Immunologie
Immunologie
Immunologie
Andrea Kruse
Hajo Haase
Immunologie
für Einsteiger
2. Auflage
Immunologie für Einsteiger
Lothar Rink
Andrea Kruse
Hajo Haase
Immunologie
für Einsteiger
2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage
Prof. Dr. Lothar Rink Dr. Andrea Kruse
Universitätsklinikum Aachen Inst. Immunologie Universität Lübeck Fak. Medizin
Aachen, Deutschland Inst. Systemische Entzündungsforschung
Lübeck, Deutschland
Prof. Dr. Hajo Haase
Technische Universität Berlin
Berlin, Deutschland
Springer Spektrum
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V
Gewidmet
Prof. Dr. med. Holger Kirchner
VII
Vorwort
Die Immunologie ist eines der modernsten und sich phisch oder esoterisch zu werden. Die letzten beiden
am schnellsten entwickelnden Gebiete der Lebens Kapitel beschäftigen sich dann mit den Immundefek
wissenschaften. Dies macht das Bücherschreiben in ten, -diagnostik und -therapien, Themen, die sonst
diesem Gebiet so kompliziert, da bereits während der meist nur in umfangreichen Lehrbüchern der klini
Schreibphase ein immenser neuer Erkenntnisgewinn schen Immunologie behandelt werden, aber gerade
dazukommt. Die Immunologie entwickelt sich aber auch von großem Interesse für den Einsteiger sind.
auch immer mehr zu einer Schlüsselwissenschaft in Erst das Versagen des Immunsystems verdeutlicht uns
der modernen Medizin, sodass viele Krankheiten im Alltag, wie wertvoll dieses komplizierte und den
heute über immunologische Prozesse erklärt werden gesamten Organismus überwachende Organ ist.
können und Immuntherapien sich als sehr wirksame
Strategien erwiesen haben. Somit bildet dieses Buch eine gelungene Übersicht
von der modernen molekularen Immunologie, über
Es gibt viele Lehr- und Sachbücher über Immuno die zellulären Interaktionen, bis in die praktische An
logie bzw. das Immunsystem, und so sei einleitend wendung in Alltag und Klinik. Damit dürfte das Buch
die Frage gestattet, ob man noch ein weiteres Buch für eine breite Leserschaft interessant werden, da es
braucht. Im Fall dieses Buches möchte ich die Frage die Grundlagen vermittelt und gleichzeitig spannende
eindeutig mit ja beantworten, da es sich deutlich immunologische Fragestellungen, die auch im Fokus
von den vorhandenen Büchern absetzt. Ganz in der öffentlicher Diskussionen stehen, wissenschaftlich
Tradition des Buches Cytokine und Interferone – Bo- erörtert. Bisher sind diese Themen meist nur in sehr
tenstoffe des Immunsystems, das Frau PD Dr. Andrea spezieller Fachliteratur oder aber in nichtwissen
Kruse und Prof. Dr. Lothar Rink zusammen mit ih schaftlicher Literatur im Buchmarkt vertreten, wes
rem akademischen Lehrer Prof. Dr. Holger Kirchner halb diese Kenntnisse in der Bevölkerung und bei den
verfasst haben, vermittelt auch dieses Buch Fachwis Studierenden häufig nur ungenau oder sogar falsch
sen in einer allgemeinverständlichen Art und Weise, sind. Mit dem vorliegenden Buch können Studierende
ohne dabei oberflächlich zu werden. Dies haben die der Naturwissenschaften, der Medizin und benach
beiden Autoren zusammen mit Prof. Dr. Hajo Haase barter Disziplinen mit dem notwendigen Grundwis
wieder exzellent umgesetzt und werden damit nicht sen versorgt werden, ohne dass interessierte Laien bei
nur ihrem alten akademischen Lehrer, sondern einer der Lektüre überfordert werden.
Vielzahl von Lesern eine Freude bereiten.
Eine weitere Besonderheit des Buches sind die Exper
Des Weiteren setzt dieses Buch sich durch die Aus tenboxen. Hier ist es gelungen, angesehene deutsche
wahl der Themen eindeutig von den übrigen immu Forscher aus den jeweiligen Bereichen zu gewinnen,
nologischen Büchern ab. In diesem Buch werden einen kurzen Beitrag über den aktuellen Stand der
nicht nur die immunologischen Grundlagen erklärt, Forschung und die Perspektiven im jeweiligen Feld
wie es die übrigen Bücher auch machen, sondern es zu geben. Die Beiträge verdeutlichen, dass wir in vie
werden auch Gebiete auf dem aktuellen Stand der len Fragen erst am Anfang unseres Verständnisses
Forschung besprochen, die in den meisten Lehrbü sind und dass wir in den nächsten Jahren noch viel
chern aus verschiedenen Gründen ausgelassen wer Neues aus der Immunologie zu erwarten haben. Die
den oder aber nur in Spezialliteratur vertreten sind. Expertenboxen verdeutlichen aber auch, welchen Spa
Aber gerade diese Themen sind für die Studierenden gat das Autorenteam bei der Auswahl leisten musste,
und den interessierten Laien von großem Interesse. da sich in der modernen Disziplin der Immunologie
Dabei handelt es sich um so einfache wie spannende der Kenntnisstand rasch verändert und Theorien
Fragen wie: Welchen Einfluss haben Geschlecht, Er auch wieder verworfen werden. So stellten sich neu
nährung, Rauchen, Alkoholmissbrauch, Sport oder beschriebene Zellpopulationen nach kurzer Zeit als
Schlaf auf das Immunsystem? Wie funktioniert eine Funktionszustände bekannter Populationen heraus,
Schwangerschaft immunologisch? Jeweils ein ganzes oder Prozesse wurden neu interpretiert durch die
Kapitel widmen die Autoren den Wechselwirkungen Entdeckung neuer Mediatoren und Rezeptoren. Je
von Psyche und Immunsystem bzw. den Verände der Autor eines immunologischen Buches muss dabei
rungen im Immunsystem mit zunehmendem Alter. entscheiden, welche aktuellen Erkenntnisse Bestand
Damit werden sie zum einen dem demographischen haben werden und welche möglicherweise schon bald
Wandel in unserer Bevölkerung gerecht, zum anderen wieder überholt sein werden. Ich denke, die Autoren
beschreiben sie wissenschaftlich fundiert, wie Psyche haben eine glückliche Hand bei dieser Auswahl ge
und Immunsystem zusammenhängen, ohne philoso habt, alles Weitere kann nur die Zukunft zeigen.
VIII Vorwort
Inhaltsverzeichnis
4 Antigenpräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Hajo Haase
4.1 Antigenpräsentierende Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
MHC I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Prozessierung und Präsentation endogener Antigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
MHC II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Prozessierung und Präsentation exogener Antigene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Kreuzpräsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
CD1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Superantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2 Weitere beteiligte Moleküle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
CD4 und CD8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Die Rolle costimulierender Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.3 Professionelle antigenpräsentierende Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Dendritische Zellen und Makrophagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
X Inhaltsverzeichnis
B-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
6 Molekulare Immunologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Hajo Haase
6.1 Signaltransduktion in Immunzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Grundprinzipien der Signaltransduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Wahrnehmung von präsentierten Antigenen: der T-Zell-Rezeptor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
6.2 Immungenetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Somatische Rekombination bei der Bildung von Antigenrezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Isotypwechsel von Immunglobulinen (Klassenwechsel). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98
Somatische Hypermutation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
8 Infektionsimmunologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Lothar Rink
8.1 Bedeutung der Infektionsimmunologie früher und heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
8.2 Die richtige Entscheidung zur protektiven Immunantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
8.3 Der zeitliche Ablauf von Immunantworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Primärantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Sekundärantwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
8.4 Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem bei Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Immunantwort gegen extrazelluläre Bakterien und kleine Sprosspilze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Immunantwort gegen intrazelluläre Bakterien und einzellige Protozoen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Immunantwort gegen Viren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Immunantwort gegen große Parasiten und Pilze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
8.5 Was entscheidet darüber, ob wir uns infizieren oder nicht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Die Rolle der Erregermenge bei der Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Die Rolle der Immunkapazität des Wirtes bei der Infektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Die Rolle des Eintrittsortes bei der Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
8.6 Infektionsprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Hygiene- und Schutzmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Die passive Immunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Impfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
9 Autoimmunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Andrea Kruse
9.1 Was ist Autoimmunität?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
9.2 Normalerweise verhindern zentrale und periphere Toleranzmechanismen gegen das „Selbst“
gerichtete Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Verschiedene Faktoren müssen zusammenkommen, um Autoimmunität zu erzeugen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
9.3 Einteilung der Autoimmunerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
9.4 Pathogene Mechanismen der Autoimmunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Autoantikörper gegen Antigene auf Zelloberflächen oder Antigene der extrazellulären Matrix
(Mechanismen vom Typ II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Autoantikörper gegen lösliche Antigene führen zu immunkomplexvermittelten Erkrankungen (Typ III) . . . . . . . 150
Autoreaktive T-Zellen schädigen das Gewebe direkt und aktivieren autoreaktive B-Zellen zur
Antikörperproduktion (Typ IV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
10 Allergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
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10.1 Typ-1-Allergie: Soforttyp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Häufige Typ-1-Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
10.2 Typ-2-Allergie: Allergie vom cytotoxischen Typ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Häufige Typ-2-Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
10.3 Typ-3-Allergie: immunkomplexvermittelte Allergie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
Häufige Typ-3-Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
10.4 Typ-4-Allergie: Spättyp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Häufige Typ-4-Allergien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
10.5 Allergieursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Genetische Ursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Die Hygiene-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
10.6 Behandlungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Diagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Symptomatische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Ursächliche Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
XII Inhaltsverzeichnis
11 Tumorimmunologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Hajo Haase
11.1 Erkennung entarteter Zellen durch das Immunsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
11.2 Mechanismen der immunologischen Tumorabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
11.3 Abwehrmechanismen der Tumore gegen das Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Verminderung der Antigenpräsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Tolerogene Umgebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Aktiver Angriff gegen T-Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
11.4 Immunologische Ansätze der Tumortherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Immunologische Auswirkungen konventioneller Therapien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Impfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
T-Zell-basierte Therapien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Unspezifische Aktivierung des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Stammzelltransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
12 Transplantation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Hajo Haase
12.1 Immunologische Basis der Gewebeverträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Der Haupthistokompatibilitätskomplex. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Weitere bei Transplantationen relevante Antigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
12.2 Abstoßungsreaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
12.3 Verhinderung der Abstoßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Immunsuppression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Nebenwirkungen der Immunsuppression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
13 Psychoneuroimmunologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Hajo Haase
13.1 Das Immunsystem im Stress. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Kommunikation zwischen ZNS und Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Kommunikation zwischen Immunsystem und ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
13.2 Depression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
13.3 Schizophrenie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
13.4 Placebo-Effekt und Konditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
14 Immungerontologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
Lothar Rink
14.1 Angeborenes Immunsystem im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
Granulocyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
NK-Zellen im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
14.2 Antigenpräsentierende Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
14.3 Das T-Zell-System im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
14.4 Die humorale Immunität im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
14.5 Steuerung der Immunantwort im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
14.6 Immunseneszenz und altersbedingte Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Charakteristische Infektionen im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Krebserkrankungen im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Impfungen im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
16 Immundefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Lothar Rink, Hajo Haase
16.1 Primäre Immundefekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
Defekte der angeborenen Immunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
B-Zell-Defekte und Antikörpermangelsyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
T-Zell-Defekte und SCID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
Weitere gut definierte Immundefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
16.2 Sekundäre Immundefekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
HIV und AIDS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
16.3 Immuntoxikologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Verminderte Immunreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Gesteigerte Immunreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
18 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Lothar Rink
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
CD-Tabelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
1 1
Das Immunsystem:
eine Übersicht
Andrea Kruse
1.1 Was ist Immunologie? Der größte Sprung in der Evolution des Immunsystems er-
1 folgte vor circa 350 bis 400 Millionen Jahren bei den kiefertra-
Die Immunologie beschäftigt sich mit der Abwehr von Krank- genden Fischen. Das adaptive Immunsystem tauchte plötzlich
2 heitserregern (Pathogenen) sowie anderen körperfremden Stof- auf, mit seinen herausragenden Fähigkeiten, körpereigene von
fen, beispielsweise biologischen Giften, durch den Körper. Zu körperfremden Strukturen zu unterscheiden und sich Krank-
den Pathogenen gehören Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen und heitserreger zu merken. So verfügen Knorpelfische (Haie und
3 Helminthen (▶ Exkurs 1.1). Das Abwehrsystem muss aber auch Rochen) bereits über ein organisiertes lymphatisches System mit
körpereigene funktionslose oder tote Zellen beseitigen, entste- den Hauptakteuren, den T- und B-Lymphocyten. Diese Lympho-
4 hende Tumorzellen unschädlich machen und nach besiegten cyten tragen spezifische Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, mit de-
Infektionen Aufbauarbeiten leisten. Der Erfolg der körpereige- ren Hilfe sie fremde Substanzen aufspüren können. Fremdstoffe
5 nen Abwehr, unseres Immunsystems, beruht auf einem äußerst (Antigene) werden, sofern sie eine spezifische Immunantwort
raffinierten Zusammenspiel verschiedener Gruppen mobiler auslösen, als Immunogene bezeichnet. Die stärksten und wich-
Immunzellen, Navigationssystemen, löslicher Botenstoffe, spe- tigsten Antigene sind Eiweiße (▶ Exkurs 1.2). Jeder Lymphocyt
6 zifischer Antikörper, aktivierender, aber auch die Immunant- trägt Tausende Kopien eines spezifischen Antigenrezeptors auf
wort unterdrückender Proteine. Die einzelnen Akteure arbeiten seiner Oberfläche und ist somit spezifisch für nur ein bestimmtes
7 zusammen zum Wohl des Körpers. Sie zerstören und entfernen Antigen. Er unterscheidet sich damit in seiner Rezeptorspezifi-
alles, was nicht zum Selbst gehört. In der Regel geschieht dies mit tät von allen anderen Lymphocyten des Körpers. Diese Vielfalt
einer 100-prozentigen Erfolgsrate. wird während der Entwicklung eines jeden Lymphocyten durch
8 einen eleganten genetischen Mechanismus erzeugt, mit dessen
Hilfe die spezifische Antigenbindungsstelle der Rezeptoren nicht
9 1.2 Seit wann gibt es ein Immunsystem? von einem einzigen Gen, sondern von mehreren Gensegmenten
codiert wird. Im Laufe der Entwicklung eines jeden Lymphocy-
10 Das Erfordernis eines Organismus, sich gegen Pathogene zu ver- ten werden diese Gensegmente in seinem Genom umgruppiert
teidigen, ist schon sehr früh in der Geschichte des Lebens ent- und zu einer kompletten Sequenz zusammengebaut. Diese nur in
standen (. Abb. 1.3). Bereits mit dem Auftreten der ersten Viel- Lymphocyten stattfindende Umgruppierung der DNA bezeich-
11 zeller vor 500 bis 600 Millionen Jahren begann die Evolution des net man als somatische Rekombination. Die zugrunde liegenden
Immunsystems. Zunächst in Form von löslichen Proteinen, den Mechanismen werden in ▶ Kap. 6 beschrieben. Man geht davon
12 sogenannten Defensinen, die der Abwehr von Bakterien, Pilzen, aus, dass das plötzliche Auftreten der adaptiven Immunantwort
Toxinen und Viren dienten. Ein weiterer wichtiger Verteidigungs- in der Evolution durch ein springendes Gen, ein sogenanntes
mechanismus der einfachen Vielzeller bestand in Fresszellen Transposon, ermöglicht wurde, das sich in ein Rezeptor-Gen ein-
13 (Phagocyten), die Bakterien mit ihrer Plasmamembran umschlos- gefügt hat und dort die Fähigkeit zur Genumlagerung etablierte.
sen und in ihrem Innern verdauten, ein Vorgang, der Phagocytose T-Lymphocyten (oder auch T-Zellen) reifen im Thymus. Von
14 heißt. Um Pathogene erkennen zu können und damit die Phago- diesem Organ haben sie auch ihren Namen: thymusabhängige
cytose zu ermöglichen oder zumindest zu erleichtern, entwickel- Zellen. B-Lymphocyten (oder auch B-Zellen) entwickeln sich da-
15 ten sich sogenannte Mustererkennungsrezeptoren (PRR, pattern gegen im Knochenmark (engl. bone marrow). Benannt wurden
recognition receptor), die auf der Oberfläche der Phagocyten ex- sie aber nach der Bursa fabricii, einem nur bei Vögeln vorkom-
primiert werden. Sie binden an stark konservierte Strukturen auf menden lymphatischen Organ im Bereich der Kloake. Bei den
16 Krankheitserregern, den pathogenassoziierten molekularen Mus- antigenspezifischen Rezeptoren der B-Zellen handelt es sich um
tern (PAMP, pathogen-associated molecular pattern). Konserviert Antikörper (▶ Exkurs 1.3), die auch Immunglobuline genannt
17 bedeutet, dass sie in der Evolution kaum verändert wurden, da werden. Diese membrangebundenen Immunglobuline erken-
sie für die Mikroorganismen lebensnotwendig sind. Das Gleiche nen die dreidimensionale Struktur von Antigenen, die außerhalb
gilt auch für die Rezeptoren, die sie erkennen. Sie sind in allen von Zellen vorkommen. Der Rezeptor der T-Zellen ist dagegen
18 Tierstämmen zu finden und kommen auch auf Immunzellen der auf Antigene spezialisiert, die mithilfe spezieller Glykoproteine
Säugetiere vor. Diese Mustererkennungsrezeptoren auf der Ober- auf der Oberfläche von Körperzellen präsentiert werden. Diese
19 fläche der Phagocyten sind an sehr alte Signalübertragungswege Glykoproteine bezeichnet man als MHC-Moleküle. Sie werden
gekoppelt. Eine Bindung an PAMP der Erreger aktiviert die Im- von einem Genkomplex codiert, dem Haupthistokompatibilitäts-
20 munzellen zur Phagocytose und zur Freisetzung antimikrobiell komplex (MHC, major histocompatibility complex). MHC-Mole-
wirkender Faktoren. Zu diesen Mustererkennungsrezeptoren küle werden in zwei Klassen unterteilt: MHC-Klasse-I-Moleküle,
gehören Lektine, aber auch die Toll-ähnlichen Rezeptoren (TLR, die auf allen kernhaltigen Zellen vorkommen, und MHC-Klas-
21 Toll-like receptor), die zunächst bei der Taufliege Drosophila, spä- se-II-Moleküle, die nur auf antigenpräsentierenden Zellen expri-
ter aber bei allen möglichen Arten von Pflanzen bis zum Säugetier miert werden. Die Gene des MHC sind besonders polymorph,
22 nachgewiesen werden konnten. Im Lauf der Evolution ergänzten das heißt, es gibt innerhalb einer Population sehr viele Varian-
weitere Effektormechanismen, wie zum Beispiel Komplement- ten, deren Produkte das Antigen unterschiedlich gut präsentieren
komponenten, Komplementregulatorproteine, Adhäsionsmole- können. Deshalb sind niemals alle Individuen einer Population
23 küle, chemotaktische Faktoren und lösliche Botenstoffe in Form gleichermaßen anfällig für ein Pathogen (▶ Kap. 4). Epidemien
von cytokinähnlichen Proteinen, die ersten Verteidigungsstrate- werden dadurch immer von einer bestimmten Anzahl von In-
gien der wirbellosen Tiere und der Urchordaten. dividuen überlebt. Auch die MHC-Moleküle traten in der Evo-
1.2 • Seit wann gibt es ein Immunsystem?
3 1
Bakterien
Hefen
Schimmelpilze
Trypanosomen
1 Alter in
Mio. Jahren
Quartär
2 Neogen
1,9
Tertiär 23
Paläogen
3 Kreide
65
135
Jura
4 erste Säugetiere
Trias
195
235
Perm
5 Karbon
290
erste Landwirbeltiere 340
Devon plötzliches Auftreten des adaptiven Immunsystems
6 erste Fische mit Kiefer
Silur
400
440
Ordovizium
7 Kambrium
500
9 .. Abb. 1.3 Die Evolution des Immunsystems. Das Immunsystem lässt sich in zwei Systeme untergliedern. Das angeborene Immunsystem ist früh in der
Evolution entstanden, wahrscheinlich zusammen mit den ersten komplexen Vielzellern. Ihre Zellen verfügen über Mustererkennungsrezeptoren, die direkt im
10 Genom codiert sind. Diese erkennen konservierte, weit verbreitete pathogenassoziierte molekulare Muster. Das andere System ist das adaptive Immunsys-
tem, das plötzlich vor ungefähr 400 Millionen Jahren bei den kiefertragenden Fischen (Kiefermäuler) auftrat. Mithilfe seiner spezifischen Rezeptoren kann es
auf alle Erreger reagieren. Diese Vielfalt wird im Lauf der Entwicklung der Lymphocyten durch die als somatische Rekombination bezeichnete Umlagerung der
11 DNA ermöglicht. Die daran beteiligten Gene treten erst bei den kiefertragenden Fischen auf. Andere Tierstämme wie die Gliederfüßer (zum Beispiel Insekten)
und Stachelhäuter (zum Beispiel Seesterne) haben dagegen andere genetische Mechanismen entwickelt, um ein größeres Pathogenspektrum zu erkennen
Augenlid
Lysozym in den
meisten Sekreten
Flimmerhärchen
in den
Atemwegen
Becherzellen Flimmerepithel
Darm
α-Defensine den Mastzellen der Schleimhäute und Bindegewebe. Charakte-
ristisch für diese Zellen sind die cytoplasmatischen Granula. Sie
enthalten Enzyme und toxische Substanzen, die nach Aktivie-
kommensale
Keime in Darm
rung der Zellen auf den Erreger ausgeschüttet werden. In den
und Vagina entwickelten Ländern, in denen Infektionen mit wurmartigen
Parasiten äußerst selten auftreten, sind diese Zellen maßgeblich
an allergischen Reaktionen beteiligt (▶ Kap. 10).
Um eine Infektion erfolgreich bekämpfen zu können, brau-
chen die neutrophilen Granulocyten Unterstützung. Und die
bekommen sie durch die kurze Zeit später einwandernden Mo-
.. Abb. 1.4 Äußere physikalische und biochemische Schutzmechanismen. nocyten (2–7 % der zirkulierenden Leukocyten). Diese reifen
Sie verhindern das Eindringen der meisten Mikroorganismen in den Körper.
im Gewebe zu Makrophagen heran. Makrophagen erkennen
(Verändert nach Roitt, Brostoff und Male.)
wie alle Phagocyten Pathogene mit speziellen Rezeptoren, den
Mustererkennungsrezeptoren (PRR), die früh in der Evolution
Das angeborene Immunsystem ist die erste entstanden sind und sich in deren Verlauf kaum verändert haben.
Verteidigungslinie des Körpers Zu den Phagocyten gehören auch die dendritischen Zellen. Sie
sind Unterhändler zwischen dem angeborenen und dem adap-
Die Zellen des angeborenen Immunsystems tiven Immunsystem, denn sie überbringen den T-Lymphocyten
Überwinden Pathogene die äußeren Schutzbarrieren und drin- nicht nur die Nachricht von einer Infektion, sondern geben auch
gen in den Körper ein oder verdrängen Tumorzellen gesundes genauere Informationen über Ort, Art und Stärke einer Entzün-
Gewebe, werden Körperzellen verletzt und lokale Immunzellen dung und entscheiden, welche Immunantwort aufgebaut wird.
aktiviert. Dadurch werden Substanzen freigesetzt, die zu einer Dendritische Zellen und Makrophagen sind zudem hochaktive
erhöhten Durchblutung des beteiligten Gewebes führen, die Blut- Produzenten von Cytokinen, die wiederum zur Einwanderung
gefäßwände durchlässiger machen und die Einwanderung weite- und/oder Aktivierung weiterer Immunzellen führen. Die dendri-
rer Immunzellen bewirken. Spezielle Adhäsionsmoleküle auf der tischen Zellen und ihre Funktionen werden in ▶ Abschn. 5.1 nä-
Innenseite der Blutgefäßwände und Chemokine unterstützen die her beschrieben.
Rekrutierung der Immunzellen (▶ Kap. 7). Eine wichtige Zellpopulation zur Bekämpfung intrazellu-
Die ersten Zellen, die an den Infektionsort gelangen, sind lär lebender Parasiten (Viren, einige Bakterien und Protozoen)
verschiedene Arten von Fresszellen, die sogenannten Phagocy- und Tumorzellen sind die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen).
ten. Dazu gehören die neutrophilen Granulocyten. Sie machen Diese Zellen eliminieren kranke Zellen durch cytotoxische
55–75 % der zirkulierenden weißen Blutkörperchen (Leukocy- Mechanismen. Eine Grundvoraussetzung ist, dass natürliche
ten) aus. Obwohl sie nur wenige Tage leben, stellen sie eine Killerzellen in der Lage sind, zwischen gesunden und kranken
wichtige Komponente der angeborenen Immunabwehr dar. Sie Zellen zu unterscheiden (. Abb. 1.6). Wie dies geschieht, ist
spüren vor allem bakterielle Infektionen auf, phagocytieren die noch nicht genau bekannt. NK-Zellen verfügen über eine Reihe
Mikroorganismen und töten sie in intrazellulären Vesikeln durch aktivierender und hemmender Rezeptoren. Die verschiedenen
bakterizide Substanzen. Dadurch verhindern sie, dass Bakterien Aktivierungsrezeptoren erkennen Kohlenhydratstrukturen auf
ins Blut gelangen und sich ungehindert im ganzen Körper aus- der Oberfläche von Körperzellen (möglicherweise auch verän-
breiten. Neben neutrophilen Granulocyten gibt es noch eosino- derte Glykoproteine bei Tumoren oder nach Virusinfektionen).
phile (2–4 %) und basophile (0–1 %) Granulocyten. Ihre Funk- Eine Bindung an diese Strukturen aktiviert die NK-Zellen dazu,
tion ist weniger gut untersucht. Ihre eigentliche Aufgabe liegt in die Zielzelle zu töten. Das wird jedoch durch die hemmenden
der Abwehr wurmartiger Parasiten, die aufgrund ihrer Größe Rezeptoren verhindert. Diese binden an MHC-Klasse-I-Mole-
nicht phagocytiert werden können. Sie werden unterstützt von küle, die wie bereits erwähnt von allen kernhaltigen Körperzel-
6 Kapitel 1 • Das Immunsystem: eine Übersicht
1 te Zelle
Tumorzelle
2 klassische
Ziel-
zelle
Ziel-
zelle
MHC-I-Moleküle
KH
3 inhibitorischer
Rezeptor
Cytotoxizität
Aktivierungs-
4 Hemmung der NK-
Zelle
rezeptor NK-
Zelle
Cytotoxizität
5
.. Abb. 1.6 Natürliche Killerzellen müssen infizierte von nicht infizierten Zellen unterscheiden können. Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) tragen auf
6 ihrer Oberfläche Aktivierungsrezeptoren, die bestimmte Kohlenhydratstrukturen (KH) auf der Zielzelle binden. Die Bindung gibt das Signal zur Abtötung der
Zielzelle mit cytotoxischen Mitteln. Die hemmenden, auch inhibitorisch genannten Rezeptoren, binden nicht antigenspezifisch an MHC-Klasse-I-Moleküle.
Bei gesunden Zellen dominieren die hemmenden Signale, sodass die Zerstörung der Zielzelle blockiert wird. Einige Viren und Tumore sind in der Lage, die
7 MHC-Klasse-I-Moleküle herunterzuregulieren. Die hemmenden Signale fallen weg, und die NK-Zelle zerstört infizierte Zellen oder Tumorzellen
len getragen werden. Diese Bindung blockiert den Abtötungs- Bereich Botenstoffe frei, die Leberzellen dazu veranlassen, in-
8 mechanismus. Ob eine Zelle durch eine NK-Zelle getötet wird nerhalb von wenigen Stunden sogenannte Akute-Phase-Pro-
oder nicht, hängt letztendlich von der Summe der Signale ab, teine zu synthetisieren. Ihre Konzentration kann auf das Hun-
9 also welcher Rezeptortyp mehr Einfluss auf die Zelle nimmt. dertfache des Normalen ansteigen. Die Akute-Phase-Proteine
Viele Tumorzellen, Viren und andere intrazellulär lebende Para- setzen sich aus einer Vielzahl löslicher Faktoren zusammen,
10 siten entziehen sich dem Zugriff des adaptiven Immunsystems, welche die Immunantwort unterstützen. Dazu gehören unter
indem sie die MHC-Klasse-I-Molekül-Expression auf der Zelle anderem C-reaktives Protein (CRP), Coeruloplasmin, Seru-
herunterregulieren. Dadurch werden sie aber anfällig gegen- mamyloid A (SAA), Lipopolysaccharid (LPS) bindendes Pro-
11 über den natürlichen Killerzellen. Denn sind keine oder nur tein (LBP), α1-Antitrypsin, Komplementproteine und einige
eine geringe Menge an MHC-Molekülen auf der Zelloberfläche Gerinnungsfaktoren.
12 vorhanden, wird die Abtötungsblockade dieser Zellen durch- Erst die Zusammenarbeit und Koordination der Zellen
brochen und sie gehen zum Angriff über. Neben der direkten des angeborenen und adaptiven Immunsystems ermöglicht
Zerstörung von Tumorzellen und virusinfizierten Zellen spielen die Überwachung des Körpers, den Aufbau und das Beenden
13 NK-Zellen eine wichtige Rolle bei der Regulation von Immu- einer Immunantwort und schließlich die Auslösung der Hei-
nantworten. Durch die Produktion von Cytokinen, vor allem lungsprozesse. Diese Zusammenarbeit wird von einer Gruppe
14 von Interferon-γ (IFN-γ), fördern NK-Zellen die Aktivierung löslicher Botenstoffe, den Cytokinen, ermöglicht. Sie werden
von Immunzellen, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind von verschiedenen Zellen (vor allem von den Immunzellen)
15 (▶ Kap. 5 und ▶ Kap. 7). nach Aktivierung freigesetzt und können je nach Cytokin auf
die Produzentenzelle selbst (autokrine Wirkung), auf benach-
Auch lösliche Faktoren gehören barte Zellen (parakrine Wirkung) und/oder auf weit entfernt
16 zum angeborenen Immunsystem liegende Zellen (endokrine Wirkung) Einfluss nehmen. Cyto-
Unterstützt werden die Zellen des angeborenen Immunsystems kine sind Glykoproteine, die ihre Botschaft über Rezeptoren
17 durch eine Vielzahl löslicher Komponenten (▶ Kap. 3). Ein sehr auf der Oberfläche der Zielzellen vermitteln. Zu den Cytoki-
wirksames System ist das Komplementsystem, das aus einer nen werden Interleukine, die Tumornekrosefaktoren, Wachs-
Reihe nicht aktiver Proteine im Blutplasma und in der extrazel- tumsfaktoren und Interferone gezählt. Je nachdem, zu welcher
18 lulären Flüssigkeit besteht. In Gegenwart von mikrobiellen Kei- Gruppe sie gehören, steuern sie die Kommunikation zwischen
men oder von Antikörpern, die an die Oberfläche der Pathogene den Leukocyten und anderen Zellen, induzieren, steigern oder
19 gebunden haben, werden die Proteine kaskadenartig aktiviert. beenden Immunreaktionen, kontrollieren die Proliferation und
Zum Schluss formiert sich auf dem Pathogen ein Membranan- Differenzierung von Zellen, regulieren die Hämatopoese (Blut-
20 griffskomplex aus Komplementkomponenten, der zur Bildung bildung) oder wirken im Falle der Interferone antiviral. Eine
von Poren in der Membran und damit zur Lyse der angegriffe- Sondergruppe der Cytokine sind die Chemokine. Dabei handelt
nen Zellen führt. Bei der Aktivierung der Komplementproteine es sich um kleine chemoattraktive Proteine, die Leukocyten ent-
21 entstehen Spaltprodukte, die andere Immunzellen anlocken und lang eines Gradienten rekrutieren und aktivieren. Zusammen
aktivieren und somit die Abwehrmechanismen verstärken. Kon mit den Adhäsionsmolekülen spielen sie eine maßgebliche Rolle
22 trolliert wird dieses System durch Komplementregulatorproteine, bei der Rekrutierung von Leukocyten zum Entzündungsort und
die eine spontane, gewebeschädigende Bindung und Aktivierung der Wanderung der Lymphocyten. Näheres über die Botenstoffe
der Komplementproteine verhindern. des Immunsystems erfahren Sie in ▶ Kap. 7. Die zellulären und
23 Eine Infektion oder Verletzung ist oftmals durch eine löslichen Komponenten des angeborenen und des im Folgen-
systemische Reaktion des Körpers begleitet, die sogenannte den besprochenen adaptiven Immunsystems sind in . Tab. 1.1
Akute-Phase-Antwort: Immunzellen setzen im geschädigten zusammengefasst.
1.3 • Unser Immunsystem
7 1
Das adaptive Immunsystem passt sich
.. Tab. 1.1 Der Aufbau des Immunsystems. Die Immunabwehr be-
der Natur des Erregers an und verfügt über
steht aus dem angeborenen, unspezifischen Immunsystem und dem
ein Gedächtnis adaptiven, spezifischen Immunsystem. Beide Systeme bestehen aus
Zellen und löslichen Komponenten, die im Kampf gegen Pathogene
Nicht immer gelingt es den Zellen und löslichen Faktoren der an- und Tumorzellen eng zusammenarbeiten.
geborenen Immunabwehr, Eindringlinge vollständig abzuwehren
Angeborene Immunität Adaptive Immunität
und zu eliminieren. Einige virusinfizierte Zellen und Tumoren
regulieren ihre MHC-Klasse-I-Moleküle nicht herunter und kön- Eigenschaften Unspezifisch Spezifisch
nen deshalb nicht durch natürliche Killerzellen getötet werden, Reagiert sofort Reagiert verzögert
manche Bakterien sind von einer Schleimkapsel umgeben und
Kein Gedächtnis Gedächtnis, dadurch
entgehen dadurch der Erkennung durch Phagocyten oder der Immunität gegen
Zerstörung durch das Komplementsystem. Die Erreger der Tu- Re-Infektion
berkulose lassen sich zwar fressen, aber nicht verdauen und leben
Reagiert bei Re-Infektion Reagiert bei Re-In-
innerhalb der Phagocyten weiter und vermehren sich dort. wie zuvor fektion schneller und
In solch einem Fall muss das adaptive (erworbene) Immun- stärker
system eingreifen. Dazu gehören die T- und B-Lymphocyten und
Lösliche Kom- Lysozym Antikörper
die von den B-Zellen produzierten Immunglobuline oder Anti- ponenten
körper. Die Lymphocyten vermögen über die spezifischen Bin- Defensine
Natürliche Killerzellen
Die zentralen lymphatischen Organe:
Hämatopoese und Reifung der Lymphocyten
zu immunkompetenten Zellen zukünftigen T-Zellen aus dem Knochenmark aus, zirkulieren im
Die roten Blutkörperchen (Erythrocyten) und die als weiße Blut und begeben sich unter der Regie chemischer Lockstoffe in
Blutkörperchen (Leukocyten) bezeichneten Immunzellen ha- den Thymus, ein unter dem Brustbein und über dem Herzen ge-
ben nur eine begrenzte Lebenszeit und müssen ständig vom legenes lymphatisches Organ (. Abb. 1.7). Warum reifen T-Zellen
Organismus ersetzt werden. Diesen Prozess der Blutzellbildung im Thymus? Im Gegensatz zu B-Zellen können T-Zellen nicht die
bezeichnet man als Hämatopoese (▶ Kap. 2). Sie findet beim dreidimensionale Struktur von Antigenen erkennen. Ihre Anti-
erwachsenen Menschen vorwiegend im Knochenmark statt. gene müssen zuvor im Innern von Körperzellen in kleine Pep-
Dort gehen aus sogenannten hämatopoetischen Stammzellen tidfragmente zerlegt werden. Man bezeichnet diesen Prozess als
myeloide und lymphoide Vorläuferzellen hervor. Aus ihnen Antigenprozessierung. Spezialisierte Glykoproteine der Wirtszelle,
entwickeln sich die zwei Hauptlinien des hämatopoetischen die MHC-Moleküle, transportieren diese Fragmente an die Zell
Stammbaums, die myeloide Zellreihe und die lymphatische oberfläche und präsentieren sie dort. Die T-Zellen erkennen ein
Zellreihe. Aus der myeloiden Reihe gehen die Erythrocyten, Peptid nur in Zusammenhang mit MHC-Molekülen (. Abb. 1.8).
Megakaryocyten (aus ihnen schnüren sich die Blutplättchen ab) Es gibt zwei funktionell unterschiedliche MHC-Mole-
und die größte Zahl der Zellen des angeborenen Immunsystems külklassen. Die MHC-Klasse-I-Moleküle kommen auf allen
hervor: eosinophile, basophile und neutrophile Granulocyten, Körperzellen vor, die einen Zellkern besitzen (und auf Throm-
Mastzellen, konventionell dendritische Zellen und Monocyten, bocyten). Sie präsentieren Fragmente, die im Cytosol der Zellen
aus denen sich im Gewebe Makrophagen entwickeln. Im lym- auftreten. Das können Fragmente von normalen körpereigenen
phoiden Ast des hämatopoetischen Stammbaums entwickeln Proteinen, aber auch Fragmente von Viren, im Plasma lebenden
sich natürliche Killerzellen, plasmacytoide dendritische Zellen, Bakterien oder Tumorantigenen sein. Die MHC-Klasse-I-Mo-
T- und B-Lymphocyten. leküle zeigen dem Immunsystem, ob eine Zelle infiziert bezie-
Während alle anderen Immunzellen mehr oder weniger ihre hungsweise verändert ist oder nicht. Peptidfragmente, die in
Reifung im Knochenmark vollenden, wandern Vorläuferzellen der MHC-Klasse-I-Moleküle eingebaut sind, werden cytotoxischen
8 Kapitel 1 • Das Immunsystem: eine Übersicht
8 Lymphknoten Urogenitalsystem
9
T-Zelle B-Zelle aber auch um Bakterien, Einzeller, Viren, Gifte, Antigene von
10 Helminthen oder Tumorzellen handeln. MHC-Klasse-II-Mo-
leküle zeigen dem Immunsystem, ob Krankheitserreger in den
Körper gelangt sind und sich außerhalb von Zellen aufhalten.
11 TCR
Ag
Ig Peptide, die in MHC-Klasse-II-Moleküle eingebaut werden,
Ag werden von CD4+-T-Helferzellen erkannt. Sie koordinieren die
12 MHC Immunantwort über Cytokine. Mehr über Antigenprozessierung,
DC Reifung von antigenpräsentierenden Zellen und die Rolle der
MHC-Moleküle erfahren Sie in ▶ Kap. 4.
13 Um der schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, körper-
fremde von körpereigenen Peptiden zu unterscheiden, die
14 .. Abb. 1.8 Antigenerkennung durch T- und B-Lymphocyten. T-Zellen zudem noch von körpereigenen MHC-Proteinen präsentiert
können mit ihrem spezifischen T-Zell-Rezeptor (TCR) nur aufbereitetes werden, müssen die T-Zellen im Thymus eine besondere Ent-
15 Antigen (Ag) erkennen, das in Form von Peptidfragmenten auf körpereigenen
MHC-Molekülen präsentiert wird. MHC-Klasse-I-Moleküle kommen auf allen
wicklung durchlaufen. Nach ihrer Ankunft bekommen die
Vorläufer der T-Zellen von den Stromazellen des Thymus ein
kernhaltigen Zellen vor und werden von cytotoxischen CD8+-T-Zellen erkannt.
Signal, das über den Rezeptor Notch 1 vermittelt wird. Es legt
16 MHC-Klasse-II-Moleküle kommen auf Immunzellen wie dendritischen Zellen,
Makrophagen und B-Zellen vor und werden von CD4+-T-Helferzellen erkannt. die Thymocyten, wie sie jetzt genannt werden, auf die T-Zell-Li-
B-Zellen tragen auf ihrer Oberfläche Immunglobuline (Ig), die auch als nie fest. Sie proliferieren zunächst und wandern dann in tiefere
17 Antikörper bezeichnet werden. Sie binden an freies Antigen (Ag), das heißt an Bereiche des Thymus, wo die Umgruppierung der Gensegmente
Proteinstrukturen auf der Oberfläche von Zellen, Bakterien, Helminthen, oder zum Aufbau des T-Zell-Rezeptors stattfindet, das sogenannte
aber an eiweißhaltige Toxine. Mithilfe bestimmter T-Helferzellen werden sie
DNA-Rearrangement. Dies erfolgt mithilfe spezieller Rekom-
18 aktiviert und differenzieren sich zu Plasmazellen, die lösliche Immunglobuline
binasen (▶ Kap. 6). 90 Prozent der Thymocyten bilden einen
bilden. Die sezernierten Immunglobuline haben die gleiche Spezifität wie die
membranständigen Immunglobuline der ursprünglichen B-Zelle T-Zell-Rezeptor, der aus einer Alpha- und einer Beta-Kette
19 besteht (α:β-T-Zellen). Nur wenige Thymocyten tragen einen
T-Zellen präsentiert. Diese cytotoxischen T-Zellen heißen auch T-Zell-Rezeptor mit Gamma/Delta-Ketten (γ:δ-T-Zellen). γ:δ-
20 CD8+-T-Zellen, nach einem für sie typischen Molekül auf ihrer T-Zellen erkennen die Antigene nicht in Verbindung mit klas-
Oberfläche. Durch sie werden kranke Zellen getötet und da- sischen MHC-Molekülen. Bedeutung und Funktion dieser Zel-
durch die Entstehungsorte neuer viraler Partikel und im Plasma len sind noch nicht vollständig verstanden. Zusammen mit dem
21 lebender Bakterien beseitigt. T-Zell-Rezeptor erscheinen CD3-Moleküle auf der Oberfläche
Die MHC-Klasse-II-Moleküle kommen dagegen nur auf den der Thymocyten, die der Signaltransduktion dienen. Die α:β-
22 sogenannten antigenpräsentierenden Zellen vor. Darunter fallen T-Zellen prägen zudem noch die Corezeptoren CD4 und CD8
die bereits erwähnten Makrophagen und dendritischen Zellen, aus, die an konservierte Bereiche der MHC-Moleküle binden
aber auch B-Zellen, die zum spezifischen Immunsystem gehören. können.
23 Sie präsentieren Peptidfragmente von Substanzen, die aus der Die α:β-T-Zellen werden nun in zwei Schritten getestet
extrazellulären Flüssigkeit aufgenommen wurden. Dabei kann es (. Abb. 1.9), ob sie für das Immunsystem und somit für den
sich wiederum um gealterte, abgestorbene körpereigene Zellen, Körper tauglich sind. Der erste Test erfolgt in der Rinde (Cor-
1.3 • Unser Immunsystem
9 1
.. Abb. 1.9 Die Ausbildung der T-Zellen im Thymus. Der Thymus ist ein zentrales lymphatisches Organ. Seine Hauptfunktion liegt in der Reifung der T-Zellen.
Nach erfolgreicher Genumlagerung erscheint bei 90 Prozent der T-Zellen ein α:β-T-Zell-Rezeptor auf der Oberfläche zusammen mit den Corezeptoren CD3,
CD4 und CD8. Es folgt eine positive und negative Selektion, bei der untaugliche T-Zellen oder potenziell autoreaktive T-Zellen eliminiert werden. In dem zwei-
stufigen Auswahlverfahren wird zunächst entschieden, ob die T-Zellen mit den eigenen MHC-Molekülen interagieren können. Zellen, die hier keine Bindung
zeigen, sterben bei der positiven Selektion durch Apoptose. Im zweiten Schritt entscheiden die Bindungsstärke und damit die Affinität zum Selbst-Peptid im
MHC-Molekül/Peptid-Komplex über das Schicksal der T-Zellen. Solche mit einer hohen Affinität zum Selbst-Peptid reagieren gegen den eigenen Körper (sind
autoreaktiv) und werden durch Apoptose ausgeschaltet (negative Selektion). Somit überleben nur T-Zellen, die die eigenen MHC-Moleküle erkennen, das dort
präsentierte Selbst-Peptid aber nicht oder nur sehr schwach. Die selektierten Rezeptoren haben somit eine mittlere Affinität zu den eigenen MHC-Molekülen
mit präsentierten Selbst-Peptid. Wird im Rahmen einer Immunreaktion das Selbst-Peptid im MHC/Peptid-Komplex durch ein Fremdantigen ersetzt, dürften
Rezeptoren mit einer hohen Affinität vorliegen.
tex) des Thymus durch die epithelialen Stromazellen. Sie tragen Auch B-Lymphocyten besitzen einen spezifischen B-Zell-Re-
auf ihrer Oberfläche MHC-Klasse-I- und MHC-Klasse-II-Mo- zeptor, der durch somatische Rekombination im Knochenmark
leküle. T-Zellen, deren T-Zell-Rezeptoren keine MHC-Mole- entstanden ist. Es handelt sich dabei zunächst um membran-
küle erkennen, sterben den Tod durch Vernachlässigung (death ständige Immunglobuline der Klasse IgM. Schafft es eine B-Zelle
of neglect). Sie bekommen keine weiteren Signale und werden nicht, einen funktionellen Antikörper auf der Oberfläche zu
apoptotisch. Nur die T-Zellen überleben, die an den eigenen exprimieren, so stirbt sie durch Apoptose (positive Selektion).
MHC mit mittlerer Affinität binden. Man spricht von einer po- B-Zellen erkennen mit ihrem Rezeptor freie oder gebundene
sitiven Selektion. Thymocyten, die mit ihrem T-Zell-Rezeptor Antigene unabhängig von MHC-Molekülen. Dennoch werden
MHC-I-Moleküle erkennen, werden zu CD8+-T-Zellen. Solche, sie im Knochenmark auf Selbst-Reaktivität überprüft. B-Zellen,
die an MHC-II-Moleküle binden, werden zu CD4+-T-Zellen. die im Knochenmark an körpereigene Strukturen binden, gehen
Diese positive Selektion bedingt auch die Selbstrestriktion von hier noch zugrunde (negative Selektion). Ändert die B-Zelle in
T-Zellen, d. h. T-Zellen können nur mit den eigenen MHC-Mole- diesem Stadium noch die Rezeptorspezifität durch einen Me-
külen interagieren. Dies bedingt, dass man eine T-Zell-Immuni- chanismus, der als Rezeptor-Editing bezeichnet wird, kann sie
tät auch nicht von einem Menschen auf den anderen übertragen dem Tod entkommen. Nur solche B-Zellen, die keine Selbst-An-
kann, während die humorale Immunität durch Antikörper im tigene erkennen, werden als reife Lymphocyten ins Blut entlas-
Rahmen der passiven Immunisierung (▶ Kap. 8) übertragbar ist. sen, wo sie zusammen mit den T-Zellen auf Wanderschaft gehen.
Der zweite Test wird durch dendritische Zellen im Mark (Me- Diese naiven B-Zellen tragen jetzt neben IgM auch IgD auf ih-
dulla) des Thymus ausgeführt. Diese wandern entweder als reife rer Oberfläche. Weitere Informationen über Antikörper sind in
Zellen in den Thymus oder entwickeln sich hier aus Stammzellen. ▶ Exkurs 1.3 und in ▶ Kap. 5 zu finden.
Die dendritischen Zellen präsentieren mithilfe von Molekülen Den Nachweis dieser Mechanismen erbrachte 1953 der eng-
beider MHC-Klassen die meisten Selbst-Antigene des Körpers. lische Transplantationsforscher Peter Medawar, der zeigte, dass
T-Zellen, die MHC-Molekül zusammen mit Selbst-Peptid er- Mäuse, die man in ihrer Embryonalentwicklung mit fremden
kennen, sterben durch Apoptose, denn sie sind potenziell auto- Geweben in Kontakt brachte, immunologisch tolerant gegen
reaktiv. Man bezeichnet diesen Prozess als negative Selektion. diese Gewebe wurden. Frank Macfarlane Burnet postulierte, dass
Nur solche T-Zellen überleben, die in der positiven Selektion an Lymphocyten, die gegen körpereigene Eiweiße reagieren, noch
den eigenen MHC binden, aber in der negativen Selektion kein vor ihrer Reifung vernichtet werden. Die Aussonderung von au-
Selbst-Peptid erkennen. Sie verlassen als naive T-Zellen (naiv, toreaktiven Lymphocyten heißt klonale Deletion. Diese Toleranz
weil sie noch keinen Antigenkontakt hatten) den Thymus und gegen den eigenen Körper wird im Knochenmark und Thymus
zirkulieren zwischen Blut und lymphatischem Gewebe auf der erzeugt, den zentralen lymphatischen Organen (. Abb. 1.9). Man
Suche nach Fremdantigen, das ihnen von körpereigenen Zellen spricht deshalb von zentraler Toleranz. Die zentralen lymphati-
präsentiert wird. schen Organe werden in ▶ Kap. 2 vorgestellt.
10 Kapitel 1 • Das Immunsystem: eine Übersicht
Exkurs 1.3: Antikörper | | von ihnen gelangen frei oder mithilfe von Zellen des angebore-
1 nen Immunsystems in das nächstgelegene lymphatische Gewebe
Antikörper oder Immunglobuline (Ig) sind Bestandteile des adap (. Abb. 1.7). Dieses lymphatische Gewebe stellt große Antigen-
2 tiven Immunsystems. Es handelt sich um Glykoproteine, die als
B-Zell-Rezeptoren auf der Oberfläche der B-Lymphocyten exprimiert
sammelstellen dar. Dazu gehören die Lymphknoten, die Tonsil-
werden. Nach Bindung des Antigens und Aktivierung, differen- len, die Milz und das lymphatische Gewebe der Schleimhäute
mit den Peyer-Plaques des Darms: Sie alle werden im Gegensatz
3 ziert sich die B-Zelle zur Plasmazelle. Diese scheidet nun lösliche
Antikörper der gleichen Antigenspezifität in großen Mengen in zu Knochenmark und Thymus, dem zentralen oder primären
die umgebende Körperflüssigkeit aus. Man unterscheidet fünf lymphatischen Gewebe, als periphere oder sekundäre lymphati-
4 Antikörperklassen: Immunglobulin M (IgM), Immunglobulin G (IgG),
Immunglobulin A (IgA), Immunglobulin D (IgD) und Immunglobu-
sche Gewebe bezeichnet (▶ Kap. 2).
lin E (IgE). Trotz struktureller Unterschiede gehen die Antikörper Der Transport der Antigene erfolgt vor allem mithilfe der
5 der einzelnen Klassen auf ein gemeinsames Grundmodell zurück. dendritischen Zellen und Makrophagen. Haben sie ein Pathogen
Sie besitzen eine Y-förmige Gestalt, die aus zwei leichten und zwei gefressen, machen sie sich auf den Weg in das nächstgelegene
schweren Ketten aufgebaut ist (. Abb. 1.10). Die Arme des Y bilden lymphatische Gewebe (. Abb. 1.11). Mithilfe von Chemokinen
6 an ihren Enden die Antigenbindungsstellen. Sie binden beide das
wandern dendritische Zellen dort in eine Zone, in der ausschließ-
gleiche Epitop des Antigens. Der Stamm des Y, der Fc-Teil, ist für
die Funktion des Antikörpers zuständig. Je nach Antikörperklasse lich T-Zellen nach Antigen suchen: die sogenannte T-Zell-Zone.
7 aktiviert er das Komplementsystem, vermittelt die Phagocytose oder Makrophagen sind überall im lymphatischen Gewebe verteilt,
aktiviert die Degranulierung der Mastzellen. um Antigene zu präsentieren, aber vor allem, um zu fressen. Und
das müssen sie auch, denn freie Bakterien, Viren oder Tumor-
8 zellen können die peripheren lymphatischen Gewebe erreichen
und müssen spätestens hier aus dem Verkehr gezogen werden.
9 Antigen-
bindungsstelle Die naiven Lymphocyten gelangen über das Blut in die pe-
ripheren lymphatischen Gewebe. Während die B-Zellen in die
10 B-Zell-Zone gelenkt werden, wandern T-Zellen in die T-Zell-
Zone zu den dendritischen Zellen. Dort angelangt, tasten sie
mit ihrem T-Zell-Rezeptor die MHC-Moleküle der dendritischen
11 variable
Domäne Zellen nach Antigenen ab. Das erste Treffen mit ihrem Antigen
löst die Proliferation der naiven T-Zelle und ihre Differenzie-
12 rung zur Effektorzelle aus. Man bezeichnet diesen Vorgang als
leichte Kette Priming. Er wird durch verschiedene Signale, die zwischen anti-
konstante genpräsentierender Zelle und T-Zelle ausgetauscht werden, ge-
13 Domänen Gelenk- steuert. Vor allem die von den dendritischen Zellen freigesetzten
region
Cytokine signalisieren der T-Zelle und ihren Klonen, welcher
14 Typ von Immunantwort, also welche Untergruppe an T-Zellen,
Disulfid- gebraucht wird (▶ Kap. 5).
brücke
15 Man unterscheidet verschiedene Sorten von T-Zellen. Die
cytotoxischen CD8+-T-Zellen erkennen Antigenfragmente zu-
schwere Kette
sammen mit MHC-Klasse-I-Molekülen. Ihre Aufgabe besteht
16 darin, infizierte Zellen beziehungsweise Tumorzellen zu töten.
.. Abb. 1.10 Schematische Darstellung eines Antikörpers. Ein Die CD4+-T-Helferzellen (TH-Zellen) nehmen Koordinations-
17 Antikörper besteht aus zwei identischen schweren Ketten und zwei
identischen leichten Ketten. Jede Kette enthält einen konstanten und
aufgaben wahr. Man unterscheidet verschiedene T-Helferzellen
einen variablen Teil. Die Arme des Antikörpers tragen an ihren Enden
(TH1-, TH2-, TH17-Zellen) und regulatorische T-Zellen. Diese
T-Zellen erkennen einen Komplex aus MHC-Klasse-II-Molekü-
18 die spezifischen Antigenbindungsstellen. Sie werden von den varia-
blen Teilen der leichten und der schweren Kette gebildet. Der Stamm len und Antigenfragment. Sie koordinieren die Immunantwort
des Antikörpers besteht aus den konstanten Teilen der schweren im entzündeten Gewebe, indem sie je nach Untergruppe ver-
19 Ketten und ist für die Funktion des Antikörpers zuständig. (Verändert schiedene Cytokine abgeben, die andere Zellen des Immunsys-
nach Roitt, Brostoff und Male.)
tems aktivieren oder in ihrer Funktion unterdrücken. TH1-Zel-
20 len aktivieren natürliche Killerzellen, cytotoxische T-Zellen und
Phagocyten und rufen eine zellvermittelte Immunantwort gegen
Primäre adaptive Immunantworten werden intrazellulär lebende Erreger hervor wie Viren und bestimmte
21 in den peripheren lymphatischen Organen Bakterien und Parasiten, aber auch gegen Tumore. TH1- und
ausgelöst vor allem TH2-Zellen aktivieren B-Zellen und regen sie an, ver-
22 Krankheitserreger können auf vielen Wegen in den Körper ein- schiedene Typen von Immunglobulinen (sogenannte Antikör-
dringen und an beliebigen Stellen Infektionen auslösen und das perklassen) zu bilden. Sie koordinieren somit die humorale, also
Gewebe schädigen. Auch Tumorzellen können spontan überall durch Antikörper vermittelte Immunantwort und spielen eine
23 im Körper entstehen. Doch wie finden die naiven Lymphocyten wichtige Rolle bei der Abwehr von Helminthen und extrazellu-
die winzigen Pathogene in einem aus ihrer Sicht riesigen Körper? lär lebenden Bakterien und bei der Neutralisation von Toxinen.
Alle in den Körper eintretenden Krankheitserreger oder Teile TH17-Zellen veranlassen lokale Gewebezellen, chemotaktische
1.3 • Unser Immunsystem
11 1
Ag
Wanderung der DC
in Lymphknoten B-Zell- T-Zell- Lymphknoten
Zone Zone
Ag ektor-
Phagocytose, B-Zelle
Produktion von Chemokinen, Ag-Präsentation
naive T-Zelle
Cytokinen und anderen Mediatoren, T-Zell-Aktivierung
die zusätzlich Abwehrkomponenten
T/B-Zell-
anlocken naive B-Zelle
Gewebe Interaktion
Blutgefäß
NK-Zelle DC Plasma-
zelle ektor-
T-Zellen
Makrophage
Granulocyt Lymphe geht über
efferentes Lymphgefäß und
Ductus thoracicus ins Blut
Antikörper
Blutgefäß
.. Abb. 1.11 Die spezifische Immunantwort wird bei einer Erstinfektion in den peripheren lymphatischen Geweben ausgelöst (zum Beispiel im Lymph-
knoten). Die erste Abwehrlinie im Falle einer Infektion stellen neutrophile Granulocyten, Makrophagen, NK-Zellen und lösliche Komponenten dar. Während
die angeborene Immunantwort im entzündeten Gewebe noch versucht, die Infektion in den Griff zu bekommen, werden die Pathogene, Teile von ihnen oder
bei Tumoren auch Fragmente von Tumorzellen (hier als Antigen (Ag) bezeichnet) in das nächste periphere lymphatische Gewebe gebracht (zum Beispiel den
Lymphknoten). Dort werden primäre Immunantworten ausgelöst. Der Transport erfolgt mithilfe antigenpräsentierender Zellen, allen voran der dendritischen
Zellen (DC). Diese Zellen werden durch die Aufnahme der Antigene und die Anwesenheit von Entzündungsmediatoren aktiviert. Auf ihrer Wanderung zum
Lymphknoten, die als Reaktion auf Chemokine erfolgt, reifen sie. Sie prozessieren das Antigen und präsentieren es mithilfe von MHC-Molekülen auf der Ober-
fläche. Dendritische Zellen wandern in die T-Zell-Zone. Antigene und Tumorzellen können aber auch frei in den Lymphknoten gelangen. Sie werden dort von
Makrophagen gefressen oder durch B-Zellen gebunden. Die Lymphocyten (B- und T-Zellen) gelangen über das Blut in den Lymphknoten. Die T-Zellen werden
durch Chemokine zu den dendritischen Zellen in die T-Zell-Zone gelockt, während B-Zellen in die B-Zell-Zone wandern. Erkennen die Lymphocyten mit ihren
spezifischen Rezeptoren ein Antigen und werden sie durch zusätzliche Signale (von DC bei T-Zellen oder T-Helferzellen bei B-Zellen) aktiviert, proliferieren sie
und differenzieren sich zu Effektorzellen. Diese gelangen zusammen mit Antikörpern, die von Plasmazellen ausgeschieden werden, ins Blut. Die Effektorzellen
werden durch Adhäsionsmoleküle und Chemokine in das entzündete Gewebe geleitet, wo sie in die Abwehr eingreifen. (Verändert nach Banchereau und
Steinman.)
Moleküle zu produzieren, die Granulocyten an den Ort der Ent- das entzündete Gewebe. Hier greifen sie in die Verteidigung
zündung locken (. Abb. 1.12). des Körpers ein. Welche Funktion die Antikörper übernehmen,
Sobald B-Zellen ihr Antigen gebunden haben, nehmen sie wurde bereits im lymphatischen Gewebe von der T-Helferzelle
es in ihr Inneres auf (rezeptorvermittelte Endocytose), verdauen festgelegt. Einige neutralisieren Gifte oder heften sich an Viren,
es und präsentieren Peptidfragmente mithilfe von MHC-Klas- sodass sie nicht mehr in Körperzellen eindringen können. An-
se-II-Molekülen auf ihrer Oberfläche. Im peripheren lymphati- dere erkennen die Schleimkapseln von Bakterien und machen
schen Gewebe werden sie an der Grenze zwischen T-Zell-Zone sie so zugänglich für die Phagocytose oder aktivieren das Kom-
und B-Zell-Zone festgehalten. Dort treffen sie auf antigenak- plementsystem. Einige binden auch an Mastzellen in Haut und
tivierte T-Helferzellen (gekoppelte Erkennung). Die TH1- und Schleimhaut und dienen der Beseitigung parasitischer Würmer.
TH2-Zellen signalisieren den B-Zellen, welche Art von Anti- Ein Teil der antigenspezifischen Lymphocyten wandelt sich
körper produziert werden soll. Die aktivierten B-Zellen teilen in Gedächtniszellen um, die sich Jahrzehnte, vielleicht auch das
sich zunächst viele Male. Sie wandeln sich dann in Plasmazellen ganze Leben an das Pathogen erinnern, das in den Körper ein-
um, die Antikörper gegen das erkannte Antigen herstellen und gedrungen ist. Durch diese Zellen kann bei erneutem Kontakt
ausschütten. Millionen dieser Antikörper, aber auch von Effek- mit dem gleichen Antigen der Organismus schneller und besser
torlymphocyten, verlassen das periphere lymphatische Gewebe reagieren als bei der ersten Auseinandersetzung. Eine erneute
über efferente Lymphgefäße und gelangen schließlich über den Erkrankung bleibt entweder aus oder verläuft wesentlich schwä-
Ductus thoracicus (Milchbrustgang) ins Blut und von dort in cher. Auf diesen Gedächtniszellen beruht die Immunität. Diese
12 Kapitel 1 • Das Immunsystem: eine Übersicht
1 DC
zusätzliche naive
Signale TH-Zelle
Zellvermittelte
Immunantwort:
TH1 Aktivierung von
2 Phagocyten, NK-Zellen,
cytotoxischen T-Zellen
3 DC
Humorale
TH2 Immunantwort:
Antikörper
4
5
TH17 Immunsuppression
Treg
Toleranz
6 Entzündung:
Veranlassen Körperzellen, Chemokine
und Cytokine zu produzieren. Diese locken
7 Granulocyten an, die bakterielle
Erreger bekämpfen.
8 .. Abb. 1.12 Dendritische Zellen sind Vermittler zwischen angeborener und adaptiver Immunantwort. Eine dendritische Zelle (DC) präsentiert im lympha-
tischen Gewebe einen Komplex aus Antigenpeptid und MHC-Klasse-II-Molekül. Wird dieser vom T-Zell-Rezeptor einer naiven CD4+-T-Helfer(TH)Zelle erkannt,
9 entscheiden zusätzliche Signale der dendritischen Zelle (costimulierende Moleküle und Cytokine), welcher T-Helferzelltyp für die Immunantwort gebraucht
wird. T-Helfer(TH)1-Zellen vermitteln eine zelluläre Immunantwort auf vorwiegend intrazelluläre Parasiten, TH2-Zellen eine antikörpervermittelte Immunant-
wort auf extrazellulär lebende Bakterien und andere Erreger (zum Beispiel Würmer, aber auch Allergene). TH17-Zellen vermitteln eine Entzündungsreaktion,
10 und regulatorische T-Zellen (Treg) verhindern, dass sich Immunantworten gegen körpereigene Strukturen richten. (Verändert nach Deenick und Tangye.)
sogenannte sekundäre Immunantwort wird bereits am Eintritts- Konsequenzen. Gewebe, zuweilen ganze Organe, können vom
11 ort des Erregers auslöst. Die Pathogene werden eliminiert, bevor eigenen Immunsystem geschädigt und sogar zerstört werden.
sie krank machen (▶ Kap. 5 und ▶ Kap. 8). Es entstehen Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Ar-
12 thritis, Multiple Sklerose, systemischer Lupus erythematodes
und Diabetes. Eine weitere Form der Fehlsteuerung sind Imm-
1.4 Wenn das Immunsystem krank macht unreaktionen, die gegen harmlose Antigene gerichtet sind und
13 zu unangemessenen und übersteigerten Reaktionen führen, den
Ein normal funktionierendes Immunsystem schützt uns vor sogenannten Hypersensitivitäts- oder Überempfindlichkeitsreak-
14 Krankheitserregern und Tumorzellen, ist aber gegenüber dem tionen. Die häufigste Form der Hypersensitivität sind Allergien.
körpereigenen Gewebe tolerant. Diese Toleranz wird in den zen- Hier mobilisiert das Immunsystem seine ganze Maschinerie,
15 tralen lymphatischen Organen erzeugt (zentrale Toleranz). Doch um Pollen, Hausstaub, Nahrungsmittelbestandteile, Insekten-
es kommt immer mal wieder vor, dass autoreaktive Lymphocyten gifte oder Medikamente zu bekämpfen. Diese Überempfindlich-
der Kontrolle im Thymus oder Knochenmark entgehen. Sie wer- keitsreaktionen vom Soforttyp werden durch IgE-Antikörper
16 den dann in den peripheren lymphatischen Geweben eliminiert vermittelt. Das Immunsystem kann allerdings auch zu schwach
oder ruhiggestellt. Man spricht in diesem Fall von peripherer To- reagieren und somit seiner Aufgabe, Pathogene und Tumorzellen
17 leranz, die durch verschiedene Mechanismen, wie dem Ausblei- zu eliminieren, nicht gerecht werden. Das ist bei den sogenann-
ben von Gefahrensignalen durch dendritische Zellen oder den ten Immundefekterkrankungen der Fall. In den meisten Fällen
Einsatz von regulatorischen T-Zellen, erfolgen kann. Mehr über beruhen diese Erkrankungen auf einem fehlerhaften Gen, das zu
18 die Möglichkeiten des Körpers, autoreaktive Lymphocyten in Ausfällen einer oder mehrerer Komponenten des Abwehrsystems
Schach zu halten, erfahren Sie in ▶ Kap. 5. Es gibt aber auch Be- führt. Die Immunschwäche kann aber auch erworben sein, wie
19 reiche im Körper, die aus immunologischer Sicht eine Sonderstel- im Fall von AIDS (acquired immune deficiency syndrome) durch
lung einnehmen. In diesen Regionen werden selbst Transplantate die Infektion mit HIV (human immunodeficiency virus). Patien-
20 von genetisch unterschiedlichen Spendern der gleichen Art (allo- ten mit schweren Immundefekten sterben oft an Infektionen, die
gene Transplantate) über einen langen Zeitraum, manchmal auch im gesunden Organismus keine oder nur leichte Erkrankungen
unbegrenzt, toleriert. Zu diesen immunprivilegierten Regionen auslösen. Die Prozesse, die zum Versagen des Immunsystems
21 im Körper gehören Auge, Gehirn, Hoden (Testes), Eierstock führen und dem Körper Schaden zufügen, werden in ▶ Kap. 9
(Ovar), Haarfollikel und der schwangere Uterus mit Plazenta und bis ▶ Kap. 12 und ▶ Kap. 16 beschrieben. Wie Alter, Sport und
22 Fetus, beim Hamster auch die Backentasche. Warum hier keine Ernährung die Schlagkraft unseres Immunsystems beeinflussen
Immunreaktionen im klassischen Sinn ablaufen dürfen und wie und welche Immuntherapien zur Vorbeugung von Infektionser-
sich diese Orte vor dem eigenen Immunsystem schützen, wird krankungen (Impfung; zu den ersten Impfungen siehe ▶ Ex-
23 in ▶ Kap. 7 besprochen. kurs 1.4) oder Behandlung von Fehlsteuerungen (Autoimmuni-
Versagen aber die Mechanismen der Selbst-Toleranz, richtet tät, Allergien, Transplantationen und Tumoren) zur Verfügung
sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper mit tragischen stehen, erfahren Sie in ▶ Kap. 13 bis ▶ Kap. 15 und ▶ Kap. 17.
1.4 • Wenn das Immunsystem krank macht
13 1
Exkurs 1.4: Geschichte – Immunologie ist eine junge Wissenschaft: der Beginn der immunologischen Forschung | |
Wenn wir uns mit unserer Geschichte Ehefrau des britischen Botschafters Lady Mary Jenners Methode war ein Erfolg, sie war im
befassen, können wir viel erfahren über den Wortley Montagu auf diese Methode auf- Vergleich zur Inokulation weitgehend unge-
Aufstieg und den Untergang von Kulturen, merksam und machte das Verfahren, nach der fährlich, die geimpftem Personen waren nicht
über Kriege, Eroberungen und kurze Zeiten erfolgreichen Impfung ihrer eigenen Kinder, ansteckend und die Pustelflüssigkeit verlor
des Friedens und der Ruhe. Aber die meisten in England bekannt. Doch Ende des 18. Jahr- nicht ihre Wirksamkeit, wenn sie von Mensch
Geschichtsbücher erwähnen die größten hunderts wurden die Bedenken gegen die zu Mensch übertragen wurde. Bereits Anfang
gemeinsamen Erlebnisse der Menschen Inokulation immer größer, da einige Menschen des 19. Jahrhunderts traten die ersten Impfge-
nicht: die großen Seuchen und die mit ihnen danach schwer an Pocken erkrankten. setze in Kraft. Trotzdem kam es 1870 bis 1873
einhergehende Angst, Not, Leiden und Tod. Zu dieser Zeit entdeckte Edward Jenner (1749– zu einer Pocken-Epidemie in Deutschland, der
Noch heute fordern Infektionskrankheiten 1823) ein neues Verfahren, die Kuhpockenimp- 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Es stellte
jährlich mehr Tote als alle Kriege auf der Welt fung oder Vaccination. Durch die in ländlichen sich heraus, dass eine einmalige Impfung nicht
zusammen. Über all die Jahrhunderte des Gegenden immer mal wieder auftretenden genügt, um vor den Pocken sicher zu sein.
Mittelalters hatte man den großen Infekti- Kuhpocken, infizierten sich Knechte und Nur eine erneute Impfung, eine sogenannte
onserkrankungen jedoch wenig entgegen- Mägde an erkrankten Tieren. Die Krankheit war Revaccination, schützte zuverlässig. Von nun
zusetzen, bis am Ende des 18. Jahrhunderts jedoch für den Menschen ungefährlich und an erhielten Kinder die erste Impfung bis zum
von dem englischen Landarzt Edward Jenner führte nur zu Pusteln an Händen und Armen. ersten Lebensjahr und die zweite mit zwölf
eine neue Wissenschaft begründet wurde: die Zudem war in der bäuerlichen Bevölkerung Jahren. 1980 erklärte die WHO die Pocken für
Immunologie. Zu dieser Zeit forderten neben allgemein bekannt, dass Menschen, die ausgerottet. Im Gegensatz zur weltweiten Po-
anderen Seuchen vor allem die Pocken viele zuvor an Kuhpocken erkrankt waren, von den ckenimpfpflicht, wurden und werden Impfun-
Menschenleben. Man geht davon aus, dass Menschenpocken verschont blieben. Nach gen gegen andere Infektionskrankheiten nicht
im 17. und 18. Jahrhundert fünf Sechstel aller jahrelangen Beobachtungen machte Jenner so konsequent betrieben. Die Pocken sind
Menschen an Pocken erkrankten. Allein in im Mai 1796 ein bedeutsames Experiment deswegen die einzige Infektionskrankheit, die
Europa starben jährlich über 400.000 Personen (. Abb. 1.13): Er impfte den gesunden achtjäh- bisher weltweit beseitigt werden konnte.
an dieser Viruserkrankung. Ein Kind gehörte rigen James Phipps mit der Flüssigkeit, die er Als Jenner diese Experimente durchführte,
erst dann ganz zur Familie, wenn es die Pocken aus der Pustel einer an Kuhpocken erkrankten wusste er noch nichts über Krankheitserreger.
überstanden hatte. Es ist verständlich, dass Magd entnommen hatte. Nachdem die Infek- Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts glaubte
man nach Lösungen suchte, um sich davor zu tion bei dem Jungen abgeklungen war, impfte man, dass Schmutz und faulendes Material
schützen. Eine in Asien verbreitete Methode ihn Jenner sechs Wochen später mit Eiter von selbst Maden und anderes Ungeziefer entste-
war die Variolation oder Inokulation, bei der einem Pockenkranken. Das Kind blieb gesund. hen lässt. Erst gegen Ende jenes Jahrhunderts
Pockenmaterial aus den Pusteln Erkrankter, die Da Kuhpocken nur selten auftraten, impfte wiesen Robert Koch, Louis Pasteur und andere
bereits auf dem Weg der Besserung waren, ge- Jenner erst im Jahre 1798 erneut ein Kind. Forscher nach, dass Mikroorganismen die
wonnen und gesunden Personen in den Arm Diesmal übertrug er den Pustelinhalt direkt Verursacher der Infektionskrankheiten sind
eingeritzt wurde. Ende des 17. Jahrhunderts von der Kuh auf einen fünf Jahre alten Jungen und begründeten damit die medizinische
war diese Kenntnis von Sklavenhändlern nach und von diesem Kind auf ein weiteres und von Mikrobiologie.
Konstantinopel, der Metropole des osmani- dort auf ein drittes Kind und so fort. Alle Imp-
schen Reiches, gelangt. Dort wurde 1710 die fungen führten zum Schutz gegen die Pocken.
Literatur
1
Fachbücher
2 Kirchner H, Kruse A, Neustock P, Rink L (1993) Cytokine und Interferone: Bo-
tenstoffe des Immunsystems. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
9 Immunological Investigations
Immunological Reviews
Journal of Immunology
10 Nature Immunology
Nature
Nature Medicine
11 Nature Reviews Immunology
Proceeding of the National Academy of Sciences
Trends of Immunology
12 Science
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
15 2
2.1 Die lymphatischen Organe: Wir wollen uns zunächst die zentralen lymphatischen Organe
1 eine Übersicht ansehen, die Orte, in denen unsere Immunzellen entstehen.
.. Tab. 2.1 Die lymphatischen Organe. Sie lassen sich in zentrale (primäre) und periphere (sekundäre) lymphatische Organe beziehungsweise Gewebe
unterteilen. Die Aufgabe der zentralen lymphatischen Organe ist die Blutzellbildung (Hämatopoese) und die Reifung und Selektion der Zellen des
adaptiven Immunsystems. Die peripheren lymphatischen Organe dienen dem Sammeln von Antigenen und der Präsentation der Antigene an T-Zellen,
der Kommunikation zwischen den Immunzellen und der Auslösung einer primären Immunantwort. Bei einer primären Immunantwort hat das adaptive
Immunsystem zum ersten Mal Kontakt mit einem bestimmten Erreger.
Zentrale oder primäre lymphatische Organe Periphere oder sekundäre lymphatische Organe
Thymus Milz
Knochenmark
Funktion Hämatopoese, Reifung und Selektion der B-Zel- Festhalten der Antigene
len im Knochenmark Präsentation der Antigene
Kommunikation zwischen Zellen des adaptiven Immunsystems und mit
Zellen des angeborenen Immunsystems sowie mit Stromazellen
Reifung und Selektion der T-Zellen im Thymus Induktion einer primären Immunantwort
Überlebenssignale für Plasmazellen
.. Tab. 2.2 Zellen des Blutes. Angegeben sind die Normwerte von Erythrocyten, Thrombocyten und Leukocyten bei Erwachsenen beziehungsweise
der prozentuale Anteil einiger Leukocyten-Subpopulationen, die Lebensdauer und die pro Tag gebildete Anzahl dieser Zellen.
Thrombocyt 150.000–400.000 µl −1
220 Milliarden 5–10 Tage (5 Tage)
Leukocyt 4500–8000 µl −1
von Knochenmark transplantiert. Mobilisation und Homing und gelbes Knochenmark. Die Blutzellbildung findet nur im ro
der Stammzellen wird durch Adhäsionsmoleküle, Chemokine ten Knochenmark statt.
und andere Faktoren ihrer funktionellen Umgebung gesteuert Während beim Neugeborenen fast alle Knochen rotes Kno
(. Abb. 2.1). chenmark besitzen, kommt es bei Erwachsenen nur im Innern der
platten und kurzen Knochen vor. In den Schäften der Röhrenkno
Nischen im Knochenmark chen wird es mit zunehmendem Alter durch das fetthaltige gelbe
Hämatopoetische Stammzellen sind täglich die Quelle von Mil Knochenmark ersetzt. Die inneren Hohlräume der Knochen sind
liarden neuer reifer Blutzellen (. Tab. 2.2). Nur dadurch können mit einem feinen Bindegewebe überzogen. Es wird als Endost
gealterte, kranke oder zerstörte Erythrocyten und Leukocyten bezeichnet. Vom Endost ausgehend, durchzieht retikuläres Bin
ersetzt werden. Die Mehrzahl der hämatopoetischen Stamm degewebe die Hohlräume. Außerdem werden die Knochen von
zellen befindet sich im Knochenmark und bildet hier den Aus zahlreichen Blutgefäßen versorgt, die sich im Mark zu sogenann
gangspunkt der Blutzellbildung. Fast alle Knochen enthalten ten Blutsinusoiden erweitern. Die Wände der Sinusoide werden
Knochenmark, vor allem aber die Röhrenknochen (Arm- und von einem dünnen, durchbrochenen Endothel ausgekleidet, das
Beinknochen), die platten Knochen des Schädeldachs, die Rip keine Basalmembran besitzt. Dadurch wird die Auswanderung
pen, das Becken und das Brustbein. Es füllt die Hohlräume der der im Knochenmark gebildeten Blutzellen in die Blutsinusoide
Knochen, die sogenannte Knochenmarkhöhle, und Hohlräume ermöglicht. Im Knochenmark besiedeln die Stammzellen spezi
der Knochenbälkchen (Spongiosa) aus. Man unterscheidet rotes alisierte Nischen. Signale aus der Nische unterstützen ihr Über
18 Kapitel 2 • Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren
Ductus thoracicus
6 ins Blut
Magen, Leber,
Pankreas
7
8 Lymphknoten
Verlassen der Gewebe
über die Lymphe
9
10 leben, Selbsterneuerung, Expansion und Differenzierung in reife (. Abb. 2.2). Ein Beispiel für einen Marker unreifer Zellen ist
Immunzellen. Die Nische besteht aus zellulären Komponenten CD34, das auch zum Anreichern von peripheren Stammzellen
wie Knochenbildungszellen (Osteoblasten), retikulären Stroma aus dem Blut genutzt wird.
11 zellen und Endothelzellen der Blutgefäße sowie der extrazellulä
ren Matrix, an deren Aufbau wiederum die Osteoblasten durch Die myeloische Zell-Linie
12 die Produktion von Proteoglykanen und Glykoproteinen beteiligt Aus der myeloischen (myeloiden) Vorläuferzelle entwickeln sich
sind. Es kommt ständig zu Interaktionen zwischen Stammzellen, eosinophile, basophile und neutrophile Granulocyten, Blutmo
Stromazellen und Komponenten der extrazellulären Matrix. Die nocyten und ihre gereifte Form, die Makrophagen der Gewebe,
13 Kommunikation erfolgt mithilfe von Adhäsionsmolekülen sowie myeloide dendritische Zellen (DC) und Mastzellen. Diese Leu
ausgeschiedenen Wachstumsfaktoren, Lock- und Botenstoffen. kocyten stellen den größten Teil der angeborenen, unspezifischen
14 Diese Signale können zum Beispiel zu einer Polarisierung der Immunabwehr dar. Ihre Reifungsstufen sind in . Abb. 2.2 darge
Stammzelle und zu asymmetrischen Zellteilungen führen. Wäh stellt. Außerdem entstehen in dieser Entwicklungsreihe auch die
15 rend eine Tochterzelle einen Differenzierungsstopp erhält und für den Sauerstofftransport zuständigen roten Blutkörperchen
Stammzelle bleibt, kann sich die andere Tochterzelle in Richtung (Erythrocyten) und die aus den Megakaryocyten hervorgehen
der benötigten Blutzelle differenzieren. Einer der Faktoren ist der den Blutplättchen (Thrombocyten), die für die Blutgerinnung
16 Stammzellfaktor (SCF), der auf der Plasmamembran von Stroma essenziell sind. Mit ihnen wollen wir uns hier nicht beschäfti
zellen vorkommt und das Wachstum der Stammzellen fördert. gen. Alle im Knochenmark herangereiften Zellen myeloiden Ur
17 Zusammen mit Chemokinen und Proteasen wie Mitgliedern der sprungs gelangen schließlich in den Blutkreislauf und erfüllen je
ADAM-Familie (ADAM: a disintegrin and metalloproteinase) ent nach Typ dort oder in den Geweben ihre Funktion. Wie diese
scheiden diese Signale auch über Verbleib der Stammzellen im Zellen aussehen, soll im Folgenden kurz erläutert werden und
18 Knochenmark oder deren Mobilisierung. ist in den . Abb. 2.2 und . Abb. 2.3 dargestellt. Welche Rolle ih
nen im Immunsystem zukommt, wird in ▶ Kap. 3 und ▶ Kap. 4
19 genauer beschrieben.
Die Hämatopoese
Polymorphkernige Granulocyten
20
Aus der undifferenzierten, multipotenten hämatopoetischen Polymorphkernige Granulocyten sind sehr kurzlebig und werden
Stammzelle (▶ Exkurs 2.1) gehen Vorläuferzellen hervor, die ihre je nach Subpopulation nach zwei bis zehn Tagen abgebaut. Na
21 Stammzelleigenschaften (zum Beispiel die Fähigkeit zur Selbster mengebend für diese Leukocyten ist ihr unregelmäßig geformter,
neuerung) verloren haben und deswegen eingeschränkt in ihren also polymorpher Zellkern, der in drei bis vier Segmente unter
22 Entwicklungsmöglichkeiten sind. Sie stellen die Basis für zwei teilt ist, und die reichhaltige Granulierung ihres Cytoplasmas.
verschiedene hämatopoetische Zellreihen dar, die myeloische Aufgrund der unterschiedlichen Anfärbbarkeit dieser Granula
und die lymphatische Entwicklungsreihe. Während ihrer Rei werden drei Subpopulationen unterschieden: die neutrophilen,
23 fung erlangen die Vorläuferzellen schrittweise die Funktionen, basophilen und eosinophilen Granulocyten.
die für die reifen Zellen charakteristisch sind. Eigenschaften Die neutrophilen Granulocyten stellen den größten Anteil
und Oberflächenmarker unreifer Zellen gehen dagegen verloren (55–75 %) der im Blut zirkulierenden Leukocyten dar. Sie ent
2.2 • Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
19 2
halten eine Mischung aus basophilen und azidophilen Granula, IL-5. Da eosinophile Granulocyten in der Peripherie ebenfalls
die sich nur schwach anfärben lassen und deswegen als neutro IL-5 bilden, kommt es zu einer Verstärkung der Zellproduktion
phil bezeichnet werden. Im normalen, gesunden Gewebe sind (positive Rückkopplung). Das Verlassen des Blutstroms (Ex
neutrophile Granulocyten kaum zu finden. Sie gehören zu den travasation) und die Einwanderung der eosinophilen Zellen in
wichtigsten Zellen der unspezifischen Immunabwehr im Kampf ein Gewebe erfolgt unter der strengen Kontrolle von vaskulä
gegen Mikroorganismen, vor allem gegen Bakterien. ren Adhäsionsmolekülen und den Chemokinen CCL11, CCL24
Die Funktion der basophilen und eosinophilen Granulocy und CCL26, die unter dem Begriff Eotaxine zusammengefasst
ten ist die Abwehr großer extrazellulärer Parasiten wie Würmer werden. Eotaxine scheinen auch das Wanderungsverhalten von
(Helminthen). Sie sind neben den Mastzellen auch an allergi basophilen Granulocyten zu beeinflussen.
schen Reaktionen vom Soforttyp beteiligt. Basophile Granu-
locyten, deren Granula viele saure Proteoglykane enthalten und Mastzellen
die durch basische Farbstoffe dunkelviolett bis schwarz gefärbt Die Vorläuferzellen der Mastzellen im Knochenmark und Blut
werden können, machen im menschlichen Blut nur einen Anteil sind nur unzureichend bekannt. Die Mastzellen sind typische
von 0–1 % aus. Neue Untersuchungen zeigen, dass sie möglicher Zellen der Gewebe und reifen auch hier. Untersuchungen im
weise eine zentrale Funktion bei immunologischen Reaktionen Tiermodell zeigten, dass der Stammzellfaktor, IL-3 und die von
auf bakterielle Proteine und Eiweiße aus Impfstoffen haben. Nach TH2-Zellen produzierten Cytokine IL-4 und IL-9 die Entwick
Bindung dieser Proteine setzen sie Cytokine wie Interleukin-4 lung dieser Zellen maßgeblich beeinflussen. Man unterscheidet
(IL-4) und IL-6 frei, die wiederum B-Zellen zur Antikörperbil zwei Arten von Mastzellen, die sich in ihrer Gewebeverteilung
dung stimulieren. Die Granula der eosinophilen Granulocyten und in ihren intrazellulären Granula unterscheiden. Die muco-
speichern argininreiche, basische Proteine, die durch den roten, saassoziierten Mastzellen sind im Darm und in den Atemwe
sauren Farbstoff Eosin angefärbt werden können. Durch ihre gen besonders häufig und stellen eine erste Verteidigungslinie
unterschiedlichen Granula (saure versus basische Granula) sind gegen eindringende Parasiten dar. In ihrem Innern beherbergen
basophile und eosinophile Granulocyten zur Arbeitsteilung be sie große Granula, in denen unter anderem Histamin, Heparin
fähigt. Vereinfacht ausgedrückt: Was die eine Zelle nicht töten und die charakteristische Tryptase gespeichert sind. Ihre Diffe
kann, fällt der anderen zum Opfer. Eosinophile halten sich meist renzierung ist abhängig von IL-3, das von anwesenden T-Zellen
in Geweben auf und repräsentieren nur 2–4 % der Leukocyten ausgeschieden wird. Die bindegewebeassoziierten Mastzellen
im Differenzialblutbild. Unter normalen Umständen werden Eo sind beim Menschen in der Haut und im interstitiellen Bindege
sinophile nur in sehr geringer Zahl im Knochenmark gebildet. webe der Organe zu finden. Im Gegensatz zu den Mastzellen der
Die Bildung von eosinophilen und basophilen Granulocyten Schleimhäute enthalten ihre Granula außer Tryptase auch Car
unterliegt im Knochenmark einer wechselseitigen Kontrolle, an boxypeptidase, Chymase und Cathepsin G. Ihre Differenzierung
der Cytokine wie IL-3, IL-5 und Wachstumsfaktoren wie TGF-β erfolgt T-Zell-unabhängig.
(transforming growth factor β) und GM-CSF (granulocyte-macro-
phage colony-stimulating factor) beteiligt sind. Bei Infektionen Monocyten und Makrophagen
und anderen Entzündungsreaktionen wird die Produktion der Sie stammen von Promonocyten des Knochenmarks ab und ent
eosinophilen Granulocyten erhöht und ihre Zahl steigt im Blut wickeln sich unter Einfluss verschiedener Cytokine und Wachs
dramatisch an. Verantwortlich für die vermehrte Bildung sind tumsfaktoren wie GM-CSF und M-CSF zu Monocyten, die ins
von T-Helfer-2-Zellen (TH2-Zellen) ausgeschüttete Cytokine wie Blut abgegeben werden. Dort stellen sie zwei bis sieben Prozent
20 Kapitel 2 • Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren
1 multipotente Stammzelle
Selbsterneuerung
2
gemeinsame myeloische Vorläuferzelle
3
4 Myeloblast
Knochenmark
Proerythroblast Megakaryoblast
5
basophiler eosinophiler neutrophiler
Erythroblast Promegakaryocyt Monoblast
6 Promyelocyt Promyelocyt Promyelocyt
dendritische Monocyt
der Mastzelle
Zelle
10
unreife/reife
Gewebe/lympha-
tisches Gewebe
12
13 .. Abb. 2.2 Der hämatopoetische Stammbaum. Die Leukocyten, Erythrocyten und Thrombocyten leiten sich von multipotenten hämatopoetischen Stamm-
zellen im Knochenmark ab. Die Stammzellen sind zum einen zur Selbsterneuerung fähig, zum anderen teilen sie sich und erzeugen myeloide und lymphati-
sche Vorläuferzellen. Aus der myeloiden Vorläuferzelle entstehen über mehrere Entwicklungsstufen neutrophile, basophile und eosinophile Granulocyten, Mo-
14 nocyten, myeloide dendritische Zellen, Mastzellen, aber auch die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen. In der lymphatischen Reihe werden NK-Zellen,
15
B
N
16
17
E
18
19 20 µm 20 µm 20 µm
.. Abb. 2.3 Histologische Darstellung der Immunzellen des Menschen. Charakteristisch für Granulocyten sind der polymorphe Zellkern und die starke
21 Granulierung des Cytoplasmas. Im Gegensatz zu Neutrophilen (N) können die Granula bei basophilen (B) und eosinophilen (E) Granulocyten durch ent
sprechende Färbungen deutlich dargestellt werden. Basophile Granulocyten besitzen Granula mit vielen sauren Proteoglykanen. Sie werden durch basische
Farbstoffe dunkelviolett bis schwarz gefärbt. Die Granula der eosinophilen Granulocyten sind reich an argininhaltigen, basischen Proteinen, die durch den
22 roten, sauren Farbstoff Eosin angefärbt werden können. Monocyten sind mit etwa 15 µm die größten Blutzellen. Sie besitzen einen relativ großen Anteil an
Cytoplasma und einen ovalen bis nierenförmigen Zellkern. Lymphocyten im Blut sind kleine Zellen mit großem Zellkern und wenig Cytoplasma
23
2.2 • Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
21 2
Knochenmark
lymphatische Vorläuferzelle frühe Vorläuferzelle der T-Zell-Linie
Pro-B-Zelle
weitere Entwicklung im Thymus
Prä-NK-Zelle
Thymocyt
Prä-B-Zelle
unreife NK-Zelle
unreife B-Zelle
tisches Gewebe
Blut/lympha-
plasmacytoide dendritische Zelle NK-Zelle B-Zelle CTL TH-Zelle
aktivierte T-Zellen
Gewebe
Plasmazelle
plasmacytoide dendritische Zellen (pDC) und die Zellen des adaptiven Immunsystems, die B-Zellen und die Vorläufer der T-Zellen, gebildet. Während die
B-Zellen den größten Teil ihrer Entwicklung im Knochenmark durchmachen, wandern die T-Zellen auf einer frühen Vorläuferstufe aus dem Knochenmark aus
und gelangen über das Blut zum Thymus. Dort reifen sie zu immunkompetenten T-Zellen heran. CTL: cytotoxischer T-Lymphocyt
der zirkulierenden Leukocyten dar. Mit einem Durchmesser von Stammzellen im Knochenmark ab (progenitor DC: Vorläufer
etwa 15 µm sind Monocyten die größten Blutzellen. Im mikro zelle im Knochenmark) und gelangen über das Blut (precur-
skopischen Bild zeigen sie einen relativ großen Anteil an Cyto sor DC: Vorläuferzelle im Blut) ins Gewebe und werden dort
plasma und einen ovalen bis nierenförmigen Zellkern. Ihr Cyto ortsansässig (immature oder unreife DC). Im Gewebe sind die
plasma enthält viele lysosomale Enzyme. Monocyten zirkulieren cytoplasmatischen Ausläufer der unreifen dendritischen Zellen
für etwa 20 bis 30 Stunden im Blut und wandern schließlich in fortwährend in Bewegung, strecken sich durch die tight junctions
Organe und Gewebesysteme aus. Dort reifen sie zu Makropha der Deckgewebe, werden zurückgezogen und an anderer Stelle
gen. Monocyten und Makrophagen gehören neben den Granu wieder ausgestreckt. Dadurch sind sie in der Lage, überall Anti
locyten und den dendritischen Zellen zu den Phagocyten des gene aufzuspüren. Die unreifen DC nehmen die eingefangenen
Immunsystems. Im Gegensatz zu den neutrophilen Granulocyten Antigene auf, degradieren sie in ihrem Innern, prozessieren und
sind sie langlebige Zellen. präsentieren sie auf MHC-Klasse-I- und MHC-Klasse-II-Mole
külen (▶ Abschn. 5.1). Als Reaktion auf Gefahrensignale werden
Dendritische Zellen die unreifen DC des Gewebes zu reifen DC, die nun einem che
Sie sind die dritte Phagocytengruppe des Immunsystems und motaktischen Gradienten folgend in die lymphatischen Organe
gehören zusammen mit den Monocyten, Makrophagen und wandern und dort mit T-Zellen interagieren. Neuere Untersu
den B-Zellen zu den „professionellen“ antigenpräsentierenden chungen zeigen, dass sie im lymphatischen Gewebe auch mit
Zellen des Immunsystems. Sie wurden Mitte der 1970er-Jahre B-Zellen und NK-Zellen in Wechselwirkung treten und maß
von Ralph Steinman beschrieben, der sie zuerst in der Milz geblich an deren Reifung (B-Zellen) und Aktivierung (NK-Zel
entdeckte. Ihren Namen (lat. dendriticus, verzweigt) haben sie len) beteiligt sind. DC umfassen eine sehr heterogene Gruppe
von ihren langen, fingerförmigen cytoplasmatischen Ausläu von Zellen, deren genaue Entwicklungsstufen im Rahmen der
fern, die ihnen eine sternförmige Gestalt verleihen (aber nur Hämatopoese noch unklar sind. So unterscheidet man zum
innerhalb von Geweben). DC stammen von hämatopoetischen Beispiel die CD14-negativen Langerhans-Zellen der Epidermis,
22 Kapitel 2 • Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren
Schleimhaut und Lunge von den CD14-exprimierenden inters surrogate light chains bezeichnet und entsprechen in ihrer Struktur
1 titiellen dendritischen Zellen. Auch können unter dem Einfluss der leichten Kette des B-Zell-Rezeptors, besitzen aber keine anti
des Mikromilieus der Gewebe unreife DC zu Makrophagen und genspezifischen Bindungsstellen. Sie werden also von Genen co
2 umgekehrt Monocyten zu dendritischen Zellen werden. Neben diert, die sich nicht umordnen und in jeder B-Vorläuferzelle gleich
den myeloischen dendritischen Zellen existiert auch eine kleine sind. Dieser Prä-B-Zell-Rezeptor befindet sich hauptsächlich im
Untergruppe, die einer lymphatischen Vorläuferzelle entstammt. Cytoplasma, erscheint aber auch auf der Zelloberfläche und ist mit
3 Dabei handelt es sich um die sogenannten plasmacytoiden den an der Signaltransduktion beteiligten invarianten Proteinen
dendritischen Zellen (pDC). Igα und Igβ assoziiert. In diesem Entwicklungsstadium wird die
4 B-Vorläuferzelle als große Prä-B-Zelle bezeichnet.
Die lymphatische Zell-Linie Die großen Prä-B-Zellen teilen sich rege. Danach differen
5 Die frühen lymphatischen Vorläuferzellen können zu T-Lympho zieren sie sich zu kleinen ruhenden Prä-B-Zellen. Bindungen des
cyten, B-Lymphocyten oder natürlichen Killerzellen (NK-Zel Prä-B-Zell-Rezeptors an einen noch unbekannten Liganden sen
len) werden (. Abb. 2.2). Auch die plasmacytoiden dendriti den Signale in die Zelle und führen zu Umlagerung der leichten
6 schen Zellen (pDC) entstehen in der lymphatischen Zellreihe. B-Zell-Rezeptorketten. An der Signalgebung sind die Bruton-Ty
Im Gegensatz zu den Lymphocyten des adaptiven Immunsystems rosinkinase und das Signalmolekül BLNK beteiligt. Mutationen
7 (T- und B-Zellen) besitzen NK-Zellen und pDC keinen antigen im Gen, das für die Bruton-Tyrosinkinase codiert, führen beim
spezifischen Rezeptor. Sie werden deshalb dem angeborenen, Menschen zum Bruton-Syndrom, einer Immunschwäche, bei der
unspezifischen Immunsystem zugerechnet. NK-Zellen können keine reifen B-Zellen gebildet werden (▶ Kap. 16). Durch die ange
8 trotzdem virusinfizierte Zellen und Tumorzellen von normalen stoßene Umlagerung der leichten B-Zell-Rezeptorketten wird die
Zellen unterscheiden. Wie dies geschieht, werden wir in ▶ Kap. 3 Bildung und Expression der Ersatzketten eingestellt. Aber auch die
9 betrachten. Im Folgenden soll auf die Entwicklung der Lympho Umlagerung neuer schwerer Ketten wird blockiert. Diese Blockade
cyten näher eingegangen werden. erzwingt einen Allel-Ausschluss, das heißt, innerhalb der diploi
10 Wann die Trennung in T- und B-Zell-Linie innerhalb der den Zelle wird nur eines der beiden Allele für die schwere Kette
lymphatischen Reihe erfolgt, ist noch umstritten. Möglicherweise exprimiert (das gilt auch für die leichte Kette). Dadurch wird ver
gehen die T-Zell-Vorläufer direkt aus der frühen gemeinsamen hindert, dass B-Zellen mit zwei oder mehr Rezeptorspezifitäten
11 lymphatischen Vorläuferzelle hervor. Wichtig ist, dass die frühe auf einer Zelle entstehen. Wurde eine leichte Immunglobulinkette
lymphatische Vorläuferzelle auf ihrer Oberfläche die Rezeptor aus Gensegmenten erfolgreich hergestellt, stoppen auch die Um
12 tyrosinkinase FLT3 exprimiert, die mit den Liganden FLT3L ordnungsprozesse der leichten Kette. Neben dem Allel-Ausschluss
(FLT3-Ligand) und dem Stammzellfaktor auf den Stromazellen kommt es bei den leichten Ketten noch zu einem Isotypen-Aus
in Wechselwirkung steht. Verstärkt werden diese direkten Zell- schluss, das heißt, die einzelne B-Zelle exprimiert nur einen Typ
13 Zell-Kontakte durch Adhäsionsmoleküle. Die über FLT3 gesen der leichten Kette (κ- oder λ-Kette). Es erscheinen nun vollstän
deten Signale leiten Wachstum und die weitere Differenzierung dige IgM-Moleküle auf der Zelloberfläche, die mit den beiden Si
14 der Vorläuferzelle ein. Sie exprimiert jetzt den Interleukin-7-Re gnalproteinen Igα und Igβ assoziiert sind. Die B-Zelle wird jetzt
zeptor (IL-7R). Über ihn vermittelt IL-7, das von den Stromazel als unreife B-Zelle bezeichnet. Schafft es eine B-Zelle nicht, einen
15 len im Knochenmark gebildet wird, Überlebenssignale für die funktionellen Antikörper auf der Oberfläche zu exprimieren, so
Vorläuferzellen der B- und T-Zellen. stirbt sie durch Apoptose (positive Selektion).
Unreife B-Zellen durchlaufen jetzt einen Selektionsprozess,
16 Knochenmark und B-Zell-Entwicklung bei dem die exprimierten membranständigen IgM-Moleküle
B-Zellen haben ihren Namen ursprünglich von ihrem Bildungs (B-Zell-Rezeptor) auf Autoreaktivität geprüft werden (negative
17 organ bei Vögeln, der Bursa fabricii. Dabei handelt es sich um ein Selektion) (. Abb. 2.4). Die in den zentralen lymphatischen Or
sackförmiges lymphatisches Organ am Dach der Kloake. Beim ganen (Knochenmark und Thymus) erzeugte Toleranz wird als
Menschen und bei allen anderen daraufhin untersuchten Säu zentrale Toleranz bezeichnet. B-Zellen, die keine körpereigenen
18 getieren entstehen die B-Zellen im Knochenmark, daher erhielt Antigene binden, reifen heran, verlassen das Knochenmark und
der Buchstabe B hier nachträglich die Bedeutung des englischen wandern über das Blut in die peripheren lymphatischen Organe,
19 Wortes für Knochenmark: bone marrow. wo sie neben IgM auch IgD (natürlich mit der gleichen Rezep
In der B-Zell-Reihe induziert IL-7 den B-Zell-linienspezifi torspezifität) auf ihrer Oberfläche exprimieren und zu zirkulie
20 schen Transkriptionsfaktor E2A. E2A und IL-7 führen zur Expres renden naiven B-Zellen heranreifen.
sion eines frühen B-Zell-Faktors (early B cell factor; EBF), der die Unreife B-Zellen, deren B-Zell-Rezeptoren im Knochenmark
Zellen auf die B-Zell-Reihe festlegt (. Abb. 2.2 und . Abb. 2.4). multivalente körpereigene Moleküle erkennen und dadurch
21 Die erste Zelle, die in der B-Zell-Reihe aus der lymphatischen Vor quervernetzt werden, treten entweder in den programmierten
läuferzelle hervorgeht, wird als frühe Pro-B-Zelle bezeichnet. Sie Zelltod (Apoptose) ein und werden aus dem B-Zell-Pool ent
22 beginnt mit der Umlagerung der Immunglobulingene (▶ Kap. 6). fernt oder durchlaufen ein sogenanntes Rezeptor-Editing. Bei
Es werden zunächst schwere μ-Ketten der Immunglobulinklasse diesem Prozess verändern sie ihre Rezeptorspezifität. Dies ist
M (IgM) gebildet, die jedoch nicht allein auf die Zelloberfläche möglich, weil in der unreifen B-Zelle die an der Genumlage
23 transportiert werden können. Sie verbinden sich im endoplasmati rung beteiligten Proteine noch vorhanden sind. Kommt es also
schen Reticulum der Zelle mit einem von zwei Ersatzproteinen (λ5 durch Erkennen von multivalenten Selbst-Antigenen zu einer
und VpreB) für die leichte Kette. Diese Ersatzproteine werden als Aktivierung der B-Zelle, dann geht die Umlagerung der Gene
2.2 • Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
23 2
B-Zell-Reifung im Knochenmark
Stamm- frühe Pro- späte Pro- große Prä- kleine unreife reife
zelle B-Zelle B-Zelle B-Zelle Prä-B-Zelle B-Zelle B-Zelle
Entwicklungstopp
ohne positives Signal
IgM IgD
schwere µ-Kette als intrazelluläre µ-Kette, IgM erscheint IgM und IgD
Umlagerung der Teil eines Prä-B-Zell- Umlagerung der auf der Oberfläche, auf der
a schweren µ-Kette Rezeptors; Proliferation leichten Kette Selektion Oberfläche
Ag
IgM
.. Abb. 2.4 Die Reifung und Selektion der B-Zellen. a) Reifung der B-Zellen. Am Anfang steht die hämatopoetische Stammzelle. Nachdem aus ihr hervor-
gehende Vorläuferzellen auf die B-Zell-Linie festgelegt wurden, beginnt die frühe Pro-B-Zelle mit der Umlagerung der Immunglobulingene. Sie werden in der
späten Pro-B-Zelle weitergeführt. Es werden zunächst schwere μ-Ketten gebildet. Um auf die Zelloberfläche gelangen zu können, lagern sie sich in der Zelle
mit einer Ersatzkette zusammen, die aber keine antigenspezifische Bindungsstelle besitzt. Dieser Prä-B-Zell-Rezeptor befindet sich hauptsächlich im Cytoplas-
ma, erscheint aber auch auf der Zelloberfläche und ist mit den invarianten Signalproteinen Igα und Igβ assoziiert. Die B-Vorläuferzelle wird nun als große Prä-
B-Zelle bezeichnet. Die großen Prä-B-Zellen proliferieren und entwickeln sich dann zu kleinen ruhenden Prä-B-Zellen. Diese beginnen mit der Umlagerung der
leichten B-Zell-Rezeptorketten. War die Umlagerung erfolgreich, erscheinen nun vollständige IgM-Moleküle auf der Zelloberfläche. Die B-Zelle wird jetzt als
unreife B-Zelle bezeichnet. Unreife B-Zellen durchlaufen einen Selektionsprozess, bei dem sie auf Autoreaktivität geprüft werden. b) Selektion der B-Zellen.
B-Zellen, die tolerant gegenüber körpereigenen Antigenen sind, verlassen das Knochenmark und wandern in die peripheren lymphatischen Organe. Hier voll-
enden sie ihre Reifung und stellen durch alternatives Spleißen der mRNA zusätzlich zur μ-Kette noch eine schwere δ-Kette her. Es erscheint deshalb neben IgM
auch IgD auf ihrer Oberfläche (a). Erkennt der B-Zell-Rezeptor (IgM) im Knochenmark multivalente körpereigene Moleküle, stirbt die B-Zelle entweder durch
Apoptose oder durchläuft ein Rezeptor-Editing, das heißt, die Gene für die leichte Kette werden so lange umgelagert, bis eine taugliche leichte Kette gebildet
wurde oder alle Gensegmente verbraucht sind. Reagieren unreife B-Zellen auf körpereigene kleine, lösliche Proteine mit wenigen Bindungsstellen, die zu
keiner starken Quervernetzung der B-Zell-Rezeptoren führen, werden sie reaktionsunfähig (anerg). Treffen unreife B-Zellen auf lösliche monovalente Antigene,
die keine Signalübertragung ins Zellinnere auslösen, ignorieren die B-Zellen dieses Antigen und setzen ihre normale Entwicklung fort. Sie sind potenziell
gefährlich. (Verändert nach Murphy, Travers und Walport.)
für die leichte Kette weiter. Ist der neu gebildete B-Zell-Rezeptor Während ihrer Entwicklung im Knochenmark bleiben die
nicht autoreaktiv, dann setzen die unreifen B-Zellen ihre normale reifenden B-Zellen nicht an einem Ort. Die ursprünglichen
Entwicklung fort. Reagiert auch der neue B-Zell-Rezeptor mit Stammzellen befinden sich noch am Endost, die weiteren Ent
körpereigenen Strukturen, dann gehen die Umlagerungen weiter, wicklungsstadien (späte Pro-B-Zelle, große Prä-B-Zelle, kleine
bis schließlich eine taugliche leichte Kette gebildet wurde oder Prä-B-Zelle, unreife B-Zelle) verlagern sich immer weiter zum
alle Gensegmente verbraucht sind. Bleibt die Zelle autoreaktiv, zentralen Sinus der Knochenmarkhöhle. Die Positionierung der
stirbt sie schließlich durch Apoptose. einzelnen Reifungsstadien wird von Chemokinen bestimmt.
Reagieren unreife B-Zellen auf körpereigene kleine, lösliche Nachdem die B-Zellen die Selektionsprozesse durchlaufen haben,
Proteine mit wenigen Bindungsstellen, die zu einer geringen verlassen sie das Knochenmark über die Sinusoide und wandern
Quervernetzung der B-Zell-Rezeptoren führen, werden sie anerg. über das Blut in die peripheren lymphatischen Organe und voll
Sie verlieren also ihre Reaktivität auf dieses Antigen. Sie wan enden hier ihre Entwicklung.
dern in die Peripherie, reifen, exprimieren zusätzlich IgD auf ihrer
Oberfläche, bleiben aber reaktionsunfähig und können sich in der
Regel nicht in Konkurrenz mit normalen B-Zellen behaupten. Der Thymus und die Entwicklung der T-Zellen
Treffen unreife B-Zellen auf lösliche monovalente Antigene,
die zur keiner Quervernetzung der B-Zell-Rezeptoren führen, Während sich der größte Teil der B-Zell-Reifung im Knochen
gelangen keine Signale ins Zellinnere. Die Zellen ignorieren die mark abspielt, wandern die künftigen T-Zellen auf einer sehr frü
ses Antigen und setzen ihre normale Entwicklung fort. Sie sind hen Vorläuferstufe aus dem Knochenmark aus, gelangen in das
potenziell gefährlich und können an Autoimmunerkrankungen Blut und wandern schließlich in den Thymus ein und reifen hier
beteiligt sein (. Abb. 2.2 und . Abb. 2.4). zu immunkompetenten T-Zellen heran (. Abb. 2.5). Von diesem
24 Kapitel 2 • Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren
1
DN3
2
3 subkapsuläre
Region Thymus-
doppelt negative Thymocyten
CD3–, CD4–, CD8–
epithelzelle Umlagerung des
T-Zell-Rezeptors
4 DN2
DN4
Cortex reife γ :δ -T-Zelle doppelt positive Thymocyten
5 CD3+, CD4–, CD8– CD3+, CD4+, CD8+; pTα : β
DN1 Peripherie
6 cortico-medul-
läre Grenze
doppelt positive Thymocyten
7 Blutgefäß CD3+, CD4+, CD8+; α :β -TCR
positive und
negative Selektion
8 Medulla
DC
12
13 Blutgefäß erentes
Lymphgefäß
14 Peripherie
15 .. Abb. 2.5 Entwicklung und Selektion der T-Zellen im Thymus. T-Vorläuferzellen verlassen auf einer frühen Entwicklungsstufe das Knochenmark (KM) und
wandern in den Thymus im Bereich der corticomedullären Grenze ein. Die Thymusrinde (Cortex) besteht aus unreifen Thymocyten, corticalen Thymus-Epit-
helzellen und einigen Makrophagen. Das Thymusmark (Medulla) besteht aus reifen Thymocyten, medullären Thymus-Epithelzellen, Makrophagen und
16 dendritischen Zellen. Im Thymus wandern die frühen Thymocyten in den subkapsulären Bereich der Rinde. Sie tragen noch keine typischen T-Zell-Marker wie
T-Zell-Rezeptor, CD3, CD4 und CD8. Da sie keine CD4- und CD8-Moleküle exprimieren, werden sie als doppelt negativ (DN) bezeichnet. Im DN1-Stadium proli-
ferieren sie und werden auf die T-Zell-Linie festgelegt. Im DN2-Stadium beginnen die Thymocyten ihre β-, γ- oder δ-T-Zell-Rezeptorketten umzulagern. Die Um-
17 lagerungen setzen sich im DN3-Stadium fort und entscheiden, ob die Thymocyten sich zu T-Zellen mit einem γ:δ-T-Zell-Rezeptor (γ:δ-T-Zellen) oder zu T-Zellen
mit einem α:β-T-Zell-Rezeptor (α:β-T-Zellen) entwickeln. Entsteht vor dem γ:δ-Rezeptor eine funktionelle β-Kette, erscheint diese mit einer α-Ersatzkette (pTα)
und CD3-Molekülen auf der Zelloberfläche der Thymocyten. Die Zelle wird auf die α:β-Linie festgelegt. Dieses Stadium bezeichnet man als DN4. Es folgt die
18 Expression der Corezeptoren CD4 und CD8. Die Zellen werden jetzt als doppelt positiv bezeichnet. Nach raschen Zellteilungen beginnt die Genumlagerung
der α-Kette. Die Thymocyten exprimieren nun den endgültigen α:β-T-Zell-Rezeptor. Jetzt treten die Zellen in die Selektionsprozesse ein. Die positive Selektion
findet im inneren Rindenbereich statt und wird durch die Thymus-Epithelzellen durchgeführt. All jene doppelt positiven T-Zellen müssen sterben, die mit
19 ihrem α:β-T-Zell-Rezeptor keine MHC-Klasse-I- oder MHC-Klasse-II-Moleküle erkennen. T-Zellen, die mit dem α:β-T-Zell-Rezeptor MHC-I-Moleküle erkennen,
werden zu einfach positiven CD8-T-Zellen (CD8+-T-Zellen). Solche, die an MHC-II-Moleküle binden, werden zu einfach positiven CD4-T-Zellen (CD4+-T-Zellen).
Die negative Selektion erfolgt überwiegend bei einfach positiven T-Zellen in Cortex und Mark. Reagiert der T-Zell-Rezeptor einer sich entwickelnden T-Zelle
20 auf Selbst-Peptide, die von den MHC-Molekülen im Thymus präsentiert werden, stirbt sie durch Apoptose. Die Präsentation der Selbst-Peptide erfolgt durch
DC, Makrophagen und Thymus-Epithelzellen. Immunkompetente T-Zellen verlassen nun den Thymus über Blutgefäße und efferente Lymphgefäße. γ:δ-T-Zel-
len erkennen die Antigene nicht in Verbindung mit klassischen MHC-Molekülen. Ebenfalls im Thymus entstehen NKT-Zellen, die hauptsächlich mit CD1-Mole-
21 külen interagieren und nur eine geringe Diversität haben, und CD4+-regulatorische T-Zellen (nicht gezeigt). (Verändert nach Murphy, Travers und Walport.)
