251 –– zentrale  9, 142 –– gestörte Funktion im Alter  202
Standardimpfung  138, 139 tolerogene Wirkung  171 T-Zell-Lymphome  247
Staphylococcus epidermidis  136 Toll-ähnlicher Rezeptor  45, 46, 145, 146 –– cutane  247
STAT  102 Toll-Hypothese  146 T-Zell-Reaktion  181
STAT-1-Defekt  224 Tollwutimpfung  139 –– auf fremdes HLA  181
STAT-Protein  105 Tollwutvirus  145 T-Zell-Reifung  24
Steinman, R.  21, 256 Tonegawa, S.  93, 256 T-Zell-Rezeptor  8, 92, 93
Strachan, D.  163 Tonsillen  10 T-Zell-System  201, 202
Streptococcus pyogenes  145 Totimpfstoff  138 –– im Alter  201, 202
Streptokokken  145 Toxoide  138 T-Zell-Zahl  231
Sulesomab  253 TPO  104 –– und Infektanfälligkeit  231
Superantigen  59, 146, 147 TRAIL  48
Superoxid-Dismutase  42, 43 Transfusionsreaktion  182
suppressors of cytokine signaling  84
surrogate light chains  22
transiente Hypogammaglobulinämie des Klein-
kindes  228
U
Synovia-A-Zellen  45 Transkriptionsfaktor  91 Ubiquitinierung  90
systemischer Lupus erythematodes  144, 150 Transplantatabstoßung  183 Universalempfänger  183
Transplantation  176, 185 Universalspender  183
–– allogene  176 uNK-Zelle  117, 118
270 Stichwortverzeichnis

Unterernährung  211
Ustekinumab  253
uterine natürliche Killerzelle  117,  Siehe uNK-Zel-
le

V
Vaccination  13
variabler Immundefekt  229
Varizellenimpfung  139
VDJ-Rekombination  96
Viren  3, 27, 130
–– Immunantwort gegen Viren  130
Vitamin  212
Vitamin A  212
Vitamin-A-Mangel  212
Vitamin C  212
Vitamin-C-Mangel  212
Vitamin D  212
Vitamin D3  151
Vitamin E  212, 213

W
Wagner-Jauregg, J.  192
weiße Pulpa  29
Wiskott-Aldrich-Syndrom  231

X
X-chromosomal lymphoproliferatives Syn-
drom  231
XCR1  106
XC-Rezeptor  106
Xenotransplantat  178
Xenotransplantation  176, 177, 178
X-linked Agammaglobulinämie  226, 227, 228
–– Konduktorinnennachweis  228
X-linked autoimmunity-allergic dysregulation
syndrome  115

Z
Zelladhäsionsmolekül  109, 110
zentrale Toleranz  9, 22, 113, 142
Zink  212, 214, 215
Zinkernagel, R.  256
Zinkmangel  214, 215
Zinküberschuss  215
ZNS  188, 189
–– Kommunikation mit Immunsystem  188, 189
Zellen des angeborenen Immunsystems

myeloide dendritische basophiler Granulocyt Makrophage


Zelle (DC), ruhend

myeloide dendritische eosinophiler Granulocyt natürliche Killerzelle


Zelle (DC), aktiviert (NK-Zelle)

plasmacytoide neutrophiler Granulocyt Mastzelle


dendritische Zelle (pDC) (PMN)

Zellen und Moleküle des adaptiven Immunsystems


Lymphocyten
naiv aktiviert

T-Helferzelle Plasmazelle

cytotoxische T-Zelle
(CTL) Antikörper,
Immunglobulin (Ig)
regulatorische T-Zelle
(Treg)

B-Zelle

sonstiges

Thrombocyt R S Komplementkomponente C1

Erythrocyt
inaktiv
Komplementkomponenten C2–C5; B

andere Körperzellen wie Epithelzellen, aktiviert (gespalten)


Endothelzellen, Fibroblasten

Komplementkomponenten C6–C9

MHC-I-Molekül
Antigen (Ag)

MHC-II-Molekül
Virus

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