22 Organ haben T-Zellen auch ihren Namen: thymus(T)-abhängige lymphatischen Organen, die ausschließlich aus dem mittleren
Zelle oder T-Zelle. Keimblatt (Mesoderm) hervorgehen, besteht der Thymus aus
Der Thymus ist ein lymphatisches Organ, das im Brustkorb hin Strukturen, die sich aus allen drei Keimblättern bilden. Er wird
23 ter dem Brustbein und über dem Herzen liegt. Er entsteht früh daher auch als lymphoepitheliales Organ bezeichnet. Beim Men
in der Embryonalentwicklung und ist ein Kopfdarmderivat aus schen ist der Thymus bei der Geburt voll ausdifferenziert und
der 3. und 4. Schlundtasche. Im Gegensatz zu allen anderen erreicht seine im Verhältnis zur Körpergröße maximale relative
2.2 • Die zentralen lymphatischen Organe: die Wiege unserer Immunzellen
25 2
Ausdehnung im Kleinkindalter. Bis zur Pubertät behält er seine CXCL12, CCL25) spielen eine entscheidende Rolle, Letztere vor
absolute Größe bei. Jetzt erreicht auch die Produktion der T-Zellen allem bei der Positionierung der Zellen innerhalb des Cortex.
ihren Höhepunkt. Danach bildet sich der Thymus zurück (Involu Die ersten Thymocyten tragen noch keine spezifischen
tion des Thymus). Das Funktionsgewebe wird immer mehr durch T-Zell-Marker wie den T-Zell-Rezeptor, CD3 oder die Core
Fettgewebe ersetzt. Bei älteren Personen bleibt nur ein Restkörper zeptoren CD4 und CD8. Sie werden bezugnehmend auf CD4
übrig, der aber immer noch T-Zellen produziert, wenn auch we und CD8 deshalb als doppelt negativ (DN) bezeichnet. Auf ihrer
nige, wie an über 100-Jährigen (Centenarians) festgestellt wurde. Oberfläche findet man stattdessen das Homing-Molekül CD44
Der vollständig entwickelte Thymus besteht aus zwei asymme und den Rezeptor des Stammzellfaktors c-Kit. Zu diesem Zeit
trischen miteinander in Verbindung stehenden Lappen, die von ei punkt wird die α-Kette des IL-2-Rezeptors (CD25) noch nicht
ner Bindegewebskapsel umgeben sind. Von der Kapsel ziehen Bin exprimiert, auch hat die Umlagerung der T-Zell-Rezeptor-Gene
degewebsstränge (Trabekel) ins Innere des Organs und unterteilen noch nicht begonnen. Dieses Stadium wird als doppelt negativ 1
jeden Lappen in Läppchen oder Lobuli. Jedes Läppchen ist in einen (DN1) bezeichnet. Nach ungefähr einer Woche beginnen sich die
äußeren Rindenbereich, den Thymuscortex, und eine innen lie Thymocyten rege zu teilen. Sie exprimieren nun CD25 auf ihrer
gende Markregion, die Thymusmedulla, unterteilt. Die Rinde be Oberfläche. Man spricht vom DN2-Stadium. Die Thymocyten
steht aus unreifen Thymocyten und untereinander in Verbindung beginnen ihre β-T-Zell-Rezeptorkette umzulagern. Die Umla
stehenden corticalen Thymus-Epithelzellen, die ein Maschenwerk gerungen setzen sich im DN3-Stadium fort. CD44 und c-Kit
bilden. Auch einige Makrophagen sind in der Thymusrinde zu werden vermindert ausgeprägt.
finden. Die Medulla besteht aus reifen Thymocyten und medullä Im Gegensatz zur B-Zelle entwickeln sich die T-Vorläufer
ren Thymus-Epithelzellen. Weiterhin kommen Makrophagen und zellen zu zwei unterschiedlichen T-Zell-Typen: T-Zellen, die
dendritische Zellen (DC) vor, die ihren Ursprung im Knochen einen γ:δ-T-Zell-Rezeptor (γ:δ-T-Zellen) auf ihrer Oberfläche
mark haben. Charakteristisch für das Thymusmark sind die Has tragen, und T-Zellen mit einem α:β-T-Zell-Rezeptor (γ:δ-T-Zel-
sall-Körperchen. Ihre Funktion ist noch nicht vollständig geklärt. len, ▶ Exkurs 2.2). Wovon hängt nun ab, in welche Linie sich eine
Möglicherweise werden hier apoptotische Thymocyten abgebaut. T-Vorläuferzelle entwickelt? In der frühen T-Zell-Entwicklung
Die arterielle Versorgung des Thymus erfolgt über kleinere werden die Gensegmente der β-, γ- und δ-Kette des T-Zell-Re
Gefäße, die aus der Arteria thoracica interna und ihren Ästen ent zeptors nahezu gleichzeitig umgelagert. Wird ein vollständiger,
springen. Das venöse Blut wird aus dem Thymus über Venolen in funktionsfähiger γ:δ-T-Zell-Rezeptor gebildet, bevor das Gen für
die Venae brachiocephalicae und die Venae thyroideae inferiores die β-Kette erfolgreich umgelagert wurde, sendet dieser Signale,
abgeleitet. Kapillaren und postkapilläre Venolen innerhalb des die weitere Umlagerungen der β-Kette stoppen. Die Zelle wird
Thymus weisen eine Blut-Thymus-Schranke auf. Der Zutritt aus auf die γ:δ-Linie festgelegt. Es bilden sich CD25−-CD4−-CD8−-
dem Blut in den Thymus wird also streng kontrolliert. Auch wird CD44−-γ:δ-T-Zellen. γ:δ-T-Zell-Rezeptor tragende T-Zellen er
der Thymus nicht von afferenten (zuführenden) Lymphgefäßen kennen die Antigene ohne gleichzeitigen Kontakt mit klassischen
versorgt. Zusammen mit der Blut-Thymus-Schranke wird so der MHC-Molekülen oder mit CD1-Molekülen. Sie wandern nach
Kontakt zu körperfremden Antigenen verhindert. Es wird aber Verlassen des Thymus in epidermale Gewebe und in den Repro
Lymphe über efferente Lymphbahnen aus dem Thymusmark in duktionstrakt. Ihre Aufgabe ist noch nicht vollständig geklärt,
die mediastinalen Lymphknoten abgeleitet. sie werden aber funktionell der natürlichen Immunantwort zu
T-Vorläuferzellen können aufgrund der Wechselwirkung gerechnet. Neben den doppelt negativen (CD4−-CD8−) γ:δ-T-
des Chemokinrezeptors CXCR4 mit dem Chemokin CXCL12 Zellen gibt es auch einen kleineren Anteil (ca. 20 %) von CD8+
das Knochenmark verlassen und gelangen über das Blut zum γ:δ-T-Zellen, während es keine CD4+ γ:δ-T-Zellen gibt. Somit
Thymus. Dort passieren sie mithilfe des Zelladhäsionsmoleküls haben γ:δ-T-Zellen eine überwiegend cytotoxische Funktion.
CD44 und den Chemokinrezeptoren CXCR4 und CCR9 die Blut- Entsteht vor dem γ:δ-Rezeptor eine funktionelle β-Kette, er
Thymus-Schranke an der Grenze von Thymusrinde und Thymus scheint diese mit einer α-Ersatzkette (Prä-T-Zell-α-Kette, pTα)
mark (corticomedullärer Bereich). Angelockt werden sie durch und CD3-Molekülen auf der Zelloberfläche der Thymocyten.
die Chemokine CXCL12 (Ligand von CXCR4) und CCL25 (Li CD25 verschwindet von deren Zelloberfläche. Die Expression
gand von CCR9). Im Gewebe des Thymus regulieren die jetzt als des Prä-T-Zell-Rezeptors unterbindet die Umlagerung weiterer
Thymocyten bezeichneten Vorläuferzellen den Chemokinrezep β-Ketten und die Umlagerung der γ- und δ-Gensegmente. Die
tor CCR9 herunter und folgen einem starken CXCL12-Gradien Zelle wird auf die α:β-Linie festgelegt. Es kommt nun zu raschen
ten in die äußerste Rindenregion, den subkapsulären Bereich. Zellteilungen. Dieses Stadium bezeichnet man als DN4. Nach
In der Rinde erfolgt der größte Teil der T-Zell-Entwicklung. Die Beendigung der Proliferation erfolgt zunächst die Expression
Thymocyten stehen dabei immer in engem Kontakt mit den des Corezeptors CD8 und dann beider Corezeptoren (CD4 und
Stromazellen, den corticalen Thymus-Epithelzellen. Diese Inter CD8). Die Zellen werden jetzt als doppelt positiv bezeichnet.
aktion, die essenziell für die weitere Entwicklung der T-Vorläu Dann beginnt die Genumlagerung der α-Kette. Thymocyten mit
ferzellen ist, verläuft unter anderem über den Rezeptor Notch 1 einer erfolgreich umgelagerten α-Kette exprimieren den endgül
auf der Oberfläche der Thymocyten. Über ihn empfangen sie Si tigen α:β-T-Zell-Rezeptor. Jetzt treten die Zellen in die Selekti
gnale von den Thymus-Epithelzellen, die sie auf die T-Zell-Linie onsprozesse ein, an deren Ende nur wenige immunkompetente
festlegen. Notch 1 regelt auch spätere Differenzierungsschritte. T-Zellen übrig bleiben und den Thymus verlassen dürfen.
Aber auch Wachstumsfaktoren (wie Stammzellfaktor(SCF)-1, Es gibt noch eine weitere Subpopulation α:β-T-Zell-Rezep
T-Zell-Faktor-1), Cytokine (wie IL-2, IL-7) und Chemokine (wie tortragender Zellen, die anstelle von CD4 und CD8 den NK-
26 Kapitel 2 • Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren
19
Zell-Marker NK1.1 exprimieren. Es handelt sich um NKT-Zellen. MHC-Klasse-II-Molekülen besetzt sind. Diese Zellen haben
20 Sie interagieren hauptsächlich mit CD1-Molekülen, haben eine zahlreiche Ausläufer, die ein Maschenwerk bilden und engen
nur geringe Diversität und sind in frühe Abwehrprozesse von Kontakt zu den zu selektierenden doppelt positiven Thymocyten
Infektionserregern involviert. aufweisen. All jene doppelt positiven T-Zellen müssen sterben,
21 die mit ihren α:β-T-Zell-Rezeptoren keine MHC-Klasse-I- oder
Selektionsprozesse im Thymus MHC-Klasse-II-Moleküle zu erkennen vermögen. Sie sind für
22 Doppelt positive T-Zellen sterben nach wenigen Tagen durch den Körper nutzlos. Da auch die Corezeptoren CD8 und CD4
Apoptose, wenn ihr T-Zell-Rezeptor die erste Prüfung nicht mit konstanten Bereichen der MHC-Klasse-I- beziehungsweise
erfolgreich besteht. Für diesen als positive Selektion bezeich der MHC-Klasse-II-Moleküle interagieren, bestimmt dieser
23 neten Prozess wandern die T-Zellen in die innere Region der Selektionsprozess auch die Art des zukünftig exprimierten Co
Rinde. Die positive Selektion wird durch die Epithelzellen des rezeptors. Vereinfacht ausgedrückt, „verlieren“ T-Zellen, die mit
Thymuscortex durchgeführt, die dicht mit MHC-Klasse-I- und ihrem α:β-T-Zell-Rezeptor MHC-I-Moleküle erkennen, CD4. Sie
2.3 • Die peripheren lymphatischen Organe
27 2
werden zu einfach positiven CD8-T-Zellen (CD8+-T-Zellen). Sol führen zur positiven Selektion und bewahren die T-Zellen vor
che T-Zellen, die an MHC-II-Moleküle binden, „verlieren“ CD8. dem programmierten Zelltod. Sehr starke Signale führen da
Sie werden zu einfach positiven CD4-T-Zellen (CD4+-T-Zellen). gegen zur negativen Selektion und zur Apoptose der Zelle. Ob
Die CD8+-T-Zellen sind cytotoxische T-Zellen, die virusinfizierte nur die Affinität des T-Zell-Rezeptors zum Selbst-MHC-Selbst-
Zellen töten. Da Viren jede Zelle befallen können, werden die Peptid-Komplex oder aber auch die Zahl der an der Interaktion
viralen Antigene auf körpereigenen MHC-Klasse-I-Molekülen beteiligten Rezeptoren eine Rolle spielt, wird diskutiert.
präsentiert, die auf allen kernhaltigen Körperzellen vorkommen. Das Resultat der beiden Selektionsprozesse sind immun
CD8+-T-Zellen erkennen fremde Antigene also im Komplex kompetente, einfach positive reife T-Zellen, die anhand ihres
mit MHC-Klasse-I-Molekülen. CD4+-T-Zellen sind T-Helfer Corezeptors unterschieden werden können. Die CD4+-T-Zellen
zellen. Sie koordinieren die Immunantwort und erkennen nur werden nach Aktivierung zu T-Helferzellen, die CD8+-T-Zellen
fremde Antigene, die von professionellen antigenpräsentieren dagegen zu cytotoxischen T-Zellen. Durch Interaktion zwischen
den Zellen aus der Umgebung aufgenommen, verarbeitet und dem auf ihrer Oberfläche exprimierten Chemokinrezeptor CCR7
auf MHC-Klasse-II-Molekülen präsentiert werden. Die Tatsa und seinem Liganden CCL19 im Bereich der Mikrozirkulation
che, dass sich die Bindungsspezifität des T-Zell-Rezeptors nicht verlassen die T-Zellen den Thymus über Blut- oder efferente
auf das präsentierte Peptid allein, sondern auf den Komplex aus Lymphgefäße. Mit der Lymphe gelangen sie über den Ductus
Peptid und MHC-Molekül bezieht, bezeichnet man als MHC-Re- thoracicus im linken Venenwinkel (Zusammenfluss von Vena
striktion. Sie kommt nur bei T-Zellen vor. subclavia und Vena jugularis interna zur Vena brachiocephalica)
Neben diesen konventionellen CD4+- oder CD8+-T-Zell-Sub wieder ins Blut. Die Lymphe im Ductus thoracicus ist aufgrund
populationen entsteht noch eine kleine Population CD4+-T-Zel der hohen Zahl an Lymphocyten weißlich gefärbt. Er wird des
len, die das Oberflächenmolekül CTLA-4, den Transkriptions halb auch als Milchbrustgang bezeichnet. Naive α:β-T-Zell-Re
faktor FoxP3 und besonders stark CD25 exprimieren. Bei diesen zeptor tragende T-Zellen und naive B-Lymphocyten zirkulieren
CD4+-CD25+-CTLA+-FoxP3+-α:β-T-Zellen handelt es sich um zwischen Blut und peripheren lymphatischen Organen, immer
natürliche regulatorische T-Zellen, die in der Peripherie Imm auf der Suche nach Fremd-Antigen.
unreaktionen unterdrücken. Über die Entwicklungs- und Selek
tionsschritte dieser Zellen ist wenig bekannt.
Die T-Zellen müssen noch einen weiteren Selektionsschritt 2.3 Die peripheren lymphatischen Organe
durchlaufen, die negative Selektion. Sie erfolgt überwiegend bei
einfach positiven Thymocyten. Reagiert der T-Zell-Rezeptor ei Krankheitserreger können über die Schleimhäute oder Ver
ner sich entwickelnden T-Zelle auf Selbst-Peptide, die von den letzungen der Haut in den Körper eindringen und an jedem belie
MHC-Molekülen im Thymus präsentiert werden, sterben sie bigen Ort Infektionen auslösen. Um zu gewährleisten, dass Zellen
durch Apoptose, denn sie sind potenziell gefährlich für den Kör der adaptiven Immunantwort den Eindringling in dem aus ihrer
per. Diese negative Selektion findet sowohl im Cortex als auch Sicht riesigen Körper finden, werden Fremd-Antigene mithilfe
in der Medulla statt. Die Präsentation der Selbst-Peptide erfolgt antigenpräsentierender Zellen in die peripheren lymphatischen
durch verschiedene Zelltypen. Die wichtigsten sind die dendriti Organe transportiert, können aber auch direkt mit der Lymphe
schen Zellen, die vorwiegend im Thymusmark zu finden sind, aber (Lymphknoten), dem Blut (Milz) oder spezialisierten Zellen der
auch durch Makrophagen und Thymus-Epithelzellen (. Abb. 2.5). Schleimhaut (M-Zellen) dorthin gelangen. Über das Blut wan
Hinsichtlich der Toleranzerzeugung gegenüber körpereige dern naive Lymphocyten in diese Antigensammelstellen, immer
nen Strukturen, stellen sich zwei Fragen. Wie kommen seltene auf der Suche nach Eindringlingen. Die peripheren lymphati
beziehungsweise gewebespezifische Autoantigene in den Thy schen Gewebe stellen aber auch „Konferenzzentren“ dar, in denen
mus, denn es wird ja auch Toleranz gegen Proteine erzeugt, die sich antigenspezifische T- und B-Zellen treffen und miteinander
zum Beispiel nur in der Bauchspeicheldrüse oder nur in der und mit Zellen des angeborenen Immunsystems über direkte
Schilddüse vorkommen? Der Mechanismus, über den Peptide Zell-Zell-Kontakte oder mithilfe von Cytokinen, Wachstumsfak
gewebespezifischer Proteine wie Insulin im Thymus exprimiert toren und Chemokinen kommunizieren: die Voraussetzung für
werden, ist noch nicht vollständig geklärt. Möglicherweise spielt die Auslösung einer Immunantwort. Zu den peripheren lympha
ein sogenannter Autoimmunregulator bei diesem Prozess eine tischen Organen gehören Lymphknoten, Milz und das mucosa(
entscheidende Rolle. Dieser kurz auch als AIRE (autoimmune schleimhaut)assoziierte lymphatische Gewebe (mucosa-associated
regulator) bezeichnete Transkriptionsfaktor schaltet im Thymus lymphoid tissues; MALT). Das MALT wird weiter unterteilt in das
Gene an, die normalerweise nur in der Peripherie vorkommen. darmassoziierte lymphatische Gewebe (gut-associated lymphoid
Das für den AIRE codierende Gen wird in Thymus-Epithelzellen tissues; GALT), das bronchienassoziierte lymphatische Gewebe
der Medulla exprimiert. Ist das Gen defekt, entstehen Autoim (bronchial-associated lymphoid tissue; BALT) und das nasenas
munerkrankungen (▶ Kap. 9). soziierte lymphatische Gewebe (nose-associated lymphoid tissue;
Wie werden bei der Erzeugung der Toleranz gegenüber kör NALT). Obwohl Lymphknoten, Milz und MALT sich deutlich in
pereigenen Strukturen positive Selektion und negative Selektion ihrem Erscheinungsbild unterscheiden, zeigen sie aber alle den
in Einklang gebracht? Hypothesen besagen, dass die Stärke des selben Grundaufbau und funktionieren nach demselben Prinzip:
Signals, das der T-Zell-Rezeptor und der Corezeptor nach Bin 1. Antigene werden in lymphatische Organe transportiert, fest
dung des Selbst-MHC-Selbst-Peptid-Komplexes aussenden, über gehalten und wandernden ungeprägten (naiven) oder Ge
das weitere Schicksal der T-Zelle entscheidet. Schwache Signale dächtnis-(Memory-)Lymphocyten präsentiert.
28 Kapitel 2 • Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren
1 B-Zell-Follikel
B-Zell-Follikel
DC T-Zellen
2
3 HEV
4
a
5
afferentes
Lymphgefäß
6 sekundärer Lymphfollikel
mit Keimzentrum
7 Keimzentrum
Randsinus
8 corticaler Sinus
paracorticale Zone Primärfollikel
(T-Zell-Zone)
9
Markstrang Marksinus
10 altes Keimzentrum
Vene
efferentes Arterie
Lymphgefäß
11 b
.. Abb. 2.6 Der Lymphknoten. a) Immunfluoreszenzaufnahmen eines Lymphknotens. Linkes Bild: Dargestellt ist das periphere Lymphknoten-Adressin (peri-
12 pheral lymph node adressin; PNAd; rot) der HEV (high endothelial venules) eines Lymphknotens. Mittleres Bild: B-Zellen sind in Follikeln organisiert (grün), dendri-
tische Zellen (DC; rot) kommen vorwiegend in der T-Zell-Zone vor. Rechtes Bild: Dargestellt sind B-Zell-Follikel (grün) und T-Zellen (rot), die in der T-Zell-Zone
lokalisiert sind. b) Die Lymphknoten befinden sich dort, wo die Gefäße des lymphatischen Systems zusammenlaufen. Sie sind von einer Bindegewebskapsel
13 umgeben und werden in Rinde (Cortex) und Mark (Medulla) unterteilt. In der Rinde befinden sich die in Follikel organisierten B-Zellen ohne (Primärfollikel)
oder mit Keimzentrum (Sekundärfollikel). Die Follikel sind von der T-Zell-Zone (paracorticale Region) umgeben, in der antigenpräsentierende DC mit T-Zellen
interagieren. Das Mark besteht aus dem Marksinus und den Marksträngen, die Makrophagen und Plasmazellen enthalten. Die Lymphe gelangt über afferente
14 Lymphgefäße in den Lymphknoten, ergießt sich in Sinusbereiche und strömt von dort in die zellulären Regionen des Lymphknotens. Über das im Mark
entspringende efferente Lymphgefäß wird die Lymphe abgeführt. Über die Lymphe gelangen Makrophagen, DC und freie Antigene in den Lymphknoten. Die
Lymphocyten wandern über die HEV des Blutgefäßsystems in den Lymphknoten ein und begeben sich in ihre jeweiligen Zonen. Sie verlassen den Lymphkno-
15 ten über das efferente Lymphgefäß (Einbahnstraßensystem). (b Verändert nach Murphy, Travers und Walport.)
2. Die Lymphocyten sind in T- und B-Zell-Zonen organisiert. chert mit Stoffwechselprodukten der Zellen, und im Falle einer
16 3. Primäre Immunantworten des spezifischen Immunsystems, Infektion auch mit aktivierten antigenpräsentierenden Zellen,
die bei Erstkontakt mit einem Antigen entstehen, werden nur freien Mikroorganismen und Entzündungsmediatoren, zum
17 hier ausgelöst. nächsten drainierenden Lymphknoten (sentinel lymph node)
transportiert. Die Lymphkapillaren vereinigen sich zu größeren
Im Folgenden sollen die peripheren lymphatischen Organe in Lymphgefäßen, die wiederum in übergeordnete Lymphgefäße
18 ihrem Aufbau beschrieben werden. übergehen. Die Lymphgefäße der Arme, Beine, des Darmes und
des linken Brustkorbs münden in den Ductus thoracicus, der
19 schließlich die Lymphe zurück in das zirkulierende Blut über
Lymphgefäße und Lymphknoten führt. Die Lymphknoten befinden sich dort, wo die Gefäße des
20 lymphatischen Systems eines Drainagegebietes (z. B. Achselhöh
Neben dem Blutgefäßsystem gibt es noch ein weiteres Gefäßsys len für die Arme; Leistenregion für die Beine) zusammenlaufen.
tem im Gewebe, das Lymphgefäßsystem. Dabei handelt es sich Lymphknoten haben eine bohnenförmige Gestalt
21 um ein Drainagesystem mit zwischengeschalteten Filterstellen, (. Abb. 2.6). Sie sind von einer Bindegewebskapsel umgeben,
den Lymphknoten. Im Gegensatz zum Blutgefäßsystem ist das die ein Netzwerk retikulärer Zellen enthält. Deren Fibrillen sind
22 Lymphgefäßsystem ein offenes System. Die am Ende offenen wiederum zu Sinusoiden organisiert. Die Lymphe, die über die
Lymphkapillaren beginnen fingerförmig im Extrazellularraum afferenten (zuführenden) Lymphgefäße die Lymphknoten er
(Zellzwischenraum oder Interstitium) und sammeln die extrazel reicht, ergießt sich in die Sinusoide und von dort in die zellulären
23 luläre Flüssigkeit (Lymphe). Diese entsteht durch fortwährende Bereiche. Histologisch besteht der Lymphknoten aus einer außen
Druckfiltration aus dem Blut. Der überwiegende Teil wird von gelegenen Rinde (Cortex) und einem inneren Mark (Medulla).
kleinen Blutgefäßen wieder aufgesaugt. Der Rest wird, angerei Der äußere Bereich der Rinde enthält vor allem B-Zellen, Mak
2.3 • Die peripheren lymphatischen Organe
29 2
rote Pulpa
perifollikuläre Zone
a
B-Zell-Corona
Randzone
Organkapsel weiße Pulpa rote Pulpa
zentrale Arteriole
trabekuläre PALS
Vene
b trabekuläre Arterie c
.. Abb. 2.7 Die Milz. a) Das Schema zeigt den Aufbau der Milz aus roter und weißer Pulpa. b) Die weiße Pulpa ist das eigentliche lymphatische Organ der
Milz. Sie umgibt die Zentralarteriolen, die von der Trabekelarterie abzweigen und das Blut schließlich wieder der Trabekelvene zuführen. b) und c) Direkt an
die Zentralarteriole grenzt die als periarterielle lymphatische Scheide (PALS) bezeichnete T-Zell-Zone. Sie wird von B-Zell-Follikeln umgeben. Sekundärfollikel
bestehen aus Keimzentrum und B-Zell-Corona. Um die Follikel erstreckt sich die Rand- oder Marginalzone. Die Randzone wird schließlich von der perifolliku-
lären Zone umgeben. In diese Region enden kleine Blutgefäße, die sich von der zentralen Arteriole abzweigen. Hier werden über Erythrocyten angelieferte
Immunkomplexe angereichert. (Verändert nach Murphy, Travers und Walport.)
rophagen und die nicht dem hämatopoetischen System entstam Die Milz
menden follikulär dendritischen Zellen. Die B-Zellen sind in Fol
likeln organisiert, die unstimuliert als Primärfollikel bezeichnet Schon der griechische Arzt und Anatom Aelius Galenus (129–
werden. Einige B-Zell-Follikel enthalten Keimzentren. In diesen 216) nannte die menschliche Milz ein rätselhaftes Organ. Betrach
proliferieren antigenaktivierte B-Zellen und reifen zu Plasmazel tet man ihre Histologie, trifft dies heute noch zu (. Abb. 2.7). Bei
len, nachdem sie Unterstützung von aktivierten T-Helferzellen Menschen ist dieses Organ faustgroß, wiegt 150 bis 200 Gramm
erhalten haben. Diese Follikel werden Sekundärfollikel genannt. und liegt direkt hinter dem Magen. Die Milz wird von einer Binde
Die T-Zellen befinden sich im inneren Bereich der Rinde, der so gewebskapsel umgeben, die von Peritonealepithel bedeckt ist. Von
genannten paracorticalen Region. Neben den T-Zellen kommen der Kapsel ziehen Bindegewebstrabekel und einige glatte Mus
hier antigenpräsentierende Zellen wie Makrophagen, vor allem kelzellen ins Innere des Organs und bilden das Stützgerüst. Die
aber DC vor. Die Medulla enthält Makrophagen und antikör Milz nimmt im Gegensatz zu anderen peripheren lymphatischen
persezernierende Plasmazellen. Während DC und Makrophagen Geweben nur Antigene aus dem Blut auf. Die Blutversorgung er
mithilfe von Chemokinen aktiv aus dem Gewebe über die affe folgt über die Milzarterie (Arteria lienalis), die am sogenannten
renten Lymphgefäße in den Lymphknoten und in ihre entspre Hilus in das Organ eintritt. Sie verzweigt sich und verläuft in den
chenden Zonen gelangen, wandern T- und B-Zellen aus dem Blut Bindegewebstrabekeln als Trabekelarterie. Aus ihnen gehen die
routinemäßig über spezialisierte postkapilläre Venolen mit sehr im Zentrum der Milzknötchen mündenden Zentralarterien her
hohem Endothel in die Lymphknoten ein. Diese Venolen werden vor. Ein Anschluss an das lymphatische System besteht nicht. Das
nach ihrer Funktion und morphologischen Struktur als high en- Leistungsgewebe (Parenchym) der Milz wird in die rote Pulpa
dothelial venules, kurz HEV, bezeichnet. Diese Rekrutierung wie und die weiße Pulpa unterteilt. Der größte Teil der Milz gehört
das Aufsuchen der T- beziehungsweise B-Zell-Zonen wird durch zur roten Pulpa. Sie sammelt und beseitigt gealterte rote Blut
Adhäsionsmoleküle und Chemokine kontrolliert. Myeloide Zel körperchen. Die Milz ist sehr blutreich. Schwere Verletzungen
len können nicht über die HEV in die Lymphknoten eintreten. der Milz, die infolge von Unfällen und Rippenbrüchen auftreten,
Sie tragen zwar die dafür notwendigen Adhäsionsmoleküle, aber können zu schweren Blutungen in die Bauchhöhle führen.
die „falschen“ Chemokinrezeptoren. Dadurch können sie zwar Die weiße Pulpa, die in die rote Pulpa eingelagert ist, stellt
Kontakt aufnehmen und Rollen, aber keine Bindung mit dem das eigentliche lymphatische Gewebe der Milz dar. Sie liegt rund
Endothel eingehen (▶ Kap. 7). Die Venolen liegen innerhalb der um die Zentralarteriolen. Direkt an die Arteriole grenzt die peri
paracorticalen Bereiche nahe der Grenze zur B-Zell-Zone. Wie arterielle lymphatische Scheide, die PALS (periarteriolar lymphoid
Antigen, B-Zellen und T-Zellen einander treffen, eine Immu sheath). Sie ist die T-Zell-Zone und entspricht der paracorticalen
nantwort auslösen und B-Zellen zu antikörperproduzierenden Region der Lymphknoten. Die PALS wird von B-Zell-Follikeln
Plasmazellen reifen, wird in ▶ Kap. 5 beschrieben. Die Lymphe umgeben, die als Primär- oder Sekundärfollikel auftreten kön
fließt durch den Lymphknoten und verlässt ihn zusammen mit nen. Sekundärfollikel bestehen aus Keimzentrum und umgeben
den T- und B-Zellen über das efferente Lymphgefäß, das in der der B-Zell-Corona (ruhende B-Zellen). Um die Follikel erstreckt
Medulla entspringt. sich die Rand- oder Marginalzone. Sie enthält DC, Makrophagen,
30 Kapitel 2 • Die lymphatischen Organe: Blutbildung und Konferenzzentren
3.1 Barrieren – 34
3.2 Lösliche Faktoren – 34
3.3 Zelluläre Komponenten – 37
Literatur – 49
Das angeborene Immunsystem basiert auf drei Prinzipien zur 3.2 Lösliche Faktoren
1 Abwehr von Infektionen. Zunächst ist ein Organismus für Patho-
gene nicht frei zugänglich. Alle Oberflächen, die Kontakt mit der Die Schutzwirkung der Haut und der Schleimhäute wird durch
2 Außenwelt haben, verfügen über Barrieren, die das Eindringen eine Reihe von löslichen Faktoren unterstützt, den antimikrobi-
von Krankheitserregern verhindern sollen. Zusätzlich dazu gibt ellen Peptiden. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von über
es eine Reihe löslicher Faktoren, die an der Abwehr von Mikroor- 20 unterschiedlichen Polypeptiden, die aufgrund ihrer Funktion
3 ganismen beteiligt sind. Werden diese beiden Barrieren über- zusammengefasst werden. Sie werden unter Normalbedingun-
wunden, treffen die Krankheitserreger auf Zellen, die in der Lage gen in geringer Menge konstitutiv freigesetzt und tragen dazu
4 sind, eine sofortige, unspezifische Immunreaktion durchzufüh- bei, dass Infektionserreger nicht in den Körper eindringen. Nach
ren. Unspezifisch bedeutet in diesem Fall, dass die Zellen nicht Verletzung oder Infektion werden diese Substanzen vermehrt
5 jeweils über einen für sie spezifischen Antigenrezeptor verfügen, ausgeschüttet – sowohl von den Keratinocyten der Haut, als auch
wie im Fall der erworbenen Immunität. Sie sind dennoch in der von neutrophilen Granulocyten.
Lage, gezielt und hoch effizient gegen Pathogene vorzugehen und Die bekanntesten Vertreter der antimikrobiellen Peptide ge-
6 zwischen Selbst und Fremd zu unterscheiden. hören zur Familie der Defensine. Die Defensine sind 29–34 Ami-
nosäuren lange Peptide, die hauptsächlich von neutrophilen
7 Granulocyten und Epithelzellen freigesetzt werden. Sie wirken
3.1 Barrieren toxisch auf Bakterien, Hefen, Pilze und Viren. Ursprünglich
glaubte man aufgrund ihrer bakteriziden Wirkung, dass es sich
8 Eine Reihe von Mechanismen, die uns täglich vor Infektionen bei den antimikrobiellen Peptiden um körpereigene Antibiotika
schützen, wird zunächst gar nicht mit dem Immunsystem in Ver- handeln würde. Später wurde festgestellt, dass diese Peptide noch
9 bindung gebracht. Viele Krankheitserreger sind nicht in der Lage, weitere Funktionen haben. Cathelicidine und mehrere andere
durch die intakten Epithelien der Körperoberfläche zu dringen. Peptide wirken zusätzlich zu ihren mikrobiziden Eigenschaften
10 Die Haut verfügt auf ihrer Außenseite über eine Schicht abge- auch noch als Inhibitoren bakterieller Proteasen und als chemo-
storbener Epithelzellen (Stratum corneum), die durch Talgdrü- taktische Faktoren zur Rekrutierung von Leukocyten. Mitglieder
sen mit Fetten versorgt und dadurch wasserundurchdringlich der S100-Proteinfamilie, wie Calprotectin, können Metallionen
11 gemacht werden. Allerdings ist die Haut mit einer Fläche von bis binden und dadurch Bakterien eine wichtige Grundlage für ihr
zu 2 m2 nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Oberfläche, über Wachstum entziehen. Andere antimikrobielle Peptide wie RNase2
12 die wir mit Mikroorganismen in Kontakt kommen können. Die und RNase3 wirken durch ihre enzymatische Aktivität antiviral.
Lungenschleimhaut ist mit ungefähr 100 m2 um ein Vielfaches Lysozym ist ein Enzym mit antimikrobieller Aktivität insbe-
größer, wird aber noch von den Schleimhäuten des Verdauungs- sondere gegen grampositive Bakterien. Es kommt in Tränenflüs-
13 apparats mit 200–300 m2 übertroffen. Diese Oberflächen haben sigkeit, Speichel und Mucus vor. Lysozym kann die Zellwand von
nicht nur eine passive Barrierefunktion, um das Eindringen von Bakterien aufbrechen, indem es im Peptidoglykan die Bindung
14 Pathogenen zu verhindern. Die Epithelien produzieren Proteine, zwischen N-Acetylmuraminsäure und N-Acetylglucosamin spal-
sogenannte Mucine, die als Schleim auf der Epitheloberfläche tet.
15 für zusätzlichen Schutz sorgen. Ein weiterer aktiver Mechanis- Auch die Interferone werden zu den löslichen Komponenten
mus sind die Flimmerepithelien im Respirationstrakt. Sie sind der angeborenen Immunabwehr gezählt. Sie werden bei einer
in der Lage, Schleim, Partikel und Mikroorganismen durch die Virusinfektion von den infizierten Zellen freigesetzt, um benach-
16 gerichtete Bewegung von Cilien aus den Atemwegen zu trans- barte Zellen vor einer Infektion zu schützen. Ihre Funktion wird
portieren. Zusätzlich tragen auch noch die extremen pH-Werte im Rahmen der Cytokine in ▶ Abschn. 7.1 vorgestellt.
17 im Verdauungsapparat dazu bei, Pathogene aus der Nahrung zu Die Akute-Phase-Proteine (APP) sind eine Gruppe von un-
inaktivieren. gefähr 40 vorwiegend in der Leber produzierten Plasmaprotei-
Nicht alle Mikroorganismen sind für den Menschen pa- nen, deren Konzentrationen sich während der akuten Phase einer
18 thogen und erfordern eine Immunreaktion. Insbesondere im Entzündung, aber auch bei chronischen Entzündungsprozessen,
Verdauungstrakt leben sie als Kommensalen auf Schleimhäu- um mindestens 25 % verändern. Proteine, deren Konzentration
19 ten, wo sie vom Immunsystem des Wirtes toleriert werden. Im ansteigt, wie CRP oder Serum-Amyloid A, werden als positive
menschlichen Darm leben über 100.000 Milliarden Bakterien, APP bezeichnet. Proteine, deren Konzentration sinkt, wie Albu-
20 die mindestens 400 verschiedenen Spezies angehören, darunter min und Transferrin, sind negative APP. Die Konzentrationsver-
Escherichia coli und verschiedene Angehörige der Lactobacillen änderungen treten unter anderem nach Infektionen, Traumata,
und Bifidobakterien. Ihre Anwesenheit verhindert die Ausbrei- chirurgischen Eingriffen und Verbrennungen auf. Ausgelöst wer-
21 tung von pathogenen Mikroorganismen, mit denen sie um den den sie durch proinflammatorische Cytokine, insbesondere IL-6.
gemeinsamen Lebensraum konkurrieren. Zahlreiche Spezies Das vermutlich bekannteste APP ist das CRP (C-reaktives
22 tun dies auch mit relativ aggressiven Mitteln: Sie sondern an- Protein). Es kann bei Entzündungen bis zum 1000-Fachen sei-
tibakterielle Substanzen ab, die, auch zum Wohle des Wirts- ner normalen Konzentration ansteigen und ist daher ein häufig
organismus, die Ausbreitung der pathogenen Konkurrenten verwendeter diagnostischer Marker für entzündliche Prozesse.
23 verhindern. Sein Name stammt daher, dass es mit dem C-Polysaccharid von
Pneumokokken reagiert. Es ist ein Bestandteil des angeborenen
Immunsystems und bindet an Pathogene und geschädigte Zellen,
3.2 • Lösliche Faktoren
35 3
.. Abb. 3.1 Ablauf der Komplementreaktion. Die Kom-
plementreaktion kann in vier Phasen eingeteilt werden. C1q MBL
C3
Zunächst wird die Reaktion durch einen von drei Wegen Masp Masp
R S
(klassisch, Lektin, alternativ) gestartet. Beim klassischen und tick over
Mannose
Mannose
Lektinweg kommt es zu einer Spaltung von C4 und C2 nach C3a
Bindung von C1qrs an einen Immunkomplex oder MBL/
C3b
MASP an Mannose. Beim alternativen Weg kommt es zur
spontanen Spaltung von C3 (tick over). Nach Bindung von
Faktor B wird dieser durch den Faktor D gespalten. In allen klassischer Weg Lektinweg alternativer Weg
Wegen kommt es zur Bildung einer C3-Konvertase (C4b2b
oder C3bBb), die mehrere C3-Moleküle in C3a und C3b C4a B
spaltet. Das dabei entstehende C3b kann als Startpunkt für C4
C2a
C2 C3b
den alternativen Weg dienen, wodurch sich die Komple-
Ba B
mentaktivität amplifiziert. Der nächste Schritt ist die Bildung D
einer C3/C5-Konvertase (C4b2b3b oder C3bBb3b), durch die
der Faktor C5 geschnitten wird und weiteres C3b zu einer
Verstärkung der Reaktion führt. Basierend auf C5b kommt es
C2b Bb
dann zur Bildung des Membranangriffskomplexes, der mit
C4b C3b
einer Pore aus C9-Molekülen die Zielmembran lysiert
C3-Konvertasen
C3a
C3 C3b
C2b Bb
C3b C4b C3b C3b
C3/C5-Konvertasen
C5
C6 C7 C6
C3 C5b C8
C9 C9 C9 C9 C7
C8
C9
Membranangriffskomplex (MAC)
wodurch es das Komplementsystem und Phagocyten aktivieren der Nähe seines Entstehungsortes und ist an der weiteren
kann. Weitere APP sind das Serum-Amyloid A, dessen Konzen- Reaktion beteiligt. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe
tration sich ebenso deutlich verändern kann wie beim CRP, und von Abbauprodukten der großen Fragmente, beispielsweise
das an der Blutgerinnung beteiligte Fibrinogen. Zu den APP zäh- C3d. Sie werden im Folgenden aus Gründen der Übersicht-
len auch mehrere Proteine, die zum Komplementsystem gehö-
ren. Aufgrund seiner großen Bedeutung für die Immunabwehr
wird das Komplement in den folgenden Abschnitten gesondert
diskutiert.
- lichkeit alle unter der Bezeichnung „b“ zusammengefasst.
Das kleinere Fragment („a“) diffundiert weg und dient
dazu, die Aktivierung des Komplementsystems an die zellu-
läre Immunabwehr zu kommunizieren1.
-
jeweils zwei Spaltprodukte:
Ein Größeres, das durch Anhängen eines „b“ an den
ursprünglichen Namen bezeichnet wird. Es verbleibt in
1 Dies ist eine vereinheitlichte Nomenklatur. In der Literatur wird in der Regel
das kleinere Spaltprodukt von C2 als C2b und das größere als C2a bezeich-
net.
36 Kapitel 3 • Das angeborene Immunsystem
3 Chemotaxis C5a, C3a, (C4a) Werden über Komplementrezeptoren (u. a. C3aR und C5aR) auf Granulocyten, Monocyten,
DC und T-Zellen erkannt und rekrutieren die Zellen zum Ort der Komplementreaktion
4 Entzündung C5a, C3a, (C4a) Die durch die Chemotaxis angelockten Zellen werden durch die Komplementfaktoren
gleichzeitig aktiviert und schütten Entzündungsmediatoren aus
5 Lyse C5b, C6, C7, C8, C9 (= MAC) Bildung einer Pore in der Membran des Pathogens, die zum Zusammenbruch des Membran-
potenzials und dem Ausströmen des Cytoplasmas führt
Aktivierung von C3b Bindung von C3b an den CR2 (= CD21) auf B-Zellen sorgt für die Bildung des B-Zell-Gedächt-
6 B-Zellen nisses (präziser ein Folgespaltprodukt von C3b, das C3d)
Entsorgung von C3b, C4b Immunkomplexe werden durch den klassischen Weg mit C3b und C4b markiert. Diese
7 Immunkomplexen werden über den Komplementrezeptor CR1 auf Erythrocyten gebunden, die die Immun
komplexe zum Abbau in die Milz transportieren. Außerdem können Phagocyten über CR1
Immunkomplexe endocytieren
8
Das kleinere Spaltprodukt des Proteins (C4a) bleibt in Lö- also dazu, die Reaktion des Komplementsystems auf Ziele
9 sung. Als Nächstes wird C2 von C4b gebunden und durch die zu lenken, die durch das spezifische Immunsystem markiert
MASP gespalten. C2b bleibt an C4b gebunden und die beiden werden. Die Mechanismen, die nach der Erkennung des Im-
10 bilden einen heterodimeren Proteinkomplex (C4b2b). Dieser munkomplexes ablaufen, sind allerdings genau die gleichen
wird auch als C3-Konvertase bezeichnet, weil er in der Lage wie bei den beiden zuvor beschriebenen Wegen. Das erste
ist, das nächste Protein in der Kaskade zu spalten: C3. Protein des klassischen Wegs, C1q, bindet an die konstanten
11 Die C3-Konvertase spaltet mehrere C3. Wie C4b, so enthält Teile von Antikörpern des Typs IgM und IgG. Da es immer
auch das C3b eine hochreaktive Thioestergruppe, durch die mindestens zwei Fc-Teile binden muss, um aktiviert zu wer-
12 es sich kovalent an Biomoleküle in seiner Umgebung binden den, ist das multimere IgM ein besonders guter Aktivator für
kann. Lagert sich ein C3b an die C3-Konvertase an, bildet C1q. In seinem Aufbau aus sechs identischen Untereinheiten
sich dabei die C3/C5-Konvertase (C4b2b3b). Wie der Name und seiner Funktion entspricht C1q dem MBL-Protein aus
13 schon andeutet, spaltet sie C5 in C5a und C5b und weiterhin dem Lektinweg. Genau wie MBL bindet auch C1q an andere
C3. C5 ist das letzte Protein, das in der Komplementkaskade Proteine, in diesem Fall C1r und die Serinprotease C1s. C1s
14 gespalten wird. spaltet als nächstes C4 und C2. Von hier an entspricht der
2. Der alternative Weg braucht keinen besonderen Auslöser. Er weitere Ablauf dem des Lektinwegs.
15 beruht auf der spontanen Aktivierung des Komplementfak-
tors C3, die ständig im Körper abläuft. Dieser Prozess wird Alle drei Wege führen über eine C3-Konvertase letztendlich zur
als tick over bezeichnet. Ein kleiner Teil der C3-Proteine hy- Bildung einer C3/C5-Konvertase und damit zu einem gemein-
16 drolysiert in der Zirkulation spontan zu C3a und C3b, und samen weiteren Verlauf der Komplementreaktion. Das gebildete
C3b bindet an den Faktor B. C3b muss dabei an eine Ober- C5b verbindet sich mit C6, C7, C8 und bis zu 16 C9-Proteinen, die
17 fläche binden. Liegt kein Reaktionspartner (Hydroxylrest eine Pore in der Membran des Pathogens bilden, den sogenannten
von Proteinen oder Zuckern) vor, so reagiert C3b mit Wasser Membranangriffskomplex (MAC, membrane attack complex).
und wird inaktiviert. Der Komplex von C3b und Faktor B
18 wird durch den Faktor D gespalten, sodass ein Heterodimer
C3bBb entsteht. C3bBb ist eine alternative Form der C3-Kon- Funktionen des Komplementsystems
19 vertase und kann weiteres C3 spalten. Da C3b auch beim
Lektinweg (und wie wir unten sehen werden auch beim klas- Im Rahmen der Aktivierung des Komplementsystems wird eine
20 sischen Weg) entsteht und dabei natürlich auch den Faktor B Reihe von Faktoren gebildet, die eine Funktion in der Immun-
binden kann, läuft der alternative Weg auch immer als Folge abwehr haben. Durch sie kann das Komplementsystem direkt
einer Aktivierung der anderen beiden Komplementwege ab. Pathogene angreifen, sie für den Angriff durch Phagocyten mar-
21 C3bBb kann sich mit einem weiteren C3b zum C3bBb3b kieren oder Zellen zum Ort der Infektion leiten und eine Entzün-
verbinden. Dies ist die sogenannte C3/C5-Konvertase des dung auslösen (. Tab. 3.1).
22 alternativen Wegs, die C5 in C5a und C5b spaltet. Die direkte Wirkung auf Pathogene beruht auf der Bildung
3. Der klassische Weg basiert auf der Erkennung eines Immun- des MAC. C5b verbindet sich nacheinander mit C6, C7 und C8,
komplexes aus Antigen und Antikörpern. Streng genommen wobei hydrophobe Teile der Proteine exponiert werden und mit
23 gehört dieser Weg damit nicht ausschließlich zum angebo- der Lipidmembran interagieren können. C8 dringt in die Mem-
renen Immunsystem, da er von einem Produkt des spezifi- bran ein und destabilisiert sie dadurch. Zusätzlich löst es die Po-
schen Immunsystems abhängig ist. Der klassische Weg dient lymerisierung mehrerer C9-Moleküle aus. Dabei wird eine Pore
3.3 • Zelluläre Komponenten
37 3
gebildet, die die Zielmembran lysiert. Bei ausreichender Anzahl Regulation und Inaktivierung
von Poren kommt es zum Zusammenbruch sämtlicher Konzen- des Komplementsystems
trationsgradienten und zum Tod der Zielzelle.
Durch die Bindung von Komplementfragmenten, insbeson- Proteine, die ohne jegliche Kontrolle eine Immunreaktion aus-
dere C3b und C4b, auf der Oberfläche von Pathogenen erfolgt führen, stellen eine potenzielle Gefahr für den Organismus dar.
deren Opsonisierung („Schmackhaftmachen“). Da C3b und C4b Der alternative Weg wird ständig spontan aktiviert, und durch die
kovalent an die Erregeroberfläche binden, wird diese stabil mar- C3-Konvertase aller Wege kann eine große Menge C3 umgesetzt
kiert. Aufgrund dessen kann sie von den im nächsten Abschnitt werden, die sich durch den alternativen Weg noch weiter ampli-
näher beschriebenen neutrophilen Granulocyten und Makro- fiziert. Das Komplementsystem kann Membranen lysieren, Ent-
phagen, die Rezeptoren für Komplementfragmente auf ihrer zündungsreaktionen auslösen und Immunzellen anlocken. Selbst-
Oberfläche tragen, besser erkannt und phagocytiert werden. verständlich muss es daher Mechanismen geben, die dafür sorgen,
Auch die kleinen Spaltprodukte C5a, C3a und in geringe- dass das Komplement an der richtigen Stelle aktiviert wird, die
rem Maße auch C4a haben eigene Funktionen im Rahmen der das Ausmaß der Komplementreaktion begrenzen, es nach getaner
Immunreaktion. Neutrophile Granulocyten, Lymphocyten, Arbeit inaktivieren und sicherstellen, dass nur Pathogene, nicht
Monocyten/Makrophagen und Mastzellen können sie durch aber eigene Zellen angegriffen werden. Die wichtigsten Komple-
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren wie C3aR und C5aR wahr- mentregulatoren sind in . Tab. 3.2 zusammengefasst.
nehmen. Durch diese Rezeptoren wird Chemotaxis ausgelöst Zu den Proteinen, die das Komplement gezielt an Stellen
und die Zellen werden zum Ort der Komplementreaktion ge- aktivieren, an denen seine Reaktion erwünscht ist, gehört Pro-
leitet. Darüber hinaus verstärkt Kontakt mit den Komplement perdin. Zum einen stabilisiert es die C3- und die C3/C5-Kon-
fragmenten den oxidative burst von neutrophilen Granulocy- vertasen des alternativen Wegs, weshalb der alternative Weg
ten, reduziert ihre Neigung zur Apoptose und führt in einer auch Properdinweg genannt wird. Zum anderen kann es an die
Reihe von anderen Zellen zur Aktivierung und Produktion Oberfläche von Pathogenen und apoptotischen Zellen binden
von inflammatorischen Cytokinen. Außerdem löst eine Akti- und die Komplementreaktion dorthin lenken. Eine ganze Reihe
vierung durch die Komplementfragmente die Degranulierung von anderen Faktoren dient dazu, die Komplementreaktion zu
von Mastzellen aus. Daher werden C5a, C3a und C4a auch als begrenzen. Dies ist besonders wichtig, um den Schutz der kör-
Anaphylatoxine bezeichnet. pereigenen Zellen sicherzustellen. Daher gibt es Vertreter der
Das Komplementsystem spielt auch eine Rolle bei der Ak- membrangebundenen Komplementinhibitoren (CD46, CD55,
tivierung der spezifischen Immunität. Hier ist es insbesondere CD59) auf der Oberfläche von allen Körperzellen, um deren
wichtig für das B-Zell-Gedächtnis, also die effizientere Produk- Lyse zu verhindern. Die Bedeutung dieser Proteine wird beim
tion von Antikörpern gegen ein bereits bekanntes Antigen. Das Krankheitsbild der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie
dafür benötigte CD21 ist ein Oberflächenmolekül auf B-Zel- (▶ Kap. 17) deutlich. Dieser Krankheit liegt ein Gendefekt am
len, das auch als Komplementrezeptor CR2 bekannt ist. Seine GPI-Ankerprotein zugrunde, das CD55 und CD59 auf der Plas-
Rolle bei der Bildung des B-Zell-Gedächtnisses kann durch das mamembran festhält. Dadurch kommt es insbesondere zur Lyse
Schlangengift CVF (cobra venom factor) sichtbar gemacht wer- von Erythrocyten, weil diese den dritten Regulator, CD46, nicht
den. CVF wirkt, indem es unter Beteiligung der Faktoren B und auf ihrer Oberfläche haben.
D eine C3-Konvertase bildet und den alternativen Weg aktiviert.
Dabei werden große Mengen Komplement verbraucht. Gibt man
CVF vor dem Erstkontakt mit einem Antigen, kann dieses nicht 3.3 Zelluläre Komponenten
mehr durch C3b markiert werden. Aufgrund dessen kommt es
beim Kontakt mit der B-Zelle zu keinem Signal über CD21 und Granulocyten
dadurch auch nicht zur Bildung eines B-Zell-Gedächtnisses. Die-
ses Experiment zeigt, dass die Interaktion von CD21 mit C3b Es gibt drei Arten von Granulocyten: neutrophile, eosinophile
während der Primärantwort essenziell für die verbesserte Anti- und basophile. Die neutrophilen sind zahlenmäßig die größte
körperantwort bei einer Sekundärinfektion ist. Gruppe und stellen im Blut über 95 % der Granulocyten, die eo-
Zusätzlich trägt das Komplement auch dazu bei, dass im sinophilen 1–3 % und die basophilen < 1 %. Sie entwickeln sich,
Körper aufgeräumt wird. Immunkomplexe im Blut, die durch zusammen mit den Mastzellen und den mononucleären Phago-
den klassischen Weg mit C3b und C4b markiert wurden, kön- cyten, aus dem gemeinsamen myeloischen Vorläufer im Kno-
nen von Erythrocyten durch den Komplementrezeptor CR1 chenmark. Die myeloiden Zellen bilden, zusammen mit den aus
gebunden werden. Auf diese Weise gelangen sie in die Milz. der lymphoiden Reihe stammenden NK-Zellen, die Zellen des
Dadurch wird nicht nur sichergestellt, dass sie sich nicht in der angeborenen Immunsystems.
Peripherie ablagern und dort durch Komplementaktivierung eine
unerwünschte Entzündungsreaktion auslösen. Da die Milz ein Neutrophile Granulocyten
sekundäres lymphatisches Organ ist, dienen die Antigene dort Wie im ▶ Kap. 2 schon dargestellt, werden die Neutrophilen in
auch zur Auslösung der adaptiven Immunantwort. Darüber hi- großen Mengen im Knochenmark produziert und ins Blut ab-
naus werden durch das Komplementsystem auch körpereigene gegeben. Signale, die von Pathogenen ausgehen, beispielsweise
apoptotische Zellen markiert, was zur schnelleren Phagocytose chemotaktische Komplementfragmente, oder die Chemokine
und damit der Beseitigung ihrer Überreste führt. geweberesidenter Makrophagen führen zu einer Einwanderung
38 Kapitel 3 • Das angeborene Immunsystem
Aktivatoren
Inhibitoren
4 Regulator Ligand Regulierter Weg Mechanismus
CD46 (MCP, membrane cofactor protein) C3b, C4b K, A, L Cofaktor für die Spaltung von C3b und C4b durch Faktor I
8 CD55 (DAF, decay-accelerating factor) C4b2b, C3bBb K, A, L Beschleunigt den Zerfall der C3-Konvertasen
11
ins Gewebe. Die Funktion der neutrophilen Granulocyten ist Er beginnt damit, dass zwischen zu phagocytierenden Patho-
12 einfach: Fressen und Töten. Ihre Aufgabe ist es, zwei Arten von genen oder apoptotischen Zellen auf der einen Seite und intakten
Partikeln möglichst schnell zu beseitigen. Zum einen apoptoti- Zellen auf der anderen Seite unterschieden werden muss. Dafür
sche Zellen, deren Fragmente schnell und unauffällig entfernt gibt es verschiedene Rezeptoren, die an Liganden auf der Ober-
13 werden müssen, bevor es zu einer entzündlichen Reaktion fläche von Partikeln binden können. Die meisten Partikel werden
kommt. Zum anderen pathogene Organismen (wie Bakterien dabei gleichzeitig von mehreren Rezeptoren erkannt, die dann
14
15
und Pilze), bevor sie sich im Wirt ausbreiten können. Dies ge-
schieht durch Phagocytose. Danach werden die so entstandenen
Phagosomen mit Granula verschmolzen, in denen sich mikro- -
zusammen die Phagocytose auslösen und synergistisch wirken.
Der Mannoserezeptor erkennt charakteristische Zucker-
strukturen aus Mannose und Fucose auf der Oberfläche
16
bizide Substanzen befinden, die die Pathogene abtöten. Parallel
dazu kommt es auch zur Freisetzung von Substanzen, die che-
motaktisch wirken, wie IL-8 (CXCL8). Aufgrund ihrer geringen
Lebensdauer sterben neutrophile Granulocyten relativ schnell
- von Pathogenen.
Wie oben bereits erwähnt, kann auch die Bindung von
Komplementspaltprodukten wie C3b und C4b die Oberflä-
che eines Partikels opsonisieren, also dessen Phagocytose
17 durch Apoptose und ihre Überreste werden von anderen Zellen, steigern. Die Erkennung dieser Proteine geschieht durch
wie Makrophagen, phagocytiert. In den letzten Jahren wurde die Komplementrezeptoren CR1, CR3 und CR4. In nicht
noch ein alternativer Mechanismus entdeckt, bei dem die Gra- weiter aktivierten Zellen stellen diese Rezeptoren nur den
18 nulocyten ihre DNA freisetzen, um in den dabei entstehenden Kontakt zum Partikel her, und erst nach Aktivierung durch
19
20
Netzen Erreger zu fangen.
Phagocytose
Auch wenn die meisten Körperzellen prinzipiell die Fähigkeit
- Cytokine kommt es zur Phagocytose.
Opsonisierung erfolgt auch durch an die Oberfläche gebun-
dene Antikörper. Diese werden über mehrere verschiedene
Fc-Rezeptoren auf der Phagocytenoberfläche gebunden.
zur Phagocytose haben, basiert die phagocytotische Beseitigung IgM und IgG tragen zusätzlich auch durch ihre Funktion
von Partikeln hauptsächlich auf zwei Zelltypen, den neutrophi- als Auslöser des klassischen Komplementwegs zur Opsoni-
-
21 len Granulocyten und den Makrophagen. Trotzdem die Phago- sierung bei.
cytose bei beiden Zellarten nicht identisch abläuft, basiert sie Scavenger-Rezeptoren erkennen apoptotische Zellen durch
22 auf gemeinsamen Grundprinzipien, die im Folgenden für beide Bindung an Phosphatidylserin auf der Außenseite von
Zelltypen zusammengefasst sind. Membranen oder durch Veränderungen in der Glykosylie-
Phagocytose ist die Aufnahme von Partikeln, üblicherweise rung auf der Zelloberfläche. Sie führen zur Aktivierung
23 mit einer Größe von 1 µm oder mehr, indem sie von der Plasma- der Phagocytose, ohne Freisetzung entzündlicher Medi-
membran des Phagocyten umschlossen werden. Dieser Prozess atoren und den Einsatz cytotoxischer Granula, denn eine
läuft in mehreren Schritten ab (. Abb. 3.3): Abtötung ist in diesem Fall nicht notwendig, sondern wäre
3.3 • Zelluläre Komponenten
39 3
Regulation von mucosaler Toleranz in der Lunge und Einfluss auf die Entwicklung des Asthma bronchiale
In Industrieländern ist in den letzten Jahrzehn- das Zusammentreffen von Polymorphismen werden, während die DC beim Gesunden im
ten eine stetige Zunahme der Prävalenz und bestimmter Gene zur maladaptiven Immun- unreifen oder partiell reifen Status verharren,
Schwere des Asthma bronchiale zu beobach- antwort führt. weil sie richtigerweise kein Gefahrenpoten-
ten, die mittlerweile epidemische Ausmaße Klar ist, dass die oben genannten Substanzen zial registrieren (. Abb. 3.2a). Erkennt eine
angenommen hat. Die durchschnittliche das erworbene Immunsystem aktivieren; bei bestimmte TH-Zelle im Lymphknoten nun „ihr“
Prävalenz bei Erwachsenen in Westeuropa dieser Aktivierung spielen DC und T-Helferzel- von der DC angebotenes Antigen, so kommt
liegt bei etwa 6 %. Das Asthma bronchiale len vom Typ 2 eine entscheidende Rolle. Über es zur einer intimen Liaison zwischen DC und
stellt eine chronisch-entzündliche Erkrankung die Atmung kommen wir permanent mit ver- TH-Zelle, in deren Verlauf die TH-Zelle über
der Atemwege dar. Eine Reihe von Studien schiedensten Umweltsubstanzen – sogenann- verschiedene Zell-Zell-Kontakte und durch
hat gezeigt, dass dem Asthma bronchiale ten Aeroallergenen – in Kontakt. Spezialisierte die Ausschüttung von Botenstoffen derart
eine inadäquate Reaktion des Immunsystems Sensorzellen aus der Reihe der DC nehmen aktiviert wird, dass sie anfängt, sich zu teilen
auf eigentlich harmlose Substanzen, mit diese Substanzen auf, verarbeiten sie und und ihrerseits Botenstoffe ausschüttet, die zu
denen wir häufig in Kontakt kommen, wie z. B. entscheiden aufgrund der erhaltenen Signale, ausgeprägten Entzündungsreaktionen führen.
Gräserpollen oder Hausstaubmilben, zugrunde ob sie ein „Reifungsprogramm“ starten, bei Hierbei werden insbesondere eosinophile,
liegt. Insbesondere die inadäquate Aktivierung dem sie von der Lunge zu drainierenden basophile und/oder neutrophile Granulocyten
des erworbenen Immunsystems führt dann Lymphknoten wandern, ihr aufgenommenes angelockt und aktiviert. Außerdem werden
zu den pathophysiologischen Charakteristika Antigen prozessieren und dieses den T-Hel- B-Zellen dazu angeregt, antigenspezifische
wie bronchiale Hyperreaktivität, Atemwegs- ferzellen des erworbenen Immunsystems feil IgE- und IgG-Moleküle zu produzieren.
obstruktion und Atemwegsentzündung. Wir bieten. Bei Asthmatikern kommt es aus bisher Eine der großen Herausforderungen in der
wissen, dass diese inadäquate Immunreaktion noch nicht verstandenen Gründen häufig zum Asthmaforschung ist es, die Mechanismen zu
mit einer bestimmten genetischen Disposi- Start dieses Reifungsprogramms, da primär verstehen, die der mucosalen Toleranz in der
tion verknüpft ist. Allerdings ist unklar, wie harmlose Aeroallergene als Gefahr angesehen Lunge von Gesunden gegenüber den oben
40 Kapitel 3 • Das angeborene Immunsystem
16
ausschließlich Ursache für Kollateralschäden. Diese Verän- duktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS = reactive oxygen
17 derungen auf der Membran nennt man eat me-Signale. species), die als oxidative burst bezeichnet wird, und eine Reihe
von bakteriziden Proteinen. Zusammen sind diese Mechanismen
In der Folge kommt es zu Umlagerungen im Cytoskelett des in der Lage, alle aufgenommenen Pathogene schnell unschädlich
18 Phagocyten. Die führen dazu, dass das zu phagocytierende zu machen. Die für beide Mechanismen notwendigen Proteine
Partikel von Ausstülpungen der Plasmamembran, sogenannten werden einsatzbereit in cytoplasmatischen Granula gespeichert.
19 Pseudopodien, umschlossen und dann ins Zellinnere gezogen Nach der Phagocytose kommt es zur Entleerung dieser Granula
wird. Dieser Schritt verläuft sehr schnell. Ein stark opsonisiertes ins Phagosom. Dabei werden die Proteine in sehr hoher Menge
20 Partikel kann innerhalb von 20 Sekunden aufgenommen werden. eingesetzt. Ungefähr 40 % des Volumens in einem Phagosom
Alleine die Aufnahme eines Pathogens reicht aber noch nicht wird von Proteinen aus den Granula ausgefüllt. Dabei verfügen
aus, es muss auch noch abgetötet werden, und die Abtötung be- die neutrophilen Granulocyten über unterschiedliche Granu-
21 ginnt sofort nach der Aufnahme. Zunächst löst sich das Actin laarten:
wieder vom Phagosom, danach fusioniert es mit einer Reihe von Azurophile Granula (primäre Granula) enthalten zahlreiche
22 Granula, wobei deren toxische Inhaltsstoffe auf die Pathogene verschiedene Proteine zur Tötung und zum Verdau von Mikroor-
ausgeschüttet werden. ganismen. Sie beinhalten Myeloperoxidase, die drei Proteasen
Cathepsin G, Elastase und Proteinase 3 und zusätzlich antimi-
23 Intrazelluläre Abtötung von Pathogenen krobielle Proteine wie Defensine und Lysozym. Im Inneren der
In ihrem Arsenal haben neutrophile Granulocyten zwei Arten Granula sind diese Enzyme inaktiv, da zum einen der pH-Wert
von Waffen zur Abtötung der phagocytierten Pathogene: die Pro- in den Granula durch Protonenpumpen im sauren Bereich gehal-
3.3 • Zelluläre Komponenten
41 3
Allergen initiale
Proliferation Apoptose
C5a
mDC-„Silencing” C5aR
hält die Zelle mDC
abortive
in unreifem Status Proliferation
naive
TH
C5a
pDC-„Tolerisierung” C5aR
hält die Zelle
naive
in unreifem Status pDC TH Treg-Generierung
a
Silencing
verminderte mDC
Treg-Sensibilisierung
Proliferation und
modifizierte C5-Biologie Differenzierung zu
<< Generierung TH2-Effektorzellen
<< Funktion C5a
C5aR- C5aR
modifizierte C5aR-Biologie signaling mDC
<< Expression
<< Funktion
>> Expression von C5L2 naive
TH
C5a
C5aR
verminderte pDC-„Tolerisierung” naive
pDC TH
verminderte
b Treg-Generierung
.. Abb. 3.2 Die Rolle von C5a bei der Aufrechterhaltung pulmonaler Toleranz bzw. bei Allergen-Sensibilisierung. a) Unter steady state-Bedingun-
gen bei Gesunden reguliert C5a den Reifungsgrad von mDC, die eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Aeroallergen sowie bei der Aktivie-
rung von naiven TH-Zellen spielen. Zudem reguliert C5a den Reifungsgrad von pDC, die inhibitorisch auf mDC wirken und regulatorische T-Zellen (Treg)
induzieren. Durch C5aR-signaling werden mDC im unreifen oder partiell reifen Zustand gehalten, sodass sie naive TH-Zellen initial zur Proliferation
stimulieren können, die in der Folge jedoch abortiv verläuft und zum programmierten Zelltod der stimulierten TH-Zellen führt. C5aR-aktivierte, unreife
pDC inhibieren mDC in ihrer Fähigkeit, naive TH-Zellen zu aktivieren, und induzieren Treg, die zum einen mDC und zum anderen TH2-Effektorzellen in-
hibieren. b) Kommt es durch verminderte Generierung oder Funktion von C5 oder des C5aR zu einer verminderten Aktivierung von mDC oder pDC, so
wird zum einen das Silencing von mDC vermindert und die Sensitivität von mDC für die Treg-vermittelte Inhibition reduziert, zum anderen die Fähigkeit
der pDC vermindert, mDC-Funktionen zu blocken und/oder Treg zu induzieren
C3b
C3b
HOCl
H2O2
•O2–
O2 •O2–
NADPH NADP+ + H+
.. Abb. 3.3 Phagocytose. Die Phagocytose wird ausgelöst durch den Kontakt mit einer Reihe verschiedener Rezeptoren, die entweder direkt an charak-
teristische molekulare Strukturen auf Pathogenen binden oder die Opsonisierung durch Komplementfragmente oder Antikörper wahrnehmen. Danach
kommt es zur Ausbildung von Pseudopodien, durch die das Partikel umschlossen und in die Zelle aufgenommen wird. Nachdem es sich in einem membran
umschlossenen Kompartiment im Zellinnern (Phagosom) befindet, wird das Pathogen durch mikrobizide Proteine (rote Dreiecke) und die Produktion von ROS
durch den NADPH-Oxidase-Komplex (violett) abgetötet
42 Kapitel 3 • Das angeborene Immunsystem
6 oxidative burst an
7
8
9
10
11
ten wird (pH 5) und zum anderen die Proteine an Proteoglykan (. Abb. 3.5). Durch die Superoxid-Dismutase wird •O2− in das
12 gebunden vorliegen. Beim Verschmelzen mit dem Phagosom Superoxidanion O22− (und Sauerstoff) umgewandelt, das zusam-
werden die Proteine freigesetzt und der pH-Wert ändert sich, men mit zwei Protonen Wasserstoffperoxid (H2O2) ergibt. Für
da insbesondere die Aktivität der NADPH-Oxidase zu seinem das H2O2 gibt es, neben der direkten Oxidation mikrobieller Pro-
13 Anstieg beiträgt. teine, mehrere weitere Reaktionswege. Die Myeloperoxidase, die
Spezifische Granula (sekundäre Granula) enthalten Lacto- bis zu 25 % des Inhalts der azurophilen Granula ausmacht, kata-
14 ferrin, Lysozym und Proteine für den NADPH-Oxidase-Kom- lysiert die Oxidation von Halogensalzen (z. B. NaCl) durch H2O2.
plex. Die dabei gebildeten Substanzen wie Hypochlorit sind besonders
15 Gelatinase-Granula (tertiäre Granula) enthalten das Enzym für die Abwehr von Pilzinfektionen von Bedeutung. Hypochlorit
Gelatinase, eine Protease. ist eine hochreaktive Substanz, die im täglichen Umgang unter
In einer späteren Phase kommt es zur Ansäuerung des Pha- anderem als Bleiche, Desinfektionsmittel und Rohrreiniger ver-
16 gosomeninhalts und zum weiteren Abbau der Pathogene. Dafür wendet wird. In einer durch Eisen(II)-Ionen katalysierten Reak-
verschmelzen die Phagosomen mit Lysosomen, in denen sich tion kann H2O2 in das Hydroxylradikal (•OH) umgesetzt werden.
17 vorwiegend Hydrolasen befinden, die bei saurem pH-Optimum Auch das •OH ist eine stark oxidierende Substanz mit biozidem
aktiv sind, und es kommt zur Bildung des Phagolysosoms. Potenzial, in vivo erfolgt diese Reaktion aber vermutlich nicht,
Die Bildung der ROS beginnt mit der NADPH-Oxidase, da freies Eisen in den Phagosomen durch Lactoferrin gebunden
18 einem Komplex aus fünf Proteinen (gp91, p22, p67, p47 und wird. H2O2 ist auch ein wichtiger Ansatzpunkt für die bakterielle
p40). Zusammen katalysieren diese Proteine eine Reaktion, bei Verteidigung gegen ROS. Das bakterielle Enzym Katalase ist in
19 der unter Verbrauch von NADPH Elektronen auf Sauerstoff im der Lage, H2O2 in Wasser und Sauerstoff zu zersetzen und da-
Innern des Phagosoms übertragen werden. Der Nettoeffekt die- durch zu inaktivieren.
20 ser Reaktion ist, dass hochreaktive Superoxidradikale (•O2−) im Eine weitere Gruppe von reaktiven Substanzen, die beim
Inneren des Phagosoms entstehen. Dabei werden beachtliche oxidative burst entstehen können, sind reaktive Stickstoffspezies
Mengen von •O2− gebildet. Berechnungen haben ergeben, dass in (RNS = reactive nitrogen species). Stickstoffmonoxid (NO) wird
21 den Phagosomen insgesamt zwischen 1 und 4 mol/Liter erzeugt durch die NO-Synthase aus L-Arginin gebildet und kann entwe-
werden, die schnell weiterreagieren, sodass zu einem gegebenen der direkt auf Pathogene wirken oder mit dem Superoxidanion
22 Zeitpunkt mikromolare Konzentrationen im Phagosom vorlie- zusammen das hochreaktive Peroxynitrit bilden. Während bei
gen. Wie man in . Abb. 3.4 sehen kann, ist die Produktion von Mäusen insbesondere die Makrophagen signifikante Mengen
ROS auf bestimmte Bereiche der Zellen begrenzt, in denen sich RNS herstellen, ist ihre Bildung beim Menschen hingegen kaum
23 die phagocytierten Erreger befinden. nachweisbar. Das Fehlen von NO-Synthase hat in den Mäusen
Es kommt zu einer Reihe von Reaktionen, bei denen aus kaum einen Effekt auf die Eliminierung von Pathogenen in Neu-
dem zunächst gebildeten •O2− weitere ROS hergestellt werden trophilen, ist aber von Bedeutung bei der Abwehr der intrazel-
3.3 • Zelluläre Komponenten
43 3
NADPH + O2 L-Arginin
NADPH-
NO-Synthase
Oxidase
•O2– NO
Superoxidradikal Stickstoffmonoxid
Superoxid-
Dismutase
Katalase H2O2 ONOO–
O2 + H2O
Wasserstoffperoxid Peroxynitrit
Myelo- Fe2+
peroxidase
HOCl •OH
Hypochlorige Säure Hydroxylradikal
.. Abb. 3.5 Reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies beim oxidative burst. Dargestellt sind die wichtigsten Reaktionswege (nicht stöchiometrisch) für die
Umwandlung von mikrobiziden ROS und RNS (rot) und nicht reaktiven Stoffen (weiß) ineinander. Die zentrale Rolle spielt die NADPH-Oxidase, die das Supero-
xidradikal (•O2−) bildet, das als Ausgangspunkt für die weiteren reaktiven Sauerstoffspezies dient. Aus ihm wird durch die Superoxid-Dismutase Wasserstoff-
peroxid (H2O2) gebildet. H2O2 wird durch die Myeloperoxidase zur Oxidation von Halogeniden verwendet und kann theoretisch in Gegenwart von Eisen(II)-Io-
nen zum Hydroxylradikal reagieren. Ein wichtiger bakterieller Verteidigungsmechanismus ist das Enzym Katalase, durch das H2O2 zu Wasser und Sauerstoff
inaktiviert wird. Besonders in Mäusen kommt es auch noch zur Bildung von RNS. Die Reaktion beginnt mit der Bildung von Stickstoffmonoxid, das mit dem
Superoxidradikal zum Peroxynitrit reagiert
.. Abb. 3.6 Neutrophil extracellular traps (NETs). Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen von NETs aus menschlichen PMN. a Mit Fluoreszenzfarbstoffen
wurden die intrazelluläre DNA in den Zellkernen intakter Zellen (blau) und die in NETs enthaltene extrazelluläre DNA (rot) sichtbar gemacht. b Detailansicht
einer NET-Struktur (rot), in der sich fluoreszenzmarkierte E. coli (grün) verfangen haben
lulären Erreger Listeria monocytogenes, Salmonella typhimurium neutrophile extrazelluläre Fallen) können verschiedene Bakterien
und Mycobacterium tuberculosis durch Makrophagen. (Staphylococcus aureus), Hefen (Candida albicans) und andere
Pilze (Aspergillus fumigatus) eingefangen und durch die enthal-
Bildung neutrophiler extrazellulärer Fallen tenen Proteine abgetötet werden.
Selbst nach ihrem Tod können neutrophile Granulocyten noch
eine antimikrobielle Wirkung haben. Anstelle einer Apoptose Eosinophile Granulocyten
kommt es in einigen Fällen zum Anschwellen des Zellkerns, einer Die Aufgabe von eosinophilen Granulocyten liegt in der Abwehr
Auflösung der Chromatinstruktur und Freisetzung der DNA aus von parasitären Würmern (Helminthen). Dabei können sie zum
der Zelle. Sie bildet außerhalb der Zelle netzförmige Strukturen einen direkt gegen die Erreger vorgehen und zum anderen mit
(. Abb. 3.6), an die auch Proteine aus dem Kern (Histone) und Mastzellen und T-Zellen kommunizieren. Sie verbleiben unge-
den ebenfalls aufgelösten Granula (Defensine, Myeloperoxidase, fähr 18–25 Stunden in der Zirkulation, bevor sie in das Gewebe
Cathepsin G, Elastase, Lactoferrin, Calprotectin, uvm.) gebunden einwandern. Im Falle einer Infektion werden sie aus der Zirkula-
sind. In diesen NET-Strukturen (neutrophil extracellular traps, tion zu den Entzündungsherden rekrutiert, insbesondere durch
44 Kapitel 3 • Das angeborene Immunsystem
Chemokine, PAF (platelet activating factor) und die Cytokine IL- B-Zellen zu interagieren und die Produktion von IgE zu fördern.
1 3, IL-5 und GM-CSF von Mastzellen. Die Produktion von IL-4 hat aber noch eine weitere Wirkung.
Dort angekommen, verwenden sie ein ähnliches Arsenal Experimente zeigten, dass Basophile unter bestimmten expe-
2 wie die neutrophilen Granulocyten. Auch Eosinophile verfügen rimentellen Bedingungen in der Lage sind, in den Lymphkno-
über Granula, die mikrobizide Proteine enthalten (▶ Kap. 8). Im ten zu wandern und dort als antigenpräsentierende Zelle naive
Gegensatz zu neutrophilen Granulocyten, deren Granulainhalte T-Zellen durch IL-4 zu TH2-Zellen zu aktivieren. Das deutet an,
3 kontrolliert in die Phagosomen im Inneren der Zelle abgege- dass Basophile eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der
ben werden, erfordert die Bekämpfung nicht phagocytierbarer TH2-Antwort gegen Parasiten, aber auch gegen Allergene haben
4 Erreger die Freisetzung von Mediatoren wie MBP (major basic könnten. Eine solche TH2-Antwort wird allerdings immer noch
protein), EPO (eosinophil peroxidase) und EDN (eosinophil-de- in genetisch modifizierten Mäusen ausgelöst, die nahezu keine
5 rived neurotoxin) in den extrazellulären Raum. Dafür ordnen Basophilen mehr haben. Daher ist es fraglich, ob Basophile unter
sich Eosinophile direkt neben dem Pathogen an und schütten physiologischen Bedingungen wirklich in der Lage sind, effektiv
den Inhalt ihrer Granula in dessen Richtung aus. Eosinophile Antigene zu präsentieren.
6 setzen ebenfalls die NADPH-Oxidase ein, nur dass sich der Pro-
teinkomplex bei diesen Zellen auf der Plasmamembran befindet
7 und die ROS in die Peripherie abgibt. Neben der Schädigung des Mastzellen
Pathogens führen die Degranulierung und der oxidative burst
der Eosinophilen daher auch zu erheblichen Kollateralschäden Mastzellen gehören ebenfalls zum angeborenen Immunsystem
8 an körpereigenen Zellen. und haben ähnliche Aufgaben wie die eosinophilen und baso-
Durch das freigesetzte MBP und ihre proinflammatorischen philen Granulocyten. Sie sind zuständig für die Abwehr großer
9 Cytokine stimulieren Eosinophile auch Mastzellen, sodass sich Pathogene, die nicht durch Phagocytose, sondern durch De-
die beiden Zelltypen gegenseitig aktivieren. Darüber hinaus sind granulierung angegriffen werden. Mastzellen kommen nicht im
10 Eosinophile in der Lage, in drainierende Lymphknoten einzu- Blut vor, sondern befinden sich vor Ort im Gewebe, insbeson-
wandern und dort Antigene zusammen mit CD80/CD86 an dere an Stellen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für einen
T-Helferzellen zu präsentieren. Zusammen mit der Ausschüt- Kontakt mit Pathogenen wie der Haut und den Schleimhäuten.
11 tung erheblicher Mengen des TH2-Cytokins IL-4 führt dies zu Die Aktivierung von Mastzellen erfolgt hauptsächlich durch
TH2-Polarisierung und Bildung von IL-4, IL-5 und IL-13 durch den FcεRI. An diesen Rezeptor liegt IgE gebunden vor, und
12 die T-Zellen. Es ist allerdings unklar, ob Eosinophile wirklich in es kommt bei Kontakt mit einem passenden Antigen zu einer
der Lage sind, naive T-Zellen zu aktivieren und dabei zu TH2-Zel- Vernetzung der Rezeptoren und Aktivierung der Mastzelle. Da-
len zu differenzieren. Möglicherweise können sie auch nur be- rüber hinaus tragen Mastzellen auch noch mehrere Rezeptoren
13 reits aktivierte T-Effektorzellen weiter zur Proliferation anregen gegen IgG, Komplement und bestimmte molekulare Struktu-
und tragen durch die Ausschüttung von IL-4 insgesamt zu einer ren von Pathogenen, durch die sie ebenfalls aktiviert werden
14 Prävalenz von TH2-Zellen bei. können. Aufgrund der zentralen Rolle, die Mastzellen in der
Da Infektionen mit Helminthen in der westlichen Welt heut- Allergie vom Soforttyp spielen, werden die Mediatoren, mit de-
15 zutage selten geworden sind, sind die Eosinophilen hauptsäch- nen Mastzellen in die Immunreaktion eingreifen, im Detail in
lich für ihre Beteiligung an der allergischen Reaktion bekannt, ▶ Kap. 10 behandelt.
insbesondere bei allergischem Asthma. Hierbei kooperieren die
16 Eosinophilen mit Mastzellen und Basophilen und fördern die
Produktion von IgE durch die Polarisation zu TH2-Zellen, genau Das mononucleäre Phagocytensystem
17 wie bei der Abwehr größerer Pathogene wie Helminthen.
Nach ihrer Reifung im Knochenmark wandern Monocyten ins
Basophile Granulocyten Blut, wo sie beim Menschen ungefähr 10 % der Leukocyten aus-
18 Die Frage, welche Aufgabe basophile Granulocyten im Immun- machen. Diese Zellen können phagocytieren und nach Stimula-
system haben, ist noch nicht endgültig geklärt. Wegen ihrer Ko- tion eine Reihe von Entzündungsmediatoren freisetzen. Sie sind
19 operation mit Mastzellen und eosinophilen Granulocyten ist es daher wichtige Regulatoren für entzündliche Prozesse bei der
wahrscheinlich, dass sie ebenfalls an der Abwehr von Helminthen Abwehr von Pathogenen, aber auch beteiligt an der Pathogenese
20 beteiligt sind. Aufgrund der geringen Anzahl im Blut und ihrer von rheumatoider Arthritis und Atherosklerose. Monocyten ha-
ähnlichen Effektorfunktionen werden die basophilen Granulocy- ben eine typische Morphologie, mit einer unregelmäßigen Zell-
ten häufig als eine untergeordnete Population von zirkulierenden form, ovalem oder nierenförmigen Zellkern und einem hohen
21 Mastzellen bezeichnet. Sie werden, ebenso wie die Eosinophi- Verhältnis von Cytoplasma zu Zellkern. Charakteristisch ist für
len, von Mastzellen zum Ort einer Entzündung geführt. Dort sie die Expression des Leitmarkers CD14, auch wenn es einen
22 können sie dann nach Stimulation über den FcεRI-Rezeptor zur kleinen Teil CD14-negativer Monocyten gibt.
IgE-abhängigen Freisetzung von Histamin und Leukotrienen in Monocyten können auch ins Gewebe auswandern, wo sie
die Immunreaktion eingreifen. Trotzdem kann man die Basophi- als Vorläuferzellen für Makrophagen und bestimmte Subpo-
23 len klar von den Mastzellen abgrenzen. Basophile produzieren pulationen von DC dienen. Unter normalen Bedingungen sind
IL-4 und IL-13 und können den Liganden für CD40 (CD154) auf Monocyten wichtig, um die verschiedenen Makrophagenpopu-
ihrer Oberfläche exprimieren. Dadurch sind sie in der Lage, mit lationen in den Geweben zu bilden, wie Kupffer-Zellen (Leber),
3.3 • Zelluläre Komponenten
45 3
5 Endosomen
6 TLR-6 Plasmamembran Diacylierte Lipopeptide (als Dimer mit TLR-2) Grampositive Bakterien und Mycoplasmen
9 stehen und so eine entzündliche Reaktion auslösen. Die Funktion darauf, dass deren Proteinsynthese durch CTL (cytotoxische
der PRR ist, trotz ihres Namens, also nicht auf die Erkennung von T-Lymphocyten) überwacht wird. Dies geschieht, indem die CTL
10 PAMP beschränkt. den auf MHC(major histocompatibility complex)-Klasse-I-Mole-
Die zweite Gruppe von TLR, bestehend aus TLR-3, TLR-7, külen präsentierten Inhalt der Zelle auf virale oder Tumorpro-
TLR-8 und TLR-9, kommt vorwiegend auf intrazellulären Kom- teine überprüfen. In den folgenden Kapiteln wird noch genauer
11 partimenten wie Endolysosomen vor. Sie erkennen pathogenty- ausgeführt, wie dies abläuft. Eine MHC-I-abhängige Form der
pische Nucleinsäuren. Dies sind beispielsweise doppelsträngige Abwehr funktioniert aber nur, wenn auch wirklich MHC-I-Mo-
12 RNA und unmethylierte DNA, die nicht beim Menschen vor- leküle mit den entsprechenden Antigenen auf der Oberfläche zu
kommen. Nicht alle TLR führen zur gleichen zellulären Reaktion. finden sind. Stellt eine Zelle die Expression von MHC-I-Mole-
Beispielsweise lösen Rezeptoren für virale Nucleinsäuren insbe- külen ein, kann sie vom spezifischen Immunsystem nicht mehr
13 sondere die Produktion von Typ-I-Interferonen aus, die die an- kontrolliert werden. Eine Reihe von Viren macht sich dies aktiv
tivirale Abwehr aktivieren. PRR signalisieren dem angeborenen zunutze, indem sie die Präsentation von MHC-I-Molekülen auf
14 Immunsystem also nicht nur die Anwesenheit von Pathogenen der von ihnen infizierten Zelle verhindern. Auch bei Tumorzellen
im Allgemeinen. Durch Rezeptoren für verschiedene Arten von wird häufig beobachtet, dass sie eine geringere MHC-I-Expres-
15 PAMP, die unterschiedliche Signale in die Zelle leiten, wird auch sion haben. Bei bestimmten Tumorarten wurde in 80 bis 90 % der
eine Information über die Art des Pathogens und damit die er- untersuchten Fälle eine nur geringe oder gänzlich undetektier-
forderliche Immunreaktion mitgeliefert. bare Expression von MHC-I-Molekülen auf der Zelloberfläche
16 Nach den TLR wurde auch noch eine Reihe von cytosoli- festgestellt. Durch die Verminderung ihrer MHC-I-Expression
schen PRR entdeckt. Zwei wichtige Familien sind die RLR (RIG- können Zellen zwar der Vernichtung durch CTL entgehen, doch
17 I-like receptors) und die NLR (NOD-like receptors). Zu den RLR hier kommen die NK-Zellen ins Spiel. Sie erkennen Körperzel-
gehören drei Rezeptoren (RIG-I, Mda5 und LGP2), die nach Er- len, die keine MHC-I-Moleküle exprimieren (missing self), und
kennung viraler RNA eine antivirale Reaktion auslösen. Von den eliminieren sie durch die Freisetzung des cytotoxischen Inhalts
18 NLR wurden bisher über 20 verschiedene Vertreter entdeckt, da- ihrer Granula.
runter NOD1 und -2 und NALP3. Die NLR erkennen verschie- NK-Zellen gehören zu den Lymphocyten. Sie sind aber den-
19 dene PAMP, haben aber auch andere cytoplasmatische Auslöser noch ein Teil des angeborenen Immunsystems. Im Gegensatz
wie Asbest, Silikate oder Harnsäurekristalle. Ihre Besonderheit zu T- und B-Zellen verfügen sie nicht über einen spezialisierten
20 ist die Bildung eines intrazellulären Komplexes aus mehreren Rezeptor gegen ein Antigen, der durch Genumlagerung ent-
Proteinen, dem Inflammasom, das durch eine Aktivierung der steht. Sie haben stattdessen eine Vielzahl von Rezeptoren, die
Caspase-1 die Prozessierung und Freisetzung der entzündungs- entweder zur Erkennung von Zielzellen dienen und die cyto-
21 fördernden Cytokine IL-1β und IL-18 verursacht. toxischen Eigenschaften der Zellen aktivieren oder die inhibie-
rend wirken, um intakte Zellen zu verschonen. Ihre Aktivität
22 wird durch die Balance der Signale dieser beiden Rezeptortypen
Natürliche Killerzellen bestimmt (. Abb. 3.8). Es gibt keinen spezifischen Leitmarker
für NK-Zellen. Sie werden charakterisiert durch die Proteine
23 Die Abwehr von Tumorzellen oder von Zellen, die mit einem CD16 (Fcγ-RIII) und CD56 auf ihrer Oberfläche und zusätzlich
Virus infiziert sind, ist eine wesentliche Aufgabe des Immun- durch die Abwesenheit von CD3. Das Fehlen von CD3 ist wich-
systems. Eine Strategie zur Erkennung solcher Zellen beruht tig, um die NK-Zellen von den NKT-Zellen zu unterscheiden.
3.3 • Zelluläre Komponenten
47 3
.. Abb. 3.8 Regulation der NK-Zell-Aktivität über akti-
vierende und inhibierende Rezeptoren. Um die Ober NK-Zelle
flächenmoleküle einer Zielzelle zu überprüfen, bildet die
NK-Zelle durch Interaktionen mit Adhäsionsmolekülen eine
ICAM LFA1
ICAM LFA1
immunologische Synapse aus. Sie verfügt sowohl über
aktivierende (rot) als auch inhibierende (grün) Oberflächen-
rezeptoren. Die Entscheidung, ob eine NK-Zelle die von ihr
gebundene Zielzelle tötet oder nicht, hängt von der Summe
Zielzelle
der Signale ab, die sie über die immunologische Synapse
empfängt. Überwiegen die aktivierenden Signale (linke
Seite), kommt es zur gerichteten Ausschüttung cytoto-
xischer Granula. Überwiegen die inhibierenden Signale
(rechte Seite), wird der Kontakt gelöst und die Zielzelle bleibt NK-Zelle NK-Zelle
unbehelligt
ICAM LFA1
ICAM LFA1
ICAM LFA1
ICAM LFA1
Zielzelle Zielzelle
LFA-1 (CD11a/CD18) Zell-Zell-Kontakt und Voraktivierung der NK-Zelle ICAM (intercellular adhesion molecule)
KIR (killer cell immunoglobulin-like receptor)-Familie Inhibierende Rezeptoren* HLA-A, HLA-B, HLA-C
*einige Rezeptoren der KIR- und NKG2-Familien können auch aktivierend wirken.
NKT-Zellen gehören zu den T-Lymphocyten. Sie entstehen aus Zielzellen überprüfen. Wenn die aktivierenden Signale überwie-
Thymocyten und tragen einen α:β-TCR, haben zusätzlich aber gen, kommt es im letzten Schritt der Interaktion zur Degranulie-
auch einige Oberflächenproteine mit den NK-Zellen gemein- rung und damit zur Tötung der Zielzelle.
sam.
Die Interaktion zwischen einigen Immunzellen und ihren Aktivierende Rezeptoren auf NK-Zellen
Zielzellen erfolgt durch die Ausbildung einer spezifischen Kon- Das Fehlen von MHC-I-Molekülen ist ein wesentlicher Mecha-
taktstelle, die als immunologische Synapse bezeichnet wird. nismus für die Aktivierung von NK-Zellen. Sie reagieren dadurch
Definiert ist die immunologische Synapse als die Kontaktstelle auf das Fehlen einer Oberflächenstruktur, die nachweist, dass die
zweier Zellen, von denen mindestens eine zum Immunsystem Zielzelle zum Körper gehört und keine verdächtigen Proteine
gehört und bei der es auf einer begrenzten Fläche zur Freisetzung herstellt. Fehlende MHC-I-Moleküle (missing self) bedeuten also,
von Proteinen kommt. Am Anfang steht die Kontaktaufnahme dass sich eine Zelle nicht als ordentliche Körperzelle ausweisen
zwischen den beiden Zellen. Sie erfolgt durch die Interaktion kann. Zusätzlich dazu sind noch weitere Signale von Seiten der
von Adhäsionsmolekülen. LFA-1 auf der NK-Zelle bindet an Zielzelle für die Erkennung und Abtötung notwendig.
ICAM-1, -2, -3 und -4 auf der Zielzelle. Danach interagieren die LFA-1 (ein Komplex aus CD11a und CD18) stellt nicht nur
aktivierenden und inaktivierenden Rezeptoren der NK-Zelle die Verbindung zur Zielzelle her, sondern sorgt dafür, dass die
mit ihren jeweiligen Liganden, soweit diese vorhanden sind. Die Granula in der Nähe der immunologischen Synapse angeord-
Reaktivität der NK-Zelle basiert auf dem Verhältnis von akti- net werden. Eine Aktivierung von LFA-1 bereitet die NK-Zelle
vierenden zu inaktivierenden Signalen, die von der Anzahl der dadurch auf eine mögliche Eliminierung der Zielzelle vor, führt
jeweiligen Liganden auf der Oberfläche der Zielzelle abhängen. aber alleine noch nicht zur Degranulierung. Liganden, die sich
Dieses Gleichgewicht wird auch durch das Verhältnis der akti- auf infizierten, transformierten oder gestressten Zellen befinden,
vierenden zu inaktivierenden Rezeptoren auf ihrer Oberfläche werden durch andere aktivierende Rezeptoren erkannt. Dazu
geprägt (. Tab. 3.4). Wichtig ist dabei, dass die inhibierenden gehören NKp44 und NKp46. Sie binden an Influenza-Hämag
Liganden in der Lage sind, die aktivierenden zu dominieren. So- glutinin auf der Oberfläche einer Zielzelle. Ihre Liganden auf
lange genug inhibierende Rezeptoren aktiviert werden, kommt Tumorzellen sind unbekannt, ebenso wie bei einer ganzen Reihe
es nicht zum Angriff auf die Zielzelle. In diesem Fall löst sich die von weiteren aktivierenden Rezeptoren, deren genaue Liganden
immunologische Synapse wieder, und die NK-Zelle kann weitere noch nicht identifiziert sind.
48 Kapitel 3 • Das angeborene Immunsystem
NK-Zellen verfügen noch über eine weitere Art, Zielzellen Vorläuferproteine synthetisiert. Erst durch die Abspaltung zweier
1 wahrzunehmen. Sie basiert auf dem niedrigaffinen IgG-Rezep- Aminosäuren am N-Terminus, entweder durch Cathepsin C oder
tor Fcγ-RIII (CD16, einer der charakteristischen Marker von durch einen IL-2-stimulierten zusätzlichen Weg, wird die kata-
2 NK-Zellen). Wenn Antikörper gegen virale Strukturen oder Tu- lytisch wirksame Form gebildet. Außerdem sind die Granzyme
morproteine auf der Oberfläche einer Zielzelle gebunden haben, bei dem sauren pH-Wert innerhalb der Granula nahezu inaktiv.
kommt es durch eine Aktivierung von CD16 ebenfalls zur De- Anfänglich wurde angenommen, dass Perforin Poren formt,
3 granulierung; dieser Prozess wird als ADCC (antibody-dependent durch die Granzyme ins Innere der Zielzelle eindringen. In
cell-mediated cytotoxicity) bezeichnet. Wirklichkeit verursacht Perforin allerdings nur relativ kleine
4 Poren, durch die Calcium in die Zielzelle einströmt. Granzyme,
Inaktivierende Rezeptoren auf NK-Zellen die sich aufgrund elektrostatischer Wechselwirkungen an die
5 Der wichtigste Ligand für die inaktivierenden Rezeptoren ist das Zielmembran anlagern, werden daraufhin durch Endocytose
MHC-I-Molekül. Viele dieser Rezeptoren gehören zur Familie aufgenommen. Sie entkommen innerhalb von Minuten aus den
der KIR (killer cell immunoglobulin-like receptor). Sie erkennen Endosomen und lösen durch mindestens drei verschiedene Wege
6 die klassischen antigenpräsentierenden Moleküle HLA-A, -B Apoptose aus. Granzym A schädigt die Mitochondrien, wodurch
und -C. Zusätzlich gibt es auch noch Rezeptoren wie CD94, der es zu einem apoptotischen Zelltod kommt, der aber komplett
7 zusammen mit NKG2A HLA-E erkennt. Die Gruppe der inak- unabhängig von den zentralen Effektormolekülen der Apoptose,
tivierenden Rezeptoren kann zusätzlich zum MHC-I-Molekül den Caspasen, ist. Im Gegensatz dazu spaltet und aktiviert Gran-
auch andere zelluläre Strukturen erkennen. Zum Beispiel bindet zym B die zentrale Caspase-3. Zusätzlich kann Granzym B auch
8 der Rezeptor KLRG1 Cadherine. Verminderte Cadherin-Expres- noch direkt eine Reihe von Substraten der Caspase-3 aktivieren
sion kann ein Warnsignal für eine maligne Entartung sein; diese und dadurch den apoptotischen Prozess in Gang setzen.
9 Adhäsionsproteine werden von metastasierenden Epithelzell-Tu- Als weitere Mechanismen für eine cytotoxische Wirkung set-
moren herunterreguliert. zen die NK-Zellen auch noch FAS-Ligand und TRAIL frei. Beide
10 Um zu entscheiden, welche Reaktion auf die Signale der ver- gehören zur TNF-Superfamilie. Die Bindung von FAS-Ligand
schiedenen Rezeptoren erfolgen soll, müssen die aktivierenden an seinen Rezeptor FAS (= CD95) oder von TRAIL an meh-
und inaktivierenden Stimuli gegeneinander abgewogen werden rere Rezeptoren der TNF-Rezeptor-Superfamilie führen in den
11 (. Abb. 3.8). Die aktivierenden Rezeptoren verfügen in ihrem Zielzellen ebenfalls zu Apoptose. Die Vielfalt der verschiedenen
intrazellulären Teil über ITAM (immunoreceptor tyrosine-based Wege, die NK-Zellen einsetzen, um den programmierten Zell-
12 activation motif)-Sequenzen (▶ Kap. 6), die zur Degranulierung tod auszulösen, dient vermutlich der Absicherung. Sollte eine
führende Signale auslösen. Auf den inhibierenden Rezeptoren Zielzelle eine Möglichkeit finden, einen der Wege zu blockieren,
befinden sich stattdessen ITIM (immunreceptor tyrosine-based wird ihre Eliminierung durch eine Reihe anderer Mechanismen
13 inhibitory motif)-Sequenzen. Diese rekrutieren Phosphatasen, sichergestellt. Somit ist ein einzelner Verteidigungsmechanismus
die durch Dephosphorylierung die Signale der aktivierenden nicht in der Lage, die Kontrolle durch NK-Zellen zu umgehen.
14 Rezeptoren abschalten.
Zusätzliche Interaktionen von NK-Zellen
Tötungsmechanismus
15 Es gibt mindestens zwei unterschiedliche Arten von NK-Zellen.
Die Waffe, mit der NK-Zellen ihre Zielzellen eliminieren kön- Im Blut exprimieren über 90 % der NK-Zellen nur wenig CD56
nen, sind ihre bereits erwähnten cytotoxischen Granula. Den (CD56schwachCD16+). Zusätzlich gibt es noch weitere NK-Zellen,
16 gleichen Mechanismus verwenden auch cytotoxische T-Zellen die deutlich mehr CD56, aber kein CD16 auf ihrer Oberfläche
(CTL). Bei der Degranulierung kommt es zunächst zu Umlage- haben (CD56starkCD16−). Zwischen diesen Subpopulationen be-
17 rungen des Cytoskeletts und einer Anordnung der Granula in steht eine Arbeitsteilung. Während die CD56schwachCD16+ für die
der Nähe der Membran. Nach der Aktivierung verschmelzen die klassische Funktion der NK-Zellen als cytotoxische Effektorzelle
cytotoxischen Granula mit der Plasmamembran, und ihr Inhalt zuständig ist, die ohne Voraktivierung unspezifisch Zielzellen
18 wird in die immunologische Synapse freigesetzt. Die wichtigsten vernichtet, kommunizieren die CD56starkCD16− über Cytokine
Granula-Proteine sind Perforin, Granzyme, FAS-Ligand (TNF mit anderen Immunzellen und wirken dadurch auch prägend auf
19 superfamily, member 6) und TRAIL (tumor necrosis factor-related das spezifische Immunsystem ein. In lymphatischen Geweben
apoptosis-inducing ligand). Es handelt sich dabei um eine loka- ist der Anteil an CD56starkCD16−-NK-Zellen daher auch deutlich
20 lisierte und kontrollierte Freisetzung in Richtung der Zielzelle, höher als im Blut. Es gibt eine gegenseitige Wechselbeziehung
bei der Kollateralschäden durch die Ausbildung der immunolo- von NK-Zellen mit DC. Zum einen werden NK-Zellen durch di-
gischen Synapse weitgehend vermieden werden. Die NK-Zelle rekten Zellkontakt und die Cytokine IL-2, IL-12, IL-15, IL-18 von
21 selbst kommt zwar in direkten Kontakt mit dem Inhalt ihrer Gra- DC aktiviert. Das regt die Bildung von Perforin, die Produktion
nula, wird bei diesem Vorgang aber nicht beschädigt. Sie schützt von IFN-γ und ihre Funktion als cytotoxische Zellen an. Zum
22 sich durch Proteine, die Perforin spalten (Cathepsin B) und anderen führt die Freisetzung von IFN-γ, TNF-α und GM-CSF
Granzyme inaktivieren (Serpin), und kann nach getaner Arbeit durch die NK-Zellen zur Aktivierung und Reifung von DC. Da-
weitere Zielzellen überprüfen und gegebenenfalls eliminieren. rüber hinaus sind NK-Zellen Produzenten von TH1-Cytokinen
23 Auch innerhalb der Zelle ist sichergestellt, dass der Inhalt der und eine wichtige Quelle von IFN-γ zu Beginn der Immunant-
Granula die NK-Zelle nicht beschädigt. Die Proteine der Gran- wort, die eine TH1-Reaktion einleitet. Sie können in Kontakt mit
zym-Familie sind Serinproteasen. Granzyme werden als inaktive derselben DC sein, die eine naive T-Helferzelle aktiviert, und als
Literatur
49 3
Antwort auf IL-12 von der DC das IFN-γ für die Polarisierung
der naiven T-Helferzelle in Richtung TH1 produzieren. Darüber
hinaus schütten NK-Zellen Chemokine wie CCL3, -4 und -5 aus,
durch die unreife DC und TH1-Zellen angelockt werden. Zusätz-
lich zu ihrer Funktion in der angeborenen Immunität regulieren
NK-Zellen also auch wesentliche Schritte am Beginn der adap-
tiven Immunantwort.
Des Weiteren können NK-Zellen auch mit Makrophagen in-
teragieren. Die Interaktion verläuft ähnlich wie bei den DC und
kann zur Proliferation, Cytokinproduktion und Aktivierung der
NK-Zellen führen. Wenn Makrophagen mit einer großen Menge
LPS stimuliert wurden, kommt es nicht zu einer regulatorischen,
sondern zu einer cytotoxischen Interaktion. Sie exprimieren
dann den Liganden für den aktivierenden NK-Zell-Rezeptor
NKG2D und werden trotz vorhandener MHC-I-Moleküle von
der NK-Zelle getötet. Es wird vermutet, dass es sich dabei um
einen Mechanismus handelt, durch den überstimulierte Makro-
phagen eliminiert werden.
Literatur
Antigenpräsentation
Hajo Haase
Zellen des angeborenen Immunsystems, beispielsweise die Mak- Der MHC-Komplex hat eine Größe von ungefähr 3,6 Mb
1 rophagen, verfügen über eine Reihe von Rezeptoren, die es ihnen (Megabasen = Millionen Basenpaare DNA) und besteht aus drei
ermöglichen, Pathogene anhand hoch konservierter molekularer Regionen, in denen sich insgesamt mehr als 0,1 % der Gene des
2 Muster direkt zu binden. T-Zellen erkennen keine freien Anti- menschlichen Genoms befinden. Die Regionen, in denen die
gene, sie werden nur dann aktiviert, wenn antigenpräsentierende Moleküle der Klasse I und II codiert sind, werden dementspre-
Zellen (APC, antigen-presenting cells) die Peptidfragmente, an chend auch als Region I bzw. II bezeichnet. Die Klasse-III-Region
3 bestimmte Oberflächenproteine gebunden, dem T-Zell-Rezeptor befindet sich zwischen den beiden anderen Regionen und enthält
präsentieren. Der T-Zell-Rezeptor (TCR, T cell receptor) wird Gene für weitere an der Antigenprozessierung und -präsenta-
4 bereits während der Reifung der T-Zellen im Thymus (▶ Kap. 2) tion beteiligte Proteine, aber auch viele immunologisch relevante
danach ausgewählt, ob er mit den antigenpräsentierenden Mo- Proteine ohne direkte Funktion bei der Antigenpräsentation wie
5 lekülen des Organismus zu interagieren vermag. beispielsweise Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und mehrere
Fast alle Zellen des menschlichen Körpers sind grundsätzlich Komplementproteine (z. B. C4).
in der Lage, Antigene auf ihrer Oberfläche zu präsentieren. Das Die MHC-Moleküle sind die Basis für die Antigenpräsenta-
6 ist wichtig, damit bei einer viralen Infektion an eine cytotoxi tion. Sie sind in Wirbeltieren aber auch die Ursache für die Unter-
sche T-Zelle signalisiert werden kann, dass eine bestimmte Zelle scheidung von Selbst und Nicht-Selbst durch das Immunsystem.
7 befallen ist und zum Schutz des Organismus eliminiert werden Bei Wirbellosen kommen sie nicht vor. Es wird aufgrund ihrer
muss. Dadurch wird die weitere Ausbreitung der Infektion ein- strukturellen und funktionellen Ähnlichkeit vermutet, dass sich
gedämmt. MHC-I und MHC-II aus einem gemeinsamen Vorläufer entwi-
8 Darüber hinaus gibt es noch einige professionelle APC, die ckelt haben. Bei den Genen für beide MHC-Klassen gibt es so-
den T-Zellen Antigene präsentieren, entweder um diese Zellen wohl Polygenie als auch Polymorphismen. Polygenie bezeichnet
9 zu aktivieren, oder um von ihnen aktiviert zu werden (▶ Ab- das Vorhandensein verschiedener Gene, zum Beispiel enthält das
schn. 4.3). Diese Vorgänge sind wichtig für die Steuerung und menschliche Genom nicht nur eine Version von MHC-II, sondern
10 Kontrolle der adaptiven Immunantwort, da hier entschieden gleich drei (HLA-DR, -DQ und -DP), deren Produkte jeweils ein
wird, gegen welche Antigene eine adaptive Immunreaktion aus- anderes Spektrum von Peptiden binden. Polymorphismus bedeu-
gelöst wird. tet, dass es eine Anzahl verschiedener möglicher Allelvarianten
11 für jedes der Gene gibt. Die Anzahl an Polymorphismen ist bei
den MHC-Proteinen ausgesprochen hoch. Wie der Begriff „His-
12 4.1 Antigenpräsentierende Moleküle tokompatibilität“, also „Gewebeverträglichkeit“, schon andeutet,
sind diese Gene ausschlaggebend für die Kompatibilität von Ge-
Die Gene einer ganzen Reihe der wichtigsten an der Antigen- weben bei der Transplantation, und der starke Polymorphismus
13 präsentation beteiligten Proteine sind in dem sogenannten ist ein großes Hindernis für die allogene Transplantation, also
Haupthistokompatibilitätskomplex codiert (MHC, major histo- zwischen Individuen derselben Art. Die zugrunde liegenden Me-
14 compatibility complex). Der menschliche MHC befindet sich auf chanismen werden in ▶ Kap. 12 eingehender behandelt.
dem kurzen Arm von Chromosom 6. Der entsprechende Gen- MHC-Moleküle präsentieren nur Peptidfragmente, keine
15 komplex der Maus (H-2) auf Chromosom 17. Der MHC codiert ganzen Proteine. Daher müssen die Proteine in den APC zu-
zwei Arten von antigenpräsentierenden Molekülen, die beide zur nächst in kürzere Bruchstücke aufgespalten werden, bevor diese
Immunglobulinsuperfamilie gehören: die MHC-Moleküle der auf die MHC-Proteine geladen und an die Oberfläche transpor-
16 Klassen I und II. Dabei dient die Klasse I zur Präsentation an tiert werden, wo sie dann den T-Zellen als Antigene präsentiert
cytotoxische T-Lymphocyten (CTL, cytotoxic T lymphocytes) und werden können. Generell kann man zwei Arten von Antigenen
17 die Klasse II zur Präsentation an T-Helferzellen. Diese Festlegung anhand ihrer Herkunft unterscheiden:
wird als MHC-Restriktion bezeichnet. So wird bereits von der Endogene Peptide werden innerhalb der Zelle produziert
APC festgelegt, welche T-Zell-Funktion gegen dieses Antigen und auf MHC-I-Molekülen präsentiert.
18 zum Tragen kommt: Tötung oder Hilfe. Beim Menschen wer- Exogene Peptide stammen aus der Umgebung professi-
den die MHC-Proteine als HLA (Humanes Leukocytenantigen) oneller APC und werden von diesen aufgenommen und auf
19 bezeichnet. HLA-Moleküle binden ausschließlich Peptide, die MHC-II-Molekülen präsentiert.
dann an der Zelloberfläche zur Schau gestellt werden, wo sie in
20 Kontakt mit dem TCR von T-Zellen kommen können. Der TCR
MHC I
interagiert dabei sowohl mit einem Teil des MHC als auch mit
dem Antigen, und T-Zellen können, wie bereits erwähnt, Anti-
21 gene nur in Kombination mit körpereigenen MHC-Molekülen Beim Menschen gibt es Gene für acht MHC-Proteine der
erkennen. Für diese experimentelle Erkenntnis erhielten Peter Klasse I: HLA-A, -B, -C, -E, -G, -F sowie MIC (MHC class I chain
22 Doherty und Rolf Zinkernagel im Jahr 1996 den Nobelpreis. related) A und B. Davon gelten aber nur HLA-A, -B und -C als
Befindet sich auf dem MHC ein Antigen, an das der TCR stark die sogenannten klassischen MHC-I-Proteine, die einen hohen
genug binden kann, kommt es zu einer Interaktion zwischen den Polymorphismusgrad aufweisen und ubiquitär für die Präsen-
23 beiden Zellen: Das Antigen wurde erfolgreich präsentiert. tation endogener Peptide zuständig sind. Ein MHC-I-Molekül
besteht aus einer in der Plasmamembran verankerten α-Kette
4.1 • Antigenpräsentierende Moleküle
53 4
.. Abb. 4.1 Das MHC-I-Molekül. Das MHC-I-Molekül
besteht aus einer in der Plasmamembran verankerten
α-Kette (rot), die in drei Domänen (α1, α2 und α3) unterteilt
ist. Zusätzlich ist daran das β2-Mikroglobulin (β2m) assoziiert α2 α1
(blau). Das Antigen (grün) wird in einer Bindungsgrube
gehalten, die aus Teilen der Domänen α1 und α2 aufgebaut
ist. Die Strukturinformation für die rechte Abbildung stammt
aus der RCSB Protein Data Bank (PDB-ID 3LN5) α3 β2m
TAP1
TAP2
transportiert
Tapasin
5
xin
ne
6
Cal
ER 4
von 45 kD, die sich aus den drei Domänen α1, α2 und α3 zusam- Prozessierung und Präsentation endogener
mensetzt, an die nichtkovalent ein β2-Mikroglobulin assoziiert Antigene
ist (. Abb. 4.1). Eine Bindungsgrube zwischen den Domänen α1
und α2 nimmt die ungefähr 8 bis 9 Aminosäuren langen Pep- Im Fall einer viralen Infektion oder einer malignen Transforma-
tidantigene auf. Diese Peptide werden durch die im folgenden tion kommt es in der Zelle zu einer Veränderung im Spektrum
Abschnitt beschriebenen Mechanismen generiert und auf das der synthetisierten Proteine. Zusätzlich zu den physiologischen,
MHC-I-Protein geladen. Zahlreiche Proteine, die an diesem körpereigenen Proteinen werden auch virale Proteine oder,
Vorgang beteiligt sind, sind ebenfalls im MHC codiert. Hier im Falle einer malignen Transformation, mutierte oder nor-
allerdings nicht zusammen mit den MHC-I-Proteinen in der malerweise nicht exprimierte Proteine hergestellt. Wenn CTL
MHC-I-Region, sondern in der MHC-II-Region. Dazu gehören wahrnehmen, dass eine Zelle fremde oder veränderte Proteine
unter anderem die beiden TAP(transporter associated with anti- herstellt, wird diese als virusinfizierte Zelle oder Tumorzelle er-
gen processing)-Proteine und die zwei Proteasomkomponenten kannt und vernichtet. Dafür werden diese endogenen Peptide
LMP(large multifunctional peptidase)2 und LMP7 sowie Tapasin. auf MHC-I-Molekülen an der Oberfläche den CTL präsentiert,
MHC-I-Moleküle finden sich auf so gut wie allen kernhalti- die diese auf fremde oder unnormale Genexpression überprü-
gen Zellen des Körpers und auf Thrombocyten (aber nicht auf fen. Bei dieser Form der Antigenpräsentation wird nicht zwi-
den kernlosen Erythrocyten), wo sie hauptsächlich dazu dienen, schen Selbst und Fremd unterschieden. Die Zelle präsentiert ein
in der Zelle hergestellte Peptide an CTL zu präsentieren, die nach Repertoire aus allen Proteinen in ihrem Inneren, wobei tausende
Anzeichen für virale Proteine oder eine maligne Transforma- verschiedener Peptide an der Zelloberfläche ausgestellt sein kön-
tion suchen. Viren haben zahlreiche Mechanismen entwickelt, nen.
um die Expression ihrer Antigene durch MHC-I-Moleküle zu Die Präsentation endogener Peptide auf MHC-I-Molekülen
verhindern (▶ Kap. 8). Darum werden MHC-I-Moleküle zusätz- resultiert aus der Kombination zweier Vorgänge (. Abb. 4.2):
lich auch noch durch NK-Zellen erkannt, in diesem Fall aber Zum einen werden im endoplasmatischen Reticulum (ER) leere
unabhängig vom gebundenen Antigen. Dadurch wird der NK- MHC-I-Moleküle bereitgestellt und bis zur Beladung mit den
Zelle signalisiert, dass immer noch eine MHC-I-Präsentation antigenen Peptiden stabilisiert. Zum anderen werden im Cyto-
stattfindet. Fehlt dieses Signal (missing self), kann die Zelle nicht plasma intrazelluläre Proteine in Peptidfragmente gespalten und
nachweisen, dass sie genügend endogene Peptide präsentiert, um von dort ins ER transportiert.
eine mögliche Virusinfektion aufzuzeigen. Dann wird sie von
einer NK-Zelle getötet.
54 Kapitel 4 • Antigenpräsentation
4
5
6 Exkurs 4.1: Bare Lymphocyte Syndrome | | Pore in der ER-Membran, durch die die Peptide transportiert
werden. Es wird vermutet, dass die Bindung der Peptide an die
Ein Beispiel für die Bedeutung, die die Antigenpräsentation über
7 MHC-II-Moleküle hat, ist das bare lymphocyte syndrome (BLS). C-terminale Domäne eine Konformationsänderung auslöst, die
Bei dieser sehr seltenen, autosomal rezessiv vererbten Krankheit zur Hydrolyse von ATP führt, durch welche dieser Transport
angetrieben wird.
8 wird aufgrund von Mutationen in Transkriptionsfaktoren, die die
Expression von MHC-II-Molekülen regulieren, kein MHC-II-Molekül Dabei haben die TAP eine gewisse Selektivität bezüglich der
gebildet. Von dieser offiziell als MHC-II-Defizienz bezeichneten
transportierten Peptide. Während des ersten Schritts des Trans-
9 Krankheit gibt es weltweit weniger als 80 bestätigte Fälle. Die
Unfähigkeit, MHC-II-Moleküle zu exprimieren, führt zu einem schwer ports, der Bindung der Peptide, werden die zu transportierenden
beeinträchtigten Immunsystem, dem keine angemessene zelluläre Fragmente anhand ihrer carboxyterminalen und drei aminoter-
10 oder humorale Reaktion auf Fremd-Antigene möglich ist. Beginnend
im ersten Lebensjahr haben die Patienten mit BLS eine extrem hohe
minalen Aminosäuren ausgesucht. Obwohl diese Selektion weit-
gehend den Bindungsanforderungen des MHC-I-Moleküls ent-
Anfälligkeit für Infektionen mit Viren, Bakterien, Protozoen und
spricht, hat TAP durch diese Auswahl vermutlich einen gewissen
11 Pilzen und versterben ohne Knochenmarktransplantation vor dem
zehnten Lebensjahr. Immunologisch auffällig ist, dass trotz normaler Einfluss darauf, welche Epitope präsentiert werden.
Anzahl von zirkulierenden B- und T-Lymphocyten (bei stark vermin-
12 dertem Anteil von T-Helferzellen) Hypogammaglobulinämie be- Beladung des MHC-I-Moleküls
obachtet wird und keine oder zumindest eine deutlich verminderte Das neu gebildete MHC-I-Protein kann mit dem TAP assoziieren
Antikörperbildung in Folge von Impfungen und Infektionen auftritt.
und verbleibt dort, bis Peptide mit einer passenden Affinität ins
13 ER gelangen. Der Zusammenbau eines kompletten, beladenen
MHC-Klasse-I-Proteins erfordert die Beteiligung mehrerer wei-
14 Fragmentierung der endogenen Proteine terer Proteine.
Intrazelluläre Proteine, die abgebaut werden sollen, werden Die neu synthetisierten α-Ketten binden zunächst an das
15 durch Bindung an das Protein Ubiquitin gekennzeichnet. Bei die- Chaperonprotein Calnexin. Calnexin sorgt für die korrekte
ser sogenannten Ubiquitinierung werden Ketten von mehreren Faltung und Ausbildung von Disulfidbrücken der α-Kette und
der nur 76 Aminosäuren großen Ubiquitinproteine kovalent an fördert ihre Bindung an β2-Mikroglobulin. Ein weiteres Protein
16 das zu degradierende Protein gebunden. Diese Proteine werden in dem Komplex zur Beladung des MHC-I-Proteins ist Tapasin,
dann innerhalb der Zelle durch das Proteasom, einen großen ein 48 kD Transmembran-Glykoprotein im ER, ohne das kein
17 cytoplasmatischen Protease-Komplex aus zahlreichen Unterein- stabil beladenes MHC-I-Protein an die Zelloberfläche gelangen
heiten, abgebaut. Dabei entstehen die Peptidfragmente für die könnte. Tapasin stabilisiert die Bindungsgrube des unbelade-
Beladung der MHC-I-Moleküle. nen MHC-I-Moleküls und verhindert dadurch dessen irrever-
18 Das Proteasom erkennt und entfaltet ubiquitinierte Proteine sible Denaturierung. Weiterhin kann Tapasin die Be- und Ent-
durch seine 19S-Untereinheit und leitet die deubiquitinierten ladung mit Peptiden beschleunigen. Dies sorgt dafür, dass das
19 Proteine an die katalytische 20S-Zentraleinheit zur Proteolyse MHC-I-Molekül mit Peptiden beladen wird, mit denen es einen
weiter. Sie ist aus 28 Untereinheiten aufgebaut, die unter dem ausreichend stabilen Komplex bildet, was als peptide editing be-
20 Elektronenmikroskop wie eine aus mehreren Ringen zusam- zeichnet wird. Zusätzlich vermittelt Tapasin die Bindung leerer
mengesetzte Röhre aussehen. Im Innern dieser Röhre werden MHC-Klasse-I-Moleküle an den TAP-Komplex (zusammen mit
die Proteine unter Verbrauch von ATP in Peptidfragmente ge- ihrem Proteinkomplex aus Calreticulin, Calnexin und der Re-
21 spalten. duktase ERp57). Dabei werden bis zu vier MHC-I/Tapasin-Kom-
plexe an ein TAP1/2-Dimer gebunden.
22 Transport der Peptidfragmente Unvollständige MHC-I-Moleküle liegen an ihre Chape-
Die im Cytosol generierten Peptide werden durch den TAP-Kom- ronproteine gebunden vor. Sie werden im ER solange zurück-
plex in das ER transportiert. TAP ist ein Heterodimer aus den gehalten, bis ein Peptid mit ausreichender Affinität gebunden
23 Proteinen TAP-1 und -2, die jeweils eine N-terminale Transmem- hat, da die Bindung des Peptids essenziell für die Stabilität des
brandomäne enthalten. Die Transmembranhelices bilden eine MHC-I-Moleküls ist. Erst nach der Beladung mit dem zu prä-
4.1 • Antigenpräsentierende Moleküle
55 4
.. Abb. 4.4 Die drei Arten der Antigenaufnahme in professionelle APC. Exogene Antigene können über verschiedene Mechanismen in die professionel-
len APC aufgenommen werden. Phagocytose ermöglicht die Aufnahme von größeren Partikeln (> 1 µm). Hierbei kommt es zur Bindung durch Rezeptoren,
unter anderem Fc-Rezeptoren, Komplementrezeptoren und Lektinen, die das Partikel binden und die Phagocytose auslösen. Es kommt zu Umlagerungen im
Actin-Cytoskelett und dadurch zur Ausbildung von Pseudopodien, die das aufzunehmende Partikel umschließen. Die Makropinocytose erfolgt ebenfalls durch
eine Umlagerung des Actin-Cytoskeletts. Hierbei werden aber keine Partikel, sondern extrazelluläre Flüssigkeit und darin gelöste Antigene aufgenommen.
Dieser Prozess erfolgt konstitutiv in DC und Makrophagen und erfordert keine auslösenden Reize oder Rezeptoren. Die dritte Art der Antigenaufnahme ist die
rezeptorvermittelte Endocytose, die z. B. wichtig für B-Zellen ist, bei der Antigene an Rezeptoren gebunden und durch Einstülpungen der Plasmamembran, die
beispielsweise durch Anlagerung von Clathrin oder Caveolin zustande kommen, in endocytotische Vesikel aufgenommen werden
sentierenden Antigen dissoziiert das MHC-I-Molekül von den Phagocytose bezeichnet die Internalisierung partikulärer
Chaperonen ab, und die fertigen MHC-I-Moleküle werden dann Antigene. Sie dient der Aufnahme von Pathogenen, Liposomen,
durch den Golgi-Apparat an die Zelloberfläche transportiert. den Überresten apoptotischer Zellen und anderem partikulärem
Material. Die Phagocytose erfolgt nach Bindung der Antigene
an verschiedene Rezeptoren, darunter Fc- und Komplementre-
MHC II zeptoren und Lektine. Im Verlauf der Phagocytose kommt es zu
einer Umlagerung des Actin-Cytoskeletts, bei der das zu phago-
MHC-Klasse-II-Moleküle sind Heterodimere aus einer α- und cytierende Partikel durch Ausstülpungen der Plasmamembran,
einer β-Kette, die beide in der MHC-Region 2 codiert sind sogenannte Pseudopodien, umschlossen wird.
(. Abb. 4.3). Sie präsentieren exogene Peptidantigene an T-Hel- Makropinocytose funktioniert ähnlich wie die Phagocytose.
ferzellen (▶ Exkurs 4.1). Ihre Bindungsgrube ist an den Seiten Auch hier kommt es zur Umlagerung des Cytoskeletts. Es gibt al-
offen und erlaubt dadurch die Präsentation von Peptiden, die lerdings zwei Unterschiede zwischen den beiden Mechanismen.
mit 10 bis 15 Aminosäuren etwas länger sind als diejenigen auf Zum einen dient die Makropinocytose zur Aufnahme löslicher
MHC-I-Molekülen. MHC-II-Moleküle werden auf professionel- Antigene, hier wird extrazelluläre Flüssigkeit aufgenommen
len APC (DC, Makrophagen, B-Zellen), nach Aktivierung auch und die in ihr enthaltenen Antigene werden internalisiert. Zum
auf T-Zellen exprimiert. anderen kann die Makropinocytose konstitutiv ablaufen, das
heißt die Aufnahme von Antigenen ist nicht von der Bindung
an bestimmte Rezeptoren abhängig. Somit können auch Anti-
Prozessierung und Präsentation exogener gene aufgenommen werden, die die APC nicht mittels spezieller
Antigene Rezeptoren erkennen.
Rezeptorvermittelte Endocytose unterscheidet sich von
Aufnahme exogener Antigene den beiden anderen Mechanismen dadurch, dass die Bildung der
Der einfachste Weg, MHC-II-Moleküle mit Peptiden aus der Endosomen nicht auf einer Umlagerung des Actin-Cytoskeletts,
Umgebung der APC zu beladen, wäre sicherlich die direkte sondern auf der Ausbildung von Einstülpungen der Plasmamem-
Bindung von Peptiden aus der umgebenden Flüssigkeit an freie bran durch zelluläre Proteine wie Clathrin oder Caveolin beruht.
MHC-II-Moleküle auf der Zelloberfläche. Tatsächlich findet Dieser Prozess kann durch die Bindung von Liganden an eine
man einige wenige „unbeladene“ (d. h. nur mit CLIP, class-II-as- Reihe verschiedener Rezeptoren ausgelöst werden. Unter ande-
sociated invariant-chain peptide, beladene) MHC-II-Moleküle rem sind dies Fc-Rezeptoren, Lektine, Scavenger-Rezeptoren,
auf den Oberflächen von APC, sodass bei entsprechender Pep- Komplementrezeptoren und der B-Zell-Rezeptor.
tidkonzentration eine direkte Bindung von Peptiden an der Zel-
loberfläche theoretisch möglich wäre. Trotzdem ist solch eine Prozessierung exogener Antigene
Beladung von MHC-II-Molekülen auf der Zelloberfläche, wenn Nach der Endocytose haben die Endosomen aller aufgenomme-
überhaupt, in vivo nur von sehr geringer Bedeutung. In der Re- nen Antigene ein gemeinsames Schicksal: Sie fusionieren mit
gel erfolgt die Beladung von MHC-II-Molekülen im Zellinnern, Lysosomen, die Proteine enthalten, durch die die Antigene für
nachdem die präsentierten Antigene über spezielle Mechanis- die Beladung des MHC-II-Moleküls prozessiert werden. Lysoso-
men aufgenommen und verarbeitet wurden. Dabei gibt es drei men haben außerdem V-ATPasen. Diese Enzyme sorgen dafür,
Hauptwege, über die exogene Antigene ins Zellinnere gelangen dass Protonen in die Lysosomen gepumpt werden, wodurch der
können (. Abb. 4.4): Inhalt angesäuert wird. Dabei sinkt der pH-Wert in ihrem Innern
56 Kapitel 4 • Antigenpräsentation
2 Cathepsine HLA-DM
3
4
.. Abb. 4.5 Beladung von MHC-II-Molekülen. Das MHC-II-Molekül liegt an die invariante Kette Ii gebunden vor. Durch Proteasen, hauptsächlich Mitglieder
der Familie der Cathepsine, die auch die Proteinantigene in Peptidfragmente spalten, wird Ii teilweise abgebaut. Dabei bleibt zunächst der in der Antigenbin-
5 dungsgrube enthaltene Teil der Ii als CLIP-Fragment erhalten. Chaperonproteine wie das nichtklassische HLA-DM begünstigen dann den Austausch von CLIP
gegen das zu präsentierende Antigen
6
auf ungefähr 4,5 ab. Bei diesem pH-Wert gibt es die optimale (. Abb. 4.6). Wie das Tapasin beim MHC-I-Molekül, so können
7 Aktivierung von Proteasen aus der Familie der Cathepsine, die auch hier die Chaperone durch peptide editing die Auswahl der
Proteinantigene in kürzere Ketten aufspalten. Diese Proteasen präsentierten Peptide beeinflussen. Nach Abschluss der Beladung
sind nicht besonders spezifisch und würden die Peptide daher re- mit Antigenen werden die MHC-II-Komplexe dann an die Zel-
8 lativ schnell komplett verdauen. Dementsprechend gibt es keinen loberfläche transportiert, wo sie die Antigene an CD4+-T-Zellen
Grund anzunehmen, dass dieser Abbau endet, sobald die Pep- präsentieren.
9 tide die optimale Länge für die Beladung des MHC-II-Moleküls
erreicht haben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass größere
Kreuzpräsentation
10 Peptidketten zunächst an die an beiden Seiten offene Antigenbin-
dungsgrube des MHC-II-Moleküls binden und dann die überste-
henden Enden durch Proteasen entfernt werden, während das zu Cytotoxische T-Zellen sind wesentlich für die Immunabwehr
11 präsentierende Peptid durch die Bindung im MHC vor weiterem gegen intrazelluläre Pathogene (z. B. Viren) und Tumoren. Sie
Abbau geschützt ist. erkennen ihre Zielzellen durch die Präsentation von MHC-I/
12 Antigen-Komplexen auf der Zelloberfläche. Um zu vermeiden,
Beladung von MHC-II-Molekülen dass gesunde, unbeteiligte Zellen in der Umgebung eliminiert
Die MHC-II-Moleküle werden im endoplasmatischen Retiku- werden, muss weitgehend ausgeschlossen werden, dass Über-
13 lum synthetisiert. Dabei bilden sie einen Komplex mit der in- reste der infizierten oder malignen Zellen in die Beladung von
varianten Kette Ii (CD74). Ii ist ein Trimer aus drei identischen MHC-I-Molekülen gelangen. Die Immunreaktion ist dadurch auf
14 Proteinen, die jeweils ein Dimer aus einer α- und einer β-Kette Zellen begrenzt, in denen pathogene Mikroorganismen vorhan-
vom MHC-II-Molekül binden, sodass insgesamt ein Komplex den sind oder die Tumorantigene produzieren.
15 aus neun Proteinen vorliegt (. Abb. 4.5). Das Ii erfüllt in diesem Eine strikte Begrenzung von MHC-I-Molekülen auf die
Komplex gleich mehrere wichtige Aufgaben. Zum einen gibt es Präsentation endogener Antigene führt allerdings zu einem
im ER zahlreiche Peptide für die Beladung von MHC-I-Mo- Problem: Genau wie T-Helferzellen brauchen auch naive
16 lekülen. Läge das MHC-II-Molekül hier frei vor, bestünde die cytotoxische T-Zellen die Aktivierung durch professionelle
Gefahr mit Antigenpeptiden beladen zu werden. Dies darf APC. Wenn ein Virus professionelle APC nicht infiziert (wie
17 nicht geschehen, da es erst zu einem späteren Zeitpunkt mit beispielsweise das Hepatitis-B-Virus oder Poliovirus) oder ein
den exogenen Peptiden in Kontakt kommt. Ein Teil des Ii befin- Tumor nicht von solch einer Zelle abstammt, würden gegen de-
det sich in der Antigenbindungsgrube des MHC-II-Moleküls, ren Antigene keine CTL aktiviert. Daher ist es notwendig, dass
18 stabilisiert das Molekül und schützt dabei vor vorzeitiger Bela- professionelle APC in der Lage sind, auch exogene Peptide auf
dung. Darüber hinaus ist das Ii auch wichtig, um den Komplex MHC-I-Molekülen an naive CTL zu präsentieren. Die Fähigkeit
19 in das MHC-II-Kompartiment zu dirigieren. Das sind Vesikel, einiger APC, Peptidfragmente von exogenen Antigenen anstatt
die das MHC-II-Molekül zu den antigenhaltigen Endolysoso- auf MHC-II- auch auf MHC-I-Molekülen zu präsentieren und
20 men transportieren, wo es mit exogenen Antigenen beladen dadurch bei CTL entweder eine Aktivierung oder Toleranz ge-
wird. genüber diesem Antigen hervorzurufen, wird als Kreuzpräsen-
Ebenso wie die aufgenommenen extrazellulären Antigene tation bezeichnet.
21 wird auch die Ii durch Proteasen wie die asparaginspezifische Normalerweise werden MHC-I-Moleküle im ER beladen.
Endopeptidase und Cathepsine teilweise abgebaut. In der Anti- Hier müssten aber die wenigen aufgenommenen Peptide mit der
22 genbindungsgrube befindet sich noch ein Rest des Ii, das soge- großen Zahl endogener Peptide um die verfügbaren Bindungs-
nannte CLIP(class-II-associated invariant-chain peptide)-Frag- stellen auf MHC-I-Molekülen konkurrieren. Es wurde gezeigt,
ment. Der Austausch von CLIP gegen die Antigenpeptide erfolgt dass sämtliche für die Beladung von MHC-I-Molekülen notwen-
23 durch die Chaperonproteine HLA-DM und HLA-DO und wird digen Proteine durch einen bislang unbekannten Mechanismus
durch den sauren pH-Wert innerhalb der Lysosomen begünstigt auch in Phagosomen gelangen können, wo die exogenen Peptide
4.1 • Antigenpräsentierende Moleküle
57 4
.. Abb. 4.6 Prozessierung und Präsentation exoge-
ner Antigene auf MHC-II-Molekülen. (1) Ein exogenes
Antigen wird in die Zelle aufgenommen und gelangt in ein
C3b
Endosom, hier gezeigt am Beispiel der Phagocytose nach
Aktivierung von Fc-Rezeptor, Komplementrezeptor und 6
Lektin. (2) Durch Verschmelzung mit dem MHC-II-Kompar-
timent gelangen MHC-II/Ii-Komplexe in das Endolysosom.
(3) Durch Ansäuern des Endolysosoms und die Einwirkung 1
von Proteasen werden das Antigen und Ii teilweise abge-
baut. (4) Aufgrund der Interaktion mit Chaperonproteinen
wird der Rest der Ii (CLIP) gegen ein Antigenpeptid ausge-
2 5
tauscht. (5) Das Antigenpeptid wird auf seine endgültige
Länge von 10 bis 15 Aminosäuren geschnitten. (6) Das fertig
beladene MHC-II-Molekül wird zur Antigenpräsentation an 3
die Zelloberfläche transportiert
4
2
ohne die Konkurrenz aus dem ER auf MHC-I-Moleküle geladen präsentation auf MHC-Klasse-I-Moleküle an CTL Toleranz
werden können. gegen Nahrungsantigene oder kommensale Bakterien erzeu-
Die Wahrscheinlichkeit für Autoimmunreaktionen vermin- gen, die über die Blutversorgung aus dem Gastrointestinaltrakt
dert sich, wenn ein Antigen unabhängig voneinander von zwei kommen.
Lymphocyten, wie beispielsweise einer B- und einer T-Helfer- Man sollte erwarten, dass kreuzpräsentierende DC wäh-
zelle, erkannt werden muss, die beide eine negative Selektion rend einer viralen Infektion von bereits aktivierten CTL getötet
durchlaufen haben. Auch CTL haben ein großes Potenzial, werden. Dies wurde auch beobachtet, es scheint allerdings die
Schäden anzurichten, und auch hier ist die zentrale Toleranz Immunreaktion nicht zu beeinträchtigen. Zum einen wird die
nicht 100%ig effektiv, sodass potenziell autoreaktive naive CTL in Apoptose von DC durch einen Rezeptor aus der TNF-Rezep-
die Zirkulation gelangen können. Im Gegensatz zu B-Zellen ha- tor-Familie gehemmt, dessen Ligand von aktivierten T-Zellen
ben CTL keine MHC-II-Moleküle und können daher nicht direkt exprimiert wird. Zum anderen sind die naiven CTL bereits nach
mit TH-Zellen interagieren. Stattdessen wirken die kreuzpräsen- einem Tag aktiviert und haben kurze Zeit später schon ihre vol-
tierenden DC wie eine Brücke zwischen den beiden Arten von len cytotoxischen Fähigkeiten. Auf diese Weise kann eine ausrei-
T-Zellen, denn für eine erfolgreiche Kreuzpräsentation brauchen chende Anzahl an CTL aktiviert werden, bevor es zur Abtötung
DC zusätzlich Signale von spezifischen TH-Zellen, unter anderem der DC kommt.
die Interaktion von CD40-Ligand (= CD154) auf T-Helferzellen
mit CD40 auf den DC. Um das extrem unwahrscheinliche Zu-
sammentreffen von drei seltenen Immunzellen zu erleichtern, CD1
die alle ein bestimmtes Antigen präsentieren, beziehungsweise
erkennen, werden nach dem erfolgreichen Zusammentreffen von Die klassische Erkennung von Antigenen basiert auf der Präsen-
DC und T-Helferzelle die noch fehlenden CTL durch Chemokine tation von Peptidantigenen durch MHC-Moleküle. Pathogene
gezielt herbeigelockt. bestehen aber noch aus anderen Verbindungen, die das adap-
Wenn CTL ohne Beteiligung von T-Helferzellen aktiviert tive Immunsystem für ihre Erkennung nutzen kann. Zusätzlich
werden, haben sie nur eine kurze Lebenszeit und funktionie- zu den MHC-Molekülen gibt es auch eine Antigenpräsentation
ren nicht als cytotoxische Zellen. Eine immunogene Antwort durch CD1-Moleküle, die einen weiteren Weg der T-Zellaktivie-
erfordert, dass DC Antigene zusammen mit PAMP (patho- rung darstellt.
gen-associated molecular patterns) oder anderen Gefahrensi- Die CD1-Familie der MHC-Klasse-I-ähnlichen Glykopro-
gnalen aufnehmen. Stimulation der Toll-ähnlichen Rezepto- teine (beim Menschen: CD1a, CD1b, CD1c, CD1d und CD1e)
ren TLR(Toll-like receptor)-3 und TLR-9 führt zu verstärkter präsentieren sowohl eigene als auch fremde Lipidantigene an
Beladung von MHC-I-Molekülen in Endosomen und daher darauf restringierte T-Zellen. Dabei werden die Proteine CD1a,
tritt Kreuzpräsentation verstärkt auf. Zusätzlich führen auch CD1b und CD1c zur Gruppe 1 zusammengefasst, von der sich
von virusinfizierten Zellen gebildete Typ-I-Interferone zu ver- CD1d in der Art der Zielzellen unterscheidet. CD1e wird nicht an
stärkter Reifung von DC und verstärken die Kreuzpräsentation. der Oberfläche exprimiert, sondern hat vermutlich eine Funktion
Selbst-Antigene können ebenfalls kreuzpräsentiert werden. bei der Antigenprozessierung.
Aufgrund der fehlenden Aktivierung durch PAMP und T-Hel- Die für die CD1-Proteine codierenden Gene befinden sich
ferzellen kommt es dabei zu einer Eliminierung autoreaktiver nicht wie die Gene für MHC-I- und -II-Moleküle im MHC-Clus-
CTL und damit zu peripherer „Kreuztoleranz“. Zusätzlich zu ter, sondern in einem Gencluster auf Chromosom 1 (Maus:
DC können sinusoidale Endothelzellen der Leber durch Kreuz- Chromosom 3). Im Gegensatz zu den charakteristischen Poly-
58 Kapitel 4 • Antigenpräsentation
4.2 Weitere beteiligte Moleküle Aktivierte T-Helferzellen können noch weitere Mole-
1 küle auf ihrer Oberfläche exprimieren. Der CD40-Ligand
CD4 und CD8 (CD40L = CD154) bindet an CD40 auf einigen APC, was auf
2 Makrophagen zu einer Verstärkung der Aktivierung durch
Auf der Oberfläche von T-Zellen befinden sich unter anderem TH1-Zellen führt. Bei B-Zellen ist die Interaktion zwischen
auch die Corezeptoren CD4 und CD8. Wie schon in ▶ Kap. 2 CD40 und CD40L ein wichtiger Bestandteil der Aktivierung
3 besprochen, kann auf reifen T-Zellen jeweils nur eines der bei- durch T-Helferzellen. Eine Störung im CD40-Signalsystem führt
den Moleküle vorkommen, und es legt dadurch fest, ob es sich zum Hyper-IgM-Syndrom, bei dem es aufgrund mangelnder
4 um eine T-Helferzelle (CD4) oder um eine cytotoxische T-Zelle T-Zell-Hilfe nicht mehr zum Immunglobulinklassenwechsel
(CD8) handelt. Die Corezeptoren CD4 und CD8 binden an das kommt.
5 MHC-Molekül und verstärken dadurch die Interaktion zwischen Diese komplizierten Mechanismen der Wechselwirkung
TCR und MHC-Molekül. Dabei kann das MHC-I-Molekül nur zwischen Zellen während der Antigenpräsentation haben einen
durch CD8 gebunden werden, wohingegen das MHC-II-Molekül Sinn: Wenn man bedenkt, welches hohe Potenzial Autoantikör-
6 nur an CD4 bindet. Aufgrund dieser Wechselwirkung werden per oder autoreaktive T-Zellen haben, um bei einer fehlgeleiteten
durch MHC-II-Moleküle nur Antigene an T-Helferzellen und Aktivierung dem eigenen Körper Schaden zuzufügen, bietet das
7 durch MHC-I-Moleküle ausschließlich Antigene an cytotoxische Zusammenspiel mehrerer Zellen eine Reihe von Schutzmecha-
T-Zellen präsentiert. Diese Festlegung wird als MHC-Restriktion nismen, die dafür sorgen, dass zum einen eine hocheffektive und
bezeichnet. spezifische Immunantwort gewährleistet ist, aber auch mehrere
8 Sicherheitsmechanismen existieren, die verhindern, dass die Im-
munreaktion sich gegen nichtpathogene, körpereigene Struktu-
9 Die Rolle costimulierender Moleküle ren richtet. Die Antigenpräsentation erfordert jeweils eine In-
teraktion zwischen mindestens zwei Zelltypen, die unabhängig
10 Es reicht nicht, einer naiven T-Zelle ein Antigen zu präsentieren, voneinander ein Antigen erkennen und als gefährlich einschät-
um sie zu aktivieren. DC nehmen konstant körpereigene Mo- zen. Sollte eine der Zellen das Antigen nicht als gefährlich einstu-
leküle auf, die dann ebenfalls den T-Zellen präsentiert werden fen, kommt es zu keiner Aktivierung oder in vielen Fällen sogar
11 können. Da die negative Selektion im Thymus nicht vollständig zur Inaktivierung der potenziell autoreaktiven Zelle und damit
vor der Bildung potenziell autoreaktiver T-Zellen schützt, wür- zur Bildung peripherer Toleranz.
12 den die T-Zellen dann die körpereigenen Strukturen ebenfalls
als fremd erkennen und es kann zu einer Autoimmunreaktion
kommen. Daher bedarf es eines Gefahrensignals, durch das die 4.3 Professionelle antigenpräsentierende
13 APC der naiven T-Zelle eindeutig mitteilt, dass es sich bei dem Zellen
präsentierten Antigen um ein Fremd-Antigen handelt.
14 Dafür gibt es weitere, costimulierende Oberflächenmoleküle Die Fähigkeit zur Antigenpräsentation ist weit verbreitet. Alle
auf APC, die als zweites Signal der T-Zelle signalisieren, dass es kernhaltigen Zellen und Thrombocyten können endogene Pep-
15 sich wirklich um ein Antigen handelt, gegen das eine Immun- tide über MHC-I-Moleküle auf ihrer Oberfläche präsentieren,
reaktion erforderlich ist. Nur wenn dieses zweite Signal anzeigt, damit sie von cytotoxischen T-Zellen auf eine mögliche Virusin-
dass das Antigen von einem Pathogen stammt, wird die T-Zelle fektion überprüft werden können. Darüber hinaus gibt es noch
16 aktiviert. Im Gegensatz dazu führt eine Präsentation von Antige- einige Zelltypen, die Antigene an T-Zellen präsentieren, um sie
nen ohne costimulierende Moleküle zur Anergie (fehlende Reak- zu aktivieren oder von ihnen aktiviert zu werden, was wesentlich
17 tion) der T-Zellen, was als periphere Toleranz bezeichnet wird. für die Steuerung der adaptiven Immunantwort ist. Diese Zellen
Ohne zusätzliche Aktivierung haben APC keine oder zumin- werden als professionelle antigenpräsentierende Zellen bezeich-
dest nur wenige costimulierende Moleküle auf ihrer Oberfläche. net. Dazu zählen DC, Makrophagen und B-Zellen.
18 Erst beim Kontakt mit PRR (pattern recognition receptors), die Unter bestimmten Bedingungen können auch einige andere
die Präsenz von Pathogenen anzeigen, werden APC dazu ange- Zellen nennenswerte Mengen von MHC-II-Molekülen und
19 regt, costimulierende Moleküle auf ihrer Oberfläche zu präsen- manchmal auch von costimulierenden Molekülen exprimieren
tieren. Die wichtigsten sind B7.1 (CD80) und B7.2 (CD86). Sie und an T-Zellen präsentieren. Dies sind beispielsweise einige
20 interagieren auf der T-Zelle mit CD28. Ebenso wie der TCR löst Tumor-, Endothel- oder Epithelzellen. Trotzdem werden diese
auch die Bindung von CD28 an einen seiner Liganden intrazel- Zellen nicht zu den professionellen APC gezählt und im Folgen-
luläre Signalwege aus. Nur wenn Signale von beiden Rezeptoren den nicht weiter erwähnt.
21 kommen, wird die T-Zelle ordnungsgemäß aktiviert, andern-
falls wird sie anerg. Nach Aktivierung können T-Zellen das mit
22 CD28 verwandte CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte associated Dendritische Zellen und Makrophagen
antigen 4 = CD152) bilden. Es bindet ebenfalls an B7 und zwar
mit höherer Affinität als CD28, leitet aber inhibitorische Signale Dendritische Zellen sind der Sammelbegriff für eine Gruppe von
23 in die Zelle weiter und kann dadurch die Stimulation durch die Zellen mit ähnlicher Funktion, die sich aber aus unterschiedli-
APC beenden. chen Vorläufern entwickeln. Zu ihnen gehören die konventionel-
4.3 • Professionelle antigenpräsentierende Zellen
61 4
len DC (cDC), die plasmacytoiden DC (pDC) und die Langer- von TH1-Zellen angewiesen sind. Zum anderen wird angenom-
hans-Zellen der Epidermis. Die primäre Funktion von DC ist die men, dass Makrophagen auch T-Zellen aktivieren. Im Vergleich
Präsentation von Antigenen an T-Zellen. Sie sind in den meisten mit DC wandern Makrophagen nur in deutlich geringerem Um-
peripheren Geweben zu finden, insbesondere an den Grenzflä- fang in sekundäre lymphatische Organe, um dort Antigene an
chen zur Umwelt, wie der Haut und den Schleimhäuten. Dort naive T-Zellen zu präsentieren. In Experimenten mit Mäusen
machen die DC rund 1–2 % der Gesamtzellzahl aus. Im Nor- wurde festgestellt, dass ein Fehlen von Makrophagen die Ein-
malzustand nehmen DC ständig Antigene aus ihrer Umgebung leitung der adaptiven Immunantwort nicht nachhaltig stört.
auf, ohne dabei zwischen Selbst und Fremd zu unterscheiden. DC sind für diese Vorgänge allerdings essenziell, was zeigt, dass
Ihre primäre Funktion ist die Präsentation dieser Antigene an zumindest die Hauptmenge der Antigenpräsentation zur Ak-
naive T-Zellen. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die tivierung naiver T-Zellen durch DC wahrgenommen wird. In
Aktivierung der adaptiven Immunantwort werden die DCs in vitro-Studien haben aber gezeigt, dass Makrophagen T-Zellen
▶ Abschn. 5.1 im Detail beschrieben. aktivieren können, was möglicherweise an Infektionsherden oder
Follikuläre dendritische Zellen sind, trotz ihres Namens, bei chronisch-entzündlichen Prozessen relevant ist.
keine DC im eigentlichen Sinne und gehören auch nicht zu den
professionellen antigenpräsentierenden Zellen. Weder entstam-
men sie der hämatopoetischen Entwicklungslinie, noch sind B-Zellen
sie in der Lage, Antigene aufzunehmen, zu prozessieren und
auf MHC-II-Molekülen an T-Zellen zu präsentieren. Vielmehr B-Zellen sind die dritte große Gruppe der professionellen APC.
versorgen sie B-Zellen in den Keimzentren sekundärer lympha- Im Gegensatz zu DC präsentieren sie Antigene aber nicht mit
tischer Organe mit Antigenen, indem sie an ihrer Oberfläche dem Ziel der Aktivierung von T-Zellen, sondern um T-Zell-Hilfe
Antigen/Antikörperkomplexe über Fcγ-Rezeptoren festhalten bei der Produktion von Antikörpern zu bekommen. Wenn es zu
(▶ Kap. 5). einer Erkennung des Antigens kommt, kann die T-Helferzelle
Makrophagen zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche durch costimulierende Moleküle und Cytokine die B-Zelle akti-
Endocytosefähigkeit aus. Sie können bei der Phagocytose größe- vieren und ihr obendrein signalisieren, dass sie einen Immung-
rer Partikel bei einem einzigen Vorgang bis zu 50 % ihrer Oberflä- lobulinklassenwechsel durchführen soll (▶ Kap. 5).
che internalisieren. Innerhalb einer Stunde kann durch Recycling Das Hapten-Carrier-Prinzip besagt, dass das Hapten (die
internalisierter Plasmamembran eine Oberfläche aufgenommen chemische Struktur, die vom BCR erkannt wird, alleine aber
werden, die doppelt so groß ist wie die der ganzen Zelle. Mak- keine Immunreaktion auslöst) an einen Protein-Carrier (der
rophagen haben die Fähigkeit, die so aufgenommenen Antigene Epitope enthält, die von T-Helferzellen erkannt werden) ge-
zu präsentieren, sind dabei aber weniger effektiv als DC. Dafür bunden vorliegen muss, damit es zur T-Zell-Hilfe kommen
sind die Lysosomen von Makrophagen besser geeignet als die der kann. Dafür ist es wichtig, dass das zu erkennende Hapten
DC, um aufgenommene Pathogene zu töten und abzubauen. Ihre an ein ausreichend großes Protein gebunden ist, dessen Frag-
Aufgabe in vivo liegt vermutlich vorwiegend bei der Aufnahme mente auf MHC-II-Molekülen präsentiert werden können, da
und Abtötung von Mikroorganismen, während die Antigenprä- das Hapten alleine zu klein ist, um eine Beteiligung von T-Zel-
sentation einen geringeren Stellenwert hat. len auszulösen. Es ist dabei nicht notwendig, dass die T-Hel-
Die Antigenpräsentation durch Makrophagen dient vermut- ferzelle das gleiche Epitop (die Stelle des Antigens, die vom
lich zwei Zielen. Zum einen gibt es Erreger, die sich intrazellulär BCR oder TCR erkannt wird) erkennt wie die B-Zelle. Dieses
in Makrophagen vermehren (z. B. Mycobakterien) und für deren Prinzip ist, unter anderem, von Bedeutung bei der Bildung von
Eliminierung die Makrophagen auf die IFN-γ-vermittelte Hilfe Antikörpern gegen die Blutgruppenantigene (▶ Exkurs 4.2).
62 Kapitel 4 • Antigenpräsentation
Cytokin
sentiert wird. Nach Transport an die Zelloberfläche kann
CD40L CD40
es zur Erkennung durch eine T-Helferzelle kommen, die
3 daraufhin durch costimulierende Oberflächenmoleküle
e
(hauptsächlich CD40L) und Cytokinsekretion die B-Zelle
zur Produktion von Antikörpern und zum Immunglobulin-
4 klassenwechsel aktiviert. Die von BCR und TCR erkannten
Signale Epitope stimmen dabei in der Regel nicht überein.
zum Ig-
5 Klassen-
wechsel
6
7
8
Medizinisch macht man sich das Hapten-Carrier-Prinzip bei Literatur
9 den sogenannten Konjugatimpfstoffen zu Nutze. Polysaccha-
ride, beispielsweise aus der Hülle von Pneumokokken, können Barral DC, Brenner MB (2007) CD1 antigen presentation: how it works. Nat Rev
Immunol 7:929–941
10 nicht über MHC-II-Moleküle präsentiert werden, da es sich
Guermonprez P, Valladeau J, Zitvogel L, Théry C, Amigorena S (2002) Antigen
nicht um Peptidantigene, sondern um Kohlenhydrate handelt. presentation and T cell stimulation by dendritic cells. Annu Rev Immunol
Daher kommt es bei einer Impfung mit diesen Stoffen nicht 20:621–667
11 zu einer Immunantwort mit T-Zell-Hilfe. Man kann Impfstoffe Kumanovics A, Takada T, Fischer Lindahl K (2003) Genomic Organization of the
herstellen, bei denen diese Polysaccharide an Protein-Carrier Mammalian MHC. Annu Rev Immunol 21:629–657
21
22
23
63 5
Die Immunantwort
durch Lymphocyten
Andrea Kruse
In den vorherigen Kapiteln haben wir erfahren, dass viele Krank- Im Gewebe werden die unreifen DC ortsansässig. Der
1 heitserreger vom angeborenen Immunsystem vernichtet werden, Grund dafür sind die von ihnen exprimierten Chemokinre-
sobald sie unseren Körper befallen. Wir merken nichts von der zeptoren CCR1, CCR5, CCR6. Durch Interaktion mit den vor
2 Infektion und erkranken nicht. Einigen Pathogenen gelingt es Ort produzierten Chemokinen werden die dendritischen Zellen
jedoch, die Abwehrmechanismen der angeborenen Abwehr zu im Gewebe festgehalten. Die unreifen DC der peripheren Ge-
überwinden. Um mit diesen Pathogenen fertig zu werden, muss webe tragen auf der Oberfläche nur wenige MHC-Klasse-I- und
3 das spezifische Immunsystem eingreifen. Wir haben auch erfah- MHC-Klasse-II-Moleküle und nur wenige costimulierende Mo-
ren, dass nicht überall im Körper eine adaptive Primärantwort leküle und können deswegen hier keine naiven T-Zellen aktivie-
4 ausgelöst werden kann. Infektionserreger, die an jeder beliebigen ren. Sie sind darauf spezialisiert, bei einer Infektion möglichst
Stelle in den Körper eindringen können, werden deshalb in das viele Antigene aufzunehmen. pDC zeigen in dieser Hinsicht eine
5 nächste periphere lymphatische Gewebe transportiert, das die wesentlich geringere Aktivität als myeloide DC, ebenso eine ge-
Infektionsstelle drainiert. Das Gleiche gilt für ihre Stoffwechsel- ringere Expression von MHC-Klasse-II-Molekülen und von co-
produkte sowie auch für im Körper entstehende Tumorzellen stimulierenden Molekülen. Ihre Aufgabe besteht vielmehr in der
6 (▶ Kap. 2). In diese Antigensammelstellen wandern naive T- und Freisetzung großer Mengen Interferon-α, besonders als Antwort
B-Lymphocyten aus dem Blut ein und suchen nach Antigenen. auf Virusinfektionen. Dabei spielen die von ihnen intrazellulär
7 Nur hier werden primäre Immunantworten ausgelöst. In diesem exprimierten Toll-ähnlichen Rezeptoren, TLR-7 und TLR-9, eine
Kapitel wollen wir betrachten, wie eine primäre Immunantwort wesentliche Rolle; sie erkennen Bestandteile von Mikroorganis-
induziert wird, welche Immunzellen daran beteiligt sind und wie men, vor allem von Viren. Das Festhalten und die Weitergabe
8 letztendlich die entstehenden Effektorzellen die Infektion im Ge- von Mikroorganismen an die intrazellulären TLR scheint über
webe bekämpfen. Siglec-H zu erfolgen, ein typischer Marker der pDC. Einige mar-
9 kante Unterschiede zwischen pDC und mDC sind in . Tab. 5.1
aufgeführt. Im Folgenden wollen wir uns auf die Beschreibung
5.1 Dendritische Zellen: Bindeglieder
10 zwischen angeborener und adaptiver
der myeloiden DC beschränken.
Bei myeloiden DC erfolgt die Aufnahme von Antigenen
Immunantwort durch Makropinocytose, rezeptorvermittelte Phagocytose
11 oder durch die Infektion mit Viren. Bei der Makropinocytose
Die professionellen antigenpräsentierenden Zellen (APC) sind werden größere Mengen an extrazellulärer Flüssigkeit und die
12 das entscheidende Bindeglied zwischen angeborener und adapti- darin gelösten Antigene (Toxine, Viren) von Plasmaausläufern
ver Immunantwort. Die potentesten unter ihnen sind die dendri- umschlossen und ins Innere der Zellen aufgenommen. Bei der
tischen Zellen (DC), auf die wir uns hier beschränken wollen rezeptorvermittelten Phagocytose erkennen die Rezeptoren pa-
13 (weitere Informationen zu Makrophagen ▶ Kap. 2–4). DC sind thogenassoziierte molekulare Muster (PAMP) auf Krankheits-
unabkömmlich für die Auslösung einer adaptiven Immunant- erregern. Zu diesen Rezeptoren (pattern recognition receptor;
14 wort. Von ihnen gibt es mindestens zwei Hauptgruppen, die PRR) gehören zum Beispiel der Mannoserezeptor und DEC 205,
konventionellen und die plasmacytoiden dendritischen Zellen. die eine große Zahl an Viren und Bakterien erkennen, Scaven-
15 Beide Gruppen entstehen im Knochenmark aus einer hämato- ger-Rezeptoren, die Lipoproteine zu binden vermögen und an
poetischen Stammzelle, schlagen jedoch unterschiedliche Ent- der Phagocytose apopototischer Zellen beteiligt sind, und TLR.
16
17
-
wicklungswege ein:
Die konventionellen dendritischen Zellen entwickeln sich
in der myeloiden Reihe (sie werden deswegen auch als mye-
loide dendritische Zellen bezeichnet; mDC). Es lassen sich
Im Gegensatz zu den Mannose- und Scavenger-Rezeptoren er-
folgt über die TLR keine rezeptorvermittelte Phagocytose. Über
die TLR wird die Produktion und Expression von löslichen Me-
diatoren und costimulierenden Molekülen eingeleitet (▶ Kap. 4).
mehrere myeloide Subpopulationen unterscheiden, wie die Außerdem verstärken die TLR auch die Prozessierung von An-
Langerhans-Zellen der Haut und verschiedene interstitielle tigenen.
-
18 dendritische Zellen. Die rezeptorvermittelte Aufnahme von Mikroorganismen
Die plasmacytoiden dendritischen Zellen (pDC), die ihren aus der extrazellulären Flüssigkeit und ihr Einschluss in En-
19 Namen ihrem plasmazellähnlichen Aussehen verdanken, dosomen mit anschließender Prozessierung ermöglicht es den
entstehen dagegen in der lymphatischen Reihe. Auch bei dendritischen Zellen, Pathogenbestandteile über MHC-Klas-
20 ihnen gibt es Hinweise auf phänotypisch und funktionell se-II-Moleküle den CD4+-T-Helferzellen zu präsentieren (exo-
verschiedene Untergruppen. gener oder endosomaler Weg). Außerdem können dendritische
Zellen von Viren infiziert werden, die Zelloberflächenmoleküle
21 Nach Freisetzung aus dem Knochenmark zirkulieren mDC und als Eintrittsrezeptoren verwenden. Sie gelangen ins Cytoplasma
pDC als sogenannte precursor-DC im Blut. Als Antwort auf che- und nutzen den Syntheseapparat der Zelle, um sich zu ver-
22 motaktische Signale wandern sie als unreife DC in die peripheren mehren. Die synthetisierten viralen Proteine werden über die
Gewebe ein, wobei der Nachweis von Homing-Molekülen (zum im Cytoplasma lokalisierten Proteasomen prozessiert und die
Beispiel α4:β7-Integrin) auf der Oberfläche dendritischer Subpo- entstehenden Peptide werden im endoplasmatischen Reticulum
23 pulationen auf unterschiedliche Gewebepräferenzen hindeutet. in MHC-Klasse-I-Moleküle eingebaut. Sie werden den cytotoxi-
Man vermutet, dass pDC zusätzlich auch über das Blut in die schen CD8+-T-Zellen präsentiert (endogener Weg). Außerdem
peripheren Lymphknoten rekrutiert werden. sind nur dendritische Zellen zur Kreuzpräsentation befähigt
5.1 • Dendritische Zellen: Bindeglieder zwischen angeborener und adaptiver Immunantwort
65 5
.. Tab. 5.1 Unterschiede zwischen plasmacytoiden (pDC) und myeloiden (mDC) dendritischen Zellen
pDC mDC
Toll-ähnliche Rezeptoren TLR-1, TLR-6, TLR-7, TLR-9, TLR-10 TLR-1,TLR-2, TLR-3, TLR-4, TLR-5, TLR-6, TLR-7, TLR-8,
TLR-10
Cytokine Typ-1-Interferone, IL-6, IL-10, TNF-α; nur wenig IL-12; IL-12; IL-6, IL-10, TNF-α, TGF-β
TGF-β möglicherweise bei Subpopulation
endogener Weg exogener oder endosomaler Weg exogen aufgenommene Antigene Präsentation von Glykolipiden,
Viren befallen DC und vermeh- Antigene werden aus der extrazel- werden auf MHC-Klasse-I-Molekü- Phospholipiden und Lipopeptidan-
ren sich in ihnen. Virale Proteine lulären Umgebung aufgenommen len präsentiert tigenen mikrobiellen Ursprungs
werden in den Proteasomen und in Endosomen prozessiert des exogenen und endogenen
prozessiert und auf MHC-Klas- und auf MHC-Klasse-II-Molekülen Weges
se-I-Molekülen präsentiert präsentiert
Aktivierung von cytotoxischen Aktivierung von CD4+-T-Helfer- Aktivierung von cytotoxischen Aktivierung von CD1-restringierten
CD8+-T-Zellen zellen CD8+-T-Zellen α:β-T-Zellen, NKT-Zellen, γ:δ-T-
Zellen
(cross presentation), bei der auch von außen aufgenommene An- den Molekülen CD80 (B7.1-Molekül) und CD86 (B7.2-Mole-
tigene auf MHC-Klasse-I-Molekülen dargeboten werden. Dies kül) auf der Oberfläche der dendritischen Zelle, die sich nun in
gilt vor allem für Viren, die nicht in der Lage sind, DC zu infi- eine professionell antigenpräsentierende Zelle umgewandelt hat
zieren. Glykolipid-, Phospholipid- und Lipopeptidantigene des (. Abb. 5.1). Außerdem werden die Chemokinrezeptoren CCR1,
exogenen und endogenen Weges werden über CD1-Moleküle CCR5 und CCR6, die für den Verbleib der DC im Gewebe ver-
(▶ Abschn. 4.1) dargeboten. Durch diese unterschiedlichen Me- antwortlich waren, herunterreguliert. Stattdessen erscheint der
chanismen der Antigenaufnahme und Präsentation (. Tab. 5.2) Chemokinrezeptor CCR7 auf der Oberfläche der aktivierten
können dendritische Zellen Antigene von praktisch allen Krank- DC. CCR7 bindet die Chemokine CCL19 und CCL21, die von
heitserregern (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten), die den Körper den Endothelzellen der fingerförmigen, im Gewebe offen enden-
befallen, präsentieren. Neben der Antigenaufnahme und der Ak- den Lymphkapillaren, von den Stromazellen und reifen DC der
tivierung über TLR werden DC zusätzlich über Fc-Rezeptoren, lymphatischen Organe produziert werden. Mithilfe dieser Che-
die Antikörper als Bestandteil von Immunkomplexen binden, mokinrezeptor-Liganden-Interaktion können die DC das Ge-
über Komplementrezeptoren (CR3, CR4), Rezeptoren der Hit- webe verlassen und im Strom der Lymphe über afferente Lymph-
zeschockproteine Hsp70 und gp96 und Cytokine in Alarmbe- gefäße in die Lymphknoten wandern. Auf ihrem Weg treiben
reitschaft versetzt. Diese im Gewebe erzeugten Alarmsignale die Chemokine den Differenzierungsprozess der dendritischen
entscheiden darüber, ob, und wenn ja, welche, adaptive Immun- Zellen voran. Es erscheinen immer mehr MHC-Moleküle und
antwort ausgelöst wird. costimulierende Moleküle auf ihrer Oberfläche. Im Lymphkno-
Nach der Aktivierung reifen die DC aus. Die im Gewebe ten ergießt sich die Lymphe in den Randsinus (▶ Kap. 2). Von
aktivierten dendritischen Zellen verändern ihren Phänotyp, hier wandern die dendritischen Zellen aktiv dem Chemokingra-
ihr Verhalten und ihre Funktion. Es setzt jetzt ein Differenzie- dienten folgend in die T-Zell-Zone. Die DC haben während der
rungsprozess ein, bei dem zunächst durch verstärkte Makro- Reifung ihre Fähigkeit zur Phagocytose und Makropinocytose
pinocytose vorübergehend mehr Antigene aufgenommen wer- verloren, präsentieren große Mengen an MHC-Peptid-Komple-
den, woraufhin dann die Phagocytoseaktivität vermindert wird. xen, B7-Molekülen (CD80, CD86) und Adhäsionsmolekülen wie
Die bereits aufgenommenen Antigene werden prozessiert und ICAM-1, LFA-3 und DC-SIGN. Die dendritischen Zellen sind
in MHC-Klasse-I- beziehungsweise MHC-Klasse-II-Moleküle jetzt in der Lage, naive T-Zellen zu aktivieren, ein Vorgang, der
eingebaut. Diese erscheinen zusammen mit den costimulieren- als licensing bezeichnet wird. Außerdem produzieren sie jetzt
66 Kapitel 5 • Die Immunantwort durch Lymphocyten
86
2
CD
dieser Antigene im Zellinneren in Vesikeln gespeichert, und
es findet nur eine geringe Präsentation von MHC-Molekülen
86
CD
und costimulierenden Molekülen auf der Zelloberfläche
3
80
CD80 statt. Nach vollständiger Aktivierung durch Gefahrensignale
CD
CD
86 wird die Produktion, Beladung und Präsentation von MHC-I-
und -II-Molekülen sowie von CD80 und CD86 gesteigert,
4
CD 0
8
sodass die DC alle Voraussetzungen für eine effektive
CD
86
Stimulation naiver T-Zellen erfüllt. Die fluoreszenzmikros-
CD80
Die in grün dargestellte Färbung des MHC-II-Moleküls zeigt
CD80
CD86
6 den Zellkern. Auf der linken Seite sieht man eine naive
0
CD86
CD8
.. Tab. 5.3 Costimulierende Moleküle und ihre Bedeutung bei der Auslösung einer primären T-Helferzell-Antwort
CD28 CD80, CD86 (B7.1, B7.2) aktivierend; IL-2-Produktion und Proliferation CD4+- und CD8+-T-Zellen
ICOS (inducible costimulatory molecule); LICOS aktivierend; reguliert die Bildung von polarisierenden Cytokinen wie IL-10
erscheint erst 1–2 Tage nach Antigen-
kontakt auf den aktivierten T-Zellen
CD27 CD70 aktivierend; bedeutend für die Anfangsphase der T-Zell-Aktivierung; spielt
auch eine bedeutende Rolle bei der B-Zell-Aktivierung und Immunglobu-
linsynthese
CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associa- CD80, CD86 (B7.1, B7.2) Hemmung; inhibiert die Proliferation der aktivierten T-Zelle
ted antigen 4; CD152)
PD-1 (programmed death-1) B7-H1 Hemmung der T-Zell-Proliferation und Cytokinproduktion bei CD4+- und
CD8+-T-Zellen
BTLA (B and T lymphocyte attenuator) B7-H4 Hemmung; dämpft die IL-2-Antwort, kommt nicht auf TH2 Zellen vor
L: Ligand
1
2 unreife
Gewebe
DC
4 Hitzeschockproteine,
Histamin, Prostaglandine
keine Entzündungsmediatoren, TGF-β
5
aktivierte co-stimulatorische Moleküle ruhige
DC DC
6
peripheres lymphatisches Gewebe
Cytokine
7 naive
Signal 1
TH-Zelle naive
Signal 2
Signal 3
T-Zelle
8 IL-2
IFN-γ
IL-2
IL-2
IL-21
IL-6 IL-2
IFN-γ IL-4
IL-1β (Mensch)
9 IL-12 IL-4 TGF-β Signal 3
β -
TGF
IL-10 IL-21
kein IL-12
10 STAT1
STAT6
STAT3
TH-Polari-
STAT4 RORγt FoxP3
GATA sierung
T-bet (Mensch RORC)
11
TH1 TH2 TH17 iTreg Anergie, Apoptose
15 .. Abb. 5.2 Auslösung einer Immunantwort: die Bildung von TH-Zellen. Aktivierte dendritische Zellen (DC) verlassen das Gewebe und wandern über die
Lymphgefäße in den nächsten drainierenden Lymphknoten. In der T-Zell-Zone präsentieren sie das prozessierte Antigen auf MHC-Klasse-II-Molekülen den
16 naiven CD4+-TH-Zellen. Je nach Art des Antigens, der involvierten TLR, der freigesetzten Entzündungsmediatoren und anderen Komponenten des Mikromilieus
induzieren die DC die Bildung unterschiedlicher TH-Subtypen (TH1-, TH2-, TH17-Zellen). Um sich differenzieren zu können, benötigt eine naive T-Zelle mindestens
drei Signale: Signal 1 stellt die spezifische Erkennung des MHC-Peptid-Komplexes durch den TCR dar und führt zur Ausbildung einer immunologischen Synap-
17 se. Das Signal 2 geben die costimulierenden Moleküle, die zusammen mit Signal 1 die Proliferation der naiven T-Zellen veranlassen, die Polarisierung einleiten
und die zeitliche Abstimmung der nun einsetzenden Cytokinfreisetzung durch die DC als auch durch die naiven T-Zellen beeinflussen. Die Art der sezernierten
Cytokine (Signal 3) legt die proliferierenden TH-Zellen auf die benötigte Subpopulation fest. Die von der DC sezernierten Cytokine sind in roter Schrift, die von
18 der naiven TH-Zelle freigesetzten Cytokine in grüner Schrift dargestellt. Dazu werden je nach Cytokinkombination unterschiedliche signalvermittelnde Proteine
und Transkriptionsfaktoren in der TH-Zelle aktiviert, die schließlich zur Bildung von TH1-, TH2- oder TH17-Zellen führen. Jede Subpopulation bildet ihr charakteris-
tisches Cytokinmuster, mit dessen Hilfe sie Immunantworten gegen intrazelluläre Erreger, extrazelluläre Bakterien, mehrzellige Parasiten oder Pilze koordiniert.
19 Einzelne Subpopulationen sind aber auch mit Autoimmunerkrankungen (TH1-, TH17-Zellen) und Hypersensitivitätsreaktionen vom verzögerten Typ (DTH, delay-
ed-type hypersensitivity) (TH1-Zellen) assoziiert und spielen eine Rolle bei der Entstehung von Allergien vom Soforttyp und beim Asthma (TH2-Zellen). Erkennung
20 von Selbst-Peptiden oder harmlosen Fremd-Peptiden bei gleichzeitigem Fehlen von costimulierenden Signalen resultiert in Anergie, Apoptose oder der Bildung
von induzierten regulatorischen T-Zellen (iTreg). PAMP: pathogenassoziierte molekulare Muster (pathogen-associated molecular patterns); PRR: Mustererken-
nungsrezeptoren (pattern recognition receptor) (Verändert nach Deenick und Tangye; verändert nach DiCesare, DiMeglio und Nestle.)
21
(klonale Expansion). IL-2 wiederum verstärkt die Signale der Die Interaktion der costimulierenden Moleküle mit ihren Ligan-
22 costimulierenden Moleküle, wodurch noch mehr IL-2 gebildet den auf der dendritischen Zelle fördert zum einen die Prolife-
wird (positive Rückkopplung). Die Aktivierung der T-Zelle ration der T-Zellen, indem sie die Expression der B7-Moleküle
durch Signal 1 und 2 bewirkt außerdem die Expression weiterer hochregulieren (z. B. die Interaktion zwischen CD40L/CD40). Sie
23 costimulierender Moleküle auf der Oberfläche der T-Zellen, zum bewirkt aber auch die optimale und zeitlich abgestimmte Bildung
Beispiel CD40L, OX40, CD27 oder ICOS. Diese costimulieren- von Cytokinen, die die Differenzierung in die benötigten T-Hel-
den Moleküle gehören entweder zur CD28- oder TNF-Familie. fer-Subpopulationen vorantreiben (zum Beispiel ICOS/LICOS-,
5.2 • Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
69 5
Transport der
DC-SIGN ICAM-3 Aufbau der Verbindung Stabilisierung
MHC/TCR-Moleküle
ICAM-1 LFA-1
naive T-Zelle
ICAM-1 aktiviertes
LFA-1 ICAM-1
MHC
dendritische
naive T-Zelle
Zelle dendritische Zelle
a b
.. Abb. 5.3 Die immunologische Synapse. Der erste Kontakt zwischen DC und TH-Zelle erfolgt über verschiedene Adhäsionsmoleküle wie LFA-1, LFA-3, CD2,
ICAM-1, ICAM-3 und DC-SIGN (dendritic cell-specific intercellular adhesion molecule-3-grabbing non-integrin). Dadurch kommen sich die Zellen so nahe, dass die
T-Zellen die MHC-Klasse-II-Peptid-Komplexe mit ihren TCR abtasten können. Kommt es zu einer spezifischen Erkennung, folgt eine Konformationsänderung
der Integrine, wie z. B. des LFA-1, das jetzt mit hoher Affinität an seinen Liganden ICAM-1 bindet. Mithilfe des Cytoskeletts werden die Adhäsionsmoleküle
an den Rand, die kürzeren MHC/TCR-Moleküle in die Mitte der Kontaktzone transportiert. Es bildet sich eine immunologische Synapse, die eine schnelle und
effektive Informationsübertragung zwischen den Zellen ermöglicht. (Verändert nach Bleijs et al. und nach Grakoui et al.)
Subpopulation dominieren. Das gilt auch für allergische Induzierte Treg entstehen als Reaktion auf erkannte Selbst-Pep-
-
1 und autoimmune Reaktionen. tide oder harmlose Fremd-Antigene, die von unreifen, nicht ak-
Treg, die beim Priming aus naiven T-Zellen hervorgehen, tivierten dendritischen Zellen (geringe Antigenpräsentation und
2 werden als induzierte Treg (iTreg) bezeichnet. Im Gegen- Costimulierung) in Anwesenheit von TGF-β und Abwesenheit
satz zu den im Thymus gebildeten natürlichen Treg (nTreg), von Entzündungssignalen wie IL-6 präsentiert werden.
stellen sie eine heterogene Gruppe von Zellen dar. Sie
3 unterdrücken T-Zell-vermittelte Immunreaktionen durch Die Bildung von cytotoxischen CD8+-T-Zellen
Cytokine wie IL-10 und TGF-β (transforming growth CD8+-T-Zellen sind nicht für die Koordination der Immunantwort
4 factor-β). Neben den CD4+-Treg gibt es auch CD8+-Treg. Auf zuständig. Sie spielen vielmehr eine Rolle bei der Erkennung des
die Funktion regulatorischer T-Zellen wird in ▶ Kap. 7 „veränderten Selbst“. Der TCR der CD8+-T-Zellen interagiert mit
5 detailliert eingegangen. MHC-Klasse-I-Molekülen, die auf allen kernhaltigen Körperzellen
vorkommen. Diese MHC-Moleküle präsentieren stichprobenartig
T-Helferzellen, die noch in der Lage sind, Cytokine aller Subpo- die intrazelluläre Proteinzusammensetzung einer Zelle. Bei Virus
6 pulationen zu produzieren, werden vielfach als TH0-Zellen be- infektionen oder im Fall einer Tumorzelle erscheinen also auch
zeichnet. Lange Zeit wurde diskutiert, ob TH0-Zellen eine eigene virale Peptide oder veränderte Eigen-Peptide auf den MHC-Mo-
7 Population darstellen. Heute geht man davon aus, das TH0-Zellen lekülen. Diese werden von den CD8+-T-Zellen erkannt und die
ein Entwicklungsstadium im Differenzierungsprozess darstellen, infizierte Zelle oder Tumorzelle wird getötet. CD8+-T-Zellen sind
das zwischen der Aktivierung der naiven T-Zelle und der Diffe- cytotoxische Zellen, also Killerzellen und somit sehr gefährlich für
8 renzierung in TH1-, TH2- oder TH17-Zellen anzusiedeln ist. den Körper, denn geprimten Killerzellen reicht ein Signal, um zu
töten. Es ist leicht vorstellbar, dass das Priming dieser Zellen stär-
9 Wie entstehen die TH-Subpopulationen ker kontrolliert werden muss als das der CD4+-T-Zellen. Zunächst
in den peripheren lymphatischen Organen? kommt es auch bei der CD8+-T-Zelle zu einer Kontaktaufnahme
10 Wesentlich für die Differenzierung in TH1-, TH2-, TH17-Zellen mit der dendritischen Zelle über Adhäsionsmoleküle, die es ihr
oder iTreg sind die Art der Cytokine, die von der dendritischen ermöglichen, mit ihrem TCR die präsentierten MHC-Klasse-I-
Zelle an die T-Zellen weitergegeben werden, und die Cytokine, Peptid-Komplexe zu überprüfen. Kommt es zu einer spezifischen
11 die die T-Zellen nach Aktvierung selbst freisetzen (. Abb. 5.2). Erkennung, führt dies zur Übertragung des ersten Signals und der
Hohe Mengen an IFN-γ und IL-12 bewirken die Differenzierung Ausbildung einer immunologischen Synapse.
12 von TH1-Zellen. Die Cytokine binden dazu an ihre Rezeptoren, Für das zweite Signal, das die klonale Expansion der T-Zelle
die auf den proliferierenden TH0-Zellen exprimiert werden. Die zur Folge hat, bedarf es auch hier der Aktivierung durch die
Rezeptoren stehen wiederum mit bestimmten signalvermitteln- costimulierenden Moleküle CD80 und CD86. Eine direkte Ak-
13 den Proteinen in Verbindung. So aktiviert IFN-γ das signalver- tivierung von CD8+-T-Zellen durch die dendritische Zelle ist
mittelnde Protein STAT1, das in der T-Zelle die Expression des selten. Sie erfolgt in der Regel nur, wenn die DC selbst infiziert
14 Transkriptionsfaktors T-bet bewirkt. T-bet wiederum führt zur ist und außergewöhnlich viel CD80 und CD86 exprimiert. Ge-
Expression einer Untereinheit des IL-12-Rezeptors und schaltet dächtniszellen werden unter diesen Umständen nicht gebildet, da
15 das IFN-γ-Gen in der T-Zelle an. Die Interaktion von IL-12 und CD8+-T-Zellen kein CD40L tragen und es folglich nicht zu einer
seinem Rezeptor führt über die Aktivierung von STAT4 zur Dif- Hochregulation der costimulierenden Moleküle kommt. In den
ferenzierung von TH1-Zellen. überwiegenden Fällen erhalten CD8+-T-Zellen jedoch die Hilfe
16 Die Polarisierung zu TH2-Zellen benötigt dagegen die Anwe- von CD4+-T-Zellen, die mit derselben DC in Kontakt stehen. Sie
senheit von IL-4 und die Abwesenheit von IL-12. IL-4 vermittelt fördern die Proliferation, Differenzierung und Generierung von
17 die Aktivierung von STAT6. Dieses signalvermittelnde Protein CD8+-T-Gedächtniszellen.
führt zur Expression des Transkriptionsfaktors GATA-3. GATA-3
schaltet Cytokingene an, die für TH2-Zellen typisch sind. Neue
18 Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch geringe Mengen Die B-Zell-Antwort
an IL-10 und der von T-Zellen exprimierte Notch-Rezeptor eine
19 Rolle bei der Generierung von TH2-Zellen spielen. Täglich werden viele 100 Millionen B-Zellen im Knochenmark
Untersuchungen in der Maus zeigen, dass die Differenzierung gebildet und ins Blut abgegeben. Die neugebildeten B-Zellen sind
20 von TH17-Zellen die Anwesenheit von IL-6 (beim Menschen zu- noch unreif. Sie tragen auf ihrer Oberfläche große Mengen an
sätzlich IL-1β), IL-21 und TGF-β und die Abwesenheit von IL-4 IgM, aber nur wenig IgD. Um auszureifen und zu langlebigen
und IL-12 benötigt. IL-6 und TGF-β sind entscheidend für die B-Zellen zu werden, müssen sie in die peripheren lymphatischen
21 Aktivierung eines molekularen Schalters, des Transkriptionsfak- Gewebe einwandern, um dort in die B-Zell-Zone zu gelangen
tors RORγT (entspricht RORC-Variante 2 beim Menschen), der (▶ Kap. 2). Doch nicht alle neugebildeten B-Zellen überleben die
22 wiederum die Expression des IL-23-Rezeptors bewirkt. Lange ersten Tage in der Peripherie. Ist es ihnen nicht gelungen, einen
Zeit wurde angenommen, dass IL-23 eine wichtige Rolle bei der Follikel in den peripheren lymphatischen Organen aufzusuchen,
Differenzierung von TH17-Zellen in den peripheren lymphati- gehen sie zugrunde. Man geht davon aus, dass die unreifen B-Zel-
23 schen Organen spielt. Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass len in den Follikeln wichtige Überlebenssignale in Form von lös-
IL-23 erst später auf diese Zellen einwirkt, wenn sie schon auf lichen Faktoren bekommen, die dort von konventionellen DC
ihre T-Zell-Linie festgelegt sind. und Makrophagen produziert werden. Um Zugang zu den Folli-
5.2 • Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
71 5
keln zu bekommen, müssen die unreifen B-Zellen mit ebenfalls B-Zellen erkennen eine Vielzahl von Antigenen
zuwandernden B-Gedächtniszellen konkurrieren, die aufgrund B-Zellen (▶ Exkurs 5.2) können je nach Spezifität ihrer membran-
anderer Chemokinrezeptoren bevorzugt werden. Man geht da- ständigen Immunglobuline eine große Vielzahl von Antigenen
von aus, dass 1–2 % der neugebildeten B-Zellen in der Peripherie erkennen. Diese gehören zu den Polysacchariden, Glykopro-
nach wenigen Tagen sterben. teinen, Lipiden, Nucleinsäuren und Proteinen und können auf
72 Kapitel 5 • Die Immunantwort durch Lymphocyten
Cytokine
B-Zell-Rezeptor-Repertoire. Sie kommen vor allem in der Bauch-
CD40L CD40
3 höhle und Lungenhöhle vor. Ihre Liganden stellen von Bakterien
stammende Kohlenhydrat- und Lipidantigene dar, auf Protein-
Internalisierung
Cyt-R
PRR
antigene reagieren sie nur schwach. B-1-Zellen gehören zu den Prozessierung
10 T-Zellen (. Abb. 5.4). Diese Antigene sind aus sich ständig wie- mit einem thymusabhängigen Antigen. Das für die Aktivierung notwendige
zweite Signal kommt in diesem Fall von einer T-Helferzelle, der das Antigen
derholenden (repetierenden) Epitopen aufgebaut. Dazu gehören
präsentiert wird
komplexe Polysaccharide auf Bakterien. Diese Antigene können
11 durch Kreuzvernetzung der BCR starke Signale erzeugen und
zur Aktivierung der B-Zellen führen. Die B-Zellen differenzieren Zellen sind sie über Desmosomen und Gap-Junction-Proteine
12 sich zu Plasmazellen und produzieren IgM. Es bilden sich aber verbunden. fDC betreiben keine Phagocytose und exprimieren
keine Gedächtniszellen. Auch kommt es in der Regel zu keiner keine MHC-Klasse-II-Moleküle. Dennoch sind sie essenziell für
Keimzentrumreaktion, somatischen Hypermutation, Affinitäts- die Entwicklung, Aktivierung, Differenzierung, Proliferation
13 reifung oder einem Klassenwechsel. Diese Antigene werden als und das Überleben der B-Zellen. fDC fangen Antigene in Form
thymusunabhängige Antigene (thymus independent; TI-Anti- von Immunkomplexen ein, also Antigen-Antikörper-, Anti-
14 gene) bezeichnet. Ein Beispiel für die sogenannten natürlichen gen-Komplement- oder Antigen-Antikörper-Komplement-Kom-
Antikörper sind die gegen die Blutgruppenantigene A und B ge- plexe, die über Fc-Rezeptoren oder Komplement-Rezeptoren
15 richteten Isoagglutinine (▶ Kap. 12). (CR1, CR2) gebunden und unprozessiert auf ihrer Oberfläche
Bei anderen Antigenen, vor allem Proteinen, benötigen präsentiert werden. Außerdem produzieren sie das Chemokin
B-Zellen die Hilfe von T-Zellen, um sich zu antikörperpro- CXCL13, das B-Zellen in die B-Zell-Zone lockt. Dendritische
16 duzierenden Plasmazellen weiterentwickeln zu können. Diese Zellen und Makrophagen geben wichtige Überlebenssignale
Antigene führen zur Ausbildung eines Keimzentrums, somati- für sowohl unreife B-Zellen als auch für B-Zellen, die sich zu
17 scher Hypermutation, Klassenwechsel und zur Ausbildung eines Plasmazellen differenzieren. Eines dieser Überlebenssignale ist
B-Zell-Gedächtnisses. Sie werden als thymusabhängige Anti- der B-Zell-aktivierende Faktor (B cell activating factor of the
gene (thymus dependent; TD-Antigene) bezeichnet. Die Reak- TNF family, BAFF). Dieses Cytokin bindet an den auf unreifen
18 tion auf diese Antigene nennt man T-Zell-abhängige B-Zell-Ant- B-Zellen exprimierten BAFF-Rezeptor. Dieser Rezeptor wird
wort. Sie wird in den folgenden Abschnitten näher beschrieben. bei der Differenzierung der B-Zelle nach Antigenkontakt hoch-
19 gefahren. BAFF- oder BAFF-Rezeptor-defiziente Mäuse zeigen
Zellen der B-Zell-Zone eine gestörte B-Zell-Entwicklung. Ihnen fehlen reife follikuläre
20 In der B-Zell-Zone sind die B-Zellen in sogenannte B-Zell-Fol- B-Vorläuferzellen und Marginalzonen-B-Zellen. B-1-Zellen und
likel organisiert, die unstimuliert als Primärfollikel bezeichnet im Knochenmark reifende B-Zellen sind nicht betroffen. Makro-
werden. Findet in den Follikeln eine Auseinandersetzung mit phagen sind auch an der Beseitigung von apoptotischen B-Zellen
21 Antigenen statt, wandeln sie sich zu Sekundärfollikeln mit Keim- beteiligt.
zentrum um. Neben den B-Zellen kommen noch andere Zel-
22 len in den Follikeln vor, wie die follikulär dendritischen Zellen Wo treffen B-Zellen auf ihr Antigen?
(fDC), Makrophagen und wenige konventionelle dendritische B-Zellen, die durch den Körper wandern, können mit ihren
Zellen hämatopoetischen Ursprungs. fDC gehören nicht zu den membranständigen Immunglobulinen (B-Zell-Rezeptoren,
23 Immunzellen und stammen nicht aus dem Knochenmark. Sie BCR) Antigene im Blut binden oder sie treffen in den peripheren
sind wahrscheinlich mesenchymalen Ursprungs und tragen lymphatischen Organen auf freie Antigene, die mit der Lymphe
lange, stark verzweigte dendritische Fortsätze. Mit benachbarten herbeitransportiert wurden. Weiter ist das Erkennen von Antige-
5.2 • Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
73 5
Lymphknoten Primärfollikel
Sekundärfollikel
B-Zelle
M
mit Ag Ag
an
te
lzo
AK CC
ne
R 7
Gedächtniszellen postkapilläre
CXCR5
IgG B-Zelle Venole
IgE Endocytose
Ig/Ag-Komplex naive B-Zelle
oder
CXCR5
Plasmazelle
IgA
CCR7
CXCR5
CCR7
Keimzentrum
Klassen- Affinitäts-
wechsel reifung aktivierte aktivierte naive T-Zelle
B-Zelle T-Zelle
CXCR5
DC
B-Zell-Zone T-Zell-Zone
.. Abb. 5.5 B-Zellen differenzieren sich in peripheren lymphatischen Organen mithilfe von TH-Zellen zu Plasmazellen. B-Zellen treffen im Blut oder in den
peripheren lymphatischen Organen auf Antigene (Ag) und binden sie spezifisch über ihre membranständigen Immunglobuline (BCR). Um sich in Plasmazellen
differenzieren zu können, braucht der größte Teil der B-Zellen die Hilfe von TH-Zellen, die durch das gleiche Antigen aktiviert wurden (gekoppelte Erkennung).
Um miteinander interagieren zu können, treffen sich antigenaktivierte B-Zellen und T-Zellen an der Grenze von T- und B-Zell-Zone. Um dorthin zu gelangen,
ändern beide Zellarten die Chemokinrezeptoren auf ihrer Oberfläche. B-Zellen sind auch APC und präsentieren den TH-Zellen das prozessierte Antigen auf
MHC-Klasse-II-Molekülen. Die T-Zelle wird dazu aktiviert, die B-Zellen mithilfe costimulierender Moleküle und Cytokine in die Proliferation und Differenzierung
zu treiben. Der größte Teil der aktivierten B-Zellen und die mit ihnen assoziierten TH-Zellen wandern in die B-Zell-Follikel ein und bilden ein Keimzentrum: Der
Follikel wird zum Sekundärfollikel. Mit Unterstützung der assoziierten TH-Zellen kommt es im Verlauf der B-Zell-Differenzierung zur somatischen Hypermuta-
tion und Affinitätsreifung der BCR. Im fortgeschrittenen Verlauf einer Primärreaktion können B-Zellen einen Klassenwechsel vollziehen, der nur die konstante
Region der schweren Kette des Antikörpers, niemals die Antigenbindungsstelle betrifft. Schließlich bilden sich antikörperproduzierende Plasmazellen und
langlebige Gedächtniszellen
nen möglich, die als Immunkomplexe an der Oberfläche von fDC Organe in räumlich getrennten Zonen? Antigenspezifische
fixiert sind. Bewirkt die Bindung eines Antigens eine Querver- Aktivierung führt sowohl bei TH-Zellen als auch bei B-Zellen
netzung der membranständigen Immunglobuline, kommt es zur zu einer Veränderung der exprimierten Chemokinrezeptoren
rezeptorvermittelten Endocytose des Antigens. Im Innern der (. Abb. 5.5). Aktivierte T-Zellen regulieren den Chemokinrezep-
B-Zelle wird es verdaut, prozessiert und auf MHC-Klasse-II-Mo- tor CCR7 herunter. Stattdessen erscheint ein Chemokinrezeptor
lekülen auf der Oberfläche der B-Zelle präsentiert. B-Zellen ge- auf ihrer Oberfläche, der für naive B-Zellen charakteristisch ist:
hören zu den professionellen antigenpräsentierenden Zellen. CXCR5. Mit ihm folgen die aktivierten TH-Zellen dem chemo-
Um sich zu einer antikörperproduzierenden Plasmazelle diffe- taktischen Gradienten von CXCL13, dessen Konzentration in
renzieren zu können, benötigt der größte Teil der B-Zellen noch der B-Zell-Zone am höchsten ist. Ähnliches gilt für aktivierte
weitere Signale. Diese bekommen sie von TH-Zellen, die durch B-Zellen. Sie regulieren CXCR5 herunter und exprimieren das
das gleiche Antigen aktiviert wurden (gekoppelte Erkennung) für naive TH-Zellen charakteristische CCR7. Sie können jetzt
(siehe Hapten-Carrier-Prinzip ▶ Kap. 4). Die erkannten Epitope den entsprechenden Chemokingradienten (CCL19; CCL21) in
brauchen nicht die gleichen zu sein, sie müssen nur vom glei- Richtung T-Zell-Zone folgen. Am Rande der B- und T-Zell-Zone
chen Antigen, zum Beispiel vom gleichen Bakterium, stammen. treffen sich T- und B-Lymphocyt und interagieren miteinander
Die gekoppelte Erkennung ist ein Mechanismus der peripheren (. Abb. 5.5). Auch hier erfolgt die Kontaktaufnahme über Ad-
Toleranz, mit dessen Hilfe autoimmune Reaktionen in Schach häsionsmoleküle, und es kommt zur Ausbildung einer immu-
gehalten werden (▶ Kap. 9). nologischen Synapse. Die Bindung des T-Zell-Rezeptors an den
Doch wie kommen antigenaktivierte T- und B-Zellen zu- MHC-Klasse-II-Peptidantigen-Komplex der B-Zelle vermittelt
sammen, sie befinden sich doch innerhalb der lymphatischen wichtige Signale. Die TH-Zelle wird angeregt, die B-Zellen über
74 Kapitel 5 • Die Immunantwort durch Lymphocyten
Eigenschaften IgA1 IgA2 IgD IgE IgG1 IgG2 IgG3 IgG4 IgM
2 schwere Kette α1 α2 δ ε γ1 γ2 γ3 γ4 μ
5 Komplementaktivierung
– klassischer Weg − − − − + − ++ − +++
– alternativer Weg + − − − − − − − −
6 Bindung an Phagocyten + + − + + − + −/+ −
9 Neutralisierung ++ ++ − − ++ ++ ++ ++ +
12
costimulierende Moleküle und sezernierte Cytokine in die Pro- und den mit ihnen in Kontakt stehenden T-Zellen in die Pri-
liferation und Differenzierung zu treiben. Eines der wichtigsten märfollikel der B-Zell-Zone. Voraussetzung für die Migration in
13 costimulierenden Moleküle ist der von T-Zellen exprimierte die Follikel ist wahrscheinlich ein erneuter Wechsel der Chemo-
CD40L. Eine Bindung von CD40L an CD40, das auf B-Zellen kinrezeptoren auf der Oberfläche der B-Zellen. In den Follikeln
14 konstitutiv exprimiert wird, veranlasst die B-Zelle in den Zell- vermehren sich die aktivierten B-Zellen mit Unterstützung der
zyklus einzutreten und verstärkt CD80 und CD86 zu exprimie- sie begleitenden T-Zellen und bilden ein Keimzentrum. Die sie
15 ren. Diese Moleküle fördern wiederum die Differenzierung der umgebenden ruhenden naiven B-Zellen werden an den Rand des
TH-Zellen, ein Prozess, der durch die Interaktion der costimu- Follikels gedrängt und bilden die sogenannte Mantelzone. Der
lierenden Moleküle 4-1BB (auf der T-Zelle) mit 4-1BBL (auf der Primärfollikel wird zum Sekundärfollikel (. Abb. 5.5). Die pro-
16 B-Zelle) verstärkt wird. Von der TH-Zelle sezernierte Cytokine liferierenden B-Zellen teilen sich ungefähr zwei- bis dreimal am
unterstützen die Signale der costimulierenden Moleküle und füh- Tag, sodass innerhalb von einer Woche Tausende von B-Zellen
17 ren zu klonaler Expansion der aktivierten B-Zelle und zur deren entstehen. Man unterscheidet zwei Zonen an proliferierenden
Differenzierung zu Plasmazellen. B-Zellen innerhalb des Keimzentrums. Außen gelegen befin-
den sich rasch teilende B-Zellen, die Centroblasten, die wenige
18 Immunglobuline auf ihrer Oberfläche tragen. Da diese Zone
Der Weg zur Plasmazelle: Hypermutation, aufgrund der großen Mengen an B-Zellen im histologischen
19 Affinitätsreifung und Isotypwechsel Bild dunkel erscheint, wird sie als dunkle Zone bezeichnet. In-
nen befindet sich die helle Zone, in der Centrocyten lokalisiert
20 Einige der aktivierten, proliferienden B-Zellen und die mit ihnen sind. Diese B-Zellen teilen sich weniger häufig, tragen dafür aber
interagierenden aktivierten T-Zellen bilden zunächst einen Pri- wieder mehr membranständige Immunglobuline. Während der
märfocus und die B-Zellen produzieren als sogenannte Plasma häufigen Teilungen kommt es in Centroblasten und Centrocyten
21 blasten schützende Antikörper (Immunglobuline; Ig) der Klasse zu einem Prozess, der als somatische Hypermutation bezeichnet
IgM, die nach einigen Tagen im Serum nachweisbar sind (Sero- wird (▶ Kap. 6). Dabei kommt es im Bereich der hypervariablen
22 konversion). Das erste Immunglobulin, das bei einer primären Region der rekombinierten Immunglobulingene zu einer über-
Immunantwort gebildet wird, ist immer IgM. Es ist auch das durchschnittlich hohen Zahl an Punktmutationen. Die Folgen
charakteristische Immunglobulin der primären Immunantwort sind für die B-Zelle unterschiedlich. Einige Mutationen beein-
23 (▶ Kap. 8). Erst später im Verlauf der Immunreaktion können flussen die Spezifität des BCR für sein Antigen nicht. Andere ver-
IgG und andere Antikörperklassen hinzukommen. Die B-Zellen ändern den BCR so, dass er das ursprüngliche Antigen schlechter
des Primärfocus folgen schließlich anderen aktivierten B-Zellen oder gar nicht mehr binden kann. Manchmal ruft eine Mutation
5.2 • Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
75 5
CD81
seitigt. Solche Zellen, die über einen hochaffinen BCR verfügen,
CD19
Igα
Igα
Igß
Igß
werden positiv selektiert, das heißt, sie erhalten Überlebenssi-
gnale. Diese stammen zum einen vom Antigen, das die mem- Fyn/Blk/Lyn
branständigen Immunglobuline quervernetzt, zum anderen von
costimulierenden Molekülen (CD40L/CD40-Interaktion) der Syk Vav/Pl-3K
assoziierten T-Zellen. Durch diesen Vorgang, der als Affinitäts-
reifung bezeichnet wird, kommt es bei erfolgreich selektierten .. Abb. 5.6 B-Zell-Rezeptor- und B-Zell-Corezeptor-Komplex. Die Querver-
B-Zellen zu einer ständigen Verbesserung der Spezifität der BCR netzung der B-Zell-Rezeptoren durch ein Antigen (Ag) führt zur Aggregation
(▶ Kap. 6). Bei autoreaktiven BCR können die T-Zellen die von der BCR-Komplexe auf der Oberfläche der B-Zelle und löst die Aktivierung
der Tyrosinkinasen Lyn, Fyn, Blk aus. Sie phosphorylieren die ITAMs in den
den B-Zellen präsentierten Selbst-Peptidfragmente nicht erken-
Igα- und Igβ-Ketten des BCR-Komplexes, an die jetzt die Tyrosinkinase Syk
nen und geben keine Überlebenssignale. binden kann. Syk aktiviert jetzt weitere Zielproteine der intrazellulären
Mithilfe der T-Zellen reifen die selektierten B-Zellen ent- Signalkaskade. Der B-Zell-Rezeptor wird durch den B-Zell-Corezeptor-Kom-
weder zu Gedächtniszellen oder zu Plasmazellen. Die Signale, plex (CD19, CD21, CD81) unterstützt, der nach Bindung seines Liganden
die entscheiden, welche Richtung eingeschlagen wird, sind noch das antigenabhängige Signal des BCR verstärkt. Antigene werden oft von
Komplementkomponenten markiert. Wenn der BCR ein solches Antigen spe-
nicht bekannt. Plasmazellen unterscheiden sich deutlich von
zifisch erkennt, bindet die Komplementkomponente C3d an CD21. BCR und
B-Zellen. Sie teilen sich nicht mehr, tragen kaum noch membran- Corezeptor-Komplex kommen eng zusammen, und die cytoplasmatische
ständige Immunglobuline und exprimieren keine MHC-Klas- Domäne von CD19 wird phosphoryliert. Sie interagiert mit Tyrosinkinasen
se-II-Moleküle mehr. Sie können also nicht mehr mit T-Hel- der Src-Familie und zahlreichen wichtigen Signalproteinen wie Vav und PI-3-
ferzellen interagieren. Ihre Hauptaufgabe ist die Ausschüttung Kinase. Ig: membranständiges Immunglobulin (B-Zell-Rezeptor). (Verändert
nach Roitt, Brostoff und Male.)
großer Mengen löslicher Immunglobuline.
Im fortgeschrittenen Verlauf einer Primärreaktion, wenn die
T-Zell-Hilfe voll ausgebildet ist, können B-Zellen einen soge- genspezifischen Teil des BCR-Komplexes dar. Von den Plasma-
nannten Klassenwechsel oder Isotypwechsel vollziehen. Er be- zellen werden sie ohne Transmembrankomponente in löslicher
trifft nur die konstante Region der schweren Kette des Antikör- Form ausgeschieden. Bevor wir auf die Struktur der Antikörper
pers, niemals die variablen Regionen (Antigenbindungsstelle). eingehen, wollen wir den Aufbau des BCR-Komplexes und des
Statt IgM erscheint jetzt IgG, IgA oder IgE auf der B-Zell-Ober- B-Zell-Corezeptor-Komplexes betrachten.
fläche. Dieser Klassenwechsel ist nur mit Unterstützung von
CD4+-TH-Zellen und der von ihnen sezernierten Cytokine mög- B-Zell-Rezeptor-Komplex und B-Zell-Corezeptor-
lich. Den Anstoß zum Klassenwechsel gibt die T-Helferzelle Komplex
über die CD40L/CD40-Interaktion. Je nachdem, welche TH-Sub- B-Zellen besitzen antigenspezifische B-Zell-Rezeptor-Komplexe
population (TH1, TH2) mit den B-Zellen assoziiert ist, werden (BCR) (. Abb. 5.6). Da deren membranständige Immunglobu-
unterschiedliche Cytokine ausgeschüttet (▶ Abschn. 5.3, TH1-, line selbst kaum intrazelluläre Domänen aufweisen, erfolgt die
TH2-Zellen). Sie entscheiden, zu welcher Immunglobulinklasse Signalübertragung ins Zellinnere über die assoziierten invarian-
der Wechsel erfolgen soll. Nach dem Isotypwechsel differenzieren ten Ketten Igα und Igβ. Diese tragen in ihrem intrazellulären Be-
sich Plasmazellen, die IgG, IgA oder IgE produzieren. Die ver- reich ITAM-Sequenzen. Die Quervernetzung der membranstän-
schiedenen Immunglobulinklassen haben die gleiche Antigen- digen Immunglobuline durch ein Antigen führt zur Aggregation
spezifität, aber unterschiedliche Effektorfunktionen (. Tab. 5.4). der BCR-Komplexe und zur Aktivierung der rezeptorassoziierten
Während alle Immunglobuline als Monomer auf der Oberfläche Proteintyrosinkinasen der Src-Familie (Fyn, Blk und Lyn). Diese
der B-Zellen erscheinen, liegen IgM und IgA in löslicher Form phosphorylieren jetzt Tyrosinreste in den ITAM-Sequenzen der
als Pentamer (teilweise Hexamer) beziehungsweise als Dimer vor. assoziierten Ketten. An die phosphorylierten ITAM-Sequenzen
des Igβ bindet die cytosolische Tyrosinkinase Syk, die dann akti-
viert wird. Aktiviertes Syk phosphoryliert weitere Proteine, unter
B-Zell-Rezeptor-Komplex und Aufbau anderem das Adapterprotein BLNK. BLNK aktiviert zusammen
der Immunglobuline mit der Kinase btk die Phospholipase PLCγ2. Diese generiert Bo-
tenstoffe, die die intrazelluläre Signalübertragung weiterführen.
Immunglobuline oder Antikörper sind Glykoproteine, die spe- Außer dem BCR exprimieren B-Zellen noch den B-Zell-Co-
zifisch Strukturen auf Antigenen erkennen und viele Effektor- rezeptor-Komplex (. Abb. 5.6), der aus den Zelloberflächen-
funktionen im Immunsystem ausüben (. Tab. 5.4). Sie kommen molekülen CD19, CD21 (Komplementrezeptor-2; CR2) und
auf der Oberfläche von B-Zellen vor und stellen dort den anti- CD81 besteht. Er verstärkt nach Bindung seines Liganden das
76 Kapitel 5 • Die Immunantwort durch Lymphocyten
–S H
2
–S
–
V
–S
–S
–S
–
–
–S
–S
variable
–S
L
V
–S H 1
–
–S
–
3
C
Domäne
–S
–S
–S
C –
–
(VL bzw. VH)
–S
–S
–S
–S
L
– –S
–
–S –
–S –S–S–
4 –S–S– leichte Kette
konstante
Gelenkregion
Domänen Gelenk-
5
–S–S–
–S–S–
CH2
(CL bzw. CH) region
6
–S–S–
–S–S–
CH3
Fc
7 schwere Kette
a b
8 .. Abb. 5.7 Grundaufbau eines Antikörpers (IgG). a Schematische Struktur des humanen IgG1. Antikörper haben eine Y-förmige Gestalt. Sie bestehen aus
zwei identischen schweren Ketten (heavy chains ; H) und zwei identischen leichten Ketten (light chains; L), die über Disulfidbrücken (S–S) miteinander ver-
bunden sind. Die leichten Ketten setzen sich aus einer variablen (VL) und einer konstanten (CL) Domäne zusammen. Die schweren Ketten bestehen aus einer
9 variablen Domäne (VH) und beim IgG aus drei konstanten (CH) Domänen. Eine Domäne umfasst 110 bis 115 Aminosäuren und bildet über eine Disulfidbrücke
eine Schleife. Die V-Regionen der schweren und leichten Kette bilden die Antigenbindungsstelle: In dieser befinden sich die hypervariablen Regionen, die
10 für die Bindung des Antigens verantwortlich sind, und konservierte Bereiche, die framework regions. Der Fc-Teil bildet den Stamm des Y und vermittelt die
Funktion des Antikörpers. So bewirkt bei IgG die Domäne CH2 die Aktivierung des Komplementsystems, CH3 dagegen die Bindung an die Fc-Rezeptoren
der Makrophagen. (Verändert nach Roitt, Brostoff und Male.) b Bänderdarstellung eines intakten monoklonalen IgG1-Antikörpers (Röntgenstrukturanalyse).
12 antigenabhängige Signal des BCR. Wir wollen diesen Prozess schweren Ketten bestehen je nach Antikörperklasse aus je einer
näher betrachten. Viele Antigene, vor allem Bakterien, aktivie- variablen (VH) und drei konstanten Domänen (CH1, CH2, CH3)
ren das Komplementsystem. Komplementkomponenten lagern bei IgG, IgA und IgD oder vier konstanten Domänen (CH1, CH2,
13 sich auf der Antigenoberfläche an und opsonisieren das Anti- CH3, CH4) bei IgM und IgE. Jede Domäne ist aus etwa 110–115
gen. Eine dieser Komplementkomponenten ist CD3d, das an Aminosäuren aufgebaut, der sogenannten Immunglobulin-
14 CD21 bindet. Erkennt der BCR spezifisch das mit der Komple- domäne, die ebenfalls über Disulfidbrücken stabilisiert wird.
mentkomponente C3d beladene Antigen, bindet das Antigen Es gibt beim Menschen fünf verschiedene Typen von schweren
15 an den BCR und C3d an CD21 des Corezeptor-Komplexes. Da- Ketten, die als µ- (IgM), δ- (IgD), γ- (IgG), α- (IgA) oder ε- (IgE)
durch lagern sich der BCR-Komplex und der Corezeptor-Kom- Ketten bezeichnet werden.
plex zusammen und vernetzen. Die mit dem BCR assoziierten Die variablen Regionen der Arme des Y, die sich jeweils aus
16 Tyrosinkinasen können jetzt auch den cytoplasmatischen An- der schweren und leichten Kette zusammensetzen, bilden an ih-
teil des CD19-Moleküls phosphorylieren. Das phosphorylierte ren Enden die Antigenbindungsstellen. Sie sind spezifisch für je-
17 CD19 bindet nun ebenfalls Tyrosinkinasen der Src-Familien des Immunglobulinmolekül und stellen den Idiotyp dar. Wie ist
und verstärkt das antigenabhängige Signal des BCR, interagiert die Antigenbindungsstelle aufgebaut? Innerhalb jeder variablen
aber auch mit zahlreichen Signalproteinen wie Vav und der PI- Region befinden sich drei hypervariable Regionen (HV1, HV2,
18 3-Kinase und setzt zusätzliche Signalwege in Gang. Die Rolle HV3) und vier konservierte Bereiche, die als framework regions
von CD81 innerhalb des Corezeptor-Komplexes ist noch nicht (FR1–4) bezeichnet werden. In den hypervariablen Regionen va-
19 vollständig geklärt. riiert die Zusammensetzung der Aminosäuren extrem stark. Die
hypervariablen Regionen liegen in der dreidimensionalen Form
Struktur der Immunglobuline (Antikörper)
20 des Antikörpers innerhalb einer variablen Region dicht beieinan-
Die Struktur der Antikörper wurde Anfang der 60er-Jahre des der und sind für die Bindung an Teile des Antigens (. Exkurs 5.3),
vorherigen Jahrhunderts von Gerald M. Edelman und Rodney die sogenannten Epitope oder Antigendeterminanten, verant-
21 R. Porter aufgeklärt, die 1972 dafür den Nobelpreis für Medizin wortlich. Da die hypervariablen Regionen zu den Bindungsstruk-
erhielten. Antikörper haben eine Y-förmige Gestalt. Sie beste- turen des Antigens komplementär sind, werden sie auch als CDR
22 hen aus zwei identischen schweren Ketten (heavy chains; H) und (complementarity determining regions) bezeichnet. Das daraus
zwei identischen leichten Ketten (light chains, L), die über Disul- entstehende Abbild des Epitops wird auch Paratop genannt. Die
fidbrücken kovalent miteinander verbunden sind (. Abb. 5.7). framework regions bilden das Füllwerk zwischen den CDR. Detail-
23 Die leichten Ketten bestehen aus einer variablen Domäne (VL) lierte Auskünfte zur Antikörpergenetik siehe ▶ Kap. 6.
und einer konstanten Domäne (CL). Beim Menschen kommen Die Kraft, mit der ein Antikörper ein Epitop bindet, bezeich-
zwei Typen von leichten Immunglobulinketten vor: κ und λ. Die net man als Antikörperaffinität. Die gesamte Bindungsstärke, die
5.2 • Eine primäre Immunantwort wird in den peripheren lymphatischen Organen ausgelöst
77 5
Zellen Rezeptor IgA1 IgA2 sIgA IgD IgE IgG1 IgG2 IgG3 IgG4 IgM
−: keine Bindung; von (+) nach +++: Zunahme der Bindungsaffinität zwischen Fc-Rezeptor und Fc-Teil des Antikörpers
ein multivalenter Antikörper mit einem multivalenten (mehrere Klassen werden nochmals in Untergruppen gegliedert. Die Im-
Bindungsstellen) Antigen eingehen kann, heißt Avidität. Die munglobulinklassen, die auch als Isotypen bezeichnet werden,
Gesamtbindungsstärke ist dabei größer als die Summe der Ein- sind IgM, IgD, IgG, IgE, IgA. Sie unterscheiden sich hinsicht-
zelbindungen. Auch winzige Antigene, die über nur eine einzige lich ihrer Struktur und Aufgabe im Immunsystem (. Abb. 5.9;
Bindungsstelle (monovalent) verfügen, sogenannte Haptene, . Tab. 5.4) und sollen im Einzelnen kurz vorgestellt werden.
können von Antikörpern gebunden werden. Sie lösen aber keine
Immunantwort aus. Um Antikörper gegen das Hapten zu ge- IgM
nerieren, muss es an einen Carrier, zum Beispiel ein größeres IgM ist das Immunglobulin, das bei einer primären Immunant-
Protein, gebunden werden (Hapten-Carrier-Prinzip). Erkennt wort zuerst gebildet wird und eine akute Infektion anzeigt. In
ein Antikörper auf unterschiedlichen Antigenen identische oder seiner sezernierten Form stellt es ein Pentamer (teilweise He-
strukturell ähnliche Epitope, kann es zu einer Kreuzreaktion xamer) dar, in dem sich fünf IgM-Moleküle zusammenlagern
kommen. Die Bindung zwischen Antigendeterminante und An- und durch eine J(joining)-Kette stabilisiert werden, die auch
tikörper ist nicht kovalent und ist daher reversibel. Sie erfolgt von der B-Zelle produziert wird. IgM hat keine Gelenkregion,
über Van-der-Waals-Kräfte, hydrophobe Wechselwirkungen, stattdessen eine zusätzliche konstante Domäne. Jede der fünf
elektrostatische Kräfte und Wasserstoffbrücken. Untereinheiten erkennt das gleiche Epitop, bindet es aber nur
Der Stamm des Y stellt den sogenannte Fc-Teil (fragment mit geringer Affinität, da in der frühen Phase der Immunantwort
crystallizable) dar. Er ist für die Funktion des Antikörpers zu- die somatische Hypermutation und Affinitätsreifung aufgrund
ständig. Je nach Antikörperklasse aktiviert er das Komplement- einer fehlenden oder nicht voll ausgebildeten T-Zell-Hilfe noch
system, vermittelt die Phagocytose oder aktiviert die Degranu- nicht oder kaum stattgefunden hat. Aufgrund der Multivalenz
lierung von NK-Zellen, Granulocyten und Mastzellen (. Tab. 5.4 (zehn Bindungsstellen pro Pentamer) ist die Bindungsavidität
und 5.5; ▶ Exkurs 5.4). (Gesamtbindungsstärke) jedoch hoch. IgM interagiert mit sich
wiederholenden Epitopen, vor allem Polysaccharidstrukturen,
Immunglobulinklassen die auf der Oberfläche von Mikroorganismen exprimiert wer-
Antikörper werden in fünf verschiedene Klassen unterteilt, je den. Dadurch kann es zum Beispiel mehrere Bakterien gleich-
nach der Art des konstanten Teils ihrer schweren Kette. Einige zeitig binden. Die dabei entstehenden großen Immunkomplexe
78 Kapitel 5 • Die Immunantwort durch Lymphocyten
9
10 Antikörper-
überschuss
Gleich-
gewicht
Antigen-
überschuss
.. Abb. 5.8 Bildung von Immunkomplexen in Abhängigkeit von der
Menge des zugefügten Antigens bei konstanter Antikörperkonzentration.
Da Antikörper mindestens bivalent sind und Antigene in der Regel über
16
17 Menge des zugefügten Antigens
VL VH
CL Cγ 31
VL VH VL VH VL VH
CL Cγ11 CL Cγ21 CL Cγ 41
Gelenk- Disulfid-
region brücke
C γ 12 Cγ 22 Cγ 32 C γ 42
Cγ 1 3 Cγ 23 Cγ 33 Cγ 43
VL VH VL VH
VL VH
CL Cδ 1 CL Cα 1
CL Cε 1
Kohlen- Cε 2
hydratrest
Cδ 2 Cα 2 Cε 3
Cδ 3 Cα 3 Cε 4
VH VL
VH VL
Cµ 1 CL
Cα 1 CL
Cµ 2
Cµ 3
Cα 2 Cµ 4
Cα 3
sekretorische
Komponente
J-Kette
J-Kette
.. Abb. 5.9 Immunglobulinklassen. Immunglobuline werden in fünf verschiedene Klassen (IgM, IgD, IgG, IgE, IgA) unterteilt, je nach der Art des konstanten
Teils ihrer schweren Kette. Die schweren Ketten werden je nach Immunglobulinklasse (Isotyp) als μ- (IgM), δ- (IgD), γ- (IgG), α- (IgA) oder ε-Ketten (IgE) bezeich-
net. Einige Isotypen sind in Unterklassen gegliedert. So gibt es beim Menschen vier IgG-Unterklassen (IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4) und zwei IgA-Unterklassen
(IgA1 und IgA2). IgA2 ist nicht im Bild dargestellt. Die schweren Ketten der verschiedenen Isotypen unterscheiden sich hinsichtlich der Glykosylierung, der An-
zahl und Lage der die Ketten verbindenden Disulfidbrücken und dem Fehlen oder Vorhandensein einer Gelenkregion. IgM und IgE haben keine Gelenkregion,
stattdessen eine zusätzliche konstante Domäne in jeder schweren Kette (CH4). IgG3 hat durch die sehr lange Gelenkregion eine kürzere Halbwertszeit, ist aber
sehr flexibel. Neutralisierende Antikörper (z. B. gegen Toxine) sind häufig von diesem Typ. (Verändert nach Roitt, Brostoff und Male.)
80 Kapitel 5 • Die Immunantwort durch Lymphocyten
.. Abb. 5.11 Enzymatische Spaltung von IgG-Spaltung mit Papain IgG-Spaltung mit Pepsin
humanem IgG1. Die Protease Papain spaltet
das Immunglobulin IgG1 oberhalb der Disulfid
brücke der Gelenkregion in drei Fragmente: zwei
Fab-Fragmente und ein Fc-Fragment. Fab hat nur Fv
eine Bindungsstelle und kann deshalb nur noch Fab F(ab')2
blockieren, die übrigen Antikörperfunktionen aber
nicht mehr wahrnehmen. Die Protease Pepsin spal-
tet das Immunglobulin unterhalb der Disulfidbrü-
cke der Gelenkregion in ein F(ab′)2-Fragment und
IgG
mehrere kleine Fc-Fragmentstücke. Das größte unter
ihnen nennt man pFc′-Fragment. F(ab′)2 hat zwei
Papain
Bindungsstellen. Es kann deshalb kreuzvernetzen
bzw. präzipitieren und agglutinieren. Gentechnisch Fc-Fragment-
Pepsin
hergestellte Fv-Fragmente bestehen nur aus einer stücke
stabilisierten Antigenbindungsstelle. (Verändert
nach Roitt, Brostoff und Male.) Fc
sekundäre
Spaltstellen pFc'
das Allergen die IgE-Antikörper quervernetzt. Für IgD gibt es möglich, weil die Effektorzellen im Verlauf ihrer Differenzierung
keine Fc-Rezeptoren. Über die Bindung an ihre Fc-Rezeptoren das Expressionsmuster der Adhäsionsmoleküle und Chemokin-
vermitteln die Antikörper ihre Effektorfunktionen wie Degra- rezeptoren auf ihrer Oberfläche ändern. Sie können jetzt, gelei-
nulierung von Mastzellen, NK-Zellen, eosinophilen, basophilen tet durch die entzündungsspezifische Expression von vaskulären
und (bei nicht phagocytierbaren Erregern) neutrophilen Gra- Adhäsionsmolekülen und Chemokinen, dorthin gelangen, wo sie
nulocyten, Phagocytose von Immunkomplexen und intrazel- gebraucht werden. Die Veränderungen des Endothels der lokalen
luläre Abtötung der Erreger durch neutrophile Granulocyten, Blutgefäße in Entzündungsgebieten beruhen auf den von Granu-
Makrophagen und dendritische Zellen und Aktivierung oder locyten, Makrophagen und anderen Immunzellen freigesetzten
Hemmung von Immunzellen. Cytokinen und Chemokinen. Wie reguliert das Homing der Ef-
fektorlymphocyten abläuft, zeigt . Tab. 5.6, wo aus Gründen der
Übersicht nur die Veränderungen der Adhäsionsmoleküle auf
5.3 Effektorzellen der adaptiven der Oberfläche von Effektorlymphocyten im Vergleich zu naiven
Immunantwort bekämpfen Pathogene Lymphocyten dargestellt sind. Die molekularen Mechanismen
im Gewebe der Extravasation sind in ▶ Kap. 7 beschrieben.
Lymphocyt Zielgewebe Adhäsionsmoleküle auf den Liganden auf der Oberfläche der Lymphocyten
2 Endothelzellen der HEV Kontakt – Rollen – Bindung – Diapedese
7 CHO: Kohlenhydratrest
Naive T- und B-Zellen (fette Schrift), die in die peripheren Lymphknoten wandern, exprimieren sehr stark das Adhäsionsmolekül L-Selektin auf ihrer
Oberfläche. Sie sind dadurch in der Lage, mit ihrem Liganden, dem peripheren Lymphknoten-Addressin (peripheral lymph node addressin; PNAd),
8 zu interagieren. PNAd wird als vaskuläres Addressin auf den HEV der peripheren Lymphknoten exprimiert. Die naiven Lymphocyten rollen über die
Gefäßwand und werden langsamer. Sie können jetzt durch Chemokine, die auf der Oberfläche der HEV immobilisiert vorliegen, aktiviert werden. Dies
führt zu einer Konformationsänderung des Integrins LFA-1 auf der Oberfläche der Lymphocyten, die jetzt an ICAMs binden. Naive Lymphocyten (fette
9 Schrift), die in die lymphatischen Gewebe der Dünndarm-Mucosa (Peyer-Plaques) wandern, exprimieren auf ihrer Oberfläche L-Selektin nur schwach.
Sie binden über L-Selektin an Zuckerketten, die das vaskuläre Addressin MAdCAM-1 modifizieren. Diese Interaktion leitet das Rollen ein. Abgebremst
werden die naiven Lymphocyten durch das Integrin α4:β7, das direkt an MAdCAM-1 auf den Endothelzellen bindet. Nach Aktivierung durch Chemo-
10 kine kommt es auch hier zu einer aktivierungsabhängigen Bindung an das Endothel, die über α4:β7-Integrin/MAdCAM-1- und LFA-1/ICAM-1-Interak-
tionen erfolgt. Die naiven Lymphocyten können jetzt zwischen den Endothelzellen in das unterliegende Gewebe wandern. Effektorzellen (magere
Schrift) haben ein anderes Expressionsmuster an Adhäsionsmolekülen und Chemokinrezeptoren. Effektorlymphocyten, die nach Antigenkontakt in
11 den Lymphkoten entstanden sind, verlieren L-Selektin und exprimieren stattdessen das cutane lymphocytenassoziierte Antigen (cutane lymphocyte
antigen; CLA) und α4:β1-Integrin. Diese Adhäsionsmoleküle interagieren mit vaskulärem E-Selektin und VCAM-1, die im Rahmen von Entzündungen
auf Endothelzellen der Haut exprimiert werden. Dadurch sind die Zellen in der Lage, in die infizierte Haut einzuwandern. Effektorzellen, die in den
12 Peyer-Plaques generiert wurden, exprimieren kein L-Selektin mehr, regulieren aber α4:β7-Integrin hoch. α4:β7-Integrin interagiert mit MAdCAM-1 der
Lamina propria und ermöglicht es den Zellen, direkt in die infizierte Schleimhaut einzuwandern. (Verändert nach Butcher et al.)
13
tere Chemokine, Cytokine und Wachstumsfaktoren abzugeben. Im Gewebe suchen die T-Helfer-Effektorzellen ihre Zielzel-
14 Diese steigern die Produktion von Leukocyten des angeborenen len, die antigenpräsentierenden Zellen (APC), auf. Dies erfolgt
Immunsystems im Knochenmark und rekrutieren sie zum Ent- mithilfe von lokalen entzündungsspezifischen Chemokinen. Der
15 zündungsort. IL-22 und IL-26 wirken ausschließlich auf Gewe- erste Kontakt mit den APC erfolgt wieder über Adhäsionsmole-
bezellen, vor allem der äußeren Körperbarriere (Haut, Niere, küle, von denen die Effektorzellen jedoch wesentlich mehr expri-
Verdauungs- und Respirationstrakt). Vor allem IL-22 fördert die mieren als naive T-Zellen. Das ermöglicht ihnen auch mit Zellen
16 Abwehr von Mikroorganismen, den Schutz vor Gewebezerstö- zu interagieren, die arm an kontaktaufnehmenden Molekülen
rung, die Reorganisation des Gewebes und die Enddifferenzie- sind. Nach Erkennung des präsentierten Antigens auf den APC
17 rung von Keratinocyten (. Abb. 5.12). kommt es zur Ausbildung einer immunologischen Synapse und
Den TH17-Zellen folgen im weiteren Verlauf der Immunre- zur Freisetzung von Cytokinen. Weitere Signale werden nicht
aktion die anderen T-Effektor-Subpopulationen und noch etwas mehr benötigt. Cytokine sind die Waffen der T-Helferzellen.
18 später die Plasmazellen. Wenn es sich um Infektionen mit Vi- Mit ihrer Hilfe steuern und koordinieren sie die Immunantwort.
ren, intrazellulär lebenden Bakterien oder Einzellern handelt, Cytokine wirken unmittelbar dort, wo sie gebildet werden, und
19 sind es vornehmlich TH1-Zellen, cytotoxische T-Zellen und aktivieren andere Immunzellen. Sie wirken aber auch über weite
IgG-produzierende Plasmazellen. Bei Infektionen mit großen Entfernungen, sogar bis ins Knochenmark und steigern dort den
20 Parasiten wie zum Beispiel Würmern oder bei allergischen Re- Nachschub an Leukocyten.
aktionen dominieren TH2-Zellen und Plasmazellen, die einen TH1-Zellen sezernieren eine Reihe von Cytokinen, die für
Isotypwechsel zu IgG, IgA, vor allem aber zu IgE durchlaufen die Koordination der zellvermittelten Immunantwort essenziell
21 haben. Einige T-Effektorzellen verbleiben im lymphatischen sind, wie IFN-γ, IL-2, IL-3, TNF-α und GM-CSF. Das wichtigste
Gewebe, um die B-Zell-Differenzierung voranzutreiben. Dies Cytokin ist IFN-γ. Es steigert zusammen mit IL-2 oder in Syn
22 gilt auch für einige der Plasmazellen, die in den peripheren ergismus mit TNF-α die Cytoxizität von CD8+-T-Zellen und
lymphatischen Organen Antikörper sezernieren, die dann über NK-Zellen und veranlasst diese Leukocyten, selbst Cytokine wie
die efferente Lymphe ins Blut gelangen. Eine Subpopulation von IFN-γ, TNF-α und im Fall der CD8+-Zellen auch IL-17 abzuge-
23 Plasmazellen wandert ins Knochenmark, wo sie sich unter dem ben. IFN-γ führt zu einer verstärkten Expression von MHC-Klas-
Einfluss des Mikromilieus des Knochenmarks zu langlebigen se-I-Molekülen auf virusinfizierten Zellen und fördert somit ihre
Plasmazellen differenzieren. Abtötung durch cytotoxische T-Zellen. IFN-γ steigert die Ex-
5.3 • Effektorzellen der adaptiven Immunantwort bekämpfen Pathogene im Gewebe
83 5
1 DC
IL-22 Gewebezellen der äußeren Körperbarriere
3
IFN-γ, aktivierte
4 IL-2, IL-3, Lymphotoxin, GM-CSF, Chemokine B-Zelle
5
CTL NK-Zelle
6 Cytokine, Granulocyt Plasmazelle
Cytokine, Cytokine, Chemokine,
IFN-γ, IL-17 IFN-γ und andere
7 Faktoren
Chemokine
Tod: Tod:
8 Granula,
FAS/FASL
Granula,
FAS/FASL
Makrophage Granulocyt IgG
9 Tötung virusinfizierter Zellen aktivierter Makrophage zer- verstärkte Phagocytose Opsonisierung,
und Tumorzellen durch stört intrazelluläre Parasiten von Immunkomplexen Komplement-
10 Induktion der Apoptose (Viren, Bakterien) und Bakterien aktivierung
.. Abb. 5.13 TH1-Zellen: Koordination der zellvermittelten Immunantwort gegen intrazelluläre Pathogene. TH1-Zellen steuern die Immunantwort gegen in-
11 trazellulär lebende Viren und Bakterien, z. B. Mycobacterium tuberculosis. Das wichtigste von ihnen freigesetzte Cytokin ist IFN-γ. Es regt zusammen mit anderen
von der TH1-Zelle gebildeten Cytokinen CD8+-T-Zellen (CTL) und NK-Zellen zur gesteigerten Cytotoxizität und Cytokinproduktion an, ermöglicht Makrophagen
die Abtötung von intrazellulären Bakterien, verstärkt bei Granulocyten die Phagocytose von Immunkomplexen und aktiviert antigenspezifische B-Zellen zum
12 Klassenwechsel nach IgG
13 Granula. IgA gelangt mithilfe von Transportproteinen durch werden. Die verschiedenen Chemokine wirken jeweils auf andere
die Epithelzellen auf die Oberfläche der Mucosa und verhindert Immunzellen und verstärken entweder die TH1-vermittelte oder
14 durch die Bindung der Erreger deren Zutritt in den Körper. IL-4 TH2-vermittelte Immunantwort. Auch Hormone modulieren Im-
fördert aber auch die Generierung weiterer TH2-Zellen in den munreaktionen, worauf in ▶ Kap. 15 genauer eingegangen wird.
15 peripheren lymphatischen Organen. IL-9 und IL-13 aktivieren
die Epithelzellen der Schleimhäute zur Chemokinproduktion
und zur vermehrten Schleimproduktion. Die Chemokine lo- 5.4 Die Beendigung der Immunreaktion
16 cken weitere TH2-Zellen und Eosinophile an. Auch Mastzellen,
eosinophile und basophile Granulocyten setzen Cytokine und Fast alle Infektionen werden schließlich vom adaptiven Immun-
17 Wachstumsfaktoren frei, die den Effekt verstärken. Sie führen system beseitigt. Nach Beendigung der Infektion gehen die meis-
auch zu einer weiteren Aktivierung der TH2-Zellen. ten pathogenspezifischen Effektorzellen zugrunde. Wie dies im
Einzelnen geschieht und welche Mechanismen dabei ablaufen, ist
18 bis jetzt weitgehend unbekannt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass
Die Subpopulationen der T-Helferzellen fehlende Überlebenssignale eine wichtige Rolle spielen. Sind alle
19 beeinflussen sich gegenseitig Pathogene eliminiert, bekommen die Effektorzellen des angebo-
renen und adaptiven Immunsystems keine Reize mehr. Die Cy-
20 Immunreaktionen sind komplex und die daran beteiligten Im- tokin- und Chemokinproduktion wird eingestellt. Eine zentrale
munzellen und deren Produkte beeinflussen sich und verstärken Rolle in diesem Prozess spielen die sogenannten SOCS-Proteine
die Polarisierung der Immunantwort. So blockieren die TH1- und (suppressors of cytokine signaling), die cytokininduzierte Signal
21 TH2-Cytokine die Bildung von TH17-Zellen. TH2-Zellen unter- transduktionswege blockieren. Es werden keine neuen Effektor-
drücken über IL-4 und IL-10 die TH1-Antwort, während IFN-γ zellen mehr gebildet, rekrutiert und aktiviert. Effektorlymphocy-
22 die TH2-Antwort supprimiert. IL-21 und IL-6 (beim Menschen ten exprimieren im Verlauf einer Immunreaktion vermehrt das
zusätzlich IL-1β), die zusammen mit TGF-β für die Differenzie- inhibitorische Molekül CTLA-4, wodurch ihre Vermehrung und
rung von TH-17-Zellen verantwortlich sind, hemmen die Bildung Cytokinfreisetzung gestoppt, zumindest aber herunterreguliert
23 von iTreg (▶ Kap. 7). Chemokine unterstützen diesen Prozess. wird. Finden T-Effektorzellen am Ende einer Immunantwort
Werden Makrophagen durch IFN-γ aktiviert, produzieren sie keine MHC-Molekül-Peptid-Komplexe mehr, an die sie binden
ein anderes Chemokinmuster, als wenn sie durch IL-4 stimuliert können, treten sie aufgrund ausbleibender Signale in die Apop-
5.5 • Das immunologische Gedächtnis und die sekundäre Immunantwort
85 5
IL-13
IL-4, IL-5
TH2
IL-4,
IL-3, IL-5, IL-6, IL-9, IL-10, IL-13, GM-CSF, Chemokine aktivierte
B-Zelle
mehrzelliger IgE
Parasit IgA
(Wurm) IgG
extrazelluläre
Zerstörung
.. Abb. 5.14 TH2-Zellen: Koordination der humoralen Immunantwort gegen mehrzellige Parasiten. TH2-Zellen koordinieren die Immunantwort gegen
Würmer. In den Industrieländern spielen sie eine maßgebliche Rolle bei der Auslösung der Allergie vom Soforttyp. Die wichtigsten, von TH2-Zellen ausgeschüt-
teten Cytokine sind IL-4, IL-5 und IL-13. IL-4, IL-5, IL-10 und IL-13 bewirken in antigenaktivierten B-Zellen den Klassenwechsel zu IgE oder IgA. IL-4 fördert die
Bildung weiterer TH2-Zellen. Die Cytokine IL-3 und IL-5 steigern die Produktion, Rekrutierung und Aktivierung von eosinophilen und basophilen Granulocyten.
IL-9 aktiviert Epithelzellen zur vermehrten Schleimproduktion und Mastzellen zur Freisetzung von Histaminen und anderen Entzündungsmediatoren. IL-13
ist wichtig für die Reorganisation des Gewebes. Die mehrzelligen Parasiten werden zerstört, wenn Mastzellen, eosinophile und basophile Granulocyten über
IgE-Antikörper – die gebunden an Fcε-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche vorkommen – an Epitope auf der Körperhülle des Parasiten binden und degranulieren.
Auch Granulocyten und NK-Zellen können degranulieren und den Vorgang unterstützen, wenn sie mit ihren Fcγ-Rezeptoren an IgG-Antikörper binden, die
(im Gegensatz zu IgE!) den Parasiten opsonisieren
tose ein. Cytotoxische T-Zellen, die sowohl den Todesrezeptor Proliferation und die Kollagensynthese durch die Fibroblasten.
Fas (CD95) als auch seinen Liganden FasL auf ihrer Oberfläche Von den Wundrändern aus bauen sich Kollagenfasern entlang
tragen, interagieren aufgrund mangelnder Zielzellen immer öf- des gebildeten Fibrinnetzes auf und bilden neues Bindegewebe.
ter miteinander und töten sich gegenseitig durch Auslösen des Für uns ist die Infektion damit abgeschlossen. Die Wunden sind
programmierten Zelltods. Apoptotische Zellen werden aufgrund verheilt. Doch unser Immunsystem hat eine weitere faszinierende
ihrer veränderten Zellmembran (Strukturen der Innenseite wie Eigenschaft, es kann den Erreger beziehungsweise dessen Gifte
Phosphatidylserin gelangen nach außen) schließlich von Mak- in Erinnerung behalten.
rophagen und anderen Phagocyten erkannt und beseitigt. Ma-
krophagen, γ:δ-T-Zellen, TH2-Zellen, Fibroblasten, Epithel- und
Endothelzellen beginnen dann mit den Aufbauarbeiten. Sie bil- 5.5 Das immunologische Gedächtnis
den eine Reihe von Wachstumsfaktoren, die der Gewebebildung und die sekundäre Immunantwort
und der Wundheilung dienen. Dazu gehören GM-CSF, TGF-β
(transforming growth factor), FGF (fibroblast-growth factor), Neben der Bildung von Effektorlymphocyten werden bei jeder
IL-10, IL-13, VEGF (vascular endothelial growth factor), PDGF spezifischen Immunreaktion auch Gedächtniszellen (memory
(platelet-derived growth factor). Es kommt zur Neubildung von cells) gebildet. B-Gedächtniszellen liegen ungefähr vier Wochen
Blutgefäßen, die das Gewebe im Bereich der Wunden durchblu- nach Auslösung einer primären Immunreaktion in ihrer maxi-
ten und mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Fibroblasten malen Konzentration vor und ihre Zahl bleibt über Jahre relativ
vor Ort werden stimuliert, vermehren sich und füllen den Wund- konstant. T-Gedächtniszellen treten etwas früher auf, ihre Zahl
defekt aus. Gleichzeitig erfolgt der Abbau des Fibrinnetzes (Fi- ist zunächst sehr hoch, sinkt in den ersten sechs Monaten nach
brinolyse). TGF-β und IL-13 fördern die Fibroblastenmigration, Infektion wieder etwas ab und bleibt dann konstant. Ob sich die
86 Kapitel 5 • Die Immunantwort durch Lymphocyten
TEM
7
CCR7
TCM
8 Blut über
Ductus thoracicus
9 Lymph-
knoten CC
R 7 TCM wandern aus dem
Blut in die peripheren
TCM
lymphatischen Gewebe
10
11
12
Gedächtniszellen zusammen mit den Effektorzellen während ei-
ner primären Immunantwort bilden oder ob einige von ihnen
aus Effektorzellen hervorgehen, die der Apoptose entgangen
- Zum anderen gibt es B-Gedächtniszellen. Sie unterscheiden
sich von naiven B-Zellen durch die Isotypklassen des von
ihnen exprimierten BCR. Während naive B-Zellen mem-
sind, wird diskutiert. Gedächtniszellen reagieren bei wiederhol- branständiges IgM und IgD als BCR tragen, befinden sich
tem Kontakt mit dem gleichen Erreger schneller und mit höherer auf der Oberfläche der Gedächtniszellen IgG, IgA oder IgE,
13 Qualität, sodass die Erkrankung kein zweites Mal ausbricht oder je nachdem, ob und wenn ja, welcher Klassenwechsel bei
sehr viel schwächer abläuft. Diese Immunantworten werden als der Primärantwort stattgefunden hat. Es gibt auch einzelne
14 sekundäre Immunantworten bezeichnet. Auf den Gedächtnis- Berichte über IgM-tragende Gedächtniszellen. Der größte
zellen beruht unsere Immunität, die manchmal ein Leben lang Teil der B-Gedächtniszellen exprimiert jedoch IgG. Da in
15 anhält. Die Fähigkeit unseres Immunsystems, ein Gedächtnis für den Körper eingedrungene Erreger immer in die lymphati-
Antigene zu entwickeln, macht man sich bei Impfungen zunutze schen Gewebe transportiert werden, lösen sie hier bei wie-
(▶ Kap. 8). Welche Eigenschaft haben Gedächtniszellen und wo derholtem Kontakt eine Sekundärantwort aus. Diese erfolgt
16 werden sekundäre Immunreaktionen ausgelöst? Dazu wollen wesentlich schneller und effektiver als die Primärantwort,
wir die B- und T-Gedächtniszellen getrennt betrachten. da die B-Gedächtniszellen schon vorbereitet („geprimt“)
17 sind. Sie exprimieren vermehrt MHC-Klasse-II-Moleküle,
wodurch die Antigenpräsentation gesteigert wird, und ver-
Das Gedächtnis der B-Zellen mehrt costimulierende Moleküle (CD80, CD86). Dies er-
18 leichtert die Interaktion mit Gedächtnis-T-Helferzellen und
Es gibt zwei Arten des immunologischen Schutzes durch B-Zel- ermöglicht dadurch eine schnelle Antikörperfreisetzung.
-
19 len: Da bei den meisten B-Gedächtniszellen die Immunglobu-
Zum einen existieren Plasmazellen, die unter anderem im linklasse zu IgG gewechselt hat, werden sofort die hochaf-
20 Knochenmark Überlebenssignale erhalten und dadurch finen IgG-Antikörper gebildet. Ebenfalls nachweisbar sind
sehr langlebig sind. Sie produzieren ständig hochaffine IgE und IgA, aber nur sehr geringe Mengen an IgM. Die
Antikörper, die ins Blut und in die Gewebe gelangen. Diese aus den Gedächtniszellen hervorgegangenen Plasmazellen
21 sorgen für einen dauerhaften spezifischen Antikörpertiter sowie die von ihnen sezernierten Antikörper gelangen über
im Blut gegen den Krankheitserreger beziehungsweise die efferente Lymphe ins Blut und von dort in die Gewebe.
22 Impfstoff. Bei einer erneuten Infektion mit einem aus der Jeder weitere Kontakt mit dem gleichen Erreger führt zu ei-
Sicht des Immunsystems bekannten Erreger, wird dieser ner Verstärkung der Reaktion (▶ Kap. 8). B-Gedächtniszel-
sofort von den vorhandenen Antikörpern neutralisiert len sind langlebiger als Plasmazellen, sodass noch Gedächt-
23 und opsonisiert und durch das angeborene Immunsystem niszellen vorhanden sein können, wenn keine spezifischen
eliminiert. In der Regel ist damit die Infektion beendet. Antikörper mehr nachweisbar sind.
Literatur
87 5
Das Gedächtnis der T-Zellen Di Cesare A, Di Meglio P, Nestle FO (2009) The IL23/Th17 axis in the immunopa-
thogenesis of psoriasis. J Invest Dermatol 129:1339–1350
Deenick EK, Tangye SG (2007) Autoimmunity: IL-21: a new player in Th17-cell
Innerhalb der Population der CD4+- und CD8+-T-Gedächtnis- differentiation. Immunol Cell Biol 85:503–505
zellen gibt es verschiedene Untergruppen, die anhand der von Dübel S, Rohrbach P, Schmiedl A (2004) Werkzeuge gegen Krebs, Infektionen
ihnen exprimierten Chemokinrezeptoren und Homing-Moleküle und Autoimmunerkrankungen? Rekombinante Antikörper. Biol Unserer
sowie anhand der sezernierten Cytokine unterschieden werden Zeit 6:372–379
Grakoui A, Bromley SK, Sumen C, Davis MM, Shaw AS, Allen PM, Dustin ML
können (. Abb. 5.15).
(1999) The immunological synapse: A molecular machine controlling T cell
Zum einen gibt es die effector memory-Zellen (TEM). Sie activation. Science 285:221–227
exprimieren kein CCR7 und kein L-Selektin und können somit Greenhalgh CJ, Hilton DJ (2001) Negative regulation of cytokine signaling. J
nicht in die sekundären lymphatischen Organe einwandern. Leukoc Biol 70:348–356
Stattdessen tragen sie andere Homing-Moleküle (zum Beispiel Harrington LE, Hatton RD, Mangan PR et al (2005) Interleukin 17-producing
CD4+ effector T cells develop via a lineage distinct from the T helper type
α4:β1-Integrin) und Chemokinrezeptoren für entzündungsspezi-
1 and 2 lineages. Nature Immunol 6:1123–1132
fische Chemokine auf ihrer Oberfläche. TEM patrouillieren zwi- Hasan U, Chaffois C, Gaillard C, Saulnier V, Merck E, Tancredi S, Guiet C, Brière F,
schen Blut und Gewebe. Kommt es zu einer erneuten Infektion Vlach J, Lebecque S, Trinchieri G, Bates EE (2005) Human TLR10 is a functi-
mit dem gleichen Antigen, können sie sofort vor Ort reagieren onal receptor, expressed by B cells and plasmacytoid dendritic cells, which
und eine Immunantwort einleiten, die sie durch die Ausschüt- activates gene transcription through MyD88. J Immunol 174:2942–2950
Laouar A, Manocha M, Haridas V, Manjunath N (2008) Concurrent generation
tung von Cytokinen (IFN-γ, IL-4 und IL-5) steuern. TEM sind
of effector and central memory CD8 T cells during vaccinia virus infection.
dafür verantwortlich, dass die Sekundärreaktion schneller anläuft PLoS ONE 3(12):e4089
als die Primärreaktion anlief. Murphy K, Travers P, Walport M (2009) Janeway Immunologie, 7. Aufl. Spektrum
Die andere Untergruppe sind die central memory-T-Zellen Akademischer Verlag, Heidelberg
(TCM). Sie exprimieren auf ihrer Oberfläche CCR7 und L-Selektin Nurieva R, Yang XO, Martinez G, Zhang Y, Panopoulos AD, Ma L et al (2007)
Essential autocrine regulation by IL-21 in the generation of inflammatory
und sezernieren IL-2, aber kein IFN-γ oder IL-4. Sie patrouillie-
T cells. Nature 448:480–483
ren zwischen Blut und peripheren lymphatischen Geweben, um Roitt I, Brostoff I, Male D (2001) Immunology, 6. Aufl. Mosby, London
zu überprüfen, ob der Erreger erneut in den Körper gelangt ist. Okada R, Kondo T, Matsuki F, Takata H, Takiguchi M (2008) Phenotypical classifi-
Sie reagieren im peripheren lymphatischen Gewebe wesentlich cation of human CD4+ T cell subsets and their differentiation. Int Immunol
empfindlicher auf präsentierte Antigene als naive T-Zellen, proli- 20:1189–1199
Sallustro F, Langencamp A, Geginat J, Lanzavecchia A (2000) Functional sub-
ferieren und differenzieren sich schnell zu Effektorlymphocyten,
sets of memory T cells identified by CCR7 expression. Curr Top Microbiol
indem sie die costimulierenden Moleküle und die Cytokinpro- Immunol 251:167–171
duktion hochregulieren. Diese Zellen wandern jetzt in die Ge- Veldhoen M, Hocking RJ, Atkins CJ, Locksley RM, Stockinger B (2006) TGF-beta
webe ein, wo sie TH1- oder TH2-Hilfe leisten. Eine Subpopulation in the context of an inflammatory cytokine milieu supports de novo diffe-
der TCM exprimiert anstatt CCR7 den Chemokinrezeptor CXCR5. rentiation of IL-17 producing T cells. Immunity 24:179–189
Abbildung 5.7: RCSB Protein Data Bank (http://www.pdb.org) (PDB-ID 1IGY)
Sie tragen große Mengen an CD40L auf ihrer Oberfläche und
Harris LJ, Skaletsky E, McPherson A (1998) Crystallographic structure of an
leisten den B-Gedächtniszellen in den Sekundärfollikeln T-Zell- intact IgG1 monoclonal antibody. J Mol Bio 275: 861–872
Hilfe. Die Aktivierung von CD8+-T-Gedächtniszellen bedarf, wie
schon ihre Bildung, der Hilfe von CD4+-T-Gedächtniszellen. Die
TCM sind dafür verantwortlich, dass die Sekundärreaktion stärker
ausfällt als die Primärreaktion.
Immunologische Sekundärantworten setzen sofort bei wie-
derholtem Erregerkontakt ein, da Gedächtniszellen, insbeson-
dere die TEM, sofort in das infizierte Gewebe einwandern und
eine Immunantwort auslösen. In den peripheren lymphatischen
Organen werden durch das Wirken der TCM zügig cytotoxische
T-Zellen und hochaffine antikörperproduzierende Plasmazellen
bereitgestellt. Die Erforschung und genaue Kenntnis der Mecha-
nismen, die dem immunologischen Gedächtnis zugrunde liegen,
sind von essenzieller Bedeutung für die Entwicklung neuer Impf-
stoffe zum Beispiel gegen HIV (▶ Kap. 8).
Literatur
Molekulare Immunologie
Hajo Haase
In diesem Kapitel wollen wir die molekularen Grundlagen der lysieren, werden Kinasen genannt. Interessanterweise werden
1 Signalweiterleitung in Leukocyten und die genetische Grundlage viele Kinasen selbst durch eine oder mehrere Phosphorylierun-
der Vielfalt von Antikörpern und T-Zell-Rezeptoren besprechen. gen in ihrer Aktivität reguliert, sodass sich ganze Kaskaden von
2 Kinasen bilden, die sich nacheinander phosphorylieren und da-
durch Signale weiterleiten. Um die Signale zu beenden, gibt es
6.1 Signaltransduktion in Immunzellen eine andere Gruppe von Enzymen, die Proteinphosphatasen.
3 Sie spalten die Phosphatgruppe wieder ab und versetzen das
Grundprinzipien der Signaltransduktion Protein in seinen Ausgangszustand. Während Kinasen meistens
4 eine hohe Substratspezifität haben, d. h. nur sehr klar definierte
Die Zellen des Immunsystems kommunizieren untereinander Zielsequenzen phosphorylieren, ist die Substratspezifität der Pro-
5 durch verschiedene Mechanismen. Dazu gehören Cytokinsig- teinphosphatasen weniger eng, und sie können eine größere Zahl
nale, Antigenpräsentation und Wechselwirkungen zwischen unterschiedlicher Proteine dephosphorylieren. Zusätzlich gibt es
ihren Oberflächenmolekülen. Zusätzlich sind einige Zellen in meist mehrere Proteinphosphatasen, die das gleiche Substrat ha-
6 der Lage, Pathogenbestandteile direkt zu erkennen. Ständig tref- ben und sich gegenseitig ersetzen können. Anfangs ist man des-
fen viele Reize auf der Zelloberfläche ein, und die Zelle muss sie halb davon ausgegangen, dass Phosphorylierungssignale einzig
7 wahrnehmen, gegeneinander abwägen und am Ende eine Re- durch Kinasen übermittelt würden und die Proteinphosphatasen
aktion zeigen, die der Gesamtsituation angemessen ist. Damit einfach nur dazu da wären, das Signal der Kinasen nach einer
die Zelle ihr Verhalten anpassen kann, müssen all diese Reize gewissen Zeit automatisch wieder abzuschalten. Allerdings ist
8 aufgenommen und im Inneren verarbeitet werden. Dies ist die die katalytische Phosphataseaktivität in der Zelle tausendfach
Aufgabe der Signaltransduktion. Dafür greift das Immunsystem höher als die der Kinasen, sodass ohne eine Regulation der
9 auf molekulare Mechanismen zurück, die auch für die Steuerung Phosphataseaktivität die Phosphorylierungssignale sehr schnell
bei allen anderen Zellen des Körpers verwendet werden. Eine beendet wären. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Aktivität
10 umfassende Diskussion der Signaltransduktion würde den Rah- von Phosphatasen zu regulieren. Sie können durch Andocken an
men dieses Buches bei Weitem sprengen, daher sollen im Folgen- Bindungsmotive in bestimmten Regionen der Zelle angereichert
den nur einige Grundprinzipien eingeführt werden und danach werden, entweder um sie gezielt in die Nähe ihrer Substrate zu
11 am Beispiel eines wichtigen Signalsystems, dem T-Zell-Rezeptor, bringen oder sie davon fernzuhalten. Ihre Aktivität kann, wie die
ausgewählte Mechanismen der Signaltransduktion verdeutlicht der Kinasen, durch Phosphorylierung reguliert werden. Außer-
12 werden. In ▶ Kap. 7 wird darüber hinaus kurz auf die Signalüber- dem können die Proteintyrosinphosphatasen durch die Bindung
tragung durch Cytokinrezeptoren eingegangen. des Second Messengers Zink inhibiert werden und haben ein
Die Wahrnehmung extrazellulärer Nachrichten erfolgt durch katalytisch aktives Cystein, das durch Oxidation des Schwefela-
13 Rezeptorproteine oder kurz Rezeptoren. Diese befinden sich toms reversibel inaktiviert werden kann. Während man früher
meistens auf der Plasmamembran. An ihren extrazellulären Teil allgemein von „oxidativem Stress“ gesprochen hat, bedeutete die-
14 binden die durch sie wahrgenommenen Botenstoffe, die soge- ser Begriff, dass jede Form von reaktiven Sauerstoffspezies eine
nannten Liganden. Die Bindung führt zu Veränderungen im unerwünschte Belastung für die Zellen darstellt. Heute weiß man,
15 intrazellulären Teil des Rezeptors. Im Zellinnern wird das Signal dass reaktive Sauerstoffspezies kontrolliert in der Zelle freigesetzt
weitergegeben, wobei es zur Aktivierung von Kaskaden nachei- werden, wo sie an der Signaltransduktion beteiligt sind.
nander aktivierter Signalproteine kommt. Neben der Phosphorylierung gibt es auch noch andere Re-
16 Eine Möglichkeit, Informationen innerhalb einer Zelle zu gulationsmechanismen, wie die Ubiquitinierung. Hierbei wird
transportieren, sind sekundäre Botenstoffe oder auch Second das 76 Aminosäuren große Protein Ubiquitin kovalent über eine
17 Messenger (. Abb. 6.1). Dies sind relativ kleine Moleküle, die in seiner Lysinseitenketten an das Zielprotein gebunden, häufig in
der Zelle nach Stimulation eines Rezeptors gebildet oder freige- Form von Polyubiquitinketten, also mehreren miteinander ver-
setzt werden. Durch die Veränderung ihrer Konzentration wird knüpften Ubiquitinen. Dieser Mechanismus ist zum einen wich-
18 eine biologische Information übertragen. Dabei kann es sich um tig bei der Kennzeichnung von Proteinen, die durch das Pro-
so einfache Strukturen wie Ca2+- und Zn2+-Ionen handeln, die aus teasom abgebaut werden sollen, wobei auch die Peptidantigene
19 membranumschlossenen Kompartimenten im Zellinnern frei- zur Präsentation auf MHC-I-Molekülen entstehen (▶ Kap. 4).
gesetzt werden oder von außen in die Zelle einströmen. Es gibt Hierbei werden zur Verknüpfung meist die Lysine 11 und 48
20 aber auch 3′,-5′-cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP), das verwendet. Im Gegensatz dazu dienen über Lysin 63 verbundene
durch eine enzymatische Reaktion aus dem Energieträger ATP Polyubiquitine als Steuerungselemente in Signalwegen, wie dem,
gebildet wird, oder Signale, die durch Inositolphosphate oder der zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB (nuclear fac-
21 Stickstoffmonoxid transportiert werden. tor kappa-light-chain-enhancer of activated B cells) führt.
Ein weit verbreiteter Mechanismus ist die Phosphorylierung. Ein wichtiges Prinzip ist die Signalverstärkung. Wenn ein
22 Dies ist die reversible kovalente Bindung von Phosphatgruppen einzelner Ligand an seinen Rezeptor bindet, kann dies zur Frei-
an Tyrosin-, Serin- oder Threoninseitenketten in Proteinen. Sie setzung vieler identischer Second Messenger führen. Ist eine
führt zu einer Veränderung in den Eigenschaften des phospho- Kinase einmal aktiviert, kann sie nicht nur ein Zielprotein phos-
23 rylierten Proteins. Die Phosphorylierung erfolgt durch die Über- phorylieren, sondern den Vorgang mehrmals hintereinander
tragung einer Phosphatgruppe vom ATP auf die −OH-Gruppen wiederholen. Dadurch wird das Signal auf jeder Stufe nicht nur
der drei Aminosäuren. Die Enzyme, die diesen Vorgang kata- linear, sondern exponentiell verstärkt. Es kann darüber hinaus
6.1 • Signaltransduktion in Immunzellen
91 6
auch mehrere Zielproteine für eine Kinase geben, sodass die Si-
gnalwege sich verzweigen. L
Wie eingangs erwähnt, treffen üblicherweise mehrere Signale R R
gleichzeitig auf der Zelloberfläche ein. Dann ist es notwendig,
dass die ausgelösten Wege untereinander in Wechselwirkung Plasmamembran
treten, es kommt zum sogenannten Cross-Talk. Dadurch ent-
steht eine einheitliche Reaktion der Zelle, die entweder allen
eintreffenden Signalen gerecht wird oder die Signale gegenei- K1
nander abwägt und einigen Priorität einräumt. Daher kann es
P
sein, dass ein Signalweg einen anderen abschaltet, sodass trotz K2 K2
hoher extrazellulärer Konzentration eines Liganden kein Signal
K5 K5 P
mehr im Zellkern ankommt. Zum Beispiel sorgt die Aktivierung K3 K3
einer naiven T-Helferzelle durch das TH2-Cytokin IL-4 dafür,
P P
dass die β-Kette des Rezeptors für das TH1-Cytokin IL-12 und P K4 K4
P1 P1 K6 K6
das zugehörige Signalprotein STAT4 herunterreguliert werden,
sodass die Zelle keine zu TH1 polarisierenden IL-12-Signale mehr P P P
wahrnehmen kann. T1 T1 T2 T2 T3 T3
Nachdem eine Reihe von wichtigen Mechanismen in der Sig-
naltransduktion aufgeklärt waren, begann man festzustellen, dass
nicht nur die Bildung von Second Messengern oder Proteinen
und deren Phosphorylierung für Signale ausschlaggebend war, P P
T1 T2 T3
sondern auch deren Aufenthaltsort innerhalb der Zelle. Erst die
Ausbildung von Komplexen aus mehreren miteinander interagie-
renden Proteinen ermöglicht es, dass sie ihre Signale untereinan- inaktives Protein L = Ligand
der weitergeben können. In der Plasmamembran existieren Be- aktives Protein R = Rezeptor
reiche, die lipid rafts genannt werden. In diesen Mikrodomänen inaktiver 2nd-Messenger K = Kinase
von geringer Membranfluidität, die wie Flöße in der Membran aktiver 2nd-Messenger P = Proteinphosphatase
schwimmen, können sich Signalproteine anreichern und befin- P Phosphatgruppe T = Transkriptionsfaktor
den sich dadurch in ausreichender Zahl nahe beieinander, um Aktivierung Translokation
zusammen Signale auszulösen.
Intrazellulär gibt es eine Reihe von Proteinen, deren Funk- .. Abb. 6.1 Allgemeines Schema der intrazellulären Signalweiterleitung.
tion es ist, als Gerüst zu wirken und interagierende Proteine zu- Nach Bindung eines Liganden an seinen Rezeptor auf der Zelloberfläche leitet
sammenzubringen. Außerdem wurden in den Kinasen der Src dieser die Information über seinen intrazellulären Teil weiter, was zur Akti-
Familie sogenannte SH2-Domänen (Src-homologe Domäne 2) vierung mehrerer Signalkaskaden führt. Hierbei werden Second Messenger
gebildet und Kinasen oder Phosphatasen von Second Messengern oder durch
beschrieben, die nur an bestimmte Peptidsequenzen in Proteinen
Phosphorylierung in ihrer Aktivität reguliert. Am Ende kommt es zur Regulati-
binden, wenn ein darin enthaltener Tyrosinrest phosphoryliert on von Transkriptionsfaktoren, durch deren Bindung an die Promotorregionen
ist. Dadurch werden die Proteine mit SH2-Domänen in der Nähe von Zielgenen deren Expression verändert wird. Es existiert noch eine Reihe
von Phosphorylierungssignalen festgehalten. Heutzutage weiß weiterer Regulationsmechanismen, die hier nicht berücksichtigt sind
man, dass diese Domänen neben den Src-Kinasen auch in zahl-
reichen anderen Signalproteinen vorkommen. wesentlich daran beteiligt, zu steuern, wie lange eine mRNA stabil
In vielen Fällen führen die auf der Zelloberfläche eintreffen- bleibt, mit welcher Häufigkeit sie in Proteine umgeschrieben wird
den Signale zu einer Veränderung der Genexpression, indem sie und wie Vorläuferproteine in die biologisch wirksamen Formen
auf Transkriptionsfaktoren einwirken. Diese Proteine binden an umgewandelt werden. In den letzten Jahren ist die RNA-Interfe-
die DNA im Bereich des Promotors, einem Abschnitt, der die Ex- renz ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Hierbei wird in
pression eines Gens reguliert und am 5′-Ende des Bereichs liegt, der genomischen DNA codierte Information in RNA umgeschrie-
der in die Boten-RNA (mRNA, Messenger-RNA) umgeschrieben ben, die als microRNA an Komplementärsequenzen in mRNA
wird. Dabei wirken sie entweder aktivierend oder inaktivierend binden, die nicht in Protein umgeschrieben werden (die soge-
auf die Genexpression. Die Regulation der Aktivität von Tran- nannten 3′-untranslatierten Regionen). MicroRNA führen dabei
skriptionsfaktoren erfolgt durch ihre eigene Genexpression, durch den RISC(RNA-induced silencing complex)-Proteinkomplex an
Phosphorylierung, Oxidation, Bindung von Zinkionen oder die diese mRNA, der sie daraufhin abbaut. Ungefähr 700 microRNA
Interaktion mit anderen Proteinen. Manche Transkriptionsfakto- wurden bereits im menschlichen Genom entdeckt und mehr
ren können selbst als Rezeptoren wirken, wie die Rezeptoren für als 100 davon werden in Zellen des Immunsystems exprimiert.
Steroidhormone, indem ihre Liganden in die Zellen eindringen Die immunologische Bedeutung von microRNA und RISC
und einen Transkriptionsfaktor durch Bindung direkt aktivieren. ist übrigens nicht auf die Signaltransduktion von Immunzellen
Die Verarbeitung von Signalen endet keineswegs in dem Mo- beschränkt. Zahlreiche Viren speichern ihre genetische Informa-
ment, in dem die Transkription eines bestimmten Gens gestartet tion in Form von RNA. In Pflanzen und Insekten ist der Abbau
wurde. Eine Reihe von posttranskriptionalen Mechanismen ist viraler RNA durch microRNA/RISC ein wesentlicher Verteidi-
92 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie
Ca2+ Plasmamembran
α β
Plasmamembran B7
CD3δ
CD3γ
CD4
CD3ε
CD3ε
ζ ζ Ca2+
PLCγ ZAP-70
CD45
CD28
α β
IP3
DAG
CD3δ
CD3γ
Ca2+
CD3ε
CD3ε
Lck ζ ζ
PKC MAPK CaN
Priming ZAP-70
Initiali-
P sierung
Iκ B NF-κ B AP-1 NFAT
Uq
Uq
Antigenerkennung Aktivierung
Uq
Abbau Uq
.. Abb. 6.4 Kooperation zwischen T-Zell-Rezeptor und anderen Rezepto-
durch das P
ren. Der Kontakt des TCR mit einem passenden Antigen auf einem MHC-Kom-
Proteasom NF-κ B AP-1 NFAT
plex ist alleine nicht ausreichend, um eine naive T-Zelle zu aktivieren.
Zusätzlich bedarf es der Mitwirkung anderer Rezeptoren. Besonders wichtig
Kinase Ionenkanal sind die Corezeptoren CD4 (oder CD8), an deren intrazellulärer Domäne die
Phosphatase/Phospholipase P Phosphatgruppe Kinase Lck gebunden ist, die durch Phosphorylierung von ITAM-Sequenzen
Transkriptionsfaktor Uq Ubiquitin die Signalübertragung durch TCR/CD3 initiiert. Da die an einem bestimmten
Aktivierung Translokation Tyrosinrest phosphorylierte Lck in einer inaktiven Konformation vorliegt,
erfordert ihre Beteiligung an der Signaltransduktion, dass die Proteintyro-
sinphosphatase CD45 sie durch Dephosphorylierung in einen aktivierbaren
.. Abb. 6.3 Stark vereinfachte Darstellung der TCR-Signaltransduktion.
Zustand versetzt (priming). Die Signale des TCR würden alleine noch nicht für
Zur Weiterleitung seiner Signale verwendet der TCR-Komplex eine Reihe von
eine Aktivierung ausreichen, und die T-Zelle würde anerg, wenn ausschließ-
Signalwegen. ZAP-70 aktiviert die Phospholipase C (PLC), die Phospholipide
lich die Signale des TCR in ihrem Inneren eintreffen, durch die mitgeteilt wird,
in die Second Messenger Inositol-1,4,5-trisphosphat (IP3) und Diacylglycerin
dass ein passendes Antigen erkannt wurde. Daher ist zusätzlich noch die Ak-
(DAG) spaltet. Durch IP3 kommt es zur Aktivierung von Calciumsignalen (Ca2+)
tivierung von CD28 durch Kontakt mit B7-Molekülen auf der APC notwendig,
und dadurch der Phosphatase Calcineurin (CaN), die durch Dephosphorylie-
durch die bestätigt wird, dass es sich um ein gefährliches Antigen handelt
rung den Transkriptionsfaktor NFAT aktiviert. DAG aktiviert die Proteinkinase
C (PKC), die den Abbau des Inhibitorproteins IκB und dadurch die Wanderung
des Transkriptionsfaktors NFκB in den Kern auslöst. Weiterhin aktivieren von 6.2 Immungenetik
ZAP-70 ausgehende Signale mitogenaktivierte Proteinkinasen (MAPK) und
diese wiederum den Transkriptionsfaktor AP-1
Es galt lange Zeit als sicher, dass alle Zellen eines Körpers das
komplette Genom enthalten, das sich höchstens in einigen spon-
Auf naiven T-Zellen wird die Isoform CD45RA exprimiert, tanen Mutationen unterscheidet. Außerdem wurde angenom-
die aufgrund der Größe ihrer extrazellulären Domäne nur men, dass ein Gen jeweils die Information für genau ein Protein
schlecht mit dem TCR-Signalkomplex in Kontakt kommt. Durch codiert. Dies bedeutete ein Problem:
alternatives Spleißen (splicing) ist die extrazelluläre Domäne In ▶ Kap. 2 wurde bereits beschrieben, dass es eine große
der CD45R0, der auf T-Gedächtniszellen exprimierten Form, Vielfalt der B- und T-Zell-Rezeptoren gibt, jeweils mit Milliar-
deutlich kleiner. Dadurch hat die CD45 besseren Zugang zum den verschiedener Antigenspezifitäten. All diese verschiedenen
TCR-Komplex, sodass dessen Signale in diesen Zellen besser Rezeptoren im Genom zu codieren und jeweils nur einen davon
weitergeleitet werden. zu verwenden, würde weit mehr Information darstellen, als die
Ein weiterer wichtiger Mitspieler bei der Aktivierung von wenigen Zehntausend Gene, die darin gespeichert sind. Aller-
T-Zellen ist das CD28. Es bindet an die costimulierenden B7-Pro- dings zeigt die klonale Expansion, dass die Spezifitäten der An-
teine auf der Oberfläche der APC, mit denen die APC signalisie- tigenbindungsstellen von TCR und BCR an Tochterzellen vererbt
ren, dass das präsentierte Antigen von einem Pathogen stammt werden können. In den 1970er-Jahren zeigte Susumu Tonegawa,
und die Interaktion zu einer Aktivierung der T-Zelle führen der dafür 1987 den Nobelpreis erhielt, dass es bei der Bildung
soll. Durch CD28 werden in der T-Zelle zusätzliche Signalkas- von Antikörpern durch B-Zellen zu Umlagerungen der DNA
kaden ausgelöst. In erster Linie ist das der Phosphatidylinosi- kommt. Die Gene für einzelne Segmente, aus denen die variable
tol-3-Kinase/AKT-Weg, der zur Aktivierung des Transkriptions- Region des BCR zusammengesetzt wird, lagen in reifen B-Zellen
faktors NFκB beiträgt. Eine alleinige Aktivierung der Signale des dichter zusammen als zuvor. Dieser Prozess der somatischen
TCR führt zur Anergie der naiven T-Zelle. Nur wenn zusätzlich Rekombination tritt nur in T- und B-Zellen auf und trägt dazu
auch über CD28 signalisiert wird, kommt es zur Aktivierung der bei, dass aus relativ wenigen Genen eine fast unbegrenzte Anzahl
naiven T-Zelle, während einer Gedächtniszelle auch das einzelne von Rezeptoren entstehen kann.
TCR-Signal ausreicht.
94 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie
1 a Keimbahn-DNA
V1 V2 V3 V51 D1 D2 D3 D4 D27 J1 J2 J3 J4 J5 J6 Cµ Cδ
2 b rekombinierte DNA
V3 V51 D1 D2
V1 V2 D3 J5 J6 Cµ Cδ
3 D4 D27 J1 J2 J3 J4
c Primärtranskript wurden herausgeschnitten
4 V2 D3 J5 J6 Cµ Cδ
d mRNA
5 V2 D3 J5 Cµ J6 Cδ
wurden herausgeschnitten
6 e Protein
7
8
9
.. Abb. 6.5 Rekombination der schweren Kette des Immunglobulins aus verschiedenen Gensegmenten. Für die schweren Ketten eines Antikörpers gibt
10 es in der Keimbahn-DNA jeweils 51 V(variable)-, 27 D(diversity)- und 6 J(joining)-Segmente, aus denen die variable Region zusammengesetzt werden kann.
Daneben befinden sich Segmente für die konstanten Regionen, aus denen die verschiedenen Antikörperklassen gebildet werden. Um eine einsatzfähige
DNA für einen Antikörper herzustellen, wird zunächst ein beliebiges D- mit einem J-Segment kombiniert, gefolgt von der Verknüpfung eines V-Segments mit
11 DJ. Die jeweils zwischen den ausgewählten Segmenten liegenden Teile der DNA werden herausgeschnitten und gehen verloren. Die so rekombinierte DNA
wird in RNA umgeschrieben, wobei zunächst ein Primärtranskript entsteht, in dem noch die nicht herausgeschnittenen J-Segmente und die Segmente für die
schweren Ketten µ und δ enthalten sind. Durch RNA-Splicing werden dann die überzähligen J-Segmente und eine der beiden schweren Ketten entfernt (hier
12 dargestellt für die Bildung eines Antikörpers der Klasse IgM). Aus der so gebildeten mRNA kann dann das Protein für die schweren Ketten angefertigt werden.
Die leichten Ketten werden nach dem gleichen Prinzip zusammengesetzt. Da hier keine D-Segmente vorhanden sind, gibt es allerdings ausschließlich eine
13 VJ-Rekombination
Somatische Rekombination bei der Bildung gewähltes V-Segment mit dem zuvor kombinierten DJ verbun-
14 von Antigenrezeptoren den, und die dazwischen liegenden V- und D-Segmente werden
entfernt. In dem auf diese Weise in der DNA einer B-Zelle co-
15 In Säugetieren gibt es sieben Genloci, in denen Proteine für die dierten Antikörper können sich immer noch mehrere J-Ketten
spezifische Antigenerkennung codiert sind. Für den TCR sind befinden. Diese werden nachher auf RNA-Ebene durch Spleißen
dies jeweils eine für die α-, β-, γ- und δ-Kette. Bei Immunglobu- entfernt. Beim Ablesen der RNA werden zwei Segmente für den
16 linen ist es ein Locus für die schwere Kette (IgH) und zwei für konstanten Teil der schweren Kette des Antikörpers verwendet:
die leichten Ketten κ und λ. Sie setzen sich zusammen aus hin- die Segmente Cμ und Cδ. Erst beim Zuschneiden der RNA wird
17 tereinander aufgereihten Segmenten für verschiedene Teile der ein Segment entfernt, und es entsteht mRNA, die entweder für
Rezeptoren: variable (V), diversity (D, existiert nur bei der schwe- IgM oder IgD codiert. Daher können B-Zellen anfänglich beide
ren Kette vom Ig und TCRβ und -δ) und joining (J), gefolgt von Antikörperklassen bilden.
18 der konstanten Region (C). Im Verlauf der V(D)J-Rekombination Die Steuerung der Rekombination erfolgt durch Sequen-
wird das Gen für die jeweilige variable Region des Rezeptors aus zen, die sich neben jedem codierenden Segment befinden, den
19 jeweils einem Segment für jeden V(D)J-Teil zusammengesetzt. RSS (recombination signal sequence). Die RSS schließen sich an
Dies verläuft bei T- und B-Zellen nach einem sehr ähnlichen die codierende Sequenz an und bestehen aus einem Heptamer
20 Verfahren. Daher soll im Folgenden nur die Entstehung der Im- CACAGTG, einer als Spacer bezeichneten Region, die entwe-
munglobuline im Detail beschrieben werden. der aus 12 oder 23 (± 1) bp (Basenpaaren) besteht, und einem
B-Zellen beginnen immer mit der Umlagerung der schwe- Nonamer ACAAAAACC. Ein wichtiges Prinzip hierbei ist, dass
21 ren Kette (▶ Kap. 2). Im Verlauf dieser in . Abb. 6.5 dargestell- eine Rekombination immer nur zwischen Segmenten erfolgen
ten Rekombination zur schweren Kette kommt es zunächst zur kann, wenn eines einen 12-bp- und das andere einen 23-bp-Spa-
22 DJ-Rekombination. Das bedeutet, dass ein zufällig ausgewähl- cer hat. Da im IgH-Genlocus neben den V- und J-Segmenten
tes D-Segment mit einem beliebigen J-Segment verbunden jeweils 23-bp-Spacer und an beiden Seiten der D-Segmente
wird, wobei die dazwischen liegenden D- und J-Segmente aus 12-bp-Spacer liegen, sind immer nur VD- und DJ-Kombinati-
23 der DNA herausgeschnitten werden. Diese „überflüssige“ DNA onen möglich, eine VJ-Rekombination aber nicht (. Abb. 6.6).
gehört nicht mehr zur genomischen DNA und geht verloren. Die gleichen RSS gibt es auch bei den Leichtketten κ und λ
Bei der darauf folgenden VDJ-Rekombination wird ein zufällig und den verschiedenen Ketten des TCR (. Abb. 6.7). Bei den β-
6.2 • Immungenetik
95 6
VH He 23 No No 12 He DH He 12 No No 23 He JH
No 12 He DH He 12 No
VH He 23 No
VH He 23 No No 12 He DH He 12 No
JH He 23 No
JH He 23 No
keine Rekombination
bei 23/23-Anlagerung
VH He 23 No No 12 He DH JH
.. Abb. 6.6 Rekombination der schweren Kette. Der Ablauf der Rekombination ist hier dargestellt am Beispiel der DJ-Rekombination der schweren Kette.
Die darauf folgende VDJ-Rekombination und die VJ-Rekombinationen der leichten Ketten laufen nach dem gleichen Prinzip ab. Dabei lagern sich die neben
den zu kombinierenden Segmenten liegenden RSS (recombination signal sequence) nur so aneinander, dass Paarungen aus einem 12-bp-Spacer (schwarz) und
einem 23-bp-Spacer (weiß) entstehen. Wichtig hierfür sind Kontakte zwischen den Heptamer(He)- und Nonamer(No)-Sequenzen. Eine Anlagerung von zwei
23-bp-Spacern, wie sie bei der Kombination eines V- mit einem J-Segment auftreten würde, kann nicht stattfinden. So ist gewährleistet, dass immer nur die
Kombination VDJ entstehen kann. Dies führt zur Bildung einer Verbindung der codierenden D- und J-Segmente in der genomischen DNA. Die hier dargestellte
Variante, dass beide codierenden Sequenzen die gleiche Leserichtung haben, ist die häufigste. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen die Richtungen entgegen
gesetzt verlaufen, sodass leicht abweichende Rekombinationsschleifen auftreten, um die richtige Orientierung der codierenden Sequenzen zu gewährleisten
14 IgH VH He 23 No No 12 He DH He 12 No No 23 He JH
2 Igκ Vκ He 12 No No 23 He Jκ
22 Igλ Vλ He 23 No No 12 He Jλ
14 TCRα:δ Vα /δ He 23 No No 12 He Dδ He 23 No No 12 He Jδ No 12 He Jα
7 TCRβ Vβ He 23 No No 12 He Dβ He 23 No No 12 He Jβ
7 TCRγ Vγ He 23 No No 12 He Jγ
.. Abb. 6.7 RSS der verschiedenen Segmente von Antigenrezeptoren. Neben jedem Segment, aus dem variable Regionen von BCR oder TCR zusammengesetzt
sein können, befindet sich entweder eine RSS mit einem 12-bp-Spacer (schwarz) oder einem 23-bp-Spacer (weiß). Da eine Rekombination nur beim Zusammen-
treffen zweier RSS mit unterschiedlichen Spacern erfolgen kann, wird dadurch festgelegt, Segmente welcher Abschnitte miteinander kombiniert werden können
und δ-Segmenten des TCR sind die RSS neben den D-Segmen- den Sequenz und dem Heptamer des RSS. Alle weiteren Pro-
ten so angeordnet, dass theoretisch auch eine VJ-Rekombination zesse, in denen die DNA wieder zusammengesetzt wird, erfolgt
möglich wäre, hier gibt es aber zusätzliche Mechanismen, um si- durch Proteine, die auch normalerweise für die Reparatur von
cherzustellen, dass immer nur eine VDJ-Rekombination erfolgt. DNA-Schäden eingesetzt werden. Die Bedeutung der RAG-Pro-
Bei der Rekombination des TCR werden die herausgeschnit- teine ist nicht zu unterschätzen. Ein Funktionsverlust führt dazu,
tenen Segmente zu ringförmiger DNA zusammengefügt, den dass keine Antigenrezeptoren gebildet werden können, daher
sogenannten TREC (TCR rearrangement excision circles). TREC auch keine reifen T- und B-Zellen vorkommen; das Resultat ist
werden im Verlauf der Zellteilung nicht vervielfältigt und dem- ein schwerer Immundefekt (SCID, ▶ Kap. 16).
zufolge nur auf eine der beiden Tochterzellen übertragen. Sie Wie in . Abb. 6.8 dargestellt, ergibt sich aus der Kombination
sind daher ein Maß für den Anteil einer T-Zellpopulation, der der verschiedenen Gensegmente eine Zahl von über zweiein-
im Thymus neu entstanden ist, und können verwendet werden, halb Millionen verschiedener Antikörper. Eine vergleichbar hohe
um beispielsweise den altersbedingten Rückgang der Thymusak- Anzahl an möglichen Kombinationen gibt es auch für den TCR
tivität zu messen. (. Tab. 6.1). Dabei ist auffällig, dass die Variationen vorwiegend
RAG(recombination activating gene)-1 und RAG-2 sind bei den α:β-TCR auftreten, wohingegen der γ:δ-TCR nur wenig
die beiden einzigen für Lymphocyten spezifischen Proteine, die mehr als 2000 Kombinationen erlaubt und damit vergleichsweise
für die V(D)J-Rekombination gebraucht werden. Sie sorgen für wenig variiert.
die korrekte 12/23 Paarung der RSS und verursachen den not- Bei den in . Tab. 6.1 angegebenen Zahlen handelt es sich um
wendigen Doppelstrangbruch der DNA zwischen der codieren- die ungefähre Anzahl verwendbarer Gensegmente zur Herstel-
96 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie
Vκ Jκ VH DH JH Vλ Jλ A C C T
4 200 8 262 116 b VH
T G G A
DH
10 .. Tab. 6.1 Anzahl der VDJ-Gensegmente und ihrer möglichen Kom- .. Abb. 6.9 Einfügen von P- und N-Nucleotiden. Im Verlauf der Verbindung
binationen in BCR und TCR der codierenden V(D)J-Sequenzen werden zusätzliche Nucleotide einge-
fügt. Im ersten Schritt (a) kommt es zu einer Anlagerung von RSS mit 12-
11 IgH Igκ Igμ TCRα TCRβ TCRγ TCRδ und 23-bp-Spacern und einer Spaltung zwischen codierender Sequenz und
Heptamer durch RAG-1/-2. Der Schnitt ist im Bild durch einen roten Strich ge-
V 51 40 29 70 52 12 4
kennzeichnet, muss aber nicht immer genau am Übergang der codierenden
12 D 27 – – – 2 – 3 Sequenz zum Heptamer erfolgen. b) Ebenfalls durch RAG-1/-2 kommt es zur
Ausbildung von haarnadelförmigen (hairpin) Strukturen an den Enden der
J 6 5 4 61 13 5 3
13 Mögliche ~ 2,6 × 106 ~ 5,8 × 106 2160
codierenden Sequenzen. Diese hairpin-Strukturen werden kurz darauf durch
eine Endonuclease geöffnet (Schnittstellen angedeutet durch rote Striche).
Rezeptoren c) Der Schnitt erfolgt wenige Basen vom Scheitelpunkt entfernt, sodass eini-
HGPRT+
.. Abb. 6.10 Herstellung von B-Zell-Hybridomen. Zunächst werden nach Immunisierung einer Maus aus deren Milz B-Zellen gewonnen. Diese
werden mit HGPRT-negativen Myelomzellen fusioniert, wobei es zu zufälligen Kombinationen aller vorhandenen Zelltypen kommen kann und auch
manche Zellen nicht fusionieren. Nach Kultur in HAT-Medium überleben nur Hybridomzellen, da sie die immortalisierten Eigenschaften der Myelom-
zelle und zusätzlich die HGPRT der B-Zelle besitzen. Im Anschluss an den hier dargestellten Vorgang müssen noch einzelne Hybrid-Klone identifiziert
werden, die die gewünschte Antigenspezifität aufweisen, da in der Mäusemilz trotz vorhergehender Immunisierung auch B-Zellen gegen zahlreiche
andere Antigene vorhanden sind
98 Kapitel 6 • Molekulare Immunologie
1 V DJ S Cµ Cδ S Cγ 3 S Cγ 1 S Cα 1 S Cγ 2 S Cγ 4 S Cε S Cα 2
2
.. Abb. 6.11 Verschiedene Segmente für den konstanten Teil der schweren Kette codieren für unterschiedliche Antikörperklassen. Im menschlichen
Genom liegen die C-Segmente für die verschiedenen Antikörperklassen im IgH-Locus nebeneinander aufgereiht vor. Aufgrund der Position von Cμ und Cδ
neben den rekombinierten VDJ-Segmenten wird in B-Zellen zunächst nur IgM und IgD gebildet. Damit andere C-Segmente verwendet werden können, ist ein
3 Rekombinationsvorgang notwendig, für den die S-Regionen gebraucht werden. Zwischen Cμ und Cδ gibt es keine S-Region, sodass diese immer gemeinsam
abgelesen oder entfernt werden
4 nadel)-Struktur verbunden. Das Chromosom ist zu diesem Zeit- Der RAG-1/-2-Proteinkomplex und die RSS werden für alle
punkt in zwei Teile geteilt, die jeweils mit einem hairpin enden. Genumlagerungen in TCR- und BCR-tragenden Zellen verwen-
5 Dieser hairpin wird kurz darauf von einer Endonuclease wieder det. Trotzdem kommt es nur zu einem bestimmten Zeitpunkt
gespalten, allerdings meist einige Basen neben dem Punkt, an zur Rekombination an jeweils einer genau festgelegten Stelle.
dem der RAG-1/-2-Komplex die Stränge verbunden hatte. An die Es kommt in Prä-B-Zellen zu keinen Umlagerungen in den
6 Enden werden dann von der TdT (Terminale Desoxyribonucleo- TCR-Genen. Woran erkennt der RAG-1/-2-Komplex, welches
tidyl-Transferase) nach dem Zufallsprinzip weitere Nucleotide Gen umgelagert werden muss und welche nicht? Eine Rekombi-
7 angebracht. Im Folgenden kommt es zur Zusammenlagerung nation kann nicht an einer beliebigen Stelle der DNA erfolgen,
zufällig komplementärer Sequenzen von beiden Teilen des Chro- da die Chromatinstruktur zu unzugänglich für diesen Vorgang
mosoms. An den Enden eventuell überstehende nicht komple- ist. Erst nachdem die Zugänglichkeit jeweils nur in bestimmten
8 mentäre Basen können durch eine Exonuclease entfernt werden, Zellen und auf genau definierten Stufen des Entwicklungspro-
und die fehlenden Basen der noch inkompletten Stränge werden zesses gegeben ist, kann es zu einer somatischen Rekombination
9 aufgefüllt. Danach ist die genomische DNA wieder durchgän- kommen.
gig und enthält eine Reihe neuer Nucleotide, die in der Keim-
10 bahn-DNA nicht enthalten waren.
Isotypwechsel von Immunglobulinen
Der Schnitt neben dem Scheitelpunkt der hairpin-Struktur
führt dazu, dass einige Basenpaare, die komplementär waren, (Klassenwechsel)
11 jetzt in der Sequenz nebeneinander liegen, sodass eine palin-
dromische Sequenz entsteht. Daher werden diese Nucleotide als In den Genloci für die leichten Antikörperketten und die
12 P-Nucleotide bezeichnet. Die Sequenz der von der TdT ange- TCR-Ketten ist jeweils nur ein Segment für den konstanten Teil
brachten Nucleotide war vor Beginn der Rekombination nicht im enthalten. Im Gegensatz dazu gibt es bei der schweren Antikör-
Genom codiert, daher werden diese als N-Nucleotide (non-co- perkette mehrere verschiedene Segmente, die für die konstanten
13 ding) bezeichnet. Teile der jeweiligen Antikörperklassen codieren (. Abb. 6.11).
Alle drei Mechanismen, das ungenaue Schneiden neben Wie oben beschrieben, werden zunächst nur die Gensegmente
14 dem Heptamer sowie das Einfügen der P- und N-Nucleotide, für IgM und IgD abgelesen, sodass auch nur diese beiden An-
geschehen unkontrolliert, und es gibt keine Garantie dafür, dass tikörperklassen gebildet werden. Damit eine reife B-Zelle im
15 die Veränderungen im Leseraster bleiben, d. h., dass immer nur Rahmen des bereits in ▶ Kap. 5 beschriebenen Isotypwechsels
Dreierpaare eingefügt werden, die einer neuen Aminosäure ent- (class switch) auch die anderen Isotypen produzieren kann, ist
sprächen. Daher sollten zwei Drittel der Verbindungen zu einer ein weiterer Rekombinationsprozess notwendig.
16 Verschiebung des Leserasters und zu einem vorzeitigen Abbruch Die Klassenwechsel-Rekombination erfolgt zwischen be-
der Proteinsynthese führen. Damit wäre die Rekombination stimmten Abschnitten, den S(switch)-Regionen, die am 5′-Ende
17 fehlgeschlagen. Es ist aber möglich, die VJ-Rekombination zu vor den Segmenten für die verschiedenen konstanten Regionen
wiederholen, solange noch ungeschnittene V- und J-Segmente liegen. Die S-Regionen bestehen aus kurzen (20–80 bp) Sequen-
vorhanden sind. Erst danach müsste der Vorgang beim anderen zen mit hohem Guanosin-Anteil, die insgesamt 1–12 kb lang
18 Allel wiederholt werden. Dennoch lohnt sich das relativ hohe sind. Wie in . Abb. 6.12 dargestellt, kommt es zu einer Rekombi-
Risiko, keinen funktionellen Rezeptor zu erzeugen, da im Er- nation zwischen den S-Regionen vor Cμ und dem Segment für die
19 folgsfall die neuen Nucleotide die Antigenbindung beeinflussen konstante Region, zu der der Klassenwechsel stattfindet, wobei
können. Durch diese Prozesse wird die Anzahl der möglichen der dazwischen liegende Teil der DNA herausgeschnitten wird.
20 variablen Regionen vervielfacht, und erst dadurch wird die hohe Da es vor dem Segment Cδ keine S-Region gibt, werden immer
Zahl an unterschiedlichen Antigenbindungsstellen von TCR und mindestens Cμ und Cδ herausgeschnitten, und ein Klassenwech-
BCR möglich. sel zu IgD ist nicht möglich. Selbstverständlich kann auch nicht
21 Die Rekombination kann jeweils auf beiden Allelen der wieder zu einer Antikörperklasse zurückgewechselt werden, die
schweren und leichten Ketten stattfinden, aber eine B-Zelle kann bereits herausgeschnitten wurde, da der Vorgang irreversibel
22 immer nur einen bestimmten BCR produzieren. Sobald eine er- ist. Es ist aber möglich, weitere Wechsel zu noch vorhandenen
folgreiche Rekombination durchgeführt wurde, ist der Prozess C-Segmenten zu machen. In dem Beispiel in . Abb. 6.12 wäre
für diesen Genlocus beendet und das entsprechende andere Allel noch ein weiterer Klassenwechsel von IgE zu IgA möglich, wenn
23 wird stillgelegt. Dies wird als alleler Ausschluss bezeichnet. Es das Cε durch Rekombination entfernt würde.
kommt also zu einem Wettlauf der Allele um die Fertigstellung Der erste Schritt bei der Klassenwechsel-Rekombination er-
der Rekombination. fordert das Enzym AID (activation-induced cytidine deaminase).
6.2 • Immungenetik
99 6
a V DJ S Cµ Cδ S Cε S Cα 2 ACG T CACG T
T GC AG T GC A
AID
Cδ
A CG T UA CG T
Cµ
T GC AG T GC A
S
b V DJ Cε S Cα 2
ACG T T ACG T ACG T ACG T A T
T GCAA T GCA T G C AG T G C A T G C AG T G C A
c V DJ S Cε S Cα 2
7
Literatur
8 Gellert M (2002) V(D)J Recombination: RAG Proteins, Repair Factors, and Regu-
lation. Annu Rev Biochem 71:191–132
16
17
18
19
20
21
22
23
101 7
Die Regulation
des Immunsystems
und immunprivilegierte Organe
Hajo Haase, Andrea Kruse, Lothar Rink
7.1 Cytokine – 102
7.2 Chemokine – 107
7.3 Adhäsion und Navigation – 108
7.4 Regulatorische T-Zellen (Treg) – 113
7.5 Ausnahmen bestätigen die Regel –
immunprivilegierte Organe – 116
Literatur – 119
7.1 Cytokine Die Signaltransduktion durch die Rezeptoren für die IL-2-Fa-
1 milie ist prototypisch für die einer großen Zahl von Cytokinre-
Nur durch das Zusammenwirken mehrerer Zelltypen ist eine ef- zeptoren (. Abb. 7.1): Die Rezeptoren selbst verfügen über keine
2 fektive Immunantwort möglich. Um diese zu koordinieren, gibt eigene Kinaseaktivität und sind stattdessen auf die Bindung von
es eine Reihe von Mechanismen zur Kommunikation zwischen Janus-Kinasen (JAK) angewiesen. Diese phosphorylieren sich
Immunzellen, unter anderem eine Vielzahl von immunmodulie- gegenseitig an Tyrosinresten, aber auch Tyrosine des Rezeptors
3 renden Signalmolekülen, die Cytokine. Eine offiziell anerkannte und eine Gruppe von Transkriptionsfaktoren, die sogenannten
Definition der Cytokine gibt es nicht. Von den Peptidhormonen STAT(signal transducers and activators of transcription)-Proteine,
4 kann man sie aufgrund ihrer Größe und der Tatsache, dass sie die als Dimere in den Kern wandern und einen Großteil der cy-
nicht nur von speziell dafür existierenden Zellen gebildet werden, tokinvermittelten Genexpression regulieren. Darüber hinaus
5 abgrenzen. Die Cytokine lassen sich daher wie folgt beschreiben: werden aber auch noch weitere Signalwege, wie MAP-Kinasen
Cytokine sind Proteine, die von verschiedenen Zellen (d. h. kei- und die PI-3-Kinase, aktiviert.
nen spezialisierten Drüsenzellen) produziert werden können und Es gibt vier JAK- und sieben STAT-Proteine. Je nach Rezeptor
6 über spezifische Rezeptoren auf der Zellmembran Signale von oder werden ein oder mehrere unterschiedliche Vertreter der beiden
auf Zellen des Immunsystems übertragen. Gruppen für die Signaltransduktion verwendet. Das Cytokinsi-
7 Die meisten Cytokine wurden zunächst aufgrund ihrer Funk- gnal kann durch die Internalisierung und den Abbau der Rezep-
tion in den Überständen aktivierter Zellen identifiziert und wa- toren in Endosomen beendet werden. Darüber hinaus werden
ren lange unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt, bis man im Verlauf der Aktivierung der Zellen auch SOCS(suppressor
8 sie aufreinigte und genauer untersuchte. Man erkannte, dass es of cytokine signaling)-Proteine induziert, die an die JAK binden
sich bei den in verschiedenen Labors untersuchten Faktoren häu- können und sie dadurch inaktivieren. Auf diese Weise lösen die
9 fig um das gleiche Protein handelte. Beispielsweise gibt es mehr Cytokinrezeptoren eine negative Rückkopplung (feedback) aus,
als vierzig verschiedene Namen für Interleukin(IL)-1, die aber die nach einiger Zeit zur Beendigung der Signale führt.
10 heute kaum noch gebräuchlich sind.
Rezeptoren aus drei Untereinheiten
In . Tab. 7.1 befindet sich eine Zusammenstellung der Ei-
genschaften einer Reihe von Cytokinen. Diese Aufstellung ließe Neben dem IL-2 gehören zu dieser Gruppe noch IL-4, -7, -9, -15
11 sich noch deutlich erweitern, und die wichtigsten der zahlreichen und -21. Allen gemeinsam ist die Interaktion mit Rezeptoren, die
Funktionen der Cytokine sind an den entsprechenden Stellen in aus drei Untereinheiten aufgebaut sind. Dabei ist die α-Unterein-
12 diesem Buch eingehender beschrieben. heit jeweils spezifisch für die Ligandenbindung, während die β-
Aufgrund der immensen strukturellen und funktionellen und γ-Untereinheiten für die Signaltransduktion verantwortlich
Unterschiede ist eine Klassifizierung der Cytokine schwierig. sind. Die γ-Untereinheit (= CD132) ist in allen Rezeptoren dieser
13 Begriffe wie Lymphokine oder Monokine, für Cytokine, die von Familie identisch und wird daher auch als gemeinsame γ-Kette
Lymphocyten, beziehungsweise Monocyten produziert werden, (common γ chain) bezeichnet.
14 leiten eine Einteilung von den produzierenden Zellen ab, die IL-2 ist das wesentliche Cytokin für die Proliferation von
aber nicht strikt gilt. Ein anderer Ansatz verwendet die Bezeich- T-Zellen, und die α-Untereinheit seines Rezeptors wird auf akti-
15 nung Interleukine. Ein Cytokin darf als Interleukin bezeichnet vierten T-Zellen hochreguliert, damit sie IL-2-vermittelte Proli-
werden, wenn das Protein kloniert, exprimiert, gereinigt und ferationssignale empfangen können. Diese Untereinheit ist auch
sequenziert wurde. Zusätzlich muss nachgewiesen sein, dass es als CD25 bekannt und wird häufig als Marker für die Aktivierung
16 ein natürliches Produkt von Zellen des Immunsystems ist und von T-Zellen verwendet.
es im Immunsystem seine Hauptfunktion hat. Bisher sind nach
17 dieser Definition die Interleukine 1 bis 38 identifiziert worden. Rezeptoren aus zwei Untereinheiten
Cytokine können aber auch nach ihrer Funktion in Gruppen IL-3, IL-6 und einige weitere Cytokine werden ähnlich wie die
eingeteilt werden. Proinflammatorische Cytokine wie IL-1, IL-6 in . Abb. 7.1 dargestellten von Zellen erkannt, der zugehörige
18 und Tumornekrosefaktor(TNF)-α sind beispielsweise wichtige Rezeptor besteht dabei aber nur aus zwei verschiedenen Unter-
Entzündungsmediatoren. Im Folgenden sind die strukturellen einheiten. IL-3, IL-5 und GM-CSF werden jeweils durch eine
19 Ähnlichkeiten der Cytokine und ihrer entsprechenden Rezepto- Kombination aus einer für das jeweilige Cytokin spezifischen
ren für eine Einteilung herangezogen worden. α-Kette sowie der gemeinsamen β-Kette gp140 (Glykoprotein
20 von 140 kDa) gebunden. Ganz ähnlich werden IL-6, IL-11, IL-12,
IL-23, IL-27 und G-CSF durch eine spezifische α-Kette und die
Hämatopoetische Rezeptoren der Klasse 1 β-Kette gp130 von Zellen wahrgenommen.
21 und zugehörige Cytokine
Rezeptoren aus einer Untereinheit
22 Die Klasse-1-Rezeptoren werden aufgrund ihres ähnlichen Auf- Als letzte Gruppe gibt es auch einige Klasse-1-Rezeptoren, bei
baus und aufgrund der Mechanismen, mit denen die Signale von denen nur eine Kette für die Erkennung und Signalweiterleitung
der Oberfläche ins Zellinnere weitergeleitet werden, zusammen- verantwortlich ist. Dazu gehören die Rezeptoren für Erythro-
23 gefasst. Dennoch gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede zwi- poietin, Thrombopoietin, Prolactin und G-CSF. Sie bilden nach
schen einzelnen Untergruppen, die in den folgenden Abschnitten Bindung des spezifischen Liganden Homodimere aus, die die
kurz vorgestellt werden. üblichen JAK/STAT-Signalwege aktivieren.
7.1 • Cytokine
103 7
IFN-γ 146 (ho) TH1, NK, CTL Fördert TH1 und zelluläre Immunität, aktiviert Ma Septische Granulomatose
IL-1 159 IL-1α Mo, Ma, Ec, F, T, B, Fördert Entzündung und Akutphase, stimuliert TH und
153 IL-1β NK, … B, u.v.m.
IL-1Ra 152 Mo, Ma, PMN, F, Ep, … Hemmt IL-1 durch Blockade des IL-1-Rezeptors Rheumatoide Arthritis
a
Die Größe der Cytokine ist angegeben (soweit bekannt) als Anzahl der Aminosäuren des aktiven humanen Proteins, bei Multimeren jeweils bezo-
gen auf ein Monomer (ho: Homodimer; he: Heterodimer).
b
B: B-Zellen; DC: dendritische Zellen; Ec: Endothelzellen; Ep: Epithelzellen; F: Fibroblasten; Gra: Granulocyten; KMS: Knochemarkstroma; MC: Mast-
zellen; Ma: Makrophagen; Mo: Monocyten; NK: natürliche Killerzellen; pDC: plasmacytoide dendritische Zellen; PMN: neutrophile Granulocyten; T:
T-Zellen; TH: T-Helferzellen; Treg: regulatorische T-Zellen
104 Kapitel 7 • Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe
7 (IFN-λ2)
IL-36 3 Familienmitglie- Mo, Ma, DC, T, B, Ep, F Inflammatorisch, fördert TH1 und TH17
TPO 353 Leber, KMS Stimuliert Megakaryocyten zur Bildung von Throm-
bocyten
19 a
Die Größe der Cytokine ist angegeben (soweit bekannt) als Anzahl der Aminosäuren des aktiven humanen Proteins, bei Multimeren jeweils bezo-
gen auf ein Monomer (ho: Homodimer; he: Heterodimer).
20 b
B: B-Zellen; DC: dendritische Zellen; Ec: Endothelzellen; Ep: Epithelzellen; F: Fibroblasten; Gra: Granulocyten; KMS: Knochemarkstroma; MC: Mast-
zellen; Ma: Makrophagen; Mo: Monocyten; NK: natürliche Killerzellen; pDC: plasmacytoide dendritische Zellen; PMN: neutrophile Granulocyten; T:
T-Zellen; TH: T-Helferzellen; Treg: regulatorische T-Zellen
21
22
23
7.1 • Cytokine
105 7
Hämatopoetische Rezeptoren der Klasse 2
IL-2
und zugehörige Cytokine
α α
Die Rezeptoren der Klasse 2 sind Multimere aus verschiedenen β γ β γ
Untereinheiten, die zu einer eigenen Gruppe zusammengefasst
JAK1 JAK3 JAK1 JAK3
werden, da sie nur wenig Ähnlichkeiten zum Aufbau der Klas- P P
se-1-Rezeptoren haben. Dennoch signalisieren auch sie über
P P
JAK- und STAT-Proteine. Zu dieser Gruppe gehören die Inter- a b
leukine IL-10, -19, -20, -22, -24, -26 und die im nächsten Ab-
schnitt behandelten Interferone. IL-2 IL-2
α α
Interferonrezeptoren und Interferone
Die Interferone (IFN) wurden entdeckt als Proteine, die infolge β γ β γ
einer Virusinfektion die Infektion mit anderen Viren hemmen. JAK1 JAK3
P JAK1 JAK3
P
P P
Von diesem Phänomen der „viralen Interferenz“ leitet sich auch
ihr Name ab. Inzwischen weiß man, dass sie darüber hinaus eine P P P P P P
STAT5 STAT5
Rolle in der Tumorabwehr, bei der Bekämpfung von bestimmten
bakteriellen Erregern und als Immunregulatoren für Zellen des
angeborenen und adaptiven Immunsystems haben. STAT5
P P
Typ-1-Interferone STAT5
c d
Die Familie der Typ-1-Interferone besteht aus mehreren Sub-
typen von IFN-α, aus IFN-β und aus einer Reihe weniger be- .. Abb. 7.1 Schematische Darstellung der Signalweiterleitung von hämat-
opoetischen Rezeptoren der Klasse 1 am Beispiel des IL-2-Rezeptors. a) In
deutender Vertreter wie IFN-δ, -ε, -κ, -τ, und -ω. IFN-α und -β
Abwesenheit des Liganden IL-2 liegt der Rezeptor auf der Plasmamembran
wirken über einen gemeinsamen Rezeptor, bestehend aus einer in seiner inaktiven Form vor. Hier gezeigt ist der hochaffine Rezeptor, der
α- und einer β-Untereinheit, durch den sie die Expression von niedrigaffine Rezeptor besteht nur aus β- und γ-Kette. b) Nach Bindung des
mehreren Hundert Genen beeinflussen können. zugehörigen Cytokins phosphorylieren Januskinasen (JAK) sich gegensei-
Nahezu alle Zellen können Interferone vom Typ 1 als Ant- tig sowie den Rezeptor. c) An die Phosphorylierungsstellen des Rezeptors
binden STAT-Proteine, die in der Folge ebenfalls durch die JAK phosphoryliert
wort auf eine virale Infektion produzieren. Dabei sind die Men-
werden. d) Phosphorylierte STAT-Proteine bilden Dimere, die in den Zellkern
gen, die von plasmacytoiden dendritischen Zellen produziert wandern und dort als Transkriptionsfaktoren wirken
werden, besonders groß, insbesondere in der Frühphase einer
Infektion, was auch ihren Namen „natürliche interferonprodu-
zierende Zellen“ begründet. aber auch bei bestimmten Krebserkrankungen. Die Wirkung ge-
Die antivirale Wirkung von IFN-α und -β beruht auf meh- gen maligne Zellen beruht auf einer Aktivierung von NK-Zellen
reren Mechanismen: sowie auf antiproliferativen und proapoptotischen Effekten und
a) ihrer Fähigkeit, die Proteinexpression von Zellen und damit die einer negativen Wirkung auf die sogenannte Angiogenese, die
virale Replikation zu vermindern. Dabei wird die IFN-indu- Bildung von Blutgefäßen zur Versorgung des Tumors. Darüber
zierte Proteinkinase aktiviert, die durch Phosphorylierung des hinaus wird bei Multipler Sklerose Interferon-β als immunmo-
Translationsapparates die Translation von mRNA inhibiert. dulierende Therapie gegeben, wobei der Wirkmechanismus hier
b) dem Abbau viraler Nucleinsäuren. Die 2′-5′-Oligoade- noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Als wirkungsvolle Immun-
nylat-Synthetase wird durch IFN induziert. Sie bildet in An- regulatoren sind die Interferone aber nicht frei von Nebenwir-
wesenheit von doppelsträngiger RNA Oligoadenylate, die kungen. Im Rahmen einer Interferontherapie kann es zu autoim-
eine RNA-abbauende Ribonuclease aktivieren. munen Erkrankungen wie Thyreoiditis, Lupus erythematodes
c) einer verbesserten Erkennung infizierter Zellen. Typ-1-Inter- und Typ-1-Diabetes kommen, was eine Rolle der Interferone in
ferone steigern die Expression von MHC-I-Molekülen, über der Entstehung dieser Erkrankungen andeutet.
die virale Antigene an cytotoxische T-Zellen präsentiert wer-
den. Typ-2-Interferon
d) der erleichterten Eliminierung virusinfizierter Zellen. Es IFN-γ ist der einzige Vertreter der Typ-2-Interferone. Es unter-
kommt nach Kontakt mit Typ-1-Interferonen zu einer erhöh- scheidet sich von den Typ-1-Interferonen in seiner Sequenz, der
ten Neigung zur Apoptose, was die Abtötung durch NK-Zel- Tatsache, dass es in vivo als Homodimer vorliegt, dem Rezeptor,
len und cytotoxische T-Zellen erleichtert. an den es bindet, und durch sein Wirkungsspektrum. Im Gegen-
e) der Aktivierung von Immunzellen. Von plasmacytoiden DC satz zu den Typ-1-Interferonen ist IFN-γ nur für die Immun
produziertes IFN ist essenziell für die NK-Zell-vermittelte antwort gegen eine begrenzte Anzahl von Viren hilfreich. Es ist
Tötung virusinfizierter Zellen. hingegen essenziell für die Immunität gegen in Makrophagen
vorkommende Bakterien, Pilze und Parasiten.
Klinische Bedeutung haben die Typ-1-Interferone bei der Thera- IFN-γ wird von NK-Zellen und T-Zellen produziert und
pie von chronischen Viruserkrankungen wie Hepatitis B und C, polarisiert das TH1/TH2-Gleichgewicht in Richtung TH1. Es
106 Kapitel 7 • Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe
inaktiv aktiv
1 .. Tab. 7.2 Chemokinrezeptoren und zugehörige Chemokine
NH2 NH2
CXC-Rezeptoren Chemokin
2 Rezeptor Liganden
8 CCR1 (CD191) CCL3, -5, -7, -13, -14, -15, -16, -23 G-Protein-Komplexes in die α- und die βγ-Untereinheit. Beide Untereinheiten
sind dann in der Lage, nachgeschaltete zelluläre Signalwege zu aktivieren
CCR2 (CD192) CCL2, -7, -8, -13, -16
9 CCR3 (CD193) CCL5, -7, -8, -11, -13, -15, -16, -24, -26, -28 Typ-3-Interferone
CCR4 (CD194) CCL17, -22 In den letzten Jahren wurde eine weitere Gruppe von antiviral
10 CCR5 (CD195) CCL3, -4, -5, -8, -11, -14, -16
wirksamen Cytokinen entdeckt, die als IFN-λ1 (IL-29), -λ2 (IL-
28A) und -λ3 (IL-28B) bezeichnet werden. Sie sind den Typ-1-In-
CCR6 (CD196) CCL20, -18 terferonen in Sequenz, Funktion und induzierenden Agenzien
11 CCR7 (CD197) CCL19, -21 ähnlich, werden aber durch einen eigenen Rezeptor detektiert,
CCR8 (CD198) CCL1, -18
der sich aus einem spezifischen IFN-λ-Rezeptorprotein und der
12 CCR9 (CD199) CCL25
β-Kette des IL-10-Rezeptors zusammensetzt, die auch an der Er-
kennung von IL-10, IL-22 und IL-26 beteiligt ist.
13 CCR10 CCL27, 2–8
sezerniertem IL-1 aus der β-Form besteht. Die 31-kDa-Form des Exkurs 7.1: CXCR4/CCR5 und HIV | |
IL-1β ist biologisch nicht aktiv und muss durch proteolytische
Spaltung in die aktive 17-kDa-Form überführt werden. Dies ist Chemokinrezeptoren sind an einer Reihe von Krankheitsbildern be-
die Aufgabe einer Gruppe von cytoplasmatischen Proteinkom- teiligt; unter anderem der HIV-Infektion. HI-Viren binden an CD4 auf
Makrophagen und T-Helferzellen. Damit es zu einer Fusion zwischen
plexen, die als Inflammasome bezeichnet werden. Sie aktivieren
zellulärer und viraler Membran kommt, brauchen sie aber auch den
die Caspase-1, die auch als ICE (interleukin-1 converting enzyme) Kontakt mit CCR5 (Makrophagen, T-Zellen) oder CXCR4 (T-Zellen) als
bekannt ist, die dann IL-1, aber auch IL-18 und IL-33 spaltet. Corezeptoren. Eine bei ungefähr einem Prozent der kaukasischen
Bevölkerung natürlich vorkommende Deletionsmutante des CCR5,
bei der 32 Basenpaare im Gen fehlen (CCR5Δ32), sorgt dafür, dass
Tumornekrosefaktor-Rezeptoren das CCR5-Protein nicht an die Zelloberfläche gelangt. Personen, die
homozygot den veränderten CCR5 haben, sind fast vollständig resis-
tent gegen eine Infektion mit monocytotropem HIV-1, da die in der
Die Familie der TNF-Rezeptoren erkennt TNF-α und die Lym- Frühphase der Infektion wichtige Aufnahme des Virus in Makropha-
photoxine. Charakteristisch ist, dass diese Cytokine, genau wie gen nicht stattfinden kann.
ihre fünf Rezeptoren, als Trimere vorkommen. Dabei gibt es
nicht nur Homotrimere, sondern auch Komplexe aus verschiede-
nen Untereinheiten, sodass sich ein Netzwerk aus Liganden- und der, bezeichnet man die Proteine als CC- oder β-Chemokine. Der
Rezeptorkombinationen ergibt, das sowohl an der Regulation jeweilige Name der einzelnen Chemokine setzt sich zusammen aus
der Entwicklung von Lymphgeweben als auch an entzündlichen der Familienbezeichnung, einem „L“ für Ligand und einer Num-
Prozessen beteiligt ist. Die Liganden werden zunächst in mem- mer. Damit wird der achte Ligand aus der Gruppe der CXC-Che-
brangebundener Form auf der Zelloberfläche präsentiert, kön- mokine als CXCL8 bezeichnet. Hier wird deutlich, dass die Tren-
nen aber auch, wie beispielsweise beim TNF-α, durch Proteasen nung zwischen den verschiedenen Untergruppen der Cytokine
abgespalten und dadurch in die Umgebung freigesetzt werden. nicht absolut anwendbar ist. CXCL8 wurde vor der Einführung
Die durch die Rezeptoren der TNF-Familie ausgelösten Si- einer einheitlichen Nomenklatur für Chemokine als IL-8 bezeich-
gnale unterscheiden sich von denen der JAK/STAT-abhängigen net, und dieser Name ist auch heute noch weit verbreitet. Zusätz-
Klasse-1- und -2-Cytokinrezeptoren. Zum einen werden die Si- lich zu den beiden Hauptgruppen gibt es noch drei verwandte
gnale durch Todesdomänen des Rezeptors weitergeleitet, was zur Proteine, die ebenfalls zu den Chemokinen gezählt werden. Dies
Aktivierung von Caspasen und zur Apoptose führt, und zum sind die γ-Chemokine XCL1 und XCL2, denen eines der namens-
anderen wird die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB gebenden Cysteine fehlt, und das δ-Chemokin CX3CL1, bei dem
ausgelöst. Zusammen können diese Signale sowohl Zelltod, als die Cysteine durch drei andere Aminosäuren getrennt sind.
auch Überleben und Differenzierung auslösen. Die Benennung der Chemokinrezeptoren erfolgt in Anleh-
nung an die der Chemokine und setzt sich zusammen aus der
Bezeichnung der Chemokinfamilie, die ein Rezeptor erkennt,
7.2 Chemokine dem Buchstaben „R“ für Rezeptor und einer Nummer, beispiels-
weise CXCR1.
Immunzellen sind ständig im Körper unterwegs. Dabei ist es Bei vielen anderen Cytokinen besteht eine enge Zuordnung
wichtig, dass sie in ausreichender Anzahl an ihre Zielorte ge- zwischen Liganden und Rezeptoren, das heißt, für die meisten
langen, beispielsweise in die Lymphknoten oder zum Ort einer Cytokine gibt es nur einen (oder wenige) Rezeptoren, die dann
Infektion. Eine Navigationshilfe, an der sich die Zellen dabei relativ spezifisch auf dieses eine Cytokin (oder zumindest wenige,
orientieren, sind Chemokine, 8–14 kDa große Proteine, die in verwandte Cytokine) reagieren. Die Chemokine bilden eine Aus-
Geweben eine zielgerichtete Wanderbewegung von Immunzellen nahme. Hier ist es die Regel, dass sowohl mehrere verschiedene
induzieren; diese Wanderbewegung wird auch als Chemotaxis Chemokine einen Rezeptor aktivieren als auch einzelne Che-
bezeichnet. Die Zellen bewegen sich dabei entlang eines Kon- mokine an eine Reihe von verschiedenen Rezeptoren binden
zentrationsgradienten zum Ort der höchsten Chemokinkon- (. Tab. 7.2). Daher steht die Nummer eines Rezeptors in den
zentration. Hierbei nehmen die Zellen eine polarisierte Gestalt meisten Fällen in keiner Beziehung zur Nummer der von ihm
an, in der sie sich durch Umlagerungen des Actin-Cytoskeletts gebundenen Chemokine. Es gibt aber auch Chemokinrezepto-
in Richtung eines Pseudopodiums bewegen, das auf die höchste ren, die ein oder maximal zwei Liganden binden. Sie sind in die
Chemokinkonzentration ausgerichtet wird. Prozesse des Homings involviert.
Für die Chemokine wurde gegen Ende der 1990er-Jahre eine Chemokine können aufgrund ihrer Funktion in zwei große
systematische Nomenklatur vorgeschlagen, die inzwischen die Gruppen unterteilt werden: konstitutive (oder homöostatische)
vorher üblichen und zum Teil redundanten Bezeichnungen er- Chemokine und induzierbare (oder inflammatorische) Chemo-
setzt. Chemokine werden aufgrund ihrer Aminosäuresequenz in kine. Konstitutive Chemokine werden in wenigen Geweben stän-
zwei größere Familien eingeteilt, die aber keine Aussage bezüglich dig produziert und weisen den Weg bei der Wanderung zwischen
ihrer Funktion erlauben (. Tab. 7.2). Ausschlaggebend sind dabei verschiedenen Organsystemen des Körpers. Damit im Lymph-
zwei Cysteine im N-terminalen-Teil. Befindet sich zwischen den knoten eine aktivierte dendritische Zelle einer naiven T-Zelle
beiden Cysteinen noch eine weitere Aminosäure, handelt es sich Antigen präsentieren kann, müssen sich beide Zellen am selben
um CXC-Chemokine, die manchmal auch als α-Chemokine be- Ort befinden (. Abb. 7.3). Beide exprimieren dafür CCR7 und
zeichnet werden. Liegen die beiden Cysteine direkt nebeneinan- werden durch CCL19 und CCL21 zum Lymphknoten als dem
108 Kapitel 7 • Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe
7
CCR4
CCR8
9
10
Ort ihrer Interaktion geleitet. Wenn sich im Verlauf der Reifung Konzentrationsgradienten entstehen durch Diffusion und
11 einer Zelle die Region ändert, in die diese Zelle wandern muss, sind anfällig gegenüber Strömungen der sie umgebenden Flüs-
wechseln dabei auch die Chemokinrezeptoren auf ihrer Oberflä- sigkeit. Spätestens wenn der Chemokingradient ein Blutgefäß
12 che. Beispielsweise reduziert eine T-Helferzelle nach ihrer Akti- erreicht, würden die Chemokine weggespült, und die Zelle hätte
vierung die Expression von CCR7 und steigert die von CXCR5, keinen Hinweis, an welcher Stelle sie ins Gewebe auswandern
was ihr erlaubt, zu den B-Zell-Follikeln zu wandern. Alternativ muss, um zum Entzündungsort zu gelangen. Chemokine bin-
13 können die aktivierten T-Helferzellen auch über Rezeptoren wie den daher an Glucosaminoglykane auf der Oberfläche von Endo-
CXCR3 im Gewebe zum Entzündungsherd geführt werden, um thelzellen und von Zellen im Gewebe, wodurch die Chemokine
14 vor Ort als Effektorzelle zu wirken. immobilisiert sind und der Konzentrationsgradient länger auf-
Dies ist nur ein einzelnes, vereinfachtes Beispiel. Die Che- rechterhalten werden kann.
15 motaxis der Immunzellen wird kontrolliert durch ein komplexes
Zusammenspiel von insgesamt über 50 Chemokinen und ihrer
Rezeptoren. Darüber hinaus gibt es auch Ausnahmen von der 7.3 Adhäsion und Navigation
16 oben gegebenen Definition, dass die Wanderung immer in Rich-
tung der höchsten Chemokinkonzentration zu erfolgen hat. Neu Adhäsionsmoleküle
17 gebildete T-Zellen bewegen sich von CXCL12 weg, und werden
so dazu gebracht, aus dem Thymus auszuwandern. Adhäsive Wechselwirkungen zwischen Zellen oder zwischen Zel-
Induzierbare Chemokine werden im Rahmen einer Ent- len und der extrazellulären Matrix (außerhalb der Zellen gele-
18 zündungsreaktion gebildet, um Leukocyten an den Ort einer gene Strukturbestandteile eines Gewebes) sind an einer Vielzahl
19
Infektion zu rekrutieren. Im Gegensatz zu den konstitutiven
Chemokinen existieren diese Gradienten nur für begrenzte Zeit.
--
von physiologischen Prozessen beteiligt. Dazu gehören:
Kontaktaufnahme und Erkennung von Zellen,
20
Ausgelöst wird die Bildung von induzierbaren Chemokinen durch
eine Reihe von inflammatorischen Cytokinen wie IL-1, IL-6, TNF,
-- Differenzierung und Proliferation von Zellen,
Reifungsprozesse zum Beispiel bei der Wundheilung,
IFN-γ, aber auch durch pathogenassoziierte molekulare Struk-
turen (PAMP, pathogen-associated molecular patterns) oder ein
- die Zusammenlagerung von Blutplättchen,
das kontrollierte Verlassen des Blutgefäßsystems durch
-
21 Trauma. Neben der Induktion kann die Aktivität von Chemo- Leukocyten (Extravasation),
kinen auch durch Prozessierung reguliert werden, bei der durch die Wanderung von Leukocyten in bestimmte Gewebe
22 Peptidasen wie die Dipeptidyl-Peptidase IV (CD26) oder Mat-
rix-Metallo-Proteinasen einige Aminosäuren am N-terminalen
-- (Homing; Heimfinden),
Signaltransduktionsprozesse, aber auch
23 Ende abgespalten werden. Diese Region ist besonders wichtig für
die Interaktion mit den jeweiligen Rezeptoren, und die Spaltung
führt in den meisten Fällen zu einem Liganden, der immer noch
an den Rezeptor bindet, ihn aber nicht mehr aktiviert.
-
die Implantation der befruchteten Eizelle im Uterus,
die Ausbildung der Plazenta und andere embryonale Ent-
wicklungsprozesse.
7.3 • Adhäsion und Navigation
109 7
NH2
Ca++
D1 LFA-1
S–S
Ca++
H2N D2
S–S
NH2
EGF-Domäne H2 N
D3 Mac-1
S–S
β-Kette S–
D4
S–S
S–
CR-Domäne D5
S–S
α-Kette
CR-Domäne außen
Zellmembran
innen
.. Abb. 7.4 Schematische Darstellung der Selektine, Integrine und Zelladhäsionsmoleküle (CAMs) der Ig-Superfamilie. Selektine bestehen aus einer N-ter-
minalen C-Typ-Lektin-Domäne, einer angrenzenden EGF(epidermal growth factor)-homologen Einheit, einer variablen Zahl von Domänen, die Verwandtschaft
zu Komplementregulationsproteinen (CR-Proteinen) aufweisen, einem transmembranen und einem cytoplasmatischen Segment (dargestellt ist L-Selektin).
Die Anzahl der CR-Domänen bedingt die Größe und Flexibilität der Selektine und ist artspezifisch. So besitzt L-Selektin beim Menschen und bei der Maus zwei
solcher Elemente, E-Selektin sechs und P-Selektin beim Menschen neun, bei der Maus aber nur acht. Wahrscheinlich sind Selektine zur Signaltransduktion
befähigt. Zurzeit geht man davon aus, dass die Signale, die von den Selektin-Ligand-Bindungen hervorgerufen werden, gemeinsam mit anderen Aktivie-
rungssignalen (Chemokine, Entzündungsmediatoren) in den Extravasationprozess involviert sind. Integrine wie zum Beispiel LFA-1 sind aus einer α- und einer
β-Untereinheit aufgebaute heterodimere Glykoproteine. Sie besitzen die Fähigkeit, auf intrazelluläre Signale mit schnellen und dramatischen Veränderun-
gen in ihrer adhäsiven Funktion zu reagieren. Neben dem extrazellulären Anteil besitzen Integrinketten einen transmembranen und intrazellulären Anteil.
Die intrazelluläre Domäne der Ketten interagiert mit den cytosolischen Cytoskelett-Proteinen Actin und Talin. Bindungspartner der Integrine sind CAMs der
Ig-Superfamilie. Sie sind aus einer variablen Zahl von Ig-ähnlichen Domänen aufgebaut, die jeweils 70–110 Aminosäuren umfassen. Sie besitzen einen trans-
membranen Anteil und eine in die Signaltransduktion involvierte intrazelluläre Domäne. ICAM-1 zum Beispiel bindet mit seiner ersten Domäne (D1) an LFA-1,
mit seiner dritten Domäne (D3) kann es mit Mac-1 interagieren. Es wird von Rhinoviren als Rezeptor benutzt. S-S: Disulfidbrücken. Glykosylierungen wurden
aufgrund einer besseren Übersicht nicht dargestellt
Zelluläre Adhäsionsmechanismen sind auch in die Pathogenese pende Gruppen von Kohlenhydrat-Liganden auf vorbeiziehen-
verschiedener Entzündungsprozesse, Tumorinvasion und Metas- den Leukocyten oder auf Endothelzellen. Die Zuckerketten un-
tasierung involviert. Die Moleküle, die diese Vorgänge maßgeb- terscheiden sich in ihrer Struktur, weisen aber auch gemeinsame
lich koordinieren, sind die Zelladhäsionsmoleküle (cell adhesion Elemente auf, wie z. B. Sialyl-Lewisx (sLex) oder sLex-ähnliche
molecules; CAM), hier kurz als Adhäsionsmoleküle bezeichnet. Strukturen. So erkennen P- und E-Selektin zum Beispiel dieses
--
Sie werden in vier große Familien unterteilt:
Selektine,
Oligosaccharid auf neutrophilen Granulocyten. Das auf Leukocy-
ten exprimierte L-Selektin wiederum bindet an sLex-Gruppen
- Integrine,
Adhäsionsmoleküle der Immunglobulin(Ig)-Superfamilie
auf vaskulären Adressen wie dem peripheren Lymphknoten-Ad-
ressin (peripheral lymph node addressin; PNAd). PNAd kommt
- und
Cadherine.
die Blutgerinnung involvierte Thrombin, das von Mastzellen diese Patienten normale T-Zellfunktionen. Der Grund ist darin
1 freigesetzte Histamin, das Komplementspaltprodukt C5a oder zu sehen, dass T-Zellen außer LFA-1 noch viele andere Adhäs-
Cytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), aber auch durch ionsmoleküle auf ihrer Oberfläche tragen, die das Fehlen von
2 Bakterienbestandteile selbst. P-Selektin erscheint innerhalb von β2-Integrinen ausgleichen. Integrine sind auch interessante An-
Minuten auf der Oberfläche der aktivierten Zellen. Es muss nicht griffspunkte für die Entwicklung neuartiger Therapieformen,
erst gebildet werden, sondern ist in den Weibel-Palade-Körper- wie zum Beispiel die Blockierung von α4:β1-Integrin, das eine
3 chen der Endothelzellen und in den Granula der Plättchen ge- Rolle bei allergischem Asthma, Multipler Sklerose und anderen
speichert. P-Selektin ist ein Notfallmolekül. Krankheiten spielt.
4 Im Gegensatz zu P-Selektin muss E-Selektin synthetisiert
werden. Es erscheint innerhalb von zwei Stunden auf der Ober- Adhäsionsmoleküle
der Immunglobulinsuperfamilie
5 fläche der Endothelzellen. P- und E-Selektin spielen eine maß-
gebliche Rolle bei der Rekrutierung von neutrophilen Granu- Einige Mitglieder der Immunglobulin(Ig)superfamilie haben
locyten. Diese Zellen können mithilfe der Selektine bei Gefahr wir schon kennengelernt, wie die spezifischen Rezeptoren der
6 augenblicklich das Blutgefäßsystem verlassen und zum Entzün- T- und B-Zellen, die T-Zell-Corezeptoren CD4 und CD8, die
dungsort vordringen. Zusätzlich spielt E-Selektin eine wichtige B-Zell-Corezeptorkomponente CD19 und die Domänen der
7 Rolle für die Rekrutierung von Monocyten als auch für die spe- MHC-Moleküle. Sie sind aus einer variablen Zahl von Ig-ähn-
zifische Wanderung von aktivierten T-Zellen in die Haut bei lichen Domänen aufgebaut, die jeweils 70–110 Aminosäuren
Entzündungsprozessen. umfassen. Zu dieser Superfamilie gehören auch verschiedene
8 Zelloberflächenproteine, die an Zelladhäsionsprozessen betei-
Integrine ligt sind. Das sind zum Beispiel die Bindungspartner der an der
9 Integrine sind Glykoproteine auf Zelloberflächen, die aus zwei Extravasation beteiligten Integrine wie MAdCAM-1, VCAM-
unterschiedlichen, miteinander assoziierten Ketten (α- und 1, ICAM-1 und ICAM-2. MAdCAM-1 wird auf den HEV der
10 β-Kette) aufgebaut sind (. Abb. 7.4). An der Bindung des Li- Schleimhäute und von den postkapillären Venolen der Lamina
ganden sind beide Untereinheiten beteiligt. Integrine vermitteln propria (Bindegewebsschicht unterhalb des Schleimhautepithels)
Adhäsionen mit anderen Zellen oder mit Proteinen der extrazel- des Darmes exprimiert. Dort ist es für das Homing von α4:β7-In-
11 lulären Matrix. Beim Menschen sind 18 α-Untereinheiten und tegrin tragenden Lymphocyten verantwortlich. VCAM-1 kommt
acht β-Untereinheiten bekannt, die sich zu 24 Integrinen kom- im Rahmen von Entzündungsprozessen auf Endothelzellen au-
12 binieren lassen. Die Bedeutung der Integrine liegt zum einen in ßerhalb der Schleimhäute vor. Dort unterstützt es die Adhäsion
ihrer Mannigfaltigkeit. Integrine sind aber auch in der Lage, auf von Lymphocyten, Monocyten und Granulocyten über α4:β1- als
intrazelluläre Signale mit schnellen und dramatischen Verände- auch aktiviertem α4:β7-Integrin. ICAM-1 und ICAM-2 werden
13 rungen in ihrer adhäsiven Funktion zu reagieren. Dabei kommt als konstitutive Rezeptoren für β2-Integrine auf vielen Endothel-
es zu einer Konformationsänderung der Integrine, die ihre Affi- zellen exprimiert, deren Expression bei Entzündungsprozessen
14 nität zum Bindungspartner dramatisch erhöht. stark hochreguliert wird.
Die an der Extravasation beteiligten Integrine sind die α4-In-
Integrine und Adhäsionsmoleküle der
15 tegrine (α4:β7-Integrin, α4:β1-Integrin) und die β2-Integrine (αLβ2
Immunglobulinsuperfamilie spielen
(leukocyte function associated antigen, LFA-1); αMβ2 (CD11b
oder Mac-1)). α4-Integrine sind vor allem in spezifische Leukocy- auch eine große Rolle bei der Interaktion
16 ten-Endothelzell-Interaktionen involviert. Sie kontrollieren die von Immunzellen
Wanderung der Leukocyten zu ihren Zielgeweben. Sie können Bestimmte Leukocytenintegrine und Adhäsionsmoleküle der
17 auch den initialen Kontakt von Immunzellen mit dem Endothel Immunglobulinsuperfamilie sind auch für die Wechselwirkung
von Venolen vermitteln. β2-Integrine sind erst in spätere akti- zwischen verschiedenen Immunzellen essenziell. LFA-1 ist zum
vierungsabhängige Adhäsionsprozesse involviert. Die Bindungs- Beispiel für die Interaktion zwischen dendritischen und naiven
18 partner der α4- bzw. β2-Integrine sind Adhäsionsmoleküle, die T-Zellen als auch für die Adhäsion von Effektor-T-Zellen an ihre
zur Immunglobulinsuperfamilie gehören, wie das mucosal ad- Zielzellen verantwortlich. Es bindet an die interzellulären Adhäs-
19 dressin cell adhesion molecule-1 (MAdCAM-1), das vascular cell ionsmoleküle ICAM-1 und ICAM-2, die unter anderem auf anti-
adhesion molecule-1 (VCAM-1) und die intercellular adhesion genpräsentierenden Zellen vorkommen. ICAM-3 wird dagegen
20 molecules (ICAMs). von naiven T-Zellen exprimiert und vermittelt die Interaktion
Die Bedeutung der Integrine als Schlüsselmoleküle der Ex- mit dendritischen Zellen über LFA-1 und DC-SIGN. Ebenfalls
travasation wurde im Zusammenhang mit Erkrankungen wie zur Immunglobulinsuperfamilie gehören das Adhäsionsmolekül
21 dem Leukocytenadhäsionsdefekt-1 (LAD-1 entdeckt). Diese CD2, das auf T-Zellen ausgeprägt wird, und sein Ligand LFA-3
Patienten leiden unter schweren, immer wiederkehrenden In- auf den dendritischen Zellen.
22 fektionen. Ihre Leukocyten tragen aufgrund eines genetischen
Defekts keine funktionelle β2-Integrin-Untereinheit (CD18) und Cadherine
damit kein funktionelles LFA-1 und CD11b. Dadurch ist die Die Cadherine sind calciumabhängige Adhäsionsmoleküle, die
23 Auswanderung von Leukocyten ins Gewebe stark eingeschränkt. homotypische molekulare Interaktionen vermitteln und die Ver-
Obwohl LFA-1 auch bei Interaktionen zwischen naiven T-Zel- bindung von gleichartigen Zellen unterstützen. Dies spielt zum
len und antigenpräsentierenden Zellen eine Rolle spielt, haben Beispiel eine Rolle zur Erhaltung der Integrität von epithelialen
7.3 • Adhäsion und Navigation
111 7
Oberflächen. Die Expression und Funktion des in Epithelien cyten regelmäßig nach Antigenen suchen. Alle anderen kleinen
vorkommenden E-Cadherins geht zum Beispiel in Karzinomen Gefäße sind zurückhaltender. Sie lassen Lymphocyten und an-
verloren. Dadurch können die Tumorzellen invasiv werden. Cad- dere weiße Blutkörperchen, von Ausnahmen abgesehen, erst bei
herine spielen auch in der Embryogenese eine Rolle. Außerdem Gefahr durchtreten.
scheinen sie die Bindung von Epithelzellen an intraepitheliale Leukocyten sind beim Verlassen des Blutstroms extremen
Leukocyten über α4:β7-Integrin zu vermitteln. Integrin-Cadhe- physikalischen Bedingungen ausgesetzt. Das fließende Blut
rin-Interaktionen spielen somit eine Rolle bei der Lokalisation schwemmt schnell Zellen weg, die die Gefäßwand berühren.
von Lymphocyten im Gewebe. Deswegen benötigen Immunzellen Adhäsionsmoleküle, die
stabile Brücken mit ihren Partnern, den vaskulären Adhäsions-
molekülen, auf der Gefäßwand bilden. Wie wir schon erfahren
Unser körpereigenes Navigationssystem haben, dienen diese nicht nur als Anker, sondern auch als gewe-
bespezifische Adressen, die die benötigten Typen von Immun-
Wir haben in den vorherigen Abschnitten viel über die Adhäsi- zellen zur richtigen Zeit am richtigen Ort aus dem Blutstrom
onsmoleküle und Chemokine und ihre Eigenschaften erfahren. entlassen. Dieser Prozess, die sogenannte Extravasation, ist ein
Nun wollen wir anhand der Extravasation und des Homings ihre kritischer Punkt innerhalb des Immunsystems. Er kontrolliert
Bedeutung im Körper als Navigationssystem kennenlernen. die Einwanderung von spezialisierten Lymphocytenuntergrup-
Lymphocyten sind viel unterwegs. Sie wandern ständig durch pen aber auch von Zellen des angeborenen Immunsystems in
den Körper. Naive Lymphocyten zirkulieren im Blut, gehen auf ganz bestimmte Gewebe und beeinflusst dadurch maßgeblich
der Suche nach Antigen in die peripheren lymphatischen Organe, die Art der Immunantwort. Falsche Zellen am falschen Ort
verlassen sie durch die abführenden Lymphgefäße und gelangen können zu Immunreaktionen führen, die körpereigene Ge-
schließlich oberhalb des Herzens über den in den linken Venen- webe schädigen. Die Spezifität der Leukocytenwanderung zu
winkel mündenden Ductus thoracicus (Milchbrustgang) wieder und innerhalb von Geweben und Organen wird maßgeblich
zurück ins Blut. Sind sie im lymphatischen Gewebe auf ihr spe- durch Zelladhäsionsmoleküle und die gewebespezifische oder
zifisches Antigen gestoßen, differenzieren sie sich noch hier zu entzündungsspezifische Bildung von chemischen Lockstoffen,
Effektorzellen, die sich dann sofort in das entzündete Gewebe den Chemokinen, bestimmt.
begeben, um vor Ort die Infektion zu bekämpfen. Gedächtnis-
zellen patrouillieren je nach Typ zwischen Blut und lymphati- Extravasation – ein Prozess in mehreren
schen Gewebe oder zwischen Blut und ehemaliger Eintrittsstelle Schritten
des Erregers (es ist wahrscheinlich, dass bei einer Reinfektion Für die Extravasation der Leukocyten sind vor allem die ers-
der Erreger über gleichartiges Gewebe wieder in den Körper ten drei Familien der Adhäsionsmoleküle von Bedeutung: die
gelangt). Auch andere Leukocyten gelangen nach ihrer Bildung Selektine, Integrine und die Mitglieder der Immunglobulinsu-
aus dem Knochenmark ins Blut, verlassen es schnell wieder und perfamilie. Sie ermöglichen es den Leukocyten, den Blutstrom zu
wandern in bestimmte Gewebe ein. Dies erfolgt wie im Falle der verlassen und in ein Gewebe einzuwandern. Dieser Prozess kann
Granulocyten hauptsächlich bei Gefahr, andere Immunzellen in vier aufeinanderfolgende Schritte unterteilt werden:
wie Monocyten, Mastzellen, NK-Zellen und dendritische Zellen 1. die Kontaktaufnahme der Leukocyten mit der Innenaus-
suchen die Gewebe in gewissem Umfang auch routinemäßig auf, kleidung der Blutgefäße, dem Endothel, und das Rollen der
um hier auszureifen und als Wachposten bei möglichen Infek- Leukocyten über die Blutgefäßwand,
tionen sofort eine Immunantwort einleiten zu können. Diesen 2. eine schnelle Aktivierung der Immunzellen durch Entzün-
Prozess bezeichnet man als Homing. Bei Gefahr wird dieser Pro- dungsmediatoren und/oder Chemokine,
zess dramatisch hochgefahren, sodass innerhalb kürzester Zeit 3. die aktivierungsabhängige stabile Haftung der Leukocyten an
Immunzellen in die infizierten Gewebe gelangen können. Doch das Endothel und
auch im Gewebe sind Leukocyten in Bewegung und wandern 4. die Durchwanderung der Blutgefäßwand, die Diapedese.
in bestimmte Mikrokompartimente, um ihren Aufgaben nach-
zukommen. Aufgrund der Reibung des Blutes an der Gefäßwand, bewegt
Wie schafft es der Körper, seine verschiedenen funktionellen sich die Blutsäule in verschiedenen Schichten unterschiedlich
Lymphocytentypen zu lenken? Wann weiß ein Leukocyt, wann schnell. Die geringste Geschwindigkeit befindet sich am Rand
und wo er die Blutbahn zu verlassen hat, um eine Entzündung und die höchste Geschwindigkeit in der Mitte des Blutstroms.
zu bekämpfen? Die Antwort lautet: Der Körper verfügt über ein Leukocyten werden im Blutstrom mit einer nicht zu unterschät-
Navigationssystem, das die Lymphocyten und auch die anderen zenden Geschwindigkeit mitgerissen. Würde man zum Beispiel
Immunzellen zu ihren jeweiligen Bestimmungsorten leitet. Zum die Geschwindigkeit eines Leukocyten in der Mitte einer Venole
einen verlassen Leukocyten den Blutstrom vorwiegend in ganz mit der eines Kleinwagens auf der Autobahn vergleichen, würde
bestimmten Bereichen, den postkapillären Venolen. Das sind das Auto mit einer Geschwindigkeit von 300 bis 400 km/h auf
kleine Venenabschnitte, die an die Kapillaren angrenzen. Sie der linken Spur rasen.
haben genau den richtigen Durchmesser, damit aus dem Blut- Bestimmte Bedingungen ermöglichen es den Leukocyten
strom austretende Leukocyten nicht den Gasaustausch mit dem jedoch, mit dem Endothel der Blutgefäße in Kontakt zu kom-
Gewebe behindern. Routinemäßig geschieht das hauptsächlich men. Im Bereich der postkapillären Venolen erweitert sich das
in den lymphatischen Geweben, denn dort müssen die Lympho- Gefäßbett beträchtlich und führt zu einer Verlangsamung der
112 Kapitel 7 • Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe
Leukocyt Oligo-
1 saccharide
Blutfluss
2
3
Selektin
4
5
6
.. Abb. 7.5 Selektine, die wichtigsten Initiatoren der Extravasation. Selektine binden mit ihrer lektinähnlichen Domäne verschiedene bis überlappende
Gruppen von Kohlenhydratliganden auf vorbeiziehenden Leukocyten oder auf Endothelzellen. Sie binden schnell und mit großer Zugfestigkeit. Doch unter
7 dem Druck des fließenden Blutes lösen sich die Bindungen zwischen den Selektinen und ihren Liganden stromaufwärts der Leukocyten, stromabwärts werden
sie aber sofort wieder neu geknüpft. Diese permanente Dissoziation und Assoziation der Bindungen setzen ein sogenanntes Rollen der Leukocyten über die
8 Gefäßwand in Gang. Dieses Gleichgewicht zwischen Festhalten und Loslassen der Bindungspartner kann man sich gut vorstellen, wenn man einen Gibbon
beim Klettern betrachtet, der mit einer Hand nach dem nächsten Ast greift, danach die zweite Hand löst, um nach dem nächsten Ast zu greifen und so weiter.
(Verändert nach Murphy, Travers und Walport, Gibbons: ▶ dieKLEINERT.de/Enno Kleinert.)
9
Blutströmung. Dadurch verringern sich die Scherkräfte zwischen Affinität zu ihren Liganden auf den Endothelzellen. Diese er-
10 den Erythrocyten, die jetzt zur Aggregation neigen (Geldrollen- höhte Affinität vermittelt eine aktivierungsabhängige Bindung
bildung). Diese schweren Zellaggregate bewegen sich nun in der der Leukocyten an die Oberfläche des Endothels. Die Bindung
Mitte des Blutstroms und drängen die kleineren Leukocyten in der Integrine an Adhäsionsmoleküle der Ig-Superfamilie setzt
11 den langsamer fließenden Randstrom, in die Nähe des Endothels ebenfalls Signaltransduktionsprozesse in Gang (outside-in-si-
der Gefäßwand. gnaling). Unter Einbezug des Cytoskeletts verändern die Leu-
12 Damit eine Kontaktaufnahme zwischen Leukocyten und En- kocyten nun ihre Gestalt und breiten sich auf der Innenwand
dothel möglich wird, werden Adhäsionsmoleküle benötigt, die der Blutgefäße aus. Es folgt der finale Schritt der Extravasation:
darauf spezialisiert sind, schnell und mit großer Zugfestigkeit die Diapedese. Bei diesem Prozess wandern die Leukocyten
13 zuzupacken. Die wichtigsten Initiatoren der Adhäsion sind die durch das Endothel in das darunterliegende Gewebe und von
drei Selektine. Man nennt sie auch primäre Adhäsionsmoleküle. dort in bestimmte Bereiche, wo sie ihre Funktion ausüben. Diese
14 Sie binden schnell und mit großer Zugfestigkeit, doch diese Bin- Schritte werden ebenfalls durch Adhäsionsmoleküle und Che-
dungen sind nicht von Dauer. Eine Anheftung der Zellen an mokine ermöglicht (. Abb. 7.6).
15 die Gefäßwand erfolgt nicht. Unter dem Druck des fließenden
Immunzellen und ihre Bestimmungsorte
Blutes lösen sich die Bindungen zwischen den Selektinen und
ihren Liganden stromaufwärts der Leukocyten, stromabwärts Worin liegt nun die Spezifität des Homings? Woher weiß eine
16 werden sie aber sofort wieder neu geknüpft. Diese permanente Zelle, wo sie die Blutbahn verlassen muss? Die unterschiedliche
Dissoziation und Assoziation der Bindungen setzen ein soge- Expression von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen ent-
17 nanntes Rollen der Leukocyten über die Gefäßwand in Gang spricht einer Adresse mit einer Postleitzahl, die aus drei Ziffern
(. Abb. 7.5). Um das Rollen abzubremsen und zu stoppen, besteht, die unterschiedlich kombiniert werden können. Die
müssen die Zellen zusätzliche Adhäsionsmoleküle in Anspruch einzelnen Leukocytensubpopulationen, wie naive Lymphocy-
18 nehmen. Diese sogenannten sekundären Adhäsionsmoleküle ten, Effektorzellen, Gedächtniszellen, T-Vorläuferzellen, aber
gehören alle zur Integrinfamilie. Es handelt sich um die α4- und auch Zellen des angeborenen Immunsystems, haben den jewei-
19 β2-Integrine. Während β2-Integrine (zusammen mit den α4-Inte- ligen Schlüssel dazu. Manche tragen ihn ständig, andere erhal-
grinen) in späte Adhäsionsprozesse involviert sind, können die ten oder ändern ihn bei Differenzierungs- und Entzündungs-
20 α4-Integrine auch der Kontaktaufnahme dienen. Dies ist der Fall, prozessen. Das Gleiche gilt für die Adressen der Blutgefäße.
wenn keine Selektine ausgeprägt sind. Während die Selektine Die erste Ziffer der Adresse ist der initiale Kontakt, der über
konstitutiv aktiv sind, müssen Integrine erst aktiviert werden, drei verschiedene Selektine und ihre Partner und/oder über
21 um an ihre Liganden auf den Endothelzellen der Blutgefäße bin- die α4-Integrine und ihre vaskulären Liganden VCAM-1 und
den zu können. Dies ist wichtig, weil es sonst zu gefährlichen MAdCAM-1 erfolgen kann. Die zweite Zahl sind gewebespe-
22 unspezifischen Adhäsionen innerhalb der Blutgefäße kommen zifische oder entzündungsspezifische Chemokine und andere
könnte. Das Rollen bringt die Leukocyten in Kontakt mit den Aktivierungsmediatoren. Die dritte Ziffer stellen wiederum die
Endothelzellen, sodass sie nun zugänglich für die Aktivierung Integrine und ihre Liganden dar. In . Abb. 7.6 ist das Homing
23 durch Chemokine und Entzündungsmediatoren sind. Diese von naiven Lymphocyten und zentralen T-Gedächtniszellen un-
lösen eine schnelle Konformationsänderung der Integrine aus ter der Kontrolle von Adhäsionsmolekülen und Chemokinen
(inside-out-signaling). Jetzt haben die Integrine eine erhöhte dargestellt.
7.4 • Regulatorische T-Zellen (Treg)
113 7
1 2
erster lockeres 4
Kontakt Rollen langsames feste 5
Rollen Anheftung Diapedese
3
Zelloberfläche Aktivierung durch
Chemokine
Endothel
b
.. Abb. 7.6 Der Prozess der Extravasation und die Spezifität des Homings in die peripheren Lymphknoten. a) Das Verlassen des Blutstroms (Extravasation)
ist ein maßgeblicher Vorgang innerhalb des Immunsystems. Hier wird festgelegt, welche Zellen an einen Entzündungsort oder in ein lymphatisches Gewebe
einwandern dürfen und welche nicht. Deswegen wird die Extravasation auf Molekülebene kontrolliert. Adhäsionsmoleküle stellen den ersten Kontakt zwi-
schen Leukocyt und Innenwand des Blutgefäßes her, führen zum Abrollen der Zellen und schließlich zur Ansammlung auf der Gefäßwand. Chemokine oder
Entzündungsmediatoren aktivieren die Zellen über Rezeptoren und veranlassen eine stabile Bindung, eine Voraussetzung für den anschließenden Durchtritt
der Zelle durch die Gefäßwand in das darunterliegende Gewebe (Diapedese). Je nach Gewebe oder Entzündung werden unterschiedliche Adhäsionsmole-
küle oder Chemokine von den Endothelzellen exprimiert (grau unterlegt). Auch die Immunzellen unterscheiden sich in der Expression von Liganden (hellrot
unterlegt), die an die vaskulären Adhäsionsmoleküle zu binden vermögen. b) Naive B-Zellen, naive T-Zellen als auch zentrale T-Gedächtniszellen (TCM) sind
durch eine hohe Expression von L-Selektin charakterisiert. Außerdem tragen sie noch das β2-Integrin LFA-1 und Chemokinrezeptoren. α4-Integrine kommen
auf ihrer Oberfläche nicht vor. Der Ligand von L-Selektin ist PNAd, das auf den hohen Endothelien (HEV) der peripheren Lymphknoten vorkommt. Es fängt
naive L-Selektin tragende Lymphocyten und zentrale T-Gedächtniszellen ein. Die L-Selektin/PNAd-Interaktion veranlasst das Rollen der Leukocyten auf der
Blutgefäßwand. Die Oberfläche der HEV präsentiert die Chemokine CCL21 und in einem geringen Umfang CCL19 und CXCL12. CCL21 wird von den HEV der
Lymphknoten konstitutiv gebildet. CCL19 stammt von Zellen innerhalb des Lymphknotens. Beide binden an den Chemokinrezeptor CCR7, der auf der Oberflä-
che der Lymphocyten exprimiert wird. Diese Bindung führt zu einer Konformationsänderung des Integrins LFA-1 (αLβ2) auf den Leukocyten. Dieses β2-Integrin
kann nun an ICAM-1 binden, das auf den HEV exprimiert wird. Bei B-Zellen kann die Aktivierung von LFA-1 auch über die Stimulation des Chemokinrezeptors
CXCR4 durch das Chemokin CXCL12 erfolgen. Es folgen Diapedese und die Wanderung der Lymphocyten in ihre speziellen Zonen innerhalb des Lymphkno-
tens. Die Migration der B-Zellen wird durch die Wechselwirkung des Chemokinrezeptors CXCR5 und seinem Liganden CXCL13 beeinflusst. T-Zellen werden
möglicherweise durch CCL19 und andere Chemokine in die T-Zell-Zone gelockt. Myeloide Zellen können nicht über die HEV in die Lymphknoten eintreten. Sie
exprimieren zwar L-Selektin und LFA-1, aber kein CCR7 oder CXCR4. Diese Zellen können zwar Kontakt aufnehmen und rollen, aber keine Bindung mit dem
Endothel eingehen. Aktivierte T-Effektorzellen und Effektor-Gedächtniszellen (TEM) wiederum tragen kein L-Selektin. Ihnen sind die Kontaktaufnahme und das
Rollen verwehrt. (a: verändert nach v. Andrian und Mackay; b: verändert nach Campbell und Butcher.)
7.4 Regulatorische T-Zellen (Treg) und Stillstellen von autoreaktiven Zellen im Thymus und Kno-
chenmark wurde bereits im Kapitel Hämatopoese besprochen.
Wofür brauchen wir regulatorische T-Zellen? Diesen Teil nennt man zentrale Toleranz. Dem gegenüber steht
die periphere Toleranz, die zum einen entstehen kann, wenn
Das Immunsystem hat ein großes autoaggressives Potenzial, da naive Lymphocyten nur ihr antigenspezifisches 1. Signal erhalten
alle Abwehrsysteme auch den Körper selbst angreifen können. (▶ Kap. 5), aber weitere Signale, die die Differenzierung einleiten,
Deshalb muss das Immunsystem stark kontrolliert werden. Au- ausbleiben. Ein weiterer Mechanismus der peripheren Toleranz
toreaktive Zellen müssen still gestellt oder unterdrückt und die ist die Unterdrückung der Immunreaktion durch regulatorische
Immunreaktion auch wieder abgeschaltet werden. Dies ist not- T-Zellen. In den übrigen Kapiteln wird oftmals der Oberbegriff
wendig, da eine anhaltende Entzündungsreaktion mit den Be- Treg für regulatorische T-Zellen verwendet, tatsächlich gibt es aber
gleiterscheinungen auch schlecht für den Körper ist. Das Abtöten verschiedene Treg-Typen, die hier kurz vorgestellt werden sollen.
114 Kapitel 7 • Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe
FoxP3 nTreg pe der iTreg, die kein FoxP3 exprimieren. Zur Differenzierung
3 FoxP3 benötigen die Zellen spezifische Cytokine, die von den APC
nTreg F-β und weiteren an der Immunreaktion beteiligten Zellen, z. B.
FoxP3 TG NK
IFN-γ von den NK-Zellen, kommen. Je nach Aktivierung
4 naive produzieren DC dabei IL-1 und IL-23 oder IL-12 bzw. IL-10.
TH
-γ
Interleukin-4 ist bereits präformiert in den basophilen und
IFN
5 eosinophilen Granulocyten, die ebenfalls APC-Funktion
haben. Die übrigen Zellpopulationen stehen ebenfalls in
naive T H1 einem Wechselspiel, indem sie jeweils die eigene Aktivität
TH t-bet
6 IL-1
2 fördern und die der übrigen Zellen unterdrücken. Unter
der Bezeichnung der Zellpopulation ist der für die jeweilige
TH17 naive Zellpopulation charakteristische Transkriptionsfaktor (z. B.
APC
RORγ t TH
7 IL-1, IL-23
IL-4
FoxP3) kursiv angegeben. Es gibt Hinweise dafür, dass durch
starke Gefahrensignale iTreg auch in TH17-Zellen umgewan-
naive T H2
IL-10
12 IFN-γ
TH1
t-bet TH1
13 t-bet IFN
-γ
F-β IL-
10 IL-
TG 17
14 n/iTreg TH2 Tr1 TH17
IFN-γ
IL-17
IL-4
15 TG
F-β
IL-
10
TH 2
IL-
4
die Abgrenzung von nTreg anhand von Markern sehr schwierig diese sublingual (unter die Zunge) appliziert werden. Solch ein
ist, weshalb hier nur von iTreg gesprochen wird. FoxP3 (forkhead Schwellenwert muss aber nicht nur für die definitiv harmlosen
box P3) ist ein Transkriptionsfaktor, der stark in den Treg (außer Antigene aus der Nahrung eingerichtet werden, sondern auch
Tr1) exprimiert wird und deshalb heute als einer der wichtigs- für andere schwache Antigene, z. B. für die Antigene von kom-
ten Marker für Treg gilt. Die nTreg entstehen direkt im Thymus, mensalen Bakterien, die ja toleriert werden sollen, da sie zur
nach neuesten Erkenntnissen wahrscheinlich in den Hassal’schen natürlichen Immunabwehr beitragen. Dieser Schwellenwert ist
Körperchen unter dem Einfluss von TSLP (thymic stromal-de- auch für die Unterdrückung von Reaktionen auf kreuzreaktive
rived lymphopoietin), und haben eine hohe Affinität zu ihrem Antigene wichtig. Dies nutzen Erreger beim molekularen Mimi-
Antigen (. Abb. 7.7). Die iTreg entstehen im Verlauf einer Imm- kry aus, welches bei der Autoimmunität näher besprochen wird.
unreaktion, wo wahrscheinlich auch die Aufgabenteilung dieser Letztlich findet eine ähnliche Form der Toleranzbildung auch in
beiden Populationen liegt. Die nTreg sorgen mehrheitlich für die der Induktion der fetomaternalen Toleranz statt, um eine intakte
Selbst-Toleranz, während die iTreg mehrheitlich die Immunreak- Schwangerschaft zu gewährleisten.
tion regulieren. FoxP3 ist aber nicht exklusiv für Treg, und nicht Komplizierter wird die Funktion in der Immunregulation,
alle Treg-Subpopulationen exprimieren diesen Transkriptionsfak- wo eine Immunantwort zunächst gewünscht ist. Der Balanceakt
tor. Neben FoxP3 gibt es weitere Marker für Treg, die mehr oder der Treg besteht dabei darin, die Immunreaktion gegen einen Er-
weniger spezifisch für diese Zellpopulation sind. Die wichtigsten reger zuzulassen, aber gleichzeitig die überschießende Reaktion
Marker sind die hohe Expression von CD25 (CD25hi), CTLA-4 zu unterdrücken, die eine Immunpathologie nach sich ziehen
(cytotoxic T lymphocyte-associated antigen 4), GITR (glucocorti- würde, d. h., das Immunsystem würde mehr Gewebe zerstören als
coid-induced tumor necrosis factor receptor family related gene) retten. Man kann dies experimentell nachvollziehen und kennt
und LAG-3 (lymphocyte activation gene-3) sowie die niedrige Ex- die Bedeutung der Treg, aber die molekularen Mechanismen sind
pression von CD127 (IL-7-Rezeptor-α-Kette) gegenüber anderen noch nicht alle verstanden. Gut zu verstehen ist der Eingriff der
T-Zellen. Die Tr1-Zellen unterscheiden sich wesentlich von den Treg in die Entscheidung des Reaktionstyps der Immunantwort
nTreg und den übrigen iTreg, da sie kein FoxP3 und kein oder nur bei T-Zellen, d. h. die Entscheidung zu TH1-, TH2- oder TH17-Im-
wenig CD25 exprimieren und vor allem unter dem Einfluss von munreaktionen, und B-Zellen, d. h., den Immunglobulinklassen-
IL-10 entstehen. Bei all diesen Unterschieden ist den Treg gemein- wechsel. Hier können die Treg über die von ihnen produzierten
sam, dass sie selbst kein IL-2 produzieren, aber von diesem als Cytokine nicht nur die Immunreaktion unterdrücken, sondern
Überlebensfaktor abhängig sind. auch in eine entsprechende Richtung lenken. So unterdrückt z. B.
TGF-β die Produktion von IgG, fördert aber die Produktion von
IgA. Ein Beispiel für die T-Zellen wurde mit der Umschaltung
Die Funktionen der regulatorischen T-Zellen von Treg auf IL-17-Produktion bereits oben gegeben.
Extrem wichtig für ein intaktes Immunsystem ist die Ab-
Die Treg haben wichtige Funktionen, auf die in den jeweiligen schaltung der Immunreaktion, wenn der Erreger eliminiert ist,
funktionellen Kapiteln näher eingegangen wird. Ursprünglich da eine chronische Entzündungsreaktion langfristig den Körper
entdeckte man die Treg als Zellen, die die natürliche Selbst-To- stark schädigt. Die Abschaltung der Zellaktivierung ist deshalb
leranz aufrechterhalten. Dies sind vor allem die nTreg und diese ein automatisches Programm, das bereits bei der Aktivierung
sind antigenspezifisch. Die Selbst-Toleranz entsteht also durch der Zellen mit induziert wird. In der Spätphase der Immunre-
die Elimination von autoreaktiven Zellen und durch die anti- aktion kann man deshalb die Treg nicht mehr anhand aller oben
genspezifische Unterdrückung autoreaktiver Zellen durch nTreg genannten Marker von aktivierten T-Zellen unterscheiden. Alle
ähnlicher Spezifität, d. h. mit Spezifität für das gleiche Anti- T-Zellen regulieren nach Stimulation schnell den hochaffinen
gen, aber nicht für das gleiche Epitop. Vergleichbar unterdrü- IL-2-Rezeptor (CD25) herauf, sodass die Abgrenzung zu den Treg
cken die iTreg die Entstehung von Allergien, indem sie durch schwierig wird. Durch stärkere Expression von CD25 konkurrie-
ihre Suppression die Reaktionsschwelle gegen Antigene ohne ren die aktivierten T-Zellen mit den Treg um IL-2 als Wachstums-
Gefahrensignale hochhalten. Dies wird dadurch erreicht, dass faktor, was den Schwellenwert für die Aktivierung bedingt. Im
die Treg bei Stimulation über Rezeptoren der angeborenen Im- selbstregulierenden Programm wird dann ca. 2–3 Tage nach der
munität (z. B. TLR) aufgrund der Gefahrensignale umschalten Aktivierung in den T-Zellen CTLA-4 hochreguliert, womit eine
und IL-17 produzieren und damit eine Immunantwort zulas- erneute Stimulation unterdrückt wird. Damit nutzen die nor-
sen (. Abb. 7.7). Klinisch sieht man die Rolle in Autoimmu- malen T-Zellen wiederum einen Marker, den die Treg konstitutiv
nität und Allergie am XLAAD (X-linked autoimmunity-allergic exprimieren. Dementsprechend wirken in der Abschaltung der
dysregulation syndrome), bei dem FoxP3 defekt ist und deshalb Immunregulation autoregulatorische Mechanismen in den Ef-
früh fatale autoimmune und allergische Reaktionen auftreten. fektor-T-Zellen und Treg zusammen.
Besonders wichtig ist die Induktion der Toleranz durch Treg in Bei allen drei oben beschriebenen Szenarien ist es die Re-
der Ernährung, d. h. wir müssen gegen alle Antigene unserer gel, dass die Treg in einem gemeinsamen Verbund mit den APC
Nahrung tolerant werden, um uns ohne Risiko ausgewogen zu und den Effektor-T-Zellen interagieren. Die Treg und die APC,
ernähren. Diese Toleranz wird vor allem über Treg in der Leber vor allem DC, beeinflussen sich also gegenseitig; dies geschieht
und dem MALT des Mundraumes induziert, man spricht von z. B. über cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat) der Treg
oraler Toleranz. Diesen natürlichen Toleranzinduktionsweg zur Inhibition der DC und proinflammatorische Cytokine der
nutzt man bei der Desensibilisierung gegen Allergene, bei der DC zur Inhibition der Treg. In diesem Wechselspiel entscheidet
116 Kapitel 7 • Die Regulation des Immunsystems und immunprivilegierte Organe
1 Plazenta
2 FASL
Trophoblast Komplement-
regulatorpro-
3 IDO
tein Crry
uNK-Zelle Hemmung der Phagocyten
4 Proliferation
angiogenetische
5 Faktoren TGF-β
Wachstums- IFN-γ T-Zellen
faktoren
6 IL-10
Immunsuppression
DC
TGF-β Makrophage
7 mütterliches
Blutgefäß
8 selektive
Rekrutierung
Treg = Toleranz ?
?
von Leukocyten Lymphknoten
9 mütterliches Gewebe
Induktion von
Toleranz
10 .. Abb. 7.8 Die Plazenta als immunologische Barriere zwischen Mutter und Fetus. Bei normal verlaufenden Schwangerschaften entwickelt sich der semial-
logene (genetische Eigenschaften von der Mutter und vom Vater) Fetus, ohne eine Abstoßungsreaktion durch das mütterliche Immunsystem hervorzurufen.
11 Eine besondere Rolle spielt der fetale Trophoblast, der eine Grenzschicht zwischen Fetus und mütterlichem Immunsystem darstellt. Diese Barrierefunktion er-
klärt jedoch nicht das Ausbleiben einer Abstoßungsreaktion gegen die fetalen Plazentazellen selbst. Vielmehr haben sich mütterliche und fetale Mechanismen
gebildet, die das fremde Gewebe während der Dauer der Schwangerschaft tolerieren. Dazu gehören Kontrolle der Leukocyteneinwanderung; Vorbereitung
12 des mütterlichen Gewebes und der lokalen Blutgefäße auf die einwandernden Plazentazellen als auch deren Kontrolle durch uterine NK-Zellen. Des Weiteren
sind die Induktion von Toleranz und Immunsuppression durch dendritische Zellen und regulatorische T-Zellen wichtige Mechanismen. Trophoblastenzellen
exprimieren IDO, Fas-Ligand und Crry, um mütterliche T-Zellen beziehungsweise Komplementkomponenten zu unterdrücken. Crry: complement receptor-1-re-
13 lated protein y; IDO: Indolamin-2,3-Dioxygenase; uNK: uterine NK-Zelle
14 sich aufgrund der Stärke der Stimulation der APC, ob der dritte Granula, Chemokine locken weitere Leukocyten an, cytotoxische
Partner, die Effektor-T-Zelle, aktiviert wird. Killerzellen töten virusinfizierte Zellen und Tumorzellen. Anti-
15 körper markieren Mikroorganismen und Parasiten, um ihre Ver-
nichtung zu erleichtern oder führen nach Bindung des Antigens
7.5 Ausnahmen bestätigen die Regel – zur Degranulierung von Mastzellen und anderen Immunzellen.
16 immunprivilegierte Organe Die meisten Gewebe des Körpers können das verkraften,
ohne bleibende Schäden davonzutragen. Die immunologisch
17 Wir begeben uns jetzt in Bereiche des Körpers, die aus immu- privilegierten Regionen dagegen nicht. Sie enthalten äußerst
nologischer Sicht mehr als ungewöhnlich sind. In diesen Berei- empfindliche Gewebe, die nicht erneuerbar sind, deren Zellen
chen lösen selbst Transplantate von genetisch unterschiedlichen sich nicht mehr teilen können oder hochgradig differenziert sind,
18 Spendern der gleichen Art (allogene Transplantate) keine Imm- wie die Netzhaut des Auges, die Keimzellen und das ungeborene
unreaktion und somit auch keine Abstoßungsreaktion aus. Sie Kind. Zellverluste in diesen Bereichen sind nicht kompensierbar
19 werden über einen längeren Zeitraum, manchmal auch unbe- und hätten nicht nur für die Funktion dieser Bereiche fatale Fol-
grenzt, toleriert. gen, sondern langfristig auch für das Überleben des Organismus
20 Mittlerweile kennt man mehrere sogenannte immunprivile- oder der Art. In diesen Regionen sind deshalb die Immunreakti-
gierte Regionen im Körper. Neben Auge und Gebärmutter mit onen sehr stark limitiert oder im Vergleich zu anderen Organen
Plazenta und Fetus gehören Gehirn, Hoden (Testes), Eierstock so verändert, dass sie das Gewebe nicht schädigen.
21 (Ovar) und Haarfollikel, beim Hamster auch die Backentasche Doch wie schützen sich immunologisch privilegierte Regio-
dazu. Aber warum dürfen hier keine Immunreaktionen im klas- nen vor dem eigenen Immunsystem? Sie sind in der Regel von
22 sischen Sinn ablaufen? Die Antwort des Körpers auf Krankheits- Barrieren umgeben, den sogenannten Blut-Gewebe-Schranken,
erreger beinhaltet drastische Maßnahmen, in deren Verlauf es die sie vom Rest des Körpers trennen. So wird zum Beispiel das
notgedrungen zu Entzündung und Verletzung des beteiligten Gehirn durch die Blut-Hirn-Schranke und das Auge durch die
23 Gewebes kommt. Komplementkomponenten lysieren Bakterien Blut-Okular-Schranke geschützt. Dendritische Zellen, die Anti-
und aktivieren zusammen mit Cytokinen Immunzellen, Phago- gene aus den immunologisch privilegierten Regionen in das für
cyten fressen den Erreger oder attackieren ihn mithilfe toxischer diesen Bereich zuständige lymphatische Gewebe transportieren
7.5 • Ausnahmen bestätigen die Regel – immunprivilegierte Organe
117 7
ner erfolgreichen Schwangerschaft unerlässlich sind. Durch die bremsen. Eine Untergruppe dieser immunhemmenden T-Zellen
1 Produktion von Cytokinen, vor allem von Interferon-γ, Wachs- erkennt ihre Antigene jedoch nicht über die von den dendriti-
tumsfaktoren für Gefäße (angiogenetische Faktoren) und Che- schen Zellen präsentierten MHC-Moleküle. Sie binden vielmehr
2 mokinen tragen sie entscheidend zur Erweiterung und zum spezifisch an seltene embryonale Selbst-Antigene, sogenannte
Umbau bestehender uteriner Gefäße bei, ermöglichen die Be- onkofetale Moleküle, die vom Trophoblasten exprimiert werden.
siedlung der uterinen Spiralarterien durch Trophoblastzellen und Dadurch stimuliert, entfalten sie ihre hemmende Wirkung.
3 führen zu Veränderungen der Bindegewebszellen des schwan- Regulatorische T-Zellen, uterine natürliche Killerzellen,
geren Uterus. Beim Menschen sind sie auch an der Ausreifung dendritische Zellen und Deciduazellen (Decidua: nach der Im-
4 der fetalen Trophoblastenzellen beteiligt und kontrollieren deren plantation der Eizelle umgewandelte Gebärmutterschleimhaut)
Ausbreitung im mütterlichen Gewebe. Zusätzlich spielen sie eine sind Schlüsselfiguren des lokalen mütterlichen Immunsystems,
5 Schlüsselrolle bei der Abwehr von Krankheitserregern, die wäh- zumindest während der kritischen frühen Phase einer Schwan-
rend der Schwangerschaft in den Uterus gelangen. Dennoch darf gerschaft.
man nicht vergessen, dass sie Killerzellen sind, die ein tödliches
6 Arsenal in ihrem Inneren tragen. Doch die fetalen Plazentazellen
verfügen über Verteidigungsmechanismen, mit deren Hilfe sie Überlebensstrategien des kindlichen Gewebes
7 sich dem cytotoxischen Potenzial dieser Zellen entziehen. Mehr
noch, die Trophoblastenzellen nutzen spezielle Rezeptoren auf Die fetalen Trophoblastenzellen der Plazenta setzen wiederum
der Oberfläche der uterinen NK-Zellen, um ihre eigene Ausbrei- auf die Strategie des Ausweichens und der Selbstverteidigung,
8 tung und somit die Plazentabildung zu regulieren. geben aber auch Signale, die schwangerschaftsnotwendige Ver-
Aber wie wird eine natürliche Killerzelle zur uterinen na- änderungen des mütterlichen Gewebes hervorrufen. Ihr Ziel ist
9 türlichen Killerzelle, die den Gegebenheiten im schwangeren die Sicherung des eigenen Überlebens und das des sich entwi-
Uterus so einzigartig angepasst ist? Dabei spielt eine weitere ckelnden Kindes. Dabei wenden sie Tricks an, um das mütterli-
10 wichtige Zellpopulation des mütterlichen Immunsystems eine che Immunsystem zu überlisten, tragen aber auch Oberflächen-
wichtige Rolle: die dendritischen Zellen. Zumindest eine Un- moleküle, mit denen sie notfalls die Attacken des mütterlichen
tergruppe von ihnen schafft zusammen mit Bindegewebszellen Immunsystems abwehren, zumindest aber dämpfen können.
11 genau dasjenige Mikromilieu, das die uterinen NK-Zellen für So tragen die Plazentazellen kaum klassische MHC-Moleküle
ihre Reifung und die Entwicklung ihrer speziellen Funktionen (HLA-C ist hier das einzige MHC-Molekül mit nennenswertem
12 brauchen. Dazu müssen dendritische Zellen und uterine NK-Zel- Polymorphismus). Dadurch machen sie sich weitestgehend un-
len miteinander kommunizieren. Man spricht von einem soge- sichtbar für die mütterlichen T-Zellen. Stattdessen exprimieren
nannten Cross-Talk. Dieses „Zwiegespräch“ erfolgt über lösliche sie gering polymorphe MHC-Klasse-I-Moleküle (beim Men-
13 Botenstoffe, aber auch über direkte Kontakte zwischen diesen schen HLA-G und HLA-E), die keine spezifischen Immunreakti-
beiden Immunzellen. Während die dendritischen Zellen ihre onen auslösen. HLA-E hemmt die Tötungsfunktion der uterinen
14 „Gesprächspartner“ aktivieren, all das zu tun, was für die Bil- natürlichen Killerzellen. HLA-G und HLA-C helfen dagegen bei
dung einer Plazenta nötig ist, scheinen die uterinen NK-Zellen der Plazentabildung, indem sie über die Aktivierung von uteri-
15 eher beruhigend auf die dendritischen Zellen zu wirken. Dies ist nen NK-Zellen den Umbau der mütterlichen Gefäße vorantrei-
wichtig, denn dendritische Zellen haben noch eine weitere sehr ben und die Kontrolle der Trophoblasteninvasion übernehmen.
wichtige Aufgabe an der mütterlich/fetalen Grenzschicht. Sie Außerdem tragen die fetalen Plazentazellen zahlreiche Mo-
16 sind an der Auslösung der Toleranz gegenüber dem kindlichen leküle zur Selbstverteidigung wie das Todessignal Fas-Ligand.
Gewebe beteiligt. Sie produzieren das Enzym Indolamin-2,3-Dioxygenase, kurz
17 Unreife dendritische Zellen phagocytieren im schwangeren IDO genannt. IDO baut die lebensnotwendige Aminosäure
Uterus Fremd-Antigen in Form von fetalen Zellen, aber, und Tryptophan ab, die von T-Zellen zur Teilung und Funktion be-
das ist der Unterschied zu Entzündungsreaktionen in anderen nötigt wird. Funktionelle Untersuchungen bei trächtigen Mäusen
18 Geweben, sie bleiben ruhig, sie prägen nicht mehr MHC-Mo- zeigten, dass eine chemische Hemmung von IDO zu Aborten
leküle und keine zusätzlich aktivierenden Moleküle aus und si- von Feten genetisch unterschiedlicher Eltern führt. Feten von
19 gnalisieren keine Gefahr. Der Grund ist zum einen das Fehlen genetisch gleichen Eltern (Inzuchtstämme) blieben dagegen un-
von Entzündungsfaktoren, die die dendritische Zelle aktivieren behelligt. Diese Beobachtungen unterstützten die Hypothese,
20 könnten. Zum anderen gibt es im schwangeren Uterus hohe Kon- dass die Plazenta mithilfe der Tryptophanverarmung mütterli-
zentrationen an hemmenden Faktoren, die eine Aktivierung der che T-Zellen unter Kontrolle hält, die gegen MHC-Proteine des
dendritischen Zellen unterdrücken. Auch die uterinen NK-Zel- Vaters gerichtet sind.
21 len spielen, wie bereits erwähnt, eine wichtige Rolle in diesem Die Trophoblastenzellen exprimieren auch Komplementre-
Prozess. Wenn die uterinen dendritischen Zellen nun in das gulatorproteine, die eine Aktivierung des mütterlichen Komple-
22 nächste lymphatische Gewebe wandern, präsentieren sie zwar mentsystems verhindern. Ein regulatorisches Protein in Nage-
Fremd-Antigen, signalisieren aber: „Keine Gefahr!“ Naive T-Zel- tieren, das sogenannte complement receptor-1-related protein y
len bekommen keine weiteren Signale und werden funktionsun- oder auch Crry, hat in der Reproduktionsbiologie für Aufregung
23 fähig oder sterben durch Apoptose. Möglicherweise sind diese gesorgt, als festgestellt wurde, dass Knockout-Mäuse, bei denen
dendritischen Zellen auch mit der Bildung von regulatorischen das Gen für dieses Protein ausgeschaltet wurde, keinen Nach-
T-Zellen assoziiert, die wiederum das Immunsystem der Mutter wuchs bekommen konnten. Sie zeigten schon in frühen Stadien
Literatur
119 7
der Trächtigkeit eine Abstoßung der Feten. Untersuchte man die ben in der Regel in friedlicher Koexistenz mit dem Immunsys-
Implantationsstellen dieser Mäuse, so fand man Komplement tem des Gastorganismus. Doch erhöhte Zahlen der Fremdlinge
aktivierung auf der Oberfläche des Trophoblasten und eine da- im mütterlichen Körper sind oft assoziiert mit Krankheiten wie
durch ausgelöste dramatische Zuwanderung von Immunzellen. systemische Sklerose, einer autoimmunen Bindegewebserkran-
Entzündungsreaktionen und die damit einhergehende Zerstö- kung der Haut und inneren Organe und anderen Autoimmuner-
rung des Trophoblasten beendeten die Trächtigkeit. Obwohl ein krankungen. So wurden im Blut von Frauen mit systemischer
humanes Äquivalent für Crry nicht existiert, scheinen andere Sklerose bis zu dreißigmal mehr Zellen des Kindes gefunden als
regulatorische Proteine seine Funktionen in der menschlichen bei gesunden Vergleichspersonen. Darunter befinden sich auch
Plazenta zu übernehmen. Ob allerdings eine Abwesenheit oder fetale Immunzellen. Sie erneuern sich immer wieder aus fetalen
ein Mangel an diesen Komponenten beim Menschen zu Aborten Stammzellen, die bei der Schwangerschaft oder Geburt in den
führt, bedarf weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen. mütterlichen Organismus gelangten.
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Infektionsimmunologie
Lothar Rink
8.1 Bedeutung der Infektionsimmunologie onskrankheiten noch allgegenwärtig. Nimmt man nur die nach
1 früher und heute Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Erkrankungen, d. h. die
wirklich schwerwiegenden Infektionen, so haben wir in Deutsch-
2 Im Laufe der Entwicklung der Lebewesen traten die Organismen land ca. 83 Millionen solcher Infektionen pro Jahr. Allein an der
gegeneinander in Konkurrenz und entdeckten andere Spezies als jährlichen Influenza-Grippewelle („der richtigen Grippe“) ster-
eigene Lebensgrundlage oder Nahrung. Bei höheren Lebewesen ben in Deutschland jeweils zwischen 2000–30.000 Menschen.
3 sehen wir dies als selbstverständlich an und teilen Sie in Fleisch- Damit stellen Infektionen das mit Abstand größte Risiko für
und Pflanzenfresser ein. Bei niederen Lebewesen bezeichnen unsere Gesundheit dar.
4 wir dies jedoch als pathogene Eigenschaft oder als parasitäre Die Mechanismen, die über die Vermeidung oder die Über-
Lebensweise, wenn wir ihnen als Nahrungsgrundlage dienen windung einer Infektion entscheiden, und die zeitlichen Abläufe
5 (. Abb. 8.1). Zur Abwehr der Krankheitserreger entwickelten der Immunreaktion für alle Erregertypen sollen in diesem Kapi-
alle höheren Lebewesen ein Immunsystem, um das Fortbeste- tel näher beschrieben werden.
hen der Spezies zu garantieren. Je weiter sich die Lebewesen
6 entwickelt haben, desto höher hat sich auch das Immunsystem
in einer Coevolution in Konkurrenz zu den Erregern entwickelt. 8.2 Die richtige Entscheidung
7 Da das Immunsystem in der Evolution zur Infektionsabwehr zur protektiven Immunantwort
entstanden ist, leiten sich seine übrigen physiologischen und
pathophysiologischen Mechanismen von denen der Infektions- Im ▶ Kap. 1 (. Abb. 1.1) wurde schon die Größe von Bakterien
8 abwehr ab. Die Tumorabwehr entspricht der Abwehr von Viren und Viren der Größe der Leukocyten gegenübergestellt. Diese
und die Allergie der Abwehr von „nicht vorhandenen Parasi- Erreger sind kleiner als die Leukocyten. Das Immunsystem hat
9 ten“. Damit ist die Infektionsimmunologie der zentrale Punkt der aber auch mit größeren Erregern zu tun, z. B. mit Würmern, die
Immunologie. Während wirbellose Tiere nur eine angeborene ein Vielfaches der Größe eines Leukocyten aufweisen. Somit
10 Immunität besitzen, hat sich bei den Wirbeltieren zusätzlich die
spezifische (adaptive) Immunität entwickelt. Die Komplexität des
Immunsystems steht dabei mit der Lebensdauer der Organis- -
muss das Immunsystem auf Erreger reagieren können, die:
so klein sind, dass sie nur mit dem Elektronenmikroskop
(Nanometerbereich) sichtbar gemacht werden können (z. B.
-
11 men und der Rate an Nachkommen im Einklang, d. h., je länger Viren, 30–400 nm),
die Lebensdauer und je geringer die Anzahl der Nachkommen, mit dem Lichtmikroskop (Mikrometerbereich) erkennbar
12
13
desto komplexer muss das Immunsystem aufgebaut sein, um das
Überleben der Art zu gewährleisten. Somit haben sich im Laufe
der Evolution die in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Ab-
wehrsysteme entwickelt, die für die Abwehr von Infektionen ko-
- sind (kleine Bakterien und Protozoen; 300 nm–5 μm) und
aus der Sicht der Leukocyten riesig und mit dem bloßen
Auge erkennbar sind (Würmer, von knapp einem Millime-
ter bis zu mehreren Metern; z. B. Fischbandwurm).
ordiniert zusammenarbeiten müssen. Wichtig ist dabei, dass das
14 Immunsystem den richtigen Reaktionsweg einschlägt, der den Das Immunsystem musste also Zellsysteme und Entscheidungs-
Erreger spezifisch bekämpfen kann, da sonst die Immunreaktion mechanismen entwickeln, die jeden dieser Erregertypen erken-
15 ins Leere läuft und der Erreger sich trotzdem weitervermehrt und nen und eliminieren können. Es ist dabei wichtig zu betonen,
den Körper schädigt. dass wir auf zellulärer Ebene möglichst einfache JA/NEIN-Ent-
Die Menschheitsgeschichte zeigt dies deutlich in den großen scheidungen brauchen, die eine Funktion auslösen oder aber
16 Epidemien, die jeweils mehr Menschenleben gekostet haben als nicht, da die Zellen kein eigenes Gehirn haben, um eine kom-
die großen Kriege der jeweiligen Epoche. Im Mittelalter starben plexe Entscheidung zu treffen. Wir brauchen also auf die Eigen-
17 ca. 25 Millionen Menschen in Europa an der Pest. Bis 1967 star- schaften der Erreger abgestimmte Zellen, damit im Immunsys-
ben jährlich ca. 2 Mio. Menschen an den Pocken, bevor die Welt- tem die richtigen Entscheidungen getroffen werden und somit
gesundheitsorganisation (WHO) mit der weltweiten Impfkampa- die Zelle reagiert oder nicht, d. h. aktiviert wird oder nicht. Dieses
18 gne begann. Selbst in Deutschland starben noch bis Anfang des Prinzip der JA/NEIN-Entscheidungen kennen wir auch aus dem
20. Jahrhunderts 450.000 Kinder an Diphtherie (dem „Würgeen- Nervensystem. Dabei ist es für die Zellen immer egal, ob der
19 gel der Kinder“), bis durch Einführung des Antitoxins und später auslösende Reiz adäquat und natürlich ist oder inadäquat, was
der Impfung die Rate 2009 auf vier Infektionen (nicht Tote) im bei der Entstehung von Allergien von Bedeutung ist. Dies kennt
20 Jahr zurückging, wobei dies die höchste Rate der vorherigen acht man vom Auge, das immer eine Lichtempfindung vorspiegelt,
Jahre war. Deshalb werden in unserer industrialisierten Gesell- egal ob man wirklich Licht sieht oder aber auf das Auge schlägt
schaft die Infektionskrankheiten heute meistens als Problem der (inadäquater Reiz) und ein Lichtblitz erscheint.
21 dritten Welt angesehen (▶ Exkurs 8.1). Jährlich sterben nach An- Die primären Entscheidungsgrößen für eine protektive, d. h.
gaben der WHO ca. 13 Millionen Menschen an Infektionskrank- schützende Immunantwort sind sehr einfach (. Abb. 8.2), die
22 heiten weltweit. Nach Angaben von UNICEF (Kinderhilfswerk molekularen Mechanismen dahinter jedoch sehr komplex, sie
der Vereinten Nationen) könnten davon 2,5 Millionen Kinder wurden in den vorherigen Kapiteln bereits erläutert.
durch einfache Impfungen gerettet werden. Im Vergleich dazu Die erste Entscheidungsebene ist die Größe der Erreger, wo-
23 starben nach offiziellen Angaben im etwas mehr als 5-jährigen bei die Größe einfach anhand der eigenen Größe der Leukocyten
2. Weltkrieg ca. 50–60 Millionen Menschen, also etwa 9–11 Mil- definiert ist. Alles, was kleiner ist als ein Phagocyt, kann pha-
lionen pro Jahr. Auch heutzutage sind in Deutschland Infekti- gocytiert und intrazellulär abgetötet werden. Dies ist alles bis
8.2 • Die richtige Entscheidung zur protektiven Immunantwort
123 8
.. Abb. 8.1 Die Hämolyse durch Bakterien. Bakterien haben unterschiedliche Mechanismen, sich ihre Nährstoffe aus der Umwelt zu holen. Teilweise stellen
diese Mechanismen auch Pathogenitätsfaktoren dar. Im Bild zu sehen sind α-hämolysierende, sogenannte vergrünende Streptokokken (z. B. Streptococcus
pneumoniae), die das Hämoglobin nur umsetzen, β-hämolysierende Streptokokken (z. B. S. pyogenes), die die Erythrocyten vollkommen lysieren, und γ-hämoly-
sierende Streptokokken (z. B. S. salivarius), die auch nicht hämolysierende Streptokokken genannt werden, da sie die Erythrocyten nicht auflösen. Die Bakterien
sind jeweils entsprechend ihrer Art der Hämolyse auf einer Blutagarplatte ausgestrichen
10 .. Abb. 8.2 Die protektive Immunantwort. Die Entscheidungsfindungen bei der Entstehung einer Immunantwort sind sehr komplex. Es gibt aber drei
grundsätzliche Erregereigenschaften, anhand derer man die protektive Immunantwort voraussagen kann. Bei der natürlichen Immunantwort arbeiten die ver-
11 schiedenen Systeme aber zusammen, da auch die Erreger sich häufig in ihrem Lebenszyklus unterschiedlich verhalten. So benötigt man bei der Virenabwehr
auch Antikörper, um die freien Viren zu neutralisieren, da sie sich zu dieser Zeit extrazellulär aufhalten
12 zur Größe eines einzelligen Sprosspilzes (z. B. Candida albicans). Die Erklärung liegt in der Adaptation an viele Erreger im Laufe
Der Vorteil dieses Mechanismus ist naheliegend, da es durch die der Evolution, die immer neue Abwehrstoffe nötig machte, die
intrazelluläre Abtötung keine Kollateralschäden gibt, d. h., das sich nicht zusammen in einer Zelle aufbewahren lassen. So sind
13 umliegende Gewebe kommt mit den toxischen Substanzen der die Inhaltsstoffe der Eosinophilen mehrheitlich basisch und die
Granula nicht in Berührung. Der Phagocyt selbst wird durch die der Basophilen mehrheitlich sauer, um nur eine grundsätzlich
14 Reaktion aber auch geschädigt, sodass er nur eine begrenzte An- chemisch unterschiedliche Eigenschaft zu nennen.
zahl von Erregern intrazellulär abtöten kann, bis er schließlich Die zweite Entscheidungsebene bezieht sich auf den Aufent-
15 selbst an diesem Prozess verstirbt. Die abgestorbenen Phagocy- haltsort der Erreger, d. h., ob sie frei, also extrazellulär leben oder
ten nehmen wir als Eiter in einer Wunde wahr, wenn sie nicht aber innerhalb der Körperzellen. Diese für uns einfache Entschei-
rechtzeitig von anderen Phagocyten aufgenommen und abtrans- dung ist für die Leukocyten sehr kompliziert. In den ▶ Kap. 4 und
16 portiert werden. ▶ Kap. 5 haben wir gelernt, dass Antikörper freie Antigene er-
Größere Erreger können nicht phagocytiert werden. Versucht kennen, während T-Zellen nur den Komplex aus einem Antigen
17 es ein neutrophiler Granulocyt dennoch, so scheitert er und es und dem körpereigenen MHC-Molekül erkennen. Da Erreger
kommt zur Degranulierung (Ausschüttung der Granula). Die keinen MHC besitzen und keine MHC-Moleküle exprimieren
eosinophilen und basophilen Granulocyten hingegen sind di- (mit Ausnahme von membranumhüllten Viren, die ihre Mem-
18 rekt auf diese Funktion adaptiert, d. h., es gibt eine Arbeitsteilung bran aus unserer Zellmembran mitnehmen), können Erreger nicht
zwischen den drei Granulocytenpopulationen. Die neutrophilen von T-Zellen erkannt werden. Antikörper können extrazelluläre
19 Granulocyten phagocytieren in erster Linie, während die eosino- Erreger erkennen und markieren und darüber ihre Beseitigung
philen und basophilen nach Aktivierung direkt degranulieren. einleiten. Umgekehrt können Antikörper keine intrazellulären Er-
20 Somit haben wir eine einfache JA/NEIN-Entscheidung für die reger erkennen, wenn diese nicht ihre Antigene auf die Oberfläche
Zellen, da diese ja nicht auf Anhieb die Größe eines Erregers er- der Wirtszelle bringen. Während der Aktivierung der spezifischen
kennen können, denn die molekulare Wahrnehmung findet über Immunität muss deshalb gewährleistet werden, dass das Immun-
21 Mustererkennungsrezeptoren (PRR, pattern recognition receptors, system bei extrazellulären Erregern eine Antikörperproduktion,
▶ Kap. 3) oder antikörpervermittelt statt. Auch hier setzt sich d. h. die humorale Immunität und nicht eine zelluläre Immuni-
22 die Arbeitsteilung in der Zusammenarbeit mit dem spezifischen tät einleitet. Diese Entscheidung erklärt sich aufgrund der dritten
Immunsystem fort, da die Neutrophilen über Fcγ- und Fcμ-Re- Entscheidungsebene, da Antigene von extrazellulären Erregern
zeptoren zur Phagocytose und die Eosinophilen und Basophilen immer über MHC-II-Moleküle präsentiert werden und somit über
23 über Fcε-Rezeptoren zur Degranulierung angeregt werden. Bleibt die T-Zell-Hilfe eine B-Zell-Reaktion eingeleitet werden kann. Die
letztlich noch zu klären, warum wir eosinophile und basophile B-Zellen können aber bei multivalenten Antigenen T-Zell-unab-
Granulocyten haben, wenn der Reaktionstyp doch so ähnlich ist. hängig aktiviert werden (▶ Kap. 4 und ▶ Kap. 5).
8.3 • Der zeitliche Ablauf von Immunantworten
125 8
Die dritte Entscheidungsebene bezieht sich auf die Stoffwech- einer Infektion ist also, dass ein Erreger unter die oberen Haut-
seleigenschaften des Erregers, was wiederum für die Zelle nicht oder Schleimhautschichten gelangt oder diese direkt infiziert.
direkt zu entscheiden ist. Es musste sich also ein Mechanismus
entwickeln, der diese Erregereigenschaft berücksichtigt. Die
Antigenpräsentation wurde im ▶ Kap. 4 besprochen und zeigte, Primärantwort
dass cytosolische Proteine über MHC-I-Moleküle präsentiert
werden, während lysosomale Proteine über MHC-II-Moleküle In der sehr frühen spontanen Phase (die ersten vier Stunden
präsentiert werden. Wie steht dies mit dem Stoffwechsel der Er- nach Erregerkontakt) können nur die bereits präformierten
reger in Verbindung? Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel Systeme des angeborenen Immunsystems reagieren, die an der
und müssen deshalb auf den Proteinsyntheseapparat der Zelle Eintrittsstelle des Erregers lokalisiert sind. Dazu gehören anti-
zurückgreifen. Dazu müssen die Viren sich wie körpereigene mikrobielle Peptide, das Komplementsystem und in geringem
Gene verhalten, d. h. ihre Gene ablesen lassen und die mRNA Umfang Phagocyten. Zu Letzteren gehören gewebsständige
im Cytosol von Ribosomen in virale Proteine umschreiben las- Makrophagen, DC sowie patrouillierende Phagocyten. Sollten
sen. Damit begeben sich die Viren in den Prozessierungsweg diese Mechanismen ausreichen, um alle eingedrungenen Erreger
der körpereigenen cytosolischen Proteine und werden über abzutöten, so bilden sich kaum oder keine Anzeichen einer Ent-
MHC-I-Moleküle präsentiert. Folglich nutzen alle Erreger, die zündungsreaktion aus, und es wird kein immunologisches Ge-
über MHC-I-Moleküle präsentiert werden, den Stoffwechsel der dächtnis aufgebaut. Die Immunreaktion endet hier. Diese Form
Körperzelle, was wiederum bedeutet, dass man die Erreger nur der Immunreaktion läuft ständig ab, ohne dass wir sie groß zur
töten kann, wenn man die Körperzelle selbst tötet. Damit haben Kenntnis nehmen, z. B. wenn wir uns mit einer Nähnadel stechen
wir wieder eine JA/NEIN-Entscheidung, da die entsprechenden und eine geringe Menge Bakterien in unser Gewebe gelangt.
MHC-I-restringierten T-Zellen cytotoxische T-Zellen sind und Sollte es in dieser Zeit nicht gelingen, die Erreger zu eliminie-
somit die präsentierende Zelle getötet wird. Im Gegensatz dazu ren, so schließt sich die frühe induzierte Phase (die ersten vier
gelangen die intrazellulären Bakterien über Phagocytose in die Tage nach Erregerkontakt) an. Durch die Reaktion in der sehr
Makrophagen und befinden sich damit im lysosomalen Weg frühen Phase werden chemotaktisch aktive Substanzen, z. B. C5a
der Antigenpräsentation auf MHC-II-Molekülen, was über die (chemotaktisches Komplementspaltprodukt), freigesetzt. Diese
CD4-Restriktion eine T-Zell-Hilfe nach sich zieht. Die MHC-Re- führen zu einer Vasodilatation (Gefäßerweiterung) und Rekru-
striktion der cytotoxischen und TH-Zellen regelt – aufgrund der tierung von weiteren Leukocyten, vornehmlich neutrophilen
Stoffwechseleigenschaft des Erregers – damit eindeutig, wann der Granulocyten. Gleichzeitig wird durch die Vasodilatation auch
befallenen Zelle geholfen und wann sie getötet wird. die Konzentration von Komplement im Gewebe erhöht. Diese
Reaktionen nehmen wir an der Infektionsstelle als Entzündungs-
reaktion war, d. h., es kommt durch die Vasodilatation und die
8.3 Der zeitliche Ablauf Infiltration von Granulocyten zur Schwellung (tumor), Erwär-
von Immunantworten mung (calor) und Rötung (rubor). Da neben den chemotakti-
schen Substanzen auch Schmerzmediatoren wie die Leukotriene
Die Immunantwort kann zeitlich in verschiedene Phasen ein- produziert werden, kommt es auch zum Schmerz (dolor). Ist die
geteilt werden, die die Weichen für die weitere Reaktion stel- Entzündungsreaktion sehr stark, so kann auch die Funktion an
len. Dabei unterscheiden sich die Phasen in der Primär- und der entsprechenden Körperstelle eingeschränkt sein (functio
Sekundärantwort wesentlich voneinander, weshalb sie getrennt laesa), womit die fünf pathologischen Zeichen einer Entzündung
betrachtet werden. Eine Primärantwort tritt nach dem Erstkon- (tumor, calor, rubor, dolor, functio laesa) komplett sind. Man sieht
takt mit einem Erreger auf, während sich die Sekundärantwort an dieser Stelle aber auch, dass die Entzündungsreaktion etwas
durch wiederholten Kontakt mit einem Erreger entwickelt. Der Gutes und Funktionelles und für die korrekte Immunantwort
wesentliche Unterschied zwischen Primär- und Sekundärantwort unverzichtbar ist. Erst die chronische Entzündungsreaktion stellt
ist, dass das spezifische Immunsystem erst im späteren Verlauf einen dauerhaft pathophysiologischen Zustand dar. Schaffen es
der Primärantwort aktiviert wird, während es in der Sekundär- die rekrutierten Phagocyten und das zusätzliche Komplement
antwort aufgrund der Gedächtnisfunktion bereits in der sehr alle Erreger zu eliminieren, so endet hier wiederum die Immu-
frühen Phase aktiv ist. Man sollte dabei aber nie vergessen, dass nantwort, und es wird in den meisten Fällen kein immunologi-
das Immunsystem bereits vor dem unten beschriebenen Ab- sches Gedächtnis aufgebaut. Dies hängt davon ab, wie viele pro-
lauf der Immunreaktion aktiv ist. Die Barrierefunktionen des fessionelle antigenpräsentierende Zellen (APC) zum Zeitpunkt
angeborenen Immunsystems (▶ Kap. 1 und ▶ Kap. 3) sollen das bereits im entzündeten Gewebe sind.
Eindringen der Erreger verhindern, sodass die nachfolgenden Das Ausbleiben der Aktivierung der spezifischen Immunität
Reaktionen nicht nötig sind. Die beschriebenen Mechanismen bei früher Erregereliminierung ist auch der Grund dafür, warum
setzen voraus, dass die Erreger die beschriebene Barrierefunk- man nach dem frühen Antibiotikaeinsatz nicht unbedingt ein
tion überwunden haben. Des Weiteren muss man sich vor Augen immunologisches Gedächtnis gegen den Erreger aufbaut obwohl
führen, dass die Konfrontation mit den Erregern mehrheitlich im man infiziert war. Dies sieht man heutzutage häufig bei Kindern,
Gewebe stattfindet und nicht im Blut. Den Blutstrom sollten die die mehrmals Scharlach bekommen, da man dort bei einem
Erreger nie erreichen. Falls dies wie bei der Sepsis passiert, kann Verdacht auf Scharlach sofort mit Penicillin therapiert, weil die
es den Tod des Individuums bedeuten. Das normale Szenario A-Streptokokken auch eine spätere autoimmune Reaktion gegen
126 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie
protektiven Titer gibt. Auf diesem Wirkmechanismus beruhen extrazelluläre Erreger (Parasiten und große Pilze) im Detail
unsere aktiven Impfungen. Unter aktiven Impfungen versteht betrachten, um die Unterschiede zu verstehen. Des Weiteren
man die Gabe von Antigenen, gegen die das Immunsystem selbst sollen Strategien erläutert werden, mit denen die Erreger das
Antikörper produziert. Dem gegenüber steht die passive Immu- Immunsystem zu überwinden versuchen. Dies erfolgt anhand
nisierung, bei der man Antikörper gegen das Antigen injiziert. von Beispielen medizinisch relevanter Erreger. Wir werden da-
Wichtig ist, dass nicht jeder Antikörper protektiv ist, sondern nur bei sehen, dass Bakterien viele Angriffsstrategien verfolgen und
solche gegen kritische Antigene des Erregers, z. B. das Antigen, das Immunsystem aktiv schädigen, während die Viren wahre
mit dem ein Virus sich an die Zielzelle anheftet. Die nichtpro- Abwehrkünstler sind.
tektiven Antikörper haben aber eine diagnostische Bedeutung.
Bei der Verwendung von isolierten Antigenen zur Impfung kann
man geimpfte Personen von Personen unterscheiden, die die In- Immunantwort gegen extrazelluläre Bakterien
fektion durchlaufen haben. Die Impflinge (geimpfte Personen) und kleine Sprosspilze
haben in diesem Fall nur protektive Antikörper (z. B. anti-HBsAg
beim Hepatitis-B-Virus (HBV)), während die Personen nach ei- Stellen wir uns ein alltägliches Problem vor, bei dem wir uns bei
ner natürlichen Infektion auch Antikörper gegen nichtprotektive der Gartenarbeit an der Hand verletzen und mit der Gartenerde
Antigene haben (z. B. anti-HBc bei HBV). Diese nichtprotekti- Bakterien in die Wunde gelangen. So harmlos wie es sich zwar
ven Antiköper werden deshalb auch als Durchseuchungsmarker an dieser Stelle anhört, könnte ein kleiner Ratscher an der Hand
verwendet. zum Tode führen, wenn nämlich Clostridium tetani (welches in
Sollte der Titer nicht mehr protektiv sein, d. h. die Erstinfek- Form von Sporen in Gartenerde häufig vorkommt) in die Wunde
tion (oder Impfung) ist zu lange her, so wird die Immunreaktion gelangt und sein Toxin den Tetanus (Wundstarrkrampf) auslöst.
in den nächsten Phasen meist trotzdem verstärkt und beschleu- Auf dieses Beispiel werden wir noch mal bei den Abwehrmecha-
nigt, da die Gedächtniszellen sehr langlebig sind. In der frühen nismen der Erreger und der Immunprophylaxe zurückkommen.
Phase können jetzt TH-Gedächtniszellen mit eingreifen und die Andere Erreger haben sogar Mechanismen, Pathogenitätsfakto-
Phagocyten über IFN-γ, TNF-α und CD40L aktivieren und so ren genannt (. Tab. 8.2), mit denen sie aktiv die physikalischen
das intrazelluläre Abtöten verstärken wie in der späten Phase und mechanischen Barrieren überwinden können. Dies sind z. B.
der Primärinfektion. Gedächtniszellen cytotoxischer T-Zellen Toxine, die die Cilienbewegung in der Lunge einschränken und
können direkt infizierte Zellen eliminieren. Auf dieser Reak- so den Abtransport der Erreger aus dem Respirationstrakt ein-
tion beruhen auch die milderen Verläufe von Infektionen mit schränken, damit dieser sich dort weitervermehren kann (z. B.
sehr ähnlichen Viren (z. B. Influenza-Stammvarianten), da die Bordetella pertussis, Keuchhustenerreger). Sobald die Bakterien
T-Zell-Epitope gegenüber den B-Zell-Epitopen konservierter ins Gewebe eingedrungen sind, vermehren sie sich exponentiell.
sind und somit eine höhere Kreuzreaktivität haben. Egal, ob es Um diese Dynamik zu verstehen, muss man sich ca. 1 μm große
jetzt in dieser Phase zur Eliminierung der Erreger kommt oder (ein Tausendstel Millimeter) Bakterien vorstellen, die sich nach
nicht, es wird durch das Vorhandensein antigenspezifischer Lym- jeder Teilung übereinander stapeln. Bakterien wie Escherichia
phocyten immer die späte Phase der Immunreaktion eingeleitet, coli können sich alle 20 Minuten teilen, d. h., wir hätten nach
sodass es im drainierenden Lymphknoten zu einer Verstärkung 20 Minuten 2 Bakterien (hintereinander gereiht = 2 μm) nach
der Gedächtniszellen (Booster-Effekt) und zu einer erneuten 40 Minuten 4 (= 4 μm) und nach 24 Stunden 271 Bakterien, was
Ausreifung von Lymphocyten kommt, wodurch der Antikör- einer Strecke von 2,36 × 1021 μm oder 2360 Milliarden Kilometer
pertiter weiter oder wieder ansteigt. Jede weitere Sekundärre- entsprechen würde. Das Licht könnte in der gleichen Zeit bei
aktion führt damit zu einem Booster-Effekt der Immunantwort, Lichtgeschwindigkeit (300 000 km/Sekunde) nur ca. 26 Milliar-
worauf die heutigen Impfschemata beruhen, bei denen man je den Kilometer zurücklegen. Es entsteht also ein unglaublicher
nach Impfstoff zwei- bis viermal geimpft wird, um eine Langzeit Wettlauf zwischen den sich schnell vermehrenden Erregern
immunität zu erhalten. Man sollte bei dieser Boosterung beden- und dem Immunsystem. Deshalb ist es auch wichtig, das expo-
ken, dass es auch zu einer natürlichen Boosterung kommt, wenn nentielle Wachstum so früh wie möglich zu bremsen. Die erste
man mit dem tatsächlichen Erreger in Kontakt kommt. Deshalb Abwehrkomponente im Gewebe ist das Komplementsystem,
haben Kindergärtnerinnen in der Regel höhere Antikörpertiter welches in der Primärantwort nur den Lektinweg und den al-
gegen Kinderkrankheiten als Personen, die nicht mit Kindern in ternativen Weg zur Verfügung hat. Über die Aktivierung des
Kontakt stehen, da die Kindergärtnerinnen immer wieder den Komplements kommt es zur Opsonisierung und/oder Lyse der
Krankheitserregern ausgesetzt werden. Bakterien, sofern diese sich nicht vor dem Angriff durch Kom-
plement schützen (Details zum Komplement ▶ Kap. 3). Dies
machen viele Bakterien, indem sie eine Kapsel ausbilden. Durch
8.4 Der Wettlauf zwischen Erregern die Kapsel kann der Membranangriffskomplex des Komplements
und Immunsystem bei Infektionen sich nicht an der Membran der Bakterien anlagern und so keine
Lyse auslösen (z. B. Staphylokokken). Andere Bakterien hingegen
Nachdem wir die potenziell protektive Immunantwort für die bilden direkte Mechanismen aus, um die Wirkung der Komple-
Erregertypen und den generellen Ablauf von Immunantworten mentkomponenten zu inaktivieren (. Tab. 8.2). Bakterien mit
bei Infektionen kennen, wollen wir jetzt die Immunantwor- solchen Pathogenitätsfaktoren schaffen es somit schneller, die
ten gegen Bakterien und kleine Sprosspilze, Viren und große sehr frühe Phase der Immunantwort zu überstehen und sich zu
128 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie
8 Intrazelluläre Abtötung
im Phagolysosom
Verhinderung der Verschmelzung von Lysosomen mit
den Phagosomen
Mycobakterien, Toxoplasma gondii
Inhibition der interferonspezifischen Mechanismen HHV-8, HBV, Influenza, HIV, HCV, Polio, HSV
18 vermehren. Umgekehrt sind Bakterien, z. B. Neisserien, denen Phagocytose müssen sich die Bakterien vor dem intrazellulären
solche Pathogenitätsfaktoren fehlen, empfindlich für das Kom- Abtöten schützen, d. h. in erster Linie vor reaktiven Sauerstoff-
19 plementsystem und treten meist nur in Erscheinung, wenn dieses spezies (ROS) und Wasserstoffperoxid (H2O2), wofür sie z. B. das
Defekte aufweist. Enzym Katalase produzieren (z. B. S. aureus). Die hoch pathoge-
20 Als Nächstes müssen sich die Erreger mit den Phagocyten nen Erreger, die mit vielen dieser Pathogenitätsfaktoren ausge-
auseinandersetzen, wobei auch hier eine Kapsel (z. B. Streptococ- rüstet sind, können die frühen Phasen häufig überwinden und
cus pneumoniae, der häufigste Erreger der bakteriellen Lungen- eine manifeste Entzündung und Infektion auslösen. Phagocyten
21 entzündung) erschwerend für die Phagocytose ist, da die Erreger mit antigenpräsentierender Funktion (Makrophagen und DC),
nicht adäquat mit Komplement opsonisiert und die repetitiven denen es gelingt, zu phagocytieren, transportieren dann das An-
22 Zuckersequenzen nicht gut von PRR erkannt werden. Letztlich tigen in den Lymphknoten. Antigen, das frei über die Lymphe in
gibt es noch Bakterien, die Leukozidine produzieren, d. h. To- den Lymphknoten gelangt, wird dort von Makrophagen aufge-
xine, die Leukocyten töten können (z. B. Staphylococcus aureus nommen oder von den B-Zellen in der B-Zell-Zone endocytiert.
23 und Streptococcus pyogenes) und somit aktiv die Immunabwehr Von den B-Zellen können natürlich nur die für dieses Antigen
ausschalten und zwar nicht nur die Zellen des angeborenen, son- spezifischen B-Zellen das Antigen über das membranständige
dern auch die des spezifischen Immunsystems. Nach erfolgter Immunglobulin aufnehmen. Beeinträchtigt wird die Reaktion
8.4 • Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem bei Infektionen
129 8
infiziertes Gewebe
IL-17
Erreger 3
IL-
7 1
11 TH17 12
7
Lymph-
10 knoten
6
Blutgefäß
9
4 IL-1
β,
IL-2 IL-6, TH17
8 3
.. Abb. 8.3 Die Immunantwort gegen extrazelluläre Bakterien. In der sehr frühen spontanen Phase wirken lösliche Faktoren, wie Komplement und antimik-
robielle Peptide, gegen die Bakterien. In der frühen induzierten Phase (1) werden die Phagocyten rekrutiert, die die Bakterien phagocytieren und abtöten. Die
neutrophilen Granulocyten sind dabei die ersten und meisten Phagocyten, die den Infektionsherd erreichen. Die eingewanderten APC (2) phagocytieren und
prozessieren die Erreger und wandern dann in der Lymphbahn (3) zum Lymphknoten. Dort präsentieren die APC, die durch die Phagocytose und die Gefah-
rensignale der Bakterien aktiviert wurden, den TH-Zellen das Antigen. Durch die Art der Aktivierung über die PRR schütten die DC insbesondere IL-23 aus, das
die TH-Zellen zu TH17-Zellen differenzieren lässt (4). Freies Antigen (5) erreicht ebenfalls über die Lymphe den Lymphknoten. Dort wird es, neben Makrophagen,
von B-Zellen antigenspezifisch erkannt, endocytiert, prozessiert und TH-Zellen präsentiert (6). Durch die T-Zell-Hilfe teilen sich die B-Zellen (nicht gezeigt) und
differenzieren zu Plasmazellen (7) aus. Die aktivierten TH17-Zellen und die Antikörper verlassen den Lymphknoten über die abführende Lymphe und gelangen
dann über den Ductus thoracicus in die Blutbahn (8). Die Antikörper (9) diffundieren unspezifisch in alle Gewebe und haben nur durch die Gefäßerweiterung
am Entzündungsort eine Anreicherung. Die T-Zellen wandern hingegen über die Homing-Faktoren bevorzugt an der Entzündungsstelle aus (10). Im entzün-
deten Gewebe opsonisieren die Antikörper die Erreger (11), wodurch diese verstärkt phagocytiert und durch Komplement lysiert werden. Die TH17-Zellen (12)
verstärken die Funktion der Phagocyten
im Lymphknoten im Wesentlichen nur, wenn vermehrungsfä- zu TH17-Zellen zu fördern. Interessanterweise können sogar Treg
hige Bakterien bis in den Lymphknoten gelangen. Dies kommt IL-17 produzieren, wenn sie eine starke Aktivierung über Ge-
meistens in den Fällen vor, wo die Bakterien sehr effektive Toxine fahrensignale durch entsprechende Rezeptoren (z. B. TLR) für
bilden, wie z. B. Clostridium tetani. Das Tetanustoxin tötet oder bakterielle Bestandteile erfahren. Somit ist die Bedeutung der
paralysiert die Leukocyten, sodass keine Immunreaktion gegen natürlichen Immunität für die frühe Entscheidung über die ad-
den Erreger möglich ist und der Erreger sich über die Lymph- äquate Immunantwort sehr groß (. Abb. 8.3).
bahnen ausbreitet. Nachdem wie oben beschrieben die spezi-
fische Immunität im Lymphknoten aktiviert wurde, gelangen
die TH-Zellen und Antikörper an den Infektionsort zurück. Die Immunantwort gegen intrazelluläre Bakterien
Funktion der TH-Zellen wird wiederum durch die Leukozidine und einzellige Protozoen
beeinflusst, während die Antikörper direkt über bakterielles Pro-
tein A (S. aureus) oder Protein G (Streptokokken) inaktiviert wer- Die Immunantwort gegen intrazelluläre Bakterien und einzellige
den können. Dies geschieht über Bindung dieser Proteine an den Protozoen beginnt zunächst so wie diejenige gegen extrazellu-
Fc-Teil der Antikörper. Dadurch wird die Funktionsvermittlung läre Bakterien. Die Protozoen (z. B. Leishmanien) sind dabei in
über den Antikörper inhibiert. Technisch nutzt man diese anti- der Abwehr des Komplements noch effektiver als die Bakterien,
körperbindende Eigenschaft zur Aufreinigung von Antikörpern. indem sie den ausgebildeten Membranangriffskomplex (MAC)
Es muss aber betont werden, dass die TH-Zell-Reaktion bei extra- von ihrer Zelloberfläche entfernen können, vergleichbar der
zellulären Bakterien eine gemischte TH17-TH1/TH2-Reaktion ist, Funktion des MAC-Inhibitors (CD59). Im Gegensatz zu den
mit einer Dominanz zu TH17. Die Antikörperproduktion wird extrazellulären Erregern versuchen die intrazellulären Erreger
maßgeblich durch die TH2-Zellen gefördert, während die Ver- aber schnellstmöglich in ihre Zielzellen – dies sind häufig Ma-
stärkung der intrazellulären Abtötung von TH1- und TH17-Zellen krophagen – einzudringen, anstatt sich vor der Phagocytose zu
abhängt. Nach dem neuesten Stand ist die natürliche Bedeutung schützen. Anschließend persistieren sie in den Makrophagen.
von TH17-Zellen vor allem in der Abwehr extrazellulärer Erreger Die Phagocytose wird dabei häufig so abgeändert, dass das Pha-
zu sehen, da IL-17 Phagocyten rekrutiert und aktiviert. Den DC gosom eine andere Struktur hat, ein gängiges Prinzip ist dabei
kommt dabei die wesentliche Aufgabe zu, die Differenzierung die sogenannte Coiling-Phagocytose, bei der sich der Erreger
130 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie
infiziertes Gewebe
IFN-γ
knoten
T H1 8
4
IL-1
Erreger
2 TH1
Blutgefäß 5
Erreger
Erreger
.. Abb. 8.5 Immunantwort gegen intrazelluläre Bakterien. In der sehr frühen spontanen Phase kann das Immunsystem gegen die intrazellulären Erreger
wenig machen. In der frühen induzierten Phase (1) werden die Phagocyten rekrutiert, von denen sich die intrazellulären Bakterien bereitwillig phagocytieren
lassen oder diese sogar aktiv penetrieren. Vor der intrazellulären Abtötung sind die intrazellulären Erreger gut geschützt, sodass sie in den Phagocyten,
bevorzugt den Makrophagen, weiterleben. Die eingewanderten APC (2) phagocytieren und prozessieren die Erreger oder wandern mit den lebenden Erregern
in der Lymphbahn (3) zum Lymphknoten. Dort präsentieren die APC, die durch die Phagocytose und die Gefahrensignale der Bakterien aktiviert wurden,
den TH-Zellen das Antigen. Durch die Art der Aktivierung über die PRR schütten die DC insbesondere IL-12 aus, das die TH-Zellen zu TH1-Zellen differen-
zieren lässt (4). Wenn die Erreger noch in den APC leben, so wird der Lymphknoten infiziert (5). Die aktivierten TH1-Zellen verlassen den Lymphknoten über
die abführende Lymphe und gelangen dann über den Ductus thoracicus in die Blutbahn (6). Die T-Zellen wandern über die Homing-Faktoren bevorzugt an
der Entzündungsstelle aus (7). Die TH1-Zellen (8) verstärken die Funktion der Phagocyten über IFN-γ und weniger stark über TNF-α, weshalb ein Ausfall dieser
Cytokine auch zu vermehrten Infektionen mit intrazellulären Erregern führt. Aufgrund ihrer großen Verbreitung sind dies meist Mycobakterien. Ein Ausfall von
IL-12 bricht die Differenzierung zu TH1-Zellen ab und hat damit den gleichen Effekt
nichtprotektive Immunantwort
gegen Leishmanien (TH2)
†
protektive Immunantwort
Infektion gegen Leishmanien (TH1)
*
Zeitverlauf der Infektion
.. Abb. 8.6 Die Entscheidung zur richtigen Immunantwort fällt in der frühen Phase. In der frühen Phase der Immunantwort entscheidet sich, in welche
Richtung die adaptive Immunantwort geht. Die Entscheidung wird dabei maßgeblich von den APC und ihren Signalen gesteuert. Dies kann man auch expe-
rimentell nachvollziehen, indem man Mausstämme nimmt, die für Leishmania major empfänglich sind (z. B. Balb/c-Mäuse), und solche, die diese Infektion gut
abwehren können (z. B. C57Bl/6-Mäuse). Die empfänglichen Mäuse (rot) entscheiden sich für eine TH2-Antwort, die eine humorale Immunantwort auslöst, die
den intrazellulären Erreger nicht eliminieren kann, was zum Tode führt (†). Die abwehrenden Mäuse (grün) entscheiden sich für die richtige, gegen intrazellulä-
re Erreger gerichtete TH1-Antwort, eliminieren den Erreger und überleben dadurch (*). Dass die Entscheidung über die Immunantwort in der frühen Phase fällt,
sieht man daran, dass man nur in dieser Phase die Richtung der Immunantwort noch verändern kann. Spritzt man den empfänglichen Mäusen (rot gestrichelt)
Substanzen, die eine TH1-Antwort fördern, so überleben diese, während die eigentlich abwehrenden Mäuse sterben, wenn man in diesen eine TH2-Antwort
induziert (grün gestrichelt)
132 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie
EBV) inhibieren oder spezifisch die antiviralen Funktionen, wie generiert. Glücklicherweise stehen diese Viren in unserem Kör-
1 die 2′–5′-Oligoadenylat-Synthetase (z. B. HSV), verhindern. Alle per unter einer strikten T-Zell-Kontrolle, sodass diese potenzielle
drei genannten Beispiele gehören zu den Herpesviren, die fast onkogene (krebserzeugende) Eigenschaft nur bei einer gestörten
2 alle Mechanismen der Inhibition der Immunantwort in sich ver- Immunantwort (z. B. eine Koinfektion mit Malaria) zur Auswir-
einen und dadurch eine hohe Durchseuchungsrate in der Bevöl- kung kommt (. Abb. 8.7).
kerung erreichen (z. B. EBV von ca. 95 % in Westeuropa) und eine Neben der Abtötung der infizierten Zellen muss das Im-
3 lebenslange latente Infektion hervorrufen. munsystem aber auch die Ausbreitung der Viren im Körper ein-
Die Phagocyten spielen bei der antiviralen Antwort eine un- dämmen, d. h., die weitere Virämie verhindern. Da die Viren bei
4 tergeordnete Rolle, wenn sie nicht sogar, wie bei den intrazellu- der Streuung über den Körper frei vorliegen, sind Antikörper
lären Bakterien, eine bevorzugte Zielzelle sind. Für HIV stellen erforderlich. Die CTL beseitigen folglich die befallenen Zellen,
5 Makrophagen neben den TH-Zellen ein wesentliches Reservoir dar, wohingegen die Antikörper eine weitere Ausbreitung im Körper
da auch die Makrophagen, wenn auch im geringeren Maße, den verhindern. Viren wiederum haben auch Mechanismen entwi-
Hauptrezeptor für das HI-Virus, das CD4, exprimieren. Somit hat ckelt, die Antikörperproduktion zu unterbinden. Da die B-Zellen
6 der Körper in der Primärinfektion den Viren in den frühen Phasen für die Aktivierung und Antiköperproduktion eine T-Zell-Hilfe
wenig entgegenzusetzen, sodass man für die antivirale Abwehr benötigen, müssen die viralen Proteine auch über MHC-II-Mo-
7 meist auf den Einsatz des erworbenen Immunsystems angewiesen leküle von den B-Zellen präsentiert werden. Auch diese Antigen-
ist. Die erste virämische Phase ist deshalb meist nicht zu vermei- präsentation kann von Viren (z. B. HIV, HSV) an verschiedenen
den, d. h., die Viren streuen vom Infektionsort ausgehend über Stellen verhindert werden (. Tab. 8.2).
8 das Blut durch den Körper und infizieren ihre Zielorgane, z. B. die Letztlich benötigt die komplexe Immunantwort, vor allem
Leber bei den Hepatitisviren. Wie bereits oben erwähnt, können auch die Aktivierung der B-Zellen, eine Interaktion und Kom-
9 die infizierten Zellen mehrheitlich nur über die CTL erkannt und munikation zwischen den Zellen des Immunsystems. Diese
getötet werden. Dazu müssen allerdings die viralen Proteine in Kommunikation findet über Cytokine und Adhäsionsmoleküle
10 der infizierten Zelle prozessiert und über MHC-I-Moleküle an der statt (▶ Kap. 7). Der Eingriff der Viren in die Immunregulation
Zelloberfläche präsentiert werden. Diese Mechanismen der Anti- ist dabei sehr vielseitig und reicht von der Inhibition von Cy-
genprozessierung und -präsentation (▶ Kap. 4) können die Viren tokinen und Adhäsionsmolekülen auf verschiedenen Ebenen
11 an verschiedenen Stellen inhibieren. Zunächst kann das Proteasom bis hin zur Produktion von viralen Homologen von Cytokinen
inhibiert werden (z. B. EBV, CMV), dann als nächstes der Antigen- (. Tab. 8.2).
12 transport durch die TAPs verhindert werden (z. B. CMV, HSV) Neben diesen komplexen Mechanismen verstecken sich
und letztlich die Beladung und Expression von MHC-I-Molekülen viele Viren vor der Immunabwehr dadurch, dass sie eine hohe
blockiert werden (z. B. CMV, HIV). Einige Viren sind sogar noch Mutationsrate haben (z. B. Influenza). Die Punktmutationen ver-
13 effektiver, indem sie bereits vorhandene MHC-I-Moleküle von der ändern die Virusantigene leicht, sodass die dagegen gebildeten
Oberfläche über Endocytose verschwinden lassen (z. B. HIV) oder Antikörper nicht mehr richtig oder gar nicht passen. Bei diesen
14 die Expression von MHC-I-Molekülen herunterregulieren (z. B. geringfügigen Mutationen spricht man von einer Antigen-Drift,
humanes Herpesvirus-8, HHV-8). die anhand der jährlichen Influenza-Welle beobachtet werden
15 Als aufmerksamer Leser der vorherigen Kapitel weiß man be- kann. Deshalb werden die Impfstoffe auch saisonal angepasst.
reits, dass das Immunsystem genau für diesen Fall einen Notfall- Interessanterweise sind die Kreuzreaktivitäten bei den linearen
mechanismus hat: die NK-Zellen, die ihre Zielzellen töten, wenn T-Zell-Antigenen wesentlich höher als bei den dreidimensio-
16 diese keine MHC-I-Moleküle mehr exprimieren (▶ Kap. 3). Auch nalen B-Zell-Antigenen, womit man keine Immunität erhält,
darauf haben sich einige Viren trickreich eingestellt, indem sie aber einen abgeschwächten Verlauf, da das T-Zell-Gedächtnis
17 in der Lage sind, virale Homologe der MHC-I-Moleküle (also funktioniert. Dies ist ein Grund für die milderen Verläufe der
einen gefälschten Ausweis für die Körperzugehörigkeit) zu pro- Schweinegrippe-Pandemie im Jahr 2010 bei älteren Menschen,
duzieren (z. B. CMV) oder nichtklassische MHC-I-Moleküle wie da diese bereits mit ähnlichen H1N1-Influenzaviren Kontakt
18 das HLA-E hochzuregulieren (z. B. CMV), um die NK-Zellen zu hatten oder geimpft wurden. Noch komplizierter wird die Ver-
inhibieren. Die Viren bedienen sich der Mechanismen, wie sie änderung bei Viren, die neben dem Menschen auch Tiere als
19 natürlicherweise in der Plazenta vorkommen (▶ Kap. 7). Reservoir haben (z. B. Influenza). Hier kann es durch die Coin-
Sowohl CTL als auch NK-Zellen töten ihre Zielzellen über fektion von menschlichen und tierischen Viren zu einer Ver-
20 die Induktion der Apoptose. Dies ist aus physiologischer Sicht mischung (reassortment) der Gene kommen, sodass ein neues
der beste Weg, um die infizierten Zellen gezielt zu töten, ohne Virus aus den vorherigen entsteht, mit vollkommen neu kom-
die Nachbarzellen zu schädigen. Umgekehrt haben diese beiden binierten Eigenschaften. Gegen diese Viren besteht dann meist
21 komplementären Systeme damit aber eine gemeinsame Endstre- auch keine Kreuzreaktivität und damit keine partielle Immu-
cke, was einige Viren „erkannt“ haben (z. B. EBV, CMV, HSV) nität wie bei der Antigen-Drift. Diese vollkommene Verände-
22 und deshalb auf vielfältige Weise die Induktion der Apoptose rung nennt man Antigen-Shift. Solche Grippeviren sind in der
inhibieren (. Tab. 8.2). Die Eigenschaft von EBV, das antiapopto- Vergangenheit bereits mehrmals entstanden und haben dann
tische vBcl-2 zu produzieren, macht man sich sogar in der Immu- das Potenzial, eine Pandemie, d. h. eine weltweite Infektions-
23 nologie und Humangenetik zunutze, indem man damit B-Zellen welle hervorzurufen. Enthält das Virus dann noch Risikogene
eines Spenders immortalisiert („unsterblich macht“) und somit für schwere Krankheitsverläufe, so gibt es Millionen von Toten
von einer Person eine B-Zell-Linie für weitere Untersuchungen (z. B. die spanische Grippe von 1918).
8.4 • Der Wettlauf zwischen Erregern und Immunsystem bei Infektionen
133 8
infiziertes Gewebe
IFN-α
15 1
14
13 Gefahren-
signale
7 Lymph-
bahn
-γ
IL-2, IFN-γ
IFN
IFN-α
2,
IL-
2 IFN-α 4
TH1 9
Lymph-
16
knoten
5
12 8
Blutgefäß
6 IL-12
IFN-
11 α TH1
10 IL-2, IFN-γ
.. Abb. 8.7 Die Immunantwort gegen Viren. In der sehr frühen spontanen Phase gibt es kaum Mechanismen gegen Viren. Die Interferone sind der wirksams-
te antivirale Schutzmechanismus der natürlichen Immunität. Die infizierten Zellen produzieren IFN-α (1) und induzieren damit einen antiviralen Zustand in
den Nachbarzellen, sodass diese nicht infiziert werden können. Gleichzeitig werden die APC für eine antivirale Antwort aktiviert. Sie produzieren jetzt auch
IFN (2), wobei die unreifen DC die stärksten Interferonproduzenten sind. Wenn das Virus die MHC-I-Expression herunterreguliert, so können NK-Zellen die
virusinfizierten Zellen über das missing self töten (3). Die eingewanderten APC (2) phagocytieren und prozessieren die Viren aber auch und wandern dann
in der Lymphbahn (4) zum Lymphknoten. Dort präsentieren die APC, die durch IFN und die Gefahrensignale der Viren aktiviert wurden, den TH-Zellen das
Antigen. Durch die Art der Aktivierung über die PRR schütten die DC insbesondere IL-12 und IFN-α aus, wodurch die TH-Zellen zu TH1-Zellen differenzieren und
cytotoxische T-Zellen (CTL) aktiviert werden (5). Die APC werden dabei von den TH1-Zellen in der Aktivierung der CTL unterstützt (6). Freies Antigen (7) erreicht
ebenfalls über die Lymphe den Lymphknoten. Dort wird es, neben Makrophagen, von antigenspezifischen B-Zellen erkannt, endocytiert, prozessiert und
TH-Zellen präsentiert (8). Durch die T-Zell-Hilfe teilen sich die B-Zellen (nicht gezeigt) und differenzieren zu Plasmazellen (9) aus. Die aktivierten CTL, TH1-Zel-
len und die Antikörper verlassen den Lymphknoten über die abführende Lymphe und gelangen dann über den Ductus thoracicus in die Blutbahn (10). Die
Antikörper können auf ihrem Weg Viren neutralisieren, die über den Körper streuen (11), und diffundieren unspezifisch in alle Gewebe und haben nur durch
die Gefäßerweiterung am Entzündungsort eine Anreicherung. Die T-Zellen wandern hingegen über die Homing-Faktoren bevorzugt an der Entzündungsstelle
aus (12). Im Gewebe neutralisieren die Antikörper freies Virus, sodass dieses keine weiteren Zellen infizieren kann (13). Des Weiteren kann über die Antikörper
die ADCC (antibody-dependent cellular cytotoxicity) der NK-Zellen vermittelt werden (14), wodurch die NK-Zellen antigenspezifisch töten. Die CTL töten die viru-
sinfizierten Zellen MHC-restringiert (15), wobei die MHC-Expression bereits durch die Interferone gesteigert wurde. Die TH1-Zellen (16) verstärken die Funktion
der NK-Zellen und CTL über IL-2 und IFN-γ
Immunantwort gegen große Parasiten Erreger ausrichten. Mehrzellige Parasiten besitzen zum Teil selbst
und Pilze eine Art Komplementsystem mit entsprechenden Regulatoren
oder aber haben Inhibitoren für das Komplement. Die Pilze sind
Die Immunantwort gegen große mehrzellige Erreger ist sehr be- durch ihre Zellwand weitestgehend geschützt. Im Darm helfen
schränkt. Im Wesentlichen greifen hier die Barrierefunktionen, die Mastzellen, die Erreger in der sehr frühen Phase zu beseiti-
die die Besiedlung oder das Eindringen der Erreger verhindern. gen, da die Mastzellaktivierung dort Durchfälle induziert, die
So ist die intakte Haut eine effektive Barriere gegen das Eindrin- dazu dienen sollen, die Erreger auszuspülen. Ein einfacher, aber
gen von Parasiten. Diese entwickeln aber oftmals Mechanismen, effektiver Mechanismus, weshalb Bandwürmer am „Kopfende“
die Haut aktiv zu durchbohren. Bei den Pilzen haben sich die (Scolex) Widerhaken entwickelt haben, mit denen sie sich in der
Dermatophyten (Hautpilze) sogar die Haut als Zielorgan aus- Darmwand verankern und so nicht ausgespült werden können.
gesucht. Hier sind der Säureschutzmantel der Haut und kom- Spulwürmer schwimmen hingegen aktiv gegen den Strom, wer-
mensale Bakterien wie Staphylococcus epidermidis auf der Haut den aber häufig mit ausgeführt, weshalb man diesen Befall im
und Lactobacillen auf den Schleimhäuten wichtige Mechanis- Stuhlgang bemerkt.
men, um die Besiedlung zu verhindern. Haben es die großen Er- In der frühen induzierten Phase kommen dann die eigent-
reger geschafft, diese Barrieren zu überwinden, so wird es für das lichen antiparasitären Mechanismen ins Spiel, die eosinophilen
Immunsystem sehr schwer, da nur wenige Mechanismen zur Ver- und basophilen Granulocyten. Deren Anzahlen sind bei Para-
fügung stehen, um diese Erreger zu eliminieren. Alle Mechanis- sitenbefall erhöht, in Industrieländern hingegen meist nur bei
men schädigen dabei immer auch den Körper. In der sehr frühen einem „parasitären Fehlalarm“, der Allergie. Diese Granulocyten
Phase können Komplement und Phagocyten nur wenig gegen die degranulieren und versuchen so über ihre toxischen Granulain-
134 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie
1 .. Tab. 8.3 Präformierte Granulainhalte von eosinophilen und basophilen Granulocyten und ihre Funktion. Die Inhaltsstoffe der Basophilen und
Eosinophilen haben oft gegensätzliche Funktion, sodass Erreger unterschiedlich angegriffen werden können.
10 Lysophosholipase
12
Eosinophiles kationisches Cytotoxisch über RNase-Aktivität
Protein
15 Cathepsin-G-artiges
Enzym
Antigenprozessierung
16 halte (. Tab. 8.3) die Erreger abzutöten. Da die Parasiten wie anregen und gleichzeitig eine TH2-Immunantwort einleiten.
die menschlichen Zellen Eukaryoten sind, greifen die toxischen Letztlich induzieren diese Cytokine auch einen Immunglobulin-
17 Mechanismen nicht nur die Parasiten an, sondern auch das klassenwechsel zum IgE, dessen natürliche Funktion auch in der
befallene Gewebe. Die Enzyme können nicht zwischen Parasi- antiparasitären Immunantwort liegt. Ein erhöhtes IgE ist also ein
ten- und Menschenzellen unterscheiden. Durch die ausgelöste Zeichen für eine Parasitose, in den Industrieländern aber meist
18 Entzündungsreaktion wird außerdem über IL-1 eine Collagen- ein Zeichen einer „Pseudoparasitose“, d. h. einer Allergie. Die
synthese induziert, die dazu dient, den Erreger „einzusperren“, Eosinophilen, Basophilen und Mastzellen exprimieren Fcε-Re-
19 d. h. er wird eingekapselt, damit er sich nicht im Körper ausbrei- zeptoren, wodurch das IgE die Funktion dieser Zellen antigen-
tet. Dies ist auf der einen Seite sinnvoll, auf der anderen Seite spezifisch macht und potenziert.
20 aber auch eine Art Kapitulation, da die Kapsel gleichzeitig den
Angriff durch die Granulocyten verhindert. Einige Erreger nut-
zen dies aus, indem sie die Kapselbildung fördern (z. B. Trichine, 8.5 Was entscheidet darüber, ob wir uns
21 Fadenwürmer). infizieren oder nicht?
Um die Effektivität der Eosinophilen und Basophilen zu stei-
22 gern, kommt wiederum das spezifische Immunsystem ins Spiel. Wie oben beschrieben, haben wir viele Mechanismen, die Erre-
Interessanterweise sind dabei die Eosinophilen und Basophilen ger abzuwehren; die Erreger haben sich aber genauso auf unser
selbst antigenpräsentierende Zellen, während Neutrophile dies Immunsystem eingestellt und Strategien entwickelt, das Immun-
23 nicht sind (. Abb. 8.8). Des Weiteren produzieren die Eosino- system auszuschalten. Trotzdem sind wir meistens gesund und
philen, Basophilen und auch Mastzellen selbst große Mengen wenn nicht, fragen wir uns „warum immer gerade ich erkranke“
an IL-4 und IL-5, die ihre eigene Produktion im Knochenmark und nicht die Anderen. Was sind also die Mechanismen, die da-
8.5 • Was entscheidet darüber, ob wir uns infizieren oder nicht?
135 8
tes Gewebe
Collagen
1
IL-1
15
Gefahrensignale
14
2 5 Lymph-
12 bahn
IL-13
3
IL-4
TH2 13
7
Lymph- 6
11 knoten
IL-4
IL-5
Blutgefäß
10 T H2
8
IL-4
IL-5
4 IL-4
TH2
9
.. Abb. 8.8 Die Immunantwort gegen Parasiten. In der sehr frühen spontanen Phase werden die Mastzellen zur Degranulierung angeregt (1). Dies soll die
Erreger nach Möglichkeit aus dem Körper spülen, z. B. durch Husten oder Durchfälle. Die eingewanderten basophilen und eosinophilen Granulocyten (2)
werden durch die Parasiten ebenfalls zur Degranulierung angeregt, wodurch verschiedene toxische Substanzen die Erreger, aber auch das Gewebe schädigen.
Die Basophilen und Eosinophilen phagocytieren und prozessieren Bruchstücke der Erreger und wandern dann in der Lymphbahn (3) zum Lymphknoten.
Dort präsentieren die Eosinophilen (evtl. auch die Basophilen) den TH-Zellen das Antigen. Die Eosinophilen produzieren viel IL-4 und IL-5, das die TH-Zellen zu
TH2-Zellen differenzieren lässt (4). Freies Antigen (5) erreicht ebenfalls über die Lymphe den Lymphknoten. Dort wird es, neben Makrophagen, von B-Zellen
antigenspezifisch erkannt, endocytiert, prozessiert und TH-Zellen präsentiert (6). Durch die T-Zell-Hilfe teilen sich die B-Zellen (nicht gezeigt) und differenzieren
zu Plasmazellen (7) aus. Durch die Cytokine der Eosinophilen und TH2-Zellen vollziehen die B-Zellen dabei einen Immunglobulinklassenwechsel zum IgE (8).
Die aktivierten TH2-Zellen und die Antikörper verlassen den Lymphknoten über die abführende Lymphe und gelangen dann über den Ductus thoracicus in die
Blutbahn (9). Die Antikörper (10) diffundieren unspezifisch in alle Gewebe und haben nur durch die Gefäßerweiterung am Entzündungsort eine Anreicherung.
Die T-Zellen wandern hingegen über die Homing-Faktoren bevorzugt an der Entzündungsstelle aus (11). Im Gewebe opsonisieren die IgE-Antikörper die Para-
siten, sodass die Basophilen und Eosinophilen stärker zur Degranulierung aktiviert werden (12). Die TH2-Zellen aktivieren zusätzliche Entzündungszellen, z. B.
Makrophagen (13), die dann IL-1 synthetisieren, das Fibroblasten zur Collagensynthese anregt (14). Durch das Collagen werden die Parasiten eingekapselt (15)
rüber entscheiden, ob man sich infiziert oder nicht? Dies sind im schreitung des Schwellenwertes wird unter natürlichen Bedin-
Wesentlichen drei Dinge: gungen nicht erreicht. Bei einem Wert unterhalb des protektiven
1. Erregermenge, Titers haben wir eine partielle Immunität, d. h. der Schwellen-
2. Immunkapazität des Wirtes und wert ist erhöht, es kann aber bei Kontakt mit einer großen Erre-
3. Eintrittsort des Erregers. germenge zur Infektion kommen (. Abb. 8.9).
Die Rolle der Erregermenge bei der Infektion Die Rolle der Immunkapazität des Wirtes
bei der Infektion
Glücklicherweise infizieren wir uns nicht immer, wenn wir mit
Infektionserregern in Kontakt kommen. Um die Abwehrmecha- Ein intaktes Immunsystem definiert den Schwellenwert für ei-
nismen der natürlichen Immunität zu überwinden, braucht es nen Erreger. Dementsprechend verändert sich der Schwellenwert
eine gewisse Keimdosis. Diese Keimdosis ist umso niedriger, auch, wenn sich die Kapazität des Immunsystems verändert. Der
je pathogener der Erreger ist, d. h. umso mehr Pathogenitäts- Schwellenwert ist also auch von Individuum zu Individuum ver-
faktoren er besitzt. Die infektiöse Dosis eines Erregers ist also schieden, je nach der Kapazität des jeweiligen Immunsystems.
keine feste Größe, sondern sehr variabel, es handelt sich um ei- Die Kapazität ist dabei die Gesamtheit aller Mechanismen des
nen Schwellenwert. Werden die Mikroorganismen immer von Immunsystems. Die Funktionen des angeborenen Immunsys-
der natürlichen Abwehr erkannt und eliminiert, sprechen wir tems können durch zu viel Waschen und ungesunde Ernährung
von apathogenen Organismen. Die natürliche Immunität sorgt negativ beeinflusst werden (▶ Kap. 15), sodass die Immunkapazi-
also dafür, dass wir uns gar nicht erst infizieren. Im Falle einer tät und damit der Schwellenwert für Erreger sinkt. Dies bedingt,
Sekundärinfektion ist der Schwellenwert durch die Antikörper dass man bei Mangel- oder Fehlernährung eine erhöhte Infek-
stark angehoben. Im Falle eines protektiven Titers ist eine natür- tanfälligkeit hat, da bereits eine geringere Keimdosis ausreicht,
liche Infektion unmöglich, d. h. die nötige Keimdosis zur Über- um eine Infektion auszulösen. Bei Immundefekten (▶ Kap. 16)
136 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie
1 Primärantwort Sekundärantwort
2
Schwellenwert protektiver Titer
3
Erregermenge
5
Infektion
6 natürlicher Schwellenwert
8 sehr frühe
spontane Phase
frühe induzierte
Phase
adaptive Phase Sekundärantwort
.. Abb. 8.9 Die Infektion hängt von der Erregermenge ab. Um das Immunsystem zu überwinden, muss eine gewisse Erregermenge vorliegen. Sobald dieser
11 Schwellenwert überschritten ist, manifestiert sich die Infektion und der Erreger vermehrt sich exponentiell. In den frühen Phasen der Primärreaktion wird der
Schwellenwert allein durch das angeborene Immunsystem (oliv hinterlegt) bestimmt, während in der Sekundärreaktion das erworbene Immunsystem, insbe-
sondere die Antikörper, den Schwellenwert erhöhen. Wird der Schwellenwert nur leicht erhöht (hellblau unterlegt), so ist eine Infektion unwahrscheinlicher,
12 aber bei einer hohen Keimdosis möglich. Es besteht eine partielle Immunität. Erreicht der Antikörpertiter den protektiven Titer (türkis), kann unter natürlichen
Bedingungen keine Infektion mehr erfolgen. Die Person ist immun
13 wird die Immunkapazität soweit gesenkt, dass es zu sogenannten also bedingt durch den Eintrittsweg einen unterschiedlichen
opportunistischen Infektionen kommt, d. h. man infiziert sich Schwellenwert haben. So ist z. B. die Ansteckungsgefahr mit HIV
14 mit Keimen, die für Personen mit einem normalen Immunsys- bei Analverkehr um ein Vielfaches größer als bei Oralverkehr, da
tem ungefährlich sind, z. B. Pneumocystis jiroveci (früher carinii) im Epithel des Mastdarms CD4+-Zellen vorkommen. Aufgrund
15 bei HIV-Infizierten. der Coevolution zwischen Erregern und Immunsystem kommt
Neben der angeborenen wird auch die spezifische Immu- es sogar vor, dass sich die Barrierefunktionen so gut an einen
nität durch den Lebenswandel und die genetische Ausstattung Erreger anpassen, dass die nachgeschalteten Mechanismen nicht
16 beeinflusst. Ein wichtiges Merkmal ist dabei der HLA-Typ ei- mehr adaptiert werden. Staphylococcus epidermidis ist eigentlich
nes Menschen, der darüber entscheidet, welche Peptide effektiv ein kommensaler Keim auf unserer Haut, der aber als Erzeuger
17 präsentiert werden können und welche nicht. Des Weiteren hat von Katheterinfektionen gefürchtet ist. Wenn S. epidermidis ins
auch jeder eine persönliche Ausstattung an antigenspezifischen Tiefengewebe kommt, so kann er hier Infektionen hervorrufen,
Rezeptoren, die die positive und negative Selektion überleben. während er die intakte Haut nie durchdringt und in den oberen
18 Somit hat jeder Mensch eine immunologische Lücke, d. h. ein Hautschichten abgetötet wird.
oder mehrere Antigene, auf die er keine adäquate spezifische
19 Immunantwort geben kann, da die Antikörper oder TCR fehlen
oder aber die Antigene nicht effektiv präsentiert werden können. 8.6 Infektionsprophylaxe
20 Umgekehrt gibt es aber auch Individuen, die gewisse Antigene
besonders effektiv präsentieren können, wie man kürzlich an Immunkapazität und Pathogenität definieren die Infektions-
Personen entdeckt hat, die sich trotz Exposition nicht mit HIV wahrscheinlichkeit mit einem Krankheitserreger. Die Keime, mit
21 infiziert haben (. Tab. 16.5). denen man sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch als gesun-
der Mensch infiziert, haben eine große medizinische Bedeutung,
22 sodass man durch gezielte Maßnahmen die Infektion und Aus-
Die Rolle des Eintrittsortes bei der Infektion breitung dieser Krankheiten verhindern muss. Die Infektionspro-
phylaxe kann man grob in drei Punkte einteilen:
23 Der Schwellenwert wird jedoch nicht nur durch die Pathogenität 1. Hygiene- und Schutzmaßnahmen,
des Erregers und die Immunkapazität des Wirtes, sondern auch 2. Passive Immunisierung und
durch den Eintrittsweg des Erregers bedingt. Ein Erreger kann 3. Impfung.
8.6 • Infektionsprophylaxe
137 8
Hygiene- und Schutzmaßnahmen .. Abb. 8.10 Emil von Behring. Emil von Behring hat die passive Immuni-
sierung erfunden und dadurch die Kindersterblichkeit drastisch gesenkt. Für
diese Leistung wurde er geadelt und bekam 1901 den Nobelpreis für Physio-
Die einfachste Prophylaxe ist die Kontaktvermeidung mit den logie oder Medizin. Das damalige Nobelpreiskomitee würdigte die Arbeiten
Erregern und hat damit eigentlich auch nur wenig mit Immu- als „neuen Weg in der Medizin, der den Ärzten eine siegreiche Waffe gegen
nologie zu tun. Man muss dabei zwei grundsätzliche Dinge un- Krankheiten und Tod in die Hand gibt“
terscheiden: den persönlichen Schutz und den Schutz anderer
Personen. Zum persönlichen Schutz gehören sauberes Trinkwas- Ein besonderes Problem der tierischen Antiseren (heterologe
ser und Schutzkleidung bzw. Moskitonetze in den Tropen. Der Seren) ist dabei, dass diese selbst vom Körper des Empfängers
Schutz anderer Personen betrifft vor allem Patienten in Kranken- als fremde Antigene erkannt und schnell abgebaut werden, d. h.
häusern. Diese sind oft immungeschwächt und haben dadurch sie haben dadurch nur eine geringe Halbwertszeit von maxi-
einen niedrigeren Schwellenwert, sodass sie sich an Keimen mal 10–14 Tagen. Aufgrund des immunologischen Gedächtnis-
infizieren, mit denen das gesunde Krankenhauspersonal asym- ses wirken die Antikörper bei einer erneuten Gabe überhaupt
ptomatisch besiedelt ist. Ein wichtiges klinisches Beispiel sind nicht mehr, da sie direkt von den anti-Antikörpern neutrali-
MRSA-Infektionen (methicillinresistente Staphylococcus aureus), siert werden. Schlimmer noch, bei einer zweiten Gabe riskiert
die vom Krankenhauspersonal übertragen werden können, wenn man die Auslösung der danach benannten Serumkrankheit,
dieses die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Desinfektion nicht die durch Verursachung eines anaphylaktoiden Schocks zum
strikt einhält. Tode führen kann. Die Serumkrankheit ist eine Typ-III-Aller-
gie (▶ Kap. 10). Um sie zu verhindern, muss man die passiven
Immunisierungen im Impfausweis protokollieren und bei einer
Die passive Immunisierung erneuten Gabe eines Antitoxins auf eine andere Tierspezies zu-
rückgreifen oder, wenn dies nicht möglich ist, mit einer gerin-
Im Gegensatz zu den T-Zellen erkennen Antikörper freie Anti- gen Menge subkutan vortesten, ob es zu einer Arthus-Reaktion
gene und sind nicht auf den körpereigenen MHC restringiert. kommt (▶ Kap. 10). Heute hat man für die gängigen Krank-
Deshalb kann man die humorale Immunität auch von einer heiten Hyperimmunglobuline, das sind menschliche Immun
Person auf die andere übertragen, die zelluläre Immunität hin- globulinpräparate (homologe Seren) mit einem hohen Titer
gegen nicht. Dies hat als Erster der deutsche Wissenschaftler für die jeweilige Krankheit, die aus dem Serum von geimpften
Emil Behring erkannt. Er veröffentlichte 1890, dass man durch Personen stammen. Gegen diese Präparate tritt in der Regel
Serum die Immunität gegen einen Erreger von einem Tier auf keine Immunreaktion auf, sodass sie mehrfach appliziert wer-
ein anderes übertragen kann. Kurze Zeit später immunisierte er den können. Eine natürliche Form der passiven Immunisierung
Schafe mit dem Diphtherie-Erreger (Corynebacterium diphthe- liegt bei den Neugeborenen vor, die über die Plazenta mütterli-
riae) und konnte mit deren Serum an Diphtherie erkrankte Kin- ches IgG bekommen haben, man spricht hier von Nestschutz.
der heilen; dies nennt man heute Postexpositionsprophylaxe. Dieser schützt die Kinder in den ersten 4–6 Lebensmonaten
Für die Entdeckung der Serumtherapie bekam Emil von Behring vor Infektionen.
(. Abb. 8.10) bereits zehn Jahre später (1901) den allerersten No-
belpreis für Physiologie oder Medizin überhaupt. Die Serumthe-
rapie kann auch zur Infektionsprophylaxe eingesetzt werden, Impfung
d. h., ein Mensch wird für eine gewisse Zeitspanne gegen den
Erreger immun. Heute stellt man die Antikörpermenge in der Die Impfung oder aktive Immunisierung ist der größte medizi-
Regel so ein, dass eine passive Immunisierung ungefähr zwei nische Erfolg überhaupt. Die Impfung ist die einzige prophylak-
Halbwertszeiten der Antikörper hält, d. h. 6–8 Wochen. Diese tische Therapie, die dauerhaft vor einer Erkrankung schützt. Bei
Form der passiven Immunisierung setzt man meistens vor Reisen der Impfung werden abgeschwächte oder abgetötete Erreger
ein, wenn die Zeit zur Impfung vor Reiseantritt nicht mehr reicht oder nur deren Antigene appliziert, wodurch im Impfling eine
(z. B. passive Immunisierung gegen Hepatitis A). Immunantwort gegen den Erreger bzw. das Antigen ausgelöst
Die passive Immunisierung hat jedoch einen wesentlichen wird, die im Rahmen einer Sekundärantwort schützend ist.
Nachteil gegenüber einer Impfung: Sie wirkt nur kurze Zeit, da Dieser lang anhaltende Schutz aufgrund des immunologischen
sich kein immunologisches Gedächtnis ausbildet (. Tab. 8.4). Gedächtnisses ist auch der wesentliche Vorteil gegenüber der
138 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie
7
passiven Immunisierung. Als Begründer der Impfung gilt der da es bei den Indikationsimpfungen auch weniger verträgliche
englische Landarzt Edward Jenner (▶ Kap. 1). Impfstoffe gibt, die nur bei einem entsprechenden Gefährdungs-
8 Die Pockenimpfung hat aber noch eine weitere Erfolgsge- potenzial appliziert werden sollten. Bei den Impfstoffen werden
schichte. Bereits am Anfang des 19. Jahrhunderts begannen ei- Lebendimpfstoffe von Totimpfstoffen unterschieden. Bei den
9 nige Staaten mit einer systematischen Pockenimpfung, bevor die Lebendimpfstoffen handelt es sich um abgeschwächte (attenu-
WHO 1967 die weltweite Impfpflicht für die Pocken beschloss. ierte), aber noch vermehrungsfähige Erreger, die im Impfling eine
10 Aufgrund dieses strikten Handelns ist es gelungen, die Pocken abgeschwächte Infektion hervorrufen und eine komplexe Immu-
weltweit auszurotten, was die WHO 1980 offiziell festgestellt hat. nität gegen den Erreger erzeugen. Der Vorteil der Lebendimpf-
Die Impfung wird seitdem auch nicht mehr durchgeführt. Diese stoffe ist die gute Immunisierung und der lang anhaltende Schutz.
11 ist aber leider auch das einzige Erfolgsbeispiel, wobei die Aus- Der Nachteil ist die Gefahr einer nicht einzudämmenden Infek-
rottung sowieso nur bei Erregern möglich ist, die den Menschen tion bei immundefizienten Patienten, bei denen Lebendimpfstoffe
12 als alleiniges Reservoir haben. Die WHO wollte bereits bis zum grundsätzlich kontraindiziert sind. Früher gab es mehrheitlich
Jahr 2000 die Masern weltweit ausrotten, wovon wir aber selbst Lebendimpfstoffe, während heute mehrheitlich Totimpfstoffe
in Deutschland noch weit entfernt sind. Dies beruht darauf, dass Verwendung finden. Zuletzt hat man bei der Polioimpfung (Kin-
13 man für die Ausrottung einer Infektion die Übertragung von derlähmung) umgestellt, da es in Deutschland keine natürlichen
Mensch zu Mensch unterbinden muss. Dafür benötigt man eine Polioinfektionen mehr gab, aber jährlich ein paar impfstoffindu-
14 Impfrate von mindestens 95 %, besser natürlich darüber. Man zierte Fälle, weil die attenuierten Impfstämme der Polioviren nach
spricht in diesem Zusammenhang von Herdenimmunität oder der Darmpassage wieder krankheitserregend werden konnten.
15 Kollektivschutz, d. h., die wenigen nicht geimpften Personen sind Bei den Totimpfstoffen unterscheidet man solche, in denen
durch die geimpften Personen geschützt, da die Übertragungs- ganze abgetötete Erreger sind (z. B. den weniger gut verträglichen
wahrscheinlichkeit zu gering ist, denn die Übertragung ist ja Influenza-Ganzvirusimpfstoff), von Impfstoffen mit enzyma-
16 nur von nicht geimpfter zu nicht geimpfter Person möglich. Die tisch zerkleinerten Erregern (z. B. den gut verträglichen Influen-
Masernausbrüche in Deutschland sind deshalb auch immer in za-Spaltimpfstoff) und den sehr gut verträglichen rekombinanten
17 Schulen oder Kindergärten, in denen der Anteil nicht geimpfter Impfstoffen (z. B. Hepatitis-surface-Antigen, HBsAg), bei denen
Kinder besonders hoch ist. nur noch einzelne Bestandteile des Erregers gentechnisch herge-
In Deutschland gibt die STIKO (Ständige Impfkommission) stellt werden. In vielen Fällen werden heute Impfstoffe mehrerer
18 am Robert-Koch-Institut Impfempfehlungen heraus (. Tab. 8.5), Erreger gemischt und in einer Impfung appliziert, man nennt
die regelmäßig aktualisiert werden. Bei den Impfungen unter- diese Kombinationsimpfstoffe. Da das Immunsystem aber nur
19 scheidet man Standardimpfungen (Regelimpfungen) nach dem eine begrenzte Kapazität hat, kann man nicht beliebig viele und
Impfkalender, Indikationsimpfungen und Auffrischimpfungen. auch nicht alle Impfstoffe kombinieren. Interessanterweise er-
20 Die Standardimpfungen sichern die Grundimmunisierung gegen kennen wir bei den Impfungen auch die oben beschriebenen
die jeweiligen Erreger. Die Auffrischimpfungen dienen der Boos- Anpassungsmechanismen der Erreger wieder. Bei den Viren
terung der Grundimmunisierung in regelmäßigen Abständen, müssen wir grundsätzlich mit Oberflächenantigenen impfen,
21 bei Tetanus und Diphtherie alle 10 Jahre. Die Indikationsimp- damit diese an der primären Infektion der Zellen gehindert wer-
fungen sind besondere Impfungen, die nur für Risikogruppen den. Bei den Bakterien reicht es häufig, mit den inaktivierten
22 empfohlen werden, also z. B. Reiseimpfungen wie Gelbfieber, Toxinen, Toxoide genannt, zu impfen, da die Bakterien selbst
wenn man in entsprechende Gebiete reist. für das angeborene Immunsystem kein Problem darstellen, wenn
Die empfohlenen Standardimpfungen sind alle sehr gut ver- dieses nicht durch die Toxine gelähmt wird (z. B. Tetanus- und
23 träglich, und die möglichen Risiken sind gegenüber den Gefahren Diphtherieimpfung).
der Erkrankungen absolut zu vernachlässigen. Diese Risiko-Nut- Wie wir gesehen haben, sind die passive und die aktive Im-
zen-Abwägung muss jeder Arzt vor der Impfung vornehmen, munisierung in ihren Eigenschaften komplementär. Dies macht
8.6 • Infektionsprophylaxe
139 8
Krankheit/Erreger, gegen die geimpft wird Anzahl der Impfungen zur Bemerkungen
Grundimmunisierung
Wichtige Indikationsimpfungen
Die Impfungen 1–5 werden auch kombiniert. Auch die Impfungen 6 + 15 werden kombiniert.
man sich bei der Simultanimpfung oder Passiv-aktiv-Immuni- Diphtherietoxoids als Protein-Carrier gekoppelt werden. Da-
sierung zunutze, indem man gleichzeitig eine Impfung und eine bei macht man aus einem T-Zell-unabhängigen Antigen ein
passive Immunisierung durchführt. Der Vorteil liegt in der Kom- T-Zell-abhängiges Antigen und löst damit eine IgG- statt einer
bination beider Verfahren, d. h. man hat einen sofortigen und IgM-Immunantwort aus. Des Weiteren verstärkt man über den
gleichzeitig einen Langzeitschutz. Die passive Immunisierung Hapten-Carrier-Effekt (▶ Kap. 4) die Immunantwort, da auf-
überbrückt in diesem Falle die Zeit, bis der Körper durch die grund der Diphtherieimpfung gegen das Diphtherietoxoid be-
Impfung die eigene Antikörperproduktion aufgenommen hat. reits spezifische TH-Zellen vorliegen, die eine B-Zell-Hilfe geben
Leider lässt sich diese Kombination nicht bei allen Impfungen können. Diese Impfstoffform ist besonders bei Säuglingen und
durchführen, wichtige klinische Beispiele sind aber die Tollwut- alten Menschen zu bevorzugen, da bei diesen die T-Zell-unab-
und die Tetanussimultanimpfung als Postexpositionsprophylaxe. hängige Immunantwort reduziert ist. Für Menschen ohne Milz
Selbstverständlich muss man bei dieser Kombination auch be- sind Konjugatimpfstoffe die einzige Möglichkeit der Impfung
denken, dass man aufpassen muss, dass sich Impfstoff (Antigene gegen T-Zell-unabhängige Antigene. Neben diesen molekula-
des Erregers) und Antiserum (Antikörper gegen den Erreger) ren Ansätzen werden seit langem Adjuvanzien (Wirkverstärker)
nicht gegenseitig neutralisieren. Deshalb appliziert man das Anti- in den Impfstoffen eingesetzt. Hierbei muss man zwei Formen
serum immer wundnah und den Impfstoff möglichst weit davon von Adjuvanzien unterscheiden: diejenigen, die eine Depot-
entfernt (kontralateral). Bei Lebendimpfstoffen ist eine Simulta- wirkung des Antigens hervorrufen, und solche, die Gefahren-
nimpfung nicht möglich, da es immer zu einer Neutralisierung signale für das Immunsystem darstellen. Die Adjuvanzien mit
kommen würde, da der attenuierte (abgeschwächte) Erreger nur Depotwirkung sind seit langem im Einsatz und gut erprobt,
in einer sehr geringen Dosis verimpft wird und sich erst selbst während die Adjuvanzien, die Risikosignale darstellen, nicht
im Impfling vermehren muss. Die geringen Mengen des attenu- unumstritten sind. In Deutschland sind Letztere bisher nur für
ierten Erregers würden immer vor der Vermehrung durch die ältere Menschen zugelassen (eine Ausnahme bildete die Schwei-
injizierten Antikörper neutralisiert. negrippeimpfung im Jahr 2010) und in den USA gar nicht. Die
Unsere Grundlagenkenntnisse der Immunologie führen möglichen Gefahren, die beim Einsatz auftreten, sind die Aus-
zu immer neuen Impfstoffentwicklungen, die die Immunant- lösung von Autoimmunreaktionen, da man diese Stoffe auch
wort verbessern. So gibt es Konjugatimpfstoffe, bei denen z. B. im Tiermodell zur Induktion von Autoimmunität einsetzt. In
Kapselpolysaccharide von Pneumokokken an einen Teil des alten Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann
140 Kapitel 8 • Infektionsimmunologie
man zum Teil nur durch den Einsatz dieser Adjuvanzien eine
1 Immunreaktion induzieren oder diese verbessern. Bei jungen
Menschen gibt es hingegen keinen immunologischen Vorteil,
2 man kann lediglich die Antigendosis senken, die für die Induk-
tion der Immunantwort notwendig ist.
3
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14
15
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17
18
19
20
21
22
23
141 9
Autoimmunität
Andrea Kruse
9.1 Was ist Autoimmunität? Klasse IgM. Sie sind durch somatische Rekombination im
1 Knochenmark entstanden. B-Zellen erkennen mit ihrem Re-
Wir haben in den vorangegangenen Kapiteln erfahren, welche zeptor lösliche oder zellgebundene Antigene unabhängig von
2 wichtige Rolle unser Immunsystem für die Erkennung und Ab- MHC-Molekülen. Dennoch werden sie im Knochenmark auf
wehr von Fremdstoffen und Infektionserregern spielt und wel- Selbst-Reaktivität überprüft. B-Zellen, die im Knochenmark an
che Mechanismen zur Unterscheidung von Fremd und Selbst zur körpereigene Strukturen binden, sterben ebenfalls durch Apop-
3 Verfügung stehen. Bei einigen Menschen geht das Immunsystem tose, sofern sie nicht durch Rezeptor-Editing ihre Spezifität än-
aber gegen körpereigene, gesunde Zellen und Gewebe vor, als dern (▶ Kap. 2). Gleichzeitig entstehen im Thymus natürliche
4 ob es Eindringlinge wären. Freund kann nicht mehr von Feind regulatorische T-Zellen, auf die weiter unten noch näher ein-
unterschieden werden. Es bilden sich gegen das Selbst gerich- gegangen wird.
5 tete Antikörper (Autoantikörper) und T-Zellen (autoreaktive Der zweite Mechanismus ist die periphere Toleranz. Sie ist
T-Zellen). Diese Attacke des Immunsystems gegen körperei- das Sicherheitsnetz, wenn Lymphocyten der Selektion in den
gene Antigene (Autoantigene) bezeichnet man als Autoimmu- zentralen lymphatischen Organen entkommen. Die periphere
6 nität. Sie kann zu schwerwiegenden Krankheiten führen, den Toleranz wird durch verschiedene Mechanismen hervorgerufen.
Autoimmunerkrankungen. Diese Erkrankungen können ein Zum einen können körpereigene Eiweiße selbst Toleranz erzeu-
7 Organ oder Organteile betreffen, sie können aber auch gegen gen. Sie kommen im Körper naturgemäß ständig in hoher und
viele verschiedene Gewebe des Körpers gerichtet sein. Die ver- vor allem konstanter Konzentration vor. Sie vermitteln den auto-
heerenden Folgen der „Selbstzerstörung“ wurden einst von Paul reaktiven Lymphocyten dauerhaft starke Signale und genau das
8 Ehrlich als „horror autotoxicus“ beschrieben. Glücklicherweise macht die gegen sie gerichteten Lymphocyten tolerant. Bei einer
sind die meisten Autoimmunerkrankungen selten und betreffen Infektion ist es anders. Pathogene und ihre Fragmente kommen
9 zusammen genommen nur ungefähr fünf Prozent der Bevölke- am Anfang des Befalls zunächst in niedrigen Konzentrationen
rung. Die häufigsten Erkrankungen dieser Art sind die rheuma- vor. Doch eingebettet im warmen, nährstoffhaltigen Blut oder
10 toide Arthritis, die mit einer Entzündung und Zerstörung der Körpergewebe oder gar im Schutz der Zelle selbst, vermehren sie
Gelenke einhergeht, die chronische Entzündung der Schilddrüse sich schnell. Dadurch steigt die Konzentration der Antigene des
(Hashimoto-Thyreoiditis), die aufgrund der Zerstörung von Erregers rasch an. Und genau durch diese schnelle Zunahme des
11 Schilddrüsengewebe zu einer Unterproduktion von Schilddrüs- Antigens und der von ihm vermittelten Rezeptorsignale werden
enhormonen führt, und der Typ-1-Diabetes mellitus, der durch naive Lymphocyten aktiviert.
12 eine Zerstörung der insulinproduzierenden β-Inseln der Bauch- Ein weiterer Mechanismus stellt das Ausbleiben von Gefah-
speicheldrüse gekennzeichnet ist. rensignalen durch die Zellen des angeborenen Immunsystems
dar. Erkennen zum Beispiel T-Zellen mit ihrem T-Zell-Rezep-
13 tor den MHC-Peptid-Komplex auf einer dendritischen Zelle,
9.2 Normalerweise verhindern zentrale reicht dies nicht aus, um eine Immunantwort auszulösen. Es
14 und periphere Toleranzmechanismen bedarf weiterer Signale, um eine Aktivierung und Reifung der
gegen das „Selbst“ gerichtete naiven T-Zellen zu Effektor-T-Zellen einzuleiten. Dieser Vor-
Reaktionen
15 gang, das sogenannte Priming (Prägung), umfasst nach heuti-
ger Sicht drei Signale (▶ Kap. 5). Signal 1 besteht aus der be-
Autoimmunerkrankungen sind relativ selten. Dies verdanken wir reits erwähnten Erkennung des MHC-Peptid-Komplexes durch
16 den bereits besprochenen Mechanismen, die zur Selbst-Toleranz den T-Zell-Rezeptor. Signal 2 umfasst die Aktivierung durch
führen (▶ Kap. 2 und ▶ Kap. 5). Wir wollen sie hier noch einmal costimulierende Moleküle. Signal 3 dient der Differenzierung
17 kurz zusammenfassen. Das eine ist die zentrale Toleranz, bei der der T-Zellen in verschiedene Subpopulationen und wird unter
gegen das Selbst gerichtete Lymphocyten im Laufe ihrer Entwick- anderem durch Cytokine reguliert. Vor allem Signal 2 entschei-
lung im Thymus (T-Zellen) oder im Knochenmark (B-Zellen) aus- det, ob T-Zellen nach Erkennen des MHC-Peptid-Komplexes
18 gemustert werden. Im Thymus überleben nur T-Zellen, die an die überleben und proliferieren oder ob sie reaktionsunfähig (anerg)
körpereigenen MHC-Moleküle zu binden vermögen, die von den werden. Wichtige costimulierende Moleküle sind die B7-Mole-
19 MHC-Molekülen präsentierten Eigenpeptide aber nicht erkennen. küle, die nach Aktivierung auf antigenpräsentierenden Zellen
Autoreaktive T-Zellen sterben den programmierten Zelltod. Im hochreguliert werden. Sie interagieren mit CD28, das auf na-
20 Thymus werden die meisten körpereigenen Antigene präsentiert. iven T-Zellen exprimiert wird. Erkennt eine naive T-Zelle mit
Das gilt auch für den überwiegenden Teil der gewebespezifischen ihrem TCR einen MHC-Peptid-Komplex ohne Costimulierung
Eiweiße, wie das für die Bauchspeicheldrüse charakteristische In- durch antigenpräsentierende Zellen, wird ihre Vermehrung und
21 sulin. Wie dies zustande kommt, ist noch nicht vollständig geklärt Differenzierung unterbunden oder verändert. Sie kann dauer-
und Gegenstand intensiver Forschung. Möglicherweise spielt ein haft anerg, also reaktionsunfähig auf ihr Antigen werden; hohe
22 sogenannter Autoimmunregulator bei diesem Prozess eine ent- Konzentrationen von Selbst-Peptiden führen sogar zur Apop-
scheidende Rolle. Dieser kurz auch als AIRE (autoimmune regu- tose der naiven T-Zellen (klonale Deletion). Frühe apoptotische
lator) bezeichnete Transkriptionsfaktor schaltet im Thymus Gene Zellen werden aufgrund von sogenannten „eat me“-Signalen auf
23 an, die normalerweise nur in der Peripherie vorkommen. ihrer Oberfläche nicht als Gefahr wahrgenommen und unter
Naive B-Lymphocyten besitzen spezifische B-Zell-Rezep- anderem vom Phagocytensystem entfernt. Es kann aber auch zur
toren, die sogenannten membranständigen Antikörper der Bildung von sogenannten induzierten regulatorischen T-Zellen
9.2 • Normalerweise verhindern zentrale und periphere Toleranzmechanismen gegen das „Selbst“ gerichtete Reaktionen
143 9
kommen. Sie werden als Antwort auf erkannte Selbst-Antigene gesetzt wird. Es müssen verschiedene Schwachstellen zusam-
oder harmlose Fremd-Antigene gebildet, die von unreifen, nicht menkommen, um gegen das „Selbst“ gerichtete Reaktionen zu
aktivierten DC in Anwesenheit von TGF-β und Abwesenheit erzeugen. Dazu gehören genetische Anlagen, die beispielsweise
von Entzündungsmediatoren und costimulierenden Molekülen zu Fehlern bei den zentralen oder peripheren Toleranzmecha-
präsentiert werden. Induzierte Tregs setzen sich aus zahlreichen nismen führen, hormonelle Faktoren sowie äußere Umwelt-
Untergruppen zusammen, die sich anhand ihrer Oberflächen- einflüsse wie UV-Strahlung, Medikamente, Drogen, Gifte und
moleküle und ihrer Funktion unterscheiden. Eine Subpopula- Infektionen, die wiederum autoimmune Prozesse auslösen
tion kontrolliert immunologische Prozesse in den Schleimhäu- können.
ten, dem „Brennpunkt“ zwischen der Innenwelt des Körpers und
der von Pathogenen besiedelten Außenwelt. Sie werden durch Prädisponierende genetische Faktoren
Aufnahme von Antigenen über mucosale Oberflächen aktiviert Es gibt Menschen, die eine angeborene „Empfänglichkeit“, eine
(orale Toleranz) und hemmen über die Produktion von IL-4, sogenannte genetische Prädisposition, für Autoimmunerkran-
TGF-β und IL-10 Immunreaktionen. Fehlen sie, können sich kungen besitzen. Diese Anfälligkeit beruht in der Regel auf dem
autoimmune Reaktionen im Bereich des Darmes entwickeln. Zusammenwirken mehrerer Gene. Menschen mit genetischer
Die zweite Hauptgruppe regulatorischer T-Zellen umfasst die Prädisposition müssen aber keine Autoimmunerkrankung ent-
natürlichen Treg, die im Thymus entstehen. Dabei handelt es wickeln. Es gibt auch Aggressionen gegen das Selbst, die auf
sich um CD4+-T-Zellen mit einem α:β-T-Zell-Rezeptor, die das Einzelgendefekten beruhen. Die genetischen Varianten (Allele)
Oberflächenmolekül CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte associated für diese monogenen Autoimmunerkrankungen werden rezessiv
protein-4), den Transkriptionsfaktor FoxP3 (forkhead box P3) und/oder X-chromosomal vererbt. Ein Beispiel für eine rezessive
und sehr stark CD25 (α-Kette des IL-2-Rezeptors) exprimieren. monogene Autoimmunerkrankung ist das Autoimmun-Polyen-
Die Selektion im Thymus erfolgt vermutlich durch eine hochaf- dokrinopathie-Candidiasis-ektodermale Dystrophie-Syndrom
fine Bindung an Selbst-Peptide (die gerade nicht mehr zur Apop- oder kurz APECED genannt. Patienten mit APECED haben ein
tose führt), die dort von MHC-Molekülen präsentiert werden. defektes AIRE-Gen. Dadurch werden periphere Gene im Thymus
Die Immunsuppression durch natürliche Treg geschieht überwie- nicht angeschaltet, und es kann keine zentrale Toleranz gegen-
gend durch direkten Zellkontakt. Es gibt aber auch Hinweise über deren Genprodukten erzeugt werden. Bei diesen Menschen
auf eine cytokinvermittelte Suppression, die vor allem T-Zellen kommt es im Verlauf ihres Lebens zur Zerstörung vor allem en-
und dendritische Zellen betrifft. Die wichtigsten Cytokine, die dokriner Gewebe.
von natürlichen Treg produziert werden, sind IL-10 und TGF-β. Auch periphere Toleranzmechanismen können von Einzel-
Natürliche Treg machen 5–15 % der zirkulierenden CD4+-T-Zel- gendefekten betroffen sein. So führt eine Mutation im Gen für
len aus (weitere Informationen über Treg ▶ Kap. 2, ▶ Kap. 5 und den Transkriptionsfaktor FoxP3 zu einer gestörten Differenzie-
▶ Kap. 7). Auch antigenaktivierte B-Lymphocyten können aus rung bestimmter Subpopulationen regulatorischer T-Zellen. Die
dem Verkehr gezogen werden. Aktivierte B-Zellen, die in den Folge ist das Autoimmunsyndrom IPEX (Immundysregulation,
Keimzentren eine somatische Hypermutation durchlaufen ha- Polyendokrinopathie, Enteropathie X-gekoppeltes Syndrom),
ben, können dadurch eine höhere Affinität zu Selbst-Antigenen das auch unter dem Namen X-linked autoimmunity-allergic dys-
entwickeln (▶ Kap. 5). Wenn die spezifischen Rezeptoren dieser regulation syndrome (XLAAD) bekannt ist. Diese Patienten er-
B-Zellen durch ein derartiges Antigen vernetzt werden, senden kranken bereits im Kleinkindalter. Klinisch können chronische
sie ein Signal ins Innere der Zelle. Bleibt Unterstützung durch Diarrhoe, insulinabhängiger Diabetes mellitus, eine Entzündung
T-Helferzellen aus (weil keine autoreaktiven T-Zellen gegen das der Schilddrüse, hämolytische Anämie, Thrombocytopenie und
Selbst-Peptid existieren), induziert dieses Signal den program- verschiedene Hauterkrankungen beobachtet werden. Bei dieser
mierten Zelltod (Apoptose). Die apoptotischen Zellen werden Krankheit handelt es sich um eine rezessive, X-chromosomal
sofort von Makrophagen, die in den Keimzentren lokalisiert vererbte Autoimmunerkrankung. Ein weiteres Beispiel für eine
sind, beseitigt. monogene Autoimmunerkrankung ist das lymphoproliferative
Anergie, Apoptose und Immunsuppression durch regulatori- Autoimmunsyndrom (ALPS), das weltweit bei ungefähr 220 Pa-
sche T-Zellen sind die Mechanismen der peripheren Toleranz. Sie tienten beschrieben wurde. Es beruht auf einer Mutation im
wirken zusammen und ergänzen sich, ohne die Immunabwehr FAS-Gen. Dessen Produkt, der Rezeptor Fas (CD95), kommt auf
von Pathogenen zu beeinflussen. Die Kombination der zentralen Effektorlymphocyten vor. Nach Bindung seines Liganden FasL
und peripheren Toleranz schützt unseren Körper vor der Zerstö- (Fas-Ligand) sendet er Signale in die Zelle, die zur Apoptose füh-
rung durch das eigene Immunsystem. ren. Die Fas/FasL-Interaktion ist ein Mechanismus zur Kontrolle
von Immunreaktionen. Nach Beendigung einer Immunantwort
werden auf diesem Weg nicht mehr benötigte Effektorzellen ent-
Verschiedene Faktoren müssen fernt. Ein nicht funktionstüchtiger Fas-Rezeptor führt zu einer
zusammenkommen, um Autoimmunität gestörten Apoptose und zu einer Anhäufung von Lymphocyten.
zu erzeugen Es kommt klinisch zu einer massiven, generalisierten Lymph-
knotenschwellung. Außerdem treten bei fast allen Patienten eine
Autoaggressive Prozesse, die zur Schädigung und Zerstörung Milz- und bei 67 % eine Lebervergrößerung auf. Das Alter bei
körpereigenen Gewebes führen, entstehen in der Regel nicht, klinischer Erstmanifestation von ALPS liegt bei zehn Monaten
wenn nur ein Kontrollpunkt des Immunsystems außer Kraft bis fünf Jahren.
144 Kapitel 9 • Autoimmunität
1 BCR
autoreaktive
B-Zelle
autoimmune
2 Reaktionen
nekrotische
spätapoptotische Plasmazelle
3 Zellbestandteile Cytokine
Autoantikörper
TLR-7, 9
(ssRNA, nicht meth. CpG-DNA,
4 Ribonucleotidkomplexe;
je nach Spezifität des BCR)
5
Phago-
HSP, Fn
cytose
6 u. a.
autoreaktive T-Zelle
7 TLR-2,4
mDC TLR-7,8 ; pDC TLR-7,9
8 dendritische
Zelle
(ssRNA, nicht meth. CpG-DNA,
Ribonucleotidkomplexe)
9 .. Abb. 9.1 Körpereigene Antigene können autoimmune Reaktionen auslösen, wobei sie Toll-ähnliche Rezeptoren als Costimulatoren benutzen. Kommt
es infolge von Infektionen oder anderen Entzündungsprozessen zu einer vermehrten Zerstörung von Körperzellen durch nekrotische Prozesse oder gehen
früh-apoptotische Zellen in die spät-apoptotische oder sekundär nekrotische Phase über, werden intrazelluläre Moleküle frei, die normalerweise unsichtbar
10 für das Immunsystem sind. Gegen sie gerichtete autoreaktive B-Zellen nehmen die Zellbestandteile durch Endocytose auf. Einige der Moleküle binden an
Toll-ähnliche Rezeptoren (TLR-7 z. B. bei RNA-spezifischen B-Zellen und TLR-9 z. B. bei DNA-spezifischen B-Zellen), die sich in Vesikeln im Innern der B-Zellen be-
finden. Dadurch wird die B-Zelle aktiviert. DC phagocytieren ebenfalls die freigewordenen Zellbestandteile und präsentieren sie auf MHC-Klasse-II-Molekülen
11 an naive T-Helferzellen. Zusätzliche Aktivierungssignale erhalten myeloide DC (mDC) durch Bindung bestimmter Moleküle (einzelsträngige RNA, Ribonucleo-
tidkomplexe) an TLR-7 und TLR-8 in den intrazellulären Vesikeln oder von Molekülen (Hitzeschockproteine (HSP), Fibronectin (Fn) und anderen Strukturen)
an TLR-2 und/oder TLR-4 auf ihrer Oberfläche. Plasmacytoide DC (pDC) werden durch Bindung von einzelsträngiger RNA, Ribonucleotidkomplexen und nicht
12 methylierter CpG-haltiger DNA an TLR-7 und TLR-9 in intrazellulären Vesikeln aktiviert. Die stimulierten DC reifen und exprimieren vermehrt costimulierende
Moleküle und schütten Cytokine aus, die mit ihnen interagierende autoreaktive T-Zellen aktivieren. Diese nehmen wiederum Kontakt mit den autoreaktiven
13 B-Zellen auf und aktivieren sie über costimulierende Moleküle und Cytokine zur Freisetzung von Autoantikörpern. pDC produzieren nach Aktivierung vor
allem Typ-1-Interferone (IFN-α, IFN-β). IFN-γ spielt über die Aktivierung von antigenpräsentierenden Zellen, T- und B-Zellen vor allem in der Pathogenese von
SLE eine bedeutende Rolle. (Verändert nach Marshak-Rothstein.)
14
Wir wollen das an einem Beispiel betrachten. Apoptotische dungsmediatoren wie Cytokine und Costimulierung aktiviert,
15 DNA enthält vermehrt nicht methylierte CpG-Sequenzen, die interagieren einige von Ihnen mit den autoreaktiven B-Zellen
ansonsten typisch für bakterielle DNA sind. B-Lymphocyten, die und veranlassen diese zur Produktion von Autoantikörpern
gegen körpereigene DNA gerichtet sind, werden im Knochen- (. Abb. 9.1).
16 mark ausgemustert. Solche Zellen, die nur sehr schwach an die Auch andere TLR können in Autoimmunprozesse involviert
eigene DNA binden, entkommen jedoch manchmal der zentra- sein. So binden Ribonucleotidkomplexe zum Beispiel an TLR-7
17 len Toleranz. Sie werden aber in der Peripherie nicht aktiviert, da (B-Zellen, myeloide DC, plasmacytoide DC) und TLR-8 (mye-
sie keinen Kontakt zu ihrem Liganden haben (er befindet sich ja loide DC). Diese Mechanismen spielen möglicherweise beim
im Innern der Zellen) und nicht durch Gefahrensignale stimu- systemischen Lupus erythematodes (SLE) eine Rolle, der durch
18 liert werden. Kommt es bei einer Infektion zu einer gesteigerten die Produktion von Autoantikörpern gegen DNA, Ribonucleo-
Apoptose und damit zu sekundärer Nekrose, wird vermehrt proteine und DNA-assoziierte Proteine gekennzeichnet ist. Die
19 nicht methylierte CpG-haltige DNA freigesetzt. Sie wird von den postulierte Beteiligung der TLR an der Autoimmunität bezeich-
B-Zell-Rezeptoren der latent autoreaktiven B-Zellen gebunden net man als Toll-Hypothese.
20 und durch Endocytose in die Zelle aufgenommen. Eingeschlos- Einen weiteren Mechanismus stellen Superantigene dar.
sen in intrazelluläre Vesikel kann sie mit dem Toll-ähnlichen Dazu gehören verschiedene Enterotoxine von Staphylococcus
Rezeptor(TLR)-9 reagieren. Die Bindung der aufgenommenen aureus und pyrogene erythrogene Toxine von Streptococcus
21 DNA an TLR-9 aktiviert die B-Zelle. Gleichzeitig phagocytieren pyogenes. Aber auch bei Mycoplasma arthritidis, Viren (z. B.
antigenpräsentierende Zellen (APC) des angeborenen Immun- Maus-Mammatumorvirus) und gramnegativen Bakterien
22 systems (dendritische Zellen) die Fragmente und freigesetzten (z. B. Yersinia pseudotuberculosis) wurden Superantigene iden-
Moleküle und werden von ihnen zusätzlich über Toll-ähnliche tifiziert. Superantigene sind Proteine, die eine Proteinkette von
Rezeptoren aktiviert. Sie reifen und präsentieren diese Anti- MHC-Klasse-II-Molekülen auf antigenpräsentierenden Zellen
23 gene der spät-apoptotischen oder sekundär nekrotischen Zel- mit den Vβ-Elementen des T-Zell-Rezeptors auf T-Zellen ver-
len an T-Helferzellen. Erkennen autoreaktive T-Helferzellen binden. Die Bindungsstellen liegen außerhalb der Antigenbin-
den MHC-II/Peptid-Komplex und werden sie durch Entzün- dungsstellen. Die Bindung eines Superantigens ist somit un-
9.3 • Einteilung der Autoimmunerkrankungen
147 9
3 Morbus Basedow
Hashimoto-Thyreoiditis
Schilddrüse Rheumatoide Arthritis
4
Perniziöse Anämie
Magen Systemischer Lupus
5 erythematodes
Typ-1-Diabetes
Pankreas
6 Sklerodermie
Morbus Addison
Nebenniere
7 Sjögren-Syndrom
Myastenia gravis
Acetylcholinrezeptoren
8 an den motorischen Endplatten
der Muskeln
9
10
häufig auch an der organspezifischen perniziösen Anämie und ganspezifischen oder systemischen Gewebeschäden führen, muss
11
12
umgekehrt. Patienten mit systemischem Lupus erythematodes
können auch an anderen systemischen Autoimmunerkrankun-
gen wie der rheumatoiden Arthritis erkranken. -
Folgendes betont werden:
Je nach Typ der Hypersensitivität dominieren entweder
B-Zellen und die von ihnen produzierten Autoantikörper
oder T-Helferzellen und cytotoxische T-Zellen das Ge-
schehen. Es sind aber immer autoreaktive T-Zellen und
-
9.4 Pathogene Mechanismen autoreaktive B-Zellen beteiligt.
13 der Autoimmunität Lange Zeit hatte man angenommen, dass bestimmte
pathologische Prozesse bei der Multiplen Sklerose und der
14 In diesem Abschnitt wollen wir die Mechanismen und die Teile rheumatoiden Arthritis von T-Helfer-1-Zellen vermittelt
des Immunsystems betrachten, die bei einer Autoimmunerkran- werden. Untersuchungen in Tiermodellen weisen darauf-
15 kung zur Schädigung des Gewebes führen. Sie sind der Schlüs- hin, dass IL-23, T-Helfer-17-Zellen und dem von ihnen
sel für das Verständnis der Autoimmunität und die Entwicklung produzierten IL-17 bei diesen Erkrankungen eine Schlüs-
16
17
erfolgreicher Therapieansätze. Autoimmunerkrankungen gehö-
ren zu den überschießenden Immunreaktionen, bei denen das
Immunsystem körpereigene Strukturen angreift oder wie bei
allergischen Reaktionen unverhältnismäßig stark auf harmlose
- selrolle zukommt (▶ Exkurs 5.1).
Die Einteilung der Autoimmunerkrankungen in die
verschiedenen Typen der Überempfindlichkeitsreaktion
ist nicht strikt. Bei den meisten Autoimmunerkrankungen
Stoffe reagiert. Überschießende Immunreaktionen werden in vier sind mehrere Mechanismen vertreten, und die Typen über-
Typen eingeteilt, die Überempfindlichkeitsreaktionen (Hyper- lappen sich oder treten gleichzeitig auf.
18 sensitivitätsreaktionen) vom Typ I, II, III und IV. Die bekannteste
Hypersensitivität ist die vom Typ I, die wir unter dem Begriff
19 „Allergie vom Soforttyp“ kennen. Sie wird durch Antikörper Autoantikörper gegen Antigene
vom Typ IgE vermittelt. Da sie nach bisherigem Wissen nicht auf Zelloberflächen oder Antigene
20 an Autoimmunerkrankungen beteiligt ist, soll sie in diesem Ka- der extrazellulären Matrix (Mechanismen
pitel nicht weiter behandelt werden. Auf die Hypersensitivität vom Typ II)
vom Typ I und die ihr zugrunde liegenden Mechanismen wird
21 in ▶ Kap. 10 eingegangen. Bei diesen Autoimmunerkrankungen sind IgG- oder IgM-Au-
Die Funktionsmechanismen der Autoimmunerkrankungen toantikörper gegen körpereigene Strukturen auf Oberflächen
22 sind die gleichen wie diejenigen der Hypersensitivitätsreaktio-
nen vom Typ II, Typ III und Typ IV (. Abb. 9.4). Welcher Typ
-
gerichtet, die auf
Einzelzellen ohne Zellkern (Erythrocyten und Thrombocy-
23 dominiert, hängt ab von Art und Lokalisation des Autoantigens
und der Art der maßgeblich involvierten adaptiven Immun-
-- ten),
Einzelzellen mit Zellkern wie neutrophile Granulocyten,
komponenten (T-Zellen, Autoantikörper). Bevor wir auf die
verschiedenen autoreaktiven Mechanismen eingehen, die zu or-
- Zellen im Gewebeverband oder
außerhalb der Zellen in der Matrix vorkommen.
9.4 • Pathogene Mechanismen der Autoimmunität
149 9
Autoantikörper gegen
Autoantikörper gegen Antigene
lösliche Antigene, autoreaktive T-Zellen gegen
auf Zelloberflächen oder
Bildung und Ablagerung körpereigene Eiweiße (Typ IV)
in der Matrix (Typ II)
von Immunkomplexen (Typ III)
S IC CD4-T-Zelle
R (TH1; TH17)
Phagocytose
Komplement
R S
R S
ADCC CTL
Lyse
APC
.. Abb. 9.4 Autoimmunerkrankungen werden durch immunologische Prozesse hervorgerufen, die gegen körpereigene Antigene gerichtet sind und zu
Gewebeschäden führen. Ihnen liegen die Mechanismen der Hypersensitivitätsreaktionen vom Typ II–IV zugrunde. Je nach Typ sind entweder B-Zellen und
die von ihnen produzierten Autoantikörper vorherrschend (Typ II und Typ III) oder CD4-T-Zellen (T-Helfer-1- Zellen (TH1) oder T-Helfer-17-Zellen (TH17)) und
CD8-T-Zellen (cytotoxische T-Zellen) (Typ IV). Beim Typ II sind Autoantikörper (IgM, IgG) gegen Antigene auf Einzelzellen (z. B. Erythrocyten, Thrombocyten,
neutrophile Granulocyten), auf Zellen im Gewebeverband oder gegen Antigene in der Matrix gerichtet. Aktivierung des Komplementsystems und antikörper-
abhängige Cytotoxizität (ADCC) führen zur Gewebeschädigung. Autoantikörper (vornehmlich IgG) gegen lösliche Antigene führen zu immunkomplexvermit-
telten Erkrankungen (Typ III). Die große Zahl an immer wieder neu entstehenden Immunkomplexen überlastet das Phagocytensystem. Immunkomplexe (IC)
werden zum Beispiel im Gewebe und in den Wänden kleiner Blutgefäße abgelagert. Dort aktivieren sie das Komplementsystem, stimulieren Granulocyten,
Makrophagen und NK-Zellen zur ADCC. Beim Typ IV dominieren autoreaktive T-Helfer-1(TH1)-Zellen oder T-Helfer-17(TH17)-Zellen und cytotoxische T-Zellen
(CD8-T-Zellen, CTL). Während cytotoxische T-Zellen direkt das Gewebe schädigen, aktivieren die T-Helferzellen (CD4-T-Zellen) Makrophagen, neutrophile
Granulocyten und autoreaktive B-Zellen
Bei den autoimmunen hämolytischen Anämien bilden die Pa- entspaltprodukte wie C5a freigesetzt, die chemotaktisch wirken
tienten IgM- und IgG-Autoantikörper gegen Strukturen, die auf und Entzündungszellen rekrutieren und aktivieren. Die Entzün-
den eigenen roten Blutkörperchen ausgeprägt sind. Die Folge ist dungszellen schütten jetzt Cytokine und Chemokine aus, die
eine schnelle Zerstörung der Erythrocyten. Dies geschieht auf das Gewebe schädigen und weitere Leukocyten anlocken. Über
zweierlei Weise: Zum einen aktivieren die an die roten Blutkör- entsprechende Rezeptoren können neutrophile Granulocyten
perchen gebundenen Antikörper das Komplementsystem, das und NK-Zellen an den Fc-Teil der IgG-Antikörper binden und
zur Lyse der Zellen führt. Die zellkernlosen roten Blutkörperchen ihre cytotoxischen Granula auf die markierten Zellen ausschüt-
sind wesentlich empfindlicher gegenüber der komplementver- ten (antikörperabhängige Cytotoxizität, ADCC). Obwohl nicht
mittelten Lyse, weil sie weniger Komplementregulatorproteine vorherrschend, sind auch autoreaktive cytotoxische T-Zellen an
besitzen. Zum anderen werden mit Komplementfragmenten den gewebeschädigenden Prozessen beteiligt. Ein Beispiel ist die
und Antikörpern bestückte Zellen in der Milz von Makropha- chronische Schilddrüsenentzündung (Hashimoto-Thyreoiditis),
gen phagocytiert und somit aus dem Verkehr gezogen. Ähnliche bei der Autoantikörper gegen die Schilddrüsen-Peroxidase und
Mechanismen liegen der autoimmunen thrombocytopenischen das Thyreoglobulin gerichtet sind. Beim Goodpasture-Syndrom
Purpura zugrunde, bei der ein Mangel an Blutplättchen schließ- werden dagegen Autoantikörper gegen Antigene der extrazellu-
lich zu inneren Blutungen führt. lären Matrix wie der Basalmembran der Nierenglomeruli und
Ein Großteil der Körperzellen befindet sich im Gewebever- zuweilen auch der Lungenbläschen produziert.
band. Auch hier können Autoantikörper an Oberflächenstruktu- Ein besondere Variante der Autoimmunerkrankungen, die
ren binden. Obwohl diese Zellen relativ resistent gegenüber der den Typ-II-Mechanismen unterliegen, sind die Myasthenia gravis
Lyse durch das Komplementsystem sind, werden aber Komplem- und die Basedow-Krankheit (Morbus Basedow). Die Myasthe-
150 Kapitel 9 • Autoimmunität
1
2
3
4
5
6 .. Abb. 9.5 Pathologische Veränderungen bei Autoimmunerkrankungen. a) Charakteristisch für den systemischen Lupus erythematodes (SLE) ist das
Schmetterlingserythem, eine symmetrische Gesichtsrötung an Nase, Stirn und beiden Wangen. Die beim SLE auftretenden Hautveränderungen gaben der
Krankheit auch ihren Namen, da sie Wolfsbissen ähnelten (lupus, lat. Wolf und erythema, griech. Röte). b) Bei einem Viertel der Patienten mit rheumatoider
7 Arthritis treten Rheumaknoten auf, die unter der Haut lokalisiert sind, besonders an Stellen mit hoher Druckbelastung. Aber auch Patienten mit SLE können
zusätzlich an rheumatoider Arthritis erkranken. (Die Bilder wurden freundlicherweise von © Prof. Dr. Jürgen Flöge (Universitätsklinikum Aachen) zur Verfügung
gestellt.)
8
nia gravis ist eine potenziell tödlich verlaufende Krankheit, der dann im Gewebe abgelagert, vor allem in der Haut, in den Ge-
9 eine fortschreitende Schwächung und Lähmung der Muskulatur lenken, in der Lunge, an der Basalmembran der Nierenglomeruli
zugrunde liegt. Diese wird durch Autoantikörper hervorgerufen, und an den Wänden kleiner Blutgefäße. Im Gewebe abgelagerte
10 die gegen den Acetylcholinrezeptor gerichtet sind. Acetylcho- Immunkomplexe aktivieren das Komplementsystem und stimu-
linrezeptoren befinden sich auf Skelettmuskeln im Bereich der lieren neutrophile Granulocyten, Makrophagen und NK-Zellen
motorischen Endplatten. Dort findet die Erregungsübertragung zur Ausschüttung von Enzymen und Sauerstoffradikalen. Kom-
11 von der Nervenzelle auf die Muskelzelle statt. Die Autoantikör- plementspaltprodukte wie C5a und von Immunzellen und Ge-
per blockieren den Rezeptor, sodass eine Signalübertragung vom webezellen produzierte Chemokine locken weitere Leukocyten
12 Nerv auf den Muskel durch Acetylcholin nicht mehr möglich zum Entzündungsort, die aktiviert werden und in das Geschehen
ist. Im Gegensatz dazu werden beim Morbus Basedow Autoan- eingreifen. Lokale Mastzellen setzen vasoaktive Mediatoren wie
tikörper gebildet, die an den Rezeptor für das schilddrüsensti- Histamin, Heparin, Prostaglandine und Leukotriene frei. Aber
13 mulierende Hormon TSH (thyroid stimulating hormone) binden. auch autoreaktive T-Zellen sind involviert. Die Folge sind Zer-
Dadurch kommt es auch ohne TSH zu einer Stimulation der Re- störung des Gewebes und chronische Entzündungen.
14 zeptoren und zu einer Schilddrüsenüberfunktion. Ein wesentlicher Teil des Krankheitsbildes des systemischen
Lupus erythematodes (SLE) beruht auf diesen Mechanismen.
15 Autoantikörper gegen lösliche Antigene
SLE ist eine schwere systemische Autoimmunerkrankung, von
der viele Organe wie Niere, Haut, Gelenke, Lunge, Herz und
führen zu immunkomplexvermittelten Gehirn betroffen sein können. Diese Krankheit tritt bei Frauen
16 Erkrankungen (Typ III) zehnmal häufiger auf als bei Männern. Im Serum der Patienten
findet man viele verschiedene IgG-Autoantikörper gegen körper
17 Die Hypersensibilitätsreaktion vom Typ III ist nur schwer von eigene Proteine. Unter ihnen herrschen Autoantikörper gegen
der zuvor besprochenen Typ-II-Reaktion abzugrenzen. Die einzel- und doppelsträngige DNA, Nucleotide, Histone, nicht zu
Typ-III-Reaktion wird durch Antigen-Antikörper-Komplexe, den Histonen gehörende Kernproteine sowie gegen Ribonucleo-
18 die auch als Immunkomplexe bezeichnet werden, ausgelöst. proteine vor, die durch vermehrte Apoptose und Gewebeverlet-
Bei dieser Reaktion binden Antikörper der Klasse IgG an lös- zung aus den Zellen freigesetzt werden. Die ständige Gegenwart
19 liche Antigene. Die Bindung aktiviert das Komplementsystem, der Autoantigene führt zu einer andauernden Immunkomplex-
Komplementkomponenten lagern sich ab und opsonisieren das bildung. Durch genetisch bedingte Defizienzen früher Komple-
20 Antigen. Normalerweise werden die Immunkomplexe durch Zel- mentkomponenten sowie durch eine herabgesetzte Phagocytose-
len des phagocytären Systems entfernt oder durch Erythrocyten fähigkeit können die Immunkomplexe nicht aus der Zirkulation
mithilfe der von ihnen exprimierten Komplementrezeptoren zur entfernt werden. Sie lagern sich im Gewebe, an Basalmembranen
21 Milz transportiert und dort durch Makrophagen eliminiert. Als und in den Wänden kleiner Blutgefäße ab und führen dort zu
Folge von chronischen Infektionen (zum Beispiel die bakteri- Entzündungen. Neben anderen Leukocyten sind auch autoreak-
22 elle Endocarditis) oder Autoimmunerkrankungen können Im- tive T-Zellen an der Gewebeschädigung beteiligt. Autoreaktive
munkomplexe jedoch in solch großer Zahl auftreten, dass das T-Zellen spielen eine maßgebliche Rolle bei der B-Zellaktivie-
Phagocytensystem überlastet ist. Verstärkt wird dieser Prozess rung. Die schwere Form des SLE ist durch ein schmetterlings-
23 durch Defekte des angeborenen Immunsystems wie zum Beispiel förmiges Exanthem im Gesicht (. Abb. 9.5), Nierenentzündung,
Mangel an frühen Komplementkomponenten oder Störung der Gelenkentzündung, Lungenentzündung, Gefäßentzündung und
Phagocytoseaktivität. Überschüssige Immunkomplexe werden andere pathologische Veränderungen charakterisiert. SLE wird
Literatur
151 9
nach den sogenannten ACR(American College of Rheumatolo- rungen. Die Krankheit verläuft meistens schubweise. An diesen
gy)-Kriterien diagnostiziert. Sind vier Punkte der folgenden elf Prozessen sind überwiegend CD4+-T-Zellen, Makrophagen und
Kriterien erfüllt, ist der Patient mit großer Wahrscheinlichkeit Mikrogliazellen beteiligt. Die Entzündungen beginnen im Ge-
an SLE erkrankt: Schmetterlingserythem, chronisch-diskoider hirn, wobei die auslösenden Momente noch nicht ausreichend
Lupus erythematodes (CDLE; scheibenförmige Hautverände- bekannt sind. Adhäsionsmoleküle, die im Rahmen der Entzün-
rungen), Photosensibilität (Überempfindlichkeit gegen Licht), dung auf den Blutgefäßendothelzellen des Gehirns exprimiert
Schleimhautulzerationen (Geschwüre z. B. der Mundschleim- werden, setzen die Blut-Hirn-Schranke außer Kraft (▶ Kap. 17).
haut), Arthritis (Gelenkentzündung), Serotitis (Entzündung Es kommt zu einer Rekrutierung von aktivierten T-Zellen, die ge-
der sogenannten serösen Häute, z. B. Herzbeutel, Lungenfell), gen körpereigenes Myelinprotein, Proteolipidprotein und andere
Glomerulonephritis (Nierenentzündung), neurologische Sym- Eiweiße gerichtet sind. Die aktivierten CD4+-T-Zellen produzie-
ptome, hämatologische Befunde (autoimmun bedingte Leuko- ren Cytokine, die wiederum Makrophagen und Mikrogliazellen
penie, Thrombopenie, hämolytische Anämie), immunologische dazu veranlassen, TNF-α zu bilden und vermehrt MHC-Klas-
Befunde (Autoantikörper gegen DNA, das Ribonucleoprotein se-II-Moleküle zu exprimieren. TNF-α führt zu einer weiteren
Sm, Phospholipide) und antinucleäre Antikörper (ANA) in der Schädigung der Nervenzellen. Immer mehr körpereigene Ei-
Immunfluoreszenzmikroskopie. weiße werden freigesetzt, von Makrophagen und Mikrogliazel-
len aufgenommen und den autoreaktiven T-Zellen mithilfe der
vermehrt exprimierten MHC-Klasse-II-Moleküle präsentiert.
Autoreaktive T-Zellen schädigen das Gewebe Chemotaktische Stoffe locken weitere Leukocyten, unter ande-
direkt und aktivieren autoreaktive B-Zellen rem auch B-Zellen, an den Entzündungsort. Unter Mithilfe der
zur Antikörperproduktion (Typ IV) T-Helferzellen werden Autoantikörper zum Beispiel gegen Mye-
lin gebildet. Neuere Untersuchungen im Tiermodell der experi-
Während die bisher beschriebenen Autoimmunerkrankungen mentellen autoimmunen Encephalomyelitis (EAE) weisen da-
vornehmlich auf der Wechselwirkung von gebundenen oder lös- rauf hin, dass vor allem TH17-Zellen und das von ihnen gebildete
lichen körpereigenen Antigenen mit Autoantikörpern beruhen, IL-17 die bei diesen Tieren auftretenden Gehirnentzündungen
handelt es sich bei dem insulinabhängigen Diabetes vom Typ 1, hervorrufen. TH17-Zellen sind eine der drei CD4+-T-Zell-Unter-
der Multiplen Sklerose und der rheumatoiden Arthritis um Au- gruppen, die aktivierend auf ihre Zielzellen wirken. Für die späte
toimmunerkrankungen, bei denen autoreaktive T-Helfer-1-Zel- Phase ihrer Differenzierung und Aktivierung benötigen sie unter
len oder T-Helfer-17(TH17)-Zellen (beides sind Untergruppen anderem das Cytokin IL-23. Auch IL-23 spielt eine wichtige Rolle
der CD4+-T-Zellen) und cytotoxische T-Zellen (CD8+-T-Zellen) im Modell der EAE. So konnte bei diesen Tieren eine Zunahme
dominieren. Während CD8+-T-Zellen direkt Zielzellen zerstören, der IL-23-Rezeptor-Expression auf γ:δ-T-Zellen nachgewiesen
aktivieren CD4+-T-Zellen über die Ausschüttung von Cytoki- werden, die bei den erkrankten Tieren in das Zentralnervensys-
nen Makrophagen, neutrophile Granulocyten und autoreaktive tem einwandern. Diese Zellen bilden wiederum Cytokine, die
B-Zellen, von denen letztere Autoantikörper bilden. die Bildung und Funktion von regulatorischen T-Zellen unter-
Beim insulinabhängigen Diabetes vom Typ 1 (IDDM, in- drücken. Das Fehlen dieser Suppressorzellen hat ungehemmt ab-
sulin-dependent diabetes mellitus) zerstören autoreaktive cyto- laufende autoaggressive Immunreaktionen zur Folge, an denen
toxische T-Zellen die insulinproduzierenden β-Zellen in den maßgeblich TH17-Zellen beteiligt sein könnten.
Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse. Die glucagonprodu- Eine Hypothese besagt, dass mit der Nahrung zugeführtes
zierenden α-Zellen und die somatostatinproduzierenden δ-Zel- oder durch UV-Strahlung in der Haut entstandenes Vitamin D3
len der Inseln bleiben hingegen verschont. Untersuchungen an einen protektiven und suppressiven Effekt auf Autoimmuner-
einem entsprechenden Mausmodell, der NOD-Maus (non-obese krankungen wie MS ausübt. Vitamin D3 scheint die Differenzie-
diabetic mouse), lassen darauf schließen, dass die Angriffe der rung und Migration von TH17-Zellen zu unterdrücken. Übermä-
autoreaktiven CD8+-T-Zellen gegen Bestandteile aus den β-Zel- ßige Aufnahme von Vitamin D3 verringert jedoch die Fähigkeit
len wie Insulin gerichtet sind. Autoreaktive T-Helfer-1-Zellen des Körpers, mit chronisch persistierenden Infektionserregern
aktivieren autoreaktive B-Zellen zur Bildung von Autoanti- fertig zu werden. Diese gelten wiederum als Kandidaten für die
körpern, die Insulin (IAA), Glutamat-Decarboxylase (GADA), Auslösung von Autoimmunerkrankungen.
Protein-Tyrosinphosphatase 2 (IA-2) und den Zinktransporter
ZnT-8 erkennen.
Multiple Sklerose (MS) gehört zu den häufigsten neurolo- Literatur
gischen Erkrankungen in Europa. In Deutschland leiden etwa
130.000 Menschen an MS. Sie befällt vorwiegend jüngere Men- Alber G, Kamradt T (2007) Regulation of protective and pathogenic Th17 res-
ponses. Curr Immunol Rev 3:3–16
schen, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Mul-
Chang J-H, Cha H-R, Lee D-S, Seo KY, Kweon MN (2010) 1,25-Dihydroxyvitamin
tiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des D3 inhibits the differentiation and migration of Th17 cells to protect against
Zentralnervensystems. Die immunologischen Reaktionen sind experimental autoimmune encephalomyelitis. PLos One 5:1–12
gegen die Myelinscheide der Nerven in Gehirn und Rücken- Christensen SR, Shupe J, Nickerson K, Kashgarian M, Flavell RA, Shlomchik MJ
mark gerichtet und schädigen sie. Dies führt zu Störungen in (2006) Toll-like receptor 7 and TLR9 dictate autoantibody specificity and
have apposing inflammatory and regulatory roles in a murine model of
der Reizweiterleitung innerhalb der Nerven. Es kommt unter an-
lupus. Immunity 25:417–428
derem zu Seh- und Sprachstörungen, Lähmungen und Blasenstö-
152 Kapitel 9 • Autoimmunität
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Allergie
Hajo Haase
Der Begriff „Allergie“ wurde 1906 von Clemens von Pirquet ein- Die Frühphase der allergischen Reaktion wird eingeleitet,
1 geführt. Er bezeichnet eine spezifische Reaktion des adaptiven indem die IgE-tragenden Fcε-Rezeptoren auf der Mastzellober-
Immunsystems gegen harmlose Fremd-Antigene, die eigentlich fläche durch die Bindung an Antigene vernetzt und aktiviert wer-
2 keine Immunreaktion erfordern würden. Die stattfindende Im- den. Die hochaktiven Mediatoren, die die Symptome der Allergie
munreaktion ist dabei ein ganz normaler Vorgang, der aber als bewirken, liegen bereits im Innern der Mastzellen in Granula
Allergie bezeichnet wird, da sie sich nicht gegen ein Pathogen, gespeichert vor (. Tab. 10.2). Sie sind sofort einsatzfertig und
3 sondern gegen ein harmloses Antigen richtet. Das auslösende können nach Aktivierung des Igε-RI umgehend durch Degranu-
Antigen wird dabei Allergen genannt. Die allergische Reaktion lierung freigesetzt werden. Da bei diesem Vorgang weder Zellen
4 kann teilweise sehr stark ausfallen und zu erheblichen Schädi- herbeigelockt noch eine Synthese der Mediatoren erfolgen muss,
gungen des Organismus führen. spielt er sich sehr schnell ab, sodass innerhalb von Sekunden bis
5 Immunologisch werden die Hypersensitivitätsreaktionen, Minuten nach dem Allergenkontakt Symptome zu beobachten
zu denen je nach Antigen die Allergien (fremde Antigene) oder sind.
Autoimmunreaktionen (eigene Antigene, ▶ Kap. 9) gehören, in In den Granula befindet sich unter anderem Histamin.
6 vier Klassen eingeteilt (. Tab. 10.1). Diese Einteilung beruht auf Diese Substanz hat viele verschiedene biologische Funktionen.
den immunologischen Mechanismen, die der gegen das Allergen Im Rahmen einer Allergie erweitert Histamin kleinere Arterien
7 gerichteten Immunantwort zugrunde liegen. Man sollte dabei (Vasodilatation) und macht sie durchlässiger, sodass Flüssigkeit
aber immer berücksichtigen, dass es sich bei keiner Immunreak- in das umliegende Gewebe eindringen kann. Zusätzlich kann
tion um einen isolierten Vorgang handelt. Auch wenn eine Kom- es durch Interaktion mit Rezeptoren auf Nervenzellen Juckreiz,
8 ponente eine zentrale Rolle spielt, wie beispielsweise IgE in der Niesen und Schmerz auslösen. Die Proteoglykane wie Heparin
Typ-1-Allergie, handelt es sich immer um ein komplexes Netz- und Chondroitinsulfat binden und stabilisieren eine Reihe der
9 werk aus vielen Einzelteilen. Beispielsweise können Antikörper, anderen Mediatoren in den Granula, so auch das Histamin. Da-
die in den Klassen 1 bis 3 von Bedeutung sind, nicht ohne die rüber hinaus hemmt Heparin die Blutgerinnung. In den Granula
10 in den vorherigen Kapiteln beschriebene Interaktion zwischen befinden sich zusätzlich noch Serin-Proteasen wie Tryptasen und
antigenpräsentierenden Zellen, T-Helferzellen und B-Zellen pro- Chymasen. Diese Enzyme wirken proinflammatorisch, und neu-
duziert werden. ere Arbeiten deuten darauf hin, dass Serin-Proteasen auch über
11 Rezeptoren von Leukocyten wahrgenommen werden können,
wodurch sie deren Beweglichkeit erhöhen und eine veränderte
12 10.1 Typ-1-Allergie: Soforttyp Expression von Cytokinen und Adhäsionsmolekülen hervorru-
fen. Auch TNF-α und einige weitere Cytokine werden bereits auf
Die Allergie vom Soforttyp basiert auf der Bildung von IgE gegen Vorrat produziert und in den Granula gespeichert. Im weiteren
13 das Allergen (. Abb. 10.1). Diese Reaktion dient normalerweise Verlauf der allergischen Reaktion werden noch mehr von diesen
der Abwehr größerer Pathogene wie Helminthen. Da solche In- Cytokinen durch die Mastzellen neu synthetisiert und abgegeben.
14 fektionen in der westlichen Welt aber selten geworden sind, wird Zusätzlich zu den bei der Degranulierung freigesetzten
der Mechanismus heute vorwiegend bei Allergien beobachtet. Mediatoren werden weitere bioaktive Stoffe im Lipidmetabolis-
15 Aufgrund des sehr häufigen Vorkommens (die Typ-1-Allergien mus der Mastzellen gebildet und danach freigesetzt. Dies sind
machen ungefähr 90 % der allergischen Erkrankungen aus) wird vor allem Prostaglandine und Leukotriene, die aus Arachidon-
die Soforttypreaktion umgangssprachlich häufig mit dem Begriff säure gebildet werden. Sie erhöhen die Mucusproduktion in den
16 „Allergie“ gleichgesetzt, auch wenn es noch weitere allergische Schleimhäuten und führen, wie die meisten der Inhaltsstoffe der
Reaktionen gibt, denen andere immunologische Mechanismen Granula, auch zu Vasodilatation und erhöhter Durchlässigkeit
17 zugrunde liegen. der Blutgefäße. Darüber hinaus wirken einige Lipide als starke
Die Typ-1-Allergie verläuft in mehreren Phasen: chemotaktische Signale und führen zur Rekrutierung von Eo-
Um überhaupt auf das Allergen reagieren zu können, ist sinophilen. Ein weiterer Lipidmediator ist das proinflamma-
18 eine Sensibilisierung erforderlich. Der erste Kontakt mit dem torische Phospholipid PAF (platelet activating factor). Es führt
Allergen verläuft üblicherweise symptomlos. Es kommt zu einer zur Aggregation von Thrombocyten und aktiviert Monocyten,
19 TH2-vermittelten Aktivierung von B-Zellen über IL-4 und IL-13, Makrophagen, neutrophile und eosinophile Granulocyten. PAF
die zu einem Immunglobulinklassenwechsel mit darauffolgen- induziert die Bildung weiterer Lipidmediatoren, ist bei Asthma
20 der Produktion von IgE führt. IgE unterscheidet sich von allen ein Auslöser von erhöhter Gefäßdurchlässigkeit und bewirkt die
anderen Immunglobulinklassen dadurch, dass es auch frei an Verengung der Blutgefäße und Bronchien.
seinen Fcε-Rezeptor binden kann. Alle anderen Immunglobuline Die Eigenschaften der von Mastzellen freigesetzten Medi-
21 müssen zunächst einen Immunkomplex bilden, bevor sie mit den atoren erklären die klinischen Beobachtungen bei der frühen
entsprechenden Fc-Rezeptoren interagieren. Aus diesem Grund Phase allergischer Reaktionen vom Soforttyp. Die Vasodila-
22 liegt der überwiegende Teil des IgE gebunden an den hochaf- tation verursacht Hautrötungen (Erytheme). Beeinträchtigte
finen Rezeptor Fcε-RI vor. Dieser Rezeptor befindet sich unter Blutgerinnung und eine erhöhte Flüssigkeitsdurchlässigkeit der
anderem auf Mastzellen, den Schlüsselzellen der Allergie vom Kapillargefäße führen zu Urticaria. Dies ist eine im Deutschen
23 Soforttyp. Nachdem eine Sensibilisierung erfolgt ist, treten die auch als Nesselsucht bezeichnete Bildung von „Quaddeln“,
typischen Allergiesymptome beim darauffolgenden Kontakt des aufgrund der Einlagerung von Wasser in die Haut (Ödeme).
Allergens mit den Anti-Allergen-IgE beladenen Mastzellen auf. Tritt eine solche Schwellung in den Bindegewebsschichten un-
10.1 • Typ-1-Allergie: Soforttyp
155 10
.. Tab. 10.1 Allergietypen nach Coombs und Gell .. Tab. 10.2 Von Mastzellen freigesetzte Mediatoren
Erstkontakt/Sensibilisierung
IL-4, IL-5
IL-4
IgE
TH 2
IL-13
IL-4
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16 .. Abb. 10.2 Angioödem. Häufig manifestiert sich ein Angioödem (alternativer Name: Quincke-Ödem) im Gesicht des Patienten, zum Beispiel an den Lippen.
Die Schwellungen entwickeln sich innerhalb von Minuten, treten zunächst üblicherweise nur in einem Bereich auf (b) und breiten sich dann weiter aus (c).
Zum Vergleich ist in (a) der Patient in symptomfreiem Zustand dargestellt
17
ter Haut oder Schleimhaut auf, spricht man von einem Angio stammt aus dem Griechischen und bedeutet „fehlender Schutz“.
18 ödem (. Abb. 10.2). Bei einer allergischen Reaktion in der Lunge Er entstand aus der Beobachtung, dass es nach der Injektion ei-
kommt es wegen der Verengung der Bronchien und der gestei- nes Antigens nicht wie erwartet zu einer Immunisierung kam,
19 gerten Schleimbildung zum allergischen Asthma. sondern dass bei einer späteren Injektion des gleichen Antigens
Zusätzlich haben viele der Mediatoren eine inflammatori- innerhalb weniger Minuten das klinische Erscheinungsbild ei-
20 sche Wirkung oder wirken chemotaktisch. Daher werden als ner Anaphylaxie – bedingt durch eine Immunreaktion vom So-
Folge der Mastzellaktivierung eine Reihe weiterer Leukocyten forttyp – eintrat. Die allergische Reaktion betrifft in diesem Fall
in das betroffene Gewebe rekrutiert, die den weiteren Verlauf zusätzlich zur Kontaktstelle weitere Organe oder ist sogar syste-
21 mit beeinflussen. Eine Ausnahme bildet hierbei das Heparin. Es misch. Sie kann schlimmstenfalls zu einem lebensbedrohlichen
ist antiinflammatorisch für Leukocyten und verhindert die Kom- Zustand führen, dem anaphylaktischen Schock. Dabei können
22 plementaktivierung, wodurch Heparin als begrenzender Faktor die anaphylaktischen Reaktionen nach ihren Symptomen in vier
für die allergischen Symptome wirkt. Schweregrade eingeteilt werden (. Tab. 10.3). Selbstverständlich
In vielen Fällen sind allergische Reaktionen auf die Kontakt- können die Symptome der leichteren Grade auch bei den höhe-
23 stelle mit dem Allergen begrenzt. Es kann aber auch zur weiter- ren Graden weiterhin auftreten.
reichenden Freisetzung von allergischen Mediatoren kommen. Zusätzlich zu den am Beginn der allergischen Reaktion
Dies wird als Anaphylaxie bezeichnet. Der Begriff „Anaphylaxie“ sehr schnell freigesetzten Mediatoren kommt es auch noch zur
10.2 • Typ-2-Allergie: Allergie vom cytotoxischen Typ
157 10
5
6 R S
C3b
komplement- C2b
C4b C6 C7
7 vermittelte Lyse C5b C8
C9 C9 C9 C9
8
finden. Auf diese Weise durch Immunkomplexe markierte Zellen dikamente oder ihre Metaboliten können im Blut auch an
9 sehen sich mehreren Bedrohungen ausgesetzt (. Abb. 10.3): die Oberflächen der dort vorhandenen Zellen binden. Zu-
Zum einen werden sie durch Immunzellen attackiert. Ma- sammen mit den Antikörpern gegen die Medikamente ent-
10 krophagen in der Milz können immunkomplextragende Zellen stehen so auf der Zelloberfläche Immunkomplexe, die vom
abbauen. Auch Granulocyten können Immunkomplexe über Komplementsystem erkannt werden, sodass die Zellmem-
Fc-Rezeptoren erkennen und durch reaktive Sauerstoffspezies bran schließlich lysiert wird.
11 und lytische Enzyme angreifen. Weiterhin sind NK-Zellen in der 2. Die Überreste der bei Mechanismus 1 zerstörten Zellen
Lage, Antikörper auf Zellen durch Fc-Rezeptoren wahrzuneh- können von professionellen antigenpräsentierenden Zellen
12 men und die Zellen durch ADCC (antibody-dependent cell-me- aufgenommen werden. Da entzündliche Mediatoren vorhan-
diated cytotoxicity, antikörperabhängige zellvermittelte Cytoto- den sind, kann die Selbst-Toleranz möglicherweise versagen,
xizität) zu lysieren. und es kommt zur Immunisierung gegen körpereigene Anti-
13 Zum anderen bieten Immunkomplexe aus IgG einen Start- gene (Selbst-Antigene) auf den Zellen. Die dabei gebildeten
punkt zur Aktivierung des Komplementsystems. Infolge der Autoantikörper können dann an diese Zellen binden und
14 Komplementreaktion kommt es zur Bildung des Membranan- führen zu deren Zerstörung, selbst wenn das Medikament
griffskomplexes und damit zur Zelllyse. Darüber hinaus wird die nicht auf der Oberfläche gebunden ist. Hierbei handelt es sich
15 Zellmembran zusätzlich mit aktivierten Komplementproteinen zwar immer noch um eine Hypersensitivitätsreaktion vom
wie C3b opsonisiert und dadurch noch stärker als Ziel für die Typ 2, aber durch den Wechsel von einem Fremd- zu einem
Phagocyten gekennzeichnet. All diese Mechanismen führen zu Selbst-Antigen wandelt sich die Reaktion von einer Allergie
16 einer Schädigung der betroffenen Zellen. zu einer Autoimmunerkrankung (▶ Kap. 9).
3. Immunkomplexe bilden sich im Blutkreislauf. Dort reagie-
17 ren sie mit dem Komplementsystem, wobei C3b und C4b
Häufige Typ-2-Allergien an sie binden. Die beiden Komplementproteine werden von
Erythrocyten über den Komplementrezeptor CR1 festge-
18 Die Reaktion gegen fremde Blutgruppenantigene ist ein Fall von halten. Dies dient dazu, das Blut von Immunkomplexen zu
Typ-2-Allergie. Dies wird im Abschnitt über Transplantationen reinigen, indem diese Komplexe von den Erythrocyten in
19 (▶ Kap. 12) genauer beschrieben. die Milz transportiert und dort abgebaut werden. Bei hoher
Andere Typ-2-Reaktionen führen dazu, dass bei Medika- Immunkomplexkonzentration kann dies zu einem hohen
20 mentenallergien Blutzellpopulationen zerstört werden können. Erythrocytenverbrauch durch komplementvermittelte Lyse
Es kommt, je nach Allergen, beispielsweise zu Pan-Leukopenie, oder Abbau in der Milz führen.
Erythropenie oder Thrombopenie. Warum aber sollte eine Sen-
21 sibilisierung gegen ein Medikament dazu führen, dass körperei-
gene Zellen angegriffen werden? 10.3 Typ-3-Allergie:
22 Dafür gibt es drei Mechanismen (. Abb. 10.4): immunkomplexvermittelte Allergie
1. Wie in ▶ Abschn. 16.3 für die Antibiotika aus der Klasse der
Penicilline beschrieben, können bei der Verstoffwechslung Die Typ-3-Allergie basiert, ebenso wie diejenige vom Typ 2,
23 von Medikamenten reaktive Abbauprodukte entstehen. Ge- auf IgG-Antikörpern. Der Unterschied ist, dass beim Typ 3 die
bunden an Protein-Carrier können mit T-Zell-Hilfe Anti- Antigene in löslicher Form vorliegen und daher lösliche Anti-
körper gegen diese Substanzen gebildet werden. Diese Me- gen-Antikörper-Komplexe gebildet werden. Diese Immunkom-
10.3 • Typ-3-Allergie: immunkomplexvermittelte Allergie
159 10
.. Abb. 10.4 Drei Wege zur medikamenteninduzierten Zerstörung von Blutzellen. Blutzellen können im Verlauf einer Typ-2-Allergie durch mehrere Me-
chanismen zerstört werden. Links: Durch die Anlagerung von Medikamenten oder ihren Metaboliten. Sind durch eine frühere Sensibilisierung IgG-Antikörper
gegen diese Substanzen vorhanden, bilden sich Immunkomplexe auf der Zelloberfläche, was zu einer komplementvermittelten Schädigung der Zellen und
deren Abbau durch Phagocyten führt. Mitte: Die Überreste der durch den zuvor erwähnten Mechanismus zerstörten Zellen können an T-Zellen präsentiert
werden. Dabei kann die Toleranz gegen Selbst-Antigene dieser Zellen versagen, wodurch es zur Bildung von Autoantikörpern kommt, die dann weitere Zellen
binden und dadurch zu deren Zerstörung führen. Rechts: Erythrocyten binden durch Komplement markierte Immunkomplexe aus dem Plasma über den
Rezeptor CR1. Dadurch kann es zu weiteren Komplementreaktionen oder einem Abbau in der Milz kommen
plexe entstehen im Serum und in der extrazellulären Flüssigkeit. Da es sich um fremde Proteine handelt, haben Antikörper einer
Sie können sich in Organen, an den Wänden von Blutgefäßen fremden Spezies eine deutlich geringere Halbwertszeit als die ei-
oder in den Glomeruli der Nieren ablagern, wo es zu einer Ak- genen. Nach einer passiven Immunisierung ist zum Zeitpunkt
tivierung des Komplementsystems und zur Fc-Rezeptor-vermit- der Produktion der entsprechenden IgG-Antwort aber immer
telten Aktivierung von Mastzellen, neutrophilen Granulocyten noch eine große Menge der fremden Antikörper im Serum eines
und Makrophagen kommt. Patienten vorhanden. Sollte es bereits eine vorhergehende Im-
munisierung gegeben haben, kann die Serumkrankheit schneller
ablaufen und zusätzlich von einer IgE-vermittelten anaphylakti-
Häufige Typ-3-Allergien schen Reaktion begleitet werden.
Da heutzutage den meisten Infektionskrankheiten durch
Die Serumkrankheit ist eine Typ-3-Allergie gegen fremde Pro- Impfung vorgebeugt werden kann und Antibiotika zur Behand-
teine, die in großer Menge in den Organismus gelangen. Bevor lung von akuten Infektionen zur Verfügung stehen, ist der Ge-
Antibiotika und wirksame Impfungen verfügbar waren, wurde brauch von Seren zur passiven Immunisierung in vielen Fällen
gegen eine Reihe von akuten Infektionskrankheiten das Serum nicht mehr notwendig. Es werden aber immer noch Seren gegen
einer anderen Spezies, häufig aus dem Pferd, zur passiven Im- Diphtherie, Tollwut, Schlangen- und Spinnenbisse verwendet.
munisierung verabreicht (▶ Kap. 8). Der Name Serumkrankheit Hierbei wird aber, soweit möglich, auf Hyperimmunseren hu-
kommt von der Beobachtung, dass 95 % der Patienten, die mit manen Ursprungs zurückgegriffen, um eine Immunisierung zu
100 ml oder mehr Pferdeserum behandelt werden, eine Typ-3-Al- umgehen.
lergie gegen die verabreichten Proteine entwickeln. Sie wurden Mit der therapeutischen Verwendung monoklonaler Anti-
also vom verabreichten Serum krank. Dabei bilden sich Immun- körper entstand eine neue Ursache für die Serumkrankheit. Man
komplexe, die in der Folge Fieber, Urticaria, Hautausschläge und versucht in den Antikörpern, die üblicherweise aus der Maus
Gelenkschmerzen auslösen. In einigen Fällen kann es auch zur stammen, nicht für die Antigenerkennung benötigte Teile ge-
generalisierten Vaskulitis, Nierenschädigung und Neuropathien netisch durch einen Proteinabschnitt aus dem Menschen zu er-
kommen. setzen und so allergische Reaktionen zu vermeiden (▶ Kap. 17).
Trotzdem es bei der Serumkrankheit zu anaphylaxieähnli- Dies reicht nicht in allen Fällen aus. Beispielsweise ist Rituxi-
chen Symptomen kommen kann, handelt es sich hierbei entspre- mab, ein Antikörper gegen CD20, der bei der Therapie von
chend der Definition nicht um eine solche Reaktion, da keine B-Zell-Lymphomen eingesetzt wird, ein chimärer Antikörper, bei
Allergie vom Soforttyp vorliegt. Die Serumkrankheit basiert dem nur noch der variable Teil aus der Maus stammt und der Fc-
auf der Produktion von IgG-Antikörpern gegen die als fremd Teil durch den humanen Proteinabschnitt ersetzt wurde. Obwohl
wahrgenommenen Proteine des Antiserums. Da zunächst ausrei- nur noch ein kleiner Teil des Antikörpers nicht der humanen
chende Mengen von Antikörpern gebildet werden müssen, ver- Sequenz entspricht, kann Serumkrankheit immer noch als eine
streicht bis zum Auftreten der Symptome ungefähr eine Woche. mögliche Nebenwirkung bei einer Behandlung mit Rituximab
Im Gegensatz zu den meisten allergischen Reaktionen, bei denen auftreten, auch wenn sie deutlich seltener vorkommt als bei nicht
der Erstkontakt mit dem Antigen zu einer Sensibilisierung, aber modifizierten Antikörpern.
noch nicht zu allergischen Symptomen führt, kann die allergi- Die Arthus-Reaktion ist eine örtlich begrenzte allergische
sche Reaktion bei der Serumkrankheit immer noch auf Proteine Reaktion vom Typ 3 (. Abb. 10.5). Sie basiert auf der Injektion
erfolgen, die beim Erstkontakt in den Organismus gelangt sind. eines Antigens in die Haut, gegen das bereits IgG-Antikörper
160 Kapitel 10 • Allergie
1 IFN-γ, TNF-α
2 Blutgefäß
TH1
TH1
3
4 IL-4, IL-5
5 Komplement- TH2
spaltprodukte TH2
6 Epithel
7
8 .. Abb. 10.5 Typ-3-Allergie (Beispiel Arthus-Reaktion). Die Typ-3-Allergie
erfordert zunächst eine Sensibilisierung mit Bildung von IgG (hier nicht
CTL
gezeigt). Daraufhin können lösliche Immunkomplexe entstehen. Bei der hier
.. Abb. 10.7 Arzneimittelexanthem. Bei einer allergischen Reaktion auf ein Medikament kann es mehrere Tage nach dessen Einnahme zu einem großflächi-
gen Hautausschlag kommen. (Fotos mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Gerda Wurpts, UK Aachen, Hautklinik.)
sentation durch antigenpräsentierende Zellen angewiesen. Dann auf eine Überempfindlichkeit gegen das darin enthaltene Nickel
muss eine ausreichende Anzahl an antigenspezifischen T-Zellen zurückzuführen ist.
an die Antigenkontaktstelle gelangen und kann dann gegebenen- Immunologisch ist eine Sensibilisierung gegen ein Metall
falls noch weitere Zellen rekrutieren und die sichtbare allergische nicht zu erwarten. Beim Nickel kommt es durch Kontakt mit der
Reaktion auslösen. Da diese Vorgänge deutlich länger dauern Haut zur Oxidation und Bildung von löslichen Nickelkationen,
als die Abläufe bei antikörpervermittelten Allergien, treten die die dann in die Haut diffundieren, wo sie in der Epidermis auf
Symptome üblicherweise erst nach 24 Stunden auf und errei- Langerhans-Zellen treffen. Dem Nickel fehlt ein Protein-Carrier,
chen ihren Höhepunkt nach ungefähr 72 Stunden. Aus diesem und es kann auch nicht kovalent an einen Carrier gebunden wer-
Grund wird die Typ-4-Allergie im englischen Sprachraum häufig den. Man nimmt aber an, dass die positiv geladenen Kationen
als DTH (delayed-type hypersensitivity) bezeichnet. durch elektrostatische Wechselwirkungen an Proteinstrukturen
binden, die sie dabei derart verändern, dass sie durch T-Zellen als
fremd wahrgenommen werden. Zusätzlich zu einer Präsentation
Häufige Typ-4-Allergien auf MHC-Molekülen erfordert eine Aktivierung von T-Zellen
auch noch ein zweites, proinflammatorisches Signal. Kürzlich
Zusätzlich zu den oben beschriebenen Hypersensitivitätsreakti- konnte gezeigt werden, dass es am humanen Toll-ähnlichen-Re-
onen können Medikamente auch Allergien vom Typ 4 auslösen, zeptor 4 (TLR-4) eine Bindungsstelle für Nickel gibt, durch die
beispielsweise bei Unverträglichkeitsreaktionen auf Antibiotika. das Metall den Rezeptor aktiviert und dadurch den antigenprä-
Ein typisches Symptom für eine Typ-4-Allergie gegen ein Medi- sentierenden Zellen die Anwesenheit des natürlichen Liganden,
kament ist das Arzneimittelexanthem (. Abb. 10.7). das Lipopolysaccharid gramnegativer Bakterien, vortäuscht.
Nickel ist heutzutage das häufigste Kontaktallergen in der Auf diese Weise ist Nickel wahrscheinlich in der Lage, selbst
westlichen Welt. Durch die gesteigerte Verwendung von Nickel das zur T-Zell-Aktivierung benötigte zweite Signal auszulösen.
in Legierungen kam es zu einer verbreiteten Sensibilisierung von Dadurch kommt es zur Bildung von aktivierten T-Zellen, die ei-
Arbeitern in der metallverarbeitenden Industrie. Auch bei jun- nen Nickel-Protein-Komplex erkennen und die Typ-4-Allergie
gen Frauen war eine zunehmende Sensibilisierung durch Nickel vermitteln. Zusätzlich wird in einigen Patienten auch noch eine
freisetzung aus Schmuck zu verzeichnen – insbesondere durch Immunisierung mit IgE beobachtet.
Piercing. In mehreren Studien wurden bei 12 bis 39 % junger Der Tuberkulintest wird verwendet, um eine Infektion mit
Frauen positive Reaktionen bei Hauttests festgestellt (mit deut- dem Tuberkuloseerreger (Mycobacterium tuberculosis) nachzu-
lich steigendem Trend von den 1980er- zu den 1990er-Jahren), weisen. Bei einem zurückliegenden Kontakt mit M. tuberculosis
während die Häufigkeit bei männlichen Probanden jeweils nur oder dem früher zur Impfung gegen Tuberkulose verwendeten
zwischen 3–5 % lag. Dabei bedeutet ein positiver Test noch keine und eng verwandten BCG (Bacille Calmette-Guérin) entsteht
Allergie; ein Teil der Patienten war zwar sensibilisiert, aber bei bei der Injektion von Bestandteilen des Mycobakteriums in die
normalem Kontakt noch symptomfrei. Inzwischen ist von der Haut nach 24 Stunden eine Schwellung, die immunologisch auf
EU eine Maximalgrenze für die Nickelfreisetzung aus Körper- dem Prinzip der Typ-4-Allergie beruht. Es kommt zu einer nor-
schmuck eingeführt worden, um die weitere Sensibilisierung ge- malen Immunreaktion auf intrazelluläre Bakterien. TH1-Zellen,
gen dieses Metall zu verhindern. Trotzdem lässt sich eine Exposi- derselbe Zelltyp, der auch Makrophagen zur Abtötung des in ih-
tion kaum verhindern, da Nickel auch in der Nahrung vorhanden nen vorkommenden M. tuberculosis veranlasst, bekommen die
ist. Nüsse können pro Kilogramm 5–10 mg Nickel enthalten, so- injizierten Antigene präsentiert. Durch von ihnen freigesetzte
dass eine Reihe von Allergien gegen Nüsse vermutlich eigentlich Entzündungsmediatoren und Chemokine kommt es zu einer
162 Kapitel 10 • Allergie
siver Suche nach den Ursachen konnten die Auslöser für diese
1 Entwicklung bislang nicht zufriedenstellend identifiziert werden.
Als Einflüsse werden unter anderem Ernährung (auch maternale
2 Ernährung während der Schwangerschaft), Tabakrauch, Kör-
pergewicht und Luftschadstoffe diskutiert. Besonders Letzteres
ist allerdings umstritten: Trotz der hohen Emissionen aus der
3 Braunkohleverbrennung waren in der DDR zum Zeitpunkt der
Wiedervereinigung Allergien sogar seltener als in den westlichen
4 Bundesländern. Die Werte haben sich erst in den folgenden zehn
Jahren an das Westniveau angenähert.
5 Auch immuntherapeutische Maßnahmen wie Impfungen
und die Gabe von Antibiotika wurden als mögliche Ursachen
für Allergien vorgeschlagen. Für beides gibt es aber keinen stich-
6 haltigen Nachweis; in der DDR mit ihrer geringeren Allergierate
existierte sogar eine gesetzliche Impfpflicht, was klar gegen eine
7 allergieauslösende Wirkung von Impfungen spricht.
8 Genetische Ursachen
TH1
19 Schwellung und zur Einwanderung von mononucleären Zellen Eine Theorie, die den Anstieg der Häufigkeit von Allergien in
ins Gewebe (. Abb. 10.8). den letzten fünf Dekaden zu erklären versucht, ist die sogenannte
20 Hygiene-Hypothese (▶ Exkurs 10.1). Sie besagt, kurz gefasst, dass
verbesserte hygienische Bedingungen in den industrialisier-
10.5 Allergieursachen ten westlichen Ländern zu weniger Infektionen in der frühen
21 Kindheit geführt haben und dass dies in einer veränderten Ent-
Das Auftreten von allergischen Erkrankungen wie allergischer wicklung des Immunsystems resultiert, an deren Ende weniger
22 Rhinitis, allergischem Asthma und atopischem Ekzem hat in den Toleranz gegenüber Allergenen und eine höhere Neigung zu
letzten Jahrzehnten in den westlichen Industrienationen stark TH2-vermittelten allergischen Erkrankungen stehen.
zugenommen. Inzwischen geht man davon aus, dass ein Viertel Dies könnte auf einer Unterforderung des Immunsystems
23 der europäischen Bevölkerung gegen mindestens ein Allergen basieren, das sich in seiner Entwicklung mit weniger Krank-
sensibilisiert ist. In 90 % der Fälle handelt es sich dabei um eine heitserregern konfrontiert sieht (insbesondere Parasiten, die eine
auf IgE basierende Überempfindlichkeit vom Typ 1. Trotz inten- TH2-vermittelte Immunantwort erfordern) und daher die Reiz-
10.6 • Behandlungsmöglichkeiten
163 10
schwelle für die Auslösung einer Immunreaktion immer weiter 10.6 Behandlungsmöglichkeiten
absenkt und schließlich beginnt, auch gegen harmlose Antigene
vorzugehen. Das ist vergleichbar mit einem tropfenden Wasser- Diagnostik
hahn. In einer belebten Umgebung mit stärkeren akustischen
Reizen wird man ihn kaum wahrnehmen. Ist er mitten in der Die einfachste und häufigste Art, auf eine Allergie zu testen,
Nacht das einzige Geräusch, ist die Reizschwelle deutlich gerin- ist eine Exposition der Haut. Allergien vom Soforttyp sind auf
ger, und er erscheint störend und laut. diese Weise innerhalb von 10–20 Minuten durch eine urticarielle
Eine andere Erklärung sagt aus, dass das Immunsystem in Schwellung erkennbar (. Abb. 10.9). Dafür kann das vermutete
seiner frühen Entwicklung weniger Gelegenheit hat, Toleranz Allergen (oder eine Reihe von möglichen Allergenen) durch
zu entwickeln oder aber nicht genug TH1-Reize bekommen hat, verschiedene Verfahren aufgetragen werden. Ein Antigen, gegen
sodass eine erhöhte Neigung zu TH2-vermittelten Erkrankungen das eine starke Überempfindlichkeit besteht, führt schon beim
besteht. Demgegenüber gibt es aber auch Aussagen, dass Infek- Auftragen auf die Haut zu einer positiven Reaktion (Reibetest).
tionen mit Helminthen, die eine TH2-Reaktion erfordern, das Andernfalls werden die Antigene durch einen Einstich (Prick-
Allergierisiko vermindern, sodass fehlende TH1-Prägung nicht Test) oder Kratzer (Scratch-Test) in die Haut eingebracht. Um
die alleinige Ursache sein kann. auch Allergien vom Spättyp diagnostizieren zu können, werden
die entsprechenden Antigene in einem sogenannten Patch- oder
Epicutantest auf die Haut aufgebracht und durch ein Pflaster ge-
schützt. Das Ergebnis kann nach 24 bis 72 Stunden abgelesen
werden (. Abb. 10.10).
164 Kapitel 10 • Allergie
1
2
3
4
5
.. Abb. 10.9 Hauttests für Typ-1-Allergien. Zum Nachweis von Typ-1-Allergien (Soforttyp) werden verschiedene Verfahren eingesetzt, bei denen die Aller-
6 gene auf die Haut aufgebracht werden und nach ungefähr 20 Minuten die entstehende Immunreaktion abgelesen wird. a) Das am häufigsten verwendete
Testverfahren ist der Prick-Test. Hierfür werden die Allergene als Tropfen auf die Innenseite des Unterarms aufgetragen und danach wird die Haut mittels einer
Lanzette eingestochen. Während bei einer negativen Reaktion (linke Seite) nur die Einstichstelle zu sehen ist, kommt es bei einer positiven Reaktion (rechte
7 Seite) zur Rötung und Ausbildung einer Quaddel. b) Eine weitere Methode ist der Intracutantest. Hierbei werden die Allergene direkt in die Haut injiziert. Da
hier mehr Allergen in die Haut gelangt, hat dieser Test eine höhere Empfindlichkeit und erlaubt dadurch die Identifizierung schwächerer Allergene. Auch hier
kommt es bei bestehender Allergie zu einer sichtbaren Reaktion auf das Allergen. (Fotos mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Gerda Wurpts, UK Aachen,
8 Hautklinik.)
9 Andere Allergietests beinhalten eine Exposition der be- die Unterdrückung der Freisetzung von proinflammatorischen
troffenen Gewebe, wobei das vermutete Allergen direkt auf die Cytokinen und IL-2, Verminderung der Expression bestimmter
10 Schleimhaut (Nase, Bronchien, Magen) aufgebracht wird. Zur Cytokinrezeptoren und die Hemmung von Cyclooxigenasen und
Identifikation einer Nahrungsmittelallergie verwendet man eine Phospholipase A2, die an der Bildung von Prostaglandinen und
orale Provokation, bei der das Allergen in Kapselform verabreicht Leukotrienen beteiligt sind.
11 wird. Die Wirkung der Glucocorticoide tritt allerdings nicht so-
Zusätzlich zu den Tests, bei denen eine allergische Reaktion fort ein. Daher müssen bei lebensbedrohlichen Situationen, bei-
12 des Patienten provoziert wird, gibt es noch eine Reihe von in spielsweise schweren Asthmaanfällen, Bronchodilatatoren gege-
vitro-Testverfahren. Verglichen mit den anderen Immunglobu- ben werden, um die Atmung zu ermöglichen. Bei langfristiger
linklassen ist IgE nur in sehr geringer Konzentration im Serum Anwendung von Glucocorticoiden können die üblichen Neben-
13 vorhanden. Trotzdem kann seine Konzentration gemessen wer- wirkungen von einer beeinträchtigten Infektionsabwehr, einem
den, und erhöhte IgE-Werte sind ein Hinweis auf eine mögliche Einfluss auf den Stoffwechsel, bis hin zum Cushing-Syndrom
14 Allergie. Aus dem Vorhandensein von IgE kann aber noch nicht auftreten. Daher wird, soweit möglich, eine lokale Anwendung
sicher auf eine Allergie oder gar auf das auslösende Antigen ge- bevorzugt. Der Einsatz am Wirkort, wie die Inhalation beim As-
15 schlossen werden. Spezifischer ist ein RAST (radioallergosorbent thma, erfordert eine deutlich geringere Gesamtdosis und verur-
test), bei dem die Allergene auf einer Festphase fixiert werden, sacht viel geringere Nebenwirkungen.
sodass eventuell vorhandenes antigenspezifisches IgE binden Die schnellstmögliche wirksame Behandlung muss bei ei-
16 kann, das dann in einem zweiten Schritt nach dem Prinzip eines nem anaphylaktischen Schock eingeleitet werden. Daher folgt die
Radioimmunassays mit markierten anti-IgE-Antikörpern nach- Therapie hier der „AAC“-Regel, bei der zunächst das auslösende
17 gewiesen wird. Antigen entfernt wird, gefolgt von der Gabe von Adrenalin und
einem Cortisonpräparat.
In letzter Zeit werden auch andere allergische Mediatoren als
18 Symptomatische Therapie Ansatzpunkte für eine Therapie untersucht, darunter Substanzen,
die Leukotrienen oder PAF entgegenwirken. Der Einsatz eines
19 Histamin wirkt über die vier Rezeptoren H1 bis H4. Im Rah- monoklonalen Antikörpers gegen IgE (Omalizumab) ist seit 2005
men einer Allergie ist der H1-Rezeptor der wichtigste für die in Deutschland zur Behandlung von schwerem Asthma zugelas-
20 durch Histamin ausgelösten Allergiesymptome. Der Einsatz von sen. Hierbei wird das freie IgE vor der Bindung an den Fcε-RI
Substanzen, die den H1-Rezeptor blockieren, sogenannte An- weggefangen und als Immunkomplex inaktiviert.
tihistaminika, ist ein weit verbreiteter therapeutischer Ansatz
21 für die Behandlung von allergischer Rhinitis, Urticaria und Ex-
anthemen. Ursächliche Therapie
22 Nicht in allen Fällen ist eine allergische Reaktion durch
Antihistaminika zufriedenstellend zu kontrollieren. Dann sind Ein offensichtlicher Ansatz ist es, die Exposition mit dem Allergen
örtlich oder systemisch verabreichte Glucocorticoide eine wirk- weitestgehend zu vermeiden (Karenz). Während dies in manchen
23 same Alternative. Beispielsweise bei Asthma werden häufig Fällen leicht möglich ist, wie z. B. durch die Verwendung spezieller
Glucocorticoide eingesetzt. Sie wirken immunsuppressiv und Bettbezüge zum Schutz vor Hausstaubmilben, ist der Kontakt mit
antiinflammatorisch durch verschiedene Mechanismen, wie weit verbreiteten Allergenen nur unter erheblicher Einschränkung
Literatur
165 10
Literatur
.. Abb. 10.10 Epicutantest. Der Epicutantest wird zur Feststellung von
Typ-4-Allergien (Spättyp) verwendet. Dazu gehören unter anderem Un-
verträglichkeiten gegen Nickel, Kosmetika oder Duftstoffe. Zum Nachweis Asher MI, Montefort S, Björkstén B, Lai CK, Strachan DP, Weiland SK, Williams H
werden Pflaster mit verschiedenen Allergenen üblicherweise für zwei Tage (2008) ISAAC Phase Three Study Group. Worldwide time trends in the pre-
auf den Rücken geklebt, und die Reaktion der Haut wird nach Abnahme der valence of symptoms of asthma, allergic rhinoconjunctivitis, and eczema
Testpflaster sowie nach 72 und ggf. 168 Stunden beurteilt. Eine positive Re- in childhood: ISAAC Phases One and Three repeat multicountry cross-sec-
aktion wird durch eine Rötung, Infiltration, Papeln und ggf. Blasen angezeigt. tional surveys. Lancet 368:733–743
Sie ist von irritativen Reaktionen durch die Testsubstanzen abzugrenzen. Coombs RR, Gell PGH (1975) Classification of allergic reactions responsible for
(Foto mit freundlicher Genehmigung von © Dr. Gerda Wurpts, UK Aachen, hypersensitivity and clinical disease. In: Gell PGH, Coombs RR, Lachman J
Hautklinik.) (Hrsg) Clinical aspects of immunology. Plenum, New York, S 261–280
Galli SJ, Tsai M, Piliponsky AM (2008) The development of allergic inflammation.
Nature 454:445–454
der Lebensqualität realisierbar. Der derzeit einzige kausale Thera- Hostýnek JJ (2002) Nickel-induced hypersensitivity: etiology, immune reactions,
pieansatz gegen nicht vermeidbare Allergene ist die Hyposensibi- prevention and therapy. Arch Dermatol Res 294:249–267
lisierung. Sie wird insbesondere gegen IgE-vermittelte allergische Kleine-Tebbe J et al (2009) Die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisie-
rung) bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Allergo J 7:508–537
Erkrankungen der Atemwege und Insektengifte eingesetzt und
Ring J, Messmer K (1970) Incidence and Severity of Anaphylactoid Reactions to
wirkt gezielt auf das Immunsystem, um die Allergie zu bekämp- Colloid Volume Substitutes. Lancet 1:466–469
fen. Bereits vor 100 Jahren, also lange bevor die immunologischen Saloga J et al (2006) Allergologie-Handbuch. Grundlagen und klinische Praxis.
Grundlagen der Allergie bekannt waren, wurde beobachtet, dass Schattauer, Stuttgart
die subcutane Gabe des Allergens Toleranz induzieren kann. The- Schmidt M et al (2010) Crucial role for human Toll-like receptor 4 in the develop-
ment of contact allergy to nickel. Nat Immunol 11(9):814–819
rapeutisch wird mit der Gabe einer geringen Dosis des Antigens
von Pirquet C (1906) Allergie. Münch Med Wochenschr 53:1457–1458
begonnen, da immer die Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion Worm M, Henz BM (1994) Molekulargenetische Grundlagen der Allergie: An-
besteht. Dann wird, in einem Abstand von ungefähr zwei Wochen sätze für eine molekulare Therapie. In: Ganten D, Ruckpaul K (Hrsg) Im-
und mit jeweils steigender Dosierung, weiter behandelt. Die Hy- munsystem und Infektiologie. Handbuch der molekularen Medizin, Bd. 4.
posensibilisierung ist ein langwieriger Prozess und dauert mindes- Springer, Heidelberg
tens drei Jahre. Besonders gute Erfolge werden erzielt, wenn die
Therapie innerhalb der ersten Jahre nach Erkrankung begonnen
wird; bei Bienen- und Wespengiften liegt die Heilungsrate bei fast
100 %. Bei der allergischen Rhinitis sind die Aussichten deutlich
schlechter und eine Wirksamkeit beim allergischen Asthma wird,
insbesondere bei schweren Fällen, noch diskutiert.
Es gibt verschiedene Theorien über den Wirkmechanismus
der Hyposensibilisierung. Ursprünglich wurde angenommen,
dass sie auf der Bildung von IgG basiert. Dieses IgG konkurriert
mit dem bereits vorhandenen IgE um die Bindung an das Aller-
gen und kann bei ausreichender Immunisierung die Epitope für
das IgE blockieren und es damit verdrängen. Es gibt inzwischen
Studien, die zeigen, dass ein Anstieg von IgG alleine nicht aus-
reicht, um eine Typ-1-Allergie zu unterdrücken. Neuere Theo-
rien gehen davon aus, dass eine Modulation auf T-Zell-Ebene
stattfindet, bei der Toleranz gegen die Allergene induziert wird.
Hierbei wirkt die Hyposensibilisierung entweder indem es zu
einer hauptsächlich TH1-vermittelten Immunantwort kommt, die
die TH2-basierte Allergie unterdrückt, oder indem allergenspezi-
fische regulatorische T-Zellen induziert werden, die die Immun
antwort auf das Allergen vermindern. Zusätzlich wurde auch eine
Hemmung der Aktivitäten von Mastzellen, Eosinophilen und
Basophilen beobachtet.
167 11
Tumorimmunologie
Hajo Haase
Es gibt zahlreiche Mechanismen des Körpers, die die Krebsent- einer Belastung mit Asbest oder Zigarettenrauch birgt ein erhöh-
1 stehung abwenden sollen. Sie dienen unter anderem zur Verhin- tes Risiko für die Entstehung von Lungenkrebs.
derung von Mutationen und zur Reparatur geschädigter DNA. Auch wenn das Immunsystem häufig nur mit der Abwehr
2 Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass kein unkontrol- von pathogenen Mikroorganismen in Verbindung gebracht wird,
liertes Zellwachstum auftreten kann, wenn die Steuerung der für hat es noch eine weitere wichtige Aufgabe: die Bekämpfung ent-
die Zellproliferation wichtigen Gene verändert wird. Es wurde arteter Zellen und somit die direkte Verhinderung von Tumoren
3 die Hypothese aufgestellt, dass die Tumorentstehung zusätzlich und Leukämien. Allerdings sind nicht auf Pathogenen basierende
noch einer ständigen Überwachung durch das Immunsystem Tumoren nicht mit besonderer Häufigkeit bei immundefizien-
4 unterliegt. Demzufolge kommt es trotz aller Schutzmechanis- ten Patienten zu beobachten; dies wurde lange Zeit als gewich-
men ständig zur Bildung entarteter Zellen, die durch das Im- tiges Argument gegen eine direkte Bekämpfung der Krebszel-
5 munsystem erkannt und vernichtet werden. Nur in den Fällen, len durch das Immunsystem angeführt. Dabei muss allerdings
in denen es diesen Zellen gelingt, sich der Immunüberwachung berücksichtigt werden, dass die Lebenserwartung bei schweren
zu entziehen oder ihr zu widerstehen, kann sich ein Tumor oder Immundefekten stark eingeschränkt ist. Daher werden zum
6 eine Leukämie bilden. Beispiel Erkrankungen, die sich in späteren Lebensabschnitten
Die Bedeutung des Immunsystems wird klar, wenn dessen manifestieren, hier nicht auffallen. Bei immundefizienten Mäu-
7 Tumorüberwachung ausfällt. Beispiele sind das Auftreten von sen, die unter entsprechenden keimfreien Bedingungen gehalten
Kaposi-Sarkomen bei AIDS und die lymphoproliferativen Er- werden, um ihr Überleben zu ermöglichen, wird zwar nicht bei
krankungen bei Immunsuppression. Ungefähr die Hälfte der Jungtieren, aber im fortgeschrittenen Alter eine höhere Inzidenz
8 Patienten, die sich einer immunsupprimierenden Therapie un- von Tumoren beobachtet.
terziehen, entwickelt in der Folge eine Form von unkontrol-
9 lierter Zellvermehrung. Ein besonders deutlicher Zusammen-
hang zwischen dem Immunsystem und der Krebsentstehung 11.1 Erkennung entarteter Zellen
durch das Immunsystem
10 besteht bei bestimmten Infektionskrankheiten (. Tab. 11.1).
Infektionen mit onkogenen Viren und eine unzureichende
Überwachung viraler Infektionen durch das Immunsystem Da entartete Zellen aus Körperzellen entstehen, bestehen sie
11 führen, unter anderem, zu virusinduzierten Lymphomen. Ein zum überwiegenden Teil aus „Selbst“, das heißt, ihre Antigene
besonders deutliches Beispiel ist das EBV (Epstein-Barr-Virus). entsprechen denen des restlichen Körpers und können aufgrund
12 EBV gehört zur Gruppe der Herpesviren und infiziert Epithe- der Selbst-Toleranz nicht durch das Immunsystem erkannt
lien und B-Zellen. Die Infektion von B-Zellen führt zur deren werden. Wegen genetischer und epigenetischer Veränderungen
Proliferation und Immortalisierung und kann in einigen Fällen kommt es allerdings zur Bildung einer Reihe von Antigenen,
13 Veränderungen auslösen, die die Entstehung eines Burkitt-Lym- die charakteristisch für Tumoren sind. Nur diese Antigene bie-
phoms zur Folge haben. In Afrika geschieht dies besonders ten eine Möglichkeit, vom Immunsystem wahrgenommen zu
14 häufig, wenn die Infektion zusammen mit Malaria auftritt. In werden und eine Immunreaktion gegen den Tumor auszulö-
den Industrienationen geht eine lymphoproliferative Erkran- sen. Dabei werden zwei Antigenarten unterschieden. Tumoras-
15 kung aufgrund von immunsupprimierender Therapie in vielen soziierte Antigene werden in anderer, meist höherer Zahl auf
Fällen auf eine reaktivierte EBV-Infektion zurück. Über EBV Tumorzellen exprimiert. Sie sind dennoch Selbst-Antigene, die
hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer onkogener Viren. Das auch auf anderen, gesunden Zellen des Körpers zu finden sind.
16 Kaposi-Sarkom ist eine Folge der Infektion mit dem HHV-8 Daher greifen bei diesen Antigenen auch die zentralen und pe-
(humanes Herpesvirus-8). HTLV (humanes T-lymphotropes ripheren Toleranzmechanismen, die eine Immunreaktion gegen
17 Virus) infiziert T-Helferzellen und fördert ihr Überleben und die Antigene erschweren oder verhindern. Im Gegensatz dazu
ihre Proliferation, was langfristig zu T-Zell-Leukämien führen gibt es auch tumorspezifische Antigene, also Antigene, die
kann. Außerdem wurde eine Assoziation der humanen Papil- entweder aus onkogenen Viren stammen, oder Antigene, die
18 lomviren (HPV) mit der Entstehung von Tumoren beobachtet. sich aufgrund von Mutationen der Selbst-Antigene, aus denen
Der bekannteste Zusammenhang ist hier eine Infektion mit den sie entstanden sind, so weit unterscheiden, dass gegen sie keine
19 HPV-Typen 16 und 18 mit dem viele Jahre später stattfindenden Toleranz besteht. Aufgrund der relativen genetischen Instabilität
Auftreten von Zervix- und Peniskarzinomen. von Tumorzellen kommt es, im Gegensatz zu normalen Zellen,
20 Auf der anderen Seite sind entzündliche Prozesse mit der ständig zur Entstehung neuer Antigene, die potenziell vom Im-
Entstehung von Tumoren verbunden. Die Hepatitisviren HBV munsystem wahrgenommen werden können. Daher ist es für
und HCV führen zu chronischer Hepatitis, die die Entstehung einen Tumor von Vorteil, dem Immunsystem möglichst wenig
21 von Leberkarzinomen fördert. Neben virusassoziierten Tumoren aufzufallen und keine Bedingungen zu schaffen, die Gefahr si-
ist Magenkrebs eine relativ häufige Erkrankung bei Patienten mit gnalisieren. Dies ist allerdings nicht immer möglich. Tumore
22 beeinträchtigtem Immunsystem. Hier gibt es eine Verbindung bilden Metastasen und dringen durch Gewebebarrieren. Diese
zwischen Entzündungen der Magenschleimhaut, Magenge- Vorgänge lösen Entzündungen aus und bleiben daher dem Im-
schwüren und Infektionen mit Helicobacter pylori. Auch chroni- munsystem nicht verborgen. Wenn Tumorantigene im Zusam-
23 sche Entzündungen, die nicht mit Krankheitserregern assoziiert menhang mit einer solchen Entzündungsreaktion präsentiert
sind, können die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von werden, kann eine effektive Immunreaktion gegen diese Anti-
Krebs erhöhen. Eine chronische Entzündung der Lunge aufgrund gene entstehen.
11.2 • Mechanismen der immunologischen Tumorabwehr
169 11
EBV Burkitt-Lymphom, Nasopharynx-Karzinom, Hodgkin-Lym- Verstärkte Proliferation und Immortalisierung von B-Zellen,
phom, lymphoproliferative Erkrankungen bei Immunsup- Befall von Epithelzellen
pression
antikörpervermittelte
ADCC Komplementlyse
1
2
3
4
5
6
.. Abb. 11.2 Selektion von Tumorzellen durch das Immunsystem. Tumore bestehen nicht aus einer einheitlichen Art von Zellen, sondern aus einem Ge-
7 misch verschiedener Zellen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Zusätzlich tritt eine hohe Mutationsrate auf, sodass ständig neue Zellen mit leicht veränder-
ten Eigenschaften entstehen. Da diese aufgrund der Angriffe des Immunsystems einem ständigen Selektionsdruck ausgesetzt sind, können sich Zellen, denen
es gelingt, dem Immunsystem möglichst wenig Angriffsmöglichkeiten zu bieten, besonders gut vermehren. Auf diese Weise wird durch die Immunreaktion
8 der Tumor in einer Weise verändert, sodass seine Zellen schlechter erkannt und vernichtet werden können. In dieser Abbildung ist die protektive Veränderung
am Beispiel der hellgrauen Zellen dargestellt, die kein MHC-I-Molekül mehr auf ihrer Oberfläche präsentieren
9
11.3 Abwehrmechanismen der Tumore wicklung hat. In der ersten, der Eliminierungsphase, werden ent-
gegen das Immunsystem
10 stehende Tumorzellen durch Zellen des Immunsystems erkannt
und vernichtet. Die darauf folgende Gleichgewichtsphase be-
Tumore entstehen nicht nur in immunsupprimierten Patienten ginnt, wenn keine vollständige Vernichtung der transformierten
11 oder bei älteren Menschen, deren Immunsystem eine vermin- Zellen mehr möglich ist. Das Tumorwachstum wird aber noch
derte Leistungsfähigkeit aufweist (▶ Kap. 14). Manche Tumore durch das Immunsystem verhindert. Die Interaktion zwischen
12 schaffen es, sich dem Zugriff des intakten und voll funktionsfä- Tumor und Immunsystem befindet sich in einem dynamischen
higen Immunsystems zu entziehen. Dafür brauchen sie Abwehr- Gleichgewicht, bei der jede Seite versucht, die Oberhand zu ge-
mechanismen, um sich vor der Immunantwort zu schützen. In winnen. In der dritten Phase entkommt der Tumor der Überwa-
13 vielen Fällen, in denen Tumore bei Patienten beobachtet werden, chung durch das Immunsystem. Durch Selektionsprozesse haben
hat sich bereits Toleranz gegen die Tumorantigene sowohl auf sich die dafür erforderlichen Eigenschaften entwickelt. Erst in
14 Ebene der CD4+- als auch CD8+-T-Zellen entwickelt. Die anti- dieser Phase werden Tumoren klinisch beobachtbar. Daher ist in
genspezifischen T-Zellen sind zwar vorhanden, es kommt aber vielen Fällen die immunologische Toleranz gegen die Tumoranti-
15 zu keiner Immunreaktion. Es scheint auf den ersten Blick unver- gene bereits entwickelt, wenn die Erkrankung sich manifestiert.
ständlich, dass das Immunsystem einerseits eine zentrale Rolle Die wesentlichen Beispiele für tumorale Abwehrmechanismen
in der Tumorabwehr spielen soll, andererseits aber viele Tumore gegen das Immunsystem sind in den folgenden Abschnitten und
16 nicht effektiv vom Immunsystem beseitigt werden können. Dazu in . Abb. 11.3 zusammengefasst.
muss man berücksichtigen, dass Tumore aus sich schnell teilen-
17 den Zellen bestehen, die durch die Angriffe des Immunsystems
einem ständigen Selektionsdruck ausgesetzt sind (. Abb. 11.2). Verminderung der Antigenpräsentation
Nur die Tumoren, bei denen Mechanismen auftreten, durch die
18 sie der Immunüberwachung entgehen, können sich überhaupt Tumorantigene werden durch ihre Präsentation auf MHC-Mole-
so weit entwickeln, dass sie klinisch bemerkbar werden. Alle an- külen der Klasse I von CTL erkannt. Es gibt zahlreiche Beispiele,
19 deren werden bereits vorher vom Immunsystem vernichtet und in denen Tumorzellen eine stark verminderte oder vollständig
treten nie in Erscheinung. Auch wenn es den Eindruck erweckt, fehlende Expression von MHC-I-Molekülen haben. Dies kann
20 dass sich Tumore dem Zugriff des Immunsystems durch gezielte darauf basieren, dass beladene MHC-I-Moleküle nicht mehr an
Veränderungen zu entziehen versuchen, ist dies nicht zutreffend. die Zelloberfläche gelangen oder dass β2-Mikroglobulin deletiert
Die den Verteidigungsmechanismen zugrunde liegenden Mutati- oder mutiert ist. Die Effekte können aber auch bereits früher an-
21 onen entstehen spontan. Das bedeutet, dass es sich nicht um eine setzen, beispielsweise am Proteasom oder den TAP (transporter
bewusste Verteidigungsstrategie des Tumors handelt, sondern associated with antigen processing), die die Fragmente ins endo-
22 durch die Interaktion mit der Immunabwehr werden vorteilhafte plasmatische Reticulum bringen, wo sie auf MHC-I-Moleküle
Mutationen ausgewählt. geladen werden.
Eine Theorie, die die Interaktion zwischen Tumoren und dem Neben der verhinderten Präsentation von Tumorantigenen
23 Immunsystem beschreibt, ist das sogenannte Immun-Editing. Es können diese auch verlorengehen. Das Genom von Tumorzellen
wird in drei Phasen eingeteilt und besagt, dass die Immunreak- ist deutlich instabiler als das normaler Zellen. Die Wahrschein-
tion gegen den Tumor einen erheblichen Einfluss auf seine Ent- lichkeit, dass ein Epitop durch Mutation oder Verlust vom Im-
11.4 • Immunologische Ansätze der Tumortherapie
171 11
.. Abb. 11.3 Abwehrmechanismen von Tumoren gegen
das Immunsystem. a) Ein wesentlicher Mechanismus zur
Abwehr von Tumoren ist die Vernichtung durch cytotoxi
sche T-Zellen. b) Es existieren vier Gruppen von Mechanis-
men, durch die Tumoren sich vor dem Angriff der T-Zellen
schützen können. Dies sind eine verminderte Antigenprä-
sentation (beispielsweise durch fehlende MHC-I-Moleküle),
die Freisetzung von tolerogenen Mediatoren wie TGF-β, die
die Immunreaktion schwächen, eine Rekrutierung regulato-
rischer Zellen (unter anderem Treg) und die Induktion von
Apoptose durch FAS/FASL
verminderte
Rekrutierung Antigenpräsentation
regulatorischer
Induktion von Zellen
Apoptose Freisetzung von
tolerogenen
Mediatoren
FAS
Treg TGF-β
FAS
L
munsystem nicht mehr erkannt wird, ist relativ hoch. Da das Im- (myeloid-derived suppressor cells) gefunden, antiinflammatorisch
munsystem diese Zellen daraufhin schlechter eliminiert, können wirkende myeloische Zellen wie Makrophagen, Granulocyten
sie sich aufgrund von Veränderungen der vom Immunsystem und DC, die die Aktivität von T-Zellen unterdrücken.
erkannten Tumorantigene bevorzugt vermehren.
3 Stammzelltransplantation
10 Literatur
11 Dougan M, Dranoff G (2009) Immune therapy for cancer. Annu Rev Immunol
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16
17
18
19
20
21
22
23
175 12
Transplantation
Hajo Haase
Im Fall des kompletten Funktionsverlusts eines lebenswichtigen onen. Erfolgt beispielsweise der Einbau des funktionierenden
1 Organs ist es in vielen Fällen möglich, das defekte Organ durch Gens durch den Einsatz von Retroviren, setzen diese das Gen
Transplantation eines funktionierenden zu ersetzen (. Tab. 12.1). unkontrolliert ins Genom der Zielzelle ein. Es kann also sein,
2 Dies gelang beim Menschen erstmals im Jahr 1954, als erfolgreich dass dabei ein Protoonkogen betroffen ist, also ein Gen, das an
eine Niere verpflanzt wurde. In diesem Fall fand die Übertragung Zellwachstum und -teilung beteiligt ist, und auf diese Weise ma-
zwischen eineiigen Zwillingen statt. Im Gegensatz dazu ergibt ligne Veränderungen hervorgerufen werden. Daher wird heut-
3 sich bei genetisch unterschiedlichen Individuen ein immunolo- zutage in den meisten Fällen der Gentransfer durch Adenoviren
gisches Problem. Wir haben in den vorherigen Kapiteln bereits vorgenommen.
4 gesehen, dass das Immunsystem effizient zwischen Selbst und Bei den transplantierten Organen kann es sich um eine Le-
Fremd unterscheiden kann. Dies gilt auch für transplantierte Or- bendspende handeln, bei der eine Niere, ein Teil der Leber oder
5 gane, obwohl die genetischen Unterschiede zwischen Empfänger Knochenmark von einem freiwilligen Spender zur Verfügung
und Spender sehr viel geringer sind als beispielsweise zwischen gestellt wird. In der Mehrzahl der Fälle stammen die Transplan-
Mensch und einem beliebigen infektiösen Pathogen. Es kommt tate allerdings von Verstorbenen. Diese Organe sind natürlich
6 zu einer Immunreaktion, bei der das Immunsystem des Empfän- nicht unbegrenzt haltbar. In . Tab. 12.1 ist die Kaltischämiezeit
gers sich gegen das Transplantat richtet und es dadurch so stark angegeben, die sich zwischen den einzelnen Organen deutlich
7 schädigt, dass es seine Funktion verliert. Dies wird als Transplan- unterscheidet. Sie gibt an, wie lange ein Organ außerhalb der
tatabstoßung bezeichnet. Blutzirkulation bei optimaler, gekühlter Lagerung in einem Zu-
Wie . Tab. 12.1 zeigt, sind die Erfolgsaussichten einer stand bleibt, in dem es noch mit zufriedenstellender Aussicht auf
8 Transplantation je nach Organ unterschiedlich und es besteht Erfolg transplantiert werden kann.
ein Restrisiko, dass das Transplantat nicht einmal ein Jahr lang Für die Kombination aus Spender und Empfänger kommen
9
10
funktioniert. Auch nach über einem Jahr besteht immer noch die
Möglichkeit einer Abstoßungsreaktion. Aus diesem Grund sind
Transplantationen nur dann eine Option, wenn die zu ersetzen-
den Organe terminal geschädigt sind und andere Behandlungs-
-
verschiedene genetische Konstellationen in Frage (. Abb. 12.1):
Eine autologe Transplantation (auch autogene Trans-
plantation genannt) ist die Übertragung von Geweben
innerhalb desselben Individuums, beispielsweise bei der
maßnahmen keinen Erfolg versprechen. Verpflanzung von Haut von einer Stelle des Körpers an eine
11 Zusätzlich zu den in . Tab. 12.1 aufgeführten Organen kön- andere. Da Zellen des Empfängers verwendet werden, hat
nen auch Dünndarm und einzelne Gewebe, wie Hornhaut des das Transplantat alle Eigenschaften von „Selbst“ und wird
12 Auges, Sehnen und Knochen, transplantiert werden. Immuno- aufgrund der Selbst-Toleranz vom Immunsystem nicht als
13
logisch besonders relevant ist die Transplantation von hämat-
opoetischen Stammzellen. Quelle für diese Zellen ist entweder
das Knochenmark oder die hämatopoetischen Stammzellen
werden durch die Gabe von GM-CSF mobilisiert und danach
- Angriffsziel erkannt.
Eine isogene Transplantation (auch isologe oder syngene
Transplantation genannt) ist eine Übertragung von Orga-
nen oder Geweben zwischen zwei genetisch identischen
14 als CD34+- und CD133+-Zellen aus dem peripheren Blut ge- Individuen. Beim Menschen ist dies die seltene Konstella-
wonnen. Bei vielen angeborenen Immundefekten (▶ Kap. 16), tion einer Transplantation zwischen eineiigen Zwillingen.
15 aber auch bei einer Reihe von Leukämien ist die Transplanta- Im Tiermodell kann dies zu Forschungszwecken häufiger
tion von gesunden Stammzellen die einzige Möglichkeit, bei der Fall sein, wenn Inzuchtstämme verwendet werden,
einem Patienten eine funktionsfähige Immunabwehr herzu- deren Vertreter genetisch identisch sind. Immunologisch
16 stellen. Darüber hinaus erfordert die Therapie einiger solider ist diese Art der Transplantation unproblematisch, da das
Tumoren eine Behandlung mit hochdosierter Chemotherapie Transplantat keine Merkmale enthält, die nicht auch beim
17
18
oder Bestrahlung, bei der alle proliferierenden Gewebe beein-
trächtigt werden, inklusive der hämatopoetischen Stammzellen
im Knochenmark. In diesem Fall werden vor Therapiebeginn
Stammzellen isoliert und nach der Behandlung in den Patienten
- Empfänger vorhanden sind.
Bei der allogenen Transplantation (auch homologe
Transplantation genannt) findet die Übertragung zwi-
schen zwei genetisch unterschiedlichen Vertretern
zurückgegeben. derselben Spezies statt. Da es in den meisten Fällen nicht
19 Eine Indikation für Stammzelltransplantationen sind Gen- möglich ist, einen genetisch identischen Organspender
defekte, die Ausfälle einer oder mehrerer Leukocytenpopula- zu finden, ist dies die bei Weitem häufigste Form der
20 tionen verursachen, beispielsweise die Adenosin-Desaminase Transplantation. Das Transplantat wird vom Immunsys-
(▶ Kap. 16). Es ist in diesem Fall nicht nur möglich, die defekten tem als fremdes Gewebe erkannt, und es kommt zu einer
Stammzellen durch voll funktionsfähige Zellen eines Spenders Immunreaktion, die in der Regel mit einer Transplantat-
21 zu ersetzen. Bei einem anderen Ansatz wird die funktionierende abstoßung endet. Daher ist bei allogenen Transplantatio-
Version dieses Gens in die hämatopoetischen Stammzellen des nen normalerweise eine lebenslange Immunsuppression
22
23
Patienten eingebracht, sodass man dem Patienten seine eigenen
„reparierten“ Stammzellen zurückgeben kann. Dabei gibt es
keine Probleme mit einer Transplantatabstoßung, da es sich um
ein (nahezu) genetisch identisches Transplantat handelt. Den-
- erforderlich.
Bei der Xenotransplantation (auch heterologe Trans-
plantation genannt) wird ein Organ in einen Organis-
mus einer anderen Spezies übertragen. Der Vorteil einer
noch ist diese Art der Transplantation nicht ohne Komplikati- Verwendung von nicht-menschlichen Transplantaten (z. B.
Kapitel 12 • Transplantation
177 12
Leber 16.469 Leberzirrhose aufgrund chronischer Hepatitis, Gallengang- Ca. 80 % 16–24 Stunden
atresie, angeborene Stoffwechseldefekte, hepatozelluläres
Karzinom
Die Anzahl bezieht sich auf die insgesamt zwischen 1963 und 2009 durchgeführten Organtransplantationen in Deutschland. Die Erfolgsraten (Zahl
der Transplantate, die ein Jahr nach der Transplantation noch funktionieren) sind aktuell gültige Werte, basierend auf dem gegenwärtigen Stand der
Immunsuppression. Die Kaltischämiezeit gibt an, wie lange ein Organ ohne Blutzirkulation bei optimaler, gekühlter Lagerung bis zur Transplantati-
on aufbewahrt werden kann.
Allotransplantation Xenotransplantation
aus Schweinen) liegt in der nahezu unbegrenzten Verfüg- körper gegen Oberflächenproteine der fremden Spezies
barkeit von Spenderorganen, die im Falle der allogenen vorhanden sind. Hinzu kommen das fehlende „Selbst“
Transplantation immer noch unzureichend ist. Viele und ein Mangel an Proteinen, die die Koagulation und
potenzielle Organempfänger sterben, da nicht rechtzeitig die Komplementreaktion regulieren. Eine denkbare
ein passendes Spenderorgan zur Verfügung steht. Das Lösung wären transgene Tiere, bei denen unter anderem
Problem bei einer Xenotransplantation ist allerdings menschliches HLA auf der Zelloberfläche präsentiert
die große Zahl an Fremd-Antigenen, die diese Organe wird, die menschliche Komplementregulatorproteine wie
enthalten, was zu einer extrem starken Abstoßungsreak- CD46 und CD55 exprimieren und bei denen die stark
tion führt. Beispielsweise führt die Transplantation eines immunogenen Oberflächenproteine entfernt wurden.
normalen Schweineherzens in einen Primaten innerhalb Erste Versuche in dieser Richtung wurden bereits unter-
von Minuten zu einer Abstoßung, da im Empfänger Anti nommen und zeigten, dass dieser Weg prinzipiell zum
178 Kapitel 12 • Transplantation
8 Situation führten.
Welche immunologischen Probleme müssten
Monat, während normale Herzen bereits nach
wenigen Stunden abgestoßen wurden. Ein
sein sollten. Eine Therapieform, die in abseh-
barer Zeit klinisch eingesetzt werden könnte,
gelöst werden, damit Zellen und/oder Organe weiterer Schritt, die hyperakute Abstoßung zu ist die Transplantation von insulinproduzieren-
mütterliche Immunsystem in der Lage ist, die vom Vater stam- schiedene Allelvarianten dieser Gene vorkommen. Die Anzahl
menden fremden Gene des Fetus und der Plazenta zu tolerieren. an Polymorphismen ist bei den HLA-Genen außerordentlich
Das Immunsystem erkennt nach einer Transplantation nur, dass groß (. Abb. 12.2). Daher ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch,
es sich nicht um körpereigenes Gewebe handelt und stößt das dass ein transplantiertes Organ fremdes HLA aufweist, das vom
Transplantat durch eine Immunreaktion ab, obwohl es eigentlich Immunsystem des Empfängers erkannt werden kann. Eine voll-
im besten Interesse des Organismus wäre, das neue, lebenswich- ständige Übereinstimmung, ein sogenanntes full house match,
tige Organ zu verschonen. Schon früh wurde festgestellt, dass zwischen nicht genetisch verwandten Personen zu finden, sollte
dies auf einer Reihe von genetischen Unterschieden besteht und aufgrund dieser Wahrscheinlichkeiten so gut wie ausgeschlossen
dass es bestimmte Gene gibt, die die Gewebeverträglichkeit bei sein. Dies gelingt nur durch das Kopplungsungleichgewicht und
einer Transplantation maßgeblich beeinflussen. regionale Häufungen von HLA-Typen, die in bestimmten Bevöl-
kerungsgruppen überdurchschnittlich oft auftreten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Transplantat abgesto-
Der Haupthistokompatibilitätskomplex ßen wird, ist umso höher, je kleiner die Übereinstimmung der
HLA-Allele zwischen Spender und Empfänger ist. In Mausex-
Wie bereits bei der Antigenpräsentation in ▶ Kap. 4 besprochen, perimenten reichen Abweichungen von 1–3 Aminosäuren in ei-
gibt es eine Reihe von Molekülen, die auf der Zelloberfläche nem einzigen MHC-I- oder -II-Molekül, um eine Transplantat
Antigene präsentieren. Da sie auch ein zentraler Faktor für die abstoßung hervorzurufen.
Gewebeverträglichkeit bei Transplantationen sind, werden die Warum existieren mehrere Gene für jede HLA-Klasse und
für sie codierenden Gene als Haupthistokompatibilitätskomplex zusätzlich noch so viele verschiedene Allele, wenn dies doch die
(MHC, major histocompatibility complex) bezeichnet. Beim Men- Transplantation stark behindert? Zunächst einmal ist die Trans-
schen heißen sie HLA (human leukocyte antigen). MHC-Mole- plantation für die Evolution irrelevant, da sie erst seit relativ
küle der Klasse I befinden sich auf allen kernhaltigen Zellen des kurzer Zeit existiert. Darüber hinaus bietet ein umfangreiches
menschlichen Körpers und auf Thrombocyten. Aufgrund einer Repertoire von verschiedenen HLA-Molekülen Vorteile bei der
Polygenie sind beim Menschen auf Chromosom 6 gleich meh- Abwehr von Krankheitserregern. Nicht jedes HLA-Molekül ist in
rere Gene für MHC-I-Moleküle vorhanden, von denen drei, die der Lage, alle möglichen Peptide zu binden. Durch die Polyge-
sogenannten klassischen Moleküle, von besonderer Bedeutung nie kann ein Organismus mehrere verschiedene HLA-Moleküle
für Antigenpräsentation und Transplantation sind: HLA-A, einer Klasse haben und dadurch eine größere Vielfalt von prä-
HLA-B und HLA-C. Zusätzlich gibt es noch HLA der Klasse II, sentierbaren Antigenen abdecken. Die Polymorphismen haben
die auf professionellen antigenpräsentierenden Zellen (DC, Ma- eine ähnliche Funktion für die gesamte Spezies. So kann bei einer
krophagen, B-Zellen) sowie aktivierten T-Zellen, Endothelzellen Seuche ein Erreger, dessen wichtigste Antigene von einem be-
und Epithelzellen exprimiert werden. Auch hier gibt es eine Po- stimmten HLA-Molekül nur schlecht präsentiert werden, nicht
lygenie, durch die HLA-DR, HLA-DQ und HLA-DP existieren. die ganze Population vernichten; denn es gibt auch Individuen
Was die HLA bei Transplantationen so wichtig macht, ist die mit HLA-Molekülen, die mit dem Erreger besser klarkommen,
Tatsache, dass es Polymorphismen gibt. Das bedeutet, dass ver- sodass die Spezies insgesamt überlebt.
180 Kapitel 12 • Transplantation
1 Klasse I Klasse II
HLA-A HLA-DR
2 HLA-B
α β α β
HLA min. Anzahl max. Anzahl α
β
3 A
B
1
1
2
2 α
β
C 1 2 HLA-DQ
4 DR 1 2*
α
β
DQ 1 4 HLA-C α
5 DP 1 4
β
gesamt 6 16
6 α
β
β α
7 β α β α HLA-DP
8 .. Abb. 12.3 Coexpression der verschiedenen HLA-Typen. Die verschiedenen HLA-Allele von väterlichem und mütterlichem Chromosom 6 (in blau und
rot) werden codominant exprimiert. Auf dem dargestellten Makrophagen sind also von jedem HLA-Allel der Klasse I jeweils zwei unterschiedliche Versionen
exprimiert, falls die Eltern nicht zufällig das gleiche Allel vererbt haben. Ähnliches gilt für die HLA-Allele der Klasse II, wobei hier auch α- und β-Ketten von
9 beiden Allelen kombiniert werden können, sodass sich die Vielfalt noch weiter erhöht. Daher hat jeder Mensch mindestens sechs (komplett homozygot) und
höchstens 16 (komplett heterozygot) verschiedene HLA-Moleküle.
*Es gibt nur drei unterschiedliche Allele für HLA-DRα, die für zwei Proteine codieren. Da diese sich nur in einer Aminosäure der Transmembrandomäne unter-
10 scheiden, wurden sie in der Rechnung nicht als unterschiedlich gezählt
11 Die Kombination aller Allele auf einem Chromosom nennt HLA-Allelen werden nicht in statistisch zufälligen Kombina-
man Haplotyp. Da die Gene im MHC relativ dicht zusammen- tionen vererbt; da sie zusammen auf einem Chromosom vor-
12 liegen, kommt es in der Regel nicht zu einem Austausch, sodass kommen, sind manche Kombinationen häufiger, andere dagegen
väterliche und mütterliche Allele der verschiedenen HLA-Gene seltener. Wenn es bei einem Crossing-over während der Meiose
jeweils zusammen auf einem Chromosom vererbt werden. Chro- allerdings zu einem Austausch von Teilen des Chromosoms 6
13 mosom 6 ist ein Autosom, daher erbt jeder Mensch von seinen kommt, können dabei neue Allelkombinationen entstehen.
Eltern zwei Haplotypen. Sie werden codominant exprimiert; das
14 heißt, dass auf den Zellen jeweils alle vom Vater und von der Immunisierung gegen MHC-Moleküle
Mutter vererbten HLA-Typen vorhanden sind (. Abb. 12.3). Es gibt zwei Wege, auf denen T-Zellen eines Spenders gegen
15 Es gibt daher bei den meisten Menschen sechs verschiedene MHC-Moleküle eines Transplantats sensibilisiert werden kön-
HLA-Molekülarten der Klasse I (jeweils zwei HLA-A, -B und nen (. Abb. 12.5). Zum einen gibt es in den transplantierten
-C). Es können aber auch weniger sein, falls von Vater und Mut- Organen antigenpräsentierende Zellen (APC), die spender
16 ter identische HLA-Allele ererbt wurden. Bei den HLA-Mole- eigene Peptide auf ihren eigenen MHC-Molekülen präsentie-
külen der Klasse II ist eine noch größere Vielfalt möglich. Sie ren. Zum anderen können MHC-Moleküle abgebaut und ganz
17 bestehen aus zwei Ketten, und bei HLA-DQ beziehungsweise normal von körpereigenen professionellen APC aufgenommen
HLA-DP können die α- und β- Ketten von väterlichen und müt- und auf MHC-II-Molekülen (durch Kreuzpräsentation auch auf
terlichen Allelen eines Gens jeweils untereinander kombiniert MHC-I-Molekülen) präsentiert werden.
18 werden. Beim HLA-DR gibt es nur drei unterschiedliche Allele Die Phase direkt nach der Transplantation ist von besonderer
für die α-Kette, die für zwei sich nur unwesentlich unterschei- Bedeutung für die Immunisierung gegen Antigene des Spenders.
19 dende Proteine codieren. Daher gibt es für HLA-DRα faktisch Unabhängig vom Ursprung der APC würde die Präsentation an
keinen Polymorphismus. Dafür enthalten viele HLA-DR aber naive T-Zellen ohne ein costimulierendes Signal nicht zu einer
20 noch eine zusätzliche β-Kette, was die möglichen Kombinationen Immunreaktion, sondern zur Anergie der T-Zellen führen. Es
wiederum erhöht. gibt allerdings mehrere Einflüsse, durch die ein zweites Signal
Wie in . Abb. 12.4 gezeigt, liegt die Übereinstimmung zwi- zustande kommt. Bei der Transplantation wird die Blutversor-
21 schen einem Elternteil und einem Kind immer bei 50 % der Al- gung des Transplantats unterbrochen (Ischämie), und erst im
lele, nämlich dem gemeinsamen Chromosom. Bei Geschwistern Spenderorganismus wieder aufgenommen (Reperfusion). Dabei
22 gibt es dagegen mehrere Kombinationsmöglichkeiten, sodass sie kommt es zur Aktivierung von Toll-ähnlichen Rezeptoren, die
mit 25%iger Wahrscheinlichkeit komplett identische Haplotypen hierbei aber nicht auf molekulare Strukturen von Pathogenen,
haben, es aber ebenso häufig keine Übereinstimmung gibt. sondern auf körpereigene Signale wie das Hitzeschockprotein 70
23 Eine weitere Folge des relativ seltenen Austauschs zwischen und HMGB1 (high mobility group box 1) reagieren. Zusammen
MHC-Genen auf zwei Chromosomen ist das so genannte Kopp- mit dem chirurgischen Trauma führt dies zur Produktion von
lungsungleichgewicht. Verschiedene Kombinationen von proinflammatorischen Cytokinen und zur Bildung reaktiver
12.1 • Immunologische Basis der Gewebeverträglichkeit
181 12
HLA-DR7
HLA-DR7 HLA-DR7
.. Abb. 12.4 Vererbung der HLA-Eigenschaften. Insgesamt kann es durch die möglichen Kombinationen aus den vier verschiedenen Varianten der
elterlichen Chromosomen 6 (zwei vom Vater (blau), zwei von der Mutter (rot)) auch vier mögliche Kombinationen für die HLA-Haplotypen der Kinder geben.
Geschwister können dabei jeweils gar keine Übereinstimmungen haben, können aber auch komplett die gleichen HLA-Haplotypen haben. Zwischen Eltern
und Kindern gibt es immer eine 50%ige Übereinstimmung. Dargestellt ist die Vererbung verschiedener Allele am Beispiel von HLA-A und HLA-DR
a b
.. Abb. 12.5 T-Zell-Reaktionen auf fremdes HLA. a) Fremdes HLA kann an T-Zellen auf zwei Weisen präsentiert werden, die beide zu einer Aktivierung führen.
Zum einen als vollständiges HLA mit gebundenem Selbst-Antigen des Spenders auf APC, die aus dem Transplantat stammen (linke Seite, blau umrandete
APC). Die so aktivierten T-Zellen erkennen einen Komplex aus HLA und einem Selbst-Peptid des Spenders, der in seiner 3D-Struktur empfängereignem HLA
mit Fremd-Peptid ähnelt. Zum anderen können die fremden HLA-Moleküle durch APC des Empfängers aufgenommen, prozessiert und als Peptidfragmente
(blau) auf dem empfängereigenen HLA (braun) als Antigen präsentiert werden (rechte Seite). Die so aktivierten T-Zellen erkennen Antigene, wenn sie auf
HLA-präsentiert werden, die beim Empfänger vorkommen. b) Die direkte Interaktion eines TCR mit fremden MHC-Molekülen leitet sich aus der T-Zell-Ent-
wicklung ab. Während der Entwicklung wird auf eine mittlere Affinität selektiert, die auf einer relativ hohen Affinität zu eigenen MHC-Molekülen und einer
niedrigen Affinität zum Selbst-Antigen beruht. Eine Immunreaktion wird dann ausgelöst, wenn das Selbst-Antigen durch ein Fremd-Antigen ausgetauscht
wird, wofür eine hohe Affinität besteht. Wie oben erwähnt, kann diese 3D-Struktur des eigenen MHC-Moleküls plus Fremd-Antigen der Struktur des fremden
MHC-Moleküls mit einem dem eigenen Selbst sehr ähnlichen Peptid weitgehend entsprechen, da die polymorphen Strukturen der MHC-Moleküle sehr nahe
der Antigenbindungsstelle sind. Dieses Phänomen tritt überwiegend bei MHC-II-Inkompatibilitäten auf, die man deshalb auch in der gemischten Lymphocy-
tenkultur erkennen kann. Direkte MHC-I-Reaktionen treten hingegen nur bei einer Antigendominanz auf
182 Kapitel 12 • Transplantation
Sauerstoffspezies. Diese können zur Reifung von DC beitragen, ausschlaggebender Faktor. Die langfristige Überlebensrate des
1 die daraufhin costimulierende Oberflächenmoleküle exprimie- Transplantats korreliert aber klar mit dem Grad der HLA-Über-
ren und so eine adaptive Immunantwort gegen die Alloantigene einstimmung zwischen Spender und Empfänger.
2 auslösen. Das Cytokinmilieu in dieser Phase beeinflusst die
entstehende Immunreaktion. Wesentlich für die Transplantat-
abstoßung ist das TH1-Cytokin IFN-γ sowie TNF-α und TNF-β, Weitere bei Transplantationen relevante
3 denn die Balance zwischen TH1- und TH17-Zellen auf der einen Antigene
und den Treg auf der anderen Seite reguliert das Ausmaß der Im-
4 munreaktion. Dabei hat das Cytokin TGF-β eine ambivalente Transplantate HLA-identischer Geschwister überleben sig-
Rolle. Zum einen vermindert es die Immunreaktion als wesent- nifikant länger als Organe, die HLA-Merkmale tragen, die im
5 liches Cytokin der Tregs. Zusammen mit IL-6 kann es aber auch Empfänger nicht vorkommen. Trotzdem können auch 100 %
die Bildung von TH17-Zellen fördern. HLA-identische Transplantate vom Immunsystem des Empfän-
gers abgestoßen werden. Dies zeigt, dass es zusätzlich zu den
6 Untersuchung der Gewebeverträglichkeit MHC-Genen noch eine Reihe weiterer Gene gibt, deren Un-
Es gibt verschiedene Testverfahren, um die Kompatibilität zwi- terschiede (Polymorphismen) bei Transplantationen relevant
7 schen Spender und Empfänger zu ermitteln. Die Übereinstim- sind. Dazu gehören im Prinzip alle immunogenen Strukturen,
mung der HLA von Spender und Empfänger wird durch die die sich bei Spender und Empfänger unterscheiden. Eine beson-
HLA-Typisierung festgestellt. Sie erfolgt entweder serologisch dere Rolle spielen die Blutgruppen, deren Name daher stammt,
8 oder durch eine Testung der DNA mittels PCR (polymerase chain dass sie auf der Oberfläche von Erythrocyten entdeckt wurden,
reaction), wobei die zweite Methode heutzutage bevorzugt wird. die aber auf den meisten Körperzellen exprimiert werden. In-
9 Dabei haben die verschiedenen HLA einen unterschiedlichen zwischen kennt man zahlreiche Blutgruppen. Von besonderer
Einfluss auf die Abstoßungsreaktion. Die wichtigste Überein- Bedeutung ist das AB0-System, das zu Beginn des 20. Jahrhun-
10 stimmung ist die zwischen den HLA-DR-Typen, gefolgt von derts von Karl Landsteiner entdeckt wurde; Landsteiner wurde
HLA-B und HLA-A. für seine Arbeiten auf diesem Gebiet 1930 mit dem Nobelpreis
Beim serologisch durchgeführten Crossmatch wird Serum ausgezeichnet. Das AB0-System basiert auf der codominanten
11 des Empfängers mit Zellen des potenziellen Spenders zusammen- Vererbung der beiden Antigenmerkmale A und B. Dadurch ent-
gebracht. Bereits beim Empfänger existierende Antikörper gegen stehen vier Blutgruppen, je nachdem, ob jemand nur eines der
12 HLA, aber auch gegen die im Folgenden besprochenen Blutgrup- Antigene (A oder B), beide (AB) oder gar keines (0) hat. Die An-
penantigene, können hierbei in Anwesenheit von Komplement zu tigene A und B sind Zuckerstrukturen. Da diese Strukturen auch
einer Zelllyse führen. Da die von diesen Antikörpern ausgelöste auf Bakterien vorkommen, werden Menschen dagegen in den
13 Immunreaktion zu einer sehr schnellen Transplantatabstoßung ersten Lebenswochen immunisiert und haben danach in ihrem
führt und nur schwer zu unterdrücken ist, gilt ein positiver Cross- Plasma Antikörper (so genannte Isohämagglutinine) gegen die
14 match als Ausschlusskriterium für eine Transplantation. Merkmale A oder B, sofern sie diese nicht selbst exprimieren und
Die MLR (mixed lymphocyte reaction, auch als MLC, mixed die Antikörperbildung deshalb durch Toleranz verhindert wird.
15 lymphocyte culture bezeichnet) ist eine Methode, bei der die Nicht gegen alle Blutgruppen sind von Natur aus Antikörper
T-Zell-Reaktion gemessen wird. Dabei werden zum Test auf eine vorhanden. Beispielsweise basiert das Rhesus-System auf einem
host versus graft-Krankheit (host versus-graft-disease, HvGD) Protein, gegen das der Mensch normalerweise nicht immunisiert
16 Lymphocyten aus dem peripheren Blut des Empfängers zusam- ist. Daher haben Personen, die dieses Protein nicht haben (Rh−),
men mit bestrahlten Lymphocyten des Spenders kultiviert. Soll im Regelfall keine Antikörper gegen das Rhesus-Antigen, können
17 bei einer MLR auf graft versus host-Krankheit (graft-versus-host- diese aber nach einem Kontakt bilden.
disease, GvHD) getestet werden, wird die Reaktion mit intakten Werden die AB0-Merkmale bei einer Transfusion von Ery-
Lymphocyten des Spenders und bestrahlten Lymphocyten des throcytenkonzentraten nicht beachtet, kann es zu einer Transfu-
18 Empfängers durchgeführt. Die bestrahlten Lymphocyten sind tot, sionsreaktion kommen, wenn die transfundierten Erythrocyten
präsentieren aber noch ihr unverändertes HLA auf der Oberflä- Antigene tragen, die der Empfänger nicht hat. Bei der intrava-
19 che. Dies führt bei den intakten T-Lymphocyten zu deren Proli- salen hämolytischen Transfusionsreaktion kommt es zu einer
feration, wenn es von ihrem T-Zell-Rezeptor erkannt wird. Die Antigen-Antikörper-Reaktion, bei der die transfundierten Ery-
20 Stärke der Proliferation in der MLR ist ein Maß für die nach einer throcyten innerhalb der Blutgefäße verklumpen (agglutinieren)
Transplantation zu erwartende Abstoßungsreaktion. und lysiert werden (. Abb. 12.6). Sie wird durch Isohämaggluti-
Solche Tests sind zeitaufwendig. Dies ist bei Lebendspenden nine vom IgM-Typ ausgelöst. Bei größeren Erythrocytenmengen
21 in den meisten Fällen kein Problem, da sich das Spenderorgan endet eine solche Hämolyse tödlich. Daher ist der sogenannte
in seiner natürlichen Umgebung befindet. Stammen die Trans- Bedside-Test vor jeder Transfusion zwingend vorgeschrieben, bei
22 plantate jedoch von Verstorbenen, ist die Zeit bis zur Transplan- dem die AB0-Blutgruppe des Empfängers noch einmal bestätigt
tation ein entscheidender Faktor für deren Erfolg (. Tab. 12.1). wird (. Abb. 12.7).
Hier muss zwischen der geringeren Kaltischämiezeit und einer Die verzögert ablaufende extravasale hämolytische Trans-
23 besseren HLA-Verträglichkeit abgewogen werden. Aufgrund der fusionsreaktion basiert auf irregulären Antikörpern, beispiels-
immunsuppressiven Therapie ist die HLA-Übereinstimmung in weise IgG-Antikörpern gegen Rhesus-Antigene. Die Antikörper
den ersten Jahren nach einer Transplantation kein besonders binden an die Oberfläche der transfundierten Erythrocyten, wo-
12.2 • Abstoßungsreaktionen
183 12
A B AB 0
Blutgruppe AB
A
Blutgruppe B
B
Empfänger
AB
.. Abb. 12.7 Bedside-Test. Vor jeder Transfusion muss die Blutgruppe des
Empfängers durch einen Bedside-Test bestätigt werden. Bei dem hier verwen-
deten Testverfahren wird Blut mit Antikörpern gegen die Antigene A (links), B
(Mitte) oder gegen beide Antigene (rechts) vermischt. In allen Fällen, in denen
ein zu den Antikörpern passendes Antigen vorhanden ist, kommt es zur
0
Agglutination. Das obere Beispiel zeigt die Reaktion im Falle der Blutgruppe
AB (Agglutination in allen drei Fällen). Das untere Beispiel zeigt die Reaktion
auf die Blutgruppe B (keine Agglutination bei A, da diese Antigene nicht
vorhanden sind)
.. Abb. 12.6 Kompatibilität der Blutgruppen bei Erythrocytentransfusi-
onen. Dargestellt sind die möglichen Kombinationen der AB0-Blutgruppen
von Spender und Empfänger. In den Fällen, in denen es bei einer Transfusion
12.2 Abstoßungsreaktionen
von Erythrocyten in dieser Konstellation zu einer Transfusionsreaktion käme,
ist agglutiniertes Blut dargestellt
Hinsichtlich der Stärke der entstehenden Abstoßungsreakti-
raufhin diese Zellen zum Abbau außerhalb der Blutzirkulation onen gibt es Unterschiede zwischen den transplantierten Or-
markiert werden. ganen. Die Leber beispielsweise kommt in Kontakt mit vielen
Man bezeichnet Personen der Blutgruppe 0 als Universal- Antigenen aus der Nahrung, gegen die Toleranz notwendig ist,
spender für Erythrocyten, da auf ihren Zellen keine Antigene und bietet daher eine Umgebung, in der eher immunologische
vorhanden sind, an die Antikörper binden könnten. Im Gegen- Toleranz gegen neue Antigene entstehen kann. Daher wirkt im
zug sind Personen mit der Blutgruppe AB Universalempfänger, Allgemeinen ein Lebertransplantat weniger stark immunisie-
da sie beide Merkmale haben und man ihnen somit Erythrocyten rend als ein Herz- oder Nierentransplantat. Prinzipiell können
beider Merkmale transfundieren kann. Meistens wird bei dieser zwei unterschiedliche Arten der Abstoßung auftreten. Zum
Einteilung auch noch der Rhesus-Faktor berücksichtigt, da es einen kann das Immunsystem des Empfängers sich gegen das
bei Rhesus-inkompatibler Transfusion zu einer Immunisierung transplantierte Gewebe richten. Dies wird als HvGD bezeichnet.
kommen würde. Demzufolge wäre der Universalspender 0 Rh− Zum anderen ist es aber auch möglich, dass sich transplantierte
und der Universalempfänger AB Rh+. Immunzellen gegen den Organismus des Empfängers richten,
Die Merkmale A und B befinden sich nicht nur auf der Ober- was als GvHD bezeichnet wird. Die GvHD ist von besonderer
fläche von Erythrocyten, sondern unter anderem auch auf den Bedeutung bei der Knochenmarktransplantation, bei der im-
Endothelien der Blutgefäße, sodass die AB0-Blutgruppe bei ei- munkompetente Zellen übertragen werden. Die Abstoßung
ner Organtransplantation von großer Bedeutung ist. Diese An- von Allotransplantaten beruht dabei vorwiegend auf T-Zellen.
tigene können, insbesondere bei Niere und Herz, Ursache für An der Immunreaktion sind aber meistens auch Antikörper
die unten erwähnte hyperakute Abstoßung sein. Daher ist eine beteiligt, und es kommt im weiteren Verlauf zur Aktivierung
AB0-Inkompatibilität in der Regel ein Ausschlusskriterium für zusätzlicher Zelltypen, insbesondere von Makrophagen. Die
eine Transplantation. Das Vorkommen von Isohämagglutininen verschiedenen Reaktionen, durch die das Immunsystem eine
gegen ein Spenderorgan sollte auch beim Crossmatch zu einer Transplantatabstoßung herbeiführt, können in mehrere Kate-
positiven Reaktion führen. Das AB0-System induziert dagegen gorien eingeteilt werden (. Tab. 12.2). Diese Einteilung basiert
keine Reaktion in der MLC. Diese Reaktion basiert auf Lym- vorwiegend auf dem zeitlichen Verlauf der Immunreaktion.
phocyten, und da eine Präsentation der unterschiedlichen Koh- Dabei sind die immunologischen Vorgänge bei der späteren
lenhydratstrukturen auf APC zur Aktivierung naiver T-Zellen Abstoßungsreaktion (beschleunigt bis chronisch) nicht immer
nicht möglich ist, gibt es nur IgM-Antikörper, aber keine anderen gleich, und die Stärke der Beteiligung der einzelnen Kompo-
Antikörperklassen, CTL oder T-Helferzellen gegen die Antigene nenten des Immunsystems kann sich zwischen einzelnen Fällen
A oder B. deutlich unterscheiden.
184 Kapitel 12 • Transplantation
Hyperakut Innerhalb weniger Durch bereits im Empfängerorganismus vorhandene Antikörper kommt es zu einer komplementver-
Chronisch > 2 Monate Kombination aus immunologischer und nicht-immunologischer Schädigung des Transplantats
5 Immunpatho > 2 Monate Wiederauftreten einer (immunpathologischen) Grunderkrankung, die eine Transplantation erforder-
logisch lich gemacht hatte
6
.. Abb. 12.8 Hyperakute Abstoßungsreaktion nach
Nierentransplantation. Dargestellt sind Glomeruli einer
7 gesunden Niere (a) und einer Niere nach einer hyperakuten
Abstoßungsreaktion (b). Die Abstoßung führt zu deutlichen
9
10
11
12
13
14 Bei der hyperakuten Abstoßung binden bereits im Serum munsystems beteiligt. Dazu gehören direkte, zellvermittelte Toxi-
des Empfängers vorhandene Antikörper an Antigene auf den En- zität durch T-Zellen und indirekte Effekte durch deren Cytokine.
15 dothelien der Blutgefäße des Transplantats. Daraufhin kommt Weiterhin können Antikörper beteiligt sein, was zur Aktivierung
es zur Aktivierung von Komplement über den klassischen Weg von Komplement, aber auch einer Aktivierung von ADCC (anti-
mit Schädigung des Gewebes und Anlockung neutrophiler Gra- body-dependent cell-mediated cytotoxicity) durch NK-Zellen und
16 nulocyten. Im weiteren Verlauf werden Thrombocyten aktiviert Makrophagen über CD16 führen kann. Normalerweise haben
und Blutgefäße blockiert. Nach dem Einsetzen einer hyperakuten Transplantatempfänger keine bestehende Immunisierung gegen
17 Abstoßungsreaktion gibt es keine Therapiemöglichkeit, und das fremdes HLA, die zu einer beschleunigten Abstoßung führen
Transplantat wird zerstört (. Abb. 12.8). Die Vorgänge beginnen würde. Dies kann aber auftreten, wenn es beispielsweise durch
sofort nach Beginn der Versorgung des Organs mit Empfänger- eine Bluttransfusion, eine vorherige Transplantation oder eine
18 blut und schädigen das Transplantat innerhalb von Minuten. Schwangerschaft bereits in der Vergangenheit zu einem Kontakt
Durch Plasmapherese vor einer Transplantation kann eine hy- mit den fremden Gewebemerkmalen gekommen ist. Daher gibt
19 perakute Abstoßung verhindert werden. So ist es auch möglich, es bei der Transplantation eines Organs von einem Kind auf des-
AB0-inkompatible Transplantationen durchzuführen, auch wenn sen Mutter ein erhöhtes Risiko für eine beschleunigte Abstoßung.
20 dies nur selten gemacht wird. Obwohl es zur Nachbildung der Die akute Abstoßung entspricht einer normalen Immun-
Antikörper kommt, die im Transplantat Komplement aktivieren, reaktion, basierend auf einer Kombination aus B- und T-Zellen.
führt dies nicht mehr zu einer Abstoßung. Sie erfordert eine Immunisierung gegen die Alloantigene und
21 Eine beschleunigte Abstoßung tritt innerhalb von wenigen tritt daher erst nach einer gewissen Zeit auf, die zur Aktivierung
Tagen nach der Transplantation auf. Sie basiert auf einer bereits des spezifischen Immunsystems gegen ein bislang unbekanntes
22 bestehenden Immunisierung gegen Alloantigene des Spenders. Antigen erforderlich ist. Wie in . Abb. 12.9 dargestellt, kommt
Anders als bei der hyperakuten Abstoßung liegen zwar keine ho- es im Verlauf einer akuten Abstoßung eines Nierentransplantats
hen Titer komplementaktivierender Antikörper im Serum vor, zu einer Einwanderung von mononucleären Zellen, insbesondere
23 aber das adaptive Immunsystem verfügt noch über Gedächtnis- von T-Zellen (CD4+ und CD8+), aber auch Makrophagen, in das
zellen und reagiert gegen die bereits bekannten Antigene. An der Epithelium der Tubuli. Wie bereits erwähnt, kann die Immuni-
beschleunigten Abstoßung sind mehrere Komponenten des Im- sierung bei der akuten Abstoßung gleich auf zwei Wegen erfol-
12.3 • Verhinderung der Abstoßung
185 12
.. Abb. 12.9 Leukocyteninfiltration bei akuter Absto
ßung. Dargestellt sind Tubuli einer gesunden Niere (a) und
einer Niere während einer akuten Abstoßungsreaktion (b).
Charakteristisch für eine akute Abstoßung sind mononucle-
äre Zellen, die in das Epithel einwandern (Pfeile). (Bilder
freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr.
Jürgen Flöge.)
8 DNA und RNA Ekser B, Cooper DKC (2008) Update: Cardiac Xenotransplantation. Curr Opin
Organ Transplant 13(5):531–535
Monoklonale OKT3 Bindet an CD3 und
Internetseiten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (www.dso.de)
Antikörper führt dadurch zum
9 Abbau von T-Zellen
Internetseiten von Eurotransplant (www.eurotransplant.org)
Internetseiten der HLA-Datenbank des European Bioinformatics Institute (www.
Anti-CD52 (Alemtu- Verursacht komple- ebi.ac.uk/imgt/hla/)
10 zumab) mentvermittelte Lyse
von CD52+-Zellen,
Millington TM, Madsen JC (2009) Innate Immunity in heart transplantation. Curr
Opin Organ Transplant 14(5):571–576
hauptsächlich Lym- Robinson J, Waller MJ, Parham P, de Groot N, Bontrop R, Kennedy LJ, Stoehr
11 phocyten P, Marsh SGE (2003) IMGT/HLA and IMGT/MHC: sequence databases for
the study of the major histocompatibility complex. Nucleic Acids Res
Basiliximab Blockieren die
31:311–314
12 Daclizumab α-Kette des IL-2-Re-
zeptors (CD25) und
Sanchez-Fueyo A, Strom TB (2011) Immunologic Basis of Graft Rejection and
Tolerance Following Transplantation of Liver and Other Solid Organs. Gast-
dadurch die Bindung
roenterology 140:51–64
13 von IL-2
Scherer MN, Banas B, Mantouvalou K, Schnitzbauer A, Obed A, Krämer BK,
Polyklonale Anti- Antiseren gegen Führen zum Abbau Schlitt HJ (2007) Current concepts and perspectives of immunosuppres-
sion in organ transplantation. Langenbecks Arch Surg 392:511–523
14 körper Thymocyten oder
Lymphocyten
der Zellen, gegen die
sie gerichtet sind
Psychoneuroimmunologie
Hajo Haase
Das Gehirn gehört zu den immunprivilegierten Organen. Nor- Generell gilt, dass akuter Stress das Immunsystem stimuliert, in-
1 malerweise sind Immunsystem und ZNS (Zentralnervensystem) dem zum Beispiel die Anzahl von NK-Zellen im Blut ansteigt. Im
voneinander durch die Blut-Hirn-Schranke getrennt. Wenn diese Gegensatz dazu wirkt chronischer Stress immunsupprimierend,
2 Barriere bei Autoimmunerkrankungen, wie der Multiplen Skle führt zu verminderten Zahlen von B-, T- und NK-Zellen, redu-
rose, oder bei Infektionen, wie einer bakteriellen Meningitis, zierter Lymphocytenproliferation nach Kontakt mit Mitogenen
geschädigt wird, kann es natürlich durch eine Immunreaktion und erniedrigter Aktivität der NK-Zellen.
3 zu einer Beeinträchtigung des ZNS kommen. Davon abgesehen
sollte man aber erwarten, dass sich Immunsystem und ZNS nicht
4 maßgeblich beeinflussen können. In der Realität ist aber genau Kommunikation zwischen ZNS
das der Fall: Monocyten und Makrophagen sind in der Lage, die und Immunsystem
5 Blut-Hirn-Schranke auch bei Gesunden zu durchqueren, und
auch T-Zellen können in das ZNS einwandern, wenn auch meist Es gibt zwei Mechanismen, über die das ZNS durch efferente, also
nur für wenige Stunden. von ihm weg führende, Signale mit dem Immunsystem kommu-
6 Ein interessantes Beispiel für die Interaktion von Immun- nizieren kann (. Abb. 13.1). Zum einen durch die systemische
system und ZNS ist die Rolle von T-Zellen bei Lernprozessen. Freisetzung von Stresshormonen und zum anderen durch direkte
7 RAG-1/-2-defiziente Mäuse, die aufgrund fehlender Proteine Nervenbahnen (Axone) in immunologisch relevante Organe. Der
für die somatische Rekombination ihrer Antigenrezeptoren zentrale Mechanismus, durch den der Körper auf Stress reagiert,
keine reifen B- und T-Zellen bilden können, lernen schlechter. ist die sogenannte HPA-Achse. Sie besteht aus dem Hypothala-
8 Im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen schneiden sie bei einem Test, mus (H), der Hypophyse (P, pituitary gland) und der Nebenniere
bei dem die Tiere in mehreren Versuchen lernen, schwimmend (A, adrenal gland). Der Hypothalamus bildet das Hormon CRH.
9 eine unter der Wasseroberfläche befindliche Plattform wieder Dieses Hormon stimuliert die Hypophyse zur Ausschüttung von
zufinden, deutlich schlechter ab. Noch erstaunlicher ist, dass ACTH (Adrenocorticotropes Hormon). Das ACTH wiederum
10 T-Zell-defiziente Mäuse schneller und besser lernen, wenn ihnen führt in der Nebennierenrinde zur Produktion und Freisetzung
drei Wochen vor dem Test T-Zellen von Wildtyp-Mäusen inji- von Glucocorticoiden. Glucocorticoide, wie das Cortisol, sind
ziert werden. Es ist noch vollkommen unklar, auf welche Weise nicht nur wichtige Botenstoffe für die Regulation des Metabolis-
11 T-Zellen Lernprozesse beeinflussen können. Trotzdem scheint mus bei Stress, sie haben auch zahlreiche Einflusse auf Zellen des
das adaptive Immunsystem das Lernen zu fördern. Immunsystems (. Tab. 13.1) und werden therapeutisch seit Jahr-
12 Es gibt zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen Immunsystem zehnten zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen eingesetzt.
und ZNS. Beide können lernen und Informationen speichern. Glucocorticoide unterdrücken die IL-12-Produktion der
Außerdem können sie praktisch jede Stelle des Körpers errei- APC. Zusätzlich verstärken sie die Produktion von IL-4, IL-10
13 chen. Darüber hinaus verwenden beide Systeme das Prinzip und IL-13 der TH2-Zellen. Zusammengenommen verschieben
der Synapse. Hier kommunizieren Zellen durch die gerichtete diese Effekte die T-Helferzell-Balance in Richtung einer TH2-Ant-
14 Freisetzung chemischer Mediatoren an einer Kontaktstelle. Sie wort.
benutzen teilweise sogar die gleichen Mediatoren zur Kommu- Eine Schwächung der HPA-Achse trägt aufgrund mangelnder
15 nikation. T-Zellen produzieren Substanzen wie das CRH (cor- Negativregulation zu autoimmunen und atopischen Erkrankun-
ticotropin-releasing hormone), Arginin-Vasopressin und Prolac- gen, wie rheumatoider Arthritis, SLE, allergischem Asthma oder
tin, die zur Kommunikation zwischen Zellen des ZNS dienen. atopischer Dermatitis, bei. Durch chirurgische oder pharmako-
16 Immunzellen haben auch Rezeptoren für Neurotransmitter und logische Eingriffe in die HPA-Achse konnte im Tiermodell ein
Neuropeptide. Im Gegenzug sind Moleküle, die als Bestandteile Einfluss auf Autoimmunerkrankungen und Entzündungsreakti-
17 des Immunsystems gelten, wie MHC-Moleküle und die β-Kette onen nachgewiesen werden. Eine Entfernung der Nebennieren
des TCR, an der neuronalen Entwicklung beteiligt. Überdies ist verhindert die Produktion von Glucocorticoiden. Unter Bedin-
der NK-Zell-Marker CD56 auch unter dem Namen NCAM1 gungen, bei denen nach einer Infektion mit Salmonella typhi-
18 (neural cell adhesion molecule 1) bekannt. Es gibt also zahlrei- murium in etwa die Hälfte der normalen Ratten nicht überlebte,
che Schnittstellen, die eine Kommunikation zwischen Immun- starben hingegen alle Tiere ohne Nebenniere. Ähnliche Beob-
19 system und ZNS ermöglichen. In den folgenden Abschnitten achtungen wurden auch in Mäusen gemacht, die mit MCMV
wird die gegenseitige Beeinflussung von ZNS und Immunsys- (murines Cytomegalovirus) infiziert wurden. Dies wurde durch
20 tem bei Stress, Schizophrenie und Depressionen diskutiert. die Verabreichung von Glucocorticoiden wieder ausgeglichen.
Abschließend wird auf die Möglichkeit der Modulierung des Das Fehlen der HPA-Achse als Feedback-Mechanismus zur Be-
Immunsystems durch Konditionierung und den Placebo-Effekt grenzung der Entzündungsreaktion führte in diesen Beispielen
21 eingegangen. zum septischen Schock.
Zusätzlich zur hormonellen Regulation ist das Gehirn über
22 das vegetative Nervensystem mit den primären und sekundären
13.1 Das Immunsystem im Stress lymphatischen Organen wie Knochenmark, Thymus, Lymph-
knoten und Milz verbunden. Es gibt aber auch direkte Verbin-
23 Die Beobachtung, dass chronischer Stress latente Virusinfektionen dungen zu den Orten, an denen Infektionen normalerweise
wieder ausbrechen lässt (beispielsweise Herpes), deutet an, dass stattfinden, beispielsweise die Haut. Dabei werden von den Ner-
das ZNS einen Einfluss auf die Immunfunktion nehmen kann. venzellen die Catecholamine Noradrenalin und Adrenalin frei-
13.1 • Das Immunsystem im Stress
189 13
Ansatzpunkt Wirkung
CRH
Cytokine Vermindern die Produktion von IL-1,
IL-2, IL-6, IL-8, IL-11, IL-12, TNF-α, IFN-γ,
ACTH G-CSF
In beiden Fällen nehmen die Erkrankungen einen chronischen Krankheitsverlauf haben (▶ Exkurs 13.1). Dies ist bisher nicht
Verlauf mit akuten Krankheitsschüben. Eine Assoziation zwi- intensiv untersucht worden. Es gibt aber bereits ein Beispiel für
schen dem Auftreten autoimmuner Krankheiten und Schizo- die mögliche Wirksamkeit einer immunbasierten Therapie. Az-
phrenie, die auf gemeinsame auslösende Faktoren hindeuten athioprin ist ein immunsuppressives Medikament, das bei Or-
würde, wurde aber bislang nicht nachgewiesen. Die Wahr- gantransplantationen und einer Reihe von Autoimmunerkran-
scheinlichkeit, an rheumatoider Arthritis zu erkranken, ist für kungen eingesetzt wird. Eine Behandlung mit Azathioprin hat,
Schizophrene sogar geringer. T-Zellen schizophrener Patienten zumindest bei kurzzeitiger Anwendung, die Symptome eines
zeigen nach Stimulierung eine geringere Produktion von IFN-γ. Teils der schizophrenen Patienten verbessert.
Aufgrund der Rolle von IFN-γ in der rheumatoiden Arthritis Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass Schizophrenie eine
könnte eine verminderte Produktion dieses Cytokins das bereits Autoimmunerkrankung ist, bei der Entzündung und ein ge-
erwähnte reduzierte Auftreten dieser Erkrankung bei Schizo- zielter Angriff des adaptiven Immunsystems zu Neurodegene-
phrenen erklären. ration führen. Allerdings könnte bei einem Teil der Patienten
Zusätzlich werden in schizophrenen Patienten Veränderun- mit Schizophrenie trotzdem eine autoimmune Ursache vorlie-
gen mehrerer immunologischer Parameter beobachtet. Einige gen. Eine Hypothese, die gut zu den im Moment existierenden
HLA-Haplotypen und ein SNP (single nucleotide polymorphism) Untersuchungen passt, geht von Autoantikörpern aus, die bei
im Gen für CTLA-4 weisen Assoziationen mit einer veränder- Personen mit beeinträchtigter Blut-Hirn-Schranke ins ZNS ge-
ten Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Schizophrenie langen und dort mit Neurotransmittern oder deren Rezeptoren
auf. interagieren. Dadurch greifen sie in die Signalübertragung an
Bei der Mehrheit der schizophrenen Patienten gibt es keine Synapsen ein, was sich als Schizophrenie manifestiert. Dazu
Hinweise auf eine entzündliche Infiltration des ZNS durch mo- passt, dass Autoantikörper im Blut einiger schizophrener Pati-
nonucleäre Zellen, auch wenn in einigen Fällen aktivierte Lym- enten gefunden wurden, die gegen den muscarinischen M1-Ac-
phocyten in der Cerebrospinalflüssigkeit nachgewiesen werden etylcholinrezeptor gerichtet waren, einer von mehreren Neuro
konnten. In Autopsiematerial wurde post mortem bei einem Teil transmitterrezeptoren für die eine Beteiligung an Schizophrenie
der Patienten eine Aktivierung von Mikroglia und eine Beein- vermutet wird.
trächtigung der Blut-Hirn-Schranke gefunden. Veränderungen
gibt es auch auf Ebene der Cytokine. In den Seren von Schizo-
phrenen wurden höhere IL-6-Spiegel gefunden. Insbesondere 13.4 Placebo-Effekt und Konditionierung
ist IL-6 bei akut psychotischen Patienten erhöht und normali-
siert sich beim Nachlassen der Symptome wieder. IL-6 ist da- Anekdoten berichten von Allergikern mit Heuschnupfen, bei
für bekannt, im Rahmen autoimmuner Erkrankungen des ZNS denen angeblich bereits das Bild einer Sommerwiese ausrei-
eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke zu verursachen und chen soll, um Allergiesymptome hervorzurufen. Während sol-
IgG-Synthese durch B-Zellen auszulösen. che spektakulären Effekte erst einmal durch empirische Studien
Verschiedene Studien über Autoantikörper in schizophre- abgesichert werden müssten, haben wir oben aber bereits gese-
nen Patienten berichten entweder von keinem Unterschied zu hen, dass das ZNS die Immunreaktion durch die HPA-Achse
gesunden Kontrollen, dem Vorhandensein allgemein erhöhter und direkte Nervenverbindungen beeinflussen kann. Daher soll
Mengen von Autoantikörpern oder sogar Autoantikörpern zum Abschluss des Kapitels über Psychoneuroimmunologie der
gegen ZNS-spezifische Strukturen. Bemerkenswerterweise Frage nachgegangen werden, ob die bewusste Vorstellung einer
wurden antinucleäre Autoantikörper zwar häufiger bei schizo- Situation oder eine Konditionierung über diese Wege tatsäch-
phrenen Patienten gefunden, nicht aber vor Beginn der Medi- lich messbare Veränderungen der Immunreaktion auf zellulärer
kation. Auch der auf diesen Antikörpern basierende SLE tritt Ebene hervorrufen kann.
bei Schizophrenen überdurchschnittlich häufig auf. Dies ist al- Der Placebo-Effekt beschreibt die Tatsache, dass die Wir-
lerdings eine Nebenwirkung der medikamentösen Behandlung kung einer Behandlung bei einem Patienten beobachtet wer-
und kein Hinweis auf eine erhöhte Neigung zu Autoimmuner- den kann, wenn dieser nur daran glaubt, eine Behandlung
krankungen. habe stattgefunden, auch wenn dies in Wirklichkeit gar nicht
Bei einer auf Autoantikörpern basierenden Krankheit der Fall war. Ein bekanntes Beispiel ist die Gabe eines angebli-
müsste es theoretisch möglich sein, durch die Übertragung von chen Medikaments, in dem aber kein Wirkstoff vorhanden ist.
Immunglobulinen schizophrener Spender beim Empfänger die Auch zahlreiche immunologische Erkrankungen sprechen auf
entsprechenden Krankheitssymptome auszulösen. Bereits in den Placebos an, darunter Psoriasis, eine T-Zell-vermittelte Autoim-
1960er-Jahren wurden Immunglobuline aus dem Serum schizo- munerkrankung, die in besonderem Maße durch Stress ausge-
phrener Patienten isoliert, die gerade an einer aktiven Psychose löst wird. Eine Studie zeigte sogar, dass zur Verbesserung der
litten. Die intravenöse Gabe dieses Immunglobulins in Maka- Symptome eine Hypnose ausreichte, bei der den Patienten sug-
kenaffen führte zu Veränderungen im EEG (Elektroencepha- geriert wurde, sie seien einer Therapie ausgesetzt gewesen. Der
logramm), die denen einer aktiven Psychose bei Schizophrenie Mechanismus basiert vermutlich auf in der Haut freigesetzten
vergleichbar waren. Darüber hinaus löste eine Anwendung bei Neuropeptiden, die die Aktivität von T-Zellen und Mastzellen
freiwilligen Probanden Schizophreniesymptome aus. modulieren.
Wenn das Immunsystem zur Entstehung von Schizophrenie Bei der Konditionierung gibt es zwei Reize: Ein physiologisch
beiträgt, sollte eine Immunmodulation einen Einfluss auf den wirksamer Stimulus, der eine biologische Reaktion hervorruft,
192 Kapitel 13 • Psychoneuroimmunologie
die nicht erlernt werden muss, ist ein sogenannter unkonditio- der Leukocyten durch den KS protektiv gegen die Infektion mit
nierter Stimulus (UKS). Dazu gibt es einen anderen, physiolo- einem anderen Erreger.
gisch neutralen Reiz. In unseren Beispielen hat dieser Stimulus Trotz der beeindruckenden Effekte wurden diese Arbeiten
zunächst keine Wirkung auf das Immunsystem. In einer Lern- nur in geringem Umfang weiterverfolgt und gerieten weitge-
phase wird ein Versuchstier oder ein Proband, üblicherweise hend in Vergessenheit. Dies änderte sich, als 1975 Ader und
mehrfach, gleichzeitig beiden Reizen ausgesetzt, die dabei im Cohen einen Einfluss der Konditionierung auf die Antikörper-
ZNS miteinander verknüpft werden. Im Laufe der Konditionie- produktion nachweisen konnten. Sie arbeiteten damals mit Rat-
rung wird der biologische Effekt des UKS auf den neutralen Sti- ten, bei denen eine Verknüpfung von UKS und KS besonders
mulus übertragen, sodass am Ende alleine die Wahrnehmung des schnell vonstattengeht. In manchen Fällen reicht bereits eine
neutralen Reizes ausreicht, um die biologische Wirkung auszu- gemeinsame Exposition aus, um eine Konditionierung hervor-
lösen. Er wird dadurch zu einem konditionierten Stimulus (KS), zurufen. Als neutraler Stimulus wird in den modernen Expe-
durch den die biologische Reaktion abgerufen werden kann. Das rimenten häufig ein ungewöhnlicher Geschmack oder Geruch
bekannteste Beispiel sind sicherlich die Experimente mit Hun- verwendet.
den, in denen Iwan Pawlow den durch Nahrung (UKS) ausgelös- In ihren Experimenten injizierten die Forscher eine übelkei-
ten Speichelfluss durch Konditionierung mit einem akustischen terregende Substanz (Cyclophosphamid) als UKS, die mit dem
Signal (KS) verband. Süßstoff Saccharin im Trinkwasser kombiniert wurde. Bereits
Eine Reihe von interessanten Experimenten hat gezeigt, dass nach einer Kombination tranken die Ratten weniger, da sie den
auch Reaktionen von Substanzen, die das Immunsystem beein- Geschmack (KS) mit der Übelkeit (UKS) verknüpft hatten. Eine
flussen, durch Konditionierung auf einen KS übertragen werden Zufallsbeobachtung war, dass einige konditionierte Ratten an ge-
können. Dabei wird ein neutraler Stimulus mit einer immunmo- wöhnlichen Infektionen verstarben und dies mit der Stärke ihrer
dulierenden Behandlung kombiniert (. Abb. 13.4). Die durch Konditionierung zusammenzuhängen schien. Cyclophosphamid
den UKS verursachte Immunsuppression oder -aktivierung kann wirkt nicht nur übelkeiterregend, sondern auch immunsuppres-
danach alleine durch einen KS ausgelöst werden. siv, und die Forscher stellten in weiteren Experimenten fest, dass
Bereits in den 1920er-Jahren wurde in ersten Experimen- die Ratten nicht nur eine Abneigung gegen den Geschmack des
ten zur Konditionierung des Immunsystems Meerschweinchen KS entwickelt hatten, sondern dass der KS auch zu einer Vermin-
abgetötetes Bacillus anthracoides injiziert. Dies wirkt als UKS derung der Antikörperproduktion nach Injektion eines Antigens
und führt zur Mobilisierung von Leukocyten in die Zirkulation. führte. Dies war der Startpunkt für Untersuchungen einer Kon-
Wurde die Behandlung mit einem KS verknüpft, in diesem Fall ditionierung der Immunreaktion.
einer Stimulierung der Haut durch Kratzen oder einen warmen Eine ähnliche Beobachtung konnte auch beim Menschen
Metallgegenstand, kam es nach 10–20 Durchgängen zu einer gemacht werden. Cyclophosphamid wird in der Chemotherapie
Konditionierung. Danach reichte bereits der KS alleine aus, um von Krebserkrankungen eingesetzt. Nach wiederholter Gabe des
eine Leukocytenmobilisierung zu erreichen. Mehr noch, wenn Medikaments, das in Zyklen im Abstand von mehreren Wochen
die konditionierten Tiere den KS im Zusammenhang mit einer verabreicht wird, wurden einige Tage vor der Chemotherapie
Infektion mit Cholera bekamen, war die Überlebensrate höher Blutproben genommen. Sie wurden mit Blutproben verglichen,
als in nicht konditionierten Tieren. Hier wirkte die Mobilisierung die im Krankenhaus direkt vor der Gabe der Chemotherapie
194 Kapitel 13 • Psychoneuroimmunologie
UKS +
1 NS UKS NS(→KS)
Lern- z. B.
NS/KS
phase Geschmack
2 kein Effekt Effekt
Effekt Cytokine
3 NS NS KS
z. B.
Abruf- UKS TH
Cyclosporin A
4 phase
kein kein Effekt Neuro-
Effekt Effekt mediatoren
5 .. Abb. 13.4 Konditionierung des Immunsystems. Linke Seite: Treffen in einer sogenannten Lernphase ein neutraler Stimulus (NS) und eine Substanz mit
immunmodulierender Wirkung (unkonditionierter Stimulus, UKS) zusammen im Körper ein, kann es im ZNS zu einer Verbindung kommen. Später, in der Ab-
6
rufphase, kann durch einen Konditionierung genannten Vorgang der biologische Effekt des UKS auch durch den zuvor neutralen Stimulus ausgelöst werden,
der zum konditionierten Stimulus (KS) wurde. Rechte Seite: Für eine Konditionierung muss das ZNS die Immunmodulation wahrnehmen. Im hier gezeigten
Beispiel wird die durch Cyclosporin A induzierte Hemmung von T-Zellen gezeigt. Auch wenn der genaue Mechanismus für diese Vorgänge weitgehend un-
7 bekannt ist, wird angenommen, dass die afferente Kommunikation über Veränderungen der humoralen Signale (Cytokine) und das vegetative Nervensystem
abläuft
Immungerontologie
Lothar Rink
Die Immungerontologie oder das Immunsystem des alten Men Gerontologe eingeführt, der ein Protokoll aufgestellt hat, das ge
1 schen bekommt in unserer älter werdenden Gesellschaft eine sunde alte Menschen definiert. Diese Definition war nötig, da wir
immer größere Bedeutung (. Abb. 14.1). Wie bei allen Organ bis heute, im Gegensatz zur Kinderheilkunde, keine spezifischen
2 systemen nimmt auch beim Immunsystem die Leistung im ho Werte für Laborparameter von alten Menschen haben, obwohl
hen Alter ab, man nennt dies Immunseneszenz, also die Alters wissenschaftlich eindeutig gezeigt wurde, dass sich viele Werte
schwäche des Immunsystems. Das Immunsystem unterliegt das im hohen Alter ohne Erkrankung verändern. Die „normalen al
3 ganze Leben über sehr dynamischen Prozessen und verändert ten Menschen“, d. h. der durchschnittliche alte Mensch mit allen
sich. Zwei wesentliche Einflussgrößen sind dabei das Alter und Begleiterkrankungen, die ihrerseits auch wieder auf das Immun
4 das Geschlecht, gegen die wir nichts machen können, während system einen Einfluss haben, ist gegenüber den SENIEUR-Alten
wir andere Faktoren, die in ▶ Kap. 15 besprochen werden, durch nicht gesund, aber eher der medizinische Normalfall. Zunächst
5 aus aktiv beeinflussen können. Die Funktionalität des Immun sollen, wie in den einleitenden Kapiteln, die verschiedenen Teile
systems im Alter steht dabei in einer direkten Beziehung zum des Immunsystems und deren Veränderungen im Alter separat
allgemeinen Wohlbefinden und zur Lebenserwartung. Untersu besprochen und dann deren Auswirkungen auf Erkrankungen
6 chungen an über 100-jährigen, sogenannten Centenarians, haben zusammengefasst werden.
gezeigt, dass diese ein wesentlich funktionsfähigeres Immunsys
7 tem haben als der durchschnittliche alte Mensch.
Schwedischen Forschern ist es auch gelungen, in einer 14.1 Angeborenes Immunsystem im Alter
Langzeitstudie, in der man seit 1989 über 80-jährige Menschen
8 beobachtet und regelmäßig untersucht, einen sogenannten Im Zum angeborenen Immunsystem gehören die Barrierefunkti
munrisikophänotyp (IRP) zu definieren. Anhand dieses IRP onen von Haut und Schleimhaut als erster Schutzwall. Bereits
9 kann man zwar noch nicht in jungen Jahren die Lebenserwar dieser ist bei den alten Menschen gestört. Die Haut wird dün
tung voraussagen, man sieht aber bereits ca. ein Jahr im Vo ner und trockener, sodass die physikalische Barrierefunktion
10 raus, wenn das Immunsystem sich charakteristisch verändert abnimmt. Auf der trockenen Haut kommen zudem weniger
und seine Funktionalität so stark abnimmt, dass das Leben zu der fettlöslichen Defensine als antimikrobielle Barriere vor.
Ende geht. Im Alltag wird der Zusammenhang zwischen Alter Die Schleimhäute verlieren ebenfalls an Feuchtigkeit, was wie
11 und schwächer werdendem Immunsystem aber lange vorher derum die Besiedlung durch Erreger fördert. Ein besonderes
deutlich, da mit dem Alter die Anzahl von Infektionen und Problem bei alten Menschen stellen Pneumonien (Lungenent
12 Krebserkrankungen stark zunimmt. So steigt die durch Infek zündungen) dar. Durch die abnehmende Cilientätigkeit können
tionskrankheiten verursachte Sterberate ab dem 50. Lebensjahr Erreger schlechter aus der Lunge heraustransportiert werden.
stetig an und liegt ab dem 80. Lebensjahr beim 10-Fachen von Verstärkt wird dies durch den abnehmenden Hustenreflex im
13 jungen Erwachsenen. Bei Frauen beginnt die Zunahme erst nach Alter. Darm- und Blaseninfektionen nehmen ebenfalls zu, da im
der Menopause (Wechseljahre). Ab 75 Jahren gibt es keinen Un Magen eine Anazidität, d. h. eine verminderte Säureproduktion,
14 terschied mehr zwischen den Häufigkeiten bei Männern und herrscht und so weniger Erreger als durch den normalen sauren
Frauen (. Abb. 14.2). pH-Wert abgetötet werden. In der Blase können sich die Erreger
15 Da sich das Älterwerden nicht aufhalten lässt, kann man aufgrund der verminderten Diurese (weniger Urinproduktion)
nur über andere Einflussgrößen wie z. B. Ernährung und Sport besser anheften, da sie nicht mehr so effektiv herausgespült wer
(▶ Kap. 15) einen positiven Einfluss auf das Immunsystem neh den. Insgesamt haben die alten Menschen damit einen viel ge
16 men und auf diese Weise sein biologisches Alter verändern, ringeren Schwellenwert für Erreger, da die erste Barriere weniger
d. h. die Alterungsprozesse auf zellulärer Ebene verlangsamen. funktionell ist.
17 Das Ziel der modernen Immungerontologie ist dabei nicht das Das Komplementsystem ist relativ unbeeinflusst, solange
ewige Leben, da die optimale Lebenserwartung beim Menschen keine Leberschädigung vorliegt. Einige Faktoren liegen sogar,
nicht wesentlich über 120 Jahre liegt (▶ Exkurs 14.1). Eine Liste wie verschiedene Akute-Phase-Proteine, in höherer Konzentra
18 der ältesten Menschen der Welt zeigt, dass diese zwischen 118– tion vor, was auf einen chronischen Entzündungsprozess, der
122 Jahre alt werden. Ziel ist es vielmehr, das Immunsystem so zu inflammaging genannt wird, zurückzuführen ist. Dies wird bei
19 beeinflussen, dass es eine Kapazität wie das der Centenarians hat den Veränderungen der Immunregulation näher besprochen.
und so ein gesundes Leben im hohen Alter, aber kein Leben über Die Veränderungen auf zellulärer Ebene sind wesentlich
20 die persönlichen biologischen Grenzen hinaus möglich ist. Die gravierender und werden für die jeweiligen Zellen einzeln be
meisten Centenarians sterben bereits weit vor der obigen maxi sprochen.
malen Lebenserwartung mit 104–106 Jahren, dies aber ohne eine
21 lange Krankheitsgeschichte. Es geht darum, die Veränderungen
des Immunsystems bei gesunden alten Menschen zu verstehen, Granulocyten
22 also Veränderungen wie bei den Centenarians, die aufgrund des
zunehmenden Alters nicht zu verändern sind. Dem gegenüber Die Anzahl von Granulocyten im Blut bleibt im Alter nahezu
stehen große Veränderungen bei den meisten alten Menschen, unverändert, teilweise steigt die Anzahl der neutrophilen Gra
23 die auf anderen Ursachen beruhen. Im Folgenden werden des nulocyten sogar an. Für Mastzellen sind die Daten aufgrund we
halb SENIEUR-Alte von „normalen alten Menschen“ unter niger Studien noch widersprüchlich. Funktionell sind die Abwei
schieden. Den Begriff „SENIEUR-Alte“ hat ein niederländischer chungen bei den Granulocyten jedoch erheblich (. Abb. 14.3).
14.2 • Antigenpräsentierende Zellen
199 14
1 Frauen
Menopause
Centena
2 Pubertät
Immunkapazität
rians
Männer
no
rm
3 Im
mu
ng
ale
Alt
es e
ch
wä
4 ch
te
Frühgeborene
5 0 3 12 2 4 15 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Monate Jahre
Alter
6
.. Abb. 14.2 Veränderungen der Immunkapazität im Laufe des Lebens. Die Immunkapazität eines Individuums ist die Gesamtheit der Mechanismen, die
zur Immunantwort beitragen. Bei den Säuglingen muss sich das erworbene Immunsystem erst richtig entwickeln, weshalb das angeborene Immunsystem
7 (braun hinterlegt) die dominante Rolle hat. In der Kindheitsphase reift das erworbene Immunsystem aus, deshalb besteht in dieser TH2-dominierten Phase
(türkis hinterlegt) der Immunantwort noch eine verminderte Immunkapazität. Diese spiegelt sich in vielen Infektionen und anderen Krankheitsverläufen wider,
während die Immunpathologien bei den Erwachsenen ausgeprägter sind, da es eine verstärkte TH1-Antwort gibt (grün hinterlegt). Besonders deutlich wird
8 dies bei Frühgeborenen, die mit einem unausgereiften Immunsystem zur Welt kommen. Spätestens mit der Pubertät ist das Immunsystem ausgereift und
verändert sich jetzt durch den Einfluss der Sexualhormone. Frauen haben insgesamt eine etwas höhere Immunkapazität. Ab dem 60.–65. Lebensjahr nimmt
9
die Immunkapazität stetig ab, bei normalen alten Menschen jedoch viel stärker als bei Centenarians, was die geringere Lebenserwartung widerspiegelt. Das
Immunsystem wechselt dabei auch wieder von einer TH1-dominierten zu einer TH2-dominierten Immunantwort. Stark immundefiziente Menschen erreichen
nie eine normale Immunkapazität und zeigen eine vorzeitige Alterung des Immunsystems
G-CSF, IL-1
haben zudem eine verminderte Kapazität zur Phagocytose
Inhibition der Apoptose
und intrazellulären Abtötung. Gleichzeitig kommt es zu
8
IL-
G-
einem verstärkten Verbrauch, da die Nachbildung nicht ad-
CS
F
äquat angeregt werden kann. Normale Aktivitäten in grün,
altersbedingte Veränderungen in rot vermehrte Differenzierung
Chemotaxis
zu PMN
myeloische
Vorläuferzelle
F
G-CS
G-CSF, IL-1
Hemmung der Apoptose ↓
8
IL-
G-
CS
F
Differenzierung
Chemotaxis ↓ zu PMN ↓
myeloische
Vorläuferzelle
Immunantwort resultieren eher aus Defiziten bei den T-Zellen das Thymusgewebe mehr und mehr durch Fettgewebe ersetzt.
und Veränderungen bei der Zellkommunikation (. Abb. 14.4). Heute wissen wir aus Studien an Centenarians, dass der Thymus
durchaus zeitlebens eine Restaktivität hat, während man früher
dachte, dass dieser seine Funktion vollkommen einstellt. Die De
14.3 Das T-Zell-System im Alter generation des Thymus wird dabei durch die Sexualhormone und
ROS gefördert, während einige Cytokine wie z. B. IL-7 der De
Die Beeinträchtigung der T-Zell-Funktionen im Alter war eine generation entgegenwirken und diese experimentell sogar revi
der ersten Beobachtungen der Immungerontologie. Kein anderer dieren können. Die Produktion von IL-7 nimmt mit steigendem
Zelltyp ist im Alter in seinen Funktionen so stark eingeschränkt Alter ab. Kinder haben den größten und aktivsten Thymus, und
wie die T-Zellen. Die daraus resultierenden Probleme werden ab der Pubertät setzt die Degeneration ein, wobei Testosteron
häufig mit einer HIV-Infektion, als Modell einer vorzeitigen einen stärkeren Einfluss hat als die weiblichen Sexualhormone.
Alterung des Immunsystems, verglichen. Bereits früh erkann Im Alter schlägt sich dies dann auch auf die T-Zell-Zahl nieder,
ten Anatomen, dass der Thymus, als Quelle naiver T-Zellen, die im Gegensatz zu den Zellen des angeborenen Immunsystems
mit dem Alter degeneriert. Ab der dritten Lebensdekade wird mit dem Alter abnimmt. Hierbei muss man aufpassen, da es in
202 Kapitel 14 • Immungerontologie
IL-
möglich Aktivierung über TCR ↓ tion vermindert, sodass die Proliferationsrate geringer ist
2
↓
CD28– und die aktivierungsinduzierte Apoptose zunimmt. Dies
3 führt zu einer schlechteren Immunantwort. Altersbedingte
IL-2-induzierte Veränderungen in rot
↓
4 Aktivierung IL-2
Proliferation ↓,
Apoptose ↑
keine über TCR ↓
5 Abtötung
IL-2-induzierte Proliferation ↓,
Aktivierung ↓, Apoptose ↑
6 Abtötung ↓
7
älterer Literatur durchaus andere Angaben gibt, weil dort noch dessen Liganden. Außerdem wird mehr proapoptotisches Bax
8 CD2 zur Bestimmung der T-Zellen verwendet wurde, das aber und weniger antiapoptotisches Bcl-2 und p53 exprimiert. Die
auch auf den im Alter ansteigenden NK-Zellen exprimiert wird. gesteigerte Apoptose ist bei den naiven T-Zellen alter Menschen
9 Verwendet man den spezifischen Marker CD3, so nehmen die besonders ausgeprägt.
T-Zellen sowohl absolut als auch prozentual ab. Die Aktivität des Das Problem im T-Zell-System wird aber noch dadurch ver
10 Thymus kann man heutzutage molekularbiologisch bestimmen, stärkt, dass im Alter der Anteil von CD28−-T-Zellen zunimmt.
indem man den Anteil der T-Zellen bestimmt, die einen TREC Diesen Zellen fehlt das wichtigste costimulierende Signal für die
(TCR rearrangement excision circle, ▶ Kap. 6) enthalten. TREC T-Zell-Aktivierung und sie sind deshalb anerg. Des Weiteren
11 kommen nur in den im Thymus neu entstandenen T-Zellen vor fehlt diesen Zellen der CD40L, womit die CD28−-T-Zellen we
und nicht in den daraus entstandenen Tochterzellen. Der Anteil der über APC aktiviert werden können noch diese vernünftig
12 der TREC-positiven T-Zellen an allen T-Zellen ist damit ein Maß stimulieren. Bei den CD28−-T-Zellen handelt es sich um ein
für die Aktivität des Thymus. zelne T-Zell-Klone, die sehr langlebig sind und expandieren.
Der Abfall der T-Zellen ist bei den CD8+-T-Zellen ausge Die nicht funktionellen T-Zell-Klone sind mehrheitlich CD8+
13 prägter als bei den CD4+-T-Zellen, wodurch im Alter der CD4/ und entsprechen den monoklonalen Gammopathien unklarer
CD8-Quotient steigt. Dies bedingt eine höhere Anfälligkeit für Signifikanz bei den B-Zellen (s. u.). Diese Zellen nehmen aber
14 virale Infektionen. Wie zu erwarten, steigt auch mit dem Alter die Platz für normale T-Zellen weg, sodass der Anteil funktioneller
Anzahl der T-Gedächtniszellen (CD45R0+) an, während die An T-Zellen im Alter noch wesentlich geringer ist, als es die Ernied
15 zahl von naiven T-Zellen (CD45RA+) abnimmt. Damit können rigung der T-Zell-Zahl vermuten lässt. Das Überleben der nicht
alte Menschen schlechter auf neue Antigene reagieren, während funktionellen Zellen wird dadurch ermöglicht, dass im Gegen
die Antwort auf bereits bekannte Antigene (Recall-Antigene) satz zur gestörten Signaltransduktion über TCR und CD3, die
16 nur unwesentlich beeinflusst ist. Funktionell sind die T-Zellen Signaltransduktion des IL-2-Rezeptors und von CD2 noch intakt
aber noch stärker betroffen als zahlenmäßig. Die T-Zellen al ist (. Abb. 14.4).
17 ter Menschen sind schlechter aktivierbar als die T-Zellen jun Neue Erkenntnisse zeigen, dass die Anzahl von Treg im Al
ger Menschen, was vor allem daran liegt, dass die T-Zellen alter ter zunimmt, was die schlechte Reaktion auf Erreger erklären
Menschen bereits chronisch aktiviert sind. So ist der Anteil von könnte, aber zunächst im Widerspruch zu der steigenden Rate
18 aktivierten T-Zellen (CD25+- oder HLA-DR+-T-Zellen) erhöht. an Autoimmunkrankheiten im Alter steht. Bedenkt man jedoch,
Diese schlechte Aktivierbarkeit resultiert in einer schlechteren dass die natürlichen (n)Treg zur Verhinderung von Autoimmun
19 T-Zell-Proliferation, die Proliferation ist jedoch eine wesentli krankheiten im Thymus entstehen und die induzierbaren (i)Treg
che Voraussetzung für eine T-Zell-Antwort. Demgegenüber ist, zur Immunregulation in der Peripherie, so kann man verstehen,
20 wie bei den Neutrophilen, die Apoptoserate der T-Zellen im dass man mit einer Abnahme der nTreg und Zunahme der iTreg
Alter erhöht. Die Mechanismen beruhen dabei wahrscheinlich beide Phänomene erklären kann.
auf einer ähnlichen Beeinträchtigung der Signaltransduktion
21 in diesen Zellen, sodass nicht genügend Überlebenssignale in
die Zellen gelangen. Dies gilt insbesondere für Signale über den 14.4 Die humorale Immunität im Alter
22 TCR, die stark eingeschränkt sind. Der Grund sind eine gerin
gere Phosphorylierung der ζ-Kette des CD3-Komplexes und eine Die humorale Immunität verschlechtert sich im Alter, was man
niedrigere Expression des Transkriptionsfaktors c-fos. Des Wei vor allem an schlechteren Impftitern beobachten kann. Die An
23 teren ist in den T-Zellen alter Menschen die Balance zwischen zahl der B-Zellen im Blut nimmt wie die der T-Zellen ab. Bei den
pro- und antiapoptotischen Proteinen und Signalen verschoben. B-Zellen sinkt die Produktion im Knochenmark durch einen frü
Die T-Zellen exprimieren stärker den Todesrezeptor CD95 und hen Differenzierungsstopp. Die Anzahl der B-Zellen in der Milz
14.5 • Steuerung der Immunantwort im Alter
203 14
.. Abb. 14.5 Gestörte B-Zell-Funktionen im Alter. Die
Anzahl unreifer B-Zellen nimmt im Alter ab und gleichzeitig
T-Zell-abhängige
B-Zell-Antwort ↓
die Anzahl von CD27+-Gedächtniszellen und nicht funktio-
B-Gedächtniszellen ↑ T-Zell-unabhängige
nellen langlebigen oder entarteten B-Zell-Klonen zu. Diese
IL-4 ↑ B-Zell-Antwort ↓
Klone können vermehrt Antikörper oder Autoantikörper
CD27+ CD27+ CD27+
produzieren. Durch die verminderte BCR-Signaltransduk-
tion sind die naiven B-Zellen schlecht aktivierbar. Bei der BCR-Signal ↓
antigenunabhängige
T-Zell-unabhängigen Aktivierung kommt hinzu, dass mem- membranstän-
Aktivierung ↑
branständiges IgM vermindert exprimiert wird, sodass die diges IgM ↓
Kreuzvernetzung auf der Oberfläche schwieriger ist. Dies
führt zu einer schlechteren Immunantwort. Altersbedingte
Veränderungen in rot
antigenspezifische
Immunantwort ↓
Antikörperproduktion ↑
langlebige B-Zell-Klone ↑ Autoantikörper ↑
Gammopathien ↑
bleibt aber unverändert, da diese langlebiger sind. Warum trotz auf einem Anstieg von IgG1–3 und IgA beruht, während die Spie
dem die T-Zell-unabhängige B-Zell-Antwort im Alter wesentlich gel von IgG4, IgE und IgM unverändert bleiben. Fatalerweise
schlechter wird, ist bis heute unklar, da eine verminderte Anzahl nimmt auch die Anzahl von Autoantikörpern mit dem Alter zu
von B-Zellen in der Marginalzone der Milz die Erklärung für die und damit die Inzidenz von Autoimmunkrankheiten. Organ
verschlechterte T-Zell-unabhängige B-Zell-Antwort in Kleinkin spezifische und nicht-organspezifische Autoimmunkrankheiten
dern ist. Allerdings ist die Expression von membranständigem nehmen dabei gleichermaßen mit dem Alter zu, wobei man bei
IgM bei alten Menschen vermindert, was eine schlechtere Akti SENIEUR-Alten und Centenarians nur nicht-organspezifische
vierung zum Teil erklären könnte. Autoantikörper findet.
Vergleichbar mit den T-Zellen findet man auch mehr B-Ge
dächtniszellen (CD27+/CD19+), wodurch sich mit steigendem
Alter das Antikörperrepertoire einschränkt. Dieses Problem wird 14.5 Steuerung der Immunantwort im Alter
noch verstärkt durch einzelne Zellklone, die sich stark vermehren
und nur einen Antikörper produzieren. In der Masse handelt es In ▶ Kap. 7 wurde die komplexe Steuerung der Immunantwort
sich dabei um sogenannte monoklonale Gammopathien un- über Cytokine und Adhäsionsmoleküle besprochen. Die verän
klarer Signifikanz (MGUS), während ein kleiner Teil maligne derte Expression einiger Adhäsionsmoleküle im Alter wurde be
B-Zell-Neoplasien darstellt. Bei etwa 38 % der alten Menschen reits bei den jeweiligen Zellen angesprochen, sodass nachfolgend
findet man monoklonale Gammopathien, während man diese nur auf die Veränderungen der Cytokinproduktion eingegangen
nur bei 1–3 % der Erwachsenen mittleren Alters findet. Selbst bei wird.
den gesunden SENIEUR-Alten ist die Rate mit 11 % stark erhöht. Während man bei den einzelnen Zellpopulationen eine zu
Die funktionellen B-Zellen zeigen eine geringere Expression von nehmende oder abnehmende Funktion definieren konnte, so
membranständigem IgM und eine gestörte Signaltransduktion ist die Lage bei den Cytokinen sehr heterogen. Die Produktion
des BCR, sodass deren T-Zell-abhängige und -unabhängige der meisten proinflammatorischen Cytokine nimmt mit dem
Aktivierung erschwert wird. Bedenkt man, dass die Masse der Alter zu, wobei viele sogar im Alter unphysiologischerweise
B-Zell-Antworten T-Zell-abhängig ist, potenziert sich der Aus konstitutiv produziert werden. Dieses Phänomen nennt man
fall, da es genügt, wenn einer der beiden Interaktionspartner, inflammaging, also den chronischen Entzündungsprozess als
also antigenspezifische T-Zelle oder B-Zelle, fehlt. Dies sieht Altersphänomen. Dies geht sogar soweit, dass einige Cytokine,
man klinisch an der zunehmenden Rate von Impfversagern mit wie das IL-6, als Altersmarker herangezogen werden, was zur
steigendem Alter. Die nicht-antigenspezifische Aktivierung von zeit aber noch keine eindeutige Aussage über ein Individuum
B-Zellen über IL-4 bleibt hingegen unverändert (. Abb. 14.5). zulässt. Allerdings zeigen alte Menschen mit hohen IL-6-Spie
Außerdem ist die Gedächtnisfunktion des Immunsystems ver geln eine schlechtere Impfantwort. Die gestörte Cytokinpro
schlechtert, sodass man alte Menschen in kürzeren Abständen duktion ist dabei cytokinspezifisch und nicht zellspezifisch.
impfen muss, da die spezifischen Antikörper rascher unter den Während Monocyten/Makrophagen und DC von alten Men
protektiven Titer abfallen. Dem versucht man durch neue Impf schen vermehrt IL-1, IL-6 und TNF-α produzieren, sezernieren
stoffe speziell für alte Menschen entgegenzuwirken, bei denen die gleichen Zellen nur vermindert IFN-α. Die proinflamma
man Adjuvanzien zusetzt oder die Antigendosis erhöht. Zudem torischen Cytokine bewirken dadurch einen chronischen Ent
ist die Qualität der spezifischen Antikörper alter Menschen zündungsprozess, der unter anderem die erhöhten Werte der
schlechter, da die Affinitätsreifung, aufgrund verminderter Hy Akute-Phase-Proteine CRP (C-reaktives Protein) und α2-Ma
permutationen, gestört ist. kroglobulin in Alten bedingt. Des Weiteren führt dies zu einer
Paradox ist hingegen, das trotz abnehmender Zahl von B-Zel antigenunspezifischen Aktivierung der T-Zellen, die die oben
len die Gesamtmenge an Immunglobulinen im Alter steigt, was beschriebene unspezifische T-Zell-Aktivierung erklärt. Neben
204 Kapitel 14 • Immungerontologie
IL-6, IL-10 ↑
vermehrte TH2-Immunreaktion gefördert, während die
IFN-α ↓
TH1-Immunreaktion und IFN-γ-Produktion vermindert
IL-1,
wird. Dies führt zu einer schlechteren Immunantwort, da
4 diese Reaktion nicht gezielt auf den jeweiligen Erregertyp
IL-1 ↑, IL-6 ↑
IL-1 ↑, IL-6 ↑
IL-4 ≠
IFN-γ ↓
Faktors
6
induzierte Produktion von
chronische Entzündung im Gewebe TH1-Cytokinen ↓
7
den proinflammatorischen Cytokinen werden auch die TH2-Cy rigen 50 % der pneumoniebedingten Todesfälle. In den USA ist
8 tokine IL-4 und IL-10 von alten Menschen vermehrt produziert, die Pneumonie die häufigste infektionsbedingte Todesursache
während das TH1-Cytokin IFN-γ vermindert gebildet wird. Im bei alten Menschen und die vierthäufigste insgesamt. Deshalb
9 Alter kommt es somit zu einer Rückkehr zu einer TH2-domi sind die Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken auch in
nierten Immunantwort (. Abb. 14.2). Da die Cytokine IL-4 Deutschland Regelimpfungen ab dem 60. Lebensjahr.
10 und IL-10 die Antikörperproduktion und das B-Zell-Wachs Der Herpes zoster (Gürtelrose), d. h. die Reaktivierung des
tum fördern, erklärt dies die Langlebigkeit der B-Zellen und Windpockenerregers Varicella-zoster-Virus, ist ebenfalls eine ty
die erhöhte IgG-Produktion. Umgekehrt führt die verminderte pische Alterserkrankung. Die Lebenszeitinzidenz für einen Zos
11 IFN-γ-Produktion zusammen mit einer verminderten Produk ter liegt bei 10–20 % aller Infizierten, während die Inzidenz ab
tion von IL-2 zu einer schlechteren Aktivierung und Vermeh dem 80. Lebensjahr auf 50 % ansteigt. Die Wahrscheinlichkeit der
12 rung bzw. Überleben der T-Zellen, sodass diese vermehrt in Virusreaktivierung steht also in einem direkten Zusammenhang
die Apoptose gehen. Die verminderte IFN-α-Produktion ist mit der Abnahme der T-Zell-Funktionen.
eine Ursache für die gesteigerte Infektionsrate mit Viren und Neben dem Zoster kommt es bei chronisch Infizierten auch
13 Bakterien, da die Interferone in einer sehr frühen Phase einen häufig zu einer Reaktivierung der Tuberkulose, was im Moment
antiviralen Zustand erzeugen bzw. die APC-Funktion steigern vor allem die Vorkriegs- und Kriegsgenerationen betrifft, die
14 (. Abb. 14.6). heute über 70 Jahre alt sind. Der chronischen Infektion mit dem
Cytomegalovirus (CMV) kommt eine besondere Bedeutung zu,
15 14.6 Immunseneszenz und altersbedingte
da man heute davon ausgeht, dass die chronische Stimulierung
durch das Virus die Alterung des T-Zell-Systems beschleunigt.
Erkrankungen Dies trifft wahrscheinlich auch auf andere chronische Infektio
16 nen zu, da eine vorzeitige Alterung des Immunsystems auch bei
Die Anzahl von Infektionen und Krebserkrankungen steigt mit HIV-Infizierten und Kindern mit angeborenen Immundefekten
17 dem Alter. Dies soll hier an spezifischen alterstypischen Erkran zu beobachten ist.
kungen näher erläutert werden. Auf den Anstieg der Autoim
munkrankheiten wurde schon bei den B-Zellen und T-Zellen
18 hingewiesen. Des Weiteren wird kurz auf die Bedeutung und Krebserkrankungen im Alter
Problematik von Impfungen im Alter näher eingegangen.
19 Bei 60 % aller Krebspatienten handelt es sich um über 65-Jährige,
obwohl diese Altersgruppe zurzeit erst 13 % der Bevölkerung
20 Charakteristische Infektionen im Alter stellt, was sich jedoch in den nächsten Jahren dramatisch ändern
wird. Die über 65-Jährigen haben ein 11-fach höheres Risiko,
Die Infektionsrate nimmt im Alter allgemein zu, bei einigen an Krebs zu erkranken und sogar ein um das 15-Fache erhöhtes
21 Infektionen ist dieser Anstieg jedoch äußerst dramatisch. Die Risiko, an Krebs zu versterben. Besonders hoch ist der Anteil von
Inzidenzwahrscheinlichkeit für alle Infektionen, die über Tröpf über 65-Jährigen bei Prostatakrebs (ca. 81 %), Dickdarmkrebs
22 chen oder fäkal-oral übertragen werden, nimmt im Alter wieder (ca. 74 %), Bauchspeicheldrüsenkrebs (ca. 72 %) und Blasenkrebs
zu, während diejenige von sexuell übertragbaren Erkrankungen (ca. 70 %). Die Wahrscheinlichkeit der Krebsentstehung steht da
mit zunehmendem Alter abnimmt. Klinisch am bedeutendsten bei wieder in einem direkten Bezug zur Abnahme der Aktivität
23 ist die Pneumonie, für die das Risiko ab dem 65. Lebensjahr auf der T-Zellen und NK-Zellen, was man besonders deutlich an den
das 3–5-Fache ansteigt. Die Mortalität steigt von 5–8 % auf 38 % gesunden Centenarians mit einer hohen T-Zell-Aktivität und ei
bei den über 84-Jährigen an. Insgesamt stellen die über 65-Jäh ner sogar gesteigerten NK-Zell-Aktivität erkennt.
Literatur
205 14
Impfungen im Alter
Literatur
In den vorherigen Kapiteln haben wir erfahren, wie das Im tion durch die Konzentration der Östrogene bzw. der Balance
1 munsystem uns gesund hält, aber auch, wie es uns krank ma zwischen Östrogenen und Progesteron moduliert wird. Bei ei
chen kann. Hier wollen wir die Frage stellen, wie wir unser nem Östrogenüberschuss kommt es bevorzugt zu einer TH2-Ant
2 Immunsystem unterstützen können. Das Immunsystem er wort, während ein Progesteronüberschuss eine TH1-Antwort
streckt sich wie das Nervensystem über den gesamten Körper fördert (. Abb. 15.2). Die Treg werden ebenfalls durch Östrogen
und steht mit fast allen Organen in Kontakt. Daraus ergeben gefördert, wodurch in der Implantationsphase die Anzahl an Treg
3 sich Wechselwirkungen und gegenseitige Abhängigkeiten der am höchsten ist. Die Östrogene wirken aber auf alle Zellen des
Organsysteme. Die wichtigsten Einflussgrößen auf das Immun Immunsystems (. Abb. 15.3) und bewirken so eine komplexe
4 system sind in . Abb. 15.1 dargestellt, wobei die Infektionen, Veränderung der Immunantwort, die unter anderem zu einer hö
die sicher den größten Einfluss haben, hier nicht berücksichtigt heren Antikörperproduktion nach Impfungen führt. Im Thymus
5 sind. Bei den Infektionen passt sich das Immunsystem in der fördern die Östrogene die Bildung von TH-Zellen.
natürlichen Auseinandersetzung mit den Erregern an die neuen
Bedingungen an bzw. baut ein Gedächtnis auf (▶ Kap. 8). Von
6 den Einflussgrößen werden das Alter (▶ Kap. 14), die Psyche Männliche Geschlechtshormone
(▶ Kap. 13) und ein wichtiger Bereich der Umwelt, die Immun
7 toxikologie (▶ Abschn. 16.3), jeweils in separaten Kapiteln be Die männlichen Geschlechtshormone sind weniger gut unter
sprochen. In diesem Kapitel widmen wir uns als vorgegebene sucht. Hier soll nur das Testosteron betrachtet werden. Insgesamt
Einflussgröße dem Geschlecht und den durch uns modulier wird dem Testosteron eine eher immunsuppressive Wirkung zu
8 baren Einflussgrößen Drogenkonsum, Bewegung (Sport), geschrieben, da es die T- und B-Zell-Proliferation vermindert
Schlaf und insbesondere der Ernährung. Es muss dabei betont und die Produktion von Immunglobulinen und Cytokinen (z. B.
9 werden, dass die modulierbaren Größen sich alle nach der von IL-4, IL-5, IFN-γ) senkt. Auch die Expression des Toll-ähnli
Paracelsus aufgestellten Regel „die Menge macht das Gift“ ver chen Rezeptors 4 (TLR-4) wird durch Testosteron gesenkt. Al
10 halten, d. h. wir können damit das Immunsystem stärken oder lerdings wird die Funktion von cytotoxischen T-Zellen durch
auch erheblich schwächen. Die beschriebenen Faktoren orien Testosteron gesteigert, wobei unklar ist, ob es einen Einfluss auf
tieren sich an den 20 wichtigsten Risikofaktoren, die von der die reifen CTL oder bereits auf die T-Zell-Entwicklung hat, da
11 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2002 benannt wurden Thymocyten Testosteronrezeptoren besitzen. Eine bevorzugte
(. Tab. 15.1). Bildung von CTL gegenüber TH-Zellen durch Testosteron wurde
12 beschrieben.
Ge orm
f haben in Entwicklungs- (E), Schwellen- (S) und Industrieländern (I)
la
sc o
h
H
Sc
hl ne
unterschiedliche Bedeutung. Angegeben ist der ungefähre prozentu-
ec
ht
ale Anteil am Verlust gesunder Lebensjahre, der durch die jeweiligen
Bewegung
Risikofaktoren bedingt ist, auf die wir aktiv Einfluss nehmen können.
Umwelt
Sport
Ps tres
nä
S
ung
Drogen
4. Nicotin Ca. 4,0 % E = S < I
Progesteronspiegel
Östrogenspiegel
11 TNF-Produktion ↓
TH1-Präferenz ↑ IL-1-, IL-6-,
IFN-γ-Produktion ↑ Östrogen ↑ TNF-Produktion ↓
12 Östrogen ↓
NO-Produktion ↑
Phagocytose ↑
.. Abb. 15.3 Wirkung von Östrogenen auf das Im-
Makrophagen munsystem. Die Leukocyten haben Rezeptoren für die
B Progesteron ↑ CD16-Expression ↓
Überleben
13
Geschlechtshormone und werden so in ihrer Aktivität direkt
autoreaktiver B-Zellen ↑ beeinflusst. Die Wirkung der Geschlechtshormone hängt
IgM- und IgG-Produktion ↑ entzündungs- dabei von deren Konzentration ab. Hohe Konzentrationen
negative Selektion ↓
14 NK Neutrophiler
hemmende Wirkung
NO-Produktion
↑
↑
von Östrogenen (rot) begünstigen eine TH2-/B-Zell-Antwort,
während niedrige Konzentrationen eine TH1-/cytotoxische
Cytotoxizität ↓ Chemotaxis ↓ Antwort begünstigen. Eine Erhöhung (↑) oder Erniedrigung
15 CD16-Expression ↓ Chemotaxis ↑ (↓) der jeweiligen Funktion ist durch Pfeile dargestellt.
(Abbildung verändert nach Fish)
16
.. Tab. 15.2 Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs auf das Immunsystem. Die aufgeführten Funktionsänderungen bestehen bereits bei regelmäßi-
17 gem größerem Alkoholkonsum, der noch nicht zu Auffälligkeiten oder Persönlichkeitsveränderungen führen muss. Geringe Mengen von Alkohol haben
fast immer einen genau entgegengesetzten Effekt.
Makrophagen Produktion von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies ↓, LPS-induzierte Produktion von IL-1 und TNF-α ↓,
20 Antigenpräsentierende Zellen Antigenpräsentation ↓, Expression von CD80 und CD86 ↓, Produktion von IL-12 ↓
Kupffer-Zellen (Makrophagen Phagocytose ↓, chronische Produktion von proinflammatorischen Cytokinen ↑ (IL-1, IL-6, IL-8, TNF-α)
21 der Leber)
T-Zellen Anzahl ↓, DTH-Reaktion ↓, Proliferation nach Stimulierung mit Antigenen oder Mitogenen ↓
Cytokine Systemische Produktion von proinflammatorischen Cytokinen ↑ (IL-1, IL-6, IL-8, TNF-α), Verschiebung der TH1/
TH2-Balance (Produktion von IL-4, IL-10, IL-13, TGF-β ↑ und Produktion von IFN-γ, IL-12 ↓)
23
↓ = Abnahme bzw. Verringerung oder Verschlechterung; ↑ = Erhöhung bzw. Verstärkung
15.3 • Ernährung und Immunsystem
211 15
Spurenelementen gemäß den Empfehlungen der Deutschen Gesell- Teil des Immunsystems Effekt von Vitamin-A-Mangel
2 schaft für Ernährung (DGE, 2011). International weichen die Empfeh-
lungen zum Teil erheblich ab, und erst seit 2008 gibt es einheitliche Schleimhautbarrieren ↓ (Verlust von Cilien, Mikrovilli
Empfehlungen für Deutschland, Österreich und die Schweiz. und Becherzellen)
3 Neutrophile Granulocyten Anzahl ↓, Funktionen ↓
Vitamin bzw. Spurenelement Empfohlene Tageszufuhr für
Erwachsene Makrophagen Anzahl ↓, Funktionen ↓
4 Eisen 10–15 mg NK-Zellen Anzahl ↓, lytische Aktivität ↓
9 Vitamin C
das Immunsystem besprochen. Die . Tab. 15.4 zeigt den tägli Vitamin C (Ascorbinsäure) ist ein wasserlösliches Antioxidans,
10 chen Bedarf an diesen Stoffen. welches im Körper reaktive Sauerstoffspezies (ROS) inaktiviert.
Der Name stammt von der Vitamin-C-Mangelerkrankung Skor
but, da Ascorbin(säure) das Anti-Skorbut-Mittel war. Vitamin C
11 Vitamine ist in fast allen Obst- und Gemüsesorten, bekanntermaßen in Zi
trusfrüchten, enthalten. Zusätzlich werden heute viele Nahrungs
12 Vitamine sind organische essenzielle Nahrungsbestandteile, die mittel mit Vitamin C versetzt oder es dient als Antioxidans und
nicht den Eiweißen, Fetten oder Kohlenhydraten zuzuordnen Konservierungsmittel in Lebensmitteln, weshalb heute eher ein
sind. Über ihren Einfluss auf das Zellwachstum haben natürlich Überangebot an Vitamin C besteht. Die Phagocyten produzieren
13 alle Vitamine auch eine Auswirkung auf das Immunsystem. Hier große Mengen an ROS, weshalb Vitamin C sehr wichtig für sie
werden nur die Vitamine besprochen, für die direkte Effekte be ist, damit sie sich nicht selbst durch die ROS schädigen. In Neu
14 schrieben wurden, die auch im physiologischen Rahmen modu trophilen und Makrophagen ist die Vitamin-C-Konzentration
liert werden können. sehr hoch. In beiden Zellpopulationen führt Vitamin C zu einer
15 Vitamin A und Carotinoide
Verstärkung von Phagocytose, Chemotaxis und der Bildung von
ROS. Dies sieht man daran, dass Vitamin C die Beweglichkeit
Vitamin A kommt in größeren Mengen in Milch, Milchproduk der Makrophagen erhöht. In Lymphocyten fördert Vitamin C
16 ten und Lebertran vor. Meistens nehmen wir aber Carotinoide die aktivierungsinduzierte Proliferation und verlängert ihre Le
als Provitamin A auf, welches in großen Mengen in Gemüse, benszeit. Bereits bei einem leichten Vitamin-C-Mangel kommt
17 z. B. Karotten vorkommt. 40 % der Kinder unter fünf Jahren in es zu einer verminderten Antikörperproduktion, die durch Vi
den Entwicklungsländern haben einen Vitamin-A-Mangel. Vita tamin-C-Gabe wieder behoben werden kann. Vitamin C wirkt
min-A-Mangel verursacht ca. 1 Million Todesfälle pro Jahr. Die auch antiapoptotisch auf Lymphocyten. Somit ist Vitamin C ins
18 immunologischen Wirkungen von Vitamin-A-Mangel sind in gesamt wichtig für die Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen
. Tab. 15.5 zusammengefasst. Immunsystems. Vitamin C kann aber auch Lipidhydroperoxide
19 Vitamin A ist ein Sammelbegriff für Retinol, Retinal und bilden, die die DNA verändern können, weshalb eine sehr hohe
Retinsäurederivate. Die all-trans-Retinsäure (ATRA) ist wich Dosierung nicht zu empfehlen ist.
20 tig für die Ausreifung von Neutrophilen und wird auch in der
Vitamin D
Behandlung der akuten myeloischen Leukämie verwendet.
Hierbei bindet ATRA an den Transkriptionsfaktor RAR (re- Vitamin D wird meistens als inaktive Vorstufe aufgenommen, die
21 tinoic acid receptor), der nach der Bindung die Transkription dann mittels UV-Licht in der Haut zu Provitamin D (Calciferol)
von Genen, die im Promotor RARE (retinoic acid response ele- umgewandelt wird; dieses wird nun über Stufen in der Leber und
22 ments) enthalten, startet. Dadurch werden die unreifen „Leu Niere zum aktiven 1α,25-Dihydroxyvitamin D3, dem Calcitriol,
kämiezellen“ zur Ausreifung gebracht, wodurch sie dann na umgewandelt. Dies ist ein Grund für das Immundefizit bei Nie
türlicherweise versterben. Vitamin A fördert die Proliferation reninsuffizienz. Allerdings können aktivierte Makrophagen und
23 von T-Zellen durch eine stärkere IL-2-Produktion. Bei einer DC die Syntheseleistung der Niere zum Teil übernehmen. Die
ausgewogenen Ernährung in den Industrieländern gibt es ei Differenzierung von Monocyten/Makrophagen aus myeloischen
gentlich keinen Vitamin-A-Mangel. Eine Überdosierung von Vorläuferzellen wird aber auch durch Calcitriol induziert, sodass
15.3 • Ernährung und Immunsystem
213 15
.. Abb. 15.4 Wirkungen von Eisenmangel und -über-
schuss auf das Immunsystem. Das Immunsystem braucht
TH2-Präferenz ↑ Phagocytose ↓
IL-4-Produktion ↑ intrazelluläres Abtöten ↓
eine gute Eisenhomöostase, um adäquat zu funktionieren. DC
TNF-Produktion ↓ Aktivierung über IFN-γ ↓
Sowohl Eisenmangel als auch -überschuss vermindern die
IFN-γ-Produktion ↓ intrazelluläres Abtöten ↓
Immunantwort gegen Bakterien, insbesondere intrazellu- T
Lymphopoese ↓
läre Bakterien
Proliferation ↓
TH1-Präferenz ↑
IFN-γ-Produktion ↑ Eisen ↑ Phagocytose ↓
intrazelluläres Abtöten ↓
Eisen ↓ Makrophagen Aktivierung über IFN-γ ↓
intrazelluläres Abtöten ↓
NK
NK-Zell-Proliferation ↓
NK-Zell-Aktivität ↓ Phagocytose ↓
Lymphopoese ↓ intrazelluläres Abtöten ↓
NK-Zell-Proliferation ↓ Neutrophiler intrazelluläres Abtöten ↓
NK-Zell-Aktivität ↓
1
2
3
4
5
6
7
.. Abb. 15.5 Zinksubstitution früher und heute. Austern sind das Nahrungsmittel mit der größten Zinkkonzentration (ca. 1 mg/g Austernfleisch). Bereits in
der Antike feierte man Austernorgien, da man ihnen eine aphrodisierende Wirkung zuschrieb, die aber nie wissenschaftlich bewiesen wurde. Casanova hinter-
8 ließ in seinen Memoiren, dass er täglich mindestens ein Dutzend Austern verspeiste. Die gute Bioverfügbarkeit des proteingebundenen Zinks in den Austern
ahmt man heute durch Zink-Aminosäure-Komplexe pharmakologisch nach. Diese Präparate enthalten im Gegensatz zu den Austern dann auch keine anderen
Schwermetalle
9
10 Kost muss man auf seine Eisenbilanz achten, weil Eisen haupt sämtliches Zink der gleichen Menge Austern (durch die darin
sächlich über tierische Proteine aufgenommen wird. Phytate sind enthaltenen Phytate) so fest binden, dass dieses nicht vom Körper
Pflanzeninhaltsstoffe, die zweiwertige Ionen mit einer hohen aufgenommen werden kann. Deshalb herrscht in weiten Teilen
11 Affinität binden, sodass diese vom Körper nicht aufgenommen von Süd- und Mittelamerika auch ein Zinkmangel, da die Nah
werden können. rung überwiegend aus Mais besteht. Die Ernährungsgewohnhei
12 ten oder -möglichkeiten haben also einen großen Einfluss auf die
Zink Zinkmenge, die aus der Nahrung aufgenommen werden kann.
Zink ist wahrscheinlich das wichtigste Spurenelement für das Dabei geht es nicht nur um das Essen selbst. Wer Kaffee oder Tee
13 Immunsystem. Ein Zinkmangel führt unmittelbar zu einem Im in großen Mengen trinkt, kann dem Körper damit auch viele der
mundefizit. Dieser lässt sich innerhalb einer Woche induzieren, nötigen Spurenelemente entziehen. Anschaulich sieht man dies
14 da es im Gegensatz zum Eisen keinen Zinkspeicher gibt. Dass bei „hartem Wasser“, wo sich auf dem Tee oder Kaffee eine sil
beim Menschen Zinkmangel vorkommt, wurde erst 1963 durch brig glänzende Haut bildet, die nichts anderes ist als gebundene
15 Ananda S. Prasad nachgewiesen. Bis dahin war es Lehrmeinung, Metallionen.
dass ein Zinkmangel beim Menschen unmöglich sei. Erst in den Das Problem des latenten Zinkmangels ist, dass dieser sich
letzten Jahren wurde klar, dass fast die Hälfte der Weltbevölke im Gegensatz zum latenten Eisenmangel nur schlecht bestim
16 rung ein Risiko für einen Zinkmangel aufweist (. Tab. 15.1). men lässt, da die dazu verwendeten Speicherproteine fehlen.
Auch in den Industrieländern leiden 1–13 % der Bevölkerung Klinisch sichtbar manifestiert sich ein Zinkmangel an Schup
17 unter manifestem und noch wesentlich mehr unter latentem pungen und Rissen in der Haut und Haarausfall, wobei diesen
Zinkmangel. Letzterer betrifft über die Hälfte der älteren Men Erscheinungen bereits eine eingeschränkte Funktion des Im
schen. Wie kommt es zu diesem Mangel? Der Zinkgehalt in munsystems vorausgeht. Bei den Wirkungen auf das Immun
18 Nahrungsmitteln ist sehr unterschiedlich, und die besten Zink system muss man zwei Effekte trennen. Zum Einen ist Zink wie
quellen sind tierische Proteine. Dies liegt zum einen daran, dass Eisen für alle Zellvermehrungen im Körper unverzichtbar. Zink
19 diese einen besonders hohen Zinkgehalt haben, zum anderen ist in über 300 Enzymen notwendig und dazu in einer Reihe
aber auch daran, dass die Bioverfügbarkeit in tierischen Protei von Transkriptionsfaktoren. Insofern bedeutet ein Zinkmangel
20 nen besonders gut ist. Den mit Abstand höchsten Zinkgehalt immer auch ein Problem für stark proliferierende Organsys
haben Austern. Hier ist das Zink an leicht verdauliche Proteine teme. Das Immunsystem ist das am stärksten proliferierende
gebunden und dadurch sehr gut verfügbar, was man heutzutage Organ im Körper, gefolgt von Spermienbildung, Haaren und
21 mit Zink-Aminosäure-Komplexen pharmakologisch nachahmt Haut, weshalb ein manifester Zinkmangel sich auch in die
(. Abb. 15.5). Eine mittelgroße Auster enthält ungefähr die inter ser Reihenfolge auf die Funktion der Organsysteme auswirkt.
22 national empfohlene Tagesdosis von 10–15 mg Zink bzw. mehr Zum Anderen gibt es aber direkte Wirkungen von Zink auf das
als die in Deutschland empfohlene Tagesdosis. In Pflanzen hinge Immunsystem und die Funktion der Zellen, was vor allem im
gen ist der Zinkgehalt meist niedrig und der Gehalt an Phytaten, latenten Zinkmangel eine Rolle spielt. Hierbei ist zu betonen,
23 d. h. Inhaltsstoffen, die Metalle so stark binden, dass diese vom dass sowohl ein Zinkmangel als auch ein Zinküberschuss ne
Körper nicht aufgenommen werden können, sehr hoch. Beson gative Effekte auf das Immunsystem haben (. Tab. 15.6). Für
ders markant ist dies beim Mais. Ein Maisfladen (Tortilla) kann Zink muss es also im Körper eine gute Homöostase geben. Seit
15.3 • Ernährung und Immunsystem
215 15
Monocyten, Makrophagen Monopoese ↑, Aktivität ↓, Phagocytose ↓, Produktion von Direkte Aktivierung und Cytokinausschüttung
proinflammatorischen Cytokinen ↑ (IL-1, IL-6, TNF-α), Produktion
von IFN-α ↓
IL-6, IL-10 ↑
da IL-2 vermindert produziert und die IL-2-Signaltransdukti-
IFN-α ↓
IL-1,
on verringert wird
IL-1 ↑, IL-6 ↑
IL-1 ↑, IL-6 ↑
IL-4
IL-2 ↓
IL-2 ↓
TH1 TH 2
IFN-γ ↓
IL-4
induzierte Produktion
IL-2 ↓
chronische Entzündung im Gewebe von TH1-Cytokinen ↓
etwa zehn Jahren weiß man, dass der Körper 24 verschiedene ten Jahre haben gezeigt, dass Zink für die Signaltransduktion
spezielle Zinkimport- und Zinkexportproteine besitzt, die diese in den Zellen wichtig ist und sogar selbst ein Second Messen
Feinregulierung vornehmen. Ausfälle dieser Transporter führen ger ist (▶ Kap. 6). Des Weiteren hat Zink einen großen Einfluss
zu fatalen Folgen mit einem Versagen des Immunsystems, wie auf die Aktivität von Transkription und Translation. Durch den
z. B. bei der Acrodermatitis enteropathica, wo der Zinkimporter Zinkgehalt kann also die Aktivität der Zellen moduliert werden,
ZIP-4 defekt ist und dadurch nicht genügend Zink aus der Nah weshalb die Effekte sich zuerst auf das Immunsystem auswir
rung aufgenommen werden kann. Unbehandelt versterben die ken, tatsächlich aber alle Organsysteme betroffen sind und es bei
betroffenen Kinder im Kleinkindalter an Infektionen, da sich das schwerem Zinkmangel zu Wachstumsstörungen und geistiger
Immunsystem nicht richtig entwickelt. Retardierung kommt.
Bei Zinkmangel kommt es zu einer verminderten Funktion Bei einer ausgewogenen Mischkost ist ein Zinkmangel un
der spezifischen Immunität. Die ältesten Beobachtungen sind wahrscheinlich, aber bei vegetarischer Ernährung und phytat
dabei, dass der Thymus atrophiert und dementsprechend die reicher Kost muss man auf seine Zinkbilanz achten, da Zink
T-Zell-Zahl abfällt. Tatsächlich werden aber fast alle Immunfunk hauptsächlich über tierische Proteine aufgenommen wird. Des
tionen nachteilig verändert, was jedoch auch eine unspezifisch Weiteren scheint die Zinkresorption im Alter abzunehmen, so
hohe Aktivität sein kann. Monocyten/Makrophagen zeigen im dass eine Zinksubstitution bei alten Menschen in verschiedenen
Zinkmangel eine erhöhte Produktion von proinflammatorischen Studien positive Effekte auf das Immunsystem gezeigt hat. Eine
Cytokinen (. Abb. 15.6). Im Zinküberschuss kommt es zu einer Zinküberdosierung führt wiederum zu einer Verschlechterung
Immunsuppression, wobei sowohl die Funktionen der spezifi der Immunfunktion, diese tritt aber erst bei längerer Dosierung
schen als auch der angeborenen Immunität unterdrückt werden über 30 mg/Tag auf.
(. Tab. 15.6). Wie kommt es, dass Zink so einen großen Einfluss
auf die Balance des Immunsystems hat? Erkenntnisse der letz
216 Kapitel 15 • Einflüsse auf das Immunsystem
dene sekundäre Pflanzenstoffe, von denen rund 5000–10.000 in wieder beim Mengenproblem ist. Insgesamt kann man sagen,
der menschlichen Nahrung vorkommen. Immunologisch von dass die sekundären Pflanzenstoffe ein wichtiger Bestandteil ei
besonderer Bedeutung sind die Phytoöstrogene und die Poly ner gesunden Ernährung und eines ausgewogen arbeitenden Im
phenole. Die Phytoöstrogene imitieren die Östrogenwirkung munsystem sind, in zu großen Mengen aber durchaus ungesund
und haben die entsprechenden, oben beschriebenen Effekte auf werden können (▶ Exkurs 15.1).
das Immunsystem. Da es eine Vielzahl von pflanzlichen Poly
phenolen gibt, ist deren Wirkung natürlich sehr unterschiedlich. Kochsalz
Die meisten Polyphenole, die in größeren Mengen in Pflanzen Kochsalz, chemisch Natriumchlorid (NaCl), ist in der Medizin
vorkommen, haben aber eine entzündungshemmende Wirkung. bisher vor allem durch seine blutdrucksteigernde Wirkung be
Zu diesen Wirkungen gehören unter anderem die Inhibition der kannt. Neue Erkenntnisse zeigen, dass zu viel Kochsalz in der
NO-, IL-1-, IL-6- und TNF-α-Produktion (z. B. Quercetin), die Nahrung auch die Bildung von TH17-Zellen fördert und damit
Inhibition der TH2-Cytokine IL-4, IL-5 und IL-13 (z. B. Luteo zumindest im Tiermodell Autoimmunkrankheiten auslöst bzw.
lin), aber auch der TH1-Reaktion (z. B. Silymarin). Es gibt auch bestehende Autoimmunkrankheiten verschlimmert. Die Förde
sekundäre Pflanzenstoffe wie Anthocyanin aus Heidelbeeren, die rung der Differenzierung von T-Zellen zu TH17-Zellen entsteht
TH1- und TH2-Cytokine gleichzeitig hemmen. Der gesteigerte durch die Stabilisierung des IL-23-Rezeptors, wodurch IL-23 als
Konsum von Früchten und Gemüse führt so zu einer Absenkung ein Cytokin, welches zur TH17 Differenzierung führt, seine Wir
von Entzündungsmarkern wie dem Akute-Phase-Protein CRP, kung besser entfalten kann. Des Weiteren führen im Tiermodell
IL-6 und der Expression von Adhäsionsmolekülen. In isolierter hohe Kochsalzkonzentrationen zu einer Hyperplasie des lympha
und konzentrierter Form sind einige Polyphenole gut definierte tischen Systems, d. h. einem Anzeichen von chronischer Akti
Inhibitoren verschiedener Signaltransduktionswege, sodass man vierung. Inwieweit dies auf den Menschen übertragbar ist, der
218 Kapitel 15 • Einflüsse auf das Immunsystem
Lösliche Cytokinre- ↑ ↑
zeptoren (sTNFR) Der Schlaf ist die Regenerationsphase für Körper und Geist. Mas
14 Chemokine (IL-8, ↑ ↑
siver Schlafentzug oder Schlafstörungen führen zu einem Im
MIP-1β) mundefizit. Bei vielen Infektionen, d. h. bei großer Aktivität des
15 ↓ = Abnahme bzw. Verringerung oder Verschlechterung; ↑ = Er-
Immunsystems, beobachtet man hingegen ein erhöhtes Schlaf
bedürfnis. Tatsächlich fördern die proinflammatorischen Cyto
höhung bzw. Verstärkung (Tabelle verändert nach Pedersen und
kine IL-1, IL-6, IL-18 und TNF-α sowie IFN-α den Nicht-REM-
16 Hoffman-Goetz.)
Schlaf (NREMS, non-rapid eye movement sleep) und verhindern
in hohen Dosen sogar den REM-Schlaf („Traumschlaf “). Dies
17 sich im Laufe der Evolution besser an viel Salz in der Nahrung geschieht über die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB,
angepasst hat, ist noch unklar. Allerdings lassen sich dadurch der auch in der Regulation des Schlafes eine große Rolle spielt.
zumindest therapeutische Effekte der Wundbehandlung beim Die TH2-Cytokine IL-4 und IL-10 sowie das antiinflammatorische
18 Menschen mit Kochsalzlösungen erklären, da TH17-Zellen vor TGF-β verhindern den NREMS. Kurzzeitiger Schlafentzug re
allem antibakterielle Wirkungen haben. duziert die NK-Zell-Aktivität, während langzeitiger Schlafent
19 zug mit einer erhöhten NK-Zell-Aktivität und Leukocytose eher
Anzeichen einer Entzündung zeigt. Bei kurzzeitigem Schlafent
15.4 Bewegung, Sport und Immunsystem
20 zug nach einer Impfung kommt es sogar zu einer verminderten
Impfreaktion. Aber auch während des normalen Schlafes wird
Komplette körperliche Inaktivität ist ungesund (. Tab. 15.1). Im das Immunsystem moduliert. Während des Tiefschlafes (NREMS
21 munologisch ist dies einfach zu begründen, da die Lymphe nur Phase 3) erhöht sich die Konzentration der Cytokine IL-1 und
passiv über Muskelbewegung transportiert wird. Insofern hängt IL-2. Das IL-6 hingegen zeigt eine mehrphasige Regulation. Die
22 eine Immunantwort von der Bewegung ab, da nur dadurch der zirkulierenden IL-6-Spiegel sind in den NREMS-Phasen 1 und 2
Transport der Antigene und der Leukocyten in den drainierenden sowie im REM-Schlaf erhöht, im Vergleich zu den Wach- und
Lymphknoten gewährleistet ist. Um dieses Minimum an Funk Tiefschlafphasen. Insgesamt ist die Forschung hier noch am An
23 tion aufrechtzuerhalten, bedarf es ca. 30 Minuten Bewegung am fang, zeigt aber, dass Immunsystem und Schlaf in einem Wech
Stück, d. h. einfaches Spazierengehen. Eine Steigerung der sportli selspiel sind, welches für ein gut funktionierendes Immunsystem
chen Aktivität hat einen positiven Einfluss auf das Immunsystem, genauso wichtig ist wie für die Überwindung von Infektionen.
Literatur
219 15
Literatur
Immundefekte
Lothar Rink, Hajo Haase
Wie wichtig das Immunsystem für den Menschen ist, bemerkt Im Magen werden die IgA-Antikörper dann verdaut und können
1 man meistens erst, wenn es ausfällt. In den vorherigen Kapiteln so nicht vom Kind in den Blutkreislauf aufgenommen werden.
wurden das Alter und andere Einflüsse auf das Immunsystem Insofern bauen sich die mütterlichen IgG-Antikörper über die
2 besprochen, die die Immunkapazität negativ beeinflussen bzw. Halbwertszeit (21 Tage) ab und fallen zwischen dem 4.–6. Le-
modulieren. Hier wollen wir auf Störungen eingehen, die den bensmonat unter eine Menge von 200 mg/dl im Plasma, was zur
kompletten oder teilweisen Ausfall des Immunsystems hervorru- Aufrechterhaltung einer Immunität nicht ausreicht. Defekte des
3 fen, die Immundefekte. Die Immundefekte teilt man in primäre angeborenen Immunsystems und der T-Zellen des spezifischen
und sekundäre Immundefekte ein. Primäre Immundefekte sind Immunsystems manifestieren sich hingegen bereits früher, da
4 angeborene Immundefekte, d. h. Erbkrankheiten, die auf Muta- diese Systeme nicht von der Mutter übertragen werden können.
tionen oder Deletionen im Erbgut beruhen. Sie beeinflussen das Unbehandelt führen die schweren angeborenen Immunde-
5 Immunsystem direkt. Da das Immunsystem aber ein komplexes fekte bereits im ersten Lebensjahr zum Tod. Deshalb ist eine frühe
Netzwerk ist und mit allen Organsystemen in Wechselwirkung Diagnostik durch einen Spezialisten wichtig. Die Jeffrey Modell
steht, ist es auch bei den meisten schweren Erbkrankheiten und Foundation, eine gemeinnützige Organisation, die sich mit der
6 Chromosomenanomalien beeinträchtigt wie z. B. bei der Triso- Erkennung und Behandlung von primären Immundefekten be-
mie 21 (Down-Syndrom). Diese Erbkrankheiten werden aber schäftigt, hat dafür zehn Warnzeichen definiert (. Tab. 16.2),
7 nicht zu den primären Immundefekten gezählt, da die Anomalie die häufig noch von Autoren um verschiedene Punkte erweitert
nicht spezifisch das Immunsystem betrifft. Die primären Immun werden. Des Weiteren sind diese Warnzeichen bei Erwachsenen
defekte sind glücklicherweise sehr selten, jedoch nicht so selten, leicht verändert, da die normale Infektionshäufigkeit bei Kindern
8 wie man glaubt. Eine Gegenüberstellung von ausgewählten Im- viel höher ist als bei Erwachsenen (. Tab. 16.2). Man spricht bei
mundefekten und Erbkrankheiten, auf die jedes Neugeborene in Säuglingen auch von einer physiologischen Immundefizienz.
9 Deutschland untersucht wird (Phenylketonurie, Hypothyreose, Die verschiedenen primären Immundefekte werden in der
Galaktosämie) bzw. sehr bekannten Chromosomenanomalien/ Abfolge ihrer natürlichen Funktion bei einer Infektion bespro-
10 Erbkrankheiten wie Down-Syndrom und Bluterkrankheit (Hä- chen. Die Vielzahl der Immundefekte kann nicht im Einzelnen
mophilie), zeigt jedoch, dass Immundefekte häufiger sind als beschrieben werden. Es werden deshalb wichtige klinische Bei-
man vermutet (. Tab. 16.1). Da die Angaben über die Inzidenzen spiele bzw. charakteristische Krankheitsbilder ausgewählt und
11 jedoch in der Literatur sehr schwankend sind und systematische diese zu phänotypischen Gruppen zusammengefasst, die un-
Untersuchungen weitgehend fehlen, wird auf eine durchgängige terschiedliche genetische Ursachen, aber eine gleiche klinische
12 Nennung der Inzidenzen verzichtet. Ausprägung haben. Die meisten primären Immundefekte sind
Sekundäre oder erworbene Immundefekte sind Immunde- autosomal rezessiv (AR), sodass nur erwähnt wird, wenn die
fekte, die als Begleiterscheinung von Erkrankungen auftreten Defekte X-chromosomal (XL, X-linked), autosomal dominant
13 können und das Immunsystem beeinflussen. Der bekannteste (AD) oder AR und AD vererbt werden. Die X-chromosomal
sekundäre Immundefekt entsteht durch die HIV-Infektion (hu- vererbten Erkrankungen treten fast nur bei Jungen auf, da diese
14 man immunodeficiency virus). Eine besondere Form sekundärer nur ein X-Chromosom besitzen und so die Krankheit bei einem
Immundefekte ist die Immuntoxikologie, die deshalb in einem defekten Gen immer zur Ausprägung kommt, während die Mut-
15 separaten Abschnitt besprochen wird. Aufgrund der obigen ter mit einem zusätzlichen intakten X-Chromosom in der Regel
Einteilung kann man ableiten, dass sich die meisten primären vollkommen gesund ist. Da verschiedene immunologisch wich-
Immundefekte bereits im Kindesalter manifestieren, während tige Gene auf dem X-Chromosom lokalisiert sind, kommt es so
16 die sekundären Immundefekte vermehrt im Erwachsenenalter insgesamt zu einer Häufung bei Jungen gegenüber Mädchen. Die
auftreten. In beiden Fällen kommt es zu einer erhöhten Infek- Wahrscheinlichkeiten für autosomal rezessive oder dominante
17 tanfälligkeit oder Infektionen mit opportunistischen Erregern. Erbkrankheiten sind für beide Geschlechter gleich hoch.
In diesem Kapitel werden die Krankheitsbilder und ihre klini-
schen Auffälligkeiten beschrieben, auf die Labordiagnostik zur
18 Differenzialdiagnose dieser Erkrankungen wird in ▶ Kap. 17 Defekte der angeborenen Immunität
eingegangen.
19 Die angeborene Immunität stellt die erste Abwehrfront gegen
Erreger dar und bildet somit den Schwellenwert für die Erreger-
16.1 Primäre Immundefekte
20 menge, die nötig ist, um eine Infektion auszulösen. Insofern sind
Kinder mit einer defekten natürlichen Immunität direkt nach
Die primären oder angeborenen Immundefekte prägen sich in der Geburt infektionsgefährdet. Der Ausfall bestimmter Teile des
21 den meisten Fällen bereits kurz nach der Geburt oder spätestens angeborenen Immunsystems wird an dafür charakteristischen
ab dem 4.–6. Lebensmonat aus. In den ersten Lebensmonaten Infektionen deutlich (. Tab. 16.3). Ausfälle der neutrophilen
22 hat der Säugling noch die diaplazentar übertragenen IgG-Anti- Granulocyten oder deren Funktion manifestieren sich durch
körper der Mutter, die ihn vor Infektionen schützen. Während eine erhöhte Anfälligkeit für bakterielle und Pilzinfektionen.
dieser Zeit maskiert der Nestschutz Ausfälle der kindlichen Beim Komplementsystem hingegen sind bei Ausfällen vor allem
23 Antikörperproduktion. Die in der Muttermilch enthaltenen Infektionen mit Neisserien typisch. Wie sich die Erkrankung
IgA-Antikörper schützen nur den oberen Verdauungstrakt, d. h. manifestiert, hängt von der defekten Komponente des Komple-
die Schleimhautoberflächen, mit denen sie in Kontakt kommen. mentsystems ab. Die Defekte der Faktoren des klassischen Weges
16.1 • Primäre Immundefekte
223 16
.. Tab. 16.1 Häufigkeiten von gängigen Erbkrankheiten und häufi- .. Tab. 16.2 Zwölf Warnzeichen für primäre Immundefekte. Aufgrund
gen Immundefekten der Reifung des Immunsystems und des immunologischen Gedächt-
nisses nimmt die Anzahl von Infektionen mit dem Alter ab, sodass
Erbkrankheit/Häufigkeit primärer Immundefekt/Häu- auch reif geborene Kinder natürlicherweise häufiger Infektionen
figkeit haben als Erwachsene. Frühgeborene leiden aufgrund der Unreife des
Immunsystems häufiger an Infektionen, ohne dass dies ein primärer
Phenylketonurie/1 auf 8000– CVID (common variable immune Immundefekt ist. Dementsprechend sind die Warnzeichen bei Kindern
10.000 deficiency)/1 auf 5000 und Erwachsenen unterschiedlich, was die Häufigkeit von Infektionen
Hypothyreose/1 auf 3000–4000 Myeloperoxidase-De- angeht.
fekt/1 auf 2100
Reif geborene Kinder Erwachsene
Galactosämie/1 auf 50.000 SCID (severe combined immune
deficiency)/1 auf 25.000 1. 4–8 oder mehr Otitiden 2 oder mehr Otitiden pro
(Ohrenentzündungen) Jahr
Hämophilie/1 auf 10.000 Summe der Komplementde-
pro Jahr (je nach Alter des
fekte/1 auf 3500
Kindes)
Down-Syndrom/1 auf 700 Selektiver IgA-Mangel/1 auf 600
2. 2 oder mehr schwere 2 oder mehr neue Sinusi-
(223–3000)
Sinusitiden pro Jahr tiden pro Jahr bei Patien-
Sekundärer Immundefekt/ (Nasennebenhöhlenent- ten ohne Allergien
Häufigkeit zündungen)
C1-, C2-, C4-Defekt C1q, C1r, C2, C4 Vermittlung des klassischen – Immunkomplexerkrankungen, Infek-
Paroxysmale nächtli- GPI Verankerung der komplemen- Klonal Gehäufte Infektionen, je nach Ausprä-
8
che Hämoglobinurie tinhibierenden Faktoren C8 bp, gung, starke Verfärbung des Mor-
(PNH) CD46, CD55, CD59 genurins durch Hämolyse
Leukocytenadhäsions- 1.: β2-Integrin Adhäsion der Leukocyten beim Alle Leukocy- Leukocytose, verzögerte Wundheilung,
9 defekt(LAD 1–3) 2.: GDP-Fucose-Trans- Rollen und der festen Bindung ten verzögerter Nabelschnurabwurf, Infekti-
porter am Endothel onen mit Bakterien und Pilzen
3.: verschiedene Gen-
10 defekte
Angeborene Neutro- ELA2 (AD), GFl1 (AD) Kontrolle der Elastase Myeloische Neutropenie, bakterielle und Pilzinfek-
G-CSF-Rezeptor (AD) Signalweiterleitung von G-CSF, PMN Neutropenie, bakterielle und Pilzinfek-
Neutropoese tionen
13 HAX-1 Kontrolle der Apoptose myeloische Neutropenie, bakterielle und Pilzinfek-
(Kostmann-Syndrom) Zellen tionen
14 WASP (XL) Regulation des Actin-Cytos- Myeloische Neutropenie, bakterielle und Pilzinfek-
keletts Zellen tionen
15 Cyclische Neutropenie ELA2 partiell (AD) Kontrolle der Elastase Myeloische Cyclische Neutropenie ca. alle 3 Wochen,
Zellen bakterielle und Pilzinfektionen in neutro-
penischen Phasen
16
Infantile septische p22phox, p47phox, Generierung von reaktiven Sau- Insbesondere Streuende bakterielle Infektionen, keine
Granulomatose (CGD) p67phox, gp91phox erstoffspezies durch Elektronen- PMN, MΦ Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies
17 (XL) übertragung
Defekte des IL-12/ IL-12Rβ, IL-12p40, Induktion einer TH1-Immunant- alle, Insbe- Intrazelluläre Erreger, insbesondere My-
22
durch das Rollen der Leukocyten am Endothel eingeschränkt verschiedenen Mutationen, die zu einer gestörten Signaltrans-
wird. LAD-1 ist ein β2-Integrin(CD18)-Defekt; β2-Integrin ist als duktion von Adhäsionsmolekülen und Chemokinrezeptoren
23 Bestandteil von LFA-1 (lymphocyte function-associated antigen 1) führen. Allen drei Formen von LAD ist gemeinsam, dass es zu
und Mac-1 (macrophage-1 antigen) maßgeblich an der festen Bin- einer stark verminderten Auswanderung der Leukocyten kommt
dung von Leukocyten am Endothel beteiligt. LAD-3 beruht auf und dadurch zu einer Anhäufung im Blut, die als Leukocytose
16.1 • Primäre Immundefekte
225 16
1 Störungen im Knochenmark
myeloische
Vorläuferzelle
2
3 angeborene Neutropenie
aufgrund von Störungen
4 in der Myelo- oder
Neutropoese
Knochenmark
kommen, die wichtig für den Immunglobulinklassen-
wechsel ist. Ebenfalls kann es zum Ausbleiben des zweiten Umlagerung der schweren Kette nicht möglich
Signals am B-Zell-Rezeptor (BCR) über CD19 kommen, bei RAG-1 oder -2-Defekt oder µ-Ketten-Defekt.
wodurch keine Gedächtniszellen gebildet werden Expression des prä-BCR nicht möglich (λ5-Defekt)
Lymphknoten
Einwande-
rung in den
Lymphknoten
keine ausreichende
Aktivierung (CD19-Defekt)
kein Immunglobulin-
klassenwechsel bei CD40-
oder CD40L-Defekt
auch die zelluläre Immunität betrifft. Die AMS kann man in zwei immer der gleiche ist (. Abb. 16.4). Neben der Btk kann eine
große Gruppen einteilen: weitere Kinase, BLNK, defekt sein oder aber eine der beiden Si-
1. Genereller Ausfall oder Minderung der Antikörperproduk- gnalketten des BCR, Igα oder Igβ. Weitere Möglichkeiten sind
tion und die fehlende Expression des prä-BCR aufgrund eines Defektes
2. isotypen- bzw. subklassenspezifischer Ausfall oder Minde- der schweren Kette (μ-Ketten-Defekt) oder der prä-Leichtkette
rung der Antikörperproduktion. (λ5-Defekt). Die Differenzialdiagnose dieses Formenkreises
beruht also auf dem Nachweis der B-Zellen, was bereits direkt
Genereller Ausfall oder Minderung nach der Geburt im Nabelschnurblut durchgeführt werden kann.
der Antikörperproduktion Beim XLA kommt noch eine einfache Möglichkeit hinzu, die
Obwohl das Bruton-Syndrom streng genommen nur die XLA asymptomatischen Überträgerinnen (Konduktorinnen) zu iden-
ist, wird es häufig als klinischer Oberbegriff für die kompletten tifizieren (. Abb. 16.5). Da diese Frauen keine zufällige X-Chro-
Ausfälle in der B-Zell-Entwicklung verwendet. Allen Formen ist mosomeninaktivierung in ihren B-Zellen zeigen, gibt es bei ih-
dabei gemeinsam, dass es zu einem frühen Entwicklungsstopp in nen nur B-Zellen, in denen das X-Chromosom mit dem intakten
der B-Zell-Reifung kommt. Dies lässt sich anhand der in ▶ Kap. 2 Btk-Gen aktiv ist. Entscheidet sich nämlich eine B-Zelle in der
beschriebenen B-Zell-Entwicklung auch gut nachvollziehen. Alle Entwicklung für das X-Chromosom mit dem defekten Btk-
B-Zellen durchlaufen eine positive Selektion, während der ge- Gen, so wird die Entwicklung dieser B-Zelle bei der positiven
prüft wird, ob sie in der Lage sind, einen funktionellen Antikör- Selektion gestoppt. Diese gelangt nicht ins Blut. Bei normalen
per auf ihrer Zelloberfläche zu exprimieren. Fehlt dieses positive Frauen gibt es hingegen zwei B-Zell-Populationen, in einer ist
Signal, so kommt es zur Apoptose in diesen Zellen. Es können das väterliche und in der anderen das mütterliche X-Chromosom
sich keine reifen B-Zellen entwickeln und dementsprechend sind aktiv. Bei Frauen mit einem gesunden Vater kommt das intakte
auch keine B-Zellen im Blut nachweisbar bzw. ihr Anteil liegt Btk-Gen immer vom Vater, d. h. es wird immer das mütterli-
unter 1 % der Lymphocyten (normal: Kinder 12–28 %, Erwach- che X-Chromosom als Barr-Körperchen inaktiviert. Ist bereits
sene 11–16 %). In der Folge sind auch keine Antikörper nach- der Vater an XLA erkrankt, so erübrigt sich der Konduktorin-
weisbar oder ihr Wert liegt unter 100 mg/dl im Serum (normal: nennachweis, da die Töchter automatisch Überträgerinnen sind,
Kinder 300–1300 mg/dl, Erwachsene 700–1600 mg/dl). Dies trifft weil sie vom Vater nur das geschädigte Btk-Gen erben können.
allerdings erst zu, wenn die mütterlichen Antikörper abgebaut Das Btk-Gen ist sehr groß und anfällig gegenüber Mutationen,
sind. Die B-Zell-Zahl stellt also die eindeutigere Diagnostik dar. weshalb es über 600 verschiedene beschriebene Mutationen für
Die betroffenen Säuglinge haben aber keine Isohämagglutinine das Krankheitsbild gibt. Es gibt auch Mutationen, die die Btk-Ak-
(Antikörper gegen die Blutgruppeneigenschaften A und B), da tivität nur vermindern und so keinen kompletten Defekt zeigen,
die IgM-Antikörper nicht diaplazentar übertragen werden. Im sondern eine verminderte Anzahl von B-Zellen. Der Humange-
normalen Säugling werden die Isohämagglutinine bereits sehr netik kommt deshalb eine untergeordnete Rolle zu, da das Fehlen
früh durch den Kontakt mit Darmbakterien gebildet. der B-Zellen der eindeutige und einfachere Nachweis ist. Eine
Weshalb die Signalkaskade vom BCR nicht zustande kommt Pränataldiagnostik ist ebenfalls nicht indiziert, da die Kinder auf-
oder unterbrochen wird, ist dabei zweitrangig, da der Effekt grund des Nestschutzes vollkommen normal zur Welt kommen
228 Kapitel 16 • Immundefekte
normaler Mann
11 XY XY XY XY XY
1 B-Zell-Population,
normale Anzahl von
B-Zellen
12 Mann mit XLA
XY XY XY Btk-Defekt
keine B-Zellen
13 b
14 und sich zunächst auch normal entwickeln, bis die mütterlichen Eine wichtige klinische Abgrenzung ist die transiente Hy-
Antikörper nach 4–6 Monaten abgebaut sind. Von da an treten pogammaglobulinämie des Kleinkindes (THI), die noch nicht
15 gehäufte Infektionen und Gedeihstörungen auf. Charakteristi- richtig verstanden ist. Die betroffenen Kinder, häufig Frühge-
sche Infektionen sind dabei Infektionen mit bekapselten Bakte- borene, haben zwar B-Zellen, diese produzieren aber zunächst
rien (z. B. Pneumokokken und Meningokokken), da man für die keine Antikörper, bis die Produktion irgendwann spontan nach
16 Opsonisierung von bekapselten Bakterien Antikörper benötigt. eineinhalb bis drei Jahren einsetzt. Einzelne Fälle wurden be-
Komplement ist bei diesen Pathogenen dazu allein nicht in der schrieben, bei denen sich dieser verzögerte Einsatz bis ins 5. Le-
17 Lage. Mit viralen Infektionen können die Kinder fast normal bensjahr hinzog. Man sollte dabei bedenken, dass alle Neugebo-
fertig werden, eine Ausnahme bilden dabei die Enteroviren, renen eine physiologische Hypogammaglobulinämie während
weshalb es früher häufig zu Problemen mit der Schluckimpfung der Phase des Abbaus des mütterlichen Immunglobulins zeigen,
18 (Polio-Lebendimpfstoff) kam. Schwere Immundefekte des spezi- weil die eigene Produktion den Antikörper-Pool im Serum nur
fischen Immunsystems sind grundsätzlich eine Kontraindikation langsam auffüllt. Eine Dauertherapie mit IVIG ist bei THI nicht
19 für Lebendimpfstoffe. Der späte Einsatz der Lebendimpfstoffe indiziert. Diese könnte das Einsetzen der Antikörperproduk-
ab dem 11. Lebensmonat bietet deshalb auch die Sicherheit, dass tion des Kindes verzögern. Deshalb behandelt man mit früher
20 man diese Defekte erkennt, unter anderem an der fehlenden Aus- oder prophylaktischer Antibiotikatherapie und nur kurzzeitiger
bildung der Lymphknoten, vor allem der Tonsillen (Mandeln), IVIG-Therapie bei Bedarf.
da für diese eine Interaktion von T- und B-Zellen notwendig Der CD19-Defekt ist ebenfalls ein AMS und manifestiert
21 ist. Durch die Einführung der Dauertherapie mit intravenösen sich bei Säuglingen mit schweren bakteriellen Infektionen. Das
Immunglobulinen (IVIG; ▶ Kap. 17) haben die Kinder heute eine Problem ist hier, dass zwar B-Zellen vorhanden sind, diese aber
22 normale Lebenserwartung, während sie früher nie die Pubertät den wichtigen Corezeptor CD19 nicht exprimieren. Über CD19
erreichten. Zur Vereinfachung der Therapie werden die IVIG bei erhalten die B-Zellen ein wichtiges 2. Signal bei der B-Zell-Akti-
Säuglingen und Kleinkindern noch subkutan durch die Eltern vierung. Da CD19 häufig zur Bestimmung von B-Zellen heran-
23 verabreicht, was ab einer gewissen Körpergröße aufgrund der gezogen wird, kann hier ein falsch negativer Befund entstehen,
notwendigen Menge nicht mehr funktioniert; dann müssen die während die B-Zellen normal CD20 und CD21 exprimieren. Die
Antikörper intravenös durch den Arzt infundiert werden. Behandlung erfolgt über IVIG.
16.1 • Primäre Immundefekte
229 16
1 .. Tab. 16.4 Varianten von SCID. Die SCID-Varianten lassen sich anhand des zellulären Profils unterscheiden. Vorhandene Zellpopulationen sind mit +
markiert, fehlende mit – und erniedrigte mit ↓.
T , B , NK
− − +
RAG-1, RAG-2 Rekombination des TCR und BCR
4 T , B , NK↓
− +
Common-γ-chain (XL) Signaltransduktion von IL-2, -4, -7, -9, -15 und -21
T↓, B , NK
+ +
CD45 Tyrosinphosphatase, beteiligt an der Signaltransduktion verschiedener
Rezeptoren
7 TH+, CTL↓, B+, NK+ ZAP70, CD3γ Signaltransduktion des TCR
8
CD8 T-Zell-Restriktion und akzessorisches Molekül für CTL
9 TH↓, CTL , B (aber ohne HLA-D-Expression), CIITA Klasse-II-Transaktivator ist der Transkriptionsfaktor für die MHC-II-Ex-
+ +
von einer kompletten T-Zell-Defizienz bis hin zu fast normalen immunkompetente Normalpersonen
1000
T-Zell-Zahlen. Die Diagnose erfolgt meist morphologisch und
wird cytogenetisch bestätigt. Die Therapie hängt vom Schwere-
lymphatische Leukämie bei Kindern). Dies führt, je nach Stärke d. h. Infektionen mit andauernder Erregeraktivität, das Immun-
1 der Verdrängung der gesunden Zellen, zu einem Krankheitsbild system negativ beeinflussen. Wichtige Beispiele sind Malaria
wie beim spezifischen Ausfall der entsprechenden Zellpopula- (Plasmodium ssp.) und Lues (Syphilis, Treponema pallidum).
2 tion, die oben besprochen wurde. Die soliden Tumore beein- So kann z. B. das EBV bei Malariainfizierten aufgrund der Im-
trächtigen das Immunsystem je nach Organ mehr oder minder munsuppression durch Plasmodium zur Induktion eines Bur-
stark. Einige hoch maligne Tumore wirken durch die konstitutive kitt-Lymphoms führen. Latente Infektionen (z. B. HSV, EBV)
3 Produktion von bestimmten Mediatoren sogar immunsuppressiv haben normalerweise während der Latenzphase keinen Einfluss
(z. B. Gliablastoma multiforme durch TGF-β). Andere Tumore auf das Immunsystem, da sich der Erreger vollkommen ruhig
4 inhibieren die Produktion der normalen Mediatoren des Organs, verhält. Erst mit der Reaktivierung wird das Immunsystem
sodass diese vermindert vorkommen. Dies können direkt Fak- wieder beeinflusst, wobei die Reaktivierung meist durch eine
5 toren des Immunsystems, wie z. B. Komplementfaktoren aus der Schwächung des Immunsystems hervorgerufen wird. Eine Son-
Leber, oder Mediatoren zur Zellaktivierung und -differenzierung derstellung nehmen die Viren ein, die direkt Leukocyten als ihre
sein, wie z. B. Calcitriol (aktives Vitamin D3) aus der Niere, was Zielzellen haben und so mit ihrer Vermehrung direkt das Im-
6 zur Makrophagendifferenzierung benötigt wird. Dies ist auch die munsystem schädigen. Das wichtigste Beispiel ist das humane
Ursache, warum bei den meisten schweren Nierenerkrankun- Immundefizienzvirus (HIV).
7 gen ein sekundärer Immundefekt vorliegt. Unspezifisch wirken
viele Tumoren durch ihren hohen Energieverbrauch oder die
verschlechterte Nährstoffaufnahme, sodass es zu einem Zustand HIV und AIDS
8 wie bei einer Mangelernährung kommt, die immunsuppressiv
wirkt (▶ Kap. 15). Dies trifft auch auf viele gastroenterologische Seit der Erstbeschreibung von AIDS (acquired immune deficiency
9 Erkrankungen zu, wie Malabsorption von bestimmten Nähr syndrome) im Jahre 1981 als eigenes Krankheitsbild hat sich HIV
stoffen (z. B. Zinkmangel) oder erhöhtem Verlust durch Diarr- als ursächlicher Erreger dieser Erkrankung zur größten weltwei-
10 höen (Durchfälle) unterschiedlicher Ursache. ten Pandemie ausgebreitet. Schnell nach der Beschreibung von
Der sekundäre Immundefekt durch Strahlenunfälle oder AIDS wurde jedoch klar, dass es das Krankheitsbild bereits lange
-therapie dient sogar der Diagnostik. Nach einer Ganzkörper- vorher gab. Anhand von zwei infizierten Proben aus den Jahren
11 bestrahlung mit ionisierenden Strahlen kommt es zu einem 1959 und 1960 aus Afrika konnte man über die Mutationsrate
Leukocytensturz, d. h. die Anzahl der Granulocyten fällt schnell von HIV zurückrechnen, wann das Virus wahrscheinlich vom
12 ab, da sie nur eine kurze Lebenszeit haben und die Nachpro- Affen auf den Menschen übergetreten ist. Die am häufigsten
duktion aufgrund der Schädigung des Knochenmarks ausbleibt. genannte Jahreszahl ist 1908, wobei je nach Berechnung eine
Das Krankheitsbild ähnelt dann symptomatisch den oben be- Zeitspanne zwischen 1873 und 1933 entsteht. Die Affenimmun
13 schriebenen Agranulocytosen. Der Leukocytensturz tritt dabei defizienzviren (SIV) selbst sind wesentlich älter, d. h. zwischen
bereits nach 1–2 Tagen auf, während ein Haarausfall erst nach 10.000–100.000 Jahre alt, weshalb sich das Immunsystem der Af-
14 2–3 Wochen einsetzt, sodass ein Strahlenunfall akut diagnosti- fen wahrscheinlich wesentlich besser an die Viren angepasst hat
ziert werden kann. als unser Immunsystem an HIV. Für die Entdeckung von HIV-1
15 Bei verschiedenen Infektionskrankheiten wird das Immun- (1983) und HIV-2 (1986) bekamen Luc Montagnier und Fran-
system negativ beeinflusst, ohne dass man dies als sekundären coise Barré-Sinoussi 2008 den Nobelpreis für Physiologie oder
Immundefekt beschreibt. So sind z. B. die schweren Verläufe Medizin. HIV-1 und -2 sind +Strang-RNA-Retroviren, die zur
16 einer Grippe meist nicht auf das Influenzavirus selbst, sondern Gattung der Lentiviren gehören (. Abb. 16.8). Während HIV-1
auf Superinfektionen durch Bakterien zurückzuführen. Das weltweit verbreitet ist, ist HIV-2 im Wesentlichen noch auf West-
17 hochinfektiöse Influenzavirus schwächt dabei die natürlichen und Zentralafrika beschränkt. Zurzeit gibt es ca. 33 Millionen
Barrieren, sodass die Bakterien sich leichter ansiedeln können. HIV-Infizierte auf der Welt, in Deutschland ca. 78.000 (Schät-
Schwere sekundäre Immundefekte lösen die kongenitalen In- zung des Robert-Koch-Institutes von 2012). Jährlich sterben etwa
18 fektionen, d. h. Infektionen des Kindes im Mutterleib, aus. Hier zwei Millionen Menschen an AIDS und drei Millionen infizieren
wird ein noch nicht ausgereiftes Immunsystem mit Erregern sich neu, sodass die Zahl der Neuinfizierten immer noch weiter
19 konfrontiert, sodass sich keine schützende Immunantwort ansteigt. Nachdem man es in Deutschland in den 1990er-Jah-
aufbaut und das Immunsystem sich auch nicht weiter normal ren durch massive Aufklärungskampagnen geschafft hatte, die
20 ausdifferenziert. Klinisch bedeutsame Infektionen sind dabei Rate von Neuinfektionen stark zu senken, stieg die Anzahl von
unter anderem die Infektionen mit CMV, Rötelnvirus und To- Neuinfektionen seit 2000 von ca. 1500/Jahr wieder stetig an auf
xoplasma gondii. Deshalb sind auch die Rötelnimpfungen bei ca. 3000/Jahr im Jahr 2010. Während in Deutschland jeder In-
21 Mädchen von besonderer Bedeutung, und die Antikörpertiter fizierte bei Bedarf eine teure antiretrovirale Therapie bekommt,
gegen Röteln werden bei jeder Schwangeren bestimmt, um eine steht diese weltweit nur etwa fünf Millionen der Infizierten zur
22 Infektion sicher ausschließen zu können. Bei der Diagnostik Verfügung.
einer Rötelninfektion in Säuglingen ist es wichtig, IgM-Antikör- Die HIV-Infektion wird heutzutage überwiegend sexuell
per gegen die Erreger nachzuweisen, da nur diese sicher vom übertragen, Übertragungen mit Blut und Blutprodukten sind
23 Kind stammen. IgG-Antikörper können auch von der Mutter in Deutschland durch geeignete Testungen (PCR zum Virus-
stammen, da diese plazentagängig sind. Neben den kongenita- nachweis) und Sicherheitsmaßnahmen (Quarantäneplasma
len Infektionen können chronisch persistierende Infektionen, und Virusinaktivierungen) sehr unwahrscheinlich, d. h. das Ri-
16.2 • Sekundäre Immundefekte
233 16
3 700
104
5 103
350
6 102 Laborstadium 3
200
7 101 // // 0
ca. 1–8 Wochen ca. 2–15 Jahre ca. 3–5 Jahre ca. 1 Jahr
8 akutes retro-
virales Syndrom
asymptomatische Phase
(CDC A)
symptomatische AIDS
Phase (CDC B) (CDC C)
.. Abb. 16.9 Verlauf einer HIV-Infektion. Kurz nach der Infektion mit dem HI-Virus kommt es zum akuten retroviralen Syndrom, das klinisch mehr oder min-
9 der stark ausgeprägt ist. Während dieser Phase vermehrt sich das Virus stark (rote Linie), d. h. die Viruslast steigt (Anzahl der Kopien des Virusgenoms im Blut).
Im gleichen Maße fällt die Anzahl der TH-Zellen ab (grüne Linie). Während der sehr frühen Infektion kann nur das Genom nachgewiesen werden (roter Balken)
10 und kurze Zeit später das p24-Antigen des Virus (oranger Balken). Die Antikörperproduktion (gelber Balken) setzt erst verzögert ein, sodass während der Früh-
phase ein Antikörpernachweis unsicher ist (gelb-gestrichelter Balken). Dieses sogenannte diagnostische Fenster beträgt etwa eine Woche. Das Virus geht dann
in die Latenzphase über, während der es sich nur langsam vermehrt und die TH-Zell-Zahl normal ist, wodurch der HIV-Infizierte keine Krankheitserscheinungen
11 zeigt. Der Patient befindet sich im Stadium A (nach CDC, Center of Disease Control). Während dieser Phase kann man alle drei Testverfahren anwenden, wobei
der Antikörpernachweis am günstigsten ist. Nach mehreren Jahren reaktiviert dann das Virus, wobei die Länge der Latenzzeit von der genetischen Ausstat-
tung des Infizierten abhängt, d. h. umso mehr Risikogene er hat, desto schneller verschlechtert sich das Krankheitsbild, während protektive Genvarianten den
12 Krankheitsverlauf verlangsamen. Wenn das HI-Virus reaktiviert, beginnt der Übertritt in die symptomatische Phase (Stadium CDC B), bei der die Viruslast steigt
und die Zahl der TH-Zellen abfällt. Umso stärker die TH-Zell-Zahl abfällt, desto häufiger werden Infektionen. Wenn das Immunsystem zusammenbricht, tritt der
Patient in die Phase AIDS ein (CDC C), mit den typischen AIDS-definierenden Erkrankungen. In der Spätphase von AIDS kann es dazu kommen, dass die Anti-
13 körperproduktion zusammenbricht und so ein HIV-Infizierter im Antikörpertest wieder negativ wird (gestrichelter gelber Balken). Über die Anzahl der TH-Zellen
ist die Erkrankung zusätzlich in drei Laborstadien eingeteilt, die wichtig für den Einsatz der antiretroviralen Therapie sind
14
.. Tab. 16.5 Einfluss des Genotyps auf die HIV-Infektion
15 Genetische Variante Funktion des Genprodukts bei der HIV-Infektion Effekt der Genvariante auf die HIV-Infektion
CCR5∆32 (32 bp Deletions- CCR5 ist ein Corezeptor für HIV, Mutante zeigt vermin- Niedrigere Infektionswahrscheinlichkeit, verzögerter
16 mutante) derte Bindung Krankheitsverlauf
CCR5P1 (Promotorallel 1 von 10) CCR5 ist ein Corezeptor für HIV, Promotorallel zeigt Beschleunigter Krankheitsverlauf gegenüber den
17 höhere Expression des Rezeptors übrigen Allelen
CCR5-259A (Punktmutation) CCR5 ist ein Corezeptor für HIV, Mutante zeigt verbes- Beschleunigter Krankheitsverlauf gegenüber norma-
CCR5m303 (Punktmutation) CCR5 ist ein Corezeptor für HIV, Mutante zeigt vermin- Leicht verzögerter Krankheitsverlauf
derte Bindung
19 CCR2-64I (Punktmutation) CCR2 ist ein alternativer Corezeptor für HIV, Mutante Verzögerter Krankheitsverlauf
zeigt verminderte Bindung
20 SDF1-3′A CXCR4 ist ein Corezeptor für HIV und SDF-1 dessen Verzögerter Krankheitsverlauf
Ligand, Mutante blockiert den Rezeptor
21 HLA-B (Polymorphismus in Antigenpräsentation, je nach Genotyp bessere (z. B. Niedrigere Infektionswahrscheinlichkeit und
Aminosäure 97) B*57:01) oder schlechtere (z. B. B*35) Präsentation von verzögerter Krankheitsverlauf bei den protektiven
22
HIV-Antigenen Genotypen
23
16.2 • Sekundäre Immundefekte
235 16
zen. Ob es gelingt, diesen Ansatz auf das HIV zu übertragen, ist Infektionen
13 noch offen. Immunsuppressive Medikamente, die gegeben werden müssen,
um die Abstoßung eines Allotransplantats zu verhindern, führen
14 nicht nur zu einer Unterdrückung der allogenen Immunantwort
16.3 Immuntoxikologie gegen das Transplantat, sondern auch zu häufigeren und schwe-
15 reren Infektionen mit Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten.
Die Immuntoxikologie untersucht einen Spezialfall sekundärer Ähnliche Effekte haben auch Corticosteroide, wie sie bei der Be-
Immundefekte, nämlich Modulation des Immunsystems durch handlung von Asthma eingesetzt werden, oder eine anti-Tumor-
16 toxische Substanzen. Dabei kann es sich um den Einfluss klas- nekrosefaktor-α(TNF-α)-Therapie bei Autoimmunerkrankungen
sischer Gifftstoffe wie Schwermetalle, organische Kohlenwasser- (▶ Kap. 17).
17 stoffverbindungen und biologische Toxine handeln, aber auch Nicht nur Medikamente können die Funktion des Immun-
um Nebenwirkungen von Medikamenten (. Tab. 16.7). Durch systems stören. Immuntoxische Schwermetalle, in der Haupt-
die Interaktion immuntoxischer Agenzien mit dem Immunsys- sache Quecksilber, Cadmium und Blei, verursachen ebenfalls
18 tem kommt es entweder zu einer Immunsuppression oder aber eine erhöhte Neigung zu Infektionen mit verschiedenen Viren
zu einer übersteigerten oder fehlgeleiteten Immunantwort, z. B. und Bakterien. Zahlreiche Auswirkungen dieser Metalle auf die
19 in Form von Hypersensitivität oder einer Autoimmunreaktion. Leukocytenfunktion wurden beschrieben, aber ein einheitlicher
Bei starken Immuntoxinen mit definierter Exposition lässt Mechanismus wurde noch nicht identifiziert.
20 sich eine immuntoxische Wirkung üblicherweise klar nach- Eine Reihe von organisch-chemischen Verbindungen füh-
weisen. Schwieriger ist es, einen Bezug herzustellen zwischen ren zu erhöhter Infektionsneigung, indem sie auf die zelluläre
Substanzen, die sich über längere Zeit im Körper anreichern, Immunität einwirken. Zu den polyhalogenierten aromatischen
21 und ihren möglichen immunologischen Effekten. Außerdem Kohlenwasserstoffen gehören unter anderem die polychlo-
werden dabei häufig Prozesse beeinflusst, die auch in Abwe- rierten Biphenyle (PCB) und Dioxine, wie das Seveso-Dioxin
22 senheit immuntoxischer Agenzien auftreten, wie Allergien, 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin (TCDD). Eine Vergiftung
Atherosklerose und Typ-1-Diabetes. Eine sichere Korrelation mit diesen Substanzen verursacht Atrophie der Lymphorgane,
zwischen Toxin und Wirkung herzustellen ist dabei in vielen die mit Immunsuppression einhergeht. Ganz ähnlich wirkt auch
23 Fällen problematisch. Benzol, das Knochenmarkhypoplasie und Leukopenie mit ei-
Experimente in Tiermodellen erlauben die kontrollierte Ex- nem Mangel an allen hämatopoetischen Zelltypen verursachen
position unter Laborbedingungen und dadurch den weitgehen- kann.
16.3 • Immuntoxikologie
237 16
Tumorbildung Fremd-Proteinen im Organismus vorhanden ist. Die Bindung
Empfänger von Organtransplantationen haben ein 4- bis 500- an eines dieser Proteine hätte, im Gegensatz zu körpereigenen
fach höheres Risiko für Krebserkrankungen, insbesondere mit Proteinen, hohes immunogenes Potenzial, da die T-Zell-Hilfe
dem Kaposi-Sarkom, Lymphomen und Hautkrebs. Die erhöhte nicht durch Selbst-Toleranz behindert ist. Zum anderen führt
Tumorrate basiert nicht in erster Linie auf einer Unterdrückung die Anwesenheit von Liganden der Rezeptoren für Pathogen-
der Mechanismen des Immunsystems zur Tumorabwehr. Statt- bestandteile, beispielsweise der Toll-ähnlichen Rezeptoren, zu
dessen ist eine Hemmung der antiviralen Immunität ausschlag- einer Aktivierung von professionellen antigenpräsentierenden
gebend. Verminderte Immunfunktion führt zu einer Reakti- Zellen, mit verstärkter Präsentation von Antigenen und costi-
vierung von ruhenden Viruserkrankungen wie dem Humanen mulierenden Molekülen. Die Bedingungen sind damit ideal für
Herpesvirus Typ 8, dem Auslöser des Kaposi-Sarkoms. Auch das eine effektive Immunisierung.
Epstein-Barr-Virus, mit dem über 90 % der erwachsenen Bevöl- Zusätzlich zu den medikamenteninduzierten Allergien gibt
kerung infiziert sind, kann sich in Personen mit verminderter es noch die Gruppe der anaphylaktoiden Hypersensitiviätsre-
Immunität wieder unkontrolliert vermehren und B-Zellen infi- aktionen oder auch Pseudoallergien. Die Symptomatik ähnelt
zieren. Dies kann zum Burkitt-Lymphom und anderen lympho- dabei der einer Allergie vom Soforttyp, aber es tritt keine Sensi-
proliferativen Erkrankungen führen. bilisierung auf und kommt nicht zur Bildung von IgE gegen das
Eine Reaktivierung tumorverursachender Viren ist nicht der auslösende Toxin. Daher kann diese Reaktion, im Gegensatz zu
einzige Mechanismus, durch den Immunsuppression zur Entste- einer konventionellen Allergie, auch bereits beim Erstkontakt
hung maligner Erkrankungen beiträgt. In Nagetieren wurde ge- auftreten. Ein weiterer Unterschied ist, dass die pseudoallergi-
zeigt, dass TCDD die Bekämpfung transplantierter Tumorzellen schen Reaktionen bei wiederholter Exposition abschwächen,
vermindert, also einen direkten Einfluss auf die Tumorabwehr anstatt an Stärke zunehmen, da es sich nicht um eine „gelernte“
des Immunsystems hat. Dies gilt möglicherweise auch für polycy- Reaktion des adaptiven Immunsystems handelt.
clische aromatische Kohlenwasserstoffe, die bei der Verbrennung Häufige Auslöser für Pseudoallergien sind Röntgenkont-
fossiler Energieträger oder Tabak entstehen. Diese Substanzen, rastmittel oder Liposomen, die eingesetzt werden, um in ihrem
oder ihre Metaboliten, sind in der Lage, durch Erbgutschäden Innern die Wirkstoffe bestimmter Medikamente durch den Kör-
die Entstehung von malignen Entartungen zu fördern. Interes- per zu transportieren. Der auslösende Mechanismus ist für beide
santerweise sind die meisten der carcinogenen Vertreter dieser Substanzklassen relativ gut untersucht und verläuft unter Betei-
Substanzklasse auch gleichzeitig immunsuppressiv. Möglicher- ligung des Komplementsystems über den klassischen und den
weise trägt auch hier die Inaktivierung der Immunabwehr zur alterativen Weg. Die bei der Komplementaktivität entstehenden
Ausbreitung von Tumoren bei. Anaphylatoxine wie C3a und C5a sind in der Lage, Mastzellen
und Basophile durch entsprechende Oberflächenrezeptoren zu
aktivieren. Dadurch wird die Freisetzung der gleichen Mediato-
Gesteigerte Immunreaktionen ren ausgelöst wie bei der Typ-1-Allergie, sodass es trotz einer un-
terschiedlichen Ursache zu sehr ähnlichen Symptomen kommt.
Hypersensitivität und Allergie Nicht immer werden Hypersensitivitätsreaktionen sofort
Auch wenn die Zahlen verschiedener Untersuchungen unterei- ausgelöst, teilweise können die immuntoxischen Einflüsse be-
nander stark abweichen, kann davon ausgegangen werden, dass reits Jahre zurückliegen. Ein Beispiel sind prä- oder perinatale
Antibiotika aus der Gruppe der Penicilline die häufigste Ursache Belastungen. Es gibt Hinweise, dass die Entwicklung des Immun-
für eine Medikamentenallergie darstellen. Die IgE-vermittelte systems bereits in utero beeinflusst werden kann und dass der
Allergie vom Soforttyp ist dabei die vorherrschende Variante, pränatale Kontakt mit Ethanol, Schwermetallen, Tabakrauch und
bei der es zu einer systemischen Reaktion mit Juckreiz, Urtikaria halogenierten Kohlenwasserstoffen in bestimmten Entwicklungs-
und in einigen Fällen zum anaphylaktischen Schock kommen stadien die Reifung und Ansiedelung monocytärer Zellen, DCs
kann. Seltener treten auch allergische Reaktionen der anderen und T-Zellen in peripheren Geweben beeinflussen kann. Epide-
drei Allergietypen auf. miologisch belegt ist zum Beispiel, dass Kinder, deren Mütter
Immunologisch ist eine allergische Sensibilisierung gegen während der Schwangerschaft Tabakrauch ausgesetzt waren, im
Penicilline eigentlich nicht zu erwarten, da es sich um ein Hapten späteren Leben eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, an aller-
handelt, das ohne einen Protein-Carrier vorliegt. Damit fehlt eine gischem Asthma zu erkranken.
essenzielle Voraussetzung für die Produktion von IgE und IgG.
Die Bildung T-Zell-abhängiger Antikörper gegen Penicilline, wie Autoimmunität
auch gegen eine Reihe anderer niedermolekularer Substanzen, Ähnlich wie die Medikamente zur Immunsuppression haben
kann durch ihren Metabolismus im menschlichen Körper erklärt auch immunstimulierende Medikamente das Potenzial für
werden. In dessen Verlauf kommt es zur Bildung reaktiver Ab- unspezifische Nebenwirkungen. Autoimmunerkrankungen tre-
bauprodukte, die dann an Proteine binden. Erst danach ist eine ten beispielsweise häufiger auf, wenn Patienten mit Cytokinen
Sensibilisierung mit T-Zell-Hilfe möglich. wie IFN-α und IL-2 behandelt werden. Auch Goldverbindungen,
Zusätzlich zu ihren metabolischen Eigenschaften gibt es noch die als Immunmodulatoren bei der rheumatoiden Arthritis ein-
einen zweiten Grund für das relativ häufige Auftreten von Aller- gesetzt werden, führen in einigen Fällen zu Nierenschädigung
gien gegen Penicilline. Antibiotika werden im Rahmen einer In- aufgrund der Ablagerung von Immunkomplexen mit der daraus
fektion verabreicht, bei der naturgemäß eine größere Menge von folgenden Aktivierung des klassischen Komplementweges.
238 Kapitel 16 • Immundefekte
4
Literatur
13 Luster MI, Blank JA (1987) Molecular and Cellular Basis of Chemically Induced
Immunotoxicity. Ann Rev Phamacol Toxicol 27:23–49
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Warnatz K, Peter HH (2004) Systematik und Diagnostik von Immundefektsyn-
dromen. Internist 8:861–881
16
17
18
19
20
21
22
23
239 17
Immundiagnostik
und Immuntherapie
Lothar Rink
17.1 Immundiagnostik – 240
17.2 Immuntherapie – 249
Literatur – 254
In den vorherigen Kapiteln hat man gesehen, dass das Immun- 17.1 Immundiagnostik
1 system ein kompliziertes Netzwerk aus interagierenden Zellen
und löslichen Faktoren ist, die gezielt zusammenwirken müssen, Die Immundiagnostik dient dem Aufspüren von primären und
2 um eine effektive Immunantwort aufzubauen. Genau in dieser sekundären Immundefekten, Autoimmunkrankheiten und All-
Komplexität liegt die Problematik der Immundiagnostik (▶ Ex- ergien sowie der Differenzialdiagnose bei verschiedenen Krank-
kurs 17.1) und -therapie, denn es genügt nicht das einfache Zäh- heitsbildern.
3 len der Leukocyten, um die Funktion zu bestimmen, und eine
Therapie wirkt sich immer an mehreren Stellen in diesem Netz
4 werk aus. So bekommt man bei der Therapie neben der gewoll- Diagnose von Immundefekten
ten Wirkung häufig ein unerwünschtes Problem dazu. Deshalb
5 stehen neben den quantitativen Testverfahren auch funktionelle Die Immundefektdiagnostik sollte stets gezielt und nach den
Testverfahren zur Verfügung, um die Immunkapazität richtig zu Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Immundefekte durch-
bestimmen. In der Therapie muss man meistens eine Gratwande- geführt werden. Des Weiteren führt man zunächst kostengüns-
6 rung zwischen Wirkung und Nebenwirkung machen. tige quantitative Messungen durch, bevor man die teuren und
Erwachsene, Kinder
starke Infektionsanfälligkeit mit HIV+ Eltern
nein HIV?
ja
physik erenzialblutbild Neutropenie
Lymphopenie kl erenzialblutbildfärbung
keine Neutropenie,
Neutropenie
unreife Neutrophile
Lymphocytenphänotypisierung
Bestimmung der
Immunglobuline erenzierung
T-Zell- B-Zell-
Mangel Mangel - sek. Neutropenie
(z. B. Medikamente)
AMS kein AMS Abklärung - angeb. Neutropenie
ne - Infektion - cycl. Neutropenie
Ausschluss eines sek. in
Bestimmung der - hämatologische - autoimmune
(z. B. Medikamente) oder
Immunglobuline IgG-Subklassendefekt? Erkrankung Neutropenie
passageren Defektes
ja
.. Abb. 17.1 Verlaufsdiagramm der Immundefektdiagnostik. Die Indikation der Immundefektdiagnostik erfolgt aufgrund der klinischen Symptomatik. Die
Abbildung suggeriert, dass häufige Infektionen immer einen manifesten Immundefekt zur Grundlage haben, tatsächlich wird die Diagnostik jeweils abgebro-
chen, wenn sich kein auffälliger Befund ergibt. Man muss auch berücksichtigen, dass es sich um sekundäre Immundefekte handeln kann, die im Schema nur
z. T. berücksichtigt sind. Neben den quantitativen Messungen sind häufig Funktionstests zur Bestimmung von funktionellen Defekten notwendig. AMS = Anti-
körpermangelsyndrom, CVID = allgemeiner variabler Immundefekt, IVIG = intravenöse Immunglobuline, KMT/SZT = Knochenmark-/Stammzelltransplantation,
THI = transiente Hypogammaglobulinämie des Kleinkindes
aufwendigen funktionellen Tests einsetzt. Die Diagnostik erfolgt müssen hingegen mittels ELISA (enzyme-linked immunosorbent
dabei nur bei einem Verdacht auf einen Immundefekt aufgrund assay) bestimmt werden (. Abb. 17.2). ELISA bzw. dessen Ab-
klinischer Auffälligkeiten (. Tab. 16.2) oder einer entsprechen- wandlungen (z. B. EIA, enzyme immuno assay) basieren auf dem
den Familienanamnese. Die meisten Menschen vergessen da- Nachweis von Antigenen bzw. Antikörpern mittels enzymgekop-
bei heutzutage, dass Infektionen ein häufiges Ereignis sind und pelter Antikörper bzw. Antigenen. Statt Enzymen zum Nachweis
halten bereits einige Infektionen im Jahr für auffällig. Ein Ver- werden z. T. auch radioaktive Markierungen verwendend, man
laufsdiagramm der Immundefektdiagnostik mit einem generel- spricht dann von einem RIA (radio immuno assay). Der RIA wird
len Herantasten an die Ursachen einer Infektanfälligkeit ist in heute vor allem beim Nachweis niedermolekularer Substanzen
. Abb. 17.1 gezeigt. verwendet. Diese Tests sind in der Regel hoch standardisiert und
haben eine minimale Fehlerquote. Dies ist schon anders bei der
Quantitative Messverfahren quantitativen Bestimmung von spezifischen Antikörpern gegen
Zur quantitativen Bestimmung von Antikörpern der Klassen bestimmte Antigene oder Allergene. Hier gibt es zum einen das
IgG, IgA und IgM verwendet man die Nephelometrie und Tur- Problem der Kreuzreaktivität, d. h. Antikörper, die eine Bindung
bidimetrie. Beide photometrischen Verfahren beruhen auf dem an ein ähnliches Antigen, wenn auch mit geringerer Affinität,
Nachweis von Immunkomplexen in Lösung. Die Nephelometrie zeigen. Aus diesem Grund wird eine HIV-Infektion nach dem
bestimmt dabei das Streulicht, das durch die Immunkomplexe ELISA immer mit dem Western-Blot bestätigt, da es z. B. Kreuz-
entsteht, während die Turbidimetrie das ungestreute „Restlicht“ reaktivitäten zwischen anti-HIV-Antikörpern gegen gp120 und
misst. Aufgrund der einfachen Messung sind die Nachweise sehr anti-HLA-D-Antikörpern gibt, die bei einigen Autoimmun-
konstengünstig und sollten deshalb immer als Eingangsdiagnos- krankheiten und nach Schwangerschaften vorkommen. In der
tik bei dem Verdacht auf einen Immundefekt durchgeführt wer- Serologie, d. h. dem Nachweis von Infektionen über Antikörper,
den. Die IgG-Subklassen, IgE, antigenspezifische Antikörper und gibt es aber noch weitere generelle Probleme von falsch positiven
weitere immunologische Faktoren, wie z. B. Komplementfaktoren Ergebnissen. Gammopathien, d. h. B- oder Plasmazellentartun-
242 Kapitel 17 • Immundiagnostik und Immuntherapie
1 Antigennachweise Antikörpernachweise
2
3
4
5 .. Abb. 17.2 ELISA-Verfahren. Bei den ELISA- bzw. antikörperbasierten Testverfahren kann man zwischen Antigen- und Antikörpernachweisen unterscheiden.
Antigennachweise können für fast alle Substanzen angewendet werden, weshalb diese Technologie auch eine sehr breite Anwendung hat und ein Standard-
6 verfahren (z. B. Schwangerschaftstests) geworden ist. Für die meisten Antigene verwendet man das sogenannte Sandwich-Verfahren, bei dem das Antigen von
zwei Antikörpern erkannt wird, wovon einer an der Mikrotiterplatte oder einer anderen festen Matrix gebunden ist (Capture-Antibody, Fänger-Antikörper). Bei
den meisten modernen kommerziellen Tests sind dies wirklich zwei Antikörper, bei denen dann der zweite Antikörper (Sekundär- oder Nachweisantikörper,
7 Detection-Antibody) direkt enzymmarkiert ist. Die enzymmarkierten Antikörper werden auch als Konjugat bezeichnet. Teilweise werden die Antikörper auch
mit Biotin gekoppelt, sodass man ein einheitliches Konjugat aus einem Strepavidin-Enzym-Komplex verwenden kann. Es können aber auch mehrere Antikör-
per sein, wenn z. B. der zweite Antikörper nicht direkt mit dem Enzym gekoppelt ist, sondern erst mit einem weiteren enzymgekoppelten Antikörper (tertiärer
8 Antikörper) nachgewiesen wird. Im Sandwich-ELISA ist die Enzymmenge und damit am Ende der Substratumsatz immer direkt proportional zur Antigenmen-
ge. Voraussetzung für diese Sandwich-Verfahren ist, dass es zwei unterschiedliche Epitope auf dem Antigen gibt, also zwei verschiedene Strukturen, an die
Antikörper binden können. Mit Einschränkungen funktioniert es auch, wenn ein Epitop mehrfach auf dem Antigen vorkommt.
9 Niedermolekulare Substanzen sind so klein, dass meistens kein zweites Epitop vorhanden ist, sodass das Sandwich-Verfahren nicht anwendbar ist. Hierfür gibt
es das kompetitive Nachweisverfahren. Dazu braucht man nur ein Epitop, das vom Capture-Antibody erkannt wird. Da die Antigen-Antikörper-Reaktion dem
Massenwirkungsgesetz unterliegt und nicht kovalent ist, ist die Bindung des Antigens nicht starr. Gibt man jetzt dasselbe Antigen in einer markierten Form
10 hinzu, so stellt sich ein Gleichgewicht zwischen markiertem und unmarkiertem Antigen ein, d. h. die von den Antikörpern gebundenen markierten Antigene
entsprechen genau deren prozentualem Anteil im Verhältnis zum unmarkierten Antigen. Hier verhält sich jetzt das Messergebnis umgekehrt proportional zur
11 Antigenmenge, da bei einer großen unmarkierten Antigenmenge, die Menge des gebundenen markierten Antigens abnimmt und damit der Substratumsatz
bzw. die Menge an radioaktiver Substanz. Tatsächlich werden die meisten kompetitiven ELISA mit einer radioaktiven Markierung der Antigene durchgeführt,
da diese das Antigen am wenigsten modifizieren und so deren Bindungseigenschaften gegenüber den unmarkierten Antigenen nicht verändern. Bei einer
12 Kopplung mit relativ großen Enzymen ist dies nicht immer möglich.
Antikörpernachweise verwendet man zur serologischen Testung auf Infektionen bzw. zum Nachweis von Impftitern. Beim klassischen ELISA-Verfahren (z. B. HIV-
Test) werden dabei Antigene des Erregers an die Mikrotiterplatte gekoppelt. Sind im Serum des Patienten Antikörper gegen diesen Erreger vorhanden, so binden
13 diese an die Antigene und können über einen enzymgekoppelten Sekundärantikörper nachgewiesen werden. Die Sekundärantikörper können dabei auch spezi-
fisch für bestimmte Antikörperklassen sein, also z. B. nur IgG oder IgA nachweisen, je nachdem, welche Antikörper einen protektiven Schutz bieten.
Da es beim Infektionsnachweis immer wichtig ist, dass man auch IgM-Antikörper nachweist, um zu sehen, ob es sich um eine akute oder chronische Infektion
14 ▶
handelt ( Kap. 8), hat der normale ELISA einen Nachteil. Hochtitrige IgG-Antikörper, die aufgrund der Affinitätsreifung eine höhere Affinität zum Antigen haben,
können die niedrigaffinen IgM-Antikörper von den Antigenbindungsstellen verdrängen, wodurch die Befunde für IgM falsch negativ würden. Um dies auszu-
schließen, gibt es den Capture-ELISA. Bei diesem bindet man zunächst das IgM aus dem zu testenden Serum über einen Anti-IgM-Antikörper an die Mikrotiter-
15 platte. Um nachzuweisen, ob unter den IgM-Antikörpern auch erregerspezifische IgM-Antikörper sind, setzt man dann ein markiertes/enzymgekoppeltes Antigen
ein. Somit kann es keine Verdrängung mehr über hochtitriges IgG geben, da dieses nach der Bindung von IgM an die Mikrotiterplatte herausgewaschen wird
16 gen, können hochtitrige Antikörper bilden, die falsch positive ferenzialblutbild erstellt. Ein Differenzialblutbild, auch großes
Ergebnisse liefern. Blutbild genannt, soll eigentlich eine Subtypisierung der Leu-
17 Des Weiteren können bei mehrstufigen Testverfahren soge- kocyten beinhalten, während das kleine Blutbild nur Leukocyten
nannte HAMA (human anti-mouse antibodies) und HAIA (hetero- von Erythrocyten und Thrombocyten unterscheidet. Im kleinen
philic anti-immunoglobulin antibodies) zu falschen Ergebnissen Blutbild sieht man eigentlich nur Veränderungen der neutrophi-
18 führen, da diese mit den Nachweisantikörpern direkt reagieren len Granulocyten, als Leukopenie (< 4000 Leukocyten/μl) oder
und nicht an das Antigen binden. Die HAMA beruhen auf einem Leukocytose (> 10.000 Leukocyten/μl), da diese den Hauptan-
19 vorherigen Kontakt mit Mausantikörpern im Rahmen einer The- teil der Leukocyten stellen. Daneben kann eine Abnahme der
rapie. Die HAIA kommen bei jedem Erwachsenen vor und wer- Erythrocyten oder des Hämoglobingehaltes (Anämie) erkannt
20 den durch tierische Antikörper in der Nahrung (z. B. Kuhmilch) werden oder ein Abfall der Thrombocyten < 150.000/μl (Throm-
induziert, sind aber z. T. auch regulatorische anti-Antikörper im bopenie). Im Normalfall funktioniert das physikalische Diffe-
Immunsystem. Letztlich gibt es auch noch Autoantikörper ge- renzialblutbild hervorragend, sodass man die genaue Anzahl von
21 gen Antikörper, die sogenannten Rheumafaktoren (RF), die zu neutrophilen, eosinophilen und basophilen Granulocyten sowie
ähnlichen falsch positiven Ergebnissen führen können. Deshalb Monocyten und Lymphocyten erhält. Hiermit kann man jetzt
22 sind die Einzelbefunde der Serologie immer als Gesamtheit zu Agranulocytose, Neutropenie, Eosinophilie und Lymphope-
betrachten, da nur dann solche falsch positiven Ergebnisse auf- nie (< 1000 Lymphocyten/μl) oder Lymphocytose (> 3600 Lym-
fallen. phocyten/μl) diagnostizieren. Die Lymphocytensubpopulationen
23 Die quantitative Bestimmung der Leukocyten ist eine Ba- können im Differenzialblutbild nicht unterschieden werden. Im
sisdiagnostik für viele Krankheiten. Aus Kostengründen wird Gegensatz zur klassischen Differenzialblutbildfärbung kann man
heute fast ausschließlich ein maschinelles, physikalisches Dif- jedoch im physikalischen Differenzialblutbild die Vorstufen der
17.1 • Immundiagnostik
243 17
Laser FSC
(Größe)
SSC
(Granularität)
FL-1
(grün)
Laser FSC
(Größe)
FL-2 SSC
(rot) (Granularität)
.. Abb. 17.3 Durchflusscytometer. Im Durchflusscytometer werden die Zellen eines Zellgemisches in einem Flüssigkeitsstrom einzeln durch eine Kapilare
gesaugt. In der Kapilare werden die Zellen mit einem Laserstrahl beschossen. Rein physikalisch entstehen dabei zwei Parameter im Laserlichtkegel. Zum einen
kann im FSC (forward scatter) über einen Photomultiplier die Lichtbeugung bestimmt werden, die proportional zur Größe der Zelle ist, und zum anderen im
SSC (side scatter) über einen Photomultiplier die Seitwärtsstreuung des Lichtes, die über optisch dichte Granula in den Zellen entsteht und proportional zur
Granularität der Zellen ist. Wurden die Zellen zuvor mit fluoreszenzgekoppelten Antikörpern gegen spezifische Oberflächenmoleküle dieses Zelltyps markiert,
so wird über den Laserstrahl die Fluoreszenz aktiviert, sodass nur die spezifisch markierten Zellen ein Fluoreszenzsignal aussenden, wenn sie den Laserstrahl
passieren. Die Fluoreszenzsignale werden mit entsprechenden Photomultipliern detektiert, sodass man mehrere Farben und damit mehrere Eigenschaften
gleichzeitig testen kann. Die Auswahl der Fluoreszenzfarbstoffe hängt dabei von den verwendeten Lasern ab. Der Standardlaser ist der Argonlaser (blue Laser)
mit einer Wellenlänge von 488 nm. Dazu kommt häufig ein Helium-Neon-Laser (red Laser) mit einer Wellenlänge von 633 nm. Weitere verfügbare Laser sind
ultraviolett (355 nm), violett (405 nm) und yellow-green (561 nm), sodass heute ein Vielfarbenspektrum möglich ist
Granulocyten häufig nicht von Monocyten unterscheiden, so- Auf die Gesamtlymphocytenzahl wirken sich nur die T-Zellen
dass falsche Werte entstehen können. Ein typisches Beispiel ist stark aus, da diese mit ca. 70 % den Hauptanteil der Lymphocy-
eine Hypo- oder Agranulocytose im physikalischen Blutbild bei ten stellen, sodass selbst ein Totalausfall der B-Zellen, wie beim
B-Zell-Defekten. Tatsächlich liegen bei Kindern aber meist Neu- Bruton-Syndrom, keine messbare Auswirkung auf die Lympho-
trophile in ausreichender Menge vor, diese bilden sich aber in cytenzahl hat. Die Lymphocytenphänotypisierung dient der
ihren physikalischen Parametern falsch ab, sodass sie fälschli- weiteren Differenzierung der T-, B- und NK-Zellen sowie de-
cherweise den Monocyten zugerechnet werden, die dann erhöht ren Subpopulationen. Die Lymphocytenphänotypisierung sowie
erscheinen. viele andere immunologische Testverfahren werden mit dem
Worauf beruht diese falsche Zuordnung? Färbt man die Leu- Durchflusscytometer durchgeführt. Das Durchflusscytometer,
kocyten und zählt das Blutbild manuell unter dem Mikroskop auch nicht ganz korrekt FACS (fluorescent-activated cell sorting)
aus, so sieht man, dass die Neutrophilen meist stabkernige Vor- genannt, ist ein Gerät, bei dem man mit einem Laser die Leu-
läufer sind und kleiner erscheinen. Ursache dafür ist ein erhöhter kocyten in einer Kapillare durchleuchtet (. Abb. 17.3). Hierbei
Verbrauch von Granulocyten durch die gehäuften Infektionen. erhält man zunächst eine Art physikalisches Differenzialblutbild,
Ab einem gewissen Zeitpunkt werden dann unreife Granulocy- in dem die Zellen nach Größe und Granularität aufgeteilt werden
ten aus dem Knochenmark entlassen, da nicht genügend Zeit (. Abb. 17.4). Da man die Zellen zuvor mit spezifischen fluo-
zur Ausreifung war. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass Ausfälle reszenzmarkierten Antikörpern gegen die spezifischen Antigene
immer verifiziert werden müssen und dass man die Grenzen und auf den Lymphocytensubpopulationen inkubiert hat, kann der
Probleme der jeweiligen Techniken kennen muss, damit keine Laser diese Farbstoffe anregen, sodass die Zellen farbig leuch-
Fehldiagnosen entstehen. Am gewählten Beispiel sieht man ten (. Abb. 17.4). Bei den modernen Geräten kann man bis zu
auch, dass die Fehleinschätzung zu einer vollkommen falschen 15 Eigenschaften gleichzeitig bestimmen und so kleinste Subpo-
Behandlung führen würde, da der Ausfall der B-Zellen mit in- pulationen nachweisen. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Gerät
travenösen Immunglobulinen (IVIG) behandelt werden würde, in wenigen Sekunden Tausende von Zellen messen kann, was
während eine Agranulocytose, die nicht auf G-CSF anspricht, unter dem Mikroskop nicht möglich wäre. . Tabelle 17.1 zeigt
einer Knochenmark- oder Stammzelltransplantation bedarf. spezifische Verteilungen der Lymphocytensubpopulationen bei
Wie oben erwähnt, kann man mit dem Differenzialblutbild Kindern und Erwachsenen.
die Lymphocyten nicht unterscheiden. Eine normale Lymphocy- Fallen einzelne Lymphocytensubpopulationen aufgrund
tenzahl im Differenzialblutbild ist deshalb auch keine Garantie eines angeborenen Immundefektes komplett aus, so kann man
dafür, dass alle Lymphocytensubpopulationen vorhanden sind. dies mit dieser Methode erkennen. Meistens gibt es jedoch nur
244 Kapitel 17 • Immundiagnostik und Immuntherapie
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5
6 .. Abb. 17.4 D Durchflusscytometrie. a) Auf der X-Achse wird die Vorwärtsstreuung des Laserlichtes (FSC-H, forward scatter), die die Größe der Zellen misst,
dargestellt. Auf der Y-Achse wird die Seitwärtsstreuung des Laserlichtes (SSC-H, side scatter), die die Granularität der Zellen misst, dargestellt. Über diese Parame-
ter kann man die Blutprobe, in der man zuvor die Erythrocyten lysiert hat, einteilen in Zelltrümmer (schwarz), Lymphocyten (grün), Monocyten (rot) und Granu-
7 locyten (blau). b) Durch die Markierung mit fluoreszierenden Antikörpern leuchten die Zellen. Hier ist eine grüne Fluoreszenz im Mikroskop dargestellt. c) Die
Fluoreszenzen können mit dem Durchflusscytometer automatisch gemessen und so Subpopulationen von Lymphocyten quantifiziert werden. Dargestellt ist die
Bestimmung des Anteils von CD3+/CD4+-TH-Zellen innerhalb der Lymphocyten (rechts oben). Rechts unten befinden sich die übrigen T-Zellen (CD3+/CD4−), links
8 oben andere Zellen (CD3−), die CD4 exprimieren (CD4+), und links unten Zellen, die weder CD4 noch CD3 exprimieren (z. B. B-Zellen)
9 .. Tab. 17.1 Lymphocytenphänotypisierung. Gezeigt sind die Norm- Verschiebungen zwischen den Populationen, sodass man einen
werte für die wichtigen Lymphocytenpopulationen und T-Zell-Subpo- Hinweis auf verschiedene Erkrankungen bekommt. Des Wei-
10 pulationen in der Durchflusscytometrie. Die Normwerte hängen dabei
von den verwendeten Antikörpern und den Geräten ab, sodass es bei
teren kann man die Diagnostik zur Verlaufskontrolle von ver-
schiedenen Erkrankungen nutzen. Bei der HIV-Verlaufskont-
den Normwerttabellen Abweichungen gibt.
rolle ist die absolute Anzahl von CD4+-TH-Zellen entscheidend
11 Parameter Säuglinge Kinder Kinder Erwach- (. Tab. 16.6). Die Bestimmung der Zellpopulationen kann man
bis 1 Jahr 1–6 Jahre 6–17 Jahre sene dabei nicht nur im Blut vornehmen, sondern auch im Liquor
12 17–70 Jah-
re
(Nervenwasser), der Spülflüssigkeit aus der Lunge (BAL, bron-
choalveoläre Lavage) und dem Knochenmark. Die Verteilung der
Lymphocytensubpopulationen ist dabei in jedem Probenmaterial
13 Gesamt-
leukocy-
6400–
11.000
6800–
10.000
4700–8000 4500–8000
charakteristisch. Ebenso gibt es für einige Erkrankungen cha-
ten/µl
rakteristische Veränderungen, sodass die Analyse dieser Proben
14 Lympho- 2700– 2900– 2000–2700 1500–3000 häufig eine wichtige Diagnostik für die Differenzialdiagnose ist
cyten/µl 5400 5100 (. Tab. 17.2, . Tab. 17.3 und . Abb. 17.5). Besonders wichtig ist
15 Lympho- 39–59 % 38–53 % 36–43 % 25–40 % dies bei Erkrankungen, die ein ähnliches Krankheitsbild zeigen,
cyten aber unterschiedliche Ursachen haben. Neben den Standardpa-
relativ
rametern kann man auch atypische Zellen bestimmen, wie sie bei
16 B-Zellen/µl 500– 700– 300–500 200–400 Lymphomen und Leukämien vorkommen (. Abb. 17.6).
(CD19+) 1500 1300
.. Tab. 17.2 Leukocyten- und Lymphocytenphänotypisierung in der Bronchoalveolären Lavage (BAL). Bei der BAL wird die „Lunge“ mit einer Spülflüs-
sigkeit gespült. Gezeigt sind die Normwerte für die wichtigen Lymphocytenpopulationen und T-Zell-Subpopulationen. Die Normwerte hängen dabei
von den verwendeten Antikörpern und den Geräten ab, sodass es bei den Normwerttabellen Abweichungen gibt. Diagnostisch wichtige Veränderun-
gen sind rechts beschrieben.
.. Tab. 17.3 Lymphocytenphänotypisierung im Liquor. Der Liquor ist das „Nervenwasser“, das die Hohlräume im Gehirn und Rückenmark füllt. Gezeigt
sind die Normwerte für die wichtigen Lymphocytenpopulationen und T-Zell-Subpopulationen. Im normalen Liquor sind nur wenige Leukocyten enthal-
ten, wovon die meisten T-Zellen sind (bis ca. 3000/ml). Die Normwerte hängen dabei von den verwendeten Antikörpern und den Geräten ab, sodass es
bei den Normwerttabellen Abweichungen gibt. Diagnostisch wichtige Veränderungen sind rechts beschrieben.
CD4/CD8-Quotient 1,8–5,5
den halbmaximalen Wert, da dieser sich eindeutiger bestim- Die Funktion des Komplementsystems erkennt man dann an
men lässt als der Maximalwert. Bei der CH50 werden Schafs der Lyse der Erythrocyten durch den Membranangriffskom-
erythrocyten zunächst mit einem anti-Schafserythrocyten-An- plex (MAC, . Abb. 17.7). Die CH50 hat damit einen Vorteil
tikörper (Ambozeptor) beladen, dann wird das Patientenserum gegenüber den quantitativen Tests, da nur ein einziger Test ge-
dazugegeben. Der Immunkomplex aus Schafserythrocyten und nügt, um alle Komponenten zu testen. Eine Abwandlung des
Ambozeptor löst den klassischen Weg des Komplementsystems Testes ist der AP50 (alternative pathway 50 %) bzw. AP100, bei
aus, sodass man mit einem Test die Funktionalität aller Kompo- dem man mit gewaschenen Kaninchenerythrocyten nur den
nenten des Komplementsystems testet, da der alternative Weg alternativen Weg testet. Wichtig ist bei beiden Tests, dass die
beim klassischen Weg immer mit aktiviert wird. Einzig die ini- Kühlkette bei den Proben nicht unterbrochen wird, da sonst der
tialen Komponenten des Lektinwegs werden nicht mitgetestet. Komplementfaktor C3 über die spontane Hydrolyse (tick over)
246 Kapitel 17 • Immundiagnostik und Immuntherapie
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10 .. Abb. 17.5 Bronchoalveoläre Lavage (BAL). a) Normale Zellen in
einer BAL. Die meisten Zellen in der Lungenspülflüssigkeit sind alveoläre
11 Makrophagen. Daneben kommen zu kleineren Anteilen Lymphocyten und
Granulocyten vor. b) Große mehrkernige Riesenzellen kommen bei viralen
Infektionen vor, insbesondere bei solchen mit dem respiratorischen Syncy-
12 tialvirus (RSV), das davon auch seinen Namen hat. c) In den Makrophagen
sieht man bei starken Rauchern auch Kondensatablagerungen, d. h. „Teer“,
den die Makrophagen phagocytiert haben. In schlimmen Fällen führt dies
13 zu einer Kondensatpneumopathie, immer jedoch zu einer Funktionsein-
▶
schränkung ( Kap. 15)
14
abgebaut wird und einen Komplementdefekt vortäuscht. Bei über 95 %. Ausfälle wie bei der infantilen septischen Granulo-
15 angeborenen Defekten einzelner Komponenten sieht man To- matose (CGD) zeigen Aktivitäten unter 20 %, während medika-
talausfälle, während man bei verschiedenen Erkrankungen (z. B. mentenbedingte Störungen nur leicht erniedrigte Werte um 60 %
Leberschäden) oder Medikamenten verminderte Reaktionen in zeigen. Diese Tests kann man auch mit Erregern durchführen, die
16 den Komplementtests sieht. Ein besonderer Funktionstest ist die aus dem Patienten selbst isoliert wurden, um zu testen, ob der
Messung der Aktivität des C1-Inhibitors (C1INH), da es neben Patient spezifische immunologische Lücken hat und damit nur
17 dem angeborenen C1INH-Mangel auch Autoantikörper gegen auf diesen Erreger nicht reagiert.
diese Komponente gibt, die auch zum Quincke-Ödem führen. Zusätzlich kann man noch die Beweglichkeit der Phagocyten
Die autoimmunen Formen kann man von angeborenen Defek- im Chemotaxistest überprüfen. Hierzu verwendet man ein Ge-
18 ten nur in der Kombination von quantitativer Bestimmung des fäß mit zwei Kammern, die durch ein engmaschiges Sieb getrennt
C1INH und Funktionstest unterscheiden, da bei den autoim- sind (Boyden-Kammer). Die Löcher im Sieb sind dabei kleiner
19 munen Formen C1INH vorhanden, aber nicht funktionsfähig als der Durchmesser der Zellen, sodass diese sich aktiv durch das
ist. Sieb quetschen müssen. Der Reiz dazu wird durch chemotakti-
20 Die Funktionen der Phagocyten lassen sich mit dem Phago- sche Substanzen auf der einen Seite des Siebes gegeben, während
cytosetest und dem burst-Test bestimmen. Heutzutage führt die Zellen auf der anderen Seite sind. Nach einiger Zeit misst
man diese Tests wiederum im Durchflusscytometer durch. Dazu man dann die Anzahl der Zellen, die durch das Sieb gewandert
21 werden fluoreszenzmarkierte oder fluoreszierende Bakterien sind. Wichtig ist dabei zu bedenken, dass man mit diesem Test
mit dem zu testenden Blut inkubiert und anschließend wird der nur die Beweglichkeit der Zellen überprüft, d. h. Defekte der
22 Anteil an Zellen gemessen, der Bakterien phagocytiert hat. Da Motilität (z. B. Cytoskelettstörungen) oder Chemotaxis auf den
durch die Phagocytose auch der oxidative burst ausgelöst wird, verwendeten Stoff nachweisen kann. Leukocytenadhäsionsde-
der für die intrazelluläre Abtötung notwendig ist, kann man bei fekte (LAD) kann man durch diesen Test nicht nachweisen, da
23 der Wahl geeigneter Fluoreszenzfarbstoffe beide Eigenschaften die Zelladhäsion nicht getestet wird und die Zellen eine normale
gemeinsam bestimmen (. Abb. 17.8). Normalerweise liegt der Motilität und Chemotaxis zeigen (Ausnahme einige Formen von
funktionelle Anteil der Phagocyten (Phagocytose + burst) bei LAD3).
17.1 • Immundiagnostik
247 17
.. Abb. 17.6 Identifizierung von atypischen Zellen. a) Im Normalfall exprimieren fast alle reifen T-Zellen CD2 und CD7. CD7−-Zellen bilden die Ausnahme
(roter Kreis) b) Cutane T-Zell-Lymphome exprimieren CD7 häufig nicht auf ihrer Zellmembran (CD2+/CD7−-Zellen, roter Kreis). c) T-Zellen exprimieren als ihren
Leitmarker CD3, wobei sich die Expression auf CD4+- und CD8+-Zellen nicht unterscheidet. In der Abbildung sieht man, dass die CD8+- (oben rechts) und
CD8−- (unten rechts) Zellen CD3 gleich stark exprimieren (blaues Rechteck) und es keine Zellen mit niedriger CD3-Expression gibt (rotes Rechteck). d) Häufig
zeigen entartete T-Zellen auch eine verminderte CD3-Expression (rotes Rechteck) e) Im normalen Knochenmark kann man wie im Blut Lymphocyten (grün),
Monocyten (rot) und Granulocyten (blau) differenzieren. Dazu kommen noch Erythroblasten (orange), die in ihrer Größe variabel sind. f) Bei Veränderungen
wie Leukämien treten vermehrt Blasten auf, die sich durch eine verminderte Expression des Pan-Leukocytenmarkers CD45 auszeichnen (roter Kreis). Die reifen
Zellpopulationen nehmen hingegen ab, in diesem Fall gibt es kaum noch Granulocyten und Monocyten
248 Kapitel 17 • Immundiagnostik und Immuntherapie
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19 .. Abb. 17.8 Phago/burst-Assay. Gezeigt ist der kombinierte Phago/burst-Assay, bei dem rot fluoreszierende Bakterien (DS red Coli) zusammen mit Dihydro
rhodamin (DHR 123) zum Blut gegeben werden. a) Die Phagocytose (Phago, Y-Achse) ist ein energieabhängiger Prozess, sodass als Kontrolle eine Inkubation
bei 0–4 °C dient, die unspezifische Bindungen der Bakterien an der Oberfläche der Phagocyten ohne Aufnahme anzeigt. b) Bei intakter Phagocytenfunktion
20 bei 37 °C werden die Bakterien phagocytiert, wodurch die Phagocyten jetzt im Durchflusscytometer rot erscheinen. Da die Phagocytose den oxidative burst
(burst, X-Achse) zur intrazellulären Abtötung der Bakterien auslöst, wird durch die reaktiven Sauerstoffspezies das Dihydrorhodamin in das grün fluoreszie-
rende Rhodamin umgewandelt, sodass die intakten Phagocyten rot-grün erscheinen (oben rechts). c) Überlagerung eines Phasenkontrastbildes von zwei
21 Phagocyten mit der fluoreszenzmikroskopischen Aufnahme derselben Phagocyten mit phagocytierten Bakterien. Man sieht die rot fluoreszierenden Bakterien
in den Phagocyten
22
23
17.2 • Immuntherapie
249 17
.. Abb. 17.9 Nachweis von Autoantikörpern in der Immunfluoreszenz. a) Der Nachweis von Autoantikörpern geschieht durch grün fluoreszierende Anti-
körper, die gegen menschliche Antikörper gerichtet sind. Nachgewiesen sind in dem Bild anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCA), bei denen
sich das Cytoplasma anfärbt. b) Nachweis von antinucleären Antikörpern (ANA), bei denen sich die gelappten Zellkerne der Neutrophilen anfärben, mit der
gleichen Methode. (Fotos freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Ralf Weiskirchen.)
NK-Zellen kann man im Cytotoxizitätstest überprüfen. krankheiten häufiger sind als Immundefekte. Sie erfolgt über
Dazu werden die isolierten Lymphocyten des Patienten mit einer die Bestimmung von Autoantikörpern bzw. allergenspezifischen
Zell-Linie inkubiert, die keine MHC-Moleküle auf der Oberflä- IgE-Antikörpern. Für einige Autoantikörper gibt es mittlerweile
che exprimiert. Das missing-self ist dann der Stimulus für die spezifische ELISA (z. B. anti-DNA-Antikörper und Rheumafak-
NK-Zellen, diese Zielzellen zu töten. Den Nachweis kann man toren), sodass diese einfach gemessen werden können. Andere
über eine radioaktive Markierung der Zielzellen oder auch im Autoantikörper werden über die Bindung an Gewebeschnitte
Durchflusscytometer erbringen. oder die Beladung von Zellen (z. B. antinucleäre Antikörper,
Einer der ältesten und wichtigsten Funktionstests ist der ANA, . Abb. 17.9) mittels Immunfluoreszenz oder dem Durch-
Lymphocytenproliferationstest (LPT), der auch Lymphocy- flusscytometer (z. B. Autoantikörper gegen Thrombocyten) nach-
tentransformationstest (LTT) genannt wird. Der Test beruht gewiesen. Allergien können zusätzlich am Patienten in einem
darauf, dass jede Reaktion des spezifischen Immunsystems von Provokationstest nachgewiesen werden (▶ Kap. 10).
der Proliferation (Vermehrung) der antigenspezifischen Lym-
phocyten abhängt. Somit ist die aktivierungsinduzierte Vermeh-
rungsfähigkeit eine Voraussetzung für eine Reaktion der T- und 17.2 Immuntherapie
B-Zellen. Die Proliferation kann man dabei über unspezifische
Stimulanzien (z. B. pflanzliche Lektine wie Phytohämagglutinin, Die wichtigsten Immuntherapien sind die Impfung und die pas-
PHA) oder spezifische Recall-Antigene, d. h. Antigene, mit denen sive Immunisierung, die bereits in ▶ Kap. 8 besprochen wurden.
man bereits einmal Kontakt hatte (z. B. Tetanustoxoid), auslösen. Neben diesen Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung gibt es
Je nach Stimulus kann man dabei spezifisch T-Zellen, z. B. mit vier große Bereiche der Immuntherapie: die Immunstimulie-
anti-CD3, oder B-Zellen, z. B. mit anit-IgM, zur Proliferation rung, die Immunsuppression, die gezielte Therapie mit mono-
anregen. Die Zellvermehrung selbst wird über den Einbau von klonalen Antikörpern und die Substitutionstherapie mit Anti-
radioaktivem Thymidin bestimmt. körper-Pool-Präparaten (Standardimmunglobulin).
Bei den B-Zellen kann man neben der Proliferation noch die
Induktion der Immunglobulinsynthese bestimmen, indem man
nach der Stimulierung die Bildung von Antikörpern im ELISA Immunstimulierung
misst. Dieser spezielle Test ist nur angezeigt, wenn B-Zellen vor-
handen sind, aber keine oder nur zu wenig Antikörper nachweis- Die Möglichkeiten zur Immunstimulierung sind sehr be-
bar sind, wie z. B. bei der transienten Hypogammoglobulinämie schränkt, und die meisten auf dem Markt frei verkäuflichen
des Kleinkindes. Mittel, die eine Stärkung des Immunsystems versprechen, haben
gar keine Wirkung. Dies ist wahrscheinlich auch besser, da eine
unspezifische und unkontrollierte Stimulierung des Immun-
Diagnose von Autoimmunkrankheiten systems auch zu Autoimmunkrankheiten führen kann. Deshalb
und Allergien ist eine gesunde Lebensweise sicher die einfachste Art, das Im-
munsystem im physiologischen Rahmen zu stärken (▶ Kap. 15).
Die Diagnose von Autoimmunkrankheiten und Allergien ist Klassische Präparate sind Extrakte aus tierischen Organen
der überwiegende Teil der Immundiagnostik, da Autoimmun- (Thymus und Milz), die heute aber kaum noch zur Anwendung
250 Kapitel 17 • Immundiagnostik und Immuntherapie
IL-2
Produktion von
Inhibition unterdrücken, sodass das IL-2 seine Wirkung nicht entfalten
4 proinflamma–
torischen Cyto- Makro- IL-2 CTL
- Cyclosporin kann. Letztlich kann noch die Proliferation der Lympho-
TH - Tacrolimus cyten inhibiert werden. Nicht gezeigt ist der Einsatz von
kinen in APC phage
5 - Glucocorticoide IL-1 Proliferations-
hemmung der
monoklonalen Antikörpern oder Rezeptoren, die spezifisch
proinflammatorische Cytokine wegfangen (z. B. anti-IL-1)
DC B oder die Zellen depletieren (anti-CD3) bzw. die Wirkung von
Lymphocyten
6 - Azathioprin
- Cyclophosphamid
IL-2 verhindern (anti-CD25)
TH - Methotrexat
7 - Mycophenolat-
mofetil
- Leflunomid
8
9 kommen. Eine nachgewiesene Wirkung haben auch Extrakte aus Die ältesten entzündungshemmenden Medikamente sind die
Echinacea pallida (blassfarbener Sonnenhut), weshalb diese auch Glucocorticoide, von denen das Cortison das bekannteste ist. Die
10 nur in Absprache mit dem Arzt eingenommen werden sollten. Glucocorticoide hemmen die Synthese von entzündungsfördern-
Imiquimod ist eine chemische Substanz, die Interferone indu- den Substanzen wie z. B. IL-1 und IL-2. Zielzellen sind dabei in
ziert und so zur Behandlung von Feigwarzen eingesetzt werden erster Linie die APC, aber auch die übrigen Zellen werden beein-
11 kann. Gezielter ist die Therapie mit spezifischen Cytokinen. Am flusst, weshalb die Glucocorticoide auch bei allergischen Reak-
längsten werden die Interferone angewandt. IFN-α, -β und -γ tionen eingesetzt werden. Die schwerwiegendste Nebenwirkung
12 sind zugelassene Medikamente. IFN-α wird zur Tumortherapie ist bei hohen Konzentrationen das Cushing-Syndrom, das durch
und bei chronischen Virusinfektionen eingesetzt. IFN-β wird Gewichtszunahme mit Fettansammlungen (z. B. „Mondgesicht“),
zur Behandlung der Multiplen Sklerose verwendet und IFN-γ Hautveränderungen, erhöhtem Blutdruck, Muskelschwäche,
13 zur unterstützenden Behandlung der septischen Granulomat- Osteoporose und Diabetes gekennzeichnet ist. Die Glucocor-
ose. G-CSF dient zur Mobilisierung von Granulocyten bei Pa- ticoide sind meist die ersten Immunsuppressiva, die eingesetzt
14 tienten nach Chemotherapie und angeborenen Neutropenien. werden, oder dauerhafter Teil der Basistherapie. Die meisten
IL-2 wird zur Behandlung des metastasierenden Nierenkarzi- anderen Immunsuppressiva wirken eher auf die Lymphocyten,
15 noms verwendet. Eher einer Impfung entspricht die Therapie insbesondere auf die T-Zellen, die bei der Transplantatabstoßung
mit lebenden Mycobakterien (BCG, Bacille Calmette Guérin), und den Autoimmunkrankheiten eine Schlüsselrolle spielen. Cy-
die zur Behandlung des oberflächlichen Blasenkarzinoms ein- closporin A hat nach seiner Entdeckung die Transplantationsme-
16 gesetzt werden. Die Reaktion gegen die Mycobakterien in der dizin revolutioniert, da man in der Lage war, eine hocheffektive
Blase aktiviert das Immunsystem so stark, dass die Tumorzel- Immunsuppression durchzuführen, wodurch die Anzahl der
17 len mit abgetötet werden. Ähnlich verhält es sich mit Lysaten Transplantationen und der Transplantationserfolg sprunghaft
der eigentlich harmlosen Darmbakterien Escherichia coli und angestiegen sind. Cyclosporin A ist ein cyclisches Peptid aus
Enterococcus faecalis, die zur Stimulierung des Immunsystems dem Pilz Tolypocladium inflatum und wirkt im Komplex mit
18 bei Problemen im Darm und bei rezidivierenden Harnwegsin- dem Enzym Cyclophilin als Calcineurininhibitor. Calcineurin
fektionen mit E. coli eingesetzt werden. dephosphoryliert NFAT (nuclear factor of activated T cells), ei-
19 nen wichtigen Transkriptionsfaktor in T-Zellen (▶ Kap. 6), der
unter anderem für die Bildung von IL-2 verantwortlich ist. Ein
20 Immunsuppression weiterer Calcineurininhibitor ist Tacrolimus (FK506), dessen
Wirkung über das FK506-bindende Protein-12 vermittelt wird.
Die Immunsuppression hat zwei große Einsatzgebiete: die Unter- Die Nebenwirkungen sind eine Nierenschädigung, Einschrän-
21 drückung von Autoimmunkrankheiten und die Unterdrückung kung der Leberfunktion, eine Erhöhung des Blutdrucks, eine
einer Immunreaktion gegen transplantierte Organe. Da beide Hyperlipidämie und -cholesterolämie sowie Hypokaliämie. Die
22 Reaktionen Entzündungsreaktionen sind, sind die Medikamente mTOR(mammalian target of rapamycin)-Inhibitoren Everolimus
zur Therapie größtenteils identisch. Auf der entzündungshem- und Sirolimus blockieren die IL-2-Signaltransduktion. Die Ne-
menden Wirkung beruht auch das größte Problem der Im- benwirkungen sind Hyperlipidämie, Thrombocytopenie und eine
23 munsuppression, d. h. die immunsupprimierten Patienten sind schlechte Wundheilung. Bei der Transplantation werden außer-
infektionsanfällig und zeigen bei Langzeitsuppression eine er- dem monoklonale Antikörper bei der akuten Abstoßungskrise
höhte Inzidenz von Krebs, insbesondere Lymphomen. eingesetzt. Während anti-CD3-Antikörper die T-Zellen deple-
17.2 • Immuntherapie
251 17
CH2
CH2
CH2
CH2
die Erfindung von Azathioprin, das vor der Entdeckung von Cy-
closporin das Hauptmedikament zur Immunsuppression nach
Transplantation war, bekamen Gertrude B. Elion und George H.
CH3
CH3
CH3
CH3
Hitchings 1988 den Nobelpreis verliehen. Azathioprin hemmt
die DNA-Synthese. Cyclophosphamid kreuzvernetzt die DNA
und induziert Strangbrüche. Methotrexat inhibiert die Dihydro-
folat-Reduktase und die darüber vermittelte Proteinexpression. chimärer Antikörper Mensch-Antikörper
Im Gegensatz zu diesen generellen Cytostatika hemmen Myco- VH VH
VL VH VL VH
phenolat-mofetil (Purinsyntheseinhibitor) und Leflunomid (Py- CH VL CH VL
1 1
rimidinsyntheseinhibitor) relativ spezifisch die Proliferation von CL 1 CH L CL 1 CH L
C C
Lymphocyten (. Abb. 17.10).
Cytokinantagonisten und anti-Cytokin-Antikörper haben ihr
CH2
CH2
CH2
CH2
Einsatzgebiet bei den Autoimmunkrankheiten. Die anti-Cyto-
kin- bzw. -Cytokinrezeptor-Antikörper (IL-1, IL-6R, IL-12/23,
CH3
CH3
CH3
CH3
TNF) und Cytokinrezeptor-Antikörper-Fusionsproteine (IL-1R,
TNFR) werden im nächsten Absatz besprochen. Eine ähnliche
Funktion hat der Cytokinantagonist Anakinra. Dies ist die Wirk-
stoffbezeichnung für den IL-1-Rezeptorantagonisten, der wie die .. Abb. 17.11 Monoklonale Antikörpertypen für die Therapie. Mono-
anti-IL-1-Antikörper bei der rheumatoiden Arthritis eingesetzt klonale Antikörper sind hochwirksame Medikamente, stellen aber selber
ein Antigen für den Körper dar, sodass Antikörper aus Tieren (hier Maus in
wird und der natürliche Antagonist von IL-1 ist.
rot) zur Serumkrankheit führen können. Durch die moderne Gentechnik ist
es möglich, die Rekombination der Antikörper nachzuahmen und so die
konstanten Domänen der Mausantikörper gegen konstante Domänen von
Gezielte Therapie mit monoklonalen menschlichen Antikörpern (blau) auszutauschen. Ein solcher Antikörper wird
Antikörpern als chimärer Antikörper bezeichnet. Tauscht man auch noch die Rahmenre-
gionen innerhalb der variablen Domäne aus, sodass nur noch die Anti-
genbindungsstelle (CDR) aus der Maus ist, spricht man von humanisierten
Monoklonale Antikörper haben nach ihrer Erfindung nicht nur Antikörpern. Optimalerweise stellt man komplett humane Antikörper her. Je
die Diagnostik revolutioniert, sondern auch die moderne Im- größer der menschliche Anteil in den Antikörpern ist, desto geringer ist die
muntherapie (▶ Exkurs 6.1). Es ist jetzt nicht nur möglich, Antise- Gefahr einer Serumkrankheit
ren zu generieren, wie dies bereits für die passive Immunisierung
eingeführt wurde. Man kann monoklonale Antikörper gegen jeg-
liches Antigen herstellen. Durch den Einsatz monoklonaler An- ben, aber auch die teuersten, mit einem Preis zwischen mehreren
tikörper vermindert sich auch die Menge der zu applizierenden Hundert bis mehreren Tausend Euro pro Anwendung. Natürlich
Immunglobuline, da es nicht mehr ein Gemisch aus polyklonalen haben monoklonale Antikörper auch Nebenwirkungen, wobei
Antikörpern mit unterschiedlich guter Antigenpassform ist, son- die unspezifischen Nebenwirkungen sehr selten sind. Das grö-
dern ein Antikörper gegen nur eine antigene Determinante des ßere Problem ist die nachteilige Wirkung durch die komplette
Antigens. Anfänglich hatte man dabei aber denselben Nachteil Ausschaltung des Zielantigens. So sind z. B. die Patienten, die
wie bei der Serumtherapie, d. h. die monoklonalen Antikörper mit Antikörpern gegen entzündungsfördernde Cytokine behan-
waren zunächst alle aus der Maus oder anderen Kleintieren und delt werden, anfälliger für Infektionen. . Tabelle 17.5 zeigt die
damit heterologe Seren. Diese Antikörper induzieren anti-An- monoklonalen Antikörper, die in Deutschland bzw. in der Euro-
tikörper (siehe oben bei HAMA), was bei einer erneuten Gabe päischen Union zugelassen sind.
zur Serumkrankheit führen kann (▶ Kap. 8). Die Gentechnik
ermöglicht es heute, Antikörper besser verträglich zu machen,
indem man chimäre oder humanisierte Antikörper herstellt Substitutionstherapie
(. Abb. 17.11). Neuerdings ist es auch möglich, rein humane mit Standardimmunglobulinen
monoklonale Antikörper herzustellen, die keine anti-Antikör-
per mehr induzieren. Neben den monoklonalen Antikörpern gibt es seit den frühen
Die Vielzahl der Möglichkeiten machte eine einheitliche 1980er-Jahren die Standardimmunglobuline, d. h. Antikör-
Nomenklatur für Antikörper erforderlich, damit der Arzt die per-Pool-Präparate aus über 1000, meist weit über 10.000 Spen-
Verträglichkeit besser abschätzen kann (. Tab. 17.4). Wenn es dern. Man gewinnt dafür aus Quarantäneplasma (Plasma, das
für einen Einsatzzweck monoklonale Antikörper gibt, so sind gefroren gelagert wurde, bis der Spender erneut nach mehreren
es die höchstwirksamen Medikamente, die wir heutzutage ha- Wochen auf Infektionskrankheiten getestet wurde) die IgG-An-
252 Kapitel 17 • Immundiagnostik und Immuntherapie
.. Tab. 17.5 Liste der in Deutschland oder der EU zugelassenen monoklonalen Antikörper. Die Einsatzgebiete sind nur grob beschrieben, häufig han-
delt es sich um eingeschränkte Einsatzgebiete, z. B. bei Metastasierung, oder um Kombinationstherapien, bei denen der Antikörper nur eine Komponen-
te ist. Teilweise sind nicht alle Antikörper für alle Einsatzgebiete zugelassen. Entwickelt sind bereits weitere Antikörper (z. B. anti-IL-5/Hypereosinophilie,
anti-GD2/Neuroblastom, anti-PD1/Melanom, anti-IL17A/Immunsuppression, anti-α4β7-Integrin/Colitis ulcerosa und Morbus Crohn), die aber in Europa
bzw. Deutschland noch nicht zugelassen sind.
TNF-α Adalimumab, Certolizumab, Rheumatoide Arthritis, polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis-Ar-
Infliximab, Golimumab, Eterna- thritis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, Psoriasis, Colitis Ulcerosa
cept (TNFR2/Fc)
VEGF (vascular endothelial Bevacizumab, Ranibizumab Altersabhängige Makuladegeneration (AMD), Colonkarzinom, Rectumkarzinom,
growth factor) Mammakarzinom, Bronchialzellkarzinom, Nierenzellkarzinom
Her2 (human epidermal growth factor receptor 2), RANKL (receptor activator of nuclear factor-κB ligand), RSV (respiratory syncytial virus)
254 Kapitel 17 • Immundiagnostik und Immuntherapie
1 .. Tab. 17.6 Einsatzgebiete von intravenösen Immunglobulinen. Aufgeführt sind nur die zugelassenen und gesicherten Anwendungen der IVIG. Darü-
ber hinaus werden die IVIG bei vielen verschiedenen Autoimmunkrankheiten als Heilversuch eingesetzt.
Zugelassene Anwendungen
3 Primäre Immundefekte mit Antikörpermangel- 0,2–0,8 g/kg alle 2–4 Wochen Lebenserhaltende Therapie bei isoliertem AMS
syndrom (AMS) (z. B. XLA)
4 Sekundäre Immundefekte (z. B. Myelom, chro- 0,2–0,4 g/kg alle 3–4 Wochen Bei AIDS nur bei Kindern, bei Erwachsenen nicht indiziert
nisch lymphatische Leukämie (CLL))
10
trotz gibt es Erkrankungen, bei denen die IVIG aufgrund ihrer Literatur
11 Wirksamkeit das Medikament erster Wahl sind. Durch die an-
fängliche Euphorie über die Wirksamkeit der IVIG gab es sogar Baumann U, Belohradsky B, von Bernuth H, Friedrich W, Linde R, Niehues T,
16
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255 18
Perspektiven
Lothar Rink
Die Immunologie ist eine der jüngsten Wissenschaften und ge- werden können. Auch unser Verständnis darüber, warum un-
1 rade mal etwas über 110 Jahre alt. Trotzdem ist sie neben den ser Immunsystem die Krebszellen nicht frühzeitig erkennt, ist
Neurowissenschaften die einzige Disziplin, für die es auf der noch ungenügend. Deshalb geht man zunehmend den Weg der
2 Webseite der Nobelorganisation (▶ http://www.nobelprize.org/ Prävention. Neben der Vermeidung von krebserzeugenden Ri-
nobel_prizes/medicine/immune_responses.html) eine eigene Ka- siken (z. B. Rauchen) gehört dazu auch ein sorgfältiger Umgang
tegorie der Nobelpreise für Physiologie oder Medizin gibt. Dort mit unserem Immunsystem. Dabei rückt die Balancierung des
3 sind 11 Nobelpreise aufgeführt, die für die Erforschung immuno- Immunsystems durch eine ausgewogene Ernährung und eine ge-
logischer Grundlagen verliehen wurden und 2011 ist ein weiterer sunde Lebensführung (z. B. Sport und ausreichend Schlaf) im-
4 hinzugekommen: mer mehr in den Vordergrund (▶ Kap. 15). Daneben gibt es mit
der HPV-Impfung erstmals einen gezielten Ansatz für die Prä-
1901 Emil von Behring: Serumtherapie durch Antitoxine
5 1908 Ilya Ilitch Mechnikow und Paul Ehrlich: Mechnikow entdeckte
vention einer Krebserkrankung, wofür Harald zur Hausen 2008
die Phagocyten und Ehrlich entwickelte die Seitenkettenthe- den Nobelpreis erhielt. Hier wird nicht gegen den Gebärmut-
terhalskrebs geimpft, wie häufig zu lesen ist, sondern gegen die
6
orie, d. h. die Abgabe von Antikörpern durch Zellen
1913 Charles Richet: Beschreibung der anaphylaktischen Reaktion menschlichen Papillomviren (HPV), die diese Krebsart erzeugen
1919 Jules Bordet: Entdeckung des Komplements können. Somit handelt es sich eigentlich um eine gewöhnliche
7 1930 Karl Landsteiner: Entdeckung der AB0-Blutgruppen Impfung gegen eine Infektionskrankheit. Wie wirkungsvoll diese
1960 Sir Frank MacFarlane Burnet und Peter Medawar: Konzept Präventionsmaßnahme ist, werden wir in 10–20 Jahren sehen,
der Selbst-Toleranz wenn wir die Gebärmutterhalskrebsraten bei geimpften und un-
8 1972 Gerald Edelman und Rodney Porter: Struktur der Antikörper
geimpften Frauen vergleichen können. Es ist dabei heute schon
1980 Baruj Benacerraf, Jean Dausset und George Snell: Erken-
klar, dass diese Krebsart nicht zu 100 % verhindert wird, da nur
9 1984
nungsmechanismen der Histokompatibilität
Nils Kai Jerne, Georges Köhler und César Milstein: Jerne
gegen die Hochrisikostämme der Papillomviren geimpft wird,
für die Theorie zur antikörpervermittelten Immunabwehr; wodurch es aber zu einer deutlichen Reduktion kommen sollte.
10 Köhler und Milstein für die „Entwicklung“ der monoklonalen Erste Verlaufsstudien weisen auch bereits darauf hin.
Antikörper Das prozentual größte immunologische Problem in den
1987 Susumu Tonegawa: Genetik der Antikörper Industrieländern sind zurzeit die chronisch-entzündlichen Er-
11 1996 Peter Doherty und Rolf Zinkernagel: Entdeckung der krankungen. Dort gab es durch die Entwicklung einer Reihe von
therapeutischen Antikörpern (▶ Kap. 17) große Fortschritte.
MHC-Restriktion
Literatur
www.nobelprize.org
NCBI Proteine Databank, www.ncbi.nlm.nih.gov
HLDA Workshops and CD Molecules, www.hcdm.org
259
Serviceteil
Serviceteil
CD-Tabelle – 260
Stichwortverzeichnis – 263
CD-Tabelle
Die Tabelle listet die wichtigen und in diesem Buch verwende- Zellen, Gr = Granulocyten, HP = hämatopoetische Zellen,
ten CD (cluster of differentiation bzw. determination) auf. Im Ap- Leuko = Leukocyten, Ly = Lymphocyten, MK = Megakaryocy-
ril 2014 waren 364 CD-Nummern vergeben. Die CD-Nomenkla- ten, Mo = Monocyten, MΦ = Makrophagen, Myelo = myeloi-
tur ist eine wichtige Vereinheitlichung, trotzdem werden in vielen sche Zellen, NK = NK-Zellen, P = Plättchen (Thrombocyten),
Bereichen die alten bzw. funktionellen Namen weiterverwendet PMN = neutro phile Granulocyten, SC = hämatopoetische
wie z. B. bei den Cytokinrezeptoren. Auf die Darstellung der un- Stammzellen, Thy = Thymocyten, T = T-Zellen, TCR = T-Zell-Re-
gebräuchlichen CD wurde deshalb verzichtet. CD, die Leitmarker zeptor, TH = T-Helferzellen, T-V = T-Vorläuferzellen.
für eine Zellpopulation darstellen, sind fett gedruckt. Wird der Sonstige Abkürzungen: ADCC = antibody-dependent cellu-
Marker nur auf einer Zellsubpopulation exprimiert, so ist der lar cytotoxicity, CALLA = common acute lymphocytic leukemia
Zelltyp kursiv geschrieben. antigen, CR = Komplementrezeptor, EBV = Epstein-Barr-Virus,
Zellen: APC = antigenpräsentierende Zellen, B = B-Zel- HIV = Humanes Immundefizienzvirus, LFA = leukocyte function
len, B-V = B-Vorläuferzellen, CTL = cyto toxische T-Zel- antigen, LPS = Lipopolysaccharid, LBP = LPS-binding protein,
len, DC = dendritische Zellen, Eo = eosinophile Granu- SCF = stem cell factor.
locyten, Ery = Erythrocyten, FDC = follikulär dendritische
CD Alternativer Name Ligand (Teil) Zelluläre Expression Funktion bzw. Verwendung (Erläuterung in Kapitel Nr.)
1 je nach Subtyp TCR DC, Thy Antigenpräsentation von hydrophoben Antigenen, insbeson-
dere Lipiden (4, 5)
2 LFA-2, T11, CD58 NK, T, Thy Costimulierendes Zelladhäsionsmolekül für die Aktivierung (5)
Schafserythrocyten
rezeptor
3 T3 (TCR-Komplex) T, Thy TCR-Signaltransduktionskomplex (6)
4 T4 MHC-II-Molekül Mo, MΦ, TH, Thy T-Zell-Restriktion, costimulierendes Molekül für die T-Zell-Akti-
vierung, Rezeptor für HIV (2, 5)
5 T1, Leu1 B, T, Thy Identifizierung von polyvalenten oder entarteten B-Zellen
7 Leu9 T, Thy, SC Identifizierung von entarteten T-Zellen (17)
8 T8 MHC-I-Molekül NK, T, Thy T-Zell-Restriktion, costimulierendes Molekül für die T-Zell-Ak-
tivierung (2, 5)
10 CALLA B-V, T-V Zink-Metalloproteinase, Identifizierung von entarteten
B-Zellen
11a LFA-1 (in Verbindung CD50, CD54, Leuko Costimulierendes Zelladhäsionsmolekül für die Aktivierung
mit CD18) CD102 (5, 7)
11b Mac-1, CR3 (in Verbin- CD54, iC3b Myelo, NK Costimulierendes Zelladhäsionsmolekül für die Aktivierung,
dung mit CD18) Komplementrezeptor für iC3b (3, 5, 7)
11c CR4 (in Verbindung mit Fibrinogen Myelo Rezeptor für Fibrinogen (3, 5)
CD18)
14 LPS-LPB-Komplex Mo, MΦ Starke Bindung von LPS zur Vermittlung an TLR-4 (4, 5)
15 Lewisx Glykoproteine Myelo Zelladhäsion
15s Sialyl-Lewisx CD62E, CD62P Leuko Zelladhäsion (7, 16)
16 FcγRIII IgG Mo, MΦ, NK, PMN Niedrigaffiner IgG-Rezeptor zur Vermittlung von Phagocytose
und ADCC (4, 5)
18 β2-Integrin Je nach Partner Leuko Siehe CD11a–c (7, 17)
19 B4 (BCR-Komplex) B B-Zell-Corezeptor zur Aktivierung (5)
20 B1, Leu16 B B-Zell-Corezeptor zur Aktivierung (5)
21 CR2 (BCR-Komplex) B C3d-Rezeptor, B-Zell-Corezeptor zur Aktivierung, Rezeptor für
EBV (5, 9)
23 FcεRII IgE B, Eo, MΦ Niedrigaffiner IgE-Rezeptor (5, 10)
25 IL-2-Rezeptor-α-Kette, IL-2 B, Mo, T Hochaffiner Teil des IL-2-R (2, 5, 7, 9)
Tac
27 CD70 T, NK, B, medulläre Costimulierendes Molekül bei T- und B-Zellen (5)
Thy
28 Tp44 CD80, CD86 B, T Wichtigstes costimulierendes 2. Signal für naive T-Zellen (5)
32 FcγRII IgG B, Eo, Mo, MΦ, PMN Niedrigaffiner IgG-Rezeptor (4, 5)
34 CD62L SC Marker für hämatopoetische Stammzellen (2)
35 CR1 C3b, C4b B, Eo, Ery, FDC, Mo, Bindung von Immunkomplexen und Vermittlung der Phago-
MΦ, PMN cytose (3, 9)
261
CD-Tabelle
CD Alternativer Name Ligand (Teil) Zelluläre Expression Funktion bzw. Verwendung (Erläuterung in Kapitel Nr.)
40 P50, TNFRSF5 CD154 APC Costimulierendes Signal für B-Zellen, DC und MΦ, induziert
den Immunglobulinklassenwechsel in B-Zellen, verstärkt die
intrazelluläre Abtötung und Cytokinproduktion in DC und MΦ
(4, 5)
41 GPIIp (Glykoprotein IIp) Fibrinogen MK, P Fibrinogenrezeptor (17)
44 Hermes-Antigen Hyaluron-säure Ery, Leuko Zelladhäsion (2, 7)
(nicht im Thymus)
45 leukocyte common HP Tyrosinkinase zur Unterstützung der BCR- und TCR-Sign-
antigen altransduktion, Subtyp CD45R0 markiert Gedächtniszellen,
CD45RA naive Zellen (6)
46 MCP (membran co-fac- C3b, C4b HP Verhindert die Zelllyse durch Komplement (3)
tor)
49d VLA-4 (very late MadCAM, VCAM B, DC, Gr, Mo, MΦ, Thy Zelladhäsion (5, 7)
activation antigen),
α4-Integrin
50 ICAM-3 LFA-1 B, Gr, Mo, MΦ, T, Thy Costimulierendes Zelladhäsionsmolekül für die Aktivierung
(5, 7)
54 ICAM-1 LFA-1, Mac-1 HP Costimulierendes Zelladhäsionsmolekül für die Aktivierung (5,
7), Rezeptor für Rhinoviren
55 DAF (decay accelerating C3b HP Verhindert die Zelllyse durch Komplement (3)
factor)
56 NKH-1, NCAM CD56 NK Rezeptor zur gegenseitigen Erkennung von NK-Zellen (3)
58 LFA-3 CD2 HP Costimulierendes Zelladhäsionsmolekül für die Aktivierung
(5, 7)
59 Mac-Inhibitor, Protectin C8, C9 HP Verhindert die Zelllyse durch Komplement (3)
62E (Endothel) E-Selektin CD15s Endothel Leukocyten-rolling (5, 7)
62L (Leukocyten) L-Selektin CD15s, CD34, Leuko Leukocyten-rolling (5, 7)
MadCAM, GlyCAM
62P (Plättchen) P-Selektin CD15s, CD162 MK, P, Endothel Leukocyten-rolling (7)
64 FcγRI IgG Mo, MΦ Hochaffiner IgG-Rezeptor (4)
66b CD67, NCA-95 Gr Marker für Granulocyten in der Durchflusscytometrie (3, 17)
67 CD66b, CD66f Nicht mehr besetzt
69 activation inducer Aktivierte Ly Aktivierungsmarker für Lymphocyten
molecule
70 Ki-24 CD27 Aktivierte T, aktivierte Costimulierung T- und B-Zellen (5)
B, MΦ
74 Ii MHC-II-Molekül APC Invariante Kette blockiert MHC-II-Molekül-Beladung im endo
plasmatischen Reticulum (4)
79 Igα (CD79a), Igβ (BCR-Komplex) B BCR-Signaltransduktionskomplex (2, 5)
(CD79b)
80 B7.1 CD28, CTLA-4 APC Wichtigstes costimulierendes 2. Signal für naive T-Zellen (5)
86 B7.2 CD28, CTLA-4 APC Wichtigstes costimulierendes 2. Signal für naive T-Zellen (5)
88 C5aR C5a Mo, MΦ, PMN C5a-Rezeptor-vermittelte chemotaktische Funktion (3)
89 FcαR IgA B, Gr, Mo, MΦ IgA-Rezeptor (4)
90 Thy-1 Thy Marker für Thymocyten
94 NK, NKT NK-Zell-Rezeptor (3)
95 Apo-1, Fas CD178 (FasL) Leuko Aktiviert Apoptoseprozess in der CD95+-Zelle nach Bindung
an CD178 (5, 9)
102 ICAM-2 LFA-1, Mac-1 Ly, Mo Feste Bindung von Leukocyten (7)
106 VCAM-1 VLA-4 Endothel Zelladhäsion (5, 7)
117 c-Kit SCF SC Rezeptor für den Stammzellfaktor (2)
134 OX40 OX40L Aktivierte T Costimulierendes Molekül, T-Zell-Differenzierung und -Polari-
sierung (5)
138 Syndecan-1 Collagen Plasmazellen Marker für Plasmazellen
152 CTLA-4 CD80, CD86 Aktivierte T Konkurriert mit CD28 um die Bindung an CD80/86 und regu-
liert die Aktivierung herunter (5)
154 CD40L CD40 TH Costimulierendes Signal für B-Zellen, DC und MΦ, induziert
den Immunglobulinklassenwechsel in B-Zellen, verstärkt intra-
zelluläres Abtöten und Cytokinproduktion in DC und MΦ (4, 5)
161 NKR-P1 NK, NKT NK-Zell-Rezeptor (3)
178 FasL CD95 Leuko Induziert Apoptoseprozess in der CD95+-Zelle (5, 9)
262 CD-Tabelle
CD Alternativer Name Ligand (Teil) Zelluläre Expression Funktion bzw. Verwendung (Erläuterung in Kapitel Nr.)
205 DEC-205 DC Vermittelt Antigenaufnahme durch DC
209 DC-SIGN ICAM-3, gp120 DC Bildung und Stabilisierung der Kontaktzone immunologischer
von HIV Synapsen zwischen T-Zellen und DC (5)
278 ICOS LICOS aktivierte T Costimulierendes Molekül, T-Zell-Differenzierung und -Polari-
sierung (5)
263 A–B
Stichwortverzeichnis
dendritische Zelle 5, 21, 45, 49, 60, 64, 65, 66 –– Präsentation 55 Granzym 48
–– konventionelle 64 –– Prozessierung 55, 57 Granzym A 48
–– myeloide 64, 65 extravasale hämolytische Transfusionsreakti- Granzym B 48
–– plasmacytoide 64, 65 on 182 GvHD 183
–– unreife vs. reife 66 Extravasation 111, 112, 113
Denosumab 253
Depression 190, 193 H
–– Therapie mit Immunmodulatoren 193
Diabetes 144, 151
F Haemophilus-influenzae-Typ-B-Impfung 139
–– Typ-1 144, 151 F(ab')2-Fragment 81 HAIA 242
Diapedese 113 Fab-Fragment 81 halogenierte, aromatische Kohlenwasserstof-
Differenzialblutbild 242 FACS 243 fe 236
DiGeorge-Syndrom 230 Faktor D 38 HAMA 97, 242
Dioxin 236 Faktor H 38 Hämatopoese 7, 16, 18
Diphtherie 137 Faktor I 38 hämatopoetischer Rezeptor 102, 105
Diphtherieimpfung 139 FAS 171 –– der Klasse 1 102, 105
DN2-Stadium 25 Fc-Teil 77 –– der Klasse 2 105
DN3-Stadium 25 FcαRI 77 hämatopoetische Stammzelle 16, 20
Doherty 256 Fcα/μP 77 Hämoglobinurie 37
Down-Syndrom 223 FcγRI 77 Hämolyse 123
Drogen 208 FcγRIIA 77 –– durch Bakterien 123
–– Einfluss auf das Immunsystem 208 FcγRII-B1 77 hämolysierende Streptokokken 123
Ductus thoracicus 28 FcγRII-B2 77 Hämophilie 223
Durchflusscytometer 243 FcγRIII 77 Haplotyp 180
Durchflusscytometrie 244 Fcε-Rezeptor 154 Hapten 4, 61, 77
Durchseuchungsmarker 127 FcεRI 77 Hapten-Carrier-Prinzip 61
Fettleibigkeit 211 Hashimoto-Thyreoiditis 144, 147, 149
FLT3 22 Hassall-Körperchen 25
E FLT3L 22
fluorescent-activated cell sorting 243
HAT-Medium 97
Haupthistokompatibilitätskomplex 2, 52, 179
eat me-Signal 40, 142 follikuläre dendritische Zelle 61 Hausen, H. z. 256
Echinacea pallida 250 FoxP3 114, 115, 143 HAV-Impfung 139
Eculizumab 253 fragment crystallizable 77 HCV 169
Edelman, G. 76, 256 framework regions 76 Heidelberger-Kurve 78
Efalizumab 253 FSME-Impfung 139 Helicobacter pylori 168, 169
effector memory-Zelle 87 Fv-Fragment 81 Helminthen 3
Effektorlymphocyte 82 Henle-Koch-Postulate 130
–– Homing 82 Heparin 154, 155
Effektorzelle 10
Ehrlich, P. 256
G Hepatitis-B-Impfung 139
Hepatitis-B-Virus 145
EIA 241 Galactosämie 223 Herdenimmunität 138
Eintrittsweg des Erregers 136 Galenus, A. 29 hereditäres Quincke-Ödem 226
Eisen 212, 213 GALT 30 Herpes zoster 204
Eisenmangel 213 GATA-3 70 heterologe Seren 137
Elastase 134 G-CSF 103 heterophilic anti-immunoglobulin antibo-
Elion 251 Gedächtnis-B-Zelle 86 dies 242
ELISA 241, 242 Gedächtnis-T-Helferzelle 86 HEV 29
endogenes Antigen 53, 54 Gedächtniszelle 11, 85, 87 HHV-8 169
–– Fragmentierung 54 Gefahren-Sensing 39 high endothelial venules 29
Entzündung 36 Gefahrensensor 39 high mobility group box 1 172, 180
Entzündungsreaktion 125 gekoppelte Erkennung 73 Hiob-Syndrom 231
enzyme immuno assay 241 Gentuzumab 253 Histamin 134, 154, 155, 164
enzyme-linked immunosorbent assay 241 Gewebeverträglichkeit 178, 182 Hitchings, G. 251
eosinophile Granulocyte 5, 19, 20, 43 –– Untersuchung 182 HIV 107, 169, 232, 233, 235
Epicutantest 165 Glucocorticoid 164, 186, 188, 189, 250 HIV-1 145
Epitoerweiterung 147 –– Wirkung auf das Immunsystem 189 HIV-Infektion 233, 234, 235
Epitop 61, 76 Glucosinolat 217 –– Einfluss des Genotyps 234
EPO 103 GM-CSF 103 –– Verlauf 234
Epstein-Barr-Virus 168, 169 Golimumab 253 HIV-Therapie 235
Ernährung 211 Goodpasture-Syndrom 144 H-Kette 76, 95, 98
Erregermenge 135, 136 graft versus host-Krankheit 182 –– Gene 98
Erythrocyt 16, 17 Granulocyten 5, 17, 18, 19, 20, 37, 38, 42, 43, 44, –– Rekombination 95
E-Selektin 109, 110 45, 134, 198, 201 HLA 179
Etanercept 193 –– basophile 5, 19, 20, 44 HLA-Allele 180
Eternacept 253 –– eosinophile 5, 19, 20, 43 –– codominante Expression 180
Eukaryotenzelle 3 –– Granulainhalte 134 HLA-B27 144
Everolimus 186, 250 –– im Alter 198, 201 HLA-DP 180
exogen allergische Alveolitis 160 –– neutrophile 5, 18, 20, 38, 42, 43 HLA-DQ 180
exogenes Antigen 55, 57 –– polymorphkernige 18 HLA-DR 180
266 Stichwortverzeichnis
N Pathogene 40
–– intrazelluläre Abtötung 40
Pro-B-Zelle 22
professionelle antigenpräsentierende Zelle 60,
NADPH-Oxidase 42, 43 Pathogenerkennung 45 64
Natalizumab 253 Pathogenitätsfaktor 127, 128 Progesteron 208
natürliche Killerzelle 5, 6 pattern recognition receptor 45 –– Einfluss auf das Immunsystem 208
negative Selektion 9, 24, 27 PD-1 67 Prokaryotenzelle 3
Neisserien 223 Penicillin 236, 237 Properdin 37, 38, 39
Nephelometrie 241 Penicillinallergie 237 Properdinweg 37
Neutropenie 225 Pepsin 81 Prostaglandine 155
–– angeborene 225 Peptidfragment 54 Proteasom 54
–– cyclische 225 –– Transport 54 Proteinphosphatase 90
neutrophile Granulocyten 5, 18, 20, 38, 40, 42, Perforin 48 Proteintyrosinphosphatase 92, 93
43, 201 periphere lymphatische Organe 27 protektiver Titer 126
–– altersbedingte Veränderungen 201 periphere Toleranz 113, 142 Protozoen 3
Neutrophil extracellular traps 43 perniziöse Anämie 144 PRR (pattern recognition receptor) 2, 45, 60, 64
Nickel 161 Pertussisimpfung 139 P-Selektin 109
Nicotin 211 Pertuzumab 253 Pseudoallergie 237
NKp46 47 Peyer-Plaques 10, 30 psychische Krankheiten 192
NKT-Zellen 26 Phago/burst-Assay 248 –– Therapie mittels Immunmodulation 192
NK-Zelle 5, 6, 22, 46, 47, 48, 117, 132, 169, 199 Phagocytendefekte 226 PUFA 216
–– im Alter 199 –– angeborene 226 pulmonale Toleranz 41
–– Tötungsmechanismus 48 Phagocytose 38, 40, 41, 55, 129
–– uterine 117 –– Coiling- 129
NK-Zell-Rezeptor 47
N-Nucleotid 96, 98
Phagocytosedefekt 225
Phagocytosetest 246
Q
Nobelpreis 256 Phagosomen 38 Quincke-Ödem 156
NOD-like receptors 46 Phenylketonurie 223
nose-associated lymphoid tissue 27 Phosphatasen 90
Notch 1 8 Phosphorylierung 90 R
physikalische Schutzmechanismen 5
RAG-1 95
O
Phytoöstrogen 217
Phytosterine 217 RAG-2 95
Pilze 3 Ranibizumab 173, 253
Ofatumumab 253 Rauchen 209
Pirquet, C. v. 154
OKT3 186 reaktive Sauerstoffspezies 40
Placebo-Effekt 191
Omalizumab 164, 253 reaktive Stickstoffspezies 42
plasmacytoide DC 61
Omenn-Syndrom 230 Recall-Antigene 202
plasmacytoide dendritische Zelle 22, 64, 65
Opsonisierung 36, 37, 38, 83 recombination activating gene 95
Plasmazelle 75
orale Toleranz 115 recombination signal sequence 94, 95
platelet activating factor 154, 155
Osteoklasten 45 regulatorische T-Zelle 113, 114, 115, 143
Plazenta 116, 117, 118
Östrogen 144, 208, 210 retinoic acid-related orphan receptor γt 114
Pneumokokkenimpfung 139
–– Einfluss auf das Immunsystem 208, 210 Retinol 212
Pneumonie 204
Östrogenrezeptor-α 144 Rezeptor 90
P-Nucleotide 96, 98
Östrogenrezeptor-β 144 Rezeptor-Editing 9, 22
Pocken 13
outside-in-signaling 112 rezeptorvermittelte Endocytose 55
Pockenimpfung 138
OX40 68 Rhesusantigen D 61
Polioimpfung 138
oxidative burst 37, 40, 42, 248 rheumatoide Arthritis 144, 147, 150
Poliomyelitisimpfung 139
Poliovirus 145 Richet, C. 256
RIG-I-like receptors 46
P polycyclische aromatische Kohlenwasserstof-
fe 236 Rilonacept 253
RISC 91
polymorphkernige Granulocyten 18
P3-Protein 145 Rituximab 159, 173, 253
polyunsaturated fatty acids 216
pack years 209 RNA-Interferenz 91
Porter, R. 76, 256
Palivizumab 252, 253 Röntgenkontrastmittel 236
positive Selektion 9, 22, 26
PALS (periarteriolar lymphoid sheath) 29 Rotavirenimpfung 139
Postexpositionsprophylaxe 137
PAMP (pathogen-associated molecular pat- Röteln 232
Prä-B-Zelle 22
tern) 2, 45, 64 rote Pulpa 29
Prasad, A. 214
Pandemie 132 rotes Knochenmark 17
Prä-T-Zell-Rezeptor 25
Panitumumab 253
Prä-T-Zell-α-Kette 25
Papain 81
S
Präzipitation 78
Papillomavirus 145
precursor-DC 64
Parasit 83
Prick-Test 164
–– Abwehr mehrzelliger 83 Sandwich-ELISA 242
Primärantwort 125, 126
paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie 224, Säureschutzmantel 133
Primärfollikel 29
226 Scavenger-Rezeptor 38
Primärinfektion 126
Passiv-aktiv-Immunisierung 139 SCF 104
–– vs. chronische Infektion 126
passive Immunisierung 127, 137 Scharlach 125
Priming 10, 67, 142
pathogen-associated molecular patterns 45 Schizophrenie 190, 191, 192
Probiotika 216
269 N–U
Stichwortverzeichnis
Schlaf 218
Schlafentzug 218
T –– autologe 176
–– isogene 176
Schmetterlingserythem 150 Tacrolimus 186 –– von Knochenmark 185
Schwangerschaft 116, 117, 118, 119 TAP 54 –– Xeno- 176
Schwellenwert 135, 136 Tapasin 54 Transplantationsart 177
schwere Kette 76 TCR-abhängige Signalwege 92 Trastuzumab 173, 253
Schwermetall 236 TCR rearrangement excision circles 95 Treponema pallidum 192
SCID 230 TCR-Signaltransduktion 93 Tropenkrankheit 123
SCID-Varianten 230 TD-Antigen 72 Trophoblastenzelle 118
Second Messenger 90 Terminale Desoxyribonucleotidyl-Transferase 96 Trophoblastzelle 118
sekretorische Komponente 80 Testosteron 208 Tryptase 134, 154
Sekundärantwort 87, 126, 195 –– Einfluss auf das Immunsystem 208 Tuberkulintest 161, 162
–– konditionierte 195 Tetanusimpfung 139 Tumor 170, 171, 173
sekundäre Granula 42 Tetanustoxin 129 –– Abwehrmechanismen gegen das Immunsys-
sekundäre Immunantwort 12 T-Gedächtniszelle 86 tem 170, 171
sekundärer Pflanzenstoff 216, 217 TGF-β 104, 171 –– passive Immunisierung 173
Selbst-Toleranz 115 TH0-Zelle 70 Tumorabwehr 169
Selektine 109, 112 TH1/TH2-Konzept 71 tumorassoziiertes Antigen 168
selektiver IgA-Mangel 229 TH1-Zelle 10, 12, 68, 69, 70, 71, 82, 84, 131 tumor infiltrating lymphocytes 173
Selen 212, 216 TH2-Zelle 10, 11, 12, 68, 69, 70, 71, 83, 84, 85 tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing
Selenmangel 216 TH3-Zelle 114 ligand). 48
SENIEUR-Alte 198 TH17-Zelle 10, 12, 68, 69, 70, 71, 82, 83, 129, 151 tumorspezifisches Antigen 168
septische Granulomatose 226 T-Helferzelle 71 Tumortherapie 171, 172, 173
Serin-Protease 155 –– Subpopulationen 71 –– immunologische 171
Serokonversion 74 Thrombocyt 17 –– T-Zell-basierte Therapie 173
Serologie 241 Thrombopenie 242 Tumorüberwachung 168
Serotonin 190 Thymidin 97 Tumorzelle 170
Serumkrankheit 137, 159 Thymocyten 8, 16, 25 –– Selektion durch das Immunsystem 170
severe combined immune deficiency 230, Siehe Thymus 7, 9, 24, 25, 26 T-Vorläuferzelle 25
SCID thymusabhängiges Antigen 72 Typ-1-Allergie 154, 157, 164
signal transducers and activators of transcripti- thymusunabhängiges Antigen 72 –– Nachweis 164
on 102, Siehe STAT TI-Antigen 72 Typ-1-Diabetes 144, 147, 151
Signaltransduktion 90 TLR-1 46 Typ-1-Interferone 105, 146
Signalverstärkung 90 TLR-2 45, 46, 146 Typ-2-Allergie 158, 159
Simultanimpfung 139 TLR-3 46, 57 Typ-2-Interferone 105
Sirolimus 186, 250 TLR-4 46, 146 Typ-3-Allergie 158, 159, 160
Snell, G. 256 TLR-5 46 Typ-3-Interferone 106
SOCS 102 TLR-6 46 Typ-4-Allergie 160, 161, 165
SOCS-Proteine 84 TLR-7 46, 64, 146 –– Nachweis 165
somatische Hypermutation 99 TLR-8 46, 146 T-Zell-Antwort 67, 68
somatische Rekombination 93 TLR-9 46, 57, 64, 146 T-Zell-Defekt 230
Spondolytis ankylosans 144 TLR-10 46 T-Zell-defiziente Mäuse 188
Sport 218 T-Lymphocyten 2, 49 T-Zelle 2, 7, 8, 11, 23, 58, 83, 113, 114, 115, 143,
Spurenelemente 212, 213 TNF-Rezeptor 107 151, 188
Stammzelle 18, 19 TNF-α 104, 110, 155 –– autoreaktive 151
–– Homing 18 TNF-α-Antagonisten 193 –– CD1-restringierte 58
Stammzellfaktor 18 Tocilizumab 253 –– cytotoxische 83
Stammzelltransplantation 174, 176 Toleranz 9, 12, 113, 115, 142 –– regulatorische 113, 114, 115, 143
Standardimmunglobuline 251 –– periphere 12, 142 T-Zell-Funktion 202
–– Substitutionstherapie 251 –– zentrale 9, 142 –– gestörte Funktion im Alter 202
Standardimpfung 138, 139 tolerogene Wirkung 171 T-Zell-Lymphome 247
Staphylococcus epidermidis 136 Toll-ähnlicher Rezeptor 45, 46, 145, 146 –– cutane 247
STAT 102 Toll-Hypothese 146 T-Zell-Reaktion 181
STAT-1-Defekt 224 Tollwutimpfung 139 –– auf fremdes HLA 181
STAT-Protein 105 Tollwutvirus 145 T-Zell-Reifung 24
Steinman, R. 21, 256 Tonegawa, S. 93, 256 T-Zell-Rezeptor 8, 92, 93
Strachan, D. 163 Tonsillen 10 T-Zell-System 201, 202
Streptococcus pyogenes 145 Totimpfstoff 138 –– im Alter 201, 202
Streptokokken 145 Toxoide 138 T-Zell-Zahl 231
Sulesomab 253 TPO 104 –– und Infektanfälligkeit 231
Superantigen 59, 146, 147 TRAIL 48
Superoxid-Dismutase 42, 43 Transfusionsreaktion 182
suppressors of cytokine signaling 84
surrogate light chains 22
transiente Hypogammaglobulinämie des Klein-
kindes 228
U
Synovia-A-Zellen 45 Transkriptionsfaktor 91 Ubiquitinierung 90
systemischer Lupus erythematodes 144, 150 Transplantatabstoßung 183 Universalempfänger 183
Transplantation 176, 185 Universalspender 183
–– allogene 176 uNK-Zelle 117, 118
270 Stichwortverzeichnis
Unterernährung 211
Ustekinumab 253
uterine natürliche Killerzelle 117, Siehe uNK-Zel-
le
V
Vaccination 13
variabler Immundefekt 229
Varizellenimpfung 139
VDJ-Rekombination 96
Viren 3, 27, 130
–– Immunantwort gegen Viren 130
Vitamin 212
Vitamin A 212
Vitamin-A-Mangel 212
Vitamin C 212
Vitamin-C-Mangel 212
Vitamin D 212
Vitamin D3 151
Vitamin E 212, 213
W
Wagner-Jauregg, J. 192
weiße Pulpa 29
Wiskott-Aldrich-Syndrom 231
X
X-chromosomal lymphoproliferatives Syn-
drom 231
XCR1 106
XC-Rezeptor 106
Xenotransplantat 178
Xenotransplantation 176, 177, 178
X-linked Agammaglobulinämie 226, 227, 228
–– Konduktorinnennachweis 228
X-linked autoimmunity-allergic dysregulation
syndrome 115
Z
Zelladhäsionsmolekül 109, 110
zentrale Toleranz 9, 22, 113, 142
Zink 212, 214, 215
Zinkernagel, R. 256
Zinkmangel 214, 215
Zinküberschuss 215
ZNS 188, 189
–– Kommunikation mit Immunsystem 188, 189
Zellen des angeborenen Immunsystems
T-Helferzelle Plasmazelle
cytotoxische T-Zelle
(CTL) Antikörper,
Immunglobulin (Ig)
regulatorische T-Zelle
(Treg)
B-Zelle
sonstiges
Thrombocyt R S Komplementkomponente C1
Erythrocyt
inaktiv
Komplementkomponenten C2–C5; B
Komplementkomponenten C6–C9
MHC-I-Molekül
Antigen (Ag)
MHC-II-Molekül
Virus